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Ein Leben wert

von

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Prolog

Prolog

„Na, schau einer an. Welch Glanz in meiner bescheidenen Hütte. Was führt dich zu mir, außer ein kleiner Spaß mit meinen Angestellten? Es wäre übrigens sehr freundlich, wenn du sie zurückverwandeln würdest. Ich muss sie so oder so bezahlen und in ihrer jetzigen Gestalt können sie ihren Dienst wohl nur unzufriedenstellend bewältigen.“

Sie verzog noch nicht einmal die Miene während das schwere Tor mit einem tief hallenden Donner hinter ihm zufiel. Es schien als hätte sie auf ihn gewartet, ein Glas Wein in der Hand und ein weiteres auf dem schmalen Beistelltisch neben dem schlichten Stuhl mit der hohen Rückenlehne. Sie selbst wartete auf ihn in einem Stuhl der ebenso schlicht wirkte. Trotz dieser Schlichtheit wirkte der Raum beinahe wie ein Thronsaal, als würde vor ihm eine Königin sitzen, eine mächtige Herrscherin, die sich vor niemanden verbeugen musste.

„Nun komm, komm herein“, winkte sie ihm mit ihrer freien Hand zu, „schließlich muss es einen wichtigen Grund geben, dass du mich einfach so in meinem Haus aufsuchst, ohne vorher einen Termin zu vereinbaren.“

Widerwillig folgte er ihren Worten und schritt auf sie zu, doch fast im gleichen Moment trat ein großer Schrank im Anzug aus den Schatten hervor und stellte sich ihm in den Weg.

„Irgendwelche Waffen?“ Seine Stimme klang genauso stumpf wie er aussah. Insbesondere wenn man bedachte, dass der Neuankömmling seine Waffe offen zur Bewunderung gegen seine Schulter gelehnt hatte.

„Ach, Momo, glaubst du wirklich das Schwert sei das Gefährlichste an ihm? Lass ihm sein Spielzeug; er ist nicht hier, um mich zu töten. Habe ich nicht Recht?“ Nun zeigte sie ein leichtes Grinsen, welches ihm genau sagte, dass sie die einzige Person im Raum war, vor der er sich in Acht zu nehmen hatte. „Du bist aus geschäftlichen Gründen hier, nicht wahr?“

Mit einem dumpfen Aufprall warf er den Sack, den er bei sich trug, vor ihre Füße.

„Ja.“

Unbeeindruckt warf sie ihre Beine übereinander und stieß dabei leicht den Sack mit ihren Zehenspitzen zur Seite.

„Nun denn, setzt dich. Ich bin neugierig was für einen Vertrag du mit mir eingehen willst. Außerdem habe ich nicht ewig Zeit, manche von uns müssen arbeiten.“ Fast augenblicklich verschwand ihr spielerisches Lächeln, und der berechnende Blick einer erfahrenden Geschäftsfrau starrte ihn nieder.

„Aber Chefin, was ist mit dem Termin von…?“

„Verschieb ihn, Momo“, unterbrach sie den Schrank im Anzug, ohne ihn überhaupt anzusehen. „Unser Gast hat meine Neugierde geweckt.“

Misstrauisch kam er näher und nahm schließlich auf dem dargebotenen Stuhl Platz während sie genüsslich an ihrem Wein nippte.

„Also, um gleich zum Punkt zu…“

„Nahaha.“ Mahnend hielt sie ihm ihren erhobenen Zeigefinger entgegen. „Bevor wir zu deinem Anliegen kommen, verwandle meine Angestellten zurück oder ich stelle sicher, dass du die Insel in diesem Sack zu meinen Füßen verlässt.“

„Du drohst mir?“

Sie lachte auf und nahm noch einen Schluck.

„Oh, Kleiner. Du bist derjenige, der ohne Termin bei mir einfällt, Wachen und Hauspersonal in unmenschlichen Zuständen zurücklässt und mir einen müffelnden Sack mit fragwürdigem Inhalt vor die Füße wirft.“ Leise klirrend stellte sie ihr Glas auf ihrer Armlehne ab. „Du hast Glück, dass ich von wissbegieriger Natur bin und dich wesentlich interessanter finde als die anderen Geschäftspartner, die heute auf mich warten, sonst hättest du es noch nicht einmal bis zur Haustür geschafft.“

Er wollte glauben, dass sie nur dick auftrug, aber seine aufgestellten Nackenhaare sagten ihm etwas anderes.

Mit einem abfälligen Schnauben schnipste er einmal laut.

„Bitte sehr, alle wieder in menschlichem Zustand.“

Noch einen Moment sah sie ihn an, dann nickte sie dem Schrank im Schatten zu und augenblicklich verbeugte dieser sich und verließ den Raum.

„Nun gut.“ Sie lehnte sich vor und hob den Sack am Boden an einer Spitze an, um hineinzuspähen, ehe sie enttäuscht aufseufzte. „Ach, wie erwartet. Ich hatte mir doch etwas Spannenderes erhofft, nachdem du hier wie der Bösewicht eines schlechten Romans eingedrungen bist.“

Tief einatmend ballte er die Fäuste.

„Willst du mir mein Anliegen noch nicht mal anhören, ehe du einfach ablehnst?“

„Tze,“ lachte sie höhnisch auf und rieb sich durchs Gesicht als hätte er etwas wirklich Dummes gesagt. „Kleiner, erstens, ich brauch mir dein Anliegen nicht anhören, ich weiß genau, weshalb du hier bist; am Ende seid ihr ja doch alle gleich, wenn ihr mich so verzweifelt aufsucht. Ich meine diese Mülltüte hier ist ein winzig kleiner, abartig stinkender Hinweis, findest du nicht? Zweitens, sei nicht so voreilig, wenn du ein Verhandlungsgespräch führst, insbesondere wenn du derjenige bist, der etwas will.“

„Ich bin nun mal nicht der Geduldigste“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

„Nicht?“, entgegnete sie. „Was ich über dich gehört habe widerspricht dem doch sehr. 13 Jahre sind eine lange Zeit, um auf Rache zu warten, und noch länger, um an Vergangenen festzuhalten.“

„Ich bin nicht hier, um deine Lebensweisheiten zu hören“, knurrte er. „Kannst du mir helfen oder nicht?“

Sie schnalzte erneut mit der Zunge und rollte mit den Augen.

„Natürlich kann ich“, meinte sie dann. „Die wahre Frage ist, bist du bereit den Preis zu zahlen?“

Er nickte todernst. „Wie hoch er auch immer sein mag.“

Kopfschüttelnd winkte sie ab.

„Nicht so dramatisch, Kleiner. Es ist einfach; beide Güter müssen entweder nach objektiven oder aber nach den subjektiven Werten der Vertragspartner den gleichen Stellenwert haben, ein modifizierter äquivalenter Tausch. Die Waage muss stets ausgeglichen sein.“

Er dachte noch es wäre ein Sprichwort, da tauchte aus dem nichts eine Waage zwischen ihnen auf und waberte zwischen ihnen in der Luft.

„Mein Einsatz hier ist ziemlich hoch, du wirst nicht billig davonkommen“, sprach sie weiter und deutete auf die Waage, die sich leicht zu seinen Gunsten neigte.

„Das ist mir egal“, murrte er. „Hauptsache es ist möglich.“

„Es ist möglich. Aber du möchtest keinen Zug-um-Zug-Tausch, nicht wahr? Du möchtest mehr Zeit. Das macht es schwieriger, denn es bedeutet entweder, du gibst mir etwas mehr - was aber nicht möglich ist, da du mir ansonsten bereits alles gibst was du hast - oder ich gebe dir etwas weniger.“

„Was bedeutet das?“ Er verschränkte die Arme. „Was bedeutet weniger?“

„Oh, ganz einfach.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Ich könnte etwas Lebenszeit abzwacken oder ein Organ – ein Auge vielleicht, wer braucht schon zwei? - oder etwa…“

„Nein! Auf keinen Fall.“

Während sie sprachen schwank die Waage zwischen ihnen hin und her, entlastete ihre Seite bei jedem Vorschlag für einen kleinen Moment, bis er diesen ablehnte.

„Ich kann dir Geld bieten“, entgegnete er dann, „egal wie viel.“ Doch zu seiner Überraschung bewegte sich die Waage keinen Millimeter.

„Ach, Kleiner. Objektiv kann man Leben nicht mit Geld aufrechnen und subjektiv – du hast mein Anwesen gesehen – kannst du mir nicht genügend bieten, als dass es mich interessieren würde. Es gibt nur zwei Dinge, die ich wirklich will und das eine davon gibst du mir bereits.“

„Was dann?“ Er mochte dieses Gespräch nicht. Nach Jahren der Hoffnungslosigkeit war sie diejenige, die ihn erlösen konnte, aber anscheinend hatte er nichts, was er ihr im Gegenzug anbieten konnte. Sollte er also nur wenige Sekunden vor dem Ziel einfach aufgeben? Aufgeben wegen einer mangelhaften Formalität? „Was willst du dann? Wir beide wissen, dass ich dir objektiv nicht mehr geben kann und subjektiv…“

„Liegt eine Teufelskraft vor?“, unterbrach sie ihn mit Leichtigkeit während er schon drauf und dran gewesen war laut zu werden.

Überrascht sank er in seinen Stuhl zurück und nickte knapp.

„Na herrlich, da haben wir doch unsere Lösung. Teufelskräfte sind immer unglaublich kompliziert, du weißt schon mit ihren ganzen Regeln, der Beeinflussung von Leben und Tod und so weiter, aber wenn ich die abziehe, dann… schau her.“ Leise lächelnd deutete sie auf die Waage, die sich vor ihnen im perfekten Gleichgewicht ausbalancierte. „Dann kann ich dir sogar noch fast ein ganzes Jahr geben. Glaub mir, das ist unwahrscheinlich viel. Meistens kommen bei einem Tausch wie diesem nur wenige Tage zustande.“

Ein Schauder lief seinen Rücken hinab, als ihm bewusst wurde, was diese Waage bedeutet, was dieses Gespräch bedeutete, dass er nach all der Zeit…

„Nun reiß dich doch zusammen, Kleiner. Ist das etwa deine erste Verhandlung? Ach, wenn ich nicht so eine Schwäche für Verträge hätte, die mir beschaffen was ich will, wäre es mir viel zu mühselig mit dir zu verhandeln. Ich habe keine Zeit Anfängern wie dir die Kunst der Verhandlung beizubringen, also lass uns zügig zum Schluss kommen.“

Er sah zu ihr hinüber, während sie aufstand und auf ihn zukam; direkt vor der Waage blieb sie stehen.

„Wir sind übereingekommen, mein Lieber. Alles, was jetzt noch fehlt, sind ein paar kleine Details und ein Handschlag, um unseren Vertrag zu besiegeln.“

Zögernd erhob er sich. Das hier war, was er wollte, schon seit so langer Zeit wollte, warum also schlug sein Herz so voller Angst?

Lächelnd neigte sie den Kopf.

„Keiner zwingt dich diesen Vertrag einzugehen, Kleiner. Ich sehe die Unsicherheit in deinem Blick und ich stimme dir zu; dein Einsatz ist hoch. Wenn du es dir also anders überlegen möchtest, wäre jetzt der Zeitpunkt…“

„Nein!“ Er schritt auf sie zu und hielt ihr seine Hand hin. „Ich bin nicht um die ganze Welt gereist, habe nicht die Ruhe der Toten gestört und alles aufgegeben, nur um jetzt zu kneifen.“

Für einen Moment starrte er den Sack hinter ihrem Rücken an, den er hergebracht hatte.

„Das hier will ich, diese Schuld muss ich begleichen.“

„Nun denn, auf gutes Gelingen.“ Sie ergriff seine Hand, direkt unter der Waage hindurch. „Und auf das du es nicht bereust.“

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  May_07
2020-10-18T15:02:48+00:00 18.10.2020 17:02
Wahnsinn, der Prolog verspricht schon spannung pur 😍 ich bin total gespannt darauf wie die Geschichte weiter gehen wird 😍
Antwort von:  Sharry
19.10.2020 14:02
Hey,
danke dir für deinen Kommentar ;-) Und ich hoffe es wird dir viel Spaß machen, nächstes Kapitel kommt am Samtag^^

LG
Antwort von:  May_07
21.10.2020 21:06
Dann freu ich mich auf Samstag *-*


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