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Soft Spot

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Es ist spät, ich bin müde. Da habt ihr.
Ich glaub, gegen Ende gerate ich ins Labern...

Oh, und wenn jemand n Vorschlag für einen Song hat für dieses Kapitel: Gimme gimme! :D Komplett anzeigen

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Auch eine kaputte Uhr fängt zweimal am Tag den fettesten Wurm

„Hast du auch was gehört?“

Das leise Wispern strich über seine feuchten Lippen und sandte einen Schauer seine Wirbelsäule hinab.

„Nein… Mach weiter, wo du aufgehört hast…“, murmelte Yuriy und zog ihn wieder auf seinen Schoß und damit näher zu sich.

 

 

„Sag mal, hast du auch Post vom Vermieter bekommen?“

Ohne Vorwarnung schwang Yuriys Wohnungstür auf und Boris redete sofort drauf los. Mit schwungvollen Schritten marschierte er auf die Küchenzeile zu, während er auf den Brief in seiner Hand starrte, den er bereits im Treppenhaus geöffnet hatte. Nur im Augenwinkel nahm er eine plötzliche Bewegung und leises Rascheln wahr; beidem schenkte er aber nicht viel Aufmerksamkeit. Mit der freien Hand öffnete er den Kühlschrank und nahm sich fast schon blind eine Cola heraus.

„Ich soll 420 Euro nachzahlen. Für ein Ein-Zimmer-Appartement! Die haben ja wohl den Schuss nicht ge-“

Boris sah nun endlich auf und zum Sofa herüber.

„-hört?“

Leicht irritiert blickte er von Yuriy zu… einem Unbekannten mit asiatischen Zügen. Die beiden saßen am jeweils anderen Ende der Couch, eine verdächtig wirkende Entfernung.

„Äh… Ja. Ja, hab ich, ich musste aber nicht… Also wegen der Nackt- äh, Nachzahlung… äh, nachzahlen…“, faselte Yuriy. Er klang ziemlich atemlos.

Boris schüttelte den Kopf und ging die Zeilen auf dem Papier erneut durch. Yuriy stopfte sich rasch ein Kissen auf den Schoß.

„Da brauch ich ja einen Drittjob. Zum Teufel, die Miete wollen die deshalb auch anheben!“

„Also… Mama kann…“

„Ich werde Galina nicht bitten, sie hat schon zu viel…“

Er hielt inne, weil er beobachtete, wie der ihm Unbekannte sich durchs Haar fuhr und Yuriy sich ein paar Strähnen hinter das linke Ohr strich. Das war ein eindeutiger Verlegenheitsmove.

„Und wer ist DAS überhaupt?“

Yuriy knurrte und stieß ein stummes Gebet – oder so – aus.

„Darf ich vorstellen? Das ist Kai. Kai, das ist Boris.“

Noch immer hatte er seinen Atem nicht ganz unter Kontrolle. Boris kniff die Augen zusammen und musterte Kai skeptisch. Dann fiel es ihm wieder ein.

„Oh. Ohhhhhhhh, DER Kai?! Ich hoffe, ich hab euch nicht… bei irgendwas gestört?!“

Seine anfänglich ehrlich bestürzte Miene wich einem breiten Grinsen.

„Yuriy, wer IST das?“, fragte Kai nun seinerseits irritiert und klang sogar leicht genervt.

Schwer seufzend warf Yuriy ihm einen entschuldigen Blick zu.

„Mein Bruder.“

„… Ihr seht euch aber nicht besonders ähnlich.“

„Das erklär ich dir ein anderes Mal. Und JA, Borya, du störst! Wenn du also so freundlich wärst…!“

„Eigentlich wollte ich dich fragen, ob ich deine Badewanne benutzen kann. Wie du siehst, bin ich voller Öl – und meine Wasserrechnung…“

„Geh weg!“

Boris flog ein Kissen ins Gesicht. Gackernd trat er aber tatsächlich den Rückzug an.

 

 

19:34

Boris: Sorry fürs Cockblocken. Tu nichts, was ich nicht auch tun würde!

 

19:36

Yura: Ich werde deinen Namen ändern. Und jetzt hör auf zu nerven! Und KLOPF AN, bevor du zu mir reingestürmt kommst!

 

19:37

Cockblock: Aber bitte nicht so laut ja?

 

19:38

Cockblock: Die Wände sind dünn, das weißt du.

 

19:39

Cockblock: Und was meinst du mit Namen ändern?

 

19:42

Cockblock: Na schön. Bin ja schon still. Habt Spaß!

 

19:52

Cockblock: PS: Ich hab ein paar Kondome an deine Tür geklebt, nur zur Sicherheit. Stay safe! ;-)

 

 

Er hörte die Tür aufgehen, ein Fluchen und das Geräusch, das Klebefilm machte, wenn man es von einer Oberfläche abzog. Dann vibrierte sein Handy endlich wieder.

 

 

19:59

Yura: Sei endlich still!

 

20:01

Yura: Trotzdem danke.

 

 

Boris grinste sein Handy an. Er freute sich für seinen Bruder. Auch wenn er tatsächlich gerne seine Badewanne benutzt hätte… Er pfefferte sein Top in den Wäschekorb und begnügte sich mit seiner eigenen Dusche. Morgen waren sie bei Galina eingeladen, da wollte er saubere Fingernägel haben.

Nach seiner gründlichen Körperreinigung setzte er sich an den Tisch und ging den Brief seiner Vermieter noch einmal sorgfältig durch. Dann rechnete er: Mit dem Bufdi-Taschengeld von knapp 400 Euro hatte er die Miete nicht bezahlen können. Deshalb arbeitete er meist mittwochs, donnerstags und samstags in der „Villa Winkel“ als Kellner bzw. Barkeeper für etwas mehr als den Mindestlohn. Er kam auf sechs oder acht Stunden pro Abend, je nachdem, ob er schon vorher für „schwere“ Arbeit wie Fässer anschließen oder Kisten schleppen gebraucht wurde. Der Job war easy für ihn, er bot Flexibilität und förderte seine eh schon sehr ausgeprägte Stressresistenz. Außerdem sagten ihm auch die durchaus häufigen Flirtchancen zu. Finanziell hatten also die soziale Arbeit und das Kellnern ihn bisher über Wasser gehalten, da er auch recht sparsam war. Er brauchte nicht viel. Aber selbst wenn er diesen und den nächsten Monat auf Alkohol und andere außergewöhnliche Ausgaben verzichtete, konnte er die Nachzahlung nicht berappen. Die Auflistung mit seinen monatlichen Ausgaben frustrierte ihn. Und dabei gab er nun wirklich schon nur das Minimum aus. Auf seine Mitgliedschaft im Boxverein wollte er nicht verzichten. Und die Raten für sein letztes Tattoo waren auch noch lange nicht abbezahlt…

Seufzend zog er die Wochenzeitung zu sich heran und schlug den Teil mit den Stellenanzeigen auf. Ihm stach sofort ein Inserat als Türsteher für das „eclipse“ ins Auge, einem kleinen Club in der Innenstadt und beliebter Studententreffpunkt. Die Bezahlung war gut, und vorstellen konnte er sich das auch. Nur… je länger er darüber nachdachte, desto unliebsamer wurde ihm die Idee. Dann müsste er noch Jura-Schnöseln den Eintritt verweigern, weil sie noch keine 21 waren, oder er traf auf bekannte Gesichter aus seiner Bufdi-Familie, Eltern, Geschwister… Die Stadt war klein.

Boris seufzte erneut und nahm einen Textmarker zur Hand. Er kringelte die zwei vielversprechendsten Anzeigen an – ein Gesuch für eine Putzhilfe für 3-4 Stunden wöchentlich für einen Zwei-Personenhaushalt in der Nähe, und ein Angebot für Teilzeit oder 450€-Basis als Mitarbeiter im Verkauf. Was auch immer dort verkauft wurde. Gähnend streckte er sich. Sollten die beiden Stellen nichts sein, würde er sich die Na dann holen. Dort gab es Stellenanzeigen en masse. Mit Sicherheit würde er dort fündig werden.

Nach einem letzten, grantigen Blick auf den Nachzahlungsbescheid stand er auf, stellte sich einen Wecker und eine Erinnerung, dass er morgen dran war, die Blumen für den morgigen Besuch bei Galina zu besorgen. Er dehnte seine Nackenmuskeln, bis es knackte, öffnete das Fenster in der Küche und ließ sich anschließend erschöpft auf sein Bett fallen.

„Scheiß Nachzahlung…“

 

 

Yuriy starrte auf den Strauß in seinem Schoß. Er saß auf dem Beifahrersitz, während Boris die knapp vierzig Minuten zu ihnen nach Hause fuhr.

„Du hast schöne Blumen ausgesucht.“

Boris brummte. In Gedanken überschlug er verschiedene Rechnungen und dachte darüber nach, was er sonst noch nebenberuflich machen könnte. Yuriy knibbelte an einem Aufkleber auf dem Plastik.

„Hör mal…“, begann er etwas nervös, „das mit Kai… ich fänd’s gut wenn… Ich möchte das Mama gern selbst sagen. Also… wenn der richtige Zeitpunkt… du weißt schon…“

Boris brummte erneut.

„Ich mein, vielleicht denkt sie sich auch schon längst ihren Teil, aber es auszusprechen…“

Yuriy schwieg eine Weile.

„Hörst du mir überhaupt zu?“

Boris sah kurz zur Seite und sie wechselten einen Blick.

„Natürlich. Ich oute dich nicht.“

Yuriys Blick lag lange auf seinem Bruder. Normalerweise hätte dieser die komplette Autofahrt versucht, ihn in Verlegenheit zu bringen und kompromittierende Auskünfte der letzten Nacht verlangt. Ihn musste also etwas anderes schwer beschäftigen.

„Worüber grübelst du?“

„Ich brauch Kohle. Und das schnell.“

„Wenn du Mama fragst, wird sie sicher helfen. Es ist ja jetzt nicht so, dass du Schuld daran bist. Nachzahlungen kommen vor.“

„Aber nicht in der Höhe. Vielleicht hab ich zu lange das Wasser laufen lassen oder… was weiß ich.“

Boris bog in die vertraute Wohngegend ihrer Jugend ein.

„Und, falls du das gestern nicht mitgekriegt hast, weil dein Verstand in deinem Schwanz war-“

„Sei nicht immer so vulgär!“

„… sage ich es dir noch einmal: Ich möchte sie nicht fragen. Galina hat schon zu viel für mich getan, ich will sie nicht noch damit belasten. Also… sei auch du bitte still darüber, ja?“

Er parkte sein Auto, dass sie sich teilten, aber auf seinem Namen lief, in der Einfahrt. Abwartend sah er Yuriy dann an. Dieser seufzte.

„Versprochen. Bruderehrenwort.“

Sie verhakten ihre Finger kurz, bevor Yuriy sich umständlich aus seinem Sitz schälte, um die Blumen nicht zu zerquetschen. Boris schrieb noch eine kurze SMS, ehe auch er ausstieg.

Galina erwartete sie bereits in der Haustür. Ihre Hände waren in die Hüften gestemmt und sie belegte ihre beiden Jungen mit einem strengen Blick. Boris schluckte. Er schlug die Tür zu und verschloss den Wagen, hastete anschließend um die Motorhaube herum, um sich etwas hinter Yuriy zu verstecken. Wenn sie schon ihren Zorn abkriegten, dann wenigstens zusammen. Und sie sah schon etwas zornig aus.

Sie folgten ihrer Mutter durch den kurzen Hausflur in die Wohnung, wo sie erst mal ihre Schuhe auszogen. Galina Ivanov wohnte im Erdgeschoss eines Vierparteienhauses. Sie hatte einen kleinen Garten mit Terrasse. Der Balkon über ihr bot sogar genug Schatten, um in der Mittagssonne dort Siesta zu halten. Hier hatten Yuriy und Boris zwei kleine, aber sehr gemütliche Zimmer gehabt. Aus einem hatte sie jetzt einen Hobbyraum gemacht, in dem sie nähte. Das etwas größere, das Yuriys Zimmer gewesen war, hatte sie zum Gästezimmer gemacht. Die alten Jugendbetten in 90er-Breite standen dort. Manchmal übernachteten ihre Jungs noch dort, mal allein, mal beide zusammen. Ein paar alte Erinnerungsstücke ihre Kindheit standen dort auch immer noch im Regal.

Als sie im Wohnzimmer angekommen waren, blieb ihre Mutter stehen und drehte sich schwungvoll zu ihnen um.

Yuriy wechselte einen kurzen Blick mit Boris, da bekamen sie beide einen leichten Klaps in den Nacken.

„Ihr sollt euch nicht immer streiten!“, schimpfte Galina endlich los. Schuldbewusst und betreten sahen beide Delinquenten auf den Boden.

„Und sagt mir nicht ‚Kommt nicht wieder vor, Mama!‘, denn das kann ich nicht glauben! Immer muss ich mich aufregen. Immer muss ich mir Sorgen machen!“

Boris stieß Yuriy mit dem Ellbogen in die Hüfte und nickte in ihre Richtung. Yuriy hielt seine Blumen höher, einer Opfergabe gleich.

„Wir… Wir haben Blumen mitgebracht?!“

Galina nahm die Blumen, betrachtete sie eindringlich; aber letztlich zog sie erst Yuriy, dann Boris in eine liebevolle Umarmung und küsste ihnen beiden die Stirn.

„Versprecht ihr mir denn wenigstens, dass ihr demnächst alleine darauf kommt, euch zu vertragen, ohne dass ich euch erinnern muss? Ihr müsst das irgendwann selbstständig können, ich werde euch nicht für immer erinnern können.“

„Mama, sei doch nicht immer so düster…“

Yuriy verdrehte seine Augen ob ihrer melodramatischen Tendenz. Boris mochte es auch nicht so gerne, wenn sie so sprach, denn manchmal genügte nur ein unachtsamer Moment eines anderen…

„Du wirst uns sicher noch bis ins hohe Alter triezen.“

„Yurotschka, du wackelst gehörig am Ohrfeigenbaum, mein Lieber!“, warnte Galina ihren Sohn und kehrte ihm den Rücken, um die Blumen in eine Vase zu stellen, damit Yuriy sie anschließend auf dem Gartentisch auf der Terrasse stellen konnte.

Aus den Augenwinkeln nahm Yuriy dabei wahr, wie Boris sein Handy eingehend studierte und selbst etwas eintippte.

 

 

15:07

Lai Chou (Trainertüp): Jo, Angebot steht noch. 75, wenn du verlierst. 125, wenn du gewinnst.

 

Boris K.: Mehr nich? Hab von besseren Geboten gehört.

 

Lai Chou (Trainertüp): Bist halt nicht A-Klasse. Da kannste ab 300 machen, aber du musst erst über B-Klasse einsteigen.

 

 

„Мишка, kommst du raus? Und Handy weg bei Tisch!“

Hinter Galina feixte Yuriy wegen des Kosenamens von einem Ohr zum anderen.

„Ja, sofort! Bin gleich da!“

 

 

15:10

Boris K.: 125 ist schon recht wenig.

 

Lai Chou (Trainertüp): Ich schau mal, was ich noch rausholen kann.

 

 

Boris steckte sein Handy in seine Hosentasche und trat auf die sonnengewärmten Steinplatten hinaus. Galina goss ihnen Kaffee ein und Yuriy half beim Anschneiden der Medovnik.

„Nächstes Mal gibt es Erdbeerkuchen, aber ich dachte ich mach was mit Honig – denn Honig klebt und hält zusammen, was zusammen gehört“, erklärte Galina mit einem Schwenk ihres Kaffeelöffels.

Boris tröpfelte etwas Sahne in seine Tasse, Yuriy trank ihn schwarz.

„Poetisch, мамуля.“

Galina hielt inne und sah ihn an, bereit, ihm auf den Zahn zu fühlen.

„Was hast du ausgefressen, junger Mann?!“

Wie ertappt sah Boris auf und gab sich selbst einen mentalen Bitchslap. Noch hatte er gar nichts angestellt, aber sein schlechtes Gewissen sprach wohl für sich. Genau in diesem Moment spürte er sein Handy auf seinem Oberschenkel vibrieren, als wollte es sein schlechtes Gewissen nur bestätigen. Hilfesuchend sah er zu Yuriy. Dieser vermutete fälschlicherweise, dass es um das Hüten seines Geheimnisses ging, was Boris ihm ja versprochen hatte.

„Mama, weißt du eigentlich, dass wir… äh, eine sehr nette Nachbarin haben?!“

„Was?“, kam es von Boris und Galina gleichzeitig, wobei Boris‘ eher nach einem „Bist du bescheuert!?“ klang.

„Ja. So ein altes Mütterchen von nebenan. Du weißt schon, die hinter der Rhododendronhecke. Aber das kann Boris dir sicher besser erzählen, der war gestern da.“

„So? Wie kommt es dazu, dass du dich bei alten Damen herumtreibst?“

Boris warf Yuriy einen „Na schönen Dank auch!“-Blick zu, denn wie sollte er erklären, dass er aufgrund einer Verkettung ihm unkenntlicher Ereignisse rein zufällig dort in Irma von Landbergs Garten gelandet war?

„… Das war in der Tat etwas skurril. Sie brauchte Hilfe beim Rasenmähen. Ihr Sohn lässt sie wohl häufig im Stich… Und neulich war ich am Postkasten, da hat sie mich einfach angesprochen.“

Er log ja nicht, er bog die Wahrheit nur ein bisschen.

„Und da hast du ihr ausgeholfen? Für ein Mal?“

„Ja, denk schon. Frau Irma ist ganz nett, aber sie hat eine wirklich furchtbare Enkeltochter.“

„So? Wieso das?“

„Die ist voll ausgetickt, als sie mich im Garten gesehen hat. Die hielt mich wohl für einen Kriminellen.“

Boris schüttelte den Kopf und probierte seinen Kuchen.

„Oh, und Frau Irma macht sehr leckeren Rhabarberkuchen!“

Galina legte den Kopf schief, ihre Augen verengten sich. Fast schon sah sie eifersüchtig aus.

„Wie bitte?“

Yuriy lachte auf und legte eine Hand beschwichtigend auf den Unterarm seiner Mutter. Daraufhin wandte sie sich ihm zu: „Yura! Hörst du, was dein Bruder sagt? Stundenlang steh ich in der Küche, und er isst meinen Kuchen – und lobt den einer anderen Frau!“

„Mama…“, erklang es unisono von beiden jungen Männern und sie seufzten sogar synchron.

Galina kniff die Augen zusammen und fokussierte Bryan damit eine Zeit lang. Aber allen war bewusst, dass sie nur herumalberte.

„Was gibt es denn sonst Neues? Yura, Boris hat gesagt, bei dem Streit ging es um ein Date. Ist da was bei rumgekommen?“

Boris verschluckte sich an seinem Kuchen und Yuriy wechselte mit ihm nun einen „Spinnst du?“-Blick. Das mit den Blicken hatten sie wirklich untereinander perfektioniert. Abwehrend hob Boris die Hände und entschuldigte sich für eine Toilettenpause.

 

 

16:22

Lai Chou (Trainertüp): Ich kann 150 bei Sieg fix. Vllt etwas mehr, je nach Zuschauerstrom und Umsatz bei den Wetten. Bist du dabei?

 

16:31

Lai Chou (Trainertüp): Entscheide schnell.

 

 

Das war ein verlockendes Angebot. Er war gut im Training. Vielleicht konnte er sich auch schnell hocharbeiten, um in die A-Klasse zu kommen? Er hatte drei Monate Zeit, die Nachzahlung zu überweisen. Alle drei Wochen einen Kampf – vorausgesetzt, er gewann auch – dann hatte er zumindest die Nachzahlung wieder raus. Langfristig musste er aber doch wegen der Mieterhöhung etwas unternehmen.

Nachdenklicher als vorher kehrte Boris zu seiner Familie zurück.

„Wirklich? Das freut mich für dich.“

Boris horchte auf. Hatte Yuriy ihr schon alles erzählt?

„Jetzt muss ich nur noch abwarten, ich bin etwas nervös. Ab morgen werden die Ergebnisse der Prüfungen veröffentlicht. Ich ruf dich sofort an, wenn ich weiß, ob ich bestanden hab.“

„Du rufst in jedem Fall an, auch wenn du nicht bestanden hast. Hörst du!“

Lächelnd setzte Boris sich dazu: „Ich sorge dafür, dass er anruft, falls er das vergessen sollte.“

„Ich habe wirklich sehr liebe Jungs“, bestätigte Galina sich selbst, während sie sich erhob. „Nur wollen sie mich leider viel zu oft vom Gegenteil überzeugen.“

 

 

Als sie sich am späten Abend verabschiedeten, bis Oberkante-Unterlippe vollgestopft und vollgefressen, und mit mehr Proviant bepackt als sie in den nächsten zwei Tagen verdrücken könnten, war Boris‘ Entscheidung gefallen.

 

 

20:31

Boris K.: Bin dabei.

 

 

Yuriy winkte ein letztes Mal, bevor er die Tür zuschlug. Boris warf sein Handy in die Ablage in der Mittelkonsole und setzte zurück, um Galina auch noch einmal zu winken.

„Ich glaub, ich brauche eine Woche kein Essen, so voll bin ich…“, meinte der Rothaarige und drehte am Sendersuchlauf für das Radio.

Das Display von Boris‘ Handy blinkte auf. Neugierig linste Yuriy darauf.

 

 

20:33

Lai Chou (Trainertüp): Gut. Bist eingeschrieben. Termin und Uhrzeit für den Ring folgen. Halt dich bereit.

 

 

Yuriy runzelte die Stirn: „Ist das, was ich denke, das es ist?“

Boris antwortete nicht.

„Ich REDE mit dir. Borya!“

Yuriy hielt dessen Handy in die Höhe und wedelte damit herum.

„… Woher soll ich sonst so schnell so viel Geld klar kriegen?“

„Was wird deine Arbeit sagen?!“

„Die wissen, dass ich boxe. Das wird wohl kaum Gerede geben.“

„Ja, aber Nachfragen. Du bist nicht unbesiegbar!“

„Das werden wir ja dann rausfinden.“

Yuriy schüttelte den Kopf: „Wenn Mama das erfährt…“

„FALLS sie das erfährt! Und wage es dir nicht, ihr das zu erzählen. Sie weiß, dass ich trainiere. Sie muss ja nicht wissen, dass ich für Geld boxe.“

Boris zuckte mit den Schultern.

„Welche Wahl bleibt mir?!“

„Du und dein unfuckingfassbarer Stolz!“, fauchte Yuriy. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihn eine lange Zeit strafend an. Schließlich erinnerte er ihn warnend daran, dass Galina das nicht gutheißen werde.

Boris knurrte zurück. Das wusste er selbst.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  esperluette
2021-05-16T14:41:44+00:00 16.05.2021 16:41
Ooh, Yuriy, was geht?!
Wie süß und wie abrupt zu Ende! Hab ich schon gesagt? FLUSTERED Yuriy <3

Kais Einstand ist SO… unglücklich. Also für ihn. Sorry, Kai! Und Boris versteht es nochmal einen draufzusetzen lol
Macht vielleicht ein bisschen was gut in seinem sonstigen struggle mit Nachzahlungen und jobs.

Treffen mit Mama, bzw. auch das Autogespräch davor sind zucker.

Und jetzt riskiert Boris wieder Unruhe mit dem Kampf. Oh-oh T_T
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
16.05.2021 20:44
Oh Gott, oh man, jetzt musste ich mich selbst erstmal wieder informieren, worum es in diesem Kapitel geht! XD
Flustered Yuriy ist guter Yuriy XD
Boris ist ein Draufgänger. Was geht!
Er muss seinen Lauch von Bruder halt beschützen - aber auch triezen, wie das "große" Brüder eben tun. :D

Von:  LittleLionHead
2020-06-14T07:13:02+00:00 14.06.2020 09:13
Hach. Ich bin großer Fan der Yura-Boris-Galina-Konstellation. Du beschreibst Galina so toll, wie eine richtige Mama - und zwar für beide. Da geht mein Herz auf.
Zahlungssorgen hatte wohl jeder von uns schon. Boris' Lösungsansatz finde ich eigentlich ganz pragmatisch. Warum denn nicht? Würde ich Geld dafür bekommen, ein Rennen zu laufen, ich würd's auch tun. :) Natürlich hoffe ich dass ihm nichts passiert. Hab mich gefreut dass ein neues Kapitel gekommen ist! ❤️
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
11.07.2020 15:06
Ich freu mich sehr, dass dir die YuBoGa-Konstallation gefällt. Mir war dabei wichtig, dass beide Söhne gleich geliebt werden, egal ob leiblich oder nicht. Schön, dass es angekommen ist.
Ich hoffe sehr, dass du dich im Folgekapitel wiederfindest, die Pragmatie von Boris Lösungsansatz hab ich darin mal verbalisiert - danke für die Inspiration ♥
Von:  Mitternachtsblick
2020-06-13T07:05:31+00:00 13.06.2020 09:05
Da war schon wieder so viel Schönes in diesem Kapitel ❤️ Wir kannten den Anfang ja schon, aber es hat trotzdem so viel Spaß gemacht, ihn nochmal zu lesen XD Das mit den Zahlungssorgen war übrigens sehr realistisch, armer Boris - ich persönlich begrüße ja seine Lösung dazu und ich meine, die Kämpfe sind ja nicht illegal, oder? Natürlich kriegt man da ab und an was ab, aber eiiiigentlich sollte es sich in Grenzen halten. Auch wenn man das bei Sport halt nie so wirklich weiß bzw voraussehen kann.
Der Besuch bei Galina war übrigens Zucker, ich bin ein großer Fan von ihr und es ist jedes Mal so schön, wenn Yuriy und Boris da wieder ein bisschen mehr zu kleinen Jungs werden. XD Die hatten übrigens wieder eine sehr liebe Dynamik miteinander in diesem Kapitel, ich hab das sehr gefeiert. ❤️
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
11.07.2020 15:05
(ich sollte aufhören, so viel vorwegzunehmen, und weniger wip schicken, fürchte ich ;P )
Ich danke dir für deinen Überlegungen zur Illegalität der Kämpfe - ich habe das für das Folgekapitel mit aufgenommen, damit KLarheit herrscht :) Ich hoffe, die Erklärung dazu war schlüssig für dich. (Dass Galina ihn nicht wieder eskalieren sehen will; die haben schon genug Gewalt erfahren, das war meine Überlegung dazu.)
Ich freu mich, dass du findest, die beiden Affen werden bei ihre wieder zu kleinen Jungs. Ich denke, das behalte ich bei (Die Geschichte heißt "soft spot", ihre Mama ist Yuriys und Boris weicher punkt ;) )
Ich hoffe sehr, die liebe Dynamik kann ich beibehalten, gerade weil es anders ist, dass sie wie Brüder aufwachsen. Mal kein Boyu, aber Bruderliebe, weißt :D
Antwort von:  Mitternachtsblick
11.07.2020 15:24
Bruderliebe ist auch sehr schön ❤️ Und ja, ich find die Erklärung sehr schlüssig!
Von:  FreeWolf
2020-06-12T23:55:26+00:00 13.06.2020 01:55
Oooh Boris. Ich feiere die SMS, und die Kondome an der Tür, und Mama.
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
11.07.2020 15:01
:) Chaotenleben halt - und Mama ♥


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