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Das Leben danach

von
Koautor:  Teky95

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier ist Kapitel zwei, viel Spaß beim Lesen.

Zeitliche Eínordnung:
Donnerstag, 18. Februar 2016
Therapiezentrum Tokyo
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Gespräche über die Vergangenheit

Mimi war so froh, als Taichi endlich begann, seinen Blick auf sie zu richten, sie war also doch zu ihm durchgedrungen. Als er von seinem Wappen und Digivice sprach, musste sie leise lachen. „Ich denke auch gerne an unsere Zeit damals zurück, denn sie hat uns zu den Menschen gemacht, die wir heute sind, Tai. Wir hatten Zeit, erwachsen zu werden, ohne zu altern und dadurch war für uns das Leben nachher erträglicher. Wir konnten viele Probleme bereits im Kindesalter bewältigen, die wir sonst als Erwachsene mit uns hätten ausmachen müssen. Und damals hatten wir auch Sorgen, sie waren nur anders.“

Während er von Sora erzählte, hörte sie ihm nur schweigend zu, ehe sie überlegte, was sie sagte. „Weißt du, zu einer guten Beziehung gehören immer zwei Menschen. Sora hätte auch vieles anders machen können, aber das ist im Grunde genommen unwichtig, darüber weiter zu sprechen. Ich halte nichts davon, die Vergangenheit tot zu analysieren, wie viele meiner Kollegen, und immer dieses 'Was wäre, wenn…' Spielchen durchzugehen, wir beide sind uns denke ich einig, dass Sora in deiner Zukunft nichts mehr verloren hat, wenn überhaupt als flüchtige Erinnerung. Und leider ist es oft so, dass wir erst etwas als wertvoll erkennen, wenn wir es verlieren. Ich wünsche dir, dass du eines Tages eine Frau findest, die dich aus deinem Schneckenhaus locken kann und vielleicht finde ich eines Tages auch einen Mann, mit dem ich eine Familie gründen kann.“

Sie musste nun auch schlucken, über ihr totes Kind zu sprechen, war für sie immer schwierig. Sie konnte auch sehen, wie Taichi mit diesem Geständnis zu kämpfen hatte, er war der Erste, dem sie es gesagt hatte, nicht einmal Hikari wusste davon. Seine Worte auf ihr Schicksal berührten sie. „Ich danke dir für diese lieben Worte. Ich weiß nicht, ob es für mich noch eine zweite Chance geben wird, der Arzt war sich nicht sicher, ob ich jemals wieder Kinder bekommen kann, die Chancen stehen 50:50.“ Sie hatte nun auch Tränen in den Augen. „Es ist ein Gefühl, dass ich keiner Frau und keinem Paar der Welt wünsche. Es ist, als würde man dich bei lebendigem Leib in Stücke reißen. Du bist der Erste, dem ich davon erzählt habe, Tai. Nicht einmal Hikari weiß es, nur für den Fall, dass du mit ihr über heute sprechen wolltest. Sie wusste, dass ich deinen Fall zugeteilt bekommen habe.“

Zu sehen, dass in Taichis Miene wieder Leben zurückgekehrt war, bestätigte sie darin, dass sie das Richtige tat und es gut war, dass sie in solch emotionalen Gesprächen immer ganz ihrem Gefühl vertraute. Solchen Emotionen konnte man nicht mit Rationalität begegnen, sie hatten nichts Rationales, nichts Sinniges an sich. Gefühle waren immer wirr und oft überforderten sie einen auch. Mimi kannte das von vielen ihrer Klienten.

Als er erzählte, was er nach dem Studium getan hatte, erschien ein Lächeln auf ihren Lippen und ihre Stimme wurde sehr sanft. „Ich kann mir keinen besseren Sozialarbeiter als dich vorstellen. Du hast so viel Mitgefühl und so ein großes Herz Tai…, was mit diesem Mädchen passiert ist, war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Ich denke, selbst wenn du sie 24/7 beobachtet hättest, ihr Tod war vorherbestimmt und du hättest nichts tun können. Sie hätte nicht gewollt, dass du dich deswegen grämst. Und ich kann mir kaum vorstellen, wie du Frischluftjunkie es auch nur einen Tag im Büro aushältst.“ Sie musste leise lachen. Yagami in Anzug mit Schlips? No way…

Als er schließlich zu ihr kam und nun vor ihr hockte, ehe er eine Hand an ihre Wange legte, wurde ihr ganz warm ums Herz. „Ich möchte dir sehr gerne dabei helfen Tai, damit du nicht mehr weglaufen musst, sondern dich der Zukunft stellen kannst. Es wird viele Tage geben, an denen du Lachen und dich freuen kannst, aber Taichi… ich will dir keine Illusionen machen, es wird auch einige Tage geben, die düster und freudlos sein werden. Aber es liegt an dir, wie du diese Tage bewältigen kannst und ich bin mir sicher, mit den richtigen Menschen in deinem Leben schaffen wir das. Trenne dich von dem, was dich belastet und beginne mit dem, was dich stärkt.“

Sie erwiderte das Lächeln auf seinen Lippen mit einem eigenen Lächeln und strich ihm einmal über den Kopf. „Ich werde immer an dich glauben, denn du hast damals auch den Glauben in uns nie verloren. Wie die Therapie genau aussehen wird, kann ich noch nicht sagen, es ist eine Therapie die davon abhängt, wie sich alles weitere entwickelt, sie ist flexibel und wächst sozusagen mit dir mit. Schritt 1 wird sein, dass du deinen Job im Büro kündigst und wieder als Sozialarbeiter anfängst. Schritt 2 werden Gespräche mit mir sein, in denen wir Strategien überlegen, wie du mit deinem Kummer umgehen kannst, ohne dich zu betrinken oder ähnliches. Schritt 3 wird sein, dein soziales Umfeld zu gestalten und zu festigen. Beziehungen zu Menschen, die dir guttun, werden ausgebaut, Beziehungen zu Menschen, die dir Schaden, werden gecuttet. Wir machen einen sauberen Strich unter dein Leben und du fängst bei null wieder an. Um das zu unterstützen, wirst du in Schritt 4 für alles, was dich belastet einen Gegenstand in deinem Leben suchen. All diese Dinge werden wir in eine große Kiste packen, verschließen und diese wird von mir aufbewahrt, bis du bereit bist, dich endgültig von diesen Dingen und den damit verbundenen Gefühlen zu trennen.“

Sie schaute ihm fest in die Augen. „Und irgendwann wird dir dein jetziges Leben nur noch wie ein dunkler Schatten vorkommen. Bist du bereit, diesen Weg zu gehen, Taichi Yagami, egal wie schwer er wird? Hast du den Mut, dich deinen Problemen nun zu stellen?“
 

Tai verstand, was sie ihm sagen wollte und er wusste auch, dass sie in vielen Punkten Recht hatte „Vielleicht sind wir aber auch einfach zu unterschiedlich geworden? Ich komme mit Mehreren aus der Gruppe nicht mehr zurecht, Mimi...wir sind alle älter geworden und haben uns in unterschiedliche Richtungen entwickelt, es ist schwieriger geworden, zu vertrauen, ich war immer nur der Fußballer, der gute Laune hatte und allen geholfen hat, wenn etwas war, aber sobald ich anfing, nicht mehr derjenige zu sein, den alle in mir sahen, war plötzlich niemand mehr da, wenn ich Hilfe brauchte, keiner wollte mehr mit mir was zu tun haben, für Viele ist man nur solange gut, solange man die Rolle spielt, die die Anderen für einen vorsehen, versucht du individuell zu sein, dann wirst du abgeschoben.“

Es zerbrach ihm das Herz, sie so zu sehen, sein eigenes Kind zu verlieren, es gab keine Worte dafür, die es beschreiben könnten, das wusste er und seine Wut auf Michael wuchs stetig, er würde am liebsten jetzt den nächsten Flieger Richtung Amerika nehmen und Michael den Kopf abreißen, aber er wusste auch, dass so etwas nicht in Mimis Sinne sein würde und es half am Ende nichts.

„Auch wenn die Chancen 50:50 stehen, hast du immer noch diese 50%, an denen du festhalten kannst, ich weiß, dass ich nicht das Gleiche nachempfinden kann, wie du es tust, aber ich bin mir sicher, dass dein Baby gewollt hätte, dass du weiter machst und niemals aufgibst, du bist so viel stärker als andere, von oben wird es mit Sicherheit jeden Tag auf dich herabsehen und jedem da oben erzählen, wie Stolz es auf dich ist, wie du dein Leben meisterst Mimi, du kannst ebenfalls stolz auf dich sein und ich werde Kari nichts davon sagen, wenn du meinst, es ist an der Zeit, dann wirst du es ihr schon selber sagen, wen würde es auch nicht zerreißen, das ist menschlich, man hat damit ein Stück von sich selber verloren.“ Gerade wünschte er sich, er könnte ihr den Schmerz nehmen, doch er wusste nicht, wie er das tun sollte.

„Nein das war keine Verkettung Mimi, ich habe ihr mehr zugetraut, als sie tragen konnte, wenn ich ihr die Sachen weggenommen hätte beziehungsweise besser nachgeschaut hätte, dann wäre das nicht passiert, ich weiß nicht, wie viele Gerichtsprozesse ich danach durchlaufen musste, weil die Staatsanwaltschaft glaubte, ich hätte meine Sorgfaltspflicht verletzt, ich konnte danach diesen Beruf nicht mehr machen, wie soll ich Anderen helfen, wenn ich nicht in der Lage war, mir selber zu helfen? Ich hätte ihnen nicht gerecht werden können und ja dieser Job ist nicht gerade Spaß, aber er bringt Geld und mir ein Dach über dem Kopf und das ist das Wichtigste, Buchhaltung ist halt stumpf, du machst 8 Stunden lang exakt dasselbe, 5 Tage die Woche.“ Er zuckte mit den Schultern, es war wie es nun einmal war.

„Weißt du, in meinem Leben gibt es nicht mehr viele Menschen, Kari, Matt und T.K. und das war es eigentlich, mit mehr Leuten habe ich nichts mehr zu tun, gut du kamst jetzt noch dazu, also ihr vier und das wars dann auch schon. Meinen Job kündigen? Ich weiß nicht, ob ich schon bereit dafür bin, wieder als Sozialarbeiter zu arbeiten Mimi, das ist eine ganze Menge an Verantwortung. Das mit den Gesprächen war mir insoweit irgendwie schon klar, dir vertraue ich da mehr als irgendwelchen anderen Therapeuten, die ich nicht kenne und die mich auch nicht kennen.“ Er atmete tief durch, das würde gewiss nicht einfach werden für ihn, aber er wusste auch, dass er Prozesse durchlaufen musste, um aus diesem Loch, in dem er sich befand, heraus zu kommen und das würde ihn eine ganze Menge an Kraft kosten und er musste einen Weg finden, diese auch aufzubringen. Er sah ihr nun direkt in ihre Augen.

„Ich glaube, dass ich das vielleicht irgendwie schaffen kann, solange du mir hilfst Mimi, weil ich weiß, alleine schaffe ich das alles nicht, dafür fehlt mir einfach die Kraft, ich hatte überlegt, ob es nicht ein kluger Schritt wäre, mir ein neues Zuhause zu suchen, wenn du sagst, ich solle bei null starten, ist ein neues Zuhause vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung, um mit meinem jetzigen bzw. alten Leben abzuschließen und vielleicht treibe ich dich manchmal in den Wahnsinn, dann aber nicht mit Absicht.“ Seinen Blick wendete er nicht von ihr ab, er wusste, es musste was passieren und dies war jetzt die letzte Gelegenheit dafür.
 

Mimi nickte, sie wusste, was Taichi meinte, auch sie hatte den Draht zu den Menschen von früher größtenteils verloren, einzig Hikari war in all den Jahren noch da gewesen und Sora, die sich aber zu einer hinterhältigen Schlange entwickelt hatte. Mimi hatte im Studium viel über Gruppendynamik gelernt und wusste, was Taichi meinte. „Ja, damals hat es funktioniert, weil jeder die Rolle hatte, die die Gruppe gebraucht hatte, aber sobald sich jemand in eine neue Richtung entwickelt, funktioniert das Gruppenkonzept nicht mehr. Bei Jou fing es ja bereits in der Mittelschule an, dass er nur noch auf sein Studium fixiert war. Und ich bin davon überzeugt, dass ein Rollenwechsel zum Erwachsenwerden dazu gehört. Irgendwann muss man seinen eigenen Weg gehen, da stimme ich dir zu.“

Als er auf ihre Schwangerschaft zu sprechen kam, lächelte sie leicht. „Ich gebe die Hoffnung auch nicht auf, keine Sorge, aber ich möchte erst einmal den Mann finden, der es mir wert ist, diese Strapazen zu durchleben, jemand der mir auch die Kraft dazu geben kann. Ich habe mit der Situation abgeschlossen, es tut zwar weh darüber zu sprechen, aber es belastet mein Leben nicht mehr. Ich hatte tolle Therapeuten in den Staaten, die mir bei der Verarbeitung dieses Traumas geholfen haben. Von ihnen kam auch der Schubs in die Richtung, dass ich vielleicht in meiner Heimat noch einmal von vorne beginnen sollte. Und es war das einzig Richtige. Und Michael wurde von seinem Karma wieder eingeholt, Tessa hat ihn wenige Monate später für eine Frau aus Kanada verlassen.“ Sie zuckte mit den Schultern, Michael war Vergangenheit.

Als er mehr von seiner Zeit als Sozialarbeiter berichtete, schärfte Mimi wieder ihre Sinne und hörte aufmerksam zu, was er berichtete. Sie seufzte leicht. „Manchmal gehört es dazu, Fehler zu machen, vielleicht sollte es damals einfach noch nicht so sein, weil du dir selbst auch mehr zugetraut hast, als du tragen konntest. Und manchmal gibt es auch Menschen, die nicht gerettet werden wollen, Taichi. Das ist auch der Grund, warum ich dir die Wahl gelassen habe. Wenn du nicht mehr gewollt hättest, dann hätte ich das akzeptieren müssen. Ich bin aus Prinzip dagegen, die Menschen mit Medikamenten vollzupumpen, damit sie nicht sterben… das ist doch kein Leben… das ist vor sich hinvegetieren. Und ich finde es gut, dass du arbeitest, auch wenn der Job langweilig und stumpfsinnig ist. Aber du tust etwas und lässt nicht alles einfach schleifen. Damit bist du vielen meiner Klienten um Einiges voraus.“ Sie setzte ein warmes Lächeln auf, Taichi war schon auf einem guten Weg, er musste nur am Ball bleiben.

Sie überschlug die Beine wieder und trank noch einmal aus ihrer Tasse, ehe sie weitersprach. „Weißt du, manchmal ist eine Hand voll Leute, denen man zu hundert Prozent vertrauen kann, besser, als ein Freundeskreis voller Leute, die im Ernstfall den Schwanz einziehen und dich hängen lassen. Konzentrieren wir uns also auf deine Freundschaft zu Yamato und Takeru und auf die Beziehung zu deiner Schwester Hikari. Erzähl mir von ihnen, wie stehst du zu jedem einzelnen? Und wie ist die derzeitige Beziehung zu deinen Eltern?“ Sie kannte Yuuko und Susumo Yagami nur flüchtig, aber sie wusste, dass Yuuko ihre beiden Kinder über alles liebte und auch Susumo immer hinter seiner Familie gestanden hatte, auch wenn er viel arbeitete. „Du solltest Schritt für Schritt neue Kontakte aufbauen, aber deine Basis sollten Hikari, Yamato, Takeru und wenn du das möchtest, auch ich sein. Und ich kann verstehen, dass du noch Hemmungen wegen des Jobwechsels hast, ich überlasse es dir, zu entscheiden, ob und wann du in deinen alten Beruf zurückkehrst, aber wir sollten die Schritte gemeinsam absprechen, damit wir die Therapie entsprechend gestalten können.“ Sie lachte leicht. „Weißt du Taichi, du hast die große Ehre, mein erster Klient zu sein, bei dem ich eigenständig eine Therapie durchführe. Ich bin ja noch in der Ausbildung zur Therapeutin und diese Therapie wird die Basis meiner Abschlussarbeit. Also werde ich mir besonders viel Mühe geben!“ Sie zwinkerte, ehe sie ihm weiter zuhörte und sich darüber freute, dass er endlich den Augenkontakt hielt.

„Ich bin deine Therapeutin, daher ist es meine Aufgabe, dir zu helfen. Aber Taichi? Ich sehe dich nach all der Zeit immer noch als einen guten Freund und daher möchte ich dir auch helfen, weil ich dich gernhabe, das war mir noch wichtig dabei zu sagen! Das mit dem Umzug finde ich definitiv eine gute Idee! Du solltest aber nicht unbedingt wie ich direkt einen radikalen Schnitt machen und das Land verlassen, denn im Gegensatz zu mir hast du noch eine Basis hier. Aber ich denke, ein Tapetenwechsel wird dir guttun. Ich würde dir vorschlagen, dass du einen Stadtteil von Tokyo wählst, der in der Nähe deiner Bezugspersonen ist, aber nicht im gleichen Viertel, in dem du bisher gelebt hast. Bisher hatte sich dein Leben ja hauptsächlich im Bezirk Nerima und im Bezirk Minato abgespielt. Hikarigaoka und Odaiba waren deine Wohnorte damals als Kind und soweit ich das sehen kann, lebst du ja auch immer noch in Odaiba. Ich würde dir also vorschlagen, dass du entweder zu Yamato nach Harajuku im Bezirk Shibuya ziehst oder dir etwas im Bezirk Chiyoda suchst. Ich z.B. lebe dort in Akibahara. Im Endeffekt ist es deine Wahl, wofür du dich entscheidest, aber du musst raus aus deiner Vergangenheit, Tai. Und du treibst mich nicht in den Wahnsinn, du hast einfach schrecklich viel durchmachen müssen, das kann dir keiner verübeln!“
 

Taichi musste lächeln, Michael hatte tatsächlich seine gerechte Strafe bekommen, aber ihr Beziehungsende hatte auch was Gutes, Japan hatte Mimi wieder, also konnte man dem Ganzen was Positives abgewinnen. „Das hat er auch mehr als verdient, entweder bin ich treu oder ich lass das Beziehungsding komplett sein, bevor ich fremdgehe, muss ich mir die Frage stellen, was lässt mich an so etwas denken und offen und ehrlich mit meinem Partner darüber reden, sonst endet so etwas wirklich unschön“, er lächelte. „Ja ich denke der Umzug wird für einen Neuanfang gut sein, zurück zu gehen zu den Orten, wo ich in der Vergangenheit gewohnt habe, das wird mir nicht helfen denke ich, ich glaube der Bezirk Chiyoda ist die beste Wahl, in deiner Nähe, das macht es mit der Therapie auch einfacher, weil ganz ehrlich, immer in diesem Therapiezentrum Büro, ich kann es so langsam nicht mehr sehen, ich fühle mich hier absolut nicht wohl. Ich habe auch schon eine Vorstellung im Kopf, wie ich in Zukunft wohnen werde und ich weiß, dass es finanziell auch klappt, also wieso nicht.“

Er verstand, was sie in Bezug auf seine Sozialarbeit meinte, aber sie verstand nicht richtig, worum es ihm bei dem Fall ging und sein Lächeln schwand nun auch und wich einem ernsten, gefestigten Blick, der zwischendurch von Schmerz abgelöst wurde.

„Mimi, sie war nicht irgendein Mädchen, das ich betreut hatte, sie stand mir nah, ich habe sie fast 5 Jahre betreut, sie war mir fast so wichtig wie es Kari ist, so was verarbeitest du nicht einfach...doch sie wollte Hilfe, das weiß ich, aber sie war zu leicht zu manipulieren, sie hatte einen Freund, was ich anfangs gut fand, aber er hat sie manipuliert und es geschafft, dass sie in ihre Selbstzweifel zurückfiel, ich bin immer noch der Meinung, dass er sie in den Selbstmord getrieben hat. Ich stand zu 90% davor, ihn umzubringen, du spürst Wut, die du nicht kontrollieren kannst, ich kam in ihre Wohnung, wir waren verabredet gewesen, ich hab nach ihr gerufen und keine Antwort bekommen, ich hab die Tür zum Schlafzimmer geöffnet und sah sie hängen, an einem Strick von der Deckenleuchte, ich brauchte keinen Notarzt mehr, der mir sagte, dass sie tot sei, ich hab die Polizei verständigt und den Rest haben die übernommen, es gab einen Abschiedsbrief an mich und das tut einfach so weh, er war so verwirrend, sie war dankbar für meine Hilfe und wiederum wurden auch Vorwürfe laut, es hat mich verwirrt, Mimi und das tut es heute auch noch, ich glaube nicht, dass sie es böse meinte, sie war ein junges Mädchen, dem das Leben ziemlich übel mitgespielt hatte, ihre Eltern waren beide drogenabhängig, das Jugendamt hat sie mit 10 Jahren aus der Familie geholt, viel zu spät, sie hat sich mit 10 Jahren schon Drogen eingeworfen, ihre Eltern haben sie mit kaltem Entzug bestraft, wenn sie nicht pariert hatte, wie kann man seinem Kind so etwas antun? Ich habe es nie begriffen, sie war ein schweres Kind, aber ganz ehrlich, das war nicht ihre Schuld, sie hatte nie die Chance, sich eigenständig zu entfalten, ich habe mich um sie gekümmert, da war ich noch mit der Schlampe zusammen, das war auch ein Grund für die Trennung, sie wollte mich immer vor die Wahl stellen und ich lasse mich nicht vor die Wahl stellen, von Niemanden, sie wurde auch in den USA geboren und kam als kleines Mädchen nach Japan, mit ihren drogenabhängigen Eltern halt, Jess hatte nie die Chance, die wir hatten, ich habe mich gerne um sie gekümmert, mit ihr zusammen die Wohnung eingerichtet und die Möbel aufgebaut, es sind so kleine Dinge, die ihr halfen, sich gebraucht zu fühlen, da reicht schon zusammen Möbel aufbauen, ich wollte ihr helfen, indem sie jeden Tag kleine Erfolgserlebnisse hatte, du lernst in dem Studium viel Theorie, aber das hilft dir oft in der Praxis nicht weiter, du musst es mit Herz machen, sonst bringt es nichts, so viele Sozialarbeiter scheitern, weil sie nur stur nach Vorgabe arbeiten, du kannst einem Menschen aber nicht helfen, indem du ihn nach einer Checkliste abarbeitest, das funktioniert nicht, ihr Problem war nur, dass sie am Ende keine Kraft mehr hatte, zu kämpfen, dieser Typ war das tödliche Gift für die Therapie, die ich mit ihr gemacht hatte und leider hat er am Ende gesiegt, aber ganz ehrlich, ich hatte zum Ende hin zwischendurch oft das Gefühl, dass sie sich aufgegeben hatte. ich habe alles, was ich konnte und wusste, getan um sie noch einmal zurück in die Spur zu holen, aber das hat am Ende leider nicht mehr gereicht, ihre Eltern haben quasi den Grundstein dafür gelegt, dass es ihr nicht vergönnt war, glücklich zu werden und das macht mich heute immer noch wütend Mimi, diesen Fall einfach vergessen, das kann ich nicht, ich kann keine Akte schließen und dann ist es mir egal, Jess war mir nicht egal, sie war wie eine kleine Schwester für mich und ich werde sie niemals im Leben vergessen, dass wäre ihr gegenüber absolut nicht fair, dafür haben wir zu viel miteinander erlebt… gute Dinge und auch Schlechte... ich war auf ihrer Beerdigung und alle angeblichen Freunde waren nicht dort, ich war der einzige Mensch, der auf ihrer Beerdigung war, weißt du wie traurig so etwas ist? Ich hätte es mir niemals verziehen, nicht dorthin zu gehen, ich habe ihr ein Lied geschrieben und es für sie auf ihrer Beerdigung gespielt, niemand kennt es und niemand außer mir und der Pfarrer, der dort war, wissen etwas davon. Ich wollte nicht, dass es jemals Jemand hört, aber dir würde ich es zeigen, als Einzige, es gehört zu dem Ganzen einfach dazu.“

Er musste jetzt erst einmal tief Luft holen, er war es gar nicht mehr gewohnt, so viel und vor Allem so offen zu reden, aber er merkte, dass ihm Stück für Stück weitere Last von den Schultern genommen wurde. Er stand auf und griff sich die Gitarre, die er dort schon immer hatte stehen sehen und er wusste nicht einmal, ob Mimi das überhaupt hören wollte, aber sie wollte alles wissen und das gehört nun einmal ebenfalls dazu. Auf dem Sofa nahm er neben ihr Platz und stimmte erst einmal die Gitarre richtig, bevor er auf ihr sanfte Töne anfing zu spielen und schließlich auch dazu zu singen.
 

„Uns allen ist die Zeit zu gehen bestimmt

Wie ein Blatt getragen vom Wind

geht's zum Ursprung zurück als Kind

Wenn das Blut in deinen Adern gefriert

Wenn dein Herz aufhört zu schlagen

und du hinauf zu den Engeln fliegst

Dann hab keine Angst

und lass dich einfach tragen

Weil es gibt was nach dem Leben,

du wirst schon sehen
 

Einmal sehen wir uns wieder

Einmal schau ich auch von oben zu

Auf meine alten Tage leg ich mich dankend nieder

Und mach für alle Zeiten meine Augen zu
 

Alles was bleibt ist die Erinnerung

Und schön langsam wird dir klar,

dass nichts mehr ist wie es war

Dann soll die Hoffnung auf ein Wiedersehen

Mir die Kraft in meinen Herzschlag legen,

um weiter zu leben
 

Einmal sehen wir uns wieder

Einmal schau ich auch von oben zu

Auf meine alten Tage leg ich mich dankend nieder

Und mach für alle Zeiten meine Augen zu
 

Ein Licht soll dir leuchten bis in die Ewigkeit

Zur Erinnerung an deine Lebenszeit
 

Einmal sehen wir uns wieder

Einmal schau ich auch von oben zu

Auf meine alten Tage leg ich mich dankend nieder

Und mach für alle Zeiten meine Augen zu
 

Auf meine alten Tage leg ich mich dankend nieder

Und mach für alle Zeiten meine Augen zu“*
 

Langsam ließ er die Gitarre ausklingen und stellte diese beiseite und konnte nicht verhindern, dass ihm doch wieder ein paar Tränen herab liefen, aber das war ihm gerade egal, es war nicht nur einfach irgendein daher geschmiertes Gesülze, es war etwas, dass ihm eine Menge bedeutete. Jetzt war er nur gespannt, wie wohl Mimi darauf reagieren würde.
 

Auf seine Aussage, dass Michael es verdient hatte, nickte Mimi nur, damit war das Thema für sie beendet, hier ging es immerhin um Taichi und nicht um sie.

Sie wirkte zufrieden, dass er dem Umzug zustimmte und musste irgendwie lachen, dass er wirklich nach Chiyoda wollte. „Akibahara ist wirklich schön, ich kann es dir nur empfehlen dir dort etwas zu suchen. Und keine Sorge, die Therapie wird hier nicht auf ewig stattfinden, ich bin auch dafür nicht mehr als das Erstgespräch hier zu halten und danach auf eine angenehmere Umgebung zurückzugreifen. Ich habe eigene Praxisräume zu Hause, da wirst du dich definitiv wohler fühlen.“ Sie zwinkerte leicht und hörte ihm dann zu, was er noch über seine Arbeit erzählte. Was sie hörte traf sie sehr, er hatte wirklich eine schlimme Zeit hinter sich gehabt und so ließ sie ihn erst einmal zu Ende sprechen, bevor sie reagierte.

„Es tut mir sehr leid, Tai… ich hatte nicht gewusst, dass du zu ihr so eine innige Beziehung hattest. Das ist in solchen Berufen leider oft so, dass man sehr eng an bestimmten Schicksalen hängt und ich kann nur erahnen, was ihr Tod in dir ausgelöst haben muss. Vor allem wenn man hinterher sieht, was man vielleicht hätte verhindern können. Es ist vielleicht kein wirklicher Trost, aber ich glaube sie hätte nach allem, was du für sie getan hast, nicht gewollt, dass du so vor die Hunde gehst. Du bist ein Mensch mit einem unfassbar großen Herz, etwas, das auch den meisten unserer Freunde wohl verborgen geblieben ist. Ich wusste damals schon, dass in dir noch so viel mehr steckt, als man sah und ich freue mich zu sehen, dass ich damit recht hatte.“ Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und lächelte traurig. „Jess kann sich wirklich glücklich schätzen, dass sie nach all dem Leid wenigstens eine schöne Zeit mit dir verleben konnte. Taichi, du hast ihr, wenn auch nur für einen Moment, reines Glück geschenkt, mit der Liebe, die du ihr entgegengebracht hast, die Liebe, die ihre Familie und auch ihr Freund nicht für sie hatten.“ Sie wischte sich mit dem Handgelenk über die Augen, seine Geschichte hatte sie zu Tränen gerührt.

„Das Leben hat diesem Mädchen unheimlich übel mitgespielt und das Jugendamt hätte viel eher reagieren müssen. Es ist tragisch, dass sie unter so schrecklichen Umständen hatte sterben müssen. Und ich sehe es wie du, ich arbeite auch nicht nach unserer Studienordnung, sonst würdest du jetzt Stimmungsbögen ausfüllen müssen oder so einen Quatsch. Das kann unter Umständen helfen, wenn man keinen Ansatzpunkt hat, aber bei dir wissen wir ja genau, wo das Problem liegt, du schaffst es nur nicht, das alleine zu bewältigen, aber das ist keine Schande ich habe das auch durch gehabt nach dem Tod meines Babys. Auch deine Beziehung mit Sora stand unter keinem guten Stern, es schmerzt, wenn man erkennt, wie man sich in einem Menschen getäuscht hat, der einem mal alles bedeutet hat. Ich glaube Tai, du wärst trotz der Sache mit Jess immer noch ein guter Sozialarbeiter. Dir liegt das Wohl der Kinder und Jugendlichen, die du betreuen sollst, am Herzen und ich glaube, jeder, der mit dir zusammentrifft, kann sich glücklich schätzen. Sieh mich an, Taichi. Du hast mich zu Tränen gerührt und das hat schon lange niemand mehr geschafft. Irgendetwas an dir erreicht die Herzen der Menschen. Und es ist nur gut und richtig, zu sagen, dass Jess nicht einfach eine Akte ist, die man zuklappt und das wars. So geht es mir ja auch mit dir, ich kann auch nicht einfach deine Akte zuklappen und sagen, es ist hoffnungslos. Das bin ich dir als deine Therapeutin, aber in erster Linie als deine Freundin schuldig.“

Sie musste erst einmal durchatmen, wischte sich die restlichen Tränen weg und fuhr dann fort. Schon lange hatte sie kein Klientengespräch so sehr berührt wie dieses. „Das niemand auf ihrer Beerdigung war, ist unfassbar traurig, umso besser, dass du, trotz der Schuldgefühle, die du dir gemacht hast, hingegangen bist und dass du ihr ein Lied geschrieben hast, ist unfassbar, das kann man einfach nicht in Worte fassen.“ Ja Mimi, die Frau der großen Reden, war sprachlos. Sie schaute schweigend zu, als er sich die Gitarre nahm, die für die Musiktherapie gebraucht wurde. Sie selbst konnte nur die Grundakkorde spielen, Musik war nie ihr Schwerpunkt gewesen. Sie hatte ja nicht einmal gewusst, dass Taichi es scheinbar konnte. Sie wartete ab, bis er das Instrument gestimmt hatte und lauschte dann seinem Spiel und seinem Gesang. Spätestens nach den ersten beiden Zeilen rollten dicke Tränen über ihre Wangen. Seine Stimme war so sanft und in ihr war etwas, dass sie so unfassbar berührte. Man merkte, wie wichtig dieses Mädchen Taichi gewesen war und wie sehr er ihren Tod bedauerte. Dieser Text war anders als das, was Yamato spielte. Sie hatte einige seiner Konzerte im Fernsehen gesehen, er sang gut und hatte viele Fans, aber seine Musik unterschied sich von Taichis. Yamatos Texte waren literarisch einwandfrei… aber Taichis einfache Worte hatten sie mehr berührt, als Yamatos Texte alle zusammen.

Sie sah ihn an, er weinte nun auch und sie konnte nicht anders als ihn fest in den Arm zu nehmen und ihm über den Rücken zu streichen. „Das ist das Schönste, dass ich in meinem ganzen Leben gehört habe. Und ich bin mir ganz sicher, Jess hat von oben herabgesehen an diesem Tag und sich wahnsinnig gefreut, dass es wenigstens einen Menschen gab, der ihre Existenz gewürdigt hat. Du kannst stolz auf dich sein, Tai… vielleicht konntest du sie letzten Endes nicht retten, aber du hast ihre letzten Jahre ein Stück lebenswerter gemacht. Du hast ihr ein Licht in der Dunkelheit geschenkt, du hast ihr Hoffnung gegeben. Das ist so viel mehr wert als alles andere.“

Sie war aufgestanden und hatte sich ein Taschentuch geholt und Taichi die Packung ebenfalls gereicht. „Ich bin froh, dass du mir von Jess erzählt hast. Damit hast du nicht nur dir selbst geholfen Tai, du hast auch ihr Andenken bewahrt. Menschen sterben erst dann wirklich, wenn man beginnt, sie zu vergessen.“ Mimi hatte nur wenig Erfahrung mit Trauertherapie, aber sie griff so tief in ihre Kiste, wie sie konnte. „Deswegen ging es Ken auch immer so schlecht, er hat seinen Bruder Osamu nicht erwähnt, nicht über ihn gesprochen. Dadurch geriet er in Vergessenheit und er litt noch mehr. Wenn ich über meine Tochter spreche, dann tut es weh und mein Herz schmerzt, aber dieser Schmerz zeigt mir doch, dass es sie wirklich gegeben hat, dass sie existiert hat und das ist ihrem Andenken mehr als würdig.“

Sie schaute ihm tief in die Augen. „Taichi, ich frage dich das jetzt wirklich ehrlich. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, etwas mit deiner Musik zu machen? Ich finde, du hast ein unfassbares Talent dafür, die richtigen Worte zu finden und in ein Musikstück zu verwandeln. Ich glaube, du könntest mit deiner Musik eine Menge Leute berühren und ich denke, dass das Schreiben deiner Gefühle in die Musik ein Weg wäre, wie du mit deinem Schmerz, deinen Gedanken und deiner Trauer fertig wirst. Ich bin nicht so erfahren mit musikalischen Therapien, mein Schwerpunkt liegt eher in Bewegungstherapien, aber ich bin ehrlich, ich habe noch bei keinem Menschen mehr das Gefühl gehabt, dass diese Therapieform das ist, wonach wir gesucht haben, wie bei dir. Könntest du dir das vorstellen? In welcher Art und Weise du das machst, das können wir immer noch besprechen, aber ich glaube ein guter Ansatzpunkt wäre, wenn du anfängst, Songs zu schreiben, über all die Dinge, die dir passiert sind.“ Sie griff seine Hand und lächelte. „Ich bin glücklich, dass ich einen so faszinierenden Menschen wie dich treffen durfte, Taichi Yagami.“ Sie schloss die Augen, beugte sich vor und küsste ihn sanft.
 

Tai lächelte. „Ja, ich weiß, es soll sehr schön dort sein und so habe ich alle irgendwie in der Nähe, ob dich, Matt oder Kari und T.K., aber trotzdem bin ich dort, wo ich noch nie gelebt habe, also finde ich, dass es sehr gut dort passt, um neu anzufangen, aber ich werde mir keine Wohnung dort suchen, sondern ein Haus, was man renovieren muss, das passt gut mit der Arbeit, man kann den Jugendlichen und den Kleinen eine Aufgabe geben und was beibringen, klar hat es auch den Vorteil für mich, aber in erster Linie lernen sie, zusammen zu arbeiten und sich an den Erfolgserlebnissen zu motivieren, auch wenn es nur ist, dass sie eine Wand gestrichen haben, aber sie haben es geschafft und das ist das Wichtigste daran.“

„Du kannst den Menschen die Chance geben, sie selber zu sein und alles was sie haben, ins Positive zu lenken, kein Mensch ist von Grund auf böse, das Leben macht einen erst dazu und dann ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die dir zeigen, wie schön es sein kann, gut zu sein und was du mit Liebe und Herz alles bewirken kannst, ich habe auch Fehler gemacht, dass weiß ich, aber ich bin nicht meine Fehler, ich bin immer noch ich und momentan weiß ich einfach noch nicht, wer ich wirklich bin, das kannst du nicht von jetzt auf gleich festlegen, dafür ist dieser Prozess zu lang und zu emotional, nun ja die Leute sahen in mir immer nur das, was sie sehen wollten und nicht das, was ich tatsächlich war, du bist solange gut, wie du funktionierst wie es die anderen wollen, funktionierst du nicht, wird es schwierig, aber ich will nicht mehr einfach so funktionieren, wie es andere gerne hätten, ich denke nicht, dass es mir helfen würde, vorzugeben jemand zu sein, der ich nicht bin bzw. der ich nie war, verstehst du?“

„Es gibt mal einen Spruch, an dem viel Wahres ist, wie ich finde. Du hast dich selbst nie richtig behandelt, aber ich will, dass du es tust. Wenn ich dich wissen lasse, dass ich hier bin, man sollte immer für sich selber da sein, ich glaube, dass ist mit das Wichtigste, wenn man einen Prozess durchläuft.

„Wir sollten die Menschen, die wir liebten und die wir immer noch lieben, nie in Vergessenheit geraten lassen, egal wie schmerzhaft die Erinnerung ist, sie wird immer irgendwo präsent sein und uns daran erinnern, wie glücklich wir sein können, dass wir noch Leben, ich weiß nicht, ob ich eines Tages Kinder haben werde, aber wenn es so sein sollte, weiß ich, was ich ihnen mit auf den Weg geben will, du kannst sie nicht vor allem Bösen schützen, das weiß ich, aber du kannst ihnen beibringen, was man schaffen kann, wenn man auf sein Herz hört und seinen Verstand aussetzen lässt, das hätte ich öfter tun müssen, aber der einfachere Weg erscheint oft besser, obwohl er es manchmal gar nicht ist, weil du kannst den schweren Weg nehmen und einen Stein nach dem anderen aus deinem Leben werfen und weißt am Ende, du hast es geschafft, weil du niemals aufgegeben hast, vielleicht hätte ich mich damals nicht so fallen lassen dürfen, aber ich war jung und ich hatte alles, was ich wollte und es dann plötzlich nicht mehr zu haben, damit umzugehen, das ist nicht so einfach, wenn es mir heute noch einmal passieren würde, wäre es glaube ich nicht so extrem schlimm wie damals, weil wenn du beide Seiten kennst, weißt du nach der schlechten Zeit kommt irgendwann auch wieder die gute Zeit und das lässt dich weiterkämpfen, du sagst, es war falsch, für Kari weiter zu machen, aber das war das Einzige, was ich in der Zeit hatte, daran konnte ich mich festhalten Mimi, sonst wäre ich jetzt nicht hier und könnte mit dir reden, also hatte es irgendwo auch sein Gutes gehabt.“

Er lächelte nun doch wieder etwas, ihr gefiel der Song wirklich. „Ich habe ihn noch nie jemand anderes gezeigt, ich meine, es ist eine persönliche Sache und die geht nicht jeden etwas an, ich teile es mit den Leuten, mit denen ich es auch wirklich teilen will, verstehst du? Meinst du denn, eine Musiktherapie würde mir helfen? Ich habe schon mehrere Sachen geschrieben, ich habe zu Hause eine Gitarre und ein Klavier und damit lässt sich sehr viel machen, in der Musik kann ich für mich sein und das tun, was ich möchte, keiner der mir sagt, was für einen Text ich schreiben muss oder was gut bei der Masse ankommt, das ist mir nicht wichtig, ich möchte, dass es mir gefällt, was ich da mache und nicht irgendwelchen Managern und Musik ist oftmals ein Weg zu Menschen durchzudringen oder Sachen auszudrücken, die man sich so nicht trauen würde direkt zu sagen, ich habe damals für Jess oft Klavier gespielt und sie hat gelächelt, das hatte mir als Bestätigung immer gereicht, ich will damit keine Millionen verdienen und auch keine kreischenden Mädchen hinter mir her laufen haben, die Industrie macht dich zu einem Produkt was in erster Linie Geld bringen soll und das ist etwas, dass ich niemals werden wollen würde, dafür steckt zu viel Herz da drinnen.“

Als sie ihn schließlich küsste, war er mehr als überrascht, denn damit hatte er nun absolut nicht gerechnet, doch er musste gestehen, dass es sich gut anfühlte, er wusste nicht, wieso dies so war, aber es fühlte sich so ehrlich und richtig an und deswegen zögerte er nicht allzu lange, ihren Kuss zu erwidern, seit Sora damals hatte er nie wieder eine Frau auch nur so nah an sich gelassen wie jetzt Mimi und in seinem Inneren fühlte es sich richtig, an sie zu küssen und er verschwendete keinen Gedanken mehr daran, wieso sie ihn küsste, sondern genoss es einfach nur noch, ihre Lippen auf seinen zu spüren, es weckte Gefühle in ihm, die lange verborgen und vergessen waren, das Gefühl, dass die Nähe eines anderen Menschen gut tut und nicht alle Frauen Teufel waren, nach einer gefühlten Ewigkeit löste er jedoch den Kuss, weil das mit der Luft langsam knapp wurde und er schenkt ihr ein warmes und ehrliches Lächeln. „Das war ein schöner Therapieansatz, Prinzessin“, er gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und bettete dann ihren Kopf an seiner Brust, während er die Arme um sie legte. „Und egal was kommt, ich bin auch immer für dich da, wenn du etwas hast, dass dich bedrückt Mimi.“
 

Taichis aufrichtiges Lächeln ließ die Braunhaarige dahinschmelzen, es war so schön, ihn wieder lachen zu sehen. „Die Idee mit dem Haus finde ich großartig, Tai! Ich glaube auch, dass die Kinder und Jugendlichen, die da mit dir dran arbeiten können, sich wirklich glücklich schätzen können und dieses Haus wird auch für dich immer etwas sein, womit du positive Gefühle verbindest. Und ich stimme dir zu, jeder trägt Licht und Schatten in sich, wie wir aufwachsen entscheidet oft darüber, welche Kraft die Stärkere ist und ob Hoffnung oder Verzweiflung überwiegen. Ich bin mir bei dir aber sehr sicher, dass wir einen Weg finden werden, dass du der Verzweiflung nicht erliegst. Und du hast vollkommen Recht, du solltest dich nicht verstellen, sondern du selbst sein, auch wenn es Menschen gibt, die damit nicht einverstanden sind. Früher war ich mit oberflächlichen Menschen wie Michael oder Tessa zusammen, aber heute ist mir das alles nicht mehr wichtig. Ich achte auf mich selbst, aber nicht um andere Leute damit zufrieden zu stellen, sondern um für mich selbst gesund zu bleiben und zufrieden zu sein. Und das solltest du in Zukunft auch tun. So wie ich Hikari, Takeru und Yamato einschätze, werden sie immer hinter dir stehen, diese drei sind deine Lebensbasis und vielleicht kommen in der Zukunft noch neue Leute dazu.“

Mimi machte eine kurze Pause und sah ihn wieder lächelnd an. Sie wusste nicht wieso, aber schon lange hatte sie sich in der Gegenwart eines Mannes nicht mehr so wohl gefühlt. Taichi hatte ihr schlafendes Herz wieder aufgeweckt und mit Leben erfüllt. „Ja, man kann seine Kinder nicht in Watte packen und alles von ihnen abschirmen, damit erzieht man sie zu Menschen, die ihr Leben nicht alleine meistern können. Es ist wichtig, dass man sieht, was man heute anders machen könnte, aber du darfst dich selbst auch nicht schlechter machen, als du bist. Du hast eine Menge erlebt und trotzdem stehst du heute vor mir und bist immer noch bereit, zu kämpfen, ich finde du kannst auch sehr stolz auf dich sein. Und ich finde nicht, dass es unbedingt falsch war, für Hikari weiter zu machen, immerhin ist sie ein wichtiger Teil deines Lebens. Es gefiel mir nur nicht, dass es dein einziger Grund war und du nicht mehr an dich selber gedacht hast.“

Als er von seiner Musik sprach nickte sie, sie verstand schon, was er meinte. „Ich würde dich auch nicht dazu bringen, zu einer Plattenfirma zu gehen oder im Rampenlicht zu stehen. Die Musiktherapie würde beinhalten, dass du dich mit deinen Problemen in musikalischer Form auseinandersetzt und sie mit Menschen teilst, mit denen du sie teilen willst. Das kann ich sein, aber auch deine Familie oder Takeru und Yamato, vielleicht auch die Kids, mit denen du später vielleicht wieder arbeitest. Wichtig ist nur, dass du dir selbst treu bleibst und deine Texte so ehrlich bleiben wie jetzt, dass man in ihnen einhundert Prozent Taichi sieht, nichts Gestelltes, nichts Gelogenes, einfach nur deine ehrlichen Gefühle. Musik sollte etwas sein, mit dem man die Menschen berührt, denen die Texte gewidmet sind. Ich bin mir sicher, wenn Jess das gehört hätte, sie hätte ebenso geweint wie ich. Überlege es dir ruhig einmal, ich werde mich von meinen Kollegen in die Grundlagen der Musiktherapie einführen lassen, damit wir das zusammen machen könnten, immerhin haben wir schon mal die Vertrauensbasis zueinander.“

Warum Mimi ihn anschließend geküsst hatte, wusste sie selbst nicht genau, sie hatte es einfach für richtig gehalten und sie fühlte, wie ihr Herz flatterte, nie wieder hatte sie sich so gefühlt, seit sie nicht nur Michael, sondern auch ihre gemeinsame Tochter verloren hatte. Sie war erfreut darüber, dass er den Kuss so bereitwillig erwiderte und auch sie musste irgendwann aus Luftmangel innehalten, doch das warme und liebevolle Lächeln, was darauffolgte, ließ ihr Herz schmelzen. Er nannte sie Prinzessin, das hatte er seit Kindertagen nicht mehr getan, doch irgendwie war der Spitzname schön, er verband sie miteinander, war etwas Wertvolles und Besonderes. „Ich bin froh, dass ich dich wiedergetroffen habe, Tai. Bei dir habe ich auch wirklich das Gefühl, eine Prinzessin zu sein.“ Sie schmiegte sich noch enger an ihn und atmete seinen Geruch ein, er war so vertraut und beruhigend. Als er meinte, sie könne immer zu ihm kommen, nickte sie und lächelte sehr warm. „Ich danke dir, du hast es vorhin auch schon bewiesen, noch nie konnte ich mit jemandem über meine kleine Shiori sprechen, es tat einfach immer zu weh und ich hatte nie das Gefühl, dass es jemand verstanden hätte. Aber du, du konntest diesen Schmerz nachempfinden. Auch wenn es mir leidtut, dass Sora dir so schlimme Dinge angetan hat, mir war sie eigentlich immer eine gute Freundin.“ Sie griff nach seiner Hand und drückte sie fest. „Du bist mir nach all den Jahren noch immer unglaublich wichtig, das habe ich in der letzten Stunde begriffen und ich wünsche mir, dass wir gemeinsam herausfinden, wo unsere Wege uns hinführen werden.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
*Text © Andreas Gabalier: Einmal sehen wir uns wieder Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Satra0107
2019-07-15T18:22:41+00:00 15.07.2019 20:22
Puh, das waren zwei heftige Kapitel, gleich zum Anfang. Aber da sind zwei eindeutig auf einer Wellenlänge, so schnell, wie sie sich näher kommen.
Manchmal sind mir die "Monologe " aus einer Perspektive zu lang und ich vergesse beim gehen Part um welche Themen es ging 🤔 da muss ich mich erst dran gewöhnen 😊
Aber sehr mitreißend geschrieben.
Lg Satra


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