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Rescue me

When a dragon saves a puppy - Seto x Joey
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Musikinspiration für dieses Kapitel:

for him. – Troye Sivan, Allday

Spotify: https://open.spotify.com/track/5gBEdUKVZJgvQwNu8pIQqy?si=5yFaJou-SCa3Eo7KO8lTkA
YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=LDGC47F6k_4

We are runnin' so fast
And we never look back
And whatever I lack, you make up
We make a really good team
And not everyone sees
We got this crazy chemistry
Between us

And we take jokes way too far
And sometimes living's too hard
We're like two halves of one heart
We are, we are, we are

You don't have to say I love you to say I love you
Forget all the shooting stars and all the silver moons
We've been making shades of purple out of red and blue
Sickeningly sweet like honey, don't need money
All I need is you
All I need is you
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Rescue me... from going public

Nach Ende der Golden Week begann auch wieder die Schule. Es war das erste Mal nach ihrer Beziehungspause, dass Joey und Seto wieder gemeinsam zur Schule fuhren, und Joey hatte das Gefühl, so viel nachholen zu müssen, dass er kaum die Finger von Seto lassen konnte.

 

Als sie sich in die Limousine setzten, hielten sie die Fassade noch aufrecht. Jeder schnallte sich an, Seto setzte wieder seine unbeteiligte Miene auf, alles war wie immer. Doch kaum waren die Türen geschlossen und Seto hatte die dunkle Scheibe zum Fahrer hochgefahren, schnallte sich Joey wieder ab und setzte sich stürmisch auf Seto, während der Wagen sich in Bewegung setzte.

 

Joey wusste, dass sie im Schulalltag Abstand halten würden – zumindest noch, denn schon bald würde jeder es wissen, und bei dem Gedanken daran prickelte sein ganzer Körper. Bevor Seto auch nur ein Wort sagen konnte, nahm Joey dessen Gesicht in beide Hände und drückte seinen Mund fest auf seine Lippen. Das entlockte Seto ein leises, wohliges Seufzen und er zog Joey am Hinterkopf noch näher zu sich, krallte seine Hände in seine Haare. Joeys Zunge spielte mit der von Seto und immer wieder saugte er leicht an seiner Unterlippe.

 

Der Blonde löste den Kuss und bedeckte jeden Zentimeter von Setos Hals mit zarten Küssen. Dabei konnte er dessen beschleunigte Atmung nicht nur hören, sondern auch überall fühlen. „Das ist gefährlich, mein Hündchen“, hörte er Seto atemlos sagen, doch Joey unterbrach seine Liebkosungen nicht. 

 

„Hm?“, fragte der Blonde verwirrt, was Seto zu einem leisen Lachen verleitete. „Du könntest dich verletzen, so ganz unangeschnallt.“

 

Jetzt sah Joey doch auf, sein Blick verschleiert, doch hinter dem Nebel konnte er dennoch Setos wunderschöne, kräftig blaue Augen ausmachen. „Für das hier würde ich auch sterben, Seto.“

 

Setos Augen weiteten sich und er musste scharf die Luft einsaugen, und Joey legte ein verführerisches Lächeln auf. Dann ergänzte er: „Was ist? Willst du mich nicht aufhalten und mich retten?“

 

Seto leckte sich begierig über die Lippen, und noch immer die Augen fest auf Joey gerichtet, ging eine Hand unter dessen Shirt, streichelte die erhitzte Haut. „Nein, das Risiko gehe ich ein“, antwortete er und zog ihn in einen erneuten, leidenschaftlichen Kuss.

 

Als sie vor der Schule anhielten, krabbelte Joey von Setos Schoß und musste tief durchatmen. „Wir sollten noch einen Moment hierbleiben, meinst du nicht auch?“, fragte er grinsend, und Seto erwiderte es amüsiert. Dann antwortete er: „Wir sollten uns mal irgendwo hinfahren lassen, wo die Fahrt etwas länger dauert. Ich kann mir da so einiges vorstellen, was ich hier drin gern mal mit dir machen würde.“

 

Joey lachte auf. „Seto, wenn du nicht aufhörst, kann ich hier heute den ganzen Tag nicht aussteigen.“ Dann sah er seinen Drachen an, sein Blick hungrig. „Aber erzähl mir doch heute Abend mehr davon, ich bin sehr interessiert an deinen Ideen.“

 

„So, und wer hält jetzt hier wen davon ab, auszusteigen?“, fragte Seto, und Joey konnte sehen, dass auch er das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekam.

 

Als sie sich dann irgendwann doch entschlossen hatten, das Fahrzeug zu verlassen, ging Joey wie immer ein paar Schritte voraus und gesellte sich zu seinen Freunden, während Seto gebührenden Abstand einhielt. Der Blonde fragte sich, wie sich das wohl ändern würde, nach der Pressekonferenz. Wäre Seto dann immer noch auf Distanz? Oder könnten sie ihrer Sehnsucht dann auch endlich im Alltag nachgeben?

 

Im Moment verhielt sich sein Drache jedenfalls wie immer, was Joey regelmäßig in Staunen versetzte. Setos ausdruckslose Miene verriet nichts von dem, was sie noch vor wenigen Minuten im Auto getan hatten, und auch wenn Joey es ebenfalls schaffte, dass seine Freunde den Braten nicht rochen, so hatte er doch erhebliche Schwierigkeiten damit, dieses verliebte Grinsen aus seinem Gesicht zu vertreiben. Allerdings gab er sich auch nicht sonderlich viel Mühe, das musste er sich selbst durchaus eingestehen. Es gehörte zu ihm, genauso wie der Mann mit den eisblauen Augen.

 

Als Joey ihr Klassenzimmer betrat, wurde ihm sofort heiß und die Erinnerung an das vergangene Wochenende holte ihn ein. Um nicht komplett auszuflippen, hielt er seinen Blick fokussiert auf seinen eigenen Tisch, an den er sich nun setzte. Er schaute nach vorn zur Tafel und zwang sich krampfhaft, nicht nach hinten zu blicken. Die Lehrerin betrat das Klassenzimmer und der Unterricht begann, sodass es nun stiller im Raum wurde. Dann hörte er, wie Seto sich hinter ihm räusperte, nur ganz schwach, aber Joey wusste genau, wie er das zu interpretieren hatte. Dennoch probierte er alles, um der Versuchung zu widerstehen – nur um am Ende festzustellen, dass er nicht dagegen ankam.

 

Also gab er auf und warf einen Blick weiter nach hinten in den Raum, zu Setos Platz, wo sie unaussprechliche Dinge miteinander getan hatten. Setos Blick war vollkommen nach vorn gerichtet, er wirkte fast ein bisschen gelangweilt, und Joey musste ihm lassen, dass er sehr gut vorgeben konnte, zuzuhören. Aber dass er dabei sanft über seinen Tisch strich, zeigte ihm, dass Seto sich sehr wohl darüber bewusst war, wie Joey ihn gerade anstarren musste. Dann wurde er von Setos Augen fixiert und auch auf die Distanz konnte Joey erkennen, wie stürmisch das Blau darin war. Sein Herzschlag beschleunigte sich so sehr, dass er das Gefühl hatte, sein Herz würde ihm gleich aus der Brust springen. Was machte dieser Kerl nur mit ihm?

 

Schwer atmend wandte der Blonde sich ab und versuchte, sowohl seine Atmung als auch seinen Puls wieder einigermaßen unter seine Kontrolle zu bekommen. Er war sich ja schon bewusst gewesen, dass er diesen Raum nicht würde betreten können, ohne an diesen heißen Abend zurückzudenken, aber dass er doch so heftig reagierte, lag vor allem an Seto, der keine Miene verzog und mit dieser winzigen Geste die Hitze in Joeys Körper zurückbrachte. „Dieser verdammte Bastard...“, murmelte Joey in seinen nicht vorhandenen Bart und versuchte, sich auf die Stimme der Lehrerin zu konzentrieren. Leider war er damit wenig erfolgreich, weil ihre Stimme in seinen Gedanken immer wieder von einem anderen Geräusch ersetzt wurde: Setos heißem, unkontrollierbarem Stöhnen, das er niemals gänzlich aus seinem Kopf würde verbannen können.

 

Als es endlich Zeit für die Mittagspause war, war Joey heilfroh, endlich ein wenig Abstand von diesem Raum gewinnen zu können. Er konnte nur hoffen, dass er sich irgendwann wieder beruhigen würde, ansonsten würde das restliche Schuljahr noch anstrengender für ihn werden als es das sowieso schon war. Er ging mit seinen Freunden in Richtung Kantine, während Seto ihnen nicht folgte und mit seinem Handy in der Hand nach draußen ging. Joey seufzte auf. Der Braunhaarige war die letzten Tage sehr beschäftigt gewesen, offenbar weil er in der Zeit, in der sie getrennt gewesen waren, zu kaum etwas fähig gewesen war und er jetzt ausbügeln musste, was alles schief gelaufen war. Joey erinnerte sich nicht gern an diese Zeit, und Seto ging es vermutlich genauso. Der Schmerz hatte ihn so heftig erfasst, dass er Angst gehabt hatte, er würde ihn brechen, aber er hatte es irgendwie geschafft, die zwei Wochen ohne Seto zu überstehen. Na ja, jetzt, wo er so darüber nachdachte, hatte er sie überlebt, aber von tapfer durchstehen konnte eigentlich auch keine Rede sein. Joey hatte in seinem Leben schon wirklich viel durchgemacht, aber nichts, nicht mal die rohe Gewalt von seinem Vater, hatte ihm so den Boden unter den Füßen weggezogen. Er war einfach nur froh, dass es vorbei war, und er musste dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passierte. Dafür mussten sie allerdings beide etwas tun, angefangen bei offener Kommunikation. Und trotz aller Fortschritte, die sie wirklich gemacht hatten, war das sicherlich noch immer der Knackpunkt in ihrer Beziehung, vor allem, wenn Seto so beschäftigt war wie zur Zeit und sie sich kaum zu Gesicht bekamen.

 

„Hey, hallo, Joey, jemand zuhause?!“ Als er aus seinen Tagträumen erwachte, sah er in drei verwirrt dreinblickende Augenpaare. „Äh... was ist?“, fragte der Blonde verblüfft in die Runde.

 

„Wir haben dich jetzt schon ein Dutzend Mal angesprochen, Joey“, erwiderte Téa in anklagendem Tonfall. Dann hörte er Yugi sagen: „Du siehst bedrückt aus. Ist alles in Ordnung?“

 

„Hm, ja, alles okay“, erwiderte Joey grummelig, und als er in weiterhin sorgenvolle Gesichter blickte, war klar, dass er sie mit seinem halbherzigen Versuch nicht davon hatte überzeugen können. Und es ärgerte ihn auch ein bisschen, dass es so offensichtlich war. Eigentlich war es doch auch total absurd, sich so zu verhalten, nur weil Seto jetzt eben ein bisschen mehr zu tun hatte.

 

Genervt, vor allem von sich selbst, holte er sein Handy hervor und scrollte gedankenverloren durch die letzten Nachrichten, die sie sich geschickt hatten. Seinen Kopf hatte er auf einem Arm vor sich auf dem Tisch abgelegt. Vielleicht sollte er ihm schreiben? Aber wenn er gerade telefonierte, welchen Sinn hätte das? Aber vielleicht saß er ja auch schon wieder am Laptop, im Klassenraum?

 

Sofort, als er an dieses Zimmer zurückdachte, verdrängte er diesen Gedanken wieder, sonst würde das Gefühlschaos in seinem Kopf nur noch schlimmer werden. Also setzte er sich wieder auf und tippte eine Nachricht an Seto, nicht, ohne sich dabei absolut lächerlich vorzukommen.

 

‚Ist es bescheuert, dich gerade zu vermissen?‘

 

Es verging keine Minute, da blitzte schon eine Antwort auf seinem Display auf, die er überrascht öffnete.

 

‚Ein bisschen? Gehe auch gleich in die Kantine, aber wenn du wüsstest, was diese Volldeppen mit meiner Firma gemacht haben... manchmal möchte ich einfach schreiend wegrennen.‘

 

Joey gewann nun endlich sein Lächeln zurück. Ja, er konnte sich lebhaft vorstellen, was das mit Seto machte.

 

‚Lass dich nicht unterkriegen. Ich seh’ dich gleich. Setzt du dich dann mit zu uns?‘

 

Auf diese Nachricht erhielt er keine Antwort mehr – vermutlich war Seto schon wieder von anderen Sachen abgelenkt, die seine Firma betrafen. Vielleicht wollte er darauf auch einfach keine Rückmeldung geben. Immerhin hatte er sich bisher nie zu ihnen gesetzt, selbst nachdem sie es seinen Freunden erzählt hatten. Na ja, ein bisschen auf Wunder hoffen durfte man ja noch.

 

Also wandte sich Joey nun endlich wieder seinen Freunden zu, die in der Zwischenzeit ein Gespräch darüber angefangen hatten, wie sie die restlichen Tage der Golden Week verbracht hatten. Während Yugi seinem Opa beim Ausmisten seines Ladens geholfen und Téa mit Freundinnen einen Ausflug in die Berge gemacht hatte, war Tristan damit beschäftigt gewesen, sein Motorrad, das er sich gerade erst angeschafft hatte, blitzeblank zu polieren. „Und was hast du so gemacht, Joey?“, fragte Yugi.

 

„Na ja“, begann Joey zu erzählen, „Seto war die letzten Tage ziemlich beschäftigt, also hab‘ ich mit Mokuba eigentlich die ganze Zeit irgendwelche Konsolenspiele gespielt. Der Kleine ist echt talentiert, es war ziemlich egal, was wir gespielt haben, er hat immer gewonnen. Das hat mich echt angenervt, das kann ich euch sagen, aber wenigstens war er nicht so überheblich, wie sein Bruder es wäre, wenn er mich mal wieder besiegt hatte.“

 

„Ist das so?“, hörte er plötzlich Setos Stimme hinter ihm und konnte einen Hauch Belustigung raushören. „Tja, wenn man vom Teufel spricht“, hörte er Yugi lachen. Joey drehte den Kopf in Setos Richtung, der ein wenig unentschlossen im Raum stand. Mit den Augen wies Joey auf den Platz neben sich hin, der frei war, doch Seto bewegte sich keinen Zentimeter. Also atmete Joey tief durch, schloss kurz die Augen – nur um sie im nächsten Moment wieder zu öffnen und den besten Hundeblick aufzulegen, den er parat hatte. Seto, der die Arme vor dem Körper verschränkt hatte, seufzte auf, und während er sich auf den Platz neben ihm setzte, sagte er: „Du bist echt ein verdammter Hund, Joey.“

 

Joeys Siegerlächeln überstrahlte die verdutzten Mienen seiner Freunde, dass er sich tatsächlich mit an ihren Tisch gesetzt hatte, um ein Vielfaches. „Na und? Wenn ich mich dafür durchsetzen kann, ist es mir egal. Hast du schon was gegessen?“

 

Er wandte sich nun vollständig seinem Freund zu, der wie wild auf seinem Handy rumtippte. „Nein, keine Zeit.“

 

„Hier“, sagte Joey und schob ihm seine Bento-Box zu, die er heute früh zubereitet hatte. Manchmal tat er das, auch wenn er sich in der Regel mit dem Essen in der Kantine zufriedengab. „Ich hab‘ keinen Hunger mehr. Du hast doch heute schon nicht gefrühstückt, oder? Du hast dein Essen nicht angerührt und nur deinen Kaffee getrunken. Jetzt leg doch mal das Handy weg! Die paar Minuten wirst du doch wohl Zeit haben. Du solltest was zu dir nehmen, Seto.“

 

Der Angesprochene hob seinen Blick nicht an, war weiterhin darauf fokussiert, die Nachrichten in sein Handy zu tippen, als er sagte: „Du hörst dich schon an wie Mokuba.“

 

„Na und? Wir haben doch recht! Du hast doch schon die letzten zwei Wochen nicht gut gegessen. Na los, komm schon, wenigstens ein bisschen was.“

 

„Das musst du gerade sagen, als ob du dich die letzte Zeit so gut ernährt hättest. Iss deinen Fraß selber.“

 

Joey knurrte angesäuert auf. „Fraß? Ey, was ich koche, ist sicherlich kein Fraß! Im Gegensatz zu dir kann ich kochen!“

 

Seto seufzte auf. „Joey, du gehst mir echt auf die Nerven. Iss und sei froh, dass ich überhaupt hier sitze.“

 

„Oh, vielen Dank, Eure Hoheit, dass Ihr uns mit Eurer Anwesenheit beehrt! Und tut mir leid, dass ich mir eben Sorgen mache, dass du nicht genug isst. Von Kaffee allein wirst du auch nicht satt.“

 

„Ich werde meinen Hunger auch nicht stillen können, wenn meine Firma bankrott geht und ich kein Geld mehr verdiene.“

 

„Bist du bescheuert? Als ob das so einfach passieren würde, nur weil du Mittagspause machst.“

 

Als der Braunhaarige absolut keine Anstalten machte, darauf zu reagieren, riss Joey ihm das Handy aus der Hand. Seto glotzte ihn danach zunächst sprachlos und im nächsten Moment wütend an. „Gib das wieder her, Köter. Sofort!“

 

Der Blonde grummelte verärgert ob der Hundebeleidigung, dann antwortete er: „Erst, wenn du das hier gegessen hast!“

 

Als sie plötzlich die Gruppe um sich herum vergnügt lachen hörten, kam Joey wieder in der Realität an. Er hatte sich die letzten Minuten so sehr auf Seto konzentriert, dass er alles andere ausgeblendet hatte.

 

„Mann, ihr verhaltet euch ja jetzt schon wie so ein altes Ehepaar, das muss man euch lassen“, kicherte Tristan vom anderen Ende des Tisches und wischte sich die Lachtränen aus den Augen, und seine anderen Freunde taten es ihm gleich.

 

„Halt die Klappe!“, sagte Joey und merkte, dass Seto im gleichen Augenblick genau dasselbe gesagt hatte. Er sah Seto daraufhin verblüfft an, bevor er sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen konnte. Daraufhin wurde Setos Blick ein wenig sanfter.

 

Für eine Sekunde zögerte Joey, dann seufzte er und gab Seto das Handy wieder. Tristan hatte ja recht, sie verhielten sich wie kleine Kinder. Seto war erwachsen und Joey nicht seine Mutter. Wenn er nichts essen wollte, dann war es eben so. Doch zu seiner Überraschung zog Seto die Box zu sich heran, nahm die Stäbchen in die Hand und fing an zu essen. Joey lächelte und streichelte ihm kurz unauffällig über den Oberschenkel, bevor er die Berührung so schnell wieder löste, wie er sie aufgebaut hatte.

 

Auf einmal hörte Joey, wie sich jemand hinter ihm räusperte, und als er sich umdrehte, um zu schauen, woher das Geräusch kam, sah er Mitsuki, eine Mitschülerin von ihm, die in dieselbe Klasse ging. Sie schien nervös und aufgeregt zu sein, trat von einem Bein aufs andere und konnte kaum jemandem aus der Gruppe direkt in die Augen sehen. Ihre Arme hatte sie hinterm Rücken verschränkt und sie war rot wie eine Tomate im Gesicht.

 

Joey legte lässig einen Arm über die Stuhllehne, halb zu ihr umgedreht, als er sie verwundert ansprach. „Alles okay mit dir, Mitsuki? Können wir dir helfen?“

 

Sie sah kurz auf, blickte Joey für eine winzige Sekunde in die Augen, bevor sie den Blick sofort wieder abwandte. „Ja, ähm... Joey, könnte ich dich für einen Moment sprechen?“

 

„Äh, mich?“ Joey konnte seine Verwunderung nicht verstecken. Er hatte mit Mitsuki in diesem Schuljahr vielleicht eine Handvoll Worte gewechselt, als sie mal zusammen eine Gruppenarbeit machen mussten, ansonsten hatte er mit ihr eigentlich wenig Kontakt gehabt. Was konnte sie denn ausgerechnet von ihm wollen?

 

Sie nickte hektisch. „Also... unter vier Augen?“, fragte sie schüchtern.

 

Seto schien das überhaupt nicht zu gefallen, das konnte Joey sofort feststellen. Er sagte zwar nichts, aß auch weiter brav sein Essen, aber irgendwas an seiner Aura veränderte sich. Irgendwie wirkte er bedrohlich und unheimlich und Joey überkam eine unangenehme Gänsehaut.

 

Was immer Mitsuki auch wollte, es wäre unhöflich von Joey, sie nicht anzuhören, das wusste auch Seto. Und es wäre vermutlich wirklich besser, sie hier wegzubringen, bevor Seto noch Anstalten machte, sie Kaiba-mäßig runterzumachen. Also erhob er sich von seinem Platz und folgte ihr, noch immer mehr als verwirrt, in den Schulflur, wo sie vor den Schließfächern stehen blieben.

 

„Also, was ist los, Mitsuki?“ Joey verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie erwartungsvoll und gespannt an.

 

Sie spielte nervös mit ihren Händen, ihr Blick auf ihre Schuhe gesenkt. Er beobachtete, wie sie tief durchatmete und offenbar allen Mut zusammennahm und ihm nun in die Augen schaute. Mit entschlossener Stimme begann sie zu reden. „Also, ich weiß, dass das normalerweise eher die Jungs machen, aber... na ja, du bist beliebt unter den Mädchen, daher hatte ich das Gefühl, ich muss es jetzt machen, sonst verpasse ich vielleicht meine Chance.“

 

Als sie für einen Augenblick pausierte und sich wohl überlegte, wie sie fortfahren sollte, war Joey nun total durcheinander. Worum zur Hölle ging es denn hier? Und was meinte sie mit ‚er wäre beliebt unter den Mädchen‘? Wenn sie jetzt nicht endlich mal Klartext redete, würde Joey noch Kopfschmerzen kriegen.

 

Aber er versuchte, sich in Geduld zu üben, und schon im nächsten Moment sprach sie weiter. „Deswegen... wollte ich die Gelegenheit ergreifen und dich fragen, ob du... mit mir auf den Schulball gehst?“

 

„Hä? Welcher Schulball?“, fragte Joey und überlegte fieberhaft, worauf sie anspielen könnte. Da fiel es ihm plötzlich wieder ein. „Ach so, du meinst den Ball für die Abschlussklassen? Weil wir dieses Jahr unseren Abschluss machen?“

 

Sie nickte, schwieg aber. Einen kurzen Augenblick musste sich Joey sammeln, und gerade, als er den Mund öffnen wollte, um etwas zu sagen, wurde sie puterrot und verzog das Gesicht. „Du... du kannst es dir ja erst mal überlegen, du musst mir jetzt noch keine Antwort geben. Der Ball ist ja auch erst Ende Juni. Gib mir einfach irgendwann Bescheid, ja?“

 

Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, war sie mit schnellen Schritten verschwunden, und Joey war genauso schlau wie vorher. Im Schneckentempo und mit ausdrucksloser Miene machte sich Joey auf den Weg zurück in die Kantine. Als er sich wieder auf seinen Stuhl plumpste, wusste er noch immer nicht so genau, was er davon halten sollte, was gerade passiert war.

 

„Joey? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen“, sprach ihn Tristan an. „Was ist passiert, hat sie dir ihre Liebe gestanden?“ Tristan lachte kurz auf, aber als Joey ihn daraufhin direkt ansah, verstummte er sofort wieder. „Echt jetzt?“, fragte Téa, fast schon ein bisschen entsetzt.

 

Da fand auch Joey seine Stimme wieder. „Irgendwie sowas ist, glaube ich, gerade passiert, ja.“ Nun hüllte sich die komplette Gruppe in Schweigen, dann ergänzte Joey: „Also, nicht so richtig. Sie hat mich gefragt, ob ich mit ihr auf den Abschlussball gehe.“

 

Was?!“, kam es erstaunt von seinen Freunden. Der Blonde rang noch immer damit, seine Fassung vollständig zurückzugewinnen. Seto, der bisher weder etwas dazu gesagt noch ihn angesehen hatte, seit er wieder zur Gruppe gestoßen war, fragte ihn nun, die Augen weiterhin auf sein Essen vor sich gerichtet: „Und, machst du’s?“

 

Das war der Moment, in dem Joey nun final aus seinem Dämmerschlaf erwachte. Ungläubig schaute er Seto an, aber dann grinste er breit, bevor er antwortete: „Nicht, wenn du mit mir hingehst.“

 

Augenblicklich verschluckte sich Seto an den letzten Bissen des Essens, während der Rest der Gruppe in schallendes Gelächter ausbrach. Joey klopfte seinem Drachen ein paar Mal auf den Rücken, bis dieser sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Auch Joey lachte ein paar Mal auf, dann ergänzte er: „Nein, ich gehe nicht mit ihr hin. Aber ich will trotzdem mit dir da hin. Bitte?“ Und als Seto in seine Augen sah, da wusste Joey, er hatte ihn an der Angel – wie immer. Er hatte diesen Hundeblick einfach drauf und in den letzten Monaten bis zur absoluten Perfektion gebracht. Mittlerweile wusste er, dass Seto dem nicht würde widerstehen können.

 

Der Braunhaarige seufzte, gab dann aber nach. „Schon gut, du brauchst mich nicht so anzuschauen. Von mir aus komm ich mit, aber ich werde nicht tanzen, damit das mal klar ist.“

 

Joey strahlte bis über beide Ohren. „Geht klar. Geht ihr auch hin, Leute?“

 

„Äh, sicher“, sagte Yugi, der offenbar noch immer Probleme damit hatte zu realisieren, was hier gerade geschehen war. Auch alle anderen nickten verhalten, aber das reichte Joey im Moment als Antwort.

 

„Hast du ihr denn schon gesagt, dass du nicht mit ihr gehen wirst?“, fragte Yugi.

 

„Nein, sie ist abgehauen, bevor ich überhaupt was sagen konnte. Und ich hätte ihr ja schließlich auch nicht die ganze Wahrheit sagen können, oder?“ Er sah Seto an, der ihm zunickte. „Noch nicht, nein. Wobei sie es sich spätestens nächste Woche wohl denken können wird“, erklärte der Braunhaarige und Joey nickte gedankenverloren.

 

„Was ist nächste Woche?“, hörte er Téa interessiert fragen. Seto sah ihn verwundert an. „Hast du es ihnen noch nicht gesagt?“

 

Joey schüttelte den Kopf. „Noch nicht.“ Dann drehte er sich zu seinen Freunden und verkündete: „Wir wollen es öffentlich machen, das mit uns. In ein paar Tagen wird es eine Pressekonferenz geben, an der Seto und ich teilnehmen werden. Tja, und dann ist es raus, schätze ich.“

 

Allen seinen Freunden klappten die Kinnladen runter und Joey schaute sie amüsiert an. „Okay, ihr scheint sehr überrascht zu sein“, brachte er grinsend hervor.

 

„Ja, schon, irgendwie... ich hätte nicht gedacht, dass ihr das so schnell machen wollt“, sagte Yugi. Der Blonde zuckte nur mit den Schultern, dann erwiderte er: „Na ja, wir haben es auch erst vor ein paar Tagen beschlossen.“

 

Da schaltete sich Seto wieder ins Gespräch ein. „Wir müssen das auch noch gut vorbereiten, Joey. Ich gehe heute Nachmittag mit meiner Pressesprecherin zumindest in groben Zügen alles durch. Wann musst du diese Woche arbeiten? Wir sollten uns auch gemeinsam mit ihr treffen, damit du weißt, was auf dich zukommt.“

 

Joey nickte. „Wie wäre es morgen? Heute bin ich im Café, hab‘ aber den Rest der Woche frei.“

 

„Gut, dann morgen.“ Mit diesen Worten schob Seto ihm die nun leere Bento-Box zu, was Joey ein zufriedenes Lächeln entlockte, als er den Deckel wieder draufsetzte. Er sah Seto an und hatte plötzlich das unheimliche Bedürfnis, ihn zu küssen, und in seinen Augen konnte er sehen, dass es ihm wohl ähnlich ging. Doch zusätzlich zu diesem Gefühl spürte er eine Nervosität in sich aufkommen. Eigentlich freute er sich darauf, dass das Versteckspiel bald ein Ende haben würde, aber Seto stand in der Öffentlichkeit. Wie würde diese auf die Beziehung reagieren? Wie würde sich ihr Leben danach ändern? Und welche Auswirkungen könnte das auf das Image von Seto haben? Nicht alle Fragen würden sie abschließend klären können, bevor es so weit war. Joey hoffte einfach, dass alles gut gehen würde und sie damit nicht irgendwelche schlafenden Hunde weckten.

 

~~~~

 

Sein Hündchen war nervös, sehr sogar. Das war nicht schwer zu erkennen. Schon den gesamten Morgen rannte er auf und ab und hatte sich ein neues T-Shirt angezogen, immer wenn das alte durchgeschwitzt war – und das schon ganze drei Mal. Natürlich war es auch für Seto aufregend, aber er war an den Umgang mit der Presse gewohnt. Außerdem hatten sie sich mehrere Male mit seiner Pressesprecherin, Ms. Tsukiyama, getroffen, waren die wichtigsten Fragen durchgegangen, die sie erwarten würden. Ja, selbst die richtig fiesen Fragen hatten sie besprochen. Er kannte das Gesocks von der Presse gut genug, um zu wissen, dass Gefühle denen wirklich am Arsch vorbei gingen. Sie hatten sich auf alle Eventualitäten vorbereitet, es konnte nichts schief gehen – außer Joey verlor die Nerven. Das war die einzige Variable, die Seto nicht bis ins letzte Detail planen konnte.

 

Als er Joey dabei beobachtete, wie er sich erneut das T-Shirt über den Kopf zog und das nunmehr vierte Shirt herausholen und anziehen wollte, stoppte er ihn. Vielleicht sollte er sich erst mal kein weiteres mehr überziehen, sonst wären keine mehr übrig, wenn es Zeit war, sich auf den Weg zu machen.

 

Also ging er auf sein Hündchen zu, das gerade Anstalten machte, in ihr Ankleidezimmer zu gehen – in ihrem gemeinsamen Apartment, und dieser Gedanke würde Seto wohl auf ewig eine verdammte Gänsehaut verpassen. 

 

„Joey, komm her.“ Der Blonde sah eingeschüchtert aus, als Seto ihm seine Arme hinstreckte und ihn in eine feste Umarmung zog. Er hatte ihn davon abgehalten, das nächste T-Shirt anzuziehen, was bedeutete, dass er seine nackte Haut überall spüren konnte, selbst durch seine eigene Kleidung hindurch, und er musste sich arg zusammenreißen, das nicht auszunutzen. Aber er wusste, das würde Joey jetzt wohl nur noch nervöser machen, also streichelte er ihm stattdessen durch die glänzend blonden Haare und versuchte, ihm die Ruhe zu geben, die er so dringend benötigte.

 

Er zitterte, nur ganz leicht, aber Seto konnte es doch wahrnehmen. Er küsste ihn auf den Kopf und verstärkte die Umarmung noch. Dann sagte er: „Es wird alles gut werden, mein Hündchen. Ich bin da, Ms. Tsukiyama ist da, und wir werden beide einspringen, wenn etwas ist. Hab‘ einfach ein wenig Vertrauen.“

 

Doch das schien überhaupt nicht zu helfen. Joey war das reinste Nervenbündel, und auch wenn Seto verstehen konnte, dass das eine aufregende und neue Situation für ihn war, so konnte er doch die so heftige Reaktion nicht ganz nachvollziehen.

 

Er nahm Joeys Gesicht in beide Hände, zog ihn so, dass er ihn ansehen musste, und konnte die Sorge in seinen Augen sehen. Er strich ihm eine Haarsträhne aus der Stirn, dann fragte er: „Wovor hast du so Angst, mein Hündchen?“

 

Joey seufzte und löste sich von ihm, fuhr sich mit der Hand durch die Haare, als er ihm den Rücken zudrehte. Es war für einige Sekunden still, dann brach der Blonde das Schweigen.

 

„Ich habe keine Angst um mich selbst, Seto. Ich bin nicht derjenige, der einen Ruf zu verlieren hat. Ich will keine Belastung für dich sein. Was ist, wenn es dein Image oder deine Firma beeinflusst? Oder sogar Mokuba? Was ist, wenn das seine Karrierechancen mindert? Ist es das wert, Seto, bin ich das wirklich wert? Sollten wir es nicht lieber lassen? Ich... ich könnte es verstehen, wenn wir es für immer verheimlichen müssten. Wenn das der Preis ist, den ich zahlen muss, damit ich mit dir zusammen sein kann, dann tue ich das gern. Ich will nur nicht, dass es negative Konsequenzen für dich hat.“

 

Während seines gesamten Monologs hatte Joey sich nicht wieder zu ihm umgedreht. Seto seufzte auf. „Joey, sieh mich an. Bitte.“

 

Zögerlich drehte der Blonde sich zu ihm um, sein Blick noch immer wie von einem scheuen Reh. Seto sah ihn durchdringend an, sammelte sich, ordnete die Worte in seinem Kopf. Er musste Joey Sicherheit geben, und genau das würde er jetzt tun.

 

Er atmete noch einmal tief durch, dann sagte er: „Wenn es so sein sollte, wie du sagst, dann wäre es eben so. Denn das ist der Preis, den ich zu zahlen bereit bin. Um Mokuba brauchst du dir schon mal keine Sorgen machen – er wird sowieso in die KaibaCorp einsteigen, sobald er alt genug ist. Er ist ein schlauer Junge, und zäh, auch wenn er nicht so aussehen oder sich so verhalten mag. Er ist sich bewusst darüber, was diese News für Wellen schlagen könnten, aber er hat nicht eine Sekunde gezögert, uns geradeheraus zu sagen, dass er uns unterstützt, dass er mehr als bereit für alles ist, was kommt.“

 

Seto ging einen Schritt auf Joey zu, der ihm wie gebannt ins Gesicht sah, und legte eine Hand auf dessen Wange, liebkoste sie sanft. „Und was mich betrifft, ich bin ein noch härterer Brocken. Wenn du glaubst, dass mich so ein paar Pressevertreter kleinkriegen, dann kennst du mich aber wirklich schlecht. Ich weiß, dass das Aasgeier sind, alle miteinander, süchtig nach der nächsten Story und dem nächsten Skandal. Für mich sind das keine Menschen. Ich lege weder wert auf deren Meinung, noch vertraue ich auf deren Kompetenz, bestimmte Situationen einschätzen zu können. Wenn ich so darüber nachdenke, ist es eine Zumutung, das Wort Kompetenz überhaupt in einem Satz mit diesen Widerlingen zu verwenden. Blöderweise muss ich mich dennoch professionell verhalten, denn du hast recht, eine gewisse Macht haben sie.“

 

Nach seinen letzten Worten sah Joey irgendwie noch verletzlicher aus. Also hob er dessen Kinn an, bevor er mit bestimmter Stimme weitersprach. „Joey, mach dir keine Sorgen. Spielen wir das doch mal durch. Was ist der Worst Case? Hetze gegen mich und meine Firma, weil ich einen Mann liebe? Das kann passieren, und vielleicht wird es das auch, aber dafür hat Ms. Tsukiyama bereits Vorkehrungen getroffen und eine Pressemitteilung verfasst, die deutlich zu verstehen gibt, dass Homophobie in meiner Firma keinen Platz hat. Könnte uns das Umsatz kosten? Vielleicht. Ich bin mir auch darüber bewusst, dass es in Japan noch immer sehr viele Menschen gibt, die die Liebe zwischen zwei Männern verurteilen. Aber weißt du was? Die Generation, die meine Spiele kauft, tut das nicht, oder nicht mehr in dem Maße, wie es die Älteren tun. Und die sind sowieso nicht meine Zielgruppe. Außerdem mache ich mittlerweile deutlich mehr Umsatz außerhalb von Japan, also nehmen wir rein theoretisch mal an, Japan fällt als Markt weg – was nicht passieren wird, nur um das mal in aller Deutlichkeit klarzustellen. Dann gibt es immer noch viele andere Märkte, die das auffangen können. Darüber hinaus würde ich, selbst für den Fall, dass das passiert, keine Mitarbeiter in Japan entlassen. Weil ich weiß, dass sich in sechs Monaten sowieso niemand mehr daran erinnert, wenn ich das nächste KI-Spiel rausbringe, nach dem die Kids sich die Finger lecken werden.“

 

Joeys Erstaunen war ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, aber da er noch immer nichts sagte, fuhr Seto fort. „Joey, ich liebe dich. Und wenn irgendjemand da draußen ein Problem damit hat, dann soll er halt meine Spiele nicht mehr kaufen. Aber ich werde nicht hier stehen und so tun, als würde diese Liebe mir nicht alles bedeuten. Als würdest du nicht existieren. Ich stehe zu dir und zu unserer Beziehung und fühle mich außerdem exzellent auf alles vorbereitet, was kommen könnte. Glaub‘ mir, ich habe schon so einiges durchgemacht, hatte schon das ein oder andere Mal schlechte Presse, und ich meine, mittlerweile gut einschätzen zu können, wie sich etwas entwickelt. Ich glaube nicht, dass es so ein großes Drama wird, wie dein Kopf es dir gerade versucht einzureden. Und wie du siehst, habe ich alles logisch durchdacht.“

 

Er legte seine Stirn an Joeys, sog seinen Duft ein und schloss die Augen. „Ich bin da, Joey. Du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen, auch nicht um Mokuba oder meine Firma. Ich habe es dir einmal gesagt und ich sage es dir wieder: Ich würde alles für dich aufgeben. Also selbst für den Fall, dass meine Firma den Bach runtergehen würde – was, noch mal, nicht passieren wird – bleibe ich an deiner Seite. Für immer. Weil ich dich liebe, mein Hündchen, und es nichts Wichtigeres gibt als dich. Du und Mokuba, ihr seid meine Familie, und wir beide wissen besser, als jeder Idiot da draußen, wie wichtig Familie ist. Zwischen uns passt kein Blatt Papier, Joey. Nichts wird mich jemals davon abhalten können, mit dir zusammen sein zu wollen.“

 

Als Seto seinen Kopf wieder hob, sah er, wie Tränen Joeys Wangen hinab flossen. Er strich sie ihm lächelnd weg, eine nach der anderen, dann zog ihn Joey stürmisch in eine Umarmung.

 

„Verdammt, Seto, ich hab‘ dich nicht verdient. Du bist viel zu gut für mich.“

 

Seto drückte Joey wieder enger an sich und genoss das Gefühl von ihm an seiner Haut. „Natürlich hast du mich verdient. Wir haben uns beide verdient. Und heute zeigen wir das der Welt. Okay?“

 

Joey löste sich von ihm und sein Lächeln war zurückgekehrt, das Seto sofort umhaute. Diese goldenen Augen machten ihn immer sprachlos, was witzig war, wo er doch gerade einen stundenlangen Monolog gehalten hatte. Aber für Joey würde er alles tun, jeden Stein umdrehen, jeden Weg gehen. Was auch immer das für Konsequenzen haben würde.

 

Während der Fahrt in der Limousine hielt Seto fest Joeys Hand, streichelte sie unnachgiebig, um Joey das Gefühl zu geben, sicher zu sein und sich vor rein gar nichts fürchten zu müssen. Er ließ ihn nicht aus den Augen, und Joey erwiderte unablässig seinen Blick. Seto war vor Pressekonferenzen nie wirklich aufgeregt gewesen, aber es hatte ja auch bisher niemals einen emotionalen Bezug gegeben. Er würde es tunlichst vermeiden, es Joey offen zu zeigen, aber in diesem Moment war auch er ein wenig nervös. Doch durch die vorherige intensive Vorbereitung hatte er auch das Gefühl von Sicherheit gewonnen, sodass ihn nichts zu stark aus der Ruhe bringen würde.

 

Die Limousine hielt an, und Seto wusste, sie waren vor dem Hotel angekommen, in dessen Konferenzsaal sie die Pressekonferenz abhalten würden. Bevor sie ausstiegen, wandte er sich ein letztes Mal an Joey. „Bereit?“

 

Sein Hündchen lächelte ihn an und verzauberte ihn damit, wie nur er es konnte. „Nein. Ich möchte schreiend wegrennen, wenn ich ehrlich bin. Aber ich laufe vor keiner Herausforderung weg. Das ist einfach nicht mein Stil.“ Er grinste und Seto zog ihn ruckartig zu sich ran, was ihm dem Blonden ein überraschtes Keuchen entlockte.

 

Setos Lippen waren nur noch wenige Zentimeter von Joeys Mund entfernt, er konnte seinen warmen Atem schon in seinem gesamten Gesicht, ach, in allen Zellen seines Körpers spüren. Seto streichelte Joey zärtlich am Rücken, als er sagte: „Ich weiß, mein Hündchen, und das bewundere ich sehr an dir. Und jetzt will ich endlich allen Menschen da draußen zeigen, dass du zu mir gehörst.“

 

Er beobachtete, wie Joeys Augen leicht feucht wurden, als er ihn in einen hingebungsvollen Kuss zog. Er schloss fest die Augen, um diesen Moment noch mal in vollen Zügen zu genießen, bevor sie sich selbst den Löwen zum Fraß vorwarfen. Als er sich von dem Blonden löste, da konnte er ihn wieder ganz stark in dessen Augen sehen – den Kampfgeist und den Willen, niemals aufzugeben, komme, was da wolle.

 

Sie stiegen aus dem Wagen, Joey auch auf seiner Seite des Autos, und sofort wurden sie von Fotografen und Journalisten umringt. Nur kurze Zeit später waren seine Sicherheitskräfte vor Ort, dessen Anzahl er vor der Pressekonferenz noch mal deutlich aufgestockt hatte, und schirmten sie beide von dem Trubel ab. Er konnte sehen, dass Joey das wieder ein bisschen einschüchterte, also legte er ihm einen Arm über die Schulter und zog ihn etwas näher zu sich ran. Es wäre sowieso sinnlos, jetzt noch groß Abstand zu halten, wenn sie eh vorhatten, es in wenigen Minuten publik zu machen.

 

Er zog Joey mit sich zum Eingang des Hotels, und während des gesamten Weges klammerte sich der Blonde regelrecht an ihn. Irgendwie fühlte sich das echt verdammt gut an, auch wenn er sein Hündchen ungern so sah. Aber den Beschützer zu spielen, lag ihm wohl einfach im Blut, das hatte er bei Mokuba ja auch schon oft gemacht. Aber bei Joey war das Gefühl dennoch ein wenig anders. Es war intensiver, irgendwie, auch wenn er gar nicht so richtig erklären konnte, warum, weil er genauso für Mokuba in die Bresche springen würde.

 

In einem Vorzimmer zum Konferenzsaal trafen sie auf Ms. Tsukiyama, die sie freundlich lächelnd begrüßte. Joey und Seto hatten sich mittlerweile voneinander gelöst, liefen aber immer noch dicht beieinander. 

 

„Mr. Kaiba, Mr. Wheeler, guten Abend. Es ist alles vorbereitet. Keine bösen Überraschungen, zumindest bisher.“ Sie verstärkte ihr Lächeln erneut und Seto nickte ihr zu. Sie war eine der wenigen Mitarbeiterinnen in seiner Firma, auf die er sich voll und ganz verlassen konnte. Sie war wirklich hervorragend in ihrem Job und hatte schon die ein oder andere Krise abwenden können. Sie ging immer recht zaghaft in die jährlichen Gehaltsverhandlungen, und Seto gab ihr immer, was sie verlangte. Das machte er vielleicht mit einer Handvoll Mitarbeiter in seinem gesamten Unternehmen so, und jeder wusste, dass das wohl das größte Kompliment war, dass Seto ihnen geben konnte. Allerdings durfte niemand erwarten, mehr zu kriegen als er selbst für sich aushandelte. So weit würde er dann doch nicht gehen.

 

Er atmete tief durch und griff Joeys Hand, der überrascht zu ihm aufsah. Er drückte seine Hand ein bisschen und lächelte ihn an, und sein Hündchen erwiderte es siegessicher. Dann lösten sie sich wieder voneinander und folgten Ms. Tsukiyama in den Konferenzsaal.

 

Es war eine kleine Bühne aufgebaut worden, mit drei Stühlen an einem langen Tisch. Ms. Tsukiyama setzte sich auf den Stuhl, der am weitesten weg vom Eingang stand, Seto nahm in der Mitte Platz, Joey rechts neben ihm. Wie üblich eröffnete Ms. Tsukiyama die Pressekonferenz.

 

„Vielen Dank, auch im Namen von Mr. Kaiba und der KaibaCorp, dass Sie heute so zahlreich erschienen sind.“ Alle drei verbeugten sich leicht, um der Begrüßung einen noch seriöseren Ausdruck zu verleihen. Seto verachtete diese typisch japanischen Höflichkeitsfloskeln, aber wenn sie ihn an sein Ziel brachten, beugte er sich dem gern.

 

„Zunächst wird Mr. Kaiba ein paar Worte an Sie richten und auflösen, warum wir diese Pressekonferenz so kurzfristig angesetzt haben. Danach werden Sie Zeit bekommen, Fragen zu stellen.“

 

Sie nickte ihm zu, was sein Stichwort war, loszulegen. Im Hintergrund waren sehr viele Geräusche zu hören – sei es ein Rascheln von Papier, das Klicken von Stiften, oder Kamerageräusche, der Raum war erfüllt von den verschiedensten Tönen, selbst dann, wenn überhaupt niemand sprach.

 

Seto räusperte sich, dann begann er zu sprechen. „Guten Abend. Auch von mir noch einmal vielen Dank, dass Sie Platz in Ihren sicherlich vollen Terminkalendern gefunden haben, um heute hier zu sein. Tatsächlich möchte ich heute keine Verkündung meine Firma betreffend machen. Stattdessen handelt es sich um eine persönliche Ankündigung. Selbstverständlich werden Sie, wie Ms. Tsukiyama bereits erwähnt hat, die Möglichkeit erhalten, dazu Fragen zu stellen, genau deswegen haben wir uns auch für eine Pressekonferenz und nicht für eine einfache Pressemitteilung entschieden.“

 

Damit war er fertig mit der Einleitung und wusste, dass nun der deutlich schwerere Teil folgen würde. Er linste zu Joey rüber und war erstaunt zu sehen, wie gefasst er wirkte. Sein Blick war nach vorn gerichtet, und auch wenn er ihm gerade nicht in die Augen sehen konnte, so zeugte seine ganze Aura davon, dass er hier nicht kampflos aufgeben würde – sofern es überhaupt einen Kampf geben würde.

 

Nun blickte auch Seto wieder in die Masse der Journalisten, die voller Erwartung auf ihn schauten. Noch ein letztes Mal sog er die Luft tief ein und ließ sie erneut aus seinen Lungen ausströmen, dann gab er die Erklärung ab, wegen der sie alle heute hier waren.

 

„Der Mann zu meiner Rechten ist Joey Wheeler. Wir sind heute hier, um bekannt zu geben, dass wir ein Paar sind.“

 

Er sah sich im Raum um und ließ diese Information erst mal in den Köpfen aller sacken. Eigentlich gab es auch nicht so richtig viel mehr dazu zu sagen. Er konnte spüren, wie sich die Atmosphäre im Saal veränderte. Offenbar hatte niemand mit so einer Ankündigung gerechnet, und die Überraschung und das Erstaunen darüber waren deutlich spürbar. Es war vielleicht für fünf Sekunden still, dann ergriff der erste Halsabschneider aus dem Publikum das Wort.

 

„Mr. Kaiba, können Sie uns sagen, wie lange Sie schon zusammen sind und wo Sie beide sich kennengelernt haben?“

 

Gut, es fing gediegen an, das sollte Seto nur recht sein. Er nickte und beantwortete die Frage. „Wir sind Klassenkameraden und in den letzten Monaten Freunde geworden. Und dann führte eins zum anderen.“ Er würde es so vage lassen und scheinbar war das auch okay so, weil sich die Journalisten jetzt ganz offensichtlich wie die Hyänen auf ihn stürzten, um mehr Informationen zu bekommen. Sie schrien alle durcheinander und Ms. Tsukiyama hatte alle Hände voll zu tun, Ordnung in das Stimmenwirrwarr zu bekommen.

 

Dann richtete ein weiterer Journalist eine Frage an ihn. „Mr. Kaiba, man erzählt sich, Sie beide wohnen schon zusammen?“

 

Seto setzte sein übliches arrogantes Grinsen auf. Sie hatten natürlich vorher verkündet, dass Joey an der Pressekonferenz teilnehmen würde, deswegen war es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich dieser Abschaum über sein Hündchen informiert hatte. Immer noch nichts, was er nicht mit Leichtigkeit beantworten könnte.

 

„Das ist korrekt, wir wohnen seit einigen Monaten zusammen.“ Das sorgte offenbar für einige Unruhe im Saal, weil sich die Stimmen der Journalisten schon wieder gegenseitig zu übertönen versuchten. „Mr. Kaiba, können Sie uns sagen, wie es dazu gekommen ist, dass Sie zusammen wohnen? Waren Sie schon ein Paar, als Sie zusammengezogen sind?“

 

„Nein, damals noch nicht. Sagen wir einfach so, Mr. Wheeler war ein Freund in Not und ich habe ihm Unterschlupf gewährt.“ Mehr würde Seto dazu nicht sagen, weil es diese Vollidioten nämlich auch verdammt noch mal nichts anging. Wie immer bei solchen Veranstaltungen hatte er schwer damit zu kämpfen, nicht genau sowas auch laut auszusprechen, aber er musste professionell bleiben. Und da raste auch schon die nächste Frage auf ihn zu.

 

„Mr. Kaiba, wann haben Sie gemerkt, dass Sie schwul sind?“

 

Selbstverständlich hatte er sich auch auf diese Frage entsprechend vorbereitet und sich eine passende Antwort überlegt, die ihm auch ein bisschen Spaß bringen würde. Mit gespieltem Erstaunen hob Seto eine Augenbraue an, bevor er antwortete: „Wer sagt, dass ich schwul bin?“ Das führte zu überraschten Gesichtern im Saal, und er musste sich arg zusammenreißen, nicht zu grinsen. Genau diese Reaktion hatte er erwartet, sein Plan war perfekt aufgegangen.

 

„Äh, na... Sie sind doch mit einem Mann zusammen, richtig?“

 

Seto nickte. „Korrekt, mit einem Mann. Andere Männer, oder sagen wir einfach Menschen, egal welchen Geschlechts, sind mir egal. Ich war nie und werde nie mit jemand anders in einer Beziehung sein als mit Mr. Wheeler.“

 

In diesem Augenblick hörte er Joey neben sich abrupt einatmen. Er konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie er ihn mit demselben Staunen ansah wie auch ihr Publikum. Ein wenig hatte Seto gehofft, diese Reaktion aus ihm herauskitzeln zu können. Was er gesagt hatte, war mehr als wahr und es war seine Art, der Welt zu sagen, dass es für alle Zeit nur Joey an seiner Seite geben würde.

 

„Wie können Sie sich da so sicher sein, Mr. Kaiba?“

 

Seto zuckte mit den Schultern. „Ich bin es einfach, da müssen Sie auf mein Urteilsvermögen vertrauen.“

 

Und in just diesem Augenblick wandten sich die Anwesenden mit ihren Blicken von ihm ab und schauten Joey an, und Seto hatte das Gefühl, sie würden ihn gleich mit all ihren Fragen bei lebendigem Leibe auffressen.

 

~~~~

 

Joey dröhnte der Kopf. Die Geräusche im Saal erzeugten ein ständiges Hintergrundrauschen, jeder fiel dem anderen ständig ins Wort und es war ihm einfach zu laut und zu stickig. Vielleicht war er auch einfach mit der Gesamtsituation überfordert, aber er versuchte, es sich nicht so sehr anmerken zu lassen.

 

Im Gegensatz zu dem, wie er sich fühlte, sah Seto absolut kontrolliert aus. Routiniert und wie sie es besprochen hatten, beantwortete er die Fragen der Journalisten. Nur die letzte Frage nach seiner sexuellen Orientierung hatten sie so im Detail nicht vorab geklärt, zumindest nicht, als er dabei gewesen war, und als er hörte, wie Seto sie beantwortete, da liebte er ihn noch ein bisschen mehr, falls das überhaupt möglich war. Er sah tatsächlich für einen Moment irritiert aus, als ihm diese Frage gestellt wurde. Als wäre das so absurd zu fragen. Eigentlich konnte er es sogar gut nachvollziehen. Wäre er ein Journalist, er hätte diese Frage auch gestellt. Immerhin war Seto wohl einer der bekanntesten Junggesellen der Stadt, wenn nicht sogar ganz Japans, und jetzt war er plötzlich vom Markt – und dann auch noch mit einem Mann zusammen. War doch eigentlich klar gewesen, dass das zu Fragen führen würde. Oder hatte er die Journalisten mit dieser zunächst ausweichenden Antwort aufs Glatteis führen wollen? Er konnte sich kaum vorstellen, dass Seto, der sonst immer alles bis ins kleinste Detail durchdachte, die Antwort auf diese Frage nicht vorbereitet hatte.

 

Er spürte, wie sich die Aufmerksamkeit langsam von Seto auf ihn selbst verlagerte, und wie hungrige Raubtiere blickten die Journalisten ihn jetzt an. Joey musste hart schlucken und wappnete sich für das, was jetzt kommen würde.

 

„Mr. Wheeler, wie war das bei Ihnen? Wann haben Sie gemerkt, dass Sie schwul sind?“

 

Joey sah rüber zu Seto, der ihm direkt in die Augen schaute, sein Blick ein wenig sanfter als zuvor, wo er noch der Mittelpunkt des Geschehens gewesen war. Er verlor sich im Eisblau seiner Augen und fühlte diese unheimliche Verbindung zu seinem Drachen, die niemals, durch nichts, durchbrochen werden könnte. Fast wie in Trance begann Joey, die Frage zu beantworten, ohne seinen Blick von Seto zu lösen – der seine Augen ebenfalls nicht abwandte.

 

„Eigentlich hat Seto... ich meine, Mr. Kaiba, gerade schon die perfekte Antwort gegeben. Ich habe mich vor ihm noch nie zu irgendjemandem hingezogen gefühlt, egal welchen Geschlechts.“ Er lächelte Seto kurz an, und für jeden im Saal war deutlich erkennbar, wie viel Liebe in diesem Blick steckte. Mit einem tiefen Atemzug nahm er allen Mut zusammen, um noch offener zu sprechen. Er blickte zurück in die Menge, die ihn neugierig angaffte.

 

„Wenn ich ehrlich bin, war ich davon selber ziemlich überrascht. Es ist kein großes Geheimnis, dass wir uns nicht leiden konnten, bis wir es irgendwann doch konnten. Und jetzt würde ich nicht mehr ohne ihn leben wollen, nicht mal für einen einzigen Tag.“ Joeys zartes Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen, als er Seto neben sich scharf einatmen hörte. Sollten sie es doch alle wissen, was er für ihn empfand. Er schämte sich nicht für seine Gefühle.

 

Wieder endloses Durcheinandergebrabbel, dann die nächste Frage. „Mr. Wheeler, sind Sie nur hinter Mr. Kaibas Geld her?“ Diese Frage hatten sie in ihrer Vorbereitung zwar angerissen, aber nun, da sie gestellt wurde, erschütterte sie ihn dennoch ein wenig.

 

Er hörte, wie Ms. Tsukiyama sich räusperte und das Wort ergriff. „Mr. Wheeler wird diese Frage nicht...“

 

„Doch, das ist kein Problem“, unterbrach der Blonde sie. Ja, es hatte ihn kurzzeitig aus dem Konzept gebracht, und während er auf seine ineinander verschränkten Hände blickte, hatte er sich einen Moment sammeln müssen. Doch dann blickte er auf und war sich plötzlich einfach sicher, was er sagen musste. Seitdem Seto das vorhin gesagt hatte, dass er ihn und nur ihn in seinem Leben haben wollte, fühlte Joey das Gefühl von Erleichterung. Dass er das so offen und ehrlich ausgesprochen hatte, vor Menschen, die ihm nichts bedeuteten, das war alles für Joey, der ultimative Liebesbeweis. Und er würde sich jetzt revanchieren, mit allem, was er an Antworten geben konnte. Also ließ er sein Herz sprechen und schaltete den Kopf aus.

 

„Ich finde, Ihre Frage ist absolut berechtigt. Sie werden sich über mich informiert haben, über meinen familiären Hintergrund. Den Gerichtsprozess werden Sie alle verfolgt haben. Es ist also nicht schwer, anzunehmen, ich wäre nur wegen des Geldes mit ihm zusammen. Aber ich kann Ihnen versichern, das bin ich nicht. Selbst wenn er arm wie eine Kirchenmaus wäre oder plötzlich nichts mehr hätte, würde ich ihn nicht verlassen. Niemals.“

 

Schon wieder hörte er die Menge wild durcheinander schreien. Waren sie bei Seto auch so ungestüm gewesen? Möglich, aber Joey kam es jetzt noch intensiver vor. Aber er hatte nichts zu verstecken und war bereit, offen über seine Gefühle zu sprechen, so es denn notwendig und sinnvoll wäre.

 

„Wie können Sie da so sicher sein, Mr. Wheeler?“

 

Joey lächelte. „Ich könnte Ihnen jetzt dieselbe Antwort geben, die Mr. Kaiba Ihnen dazu gegeben hat, aber lassen Sie mich das noch ein bisschen näher ausführen.“ Bevor er weiter sprach, sah er zu Seto rüber, noch immer breit lächelnd, und konnte sehen, wie verblüfft er war. Und ehrlich, konnte Joey ihm das verübeln? Er war ja selbst total baff, wie frei er plötzlich sprechen konnte. Allerdings schien Seto nichts gegen seine Offenheit zu haben, ganz im Gegenteil – es sah eher danach aus, als wäre er fasziniert davon. Joey konnte den Blick nicht abwenden, selbst während seiner nachfolgenden Worte nicht.

 

„Ich bin mir so sicher, weil wir zusammen durch die Hölle gegangen sind. Weil er mich rettet, wie nur er mich retten kann. Wie Sie mittlerweile wissen werden, durch die Informationen, die während des Gerichtsprozesses gegen meinen Vater publik wurden, bin ich in keinem sehr liebevollen Umfeld groß geworden. Im Gegenteil, ich hatte mit einem Vater zu kämpfen, der nicht nur ein notorischer Trinker war, und vermutlich noch immer ist, wenn man ihm das Zeug auch im Gefängnis gibt, sondern auch gewalttätig. Ich habe großartige Freunde, die mir immer zur Seite gestanden haben, aber er war die erste Person gewesen, der ich mich voll und ganz geöffnet habe und der mir die Möglichkeit gegeben hat, damit abzuschließen.“

 

Joey spürte, wie ihm die ersten Tränen über die Wangen liefen, aber er konnte nicht aufhören zu sprechen. Er war wie im Rausch, und er richtete alle Worte, die er sagte, mehr an Seto als an das Publikum, was erstaunlich war, war er doch vor dem Ganzen hier so überragend nervös gewesen, dass er gedacht hätte, er würde kaum ein Wort rausbekommen. Und jetzt fühlte es sich irgendwie so leicht und natürlich an, den Worten freien Lauf zu lassen.

 

„Er ist der wichtigste Mensch in meinem Leben. Weil er mich kennt und weil er mich sieht, wie ich wirklich bin. Er behandelt mich mit Respekt und Anstand und achtet meine Gefühle und Wünsche.“ Dann musste er kurz auflachen und sah ins Publikum, das ihm gespannt lauschte. „Na ja, außer wenn wir uns mal wieder kabbeln. Das kann über die dümmsten Dinge sein. Letztens wollte er sein Mittagessen nicht essen, das hat in der Kantine unserer Schule fast zu einem Blutbad zwischen uns beiden geführt.“ Joey lachte herzlich und hörte, wie sich dieses Lachen im ganzen Raum ausbreitete. Und als er seinen Blick wieder Seto zuwandte, nahm er wahr, wie es ganz still im Saal wurde. Kein Geräusch mehr, wie ein Kugelschreiber auf ein Blatt Papier schrieb, kein In-die-Tasten-Kloppen auf Laptops, nicht mal mehr das Klickgeräusch der Kameraauslöser war mehr zu hören. Joey spürte, wie sich die ganze Atmosphäre verändert hatte – saß da unten vorher ein ausschließlich chaotischer Haufen, so war es jetzt zivilisierter, so als ob niemand verpassen wollte, was er zu sagen hatte. Auch Seto klebte an seinen Lippen, und Joey würde sich diesem intensiven Blick seines Drachen nicht entziehen können.

 

„Aber ich glaube, sowas gehört einfach zu uns. Ich für meinen Teil könnte vermutlich gar nicht ohne diese kleinen Sticheleien. Es macht mich... keine Ahnung, irgendwie lebendig. Wobei ich das immer bin, wenn wir zusammen sind.“

 

Joey seufzte. Es gab noch so viel mehr zu sagen, und er hatte so das Gefühl, dass auch das Publikum süchtig nach mehr war. Und er würde ihnen geben, was sie wollten.

 

„Wissen Sie“, fing er erneut an zu sprechen, mit einer Offenheit, die er vor wenigen Stunden noch für unmöglich gehalten hatte und die ihm jetzt so einfach fiel. „Ich war heute den ganzen Tag total nervös. Bin hektisch rumgerannt und musste ungefähr ein Dutzend Mal duschen, weil ich so aufgeregt war.“ Er nahm die Lacher im Hintergrund wahr, redete aber weiter, und es war ihm auch egal, dass er nun Setos Vornamen benutzte. „Seto hat das gemerkt und war für mich da. Hat mir Ruhe und Kraft gegeben, Zuversicht. Ohne ihn würde ich hier immer noch zitternd wie Espenlaub sitzen. Aber mit ihm an meiner Seite, da habe ich diese ungeheure Sicherheit, dass alles gut wird. Weil er alles für mich tun würde, und ich für ihn. Weil er für mich die Welt bedeutet, und noch viel mehr. Weil ich ihn liebe, wie ich noch nichts und niemanden in meinem Leben geliebt habe.“

 

Noch immer schaute er verträumt in Setos Augen, und das Blau darin sah plötzlich aus wie Millionen funkelnde Saphire. Sein Herz schlug höher bei dem stechenden Blick, den Seto ihm schickte. Er war so wunderschön, und wäre jetzt niemand im Raum, würde er auf ihn zustürmen und ihn küssen, aber das wäre ihm jetzt – trotz all der Offenherzigkeit – doch ein Schritt zu viel, und Seto ging es damit vermutlich ähnlich. 

 

„Ich hoffe, das beantwortet Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit“, waren Joeys letzte Worte an die Menge, und mit seinen Lippen formte er ein ‚Ich liebe dich‘ und hoffte, dass Seto es verstehen würde. Die sofortige Veränderung in dessen Augenfarbe signalisierte ihm aber, dass seine Botschaft angekommen war.

 

„Wir beenden hiermit die heutige Pressekonferenz und danken Ihnen noch mal für Ihr Kommen“, hörte er Ms. Tsukiyama sagen. Er stand auf, verbeugte sich höflich vor den Journalisten und wollte Anstalten machen zu gehen, da spürte er Setos Hand an seiner. Der Brünette stand neben ihm und verschränkte ihre Finger noch stärker ineinander, und Hand in Hand verließen sie den Konferenzsaal und ließen eine jubelnde und tobende Menge hinter sich, auch wenn Joey nicht so richtig verstand, was sie ihnen zuriefen.

 

Zurück im Vorraum des Saals zog ihn Seto ohne Umschweife an seiner Hand näher zu sich ran. Er umklammerte sein Gesicht mit seinen großen, warmen Händen, bevor er ihn mit seinen Lippen in Beschlag nahm und innig küsste. Joey erwiderte den Kuss sofort und legte seine Arme um Setos Taille.

 

Der Braunhaarige löste den Kuss, allerdings nicht seinen Blick von ihm, der intensiv und gleichzeitig getrübt war. Dann sagte er mit einer Zärtlichkeit, die Joeys Körper überall kribbeln ließ: „Ich liebe dich, Joey.“

 

Der Blonde lächelte, dann zog er Seto erneut zu sich herunter, und kurz bevor sich ihre Lippen ein erneutes Mal trafen, sagte er: „Und ich liebe dich, Seto. Von heute an für immer.“ Und während sie sich küssten, schickten die Schmetterlinge in seinem Bauch den Wind ihrer sich rasch bewegenden Flügel in alle Winkel seines Körpers.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Rosarockabye
2021-03-28T19:45:14+00:00 28.03.2021 21:45
Die Zankerei am Tisch war meine Lieblingsstelle ;)
Und die Pressekonferenz war super beschrieben
Antwort von:  Evi1990
29.03.2021 00:01
Meine auch :D danke dir 🥰
Von:  Sujang
2021-01-21T21:02:31+00:00 21.01.2021 22:02
Oh ja das lied passt da muss ich mich anschließen ^^ bombastisch 🥰
Schöne Pressekonferenz hast du da geschrieben ,selbst mir kamen fast die Tränen freu mich aufs nächste kappi ^^ bis Samstag 😘😘
Antwort von:  Evi1990
21.01.2021 22:28
Aaaaaw vielen lieben Dank ❤❤❤ bis Samstag 🥰😘
Von:  empress_sissi
2021-01-20T22:42:59+00:00 20.01.2021 23:42
OMG das Lied 😱😭😍... es passt so wahnsinnig gut zu den beiden, ich packs gerade nicht, es ist sooooooo schön 💕❤️
Zuerst Setos beruhigende Ansprache zuhause und dann Joeys Offenheit, dass war so rührend und mutig zugleich.
Antwort von:  Evi1990
20.01.2021 23:56
Jaaaaa das Lied passt so perfekt, ich fands auch so krass passend 🥰🥰😭
Von:  KayaPaws
2021-01-20T21:14:15+00:00 20.01.2021 22:14
Ahhh dieses Kapitel war einfach SO perfekt <3 ich bin wirklich gespannt, was sich daraus noch ergibt, aber wenigstens müssen sie sich jetzt endlich nicht mehr verstecken *hüpft herum wie ein Flummi* kann gar nich mehr auf Samstag warten ^_^
Antwort von:  Evi1990
20.01.2021 22:52
Aaaaaw vielen lieben Dank 😘 freue mich sehr, dass es dir so gut gefallen hat ❤
Von:  Ryosae
2021-01-20T19:25:37+00:00 20.01.2021 20:25
Bei so einer Liebesbekundung bekommt man Pipi in die Augen 😢
Sooo schön! Hab Gänsehaut, Tränen in den Augen und muss ein ernstes Wörtchen mit meinem Mann sprechen 🤣
Hoffen wir mal das die Presse nach diesem Tag lieb sein wird.

...

Bitte lass sie lieb sein 🥺
Antwort von:  Evi1990
20.01.2021 21:47
Ja oder 😭😭😭 hihi das findest du im nächsten Kapitel raus 🥰 bis Mittwoch 😘
Antwort von:  Evi1990
20.01.2021 22:53
Ah, Samstag, sorry. Bin offensichtlich total durch den Wind 🤣🤣🤣
Antwort von:  Ryosae
21.01.2021 09:22
Haha mir ist es nicht aufgefallen 😂😂
Von:  Piajay
2021-01-20T18:52:36+00:00 20.01.2021 19:52
Mmh ich bin ja mal gespannt wie die Schule darauf reagiert
Schönes kapitel
Antwort von:  Evi1990
20.01.2021 21:46
Hihi ja das wirst du im nächsten Kapitel sehen ❤ danke für deinen Kommentar ❤
Von:  Onlyknow3
2021-01-20T16:20:17+00:00 20.01.2021 17:20
Oh wie schön dieses Kapitel war. Weiter so, möchte mehr davon, freue mich schon riesig auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Evi1990
20.01.2021 17:20
Vielen lieben Dank, freut mich sehr, dass es dir gefallen hat ❤🥰


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