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Rescue me

When a dragon saves a puppy - Seto x Joey
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Musikinspiration für dieses Kapitel:

The War - SYML

Spotify: https://open.spotify.com/track/1fNMNJqWaPxUHFpZ0Zl3UA?si=uDaMYAnWS3KhwJBZkUaeAA
YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=lesVfOrRPIY

Here stands a man
At the bottom of a hole he's made
Still sweating from the rush
His body tense
His hands, they shake
Oh this, this is a mad boy

Here stands a man
With a bullet in his clenched right hand
Don't push him, son
For he's got the power to crush this land
Oh hear, hear him cry, boy

Don't you ever leave me alone
My war is over
Be my shelter from the storm
My war is over
I am a sad boy
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Rescue me... Don't leave me!

Seufzend nahm Seto den Brieföffner aus der Schublade und öffnete den Umschlag. Als er einen Blick auf dessen Inhalt warf, schüttelte er den Kopf und ließ das Papier sofort in den Papierkorb gleiten. Der wievielte diese Woche war das wohl schon? Seto hatte irgendwann aufgehört zu zählen, aber er konnte sich erinnern, dass die Aufmachung sich immer ähnelte, auch wenn sich der Absender zunächst sichtlich Mühe gegeben hatte, das zu verschleiern.

 

Den ersten Brief hatte er schon wenige Tage nach der Pressekonferenz erhalten, in der Joey und er ihre Beziehung öffentlich gemacht hatten. Für einen Augenblick war er tatsächlich besorgt gewesen, aber trotz der Tatsache, dass sich die Anzahl der Briefe stetig erhöht hatte, war bisher nichts weiter passiert. Daher hatte er irgendwann eingesehen, dass es sich nur um leere Drohungen handeln konnte. Zumal er ja sowieso dafür gesorgt hatte, dass sie die meiste Zeit von genügend Sicherheitspersonal umringt waren.

 

Der Inhalt der Briefe war ausnahmslose gezeichnet von homophoben Beleidigungen gegen Seto. Auf die wüsten Beschimpfungen folgten in der Regel Warnungen jedweder Art: In den ersten Briefen wurde nur er bedroht. Immer und immer wieder wurde ihm ‚geraten‘, er solle bloß vorsichtig sein, wohin er ginge. Dann weiteten sich die Bedrohungen auch auf Joey und Mokuba aus, woraufhin er die Anzahl an Sicherheitskräften noch einmal erhöht hatte. Ansonsten hatte er sich aber sehr bedeckt gehalten und keine weiteren Konsequenzen daraus gezogen.

 

Und je länger er keine Reaktion gezeigt hatte, zumindest nicht nach außen hin, desto mehr schien sich der Absender in Rage zu schreiben. Zu Beginn waren die Texte noch recht gut strukturiert gewesen, in einigermaßen klarer Sprache. Doch mittlerweile waren die Schriftstücke nicht mehr als ein wildes Durcheinander scheinbar völlig wahllos zusammengewürfelter Wörter, und auch die Anzahl an Kraftausdrücken nahm stark zu. Es schien den Ersteller zu provozieren, dass die Schriftstücke offensichtlich nicht den gewünschten Effekt auslösten, auch wenn Seto nicht zu 100 Prozent verstand, was der Verfasser ihm eigentlich damit sagen wollte. Immerhin waren die Briefe reine Hasstexte, die, zumindest bisher, keinerlei Forderungen beinhaltet hatten. Vielleicht versprach er sich auch nur irgendeine Art von Reaktion, aber diese Genugtuung würde Seto dem Autor der Briefe nicht geben.

 

Er hatte es eine ganze Weile geschafft, es vor Joey geheim zu halten. Er hatte ihn nicht unnötig besorgen wollen, weil Seto selbst auch nicht daran glaubte, dass sie irgendwelche ernsthaften Konsequenzen zu erwarten hätten. Aber irgendwann hatte Joey es doch rausgefunden – weil Seto einen der Briefe offen auf seinem Schreibtisch liegen gelassen hatte. Er hatte offensichtlich absolut gar nichts aus dem Drama mit dem Ordner gelernt. Auf der anderen Seite hatte er sich auch schon gefragt, ob er ihn nicht absichtlich hatte liegen lassen, damit Joey ihn fand.

 

Seto seufzte erneut auf. Wenn dem wirklich so gewesen war, dann hatte in dem Moment sein Unterbewusstsein die Kontrolle übernommen. Es war jetzt auch egal, denn nun war es nicht mehr zu ändern, und er Blonde hatte immer und immer wieder versucht, ihn dazu zu bewegen, etwas zu unternehmen, aber er hatte sich bisher erfolgreich dagegen behaupten können. Zumindest vor Mokuba hatte er es bislang geschafft, es zu verbergen.

 

In dem Moment klopfte es an der Tür, und – wie könnte es anders sein – Joey streckte den Kopf durch die Tür. Seto konnte sofort erkennen, dass der Blonde die Stirn runzelte, kaum hatte er einen Blick auf Seto geworfen. 

 

„Hey, alles okay, Seto?“ Joey trat einen Schritt in sein Arbeitszimmer und schloss hinter sich die Tür, während er in ruhigen Schritten auf ihn zukam. Der Brünette atmete tief durch, dann legte er ein leichtes Lächeln auf die Lippen in der Hoffnung, dass das Joey so ablenken würde, dass er unauffällig den geöffneten Umschlag in den Papierkorb verschwinden lassen konnte.

 

„Ja, nur ein bisschen viel Arbeit, sonst nichts“, antwortete Seto, aber das schien Joeys Skepsis nicht zu vertreiben. Er zog die Augen ein wenig zusammen, und erneut war eine tiefe Falte zwischen seinen Augenbrauen zu erkennen, als er sagte: „Ist das so? Dann reden wir doch mal darüber, warum du mich gerade anlügst.“

 

Joey überkreuzte die Arme vor dem Körper und lehnte sich seitwärts gegen eine Wand, die Augen erwartungsvoll auf Seto gerichtet, eine Augenbraue leicht nach oben gezogen. Erneut legte sich ein Lächeln auf Setos Lippen, nur mit dem Unterschied, dass es dieses Mal tatsächlich echt war. Der Braunhaarige musste ein wenig den Kopf schütteln - wie Joey es immer schaffte, ihn so knallhart zu durchschauen, war schon atemberaubend. Aber er kannte ihn immerhin auch besser als jeder andere Mensch.

 

Als sich der Größere weiterhin in Schweigen hüllte, stieß sich Joey seufzend von der Wand ab und setzte sich auf den Tisch vor Seto, der sofort mit seinem Bürostuhl näher an Joey ranrutschte und seine Hände auf den Oberschenkeln des Blonden ablegte. Joey beäugte ihn noch einmal misstrauisch, dann sagte er: „Es ist ein neuer Brief, oder?“

 

Seto musste eigentlich gar nichts darauf erwidern, weil seine Augen diesen Job sowieso für ihn erledigen würden. Dennoch nickte er leicht, und kurz darauf spürte er Joeys Hände auf seinen. Der Argwohn war aus den Augen des Blonden verschwunden und hatte inzwischen Platz gemacht für Besorgnis, dicht gefolgt von einem Anflug von Wut. Er hob eine Hand an, und bevor Seto sich’s versah, schnippte er ihm gegen die Stirn.

 

„Keine Geheimnisse mehr, schon vergessen? Ich kann das echt nicht leiden, wenn du was vor mir verheimlichen willst.“ Joey wirkte tatsächlich ziemlich verärgert, und Seto konnte es ihm auch nicht verübeln. Seufzend zog er sich wieder näher zum Tisch heran und legte seinen Kopf auf Joeys Oberschenkeln ab, bevor er antwortete: „Ich weiß, mein Hündchen. Aber ich will nicht, dass du dir unnötig Sorgen machst.“

 

Joey schwieg zunächst, atmete dann ein Mal laut aus und fing an, Seto durch die Haare zu streicheln. „Selbst, wenn dem so ist, ich möchte, dass du es mir erzählst. Okay? Bitte versprich mir das.“

 

Seto schloss die Augen, genoss die Berührungen des Blonden, der seinen Kopf noch immer zärtlich liebkoste, und nickte. „Okay. Aber es ist wirklich nichts, worüber du dir deinen Kopf zerbrechen solltest.“

 

Nun drehte Joey Setos Kopf so, dass er ihn anschauen musste, und sofort konnte er genau die Emotion im Gesicht des Blonden ablesen, die er nicht hatte auslösen wollen. „Ich sehe das anders, Seto. Willst du wirklich nicht die Polizei einschalten? Ich will nicht, dass dir was passiert.“ Sorgenfalten breiteten sich in Joeys ganzem Gesicht aus, während Seto nun aufstand und Joeys Kopf in beide Hände nahm.

 

„Mir passiert schon nichts. Mach dir darüber mal keine Sorgen, dafür habe ich doch mein Sicherheitspersonal. Ich will außerdem nicht, dass das an die Öffentlichkeit dringt. Das würde es im Zweifel nämlich nur noch schlimmer machen.“

 

„Aber...“

 

„Kein ‚Aber‘, Joey. Das ist mein letztes Wort.“ Noch immer waren Joey all seine Vorbehalte deutlich ins Gesicht geschrieben. Daher zog Seto dessen Gesicht nun zu sich ran und schenkte ihm einen zärtlichen Kuss, und als sie sich wieder lösten, schien Joeys Gemütszustand schon wieder ein wenig sanfter zu sein.

 

Ein Lächeln legte sich auf Setos Lippen, und während er mit dem Daumen behutsam die Stelle unter Joeys rechtem Ohr streichelte, fragte er: „Aber weißt du, worüber wir uns stattdessen mal Gedanken machen sollten?“

 

Sein verzweifelter Versuch, das Thema zu wechseln, ließ den Blonden schief grinsen, aber offensichtlich gab er es nun vollständig auf, die Problematik um die Briefe näher zu erörtern. „Na?“, fragte Joey und die Belustigung war ganz klar in seiner Stimme rauszuhören.

 

Seto lächelte zufrieden, als er antwortete: „Mokubas Geburtstag. Der ist schon in einer Woche. Irgendeine Idee, was wir ihm schenken könnten?“

 

Joey lehnte sich ein wenig nach vorn, umarmte Seto an der Taille und legte seinen Kopf an dessen Brust. Er schien zu überlegen, murmelte ein kurzes ‚Hm‘, bevor er wenige Augenblicke später vorschlug: „Wie wäre es mit einem Ausflug ins Kaiba-Land? Das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht. Wo ich jetzt so darüber nachdenke, nur ein Mal, kurz vor Weihnachten letztes Jahr. Kannst du dich daran noch erinnern?“

 

Daraufhin musste Seto lachen, und er hob Joeys Kinn an, damit er ihn wieder ansehen musste. „Natürlich kann ich mich noch daran erinnern. Wie könnte ich auch nicht?“

 

Setos Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, zauberten Joey dieses zuckersüße Lächeln ins Gesicht, dem der Brünette niemals würde widerstehen können. Er beugte sich zu ihm runter und gab ihm erneut einen liebevollen Kuss, während Joey seine Arme noch ein wenig enger um ihn schlang.

 

Als sie sich wieder voneinander lösten, fragte Joey: „Oder ist Kaiba-Land zu einfallslos? Immerhin gehört der Laden sowieso euch.“

 

Seto strich Joey eine blonde Strähne aus der Stirn, bevor er erwiderte: „Nein, ich glaube, das wäre eine ziemlich gute Idee. Immerhin werden im Frühjahr auch immer die neuen Attraktionen installiert, und die hat Mokuba ja bisher noch gar nicht gesehen. Ich glaube, das könnte ihm Spaß machen. Ich würde ihm vielleicht trotzdem noch ein weiteres Geschenk kaufen. Ich überleg‘ mir was.“

 

Daraufhin erhob sich Joey vom Schreibtisch, legte die Arme um Setos Hals und zog ihn wieder etwas näher zu sich, sodass sich ihre Nasenspitzen schon fast berühren konnten. „Okay, klingt nach einem Plan. Und was machen wir jetzt mit dem Rest des Abends?“

 

Seto grinste und zog Joey erneut enger an sich. Mit verführerischer Stimme fragte er: „Hm, ich weiß nicht, hast du einen Vorschlag?“

 

Joey stellte sich leicht auf die Zehenspitzen, um Setos Gesicht besser zu erreichen, und kurz bevor sich ihre Lippen trafen, antwortete er: „Mir würde da schon was einfallen.“

 

Ein paar Tage später wurde in dem Café, in dem Joey bisher gearbeitet hatte, eine Abschiedsfeier für ihn gegeben. Es waren die letzten Tage gewesen, die Joey dort ausgeholfen hatte, denn nun würde er seine Tätigkeit im Waisenhaus in Vollzeit aufnehmen. Schon ein paar Tage vor der Party hatte Seto an Joey bemerkt, dass es ihn ein wenig melancholisch gemacht hatte, aber der Brünette hatte ja auch gewusst, wie viel ihm diese Arbeit dort bedeutet hatte. Manchmal fragte er sich selbst, ob es ein Fehler gewesen war, Joey die Arbeit im Waisenhaus vorzuschlagen. Immerhin hatte es ihn erst in die missliche Lage gebracht, eine Auswahl treffen zu müssen. Aber am Ende hatte Seto eingesehen, dass es doch die richtige Entscheidung gewesen war, weil Joey recht schnell zu dem Entschluss gelangt war, dass die Arbeit im Waisenhaus genau das Richtige für ihn war.

 

Joey hatte Seto gebeten, auch zur Feier zu kommen. Zwar konnte der Braunhaarige mit Feierlichkeiten aller Art nicht so viel anfangen, aber Joey einen Wunsch abzuschlagen, war schon fast ein Ding der Unmöglichkeit. Auf dem Weg zu Joeys bisheriger Arbeitsstelle hatte Seto noch schnell ein Geburtstagsgeschenk für Mokuba besorgt – ein neues Handy. Mittlerweile war sein kleiner Bruder wirklich alt genug, ein Handy der neuesten Generation zu besitzen. Am Anfang hatte Seto ihm nur etwas ältere Handys erlaubt, um zu schauen, ob er es nicht am laufenden Band verlieren würde. Seto hasste es, unnötig Geld auszugeben, auch wenn das Geld für ein Handy ihm nicht wirklich weh tat. Dennoch, hätte Mokuba ständig ein neues gebraucht, wäre es reine Geldverschwendung gewesen, ihm immer die tollsten, neuesten Handys zu schenken. Aber er hatte sich Setos Vertrauen erarbeitet und war tatsächlich sehr sorgfältig mit seinen Besitztümern umgegangen. Und der Brünette wusste, dass er Mokuba nun einen kleinen Herzenswunsch erfüllen würde, und er freute sich jetzt schon auf das strahlende Lächeln, das das auslösen würde. Er ließ das Geschenk im Wagen, öffnete die Tür und machte sich auf den Weg in das kleine Gebäude.

 

Als er gerade die Tür zum Café öffnete und eintrat, rieselte ein bunter Konfettiregen auf Joey hinab. Sein Hündchen stand inmitten seiner – nunmehr ehemaligen – Kollegen, die nacheinander die Konfettikanonen auf ihn abfeuerten, und auch Seto bekam was ab. Als Joey sich dann zu ihm umdrehte, hatte er wieder dieses herzerwärmende Lächeln auf den Lippen, und die Geschwindigkeit von Setos Herzschlägen passte sich der Melodie des schnellen Jazz-Songs im Hintergrund an.

 

Seto wurde von Joey an der Hand genommen und weiter in den Raum reingezogen und freundlich lächelnd von allen Anwesenden begrüßt. Er nickte ihnen zu, aber seine Mundwinkel zogen sich dabei nicht nach oben. Das zu sehen, würde auf ewig nur seinem Hündchen vorbehalten bleiben. Und manchmal auch Mokuba, zumindest wenn er keinen Unfug anstellte. Aber er sprach hier immerhin von Mokuba Kaiba – wann war das jemals vorgekommen?

 

Die Stimmung war ausgelassen, es wurde getrunken, gegessen, geredet, aber Seto hielt sich, wie auf allen anderen Partys sonst auch, stark im Hintergrund, saß allein an einem Tisch in der Ecke, während Joey sich angeregt mit seinen Mitmenschen unterhielt. Der Braunhaarige war unterdessen damit beschäftigt, noch die letzten Vorbereitungen für Mokubas Geburtstag im Kaiba-Land in ein paar Tagen zu treffen und schickte daher etliche Nachrichten an einige seiner Mitarbeiter.

 

Er war so vertieft, dass er gar nicht mitbekam, wie Joey sich zu ihm an den Tisch gesetzt hatte. Erst, als dieser sich räusperte, schaute Seto auf und konnte den Blonden frech grinsen sehen, kurz bevor er seine Hand nahm und sie behutsam streichelte. „Hey“, sagte Joey, und aus dem flapsigen Grinsen wurde ein sanftes. Setos Mundwinkel zuckten nach oben, und nach einem kurzen Blick in alle Richtung konnte er nüchtern feststellen, dass keiner sie beobachtete, also folgte er seinem Impuls und erwiderte das Lächeln. „Hey“, spiegelte er Joeys Begrüßung und legte das Handy zur Seite. Er wusste, wie sehr es den Blonden störte, wenn er es sich vor die Nase hielt, wenn sich sein Hündchen mit ihm unterhalten wollte. Seto gab nicht immer nach, aber da das allermeiste sowieso schon vorbereitet war, gab es keinen Grund, es dieses Mal nicht zu tun. Außerdem wollte er Joey einen schönen letzten Tag im Café bereiten, und auch wenn er ihre kleinen Streitereien im Alltag noch immer sehr schätzte, so musste er es ja nicht in diesem Moment provozieren.

 

„Hast du Spaß, mein Hündchen?“, fragte Seto und nahm sofort Notiz davon, wie Joeys Augen noch mehr strahlten und glänzten. Mit euphorischem Unterton antwortete der Blonde: „Ja, und wie! Danke, dass du hergekommen bist, das bedeutet mir viel.“ Er stockte für einen kurzen Augenblick, bevor er nun auch Setos zweite Hand nahm und ihm noch tiefer in die Augen sah. „So schwer mir der Abschied hier auch fällt, ich freue mich wirklich sehr auf meine Zukunft. Unsere Zukunft.“

 

Ihre Finger verschränkten sich ineinander, den Blick weiter unnachgiebig auf den jeweils anderen gerichtet. Was würde die Zukunft wohl für sie beide bereit halten? Wie genau würde sie aussehen? Was für Wünsche und Vorstellungen hatte Joey eigentlich von der Zukunft? Seto nahm sich vor, das alles irgendwann mal zu erfragen, sich aber auch selbst Gedanken darüber zu machen, was er sich für sein eigenes Leben vorstellte. Bisher hatte es immer nur aus Mokuba und der KaibaCorp bestanden, aber seit der blonde Wirbelwind vor ihm sein Herz im Sturm erobert und sich einfach so in sein Leben geschlichen hatte, da hatte er auch seine Welt neu ordnen müssen. Allerdings musste er feststellen, dass es ihm weder schwergefallen war, noch sonderlich viel ausgemacht hatte. Joey war die Liebe seines Lebens, das wusste er, und wie immer ihre Zukunft auch aussehen mochte, sie würden sie zusammen verbringen. Und das war alles, was zählte.

 

„Sollen wir gehen?“, unterbrach Joey seine Gedankengänge. Seto nickte - er hatte gar nicht gemerkt, wie spät es schon geworden war - und ließ Joey alle Zeit, die er brauchte, um sich von seinen Kollegen zu verabschieden. Er hörte, wie Joey ihnen versprach, ab und zu mal vorbeizuschauen, wenn auch nicht mehr in der Funktion eines Mitarbeiters, aber als Gast. Und wenn Joey es wollte, würde Seto ihn gern begleiten. Das Café hatte Charme, und auch wenn Joey einen nicht unerheblichen Beitrag zur positiven Atmosphäre leistete, so war es doch auch an sich schon ein schöner Ort, der zum Verweilen einlud. Nicht, dass Seto sich jemals viel daraus gemacht hätte, sinnlos Zeit an einem Ort zu verschwenden. Aber mit Joey an seiner Seite gab es so etwas wie vergeudete Zeit nicht – sie war immer sinnvoll.

 

Nachdem Joey sich von allen verabschiedet hatte, gingen sie gemeinsam raus, während die Glocke am Eingang das letzte Mal für den Blonden läutete, als er noch kein normaler Gast gewesen war. Die Sonne war bereits untergegangen und sie wurden vom Licht der Sterne und seichtem Abendwind begrüßt, der zudem auch noch immer ziemlich warm war. Der Hochsommer in Japan konnte ziemlich erdrückend sein, deshalb konnte Seto es nicht abwarten, in die klimatisierte Limousine zu steigen.

 

Und gerade, als sie sich auf den Weg in eben diese machen wollten, nahmen sie eine dunkle Gestalt vor sich wahr und zögerten. Seto hatte sofort das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Die Person stand so, dass sie nur schemenhaft zu erkennen war, wie ein Schatten in der Nacht, und doch hatte es etwas Bedrohliches an sich. Sie waren stehen geblieben, auch wenn die Person noch nichts gesagt hatte, und unbewusst hatte sich Seto leicht vor Joey gestellt.

 

Dann, und Seto konnte nicht sagen, wie viel Zeit bis hierhin vergangen war, sprach der Schatten die ersten Worte. „Hallo, Mr. Kaiba.“ Seto kniff die Augen ein wenig zusammen in der Hoffnung, dann mehr von der Person erkennen zu können, aber es hatte keinen Zweck. Dennoch, die Stimme kam ihm irgendwie bekannt vor. Aber woher nur?

 

Der Mann vor ihnen trat nun ein paar Schritte auf sie zu, und im Licht der Straßenlaternen konnte Seto sehen, dass er komplett vermummt und in schwarz gekleidet war. Er wollte offensichtlich weder erkannt werden noch groß auffallen. „Ich hoffe, Ihnen haben meine Briefe gefallen.“ Setos Augen weiteten sich und er konnte aus dem Augenwinkel erkennen, dass Joey scharf einatmen musste. Für den Bruchteil einer Sekunde schaute er zu ihm rüber. Er sah nervös aus. Seto atmete ein Mal tief durch. Er musste Ruhe bewahren und versuchen, die Situation zu entschärfen.

 

Also antwortete er: „Ich habe die Briefe erhalten. Ich weiß nur nicht genau, was Sie damit bezwecken wollten. Oder wer Sie sind und was Sie von mir wollen.“ Gehässiges Lachen, dann antwortete der Mann: „Ich will, dass Sie leiden, Mr. Kaiba. So, wie ich gelitten habe.“

 

Seto wusste noch immer nicht so genau, was hier eigentlich gerade passierte. Dass er durchaus einige Feinde hatte, war nicht weiter verwunderlich. Aber welches Leid hatte er diesem Mann denn angetan? Er konnte sich nicht erinnern, jemandem mal persönlichen, oder besser gesagt körperlichen Schaden zugefügt zu haben. Vielleicht ein Konkurrent aus einer anderen Firma? Jemand, den er im Duell geschlagen hatte? Wer nur war dieser Mann?

 

Erst zwei kurze Klickgeräusche brachten Seto zurück in die Realität – und er plötzlich wahrnahm, dass eine Waffe auf ihn gerichtet war. Er spürte, wie ihm der Atem stockte und er sich für eine Sekunde nicht bewegen konnte. Er wusste zwar nicht, was das alles sollte, aber er musste irgendwie für eine Deeskalation der Gesamtsituation sorgen.

 

„Ich weiß noch immer nicht, was genau Sie von mir wollen, aber ich bin sicher, wir finden eine Lösung, wenn Sie die Waffe runternehmen“, erklärte Seto, doch der Mann lachte nur hämisch. 

 

„Jetzt können Sie mich nicht mehr ignorieren, oder? Aber wissen Sie was? Jetzt ist es zu spät. Und Sie werden jetzt die Konsequenzen dafür zu spüren kriegen.“

 

Und als der Angreifer die Pistole wie in Zeitlupe von Seto zu Joey schwenkte, verfiel Seto sofort in Panik. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, schubste er Joey zur Seite, gerade noch rechtzeitig, bevor der Mann nur einen Augenaufschlag später die Waffe abfeuerte und es einen lauten Knall gab.

 

Seto spürte sofort einen heftigen Schmerz in der Brust, er hatte augenblicklich Schwierigkeiten zu atmen. Er spürte eine warme Flüssigkeit an seinen Händen – und sie war rot. Und nur den Bruchteil einer Sekunde später wurde die Welt um ihn herum schwarz.

 

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Die Zeit schien still zu stehen, während Joey beobachtete, wie Seto zu Boden ging, nur Millisekunden, nachdem er ihn selbst zur Seite gestoßen hatte. Er hatte den Schuss gehört, aber jetzt waren plötzlich alle Geräusche weg. Es war so still. Alles war wie gedämpft. Das einzige Geräusch, das er wahrnehmen konnte, war sein Herzschlag in seinen Ohren, das Rauschen seines Blutes. Sein Atem ging schnell und abgehackt.

 

Noch immer saß er auf dem Boden, auf dem er gerade unsanft aufgekommen war, mit den Händen abgestützt und sein Blick auf Seto gerichtet. Für einen kurzen Moment hatte er den Schmerz in Setos Gesicht aufflackern sehen, bevor er zusammengebrochen und bewusstlos geworden war. Aber Joey konnte noch immer nichts tun. Er war wie gelähmt, unfähig, sich auch nur einen Zentimeter von der Stelle zu bewegen, selbst dann noch, als sich der Pflastersteinboden vor dem Café immer mehr mit Setos Blut füllte.

 

Joeys Atem beschleunigte sich und es schnürte ihm die Kehle zu. Er wollte schreien, aber kein Ton verließ seine Kehle. Er wollte sich auf Seto stürzen, ihn schütteln, damit er wieder aufwachte, aber seine Glieder bewegten sich nicht. Er wollte weinen, die Emotionen rauslassen, aber es ging nicht. Sein ganzer Körper gehorchte ihm nicht. Er war sein eigener Gefangener, verloren in den Tiefen seiner Panik und des Schocks.

 

Er kam sich vor wie in einem Traum, den er selbst nicht kontrollieren konnte. Er konnte einzelne Personen ausmachen, die hektisch hin- und herliefen, zwischen ihm und Seto, aber seine Sicht verschwamm ständig vor seinen Augen. Er war unfähig, einen Punkt zu fokussieren, sah nur die rote Flüssigkeit vor sich, die sich stetig zu vermehren schien. Immer wieder wurde er angesprochen, aber die Worte drangen nicht vollständig zu ihm durch.

 

Warum nur konnte er Seto nicht helfen? Was war los mit ihm? Er musste etwas tun, irgendwas! Sein ganzes Inneres explodierte vor Schmerz. Was, wenn Seto...

 

In dem Moment platzte ein Teil des Knotens in ihm und es war, als wenn Joey aus einem hundertjährigen Schlaf erwacht war. Seine Sicht wurde klarer, er nahm alle Geräusche deutlicher wahr, hörte viele Menschen durcheinander schreien. Er bemerkte die Sirenen des Krankenwagens, die immer näher kamen. Joeys Augen füllten sich allmählich mit Tränen, die dann in großen Bächen sein Gesicht hinunterflossen. Doch auch, als die Sanitäter Seto auf eine große Trage hievten, konnte Joey sich nicht bewegen, er konnte noch immer nur verfolgen, was passierte, doch mit jeder Sekunde, die verging, schärften sich seine Sinne mehr und mehr.

 

Dann wandten sich die Notfallsanitäter ihm zu. „Mr. Wheeler, geht es Ihnen gut? Sind Sie verletzt?“ Joey konnte nicht mehr tun, als mit dem Kopf zu schütteln, sein Blick noch immer starr und geschockt auf Seto gerichtet, der unbeweglich auf der Trage lag.

 

„Mr. Wheeler, wir müssen Sie mit ins Krankenhaus nehmen, um Sie zu untersuchen“, wurde er erneut angesprochen, und er ließ sich von dem jungen Mann hochziehen. Sie folgten den anderen Sanitätern, die Seto nun in den Krankenwagen beförderten, und auch Joey stieg ein. Er war überrascht, dass er es schaffte, sich jetzt doch zu bewegen, aber er merkte schnell, dass er an beiden Armen mehr oder weniger von den anderen Rettungshelfern in die richtige Richtung geschleift und ebenfalls in den Wagen gebracht wurde.

 

Die Zeit bis ins Krankenhaus verging quälend langsam. Immer wieder wurde er angesprochen, sein Blutdruck wurde gemessen und verschiedenste Untersuchungen durchgeführt, aber er starrte weiterhin auf Seto, der deutlich mehr über sich ergehen lassen musste. Die Sanitäter hatten es geschafft, die Blutung einigermaßen zu stoppen. Seto trug eine Atemmaske, überall an seinem Körper wurden Sensoren angebracht und er wurde an einen Tropf angeschlossen, sodass ein Schlauch seinen Arm verließ. Ein Monitor, der im Hintergrund immer mal wieder piepste, zeigte dessen Vitaldaten, und Joeys Blick wanderte nun zu diesem Gerät. Es war nicht schwer zu erkennen, dass Setos Blutdruck und Puls viel zu niedrig waren, genauso wie seine Körpertemperatur.

 

Joey wurde erneut von einer Panik ergriffen, und bevor er es selbst richtig realisieren konnte, brach er in Tränen aus und schluchzte unkontrollierbar. Er hatte das Gefühl, nicht atmen zu können, so als wenn sich ein Kloß in seinem Hals eingenistet hätte, der den Weg der Luft in seine Lungen versperrte. Er merkte, wie er anfing, zu zittern, und ihn überkam das Gefühl, als müsste er sich gleich übergeben.

 

Er hielt sich eine Hand vor den Mund, um das möglichst zu verhindern, als er plötzlich eine fremde Hand auf seiner Schulter spürte. „Wir tun, was wir können, Mr. Wheeler“, hörte er einen der Rettungssanitäter sagen, und mit tränenverschleiertem Blick schaute er ihm ins Gesicht. Er konnte einen Anflug von Verzweiflung in dessen Augen erkennen, und das konnte nur eines bedeuten – es war nicht sicher, dass Seto es schaffen würde.

 

Beim Krankenhaus angekommen, fand Joey die Kraft in seinen Gliedern einigermaßen wieder. Er stieg zusammen mit den Sanitätern und Seto, noch immer auf der Trage liegend, aus dem Krankenwagen und wich ihm nicht von der Seite. Gemeinsam mit den Notfallhelfern lief er durch ein Wirrwarr an Gängen, so kam es Joey zumindest vor. Als plötzlich eine von Setos Händen von der Trage runterrutschte, nahm Joey sie sofort in seine – sie war eiskalt, und das jagte Joey einen ebenso kühlen Schauer über den Rücken, bevor die nächste Panikattacke ihn ereilte.

 

Die weit aufgerissenen Augen auf Seto gerichtet, nahm er nur vage wahr, wie ein Arzt zu der Gruppe dazustieß und sich mit den Sanitätern über Setos Zustand unterhielt. Er schnappte ein paar Wortfetzen auf, was erneut alle Luft aus seinen Lungen presste.

 

„Sein Zustand ist kritisch.“

 

„Er muss sofort in den OP.“

 

„Schwester, bereiten Sie so schnell es geht alles vor.“

 

Eine Tür öffnete sich wie automatisch vor ihnen, und gerade, als Joey mit ihnen hindurchgehen wollte, wurde er vom Arzt aufgehalten. „Sie dürfen nicht mit rein, Mr. Wheeler. Wir müssen Mr. Kaiba so schnell es geht operieren. Bitte warten Sie hier draußen, ich melde mich, sobald wir mehr wissen. Ich schicke eine Schwester, damit sie nach Ihnen sieht.“

 

In diesem Moment ließ Joey Setos Hand aus seiner eigenen gleiten, und der Arzt verschwand mit dem Krankenhauspersonal. Und als sich die Tür vor Joey wieder schloss, spürte er die Verzweiflung und den Schmerz über die Ungewissheit, was jetzt passieren würde, in jeder Zelle seines Körpers.

 

Gerade noch so, bevor er auf dem Boden zusammen sacken konnte, schaffte er es, sich auf einen Stuhl inmitten einer Stuhlreihe am Rande des Ganges zu setzen. Er stützte seinen Kopf auf den Ellenbogen ab, die er auf seinen Oberschenkeln aufsetzte, und ließ nun allen Tränen und auch seinen Gedanken freien Lauf.

 

Warum hatte Seto das gemacht? Warum hatte er sich vor ihn geworfen? Der Angreifer hatte es ganz offensichtlich auf ihn abgesehen gehabt. Alles war so schnell gegangen. Es war Seto gewesen, der das Gespräch mit dem Mann geführt hatte, aber selbst, wenn Joey gewollt hätte, er hätte keinen Ton rausbringen können. Die schemenhafte Gestalt war ihm schon gruselig vorgekommen, als sie noch auf Distanz gewesen war, aber kaum hatte sie eine Pistole auf Seto gerichtet, und schlussendlich ja auch auf ihn, war er einer Schockstarre verfallen, aus der er nicht hatte ausbrechen können.

 

Wer war dieser Mann überhaupt? Hatte Seto ihn erkannt? Wenn Joey es richtig verstanden hatte, war er wohl der Absender der Drohbriefe, die Seto in letzter Zeit erhalten hatte. Er hatte was darüber gesagt, dass er Seto dasselbe Leid zufügen wollte, wie er selbst erfahren hatte. Kannten sich die beiden? Was hatte ihn dazu verleitet, zu solch drastischen Mitteln zu greifen?

 

Plötzlich erfasste ihn eine unbändige Wut auf diesen Unmenschen, der Seto das angetan hatte. Denn es war vollkommen egal, was zwischen ihnen passiert war – so weit hätte es nicht kommen dürfen. Und überhaupt, wo waren die verdammten Sicherheitskräfte von Seto gewesen, jetzt, wo sie sie so dringend benötigt hätten? Joey wurde heiß und er hatte das Gefühl, gleich wahnsinnig zu werden. Am liebsten hätte er seine Faust in die steinharte Wand vor ihm geschlagen, immer und immer wieder, in der Hoffnung, dass damit all seine Wut und gleichzeitig die Verzweiflung abnehmen würden. Aber das wäre nicht mehr als Wunschdenken. Das würde Seto jetzt auch nicht helfen. Und es würde auch nicht ungeschehen machen, was passiert war.

 

Joeys Blick war nach unten auf seine Oberschenkel gerichtet, seine Hände lagen nun zu Fäusten geballt darauf, als sich seine Wut auf den Angreifer plötzlich auf jemand anderen richtete – auf sich selbst. Was machte er sich hier eigentlich vor? Er war es, der Seto nicht hatte helfen können, als er ihn am meisten gebraucht hatte. Er hatte ihn im Stich gelassen, als er bewusstlos und blutend auf dem Boden gelegen hatte. Hatte sich nicht bewegen können, auch wenn er es so gern gewollt hätte. Hätte Seto bessere Chancen, wenn er sich dazu hätte durchringen können? Wenn er sich hätte zusammenreißen können? Wenn er einfach, verdammt noch mal, aufgestanden und ihm zur Hilfe geeilt wäre?

 

Halb schluchzend, halb lachend, schnaubte Joey auf, und die Verachtung auf sich selbst wurde in seinem Tonfall ziemlich offensichtlich. Nein, seine Schuld begann noch viel früher. Er hatte ihn schon im Stich gelassen, als er nicht konsequent genug darauf bestanden hatte, dass Seto die Polizei einschaltete. Er hätte es besser wissen müssen. Seto hatte die Briefe immer als leere Drohung abgetan, aber für Joey hatte das nie so geklungen. Wieso nur hatte er nicht einfach selbst gehandelt? Warum hatte er nicht einfach selbst die Polizei gerufen? Es war seine Schuld, alles, was Seto jetzt durchstehen musste, erlitt er nur, weil Joey nicht den verdammten Arsch in der Hose gehabt hatte, entsprechende Maßnahmen gegen die Briefe zu ergreifen. Und wenn Seto jetzt starb, dann würde er sich das niemals verzeihen können.

 

„...ey!...oey! Joey!“ Er blickte hoch und sah Mokuba vor sich stehen, der ihn schüttelte. Wie lange war der Kleinere wohl schon hier? Wie lange hatte er versucht, Joey aus seinen Gedanken zu befreien? Und wie hatte er überhaupt erfahren, dass er hier war?

 

Dieses Rätsel löste Mokuba schnell auf, als er sagte: „Das Krankenhaus hat mich angerufen und ich bin so schnell ich konnte hergekommen. Geht es dir gut Joey?“

 

Ob es... ob es ihm gut ging? Warum war das von Relevanz? Es war Seto, der im OP-Saal nun um sein Leben kämpfte, nicht Joey, obwohl er an seiner Stelle dort sein sollte. 

 

Nur eine Sekunde später spürte er, wie sein Mageninhalt seine Speiseröhre hinauf lief, und gerade noch rechtzeitig stürzte er sich auf den Mülleimer neben der Stuhlreihe und ließ alles aus seinem Mund raus, bis nichts mehr übrig war und nur noch Magensäure rauskam. Ihm brannte die Kehle, genau wie seine Augen, die noch immer unaufhaltsam von Tränen überschwemmt wurden.

 

Joey sackte nun endgültig auf dem Boden zusammen. Er wollte nicht mehr aufstehen, er hatte keine Kraft mehr dazu. Er war es, der hätte sterben sollen. Nicht Seto. Oh Gott, was, wenn er die Liebe seines Lebens nie wiedersehen würde? Wie nur sollte er dann weiterleben können? Wie könnte er Mokuba jemals wieder unter die Augen treten? Oder irgendjemandem sonst? Wie sollte er mit der Schuld, dass das alles seinetwegen passiert war, jemals fertig werden können?

 

Joeys verzweifelte Schreie hallten in allen Gängen des Krankenhauses wider, während Mokuba seine Arme um ihn schlang und sich ebenfalls seinem lauten Schluchzen hingab. Er hörte, wie Mokuba immer wieder etwas sagte, aber seine Worte erreichten ihn nicht. Er konnte deren Bedeutung nicht verstehen, weil alles in seinem Kopf sich drehte, und der Schmerz, den er fühlte, all die Angst, keinen Platz ließen für andere Gedanken. Alles, woran er denken konnte, war der Mann mit den eisblauen Augen, der einsam und allein in einem verdammten OP-Saal um sein Überleben kämpfte.

 

Seto, sein Drache – er hatte ihn so oft schon in seinem Leben gerettet, immer und immer wieder. Und nun war es Joey gewesen, der ihn nicht hatte retten können. Und Joey wusste – wenn er Seto nie wiedersehen würde, wenn er tatsächlich starb und für immer aus seinem Leben verschwinden würde, dann wäre auch sein eigenes Dasein vorbei. Weil alles, was dem einen Sinn gab, fort wäre. Weil er dann alles verloren hätte, wofür es sich jemals zu kämpfen gelohnt hatte. Aber sollte dieser Fall eintreffen, dann wusste er, was zu tun wäre. Und dieses Mal würde es niemanden geben, der ihn davon würde abhalten können – weil der Einzige, der das jemals geschafft hatte, nicht mehr da wäre. Und sollte all das wirklich zur Realität werden und diesen Schritt notwendig machen, dann wusste Joey – sie würden schlussendlich doch wieder vereint sein. Wenn auch erst im Tod.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Ryosae
2021-02-18T20:50:54+00:00 18.02.2021 21:50
Neiiin!! Wieso gibt es solche kranken Menschen?! Und wieso haben sie so oft Mordgedanken? 😭

Bitte lass es Seto wieder besser gehen! Wir wollen alle nicht das Joey seinen blöden Plan im die Tat umsetzen wird.
Antwort von:  Evi1990
18.02.2021 22:47
Haha so viele Fragen offen, oder? Ein paar werden im nächsten Kapitel vielleicht geklärt - vielleicht ;D xD
Von:  Onlyknow3
2021-02-18T17:46:25+00:00 18.02.2021 18:46
Das ist heftig, das darf nicht so ausgehen wie Joey es sich hier vorstell.
Ich habe auch mit den Tränen gekämpft, das kannst du den beiden doch nicht antun.
Weiter so, ich freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Evi1990
18.02.2021 19:50
Hihi ich weiß, ich weiß 🤣 bis nächste Woche 😊
Von:  KayaPaws
2021-02-18T14:39:52+00:00 18.02.2021 15:39
Duuuuuu! Komm du mir unter die Augen Q_Q jetzt schuldest du mir noch ne Packung Taschentücher xD
Antwort von:  Evi1990
18.02.2021 17:51
Ahaha ja vermutlich, sorry dafür 🤣🤣🤣
Von:  empress_sissi
2021-02-17T21:24:58+00:00 17.02.2021 22:24
😭😭😭😭😭😭😭 Nein, nein und nochmals nein, dass darf nicht sein! Der Song dazu in Dauerschleife gibt mir gerade den Rest. Ich wollte nur noch Taschentücher für kitschige und rührende Momente auspacken, aber doch nicht fur so was. Das ist doch eine Happyend-Fic, das kannst du bitte bitte echt nicht machen. 😱

Aber dennoch, Seto würde Joey nie verzeihen, wenn er sein mögliches (?) Opfer zunichte macht und noch dazu Moki alleine lässt. Also reiß dich zusammen Wheeler!!!
Antwort von:  Evi1990
17.02.2021 23:09
Haha es wird auch eine Happy End Fic. Hoch und heilig versprochen xD aber wir sind ja noch nicht am Ende 😏😏😏 danke dir für deinen erneuten Kommentar, das ist der 200. Für diese Fic und das haut mich gerade ziemlich aus den Socken 🤣 bis nächste Woche 🥰
Antwort von:  empress_sissi
18.02.2021 01:14
Hey, wow! Gratuliere zur 200 🥳
Antwort von:  Evi1990
18.02.2021 04:22
Danke 😊


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