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Rescue me

When a dragon saves a puppy - Seto x Joey
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Heute mal ein etwas kürzeres Kapitel, weil ich mich dazu entschlossen habe, Joeys und Setos POV in zwei getrennte Kapitel zu unterteilen :) Aber so habt ihr eben noch ein wenig länger was von "Rescue Me" :D

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Musikinspiration für dieses Kapitel:

Let You Down - Emmanuel Pistacho (Instrumental)

Spotify: https://open.spotify.com/track/6D5MTuHCmEUHNiJnhoJGKN?si=7VzEP6gzRLmwBGqmheyt6Q
YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=ysXuRklnVc8

Der Originalsong ist von NF, und ich finde, einige Lyrics passen ganz gut:

Feels like we're on the edge right now
I wish that I could say I'm proud
I'm sorry that I let you down
I let you down

All these voices in my head get loud
I wish that I could shut them out
I'm sorry that I let you down
Let you down
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Rescue me... from not remembering

„Wer bist du?“

 

Setos Worte hallten im gesamten Raum wider. Niemand bewegte sich. Es war absolut still, nur das Kratzen eines Kugelschreibers auf Papier war zu vernehmen. Joey konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie der Arzt offensichtlich etwas auf seinem Klemmbrett notierte, kaum dass Seto seine ersten Worte nach dem Koma gesprochen hatte. Dabei wirkte dieser so gefasst, dass Joey am liebsten aufgesprungen wäre und ihn geschüttelt hätte. Wie konnte der Mann nur so ruhig bleiben, wenn für Joey doch gerade die komplette Welt kollabierte?

 

Während Joey noch immer einfach nur auf seinem Platz saß, zu paralysiert, um sich von der Stelle zu bewegen, beobachtete er jede von Setos Regungen. Die Verwirrung in dessen Augen machte zunehmend Platz für aufsteigende Panik, so kam es Joey zumindest vor. Zunächst entriss Seto Joey seine Hand und blickte sich in gleichen Teilen irritiert wie ängstlich im Raum um. Seine Augen waren geweitet, seine Brust hob und senkte sich schnell. Immer wieder bewegte sich sein Kopf hin und her zwischen den Menschen, die im Raum anwesend waren.

 

„Wer seid ihr alle? Was mache ich hier? Wo bin ich?“ Seto zog die Beine an und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Joey hielt es fast nicht aus, ihn so zu sehen, und die Erkenntnis darüber, dass er weder ihn noch Mokuba erkannte, fühlte sich an wie endlose Nadelstiche auf seiner ganzen Haut. Für Joey vergingen die Sekunden wie Stunden. Alles in seinem Kopf drehte sich und es fiel ihm zunehmend schwerer, einen klaren Gedanken fassen zu können. 

 

Seto erinnerte sich nicht. Dieser Gedanke fühlte sich an, wie wenn jemand Joey ein Messer in den Rücken rammen würde, immer und immer wieder. Seto hatte überlebt, aber zu welchem Preis? Was, wenn nun sein ganzes Leben zerstört wäre? Was wäre das überhaupt für ein Leben? Warum nur hatte er Seto nicht davor bewahren können? Warum war er es nicht, der all das jetzt durchmachen musste?

 

Und gerade, als die Schuldgefühle Joey erneut zu erdrücken drohten, hörte er, wie sich der Arzt räusperte. Der Blonde drehte seinen Kopf in dessen Richtung, und als der Arzt Joeys komplette Aufmerksamkeit hatte, sprach er: „Das ist eine vollkommen normale Reaktion nach einem künstlichen Koma. Es kann eine Weile dauern, bis sich die Verwirrung legt, und im Nachgang kann es sogar sein, dass sich Mr. Kaiba an diesen Zeitraum jetzt gar nicht mehr erinnern kann. Das Beste für ihn ist jetzt ein wenig Ruhe und Erholung.“

 

Joey nahm die Worte in sich auf, während sein Blick wieder zu Seto schwenkte, der ihn noch immer von Panik erfasst anstarrte. Es war eindeutig, dass der Brünette in diesem Moment überhaupt nicht er selbst war. Er sah fast aus wie von einem fremden Wesen besessen. Dennoch, und trotz allem, was der Arzt gerade erläutert hatte, Joey bedrückte das sehr.

 

„Joey, komm“, hörte er Mokuba sagen, der ihn am Arm nach oben zog. Wie mechanisch folgte er dieser Bewegung und erhob sich nun auch von seinem Platz. Er sah Seto noch ein letztes Mal in die Augen, bevor er mit Mokuba den Raum verließ, musste den Blick aber schnell wieder abwenden, weil es einfach zu sehr schmerzte, ihn so zu sehen.

 

Im Gang atmete Joey aus – er hatte gar nicht gemerkt, dass er die Luft angehalten hatte. Für einige Augenblicke standen Mokuba und er dich nebeneinander, die Rücken an die kalte Betonwand gelehnt. Das grelle Krankenhauslicht beleuchtete den Flur, während immer wieder Krankenhauspersonal an ihnen vorbeilief und sie keines Blickes würdigte. Der strenge Geruch von Desinfektionsmitteln war überall deutlich zu vernehmen, und auch wenn Joey diesen nach den letzten Tagen, die er zumeist hier verbracht hatte, eigentlich gewohnt sein müsste, so hatte er damit doch noch so seine Probleme. Alles war so weiß und steril. Es war, als hätte alles seinen genauen Platz, jeder folgte genau den ausgeschilderten Wegen, um an sein Ziel zu gelangen. All das stand in so krassem Gegensatz zu der Dunkelheit und dem Chaos in Joeys Kopf, dass es für ihn fast unerträglich wurde, überhaupt hier zu sein.

 

Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er Mokuba neben sich seufzen hörte. Joey hatte das Gefühl, dass er etwas sagen wollte, aber es war, als ob er nicht genau wüsste, was. Oder wie. Und Joey konnte es dem Kleineren auch nicht verübeln, denn dahingehend teilten sie dasselbe Schicksal. Auch der Blonde fand keine Worte für alles, was er jetzt fühlte, denn keines von diesen könnte auch nur ansatzweise zusammenfassen, was gerade in ihm vorging.

 

Joeys Blick glitt zu Mokuba rüber. Er hatte den Kopf leicht gesenkt, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, und lehnte noch immer mit dem Rücken gegen die Wand. Es war von der Seite ein wenig schwer zu erkennen, aber für Joey sah es so aus, als wenn Mokubas Augen feucht waren, auch wenn keine Tränen seine Wangen benetzten. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, was das alles von dem Kleineren abverlangen musste. Immerhin ging es hier um seinen Bruder, den wichtigsten Menschen in seinem Leben. Seto so zu sehen, musste Mokuba enorm zusetzen, vielleicht sogar noch mehr als dem Blonden, und Joey war ja schon vollkommen am Boden zerstört.

 

Irgendwann hob Mokuba den Kopf an, und den Blick auf die gegenüberliegende Wand gerichtet, sagte er: „Wir müssen auf das vertrauen, was der Arzt gesagt hat. Dass es normal ist, dass Seto jetzt so reagiert.“ Joey war unheimlich erstaunt. Vor wenigen Sekunden noch hatte Mokuba so verletzlich gewirkt, und jetzt war er so gefasst und selbstsicher, dass es Joey den Atem verschlug. Woher nahm der Kleinere diese Kraft? Er fragte sich, warum nicht er es war, der so viel Zuversicht hatte, musste sich dann aber eingestehen, dass mehr Jahre an Lebenserfahrung nicht unbedingt gleichbedeutend waren mit höherer Resilienz. Da konnte er sich von Mokuba definitiv noch eine Scheibe von abschneiden.

 

Als Antwort auf das, was Mokuba gerade gesagt hatte, nickte Joey, konnte aber selbst noch immer nicht so richtig viel sagen. Mokuba hatte recht, aber blind darauf zu vertrauen, dass schon alles gut werden würde, lag einfach nicht in Joeys Natur, zumindest nicht mehr. Ganz im Gegenteil – immer wenn Joey dachte, es könnte eigentlich nicht schlimmer kommen, da begann der nächste Tag und machte ihm klar, dass es doch ging. Was würde der nächste bringen? Oder der danach? Was würde ihn noch alles erwarten?

 

Joey blickte sich um und hatte sofort das Gefühl, die Wände würden auf ihn zurasen und ihn einengen. Er bekam schon wieder schwerer Luft. Er musste hier raus, es gab sowieso nichts, was er jetzt für Seto tun konnte, das hatte der Arzt eindeutig klar gemacht. Er drehte seinen Kopf in Mokubas Richtung, bevor er sagte: „Ich... ich glaube, ich brauche ein bisschen Zeit für mich. Die letzten Tage, und jetzt das... das ist einfach alles ein bisschen viel.“

 

Mokuba erwiderte den Blick und nickte, seine Gesichtszüge wurden sogar ein wenig weicher. „Das kann ich verstehen. Ich bleibe hier bei Seto und halte dich auf dem Laufenden, okay?“

 

Joey stieß sich von der Wand ab und nickte Mokuba noch ein letztes Mal zu, bevor er das Krankenhaus durch den Vordereingang verließ. Ziellos irrte er durch die Straßen der Stadt. Der Nachthimmel war klar, genau wie vor wenigen Tagen, als die Sterne die Wege erhellt hatten und kein Zeichen des Unheils, das ihnen unmittelbar bevorgestanden hatte, von sich gegeben hatten.

 

Joey blieb stehen und hielt inne, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Sein Blick glitt zu den Sternen, aber er konnte keinen davon richtig fixieren, weil seine Sicht immer wieder vor seinen Augen verschwamm, wann immer ihm ein neuer Gedanke kam. Was, wenn Seto sich nie wieder würde erinnern können? Wenn der Arzt falschlag? Würde es einen Weg geben, ihm seine Erinnerungen zurückzubringen? Oder wären diese dann für immer unwiederbringbar verloren?

 

Und je länger er sich in den Tiefen seiner eigenen Gedanken verlor, desto klarer wurde ein weiterer Gedanke, der zunächst nur schemenhaft zu erkennen gewesen war, sich nun aber hartnäckig hielt. Joey atmete tief durch, bevor er sich diesem stellte. Ohne ihn wäre Seto das alles gar nicht passiert. Ohne ihn wäre er niemals im Krankenhaus gelandet, hätte vermutlich nicht mal die Drohbriefe erhalten. Ohne ihn hätte er noch ein ganz normales Leben, zumindest so normal, wie es für einen Kaiba aussehen konnte. 

 

Vielleicht war es das Schicksal, das ihm sagen wollte, dass es für sie beide gemeinsam keinen Platz in dieser Welt gab. Dass sie nur als Individuen bestehen konnten. Eines war Joey sich zumindest sehr sicher: Wenn er der Grund dafür war, dass Seto in ununterbrochener Gefahr schwebte, musste er handeln. Auch wenn er noch nicht so richtig wusste, was er tun sollte. Aber seine Schuld wog schwer auf seiner Brust, und sie drohte ihn zum wiederholten Male zu erdrücken.

 

Erst im Morgengrauen, als die Sonne den Mond verjagte und die Sterne allmählich am Himmel verschwanden, kam Joey in der Kaiba-Villa an. Es war totenstill, und Joey hatte das Gefühl, in seinem ganzen Leben noch nie so einsam gewesen zu sein.

 

Er wusste nicht so richtig, wohin er eigentlich gehen sollte. Am Ende landete er in ihrem gemeinsamen Apartment, in dem Bett, das er sich normalerweise mit Seto teilte und das ohne ihn einfach leer war. Nicht einmal sein Duft war noch wahrzunehmen, weil es schon einige Tage her war, dass er hier gelegen hatte. Es war, als erinnerte nichts daran, dass er hier einen Platz hatte, hier neben Joey. Seine Bettseite war ordentlich gemacht worden, und während Joey über das glattgezogene Laken strich, verließ eine Träne seine Wange und verewigte sich in seinem Kopfkissen. Er schloss die Augen und stellte sich, wie er es vor wenigen Tagen auch schon gemacht hatte, vor, Seto wäre hier, würde ihn in den Arm nehmen und ihn ganz festhalten. Ihm sagen, dass alles gut werden würde. Ihm einen Kuss auf die Stirn geben und ihm all die Zuversicht schenken, die er so dringend benötigte. Doch als er die Augen wieder öffnete, war er nicht da. Und vielleicht würde das auch so bleiben. Vielleicht musste es so sein.

 

Schließlich schlief Joey ein, fiel aber in einen unruhigen Schlaf. Auch in seinen Träumen spielte Seto die Hauptrolle. Er träumte, dass Seto vor ihm lief und Joey hinter ihm herrannte, immer und immer wieder seinen Namen rief, aber der Brünette drehte sich kein einziges Mal zu ihm um. Irgendwann fühlte es sich so an, als wenn Joeys Füße am Boden festklebten, und so sehr er auch versuchte, einen Fuß vor den anderen zu setzen, es wurde immer und immer schwieriger, bis es am Ende komplett aussichtslos war. Seto bewegte sich immer weiter von ihm weg, bis Joey nur noch eine Silhouette von ihm sah – und er schließlich ganz verschwunden war. Und dann wurde alles um Joey herum dunkel.

 

Am Morgen schreckte Joey aus seinem Schlaf hoch. Er hatte so viel geschwitzt, dass sein ganzes T-Shirt vollkommen durchnässt war. Sein Atem ging schwer und er brauchte einige Sekunden, um sich zu orientieren. Hektisch blickte er sich um, bis er feststellte, dass er in der Villa war, in ihrem Bett.

 

In ihrem Bett... er drehte sich zur Seite, doch Seto war nicht zu sehen. Und dann erfasste ihn die Wucht der Erinnerungen an alles, was die letzten Tage so geschehen war. Er setzte sich in den Schneidersitz, die Arme auf den Ellenbogen auf seinen Oberschenkeln abgestützt, die Hände zu beiden Seiten an seinen Schläfen. Er versuchte, ruhig zu atmen, während ihm die letzten Schweißtropfen von der Stirn perlten.

 

Nach einer Weile und noch immer schwer atmend und durcheinander griff er nach seinem Handy, das auf dem Nachttisch lag. Es gab ein paar Nachrichten von Mokuba – es hatte sich wenig getan. Scheinbar hatten sie Seto Beruhigungsmittel verabreicht und er schlief noch. Mokuba schien die Nacht dort verbracht zu haben, aber es wäre Joey wohl auch nicht aufgefallen, wenn er nach Hause gekommen wäre. Dazu lagen ihre Apartments zu weit auseinander.

 

Mit der Bettdecke entfernte Joey den restlichen Schweiß in seinem Gesicht und scrollte durch die anderen Nachrichten, die ihn erreicht hatten. Seine Freunde hatten ihm immer und immer wieder unzählige Nachrichten geschickt, und wie immer war es vor allem Yugi, der hartnäckig blieb. Joey seufzte, und bevor er zu viel darüber nachdenken konnte, folgte er seinem Impuls, drückte den grünen Hörer neben Yugis Namen und rief ihn an.

 

Er erzählte ihm, dass Seto aufgewacht war, und schilderte in groben Zügen, was seitdem passiert war. Yugi hatte ihm sofort angeboten, sich zu treffen, und Joey dachte, dass das vermutlich keine so üble Idee wäre. Es würde auch keinen Sinn machen, jetzt den ganzen Tag in der Villa zu hocken und Löcher in die Luft zu starren, denn genau das wäre es, was er sonst machen würde. Die Alternative wäre, zu Seto ins Krankenhaus zu fahren, aber Joey wollte zunächst Ordnung in sein Gedankenchaos bringen. Außerdem war Seto sowieso noch nicht wieder wach, und Mokuba würde ihn über alle Entwicklungen informieren. Und wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, war ein Teil von ihm auch noch nicht wieder bereit, sich noch mal einem Seto Kaiba zu stellen, der sich nicht an ihn erinnern konnte.

 

Nach einer schnellen Dusche machte sich Joey auf den Weg zu Yugi. Er war schon eine ganze Weile nicht mehr dort gewesen, und schon vor der Haustür holten ihn die Erinnerungen ein an die Zeit, als Seto und er kurzzeitig getrennt gewesen waren. Er versuchte, das mulmige Gefühl abzuschütteln, das von diesen Erinnerungen ausging, aber es gelang ihm nicht ganz, als er die Türklinke nach unten drückte und eintrat.

 

Er stieg die Treppenstufen hoch und wurde von Yugi freundlich lächelnd empfangen, allerdings stand ihm auch die Sorge deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie umarmten sich zur Begrüßung schweigend, und anschließend führte Yugi sie in die Küche, wo sie sich an den Esstisch setzten. Für einige Augenblicke verschwand Yugi, bevor er mit einer Tasse grünem Tee wieder auftauchte und diese vor Joey stellte. Der Blonde nahm die Tasse wortlos entgegen und schwenkte deren Inhalt hin und her, während er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Yugi ließ ihm Zeit, sich zu sammeln, aber Joey wusste einfach nicht so recht, was es eigentlich zu sagen gab. Er wusste nicht, worüber er reden sollte, oder wollte. Aber hier nur zu sitzen und sich gegenseitig anzuschweigen, machte auch irgendwie keinen Sinn.

 

Yugi, der sowieso eine besondere Begabung dazu hatte, Stimmungen präzise erfassen und entsprechend handeln zu können, schien den inneren Kampf, den Joey führte, zu bemerken. Daher ergriff er nun das Wort, um dem Gespräch einen Startpunkt zu verschaffen. 

 

„Du hast gesagt, Kaiba konnte sich nicht an euch erinnern.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Joey verstand den Wink mit dem Zaunpfahl. Der Kleinere wollte ihn dazu bringen, zu reden, statt sich in den Tiefen seiner Gedanken zu verschanzen. Und ehrlich gesagt war der Blonde dafür auch ziemlich dankbar, denn ohne diesen Anstoß würde er vermutlich morgen noch hier sitzen und nicht wissen, was er eigentlich erzählen wollte.

 

Joey atmete tief durch, dann begann er zu sprechen: „Genau. Weder mich, noch Mokuba, noch sonst irgendjemanden. Er hat nicht mal gewusst, wo er war. Der Arzt hat gesagt, das wäre wohl total normal, aber... was, wenn nicht? Was, wenn er sich nie wieder an mich erinnert, Yugi?“ Joey stützte sich auf seinen Ellenbogen ab, den Blick gesenkt, die Hände vor das Gesicht gelegt. Er spürte, wie sich seine Kehle sofort wieder zuschnürte und es schwerer wurde, durchzuatmen.

 

Dann spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter, und als er aufsah, schaute ihn Yugi besorgt, aber zuversichtlich an. „Joey, ich kann verstehen, wie unheimlich schwierig diese Situation gewesen sein muss. Aber der Arzt hat doch gesagt, dass es eine absolut normale Reaktion wäre. Hab Vertrauen. Ich bin mir sicher, alles wird gut.“

 

Yugis Optimismus war wirklich beneidenswert. Joey wünschte sich, er könnte auch nur ansatzweise so sicher sein wie Yugi. Stattdessen wurde er von einer Unsicherheit zerfressen, die ihm die Luft zum Atmen nahm. Dazu kam, dass seine Gedanken noch um etwas anderes kreisten.

 

Joey konnte ein verzweifeltes Schluchzen nun nicht mehr verhindern, also wandte er sich wieder von Yugi ab und legte erneut seine Hände über sein Gesicht, in der Hoffnung, seine Emotionen einigermaßen verstecken zu können, auch wenn er sich sehr wohl darüber bewusst war, wie absolut vergebens seine Mühe war. Als ob er vor Yugi verbergen könnte, wie es in ihm aussah. Der Kleinere war sein bester Freund, und er verstand ihn wie kein anderer, wenn man mal von Seto absah. Fast hätte Joey bei diesem Gedanken aufgelacht. Seto war so omnipräsent in seinem Kopf, fast so, als wenn seine Gedanken einen Kreis bilden würden, mit Seto als Startpunkt – und Endpunkt.

 

„Joey...“, hörte er Yugi von der Seite murmeln. Der Blonde blickte erneut auf und ließ seine nun tränenbenässten Hände auf den Tisch sinken, als plötzlich alle Gedanken auf einmal auf ihn einprasselten und er den einen Satz sagte, der ihm so schwer auf der Brust lag: „Das wäre alles nicht passiert, wenn wir nie zusammen gewesen wären.“

 

Er konnte wahrnehmen, wie Yugi scharf die Luft einsog, doch noch bevor sein bester Freund auch nur ansatzweise etwas dazu sagen konnte, ließ Joey all seinen Gedanken freien Lauf: „Dann würde er jetzt auch nicht in diesem dämlichen Krankenhaus liegen, hätte nie die Drohbriefe bekommen und könnte einfach sein Leben leben. Verdammt, hätte er mich doch niemals davon abgehalten, mich...“

 

In diesem Augenblick schob Yugi seinen Stuhl mit einer Wucht zurück, die ihn umfallen ließ, und nur den Bruchteil einer Sekunde später spürte Joey dessen Hände an seinen Schultern. Yugi rüttelte ihn, bevor er in lautem Ton sagte: „Jetzt mach aber mal einen Punkt, Joey! Vielleicht wäre es ja doch passiert. Noch wissen wir ja nicht, wer der Angreifer war, oder? Das alles ist auch, verdammt noch mal, nicht deine Schuld! Die einzige Person, die die Schuld dafür trägt, ist der Täter, und nur dieser.“

 

Yugis Gesichtsausdruck wirkte ernst und für Joey war es nicht schwer zu erkennen, wie wütend er war. War er zu weit gegangen mit dem, was er gesagt hatte, auch wenn er wusste, dass es stimmte, dass Seto das möglicherweise alles nicht durchmachen müsste, wenn er ihn damals auf dem Hochhaus einfach hätte springen lassen? Auf der anderen Seite sagte Yugi im Wesentlichen ja dasselbe wie Mokuba. Aber nur, weil beide derselben Meinung waren, hieß das ja noch lange nicht, dass es auch der Wahrheit entsprach.

 

„Außerdem“, setzte Yugi fort, sein Tonfall wieder etwas ruhiger, während er von Joey abließ und seinen Stuhl wieder aufstellte, „habt ihr doch auch wahnsinnig viele schöne Erinnerungen, die ihr miteinander teilt.“

 

Innerlich musste Joey Yugi beipflichten. Aber war es das wert? Waren ihre schönen, gemeinsamen Erlebnisse es wert, dass Seto sein Leben für ihn riskierte? War er nicht viel besser dran ohne ihn? Was brachten schon all die Erinnerungen, wenn Seto sich unnötig in Gefahr brachte und am Ende vielleicht nicht mehr da war, um sie mit ihm zu teilen?

 

Als Joeys Handy klingelte, schreckten beide Männer auf. Der Blonde holte es aus seiner Hosentasche raus und sah auf das Display, und als er entdeckte, wer ihn anrief, nahm er den Anruf hastig entgegen.

 

„Mokuba?!“

 

„Hey, Joey. Ich... ich wollte kurz Bescheid geben, dass Seto wieder wach ist. Er weiß wieder, wer ich bin, und er erinnert sich auch an dich. Und er hat gesagt, er glaubt, wer der Angreifer ist. Du solltest herkommen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Piajay
2021-03-05T16:41:07+00:00 05.03.2021 17:41
Ich bin gespannt wer der Angreifer war?
Gott bin ich froh das seto sich wieder erinnert
Antwort von:  Evi1990
05.03.2021 18:27
Tjaaaa... wer könnte es gewesen sein? Du erfährst es nächste Woche ;D
Von:  Ryosae
2021-03-04T17:57:23+00:00 04.03.2021 18:57
Phu! Glück gehabt! 😩
Joeys schlechtes Gewissen hätte ihm aufgefressen!
Yugi, der Retter in der Not! Wie kann man nur so lieb und verständnisvoll sein?

*baseballschläger hervorhol* Gut, wer war denn der böse Angreifer?

Freue mich tierisch auf nächste Woche! 🥰

LG
Ryo
Antwort von:  Evi1990
04.03.2021 21:51
Haha das erfahren wir dann nächste Woche :) bis nächsten Mittwoch ❤
Von:  empress_sissi
2021-03-03T21:09:14+00:00 03.03.2021 22:09
Mann, ich bin so erleichtert 😌 da hast du uns ja im letzten Kapitel einen schönen Schrecken eingejagt. Jetzt bin ich umso gespannter, wer der Angreifer war 🤔
Antwort von:  Evi1990
03.03.2021 22:52
Das erfährst du im nächsten Kapitel :D
Von:  Sujang
2021-03-03T17:24:32+00:00 03.03.2021 18:24
oh man 😰 was ein ding. Zum Glück hat moki noch angerufen und wir wissen schon mal das er sich wieder erinnert ^^
Jetzt bin ich tierisch gespannt wer dieser idiot war der das glück der beiden gestört hat. 😁...
Jetzt musss ganz schnell wieder Mittwoch sein ^^ Ich würde so gern wisse wies weiter geht, du weißt schon das das ziemlich gemein ist das wir jetzt sooooooo lange warten müssen 🤣.
Freu mich auf nächste Woche LG 😘

Antwort von:  Evi1990
03.03.2021 20:05
hahaha ich weiß, sorry dafür :D Aber ein bisschen Spannung muss ja sein ;D
Von:  Onlyknow3
2021-03-03T13:58:28+00:00 03.03.2021 14:58
Das ist die Erlösung aus seinem Gedankenkarrusel. Muss dir aber gestehen, das ich Joey schon auf dem Hochhaus stehen sah, um seinen Vorsatz zu ende zu bringen.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Evi1990
03.03.2021 20:06
Sieht alles nach Erlösung aus - oder vielleicht doch nicht? Du erfährst es nächste Woche ;D


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