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Desaster

von

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Clint legte einen Arm um Natascha, als diese sich gegen ihn lehnte. Sie war erschöpft. Er war erschöpft. Das war noch sehr positiv ausgedrückt. Sie waren beide völlig fertig. Belova hatte sich als äußerst harte Nuss herausgestellt und ihre Psychosen hatten dramatisch zugenommen zum letzten Mal als sie sich gegenübergestanden hatten. Clint war glücklich darüber, dass sie beide mit einem blauen Auge davongekommen waren und dass die falsche Black Widow jetzt in SHIELD Händen war. Es war ein fast peinlicher Auftritt gewesen, wenn man bedachte, dass sie ihre Gegnerin eigentlich kannten und einschätzen konnten. Trotzdem hatte sie es geschafft sie voneinander zu trennen und Clint war nur mit dem Leben davongekommen, weil Belova deutliche Schwierigkeiten mit ihrer eigenen Identität entwickelt hatte.

Dem Bogenschützen war vollkommen klar, dass seine Partnerin die nächsten Tage keinen Schritt von seiner Seite weichen würde. Er hatte den Blick gesehen, als sie ihn endlich gefunden und aus dem Keller befreit in dem Belova ihn gefangen gehalten hatte. Der Schrecken hatte tief in ihren Knochen gesessen. Sie hatte wirklich geglaubt ihn verloren zu haben, geglaubt ihn nie wiederzusehen. Zumindest nicht am Stück.

Beruhigend strich er über ihren Oberarm, während sie sich in der Fahrstuhlkabine enger an ihn drückte. Was sie jetzt brauchte, war Normalität. Zumindest so viel, wie es im StarkTower möglich war. Denn normal war hier irgendwie keiner. Nicht im eigentlichen Sinne des Wortes jedenfalls.

Jarvis hatte sie informiert, dass im Gemeinschaftsraum gerade wieder ein Film angesehen wurde und Clint hielt es für eine gute Idee dazuzustoßen, zumal sie ihre Rückkehr noch nicht bekannt gemacht hatten. Ein Abend im Kreise ihrer verrückten Freunde würde Natascha sicher wieder etwas festigen.

Also hatten sie ihre Sachen in ihren Quartieren abgeladen, nacheinander, denn Nat war nicht gewillt ihn aus den Augen zu lassen, und hatten den Fahrstuhl rauf genommen. Als die Türen aufglitten, konnten sie Tonys lautes Lachen hören. Clint spürte, wie seine Freundin sich etwas entspannte. Er kam nicht umhin auch bei sich selbst eine gewisse Ruhe zu spüren mit diesem Geräusch in seinen Ohren. Er hatte es schon vor einer Weile bemerkt. Wenn er die Gemeinschaftsetage betrat und sein Team anwesend war, fühlte es sich an, als wäre er zu Hause. Gleichzeitig machte ihm das leider auch ein schlechtes Gewissen.

Zusammen traten sie aus der kleinen Kabine und Clint erstarrte nach ein paar weiteren Schritten, als das Blickfeld auf die Ansammlung an Leuten vor dem riesigen Fernseher frei wurde.

Bruce war der erste, der sie bemerkte. Die Freude in seinem Gesicht war unverkennbar und brachte den Rest dazu sich ebenfalls in ihre Richtung zu drehen.

„Nat! Clint!“, rief Pepper fröhlich aus und setzte sich aus ihrer halb liegenden Position auf. Die Person an der sie gelehnt hatte, war auch von hinten nicht schwer zu erkennen gewesen. Loki starrte genauso zu ihnen hinüber. Nur auf seinem Gesicht war keinerlei Emotion zu lesen.

Freudestrahlend stand Pepper auf und lief mit ausgestreckten Armen in ihre Richtung und direkt auf Nat zu, während Steve sich aus dem Sessel rechts neben der Couch erhob und Clint sofort sah, dass er die Wunde an seiner Stirn beäugte. Er wusste jetzt schon, dass ihr großer Anführer sich bereits die Schuld daran gab, obwohl er nicht einmal dagewesen war. Steve konnte sowas. Er fand immer eine Möglichkeit sich zu dem Grund zu machen, dass jemand anderes sich verletzt hatte.

Jetzt schon halb genervt von der kommenden Diskussion darüber – und er freute sich riesig darauf ihm die Situation erklären zu müssen, in der er gesteckt hatte, während Nat in ihren Nachrichten an Steve weiterhin vorgegeben hatte alles sei in Ordnung – was passiert war, sah er zu Tony, der völlig entspannt auf der Couch saß. Pepper hatte zwischen ihm und Loki gesessen. Mit dem Oberkörper gegen den Asgardier gelehnt, ihre Füße in Tonys Schoß platziert.

Natascha löste sich von Clints Seite und lächelte ihrer Freundin entgegen, machte sich bereit die andere Frau gebührend zu begrüßen und ihre Umarmung zu erwidern.

Als nächstes huschten Clints Augen über den Couchtisch, auf dem lauter bestelltes Essen halb aufgegessen verstreut lag, während auf dem großen LCD Bildschirm Tim Burtons Nightmare before Christmas lief. Dann sah er wieder zurück zu Loki, dessen Blick weiterhin direkt auf ihn gerichtet war. Ein Schauer lief ihm über den Rücken.

Als Steve einen Schritt auf sie zu machte, reagierte Clint instinktiv. Er streckte einen Arm vor Natascha aus und hielt sie davon ab sich auf Pepper zuzubewegen, zwang sie sogar mit ihm einen Schritt zurückzumachen. Sein misstrauischer Blick scannte die Umgebung und sein Gehirn legte ihm sofort verschiedene Strategien zurecht.

Seine Reaktion wurde mit deutlicher Irritation aufgenommen. Pepper blieb auf der Hälfte der Strecke unsicher stehen und sah ihn fragend an, wechselte immer wieder Blicke mit Natascha. Steve stoppte ebenso, nicht minder verwirrt wirkend.

„Clint?“, fragte seine Partnerin ihn besorgt und legte eine Hand an seine Schulter, sträubte sich aber nicht gegen seine schützende Geste und ließ ihn gewähren.

„Was ist hier los?“, wollte Hawkeye wissen.

„Movie Night?“, schlug Tony vor und deutete zum Bildschirm. „Hättet ihr bescheid gesagt, hätten wir gewartet.“

War das sein Ernst? Hatte der Fahrstuhl sie durch eine Art Dimensionsloch gefahren und sie waren nun in einem alternativen Universum gelandet? Einem wo Loki nicht die Hälfte der Bewohner Manhattans umgebracht hatte? Einem, wo es Sinn machte, dass der wahnsinnige Asgardier inmitten seiner Freunde saß, mit Pepper kuschelte und Snacks aß, während ein Film im Hintergrund lief?

„Clint?“, meldete sich nun auch Steve zu Wort. Die Besorgnis war deutlich zu hören.

„Was macht der hier?“ Der Scharfschütze nickte in Lokis Richtung.

„Movie Night?“, wiederholte Tony nur. Diesmal mit einem Unterton, der jedem verriet, dass er nicht verstand, wo das Problem lag.

Langsam, wirklich langsam, erhob der Außerirdische sich. Es ließ Clint sich nur noch mehr anspannen, jeder einzelne Muskel in seinem Körper machte sich bereit. Jetzt erkannte er auch seinen kompletten Zustand. Sein jämmerlicher körperlicher und geistiger Zustand als sie ihn befreit hatten, war ihm kaum noch anzusehen. Er sah gepflegt aus und schien sich in seiner Umgebung vollkommen sicher zu fühlen. Seine Kleidung war definitiv eher sein eigener Stil, als der von Tony. Es war keine Spur mehr vorhanden von dem, was ihn selbst in Clints Augen einigermaßen ungefährlich gemacht hatte. Sie starrten sich gegenseitig an. Der Scharfschütze spürte, wie Adrenalin durch seine Adern gepumpt wurde.

„Clint, es ist alles in Ordnung.“, sprach ihn Pepper an. Sie nutzte diesen Unterton, den sie auch in ihrer Stimme hatte, wenn sie Tony gut zuredete, um ihn vom Alkohol abzuhalten.

„Wieso sitzt ihr hier seelenruhig mit ihm zusammen?“, stellte Angesprochener die nächste Frage, sah Tony Luft holen und drehte sich in seine Richtung, den Außerirdischen weiterhin in seiner peripheren Sicht lassend. „Und sag jetzt nicht Movie Night!“

Tony klappte den Mund wieder zu und zuckte nur mit den Schultern. Wieso sahen ihn alle an, als wäre er derjenige, der sich hier seltsam benahm?

Natascha drückte seinen Arm, mit dem er sie abschirmte herunter. Offenbar war ihr das nun genug gewesen. Zum Glück blieb sie jedoch bei ihm stehen, denn er wusste wirklich nicht, wie er reagieren würde, wenn sie sich dazu entschieden hätte sich den anderen zu nähern. Stattdessen umfasste sie seinen Arm und lehnte sich an ihn, während ihre Finger beruhigend über seinen Unterarm strichen.

„Ich verstehe das Unbehagen in dieser Situation, Agent Barton.“, meldete sich nun Loki zu Wort. Seine Stimme klang ruhig und kräftig. Für die Situation, in der er sich eigentlich befinden sollte, klang er deutlich zu sicher. „Ich werde mich selbstverständlich in mein Quartier zurückziehen.“

Doch kaum hatte Loki das gesagt, sprang auch schon Tony auf ihn zu, legte eine Hand auf dessen Schulter ab und hielt ihn offensichtlich an Ort und Stelle fest. „Nichts da. Du bleibst hier. Der Film ist noch nicht vorbei.“, entschied er.

Steve schien mit der gesamten Situation keine Probleme zu haben. Einzig Bruce sah entschuldigend in seine Richtung und lächelte etwas unbeholfen. Doch auch er wirkte nicht wirklich beunruhigt. Seine Augen waren braun.

„Dann sollten wir vielleicht, das hier erklären.“, bot Pepper schließlich an und sah hinter sich zu ihren Freunden.

„Genau!“, stimmte der Milliardär direkt zu. „Fangen wir an mit: Wir sind keine hirnlosen Zombies.“ Seine Hand ruhte noch immer auf Lokis Schulter, als wolle er sicherstellen, dass dieser auch wirklich blieb wo er war. Zumindest waren sie keine Zombies in dem Sinne, in dem Clint es gewesen war. Keiner von ihnen hatte diese unwirklich blass blauen Augen.

„Geht es euch gut?“, unterbrach Steve Tony, als dieser gerade wieder Luft geholt hatte, um ohne Zweifel die gesamte Situation direkt ins Lächerliche zu ziehen. Und es war so typisch. Captain America war als erstes besorgt um sein Team. „In den Updates war keine Rede von Verletzungen.“, fügte er dann noch hinzu. Die Augen des Mannes musterten Clint immer wieder, als versuche er durch die Kleidung hindurch weitere Wunden und Schrammen zu erkennen. Gut, dass er das nicht konnte, denn er würde jede Menge entdecken, das ihn höchst unzufrieden stellen würde. Clint war Coulson dankbar, dass er die Berichte zunächst nicht verlinkt hatte, sodass Steve noch nichts von der Situation in Brasilien wissen konnte. Er und Natascha hatten vorgehabt mit ihm zu reden, bevor er es lesen konnte.

„Ich wollte dich nicht beunruhigen.“, antwortete Natascha. Clint konnte das sanfte Lächeln auf ihren Lippen hören. Der Soldat hatte seine Partnerin relativ schnell für sich gewonnen. Diese ernsthafte Sorge um ihr Wohlergehen und das seines Teams, das war nichts, was sie gewohnt gewesen war. Nicht vor SHIELD und nicht bei SHIELD. Es war schwer jemanden wie Steve nicht an sich heranzulassen. Sie hatten es beide irgendwann aufgegeben sich etwas vorzumachen und sich eingestanden, dass die Welt, in der es nur sie beide gab, auf die sie sich gegenseitig verlassen konnten, wenn es zum Äußersten kam, um weitere Personen vergrößert worden war. Zu Beginn war es beängstigend gewesen. Inzwischen war das hier selbst für Natascha etwas, das ihr ein Gefühl von Geborgenheit vermittelte, etwas dass sie als ihr zu Hause bezeichnete und tatsächlich so meinte, wie gewöhnliche Menschen diese Bezeichnung nutzten. Für sie beide war Steve derjenige, mit dem das angefangen hatte. Ohne ihn, wären sie beide höchstwahrscheinlich immer noch in erster Linie Agenten von SHIELD und offiziell war das noch immer so. Dennoch wussten sie beide, dass sie keine Sekunde zögern würden, wenn sie sich zwischen den Avengers und SHIELD jemals entscheiden müssen würden.

Schließlich war es auch Steves besorgter Blick, mit dem er ihn musterte, der Clint dazu brachte die Situation neu zu betrachten. Sein Freund wirkte wie immer. Nicht als hätte jemand in seinem Hirn herumgepfuscht. Und er musste zugeben, sie waren eine Weile weggewesen. Tony hatte schon davor deutlich gezeigt, dass er den Asgardier eher weniger als mögliche Bedrohung sah. Pepper wusste es nicht besser. Das erstaunliche war eher, dass selbst Steve und Bruce offenbar nun ebenfalls auf diesen Zug mit aufgesprungen waren.

Mit einem scharfen Blick musterte er Pepper ganz genau, bevor er bereit war zu akzeptieren, dass sie wirklich sie selbst war. Er wagte zu bezweifeln, dass der Hulk irgendetwas dulden würde, also war Bruce sicher auch er selbst. Doch was war mit Steve? Offenbar hatten sie wirklich einiges verpasst.

Clints Augen richteten sich wieder auf Loki. Hatte er es geschafft sie alle um den Finger zu wickeln?

Steve seufzte auf Nataschas Aussage hin. „Das ist nicht der Sinn dessen, weshalb ich diese Updates haben wollte.“, erinnerte er sie.

„Dein Auftauchen, hätte alles nur noch schlimmer gemacht.“, antwortete sie und löste sich von Clints Seite. Sie wechselte mit ihrem Partner einen Blick, um sicher zu gehen, dass er das dulden würde, bevor sie auf Pepper zutrat. Glücklich strahlte diese sie an und sie umarmten sich herzlich zur Begrüßung.

Der Scharfschütze beobachtete jede Bewegung. Doch es war alles in Ordnung. Nichts Ungewöhnliches. Pepper trat einen Schritt zurück, lehnte danach gegen die Sofalehne und wartete, während Nat ihre Runde machte und als nächstes Steve ansteuerte, der die Chance sogleich nutzte, um sie näher zu begutachten. Zu prüfen, ob ihm jetzt direkt vor sich, irgendwelche Verletzungen auffallen würden. Aber er würde nichts finden. Die Schrammen, die sie davongetragen hatte, waren bei ihrer schnellen Wundheilung bereits wieder verschwunden.

Tony löste sich von Loki erst wieder, als Natascha auf ihn zutrat. Sicherheitshalber trat Clint näher heran. Dennoch verstand er nicht, was der Milliardär sagte, aber seine Partnerin quittierte das mit einem Schlag auf seinen Oberarm, ein gespielt empörter Ausdruck in ihrem Gesicht. Erstaunt beobachtete der Scharfschütze, wie Loki sich ebenfalls zu ihr herumdrehte und sich elegant verneigte als Nat sich ihm zuwandte. Das Mistrauen in ihrem Gesicht war für jeden deutlich zu lesen.

Peppers Lachen durchbrach die seltsame Situation. Clint trat weiter heran und konnte hören, wie die Frau ihrer Freundin erklärte, dass der Asgardier das auch bei ihr die ganze Zeit tat.

„Ja. Das und andere Sachen. Manchmal habe ich den Eindruck er versucht mir mein Mädchen auszuspannen.“, kommentierte Tony mit einem ironischen Unterton.

„Offenbar hast du also Grund dich bedroht zu fühlen.“, entgegnete Natascha grinsend und wechselte einen amüsierten Blick mit Pepper, während sie dem Milliardär spielerisch einen Ellbogen in die Seite stieß. Clint verstand die Doppeldeutigkeit dieser Frage. An der Reaktion konnte er sehen, dass Steve es auch verstand. Der Soldat suchte Blickkontakt und schüttelte den Kopf, während Tony laut auflachte.

Mit dem letzten Schritt überwand Clint die Distanz zu Pepper, die sich ihm erfreut zuwandte, ihn zuversichtlich anlächelte und dann in ihrer üblichen Manier in eine Umarmung zog, die ihm wie immer so viel Herzlichkeit vermittelte, dass für diesen einen Moment sämtliche Lasten von seinen Schultern abzufallen schienen. Er zwang sich, diesen Effekt zu unterdrücken. Loki stand kaum zwei Meter von ihm entfernt. Nur weil er ihm den Rücken zuwandte, machte Clint seine Anwesenheit nicht weniger nervös.

Zwischen Tonys und Lokis Kopf konnte er seine Partnerin gut sehen, die ihm einen kurzen Blick zuwarf. Es war alles in Ordnung. Sie hatte nichts Verdächtiges entdeckt. Letztendlich drehte sie sich um und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den letzten verbliebenden Anwesenden. So sehr Clint es auch gerne beobachten würde, wie die beiden sich in ihrer inzwischen seltsamen Art und Weise gegenseitig behandelten – und er ertrug das nur ohne etwas zu sagen, weil er Natascha geschworen hatten sich da rauszuhalten – würde das doch bedeuten, dass er den Asgardier aus den Augen lassen würde. Das war völlig inakzeptabel.

„Dann erzählt mal.“, ergriff er schließlich das Wort. „Wie kommt es, dass der imperienlose Imperator plötzlich euer bester Freund ist?“ Mit voller Absicht blieb er direkt bei Pepper stehen. Es behagte ihm nicht, dass Tony so dicht neben dem Außerirdischen stand. Wenn er sich plötzlich doch aggressiv zeigen sollte, wäre er sofort greifbar für diesen. Ohne seinen Anzug, war der Milliardär eben nur ein Mensch. Einer der kaum besser sich zu verteidigen wissen würde, als Pepper.

Zu allem Überfluss schlang er nun auch noch einen Arm um Lokis Taille und zog ihn an sich. „Wir haben einiges an Zeit im Workshop verbracht. Hat sich herausgestellt, dass er mehr Verstand besitzt als der Rest von euch zusammen.“, sagte er breit grinsend, bevor er noch kurz mit einem Blick zu Bruce hinzufügt. „Dich ausgenommen, natürlich. Das wäre dann doch etwas gruselig.“

Clint sah nicht, wie das nicht auch jetzt schon gruselig war und unterdrückte erneut das Bedürfnis den Wissenschaftler anzusehen.

„Das war er auch vor anderthalb Jahren. Trotzdem hattest du nicht das Bedürfnis ihn zur Movie Night einzuladen.“, kommentierte der Bogenschütze reichlich sarkastisch. Er beäugte Loki ohne es verstecken zu wollen, doch der hatte es offenbar nicht einmal nötig seinen Blick zu erwidern. Stattdessen waren seine Augen gen Boden gerichtet.

„Was sich nicht alles ändern kann, wenn man aufhört sich gegenseitig umbringen zu wollen.“, flötete der Milliardär gut gelaunt und stieß den Mann neben sich neckisch mit der Schulter an. Er erntete einen missbilligenden Blick von Loki, grinste ihn als Antwort darauf jedoch einfach nur an.

Clint spürte, wie Hitze in ihm hochstieg. Wenn Tony nicht sofort aufhörte sich zu benehmen, als sei es keine große Sache ein Alien, das ihnen nicht nur körperlich überlegen war, sondern auch noch mit magischen Kräften um sich schmeißen konnte, in ihrer Mitte zu haben, das versucht hat die Erde zu unterwerfen und sie in dem Prozess umzubringen, dann würde er gleich platzen!

„Clint.“, sprach Steve ihn vorsichtig an. Er löste sich jetzt aus seiner Position auf Lokis anderer Seite und kam langsam auf ihn zu. Das war okay. Steve war nicht das Problem. Er schien das jetzt auch zu bemerken und stellte sich vor ihn, achtete aber darauf die Sicht auf den Außerirdischen nicht zu behindern. Mit deutlich kritischer Miene begutachtete ihr Anführer ihn. Clint musste ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass die Verletzungen in seinem Gesicht aufs Genaueste gemustert und bewertet wurden.

„Erklär mir lieber, was hier los ist.“, zischte Clint dem Soldaten schließlich entgegen. Er sah zu, wie Natascha sich nicht ganz zufällig neben Tony stellte. Ihr Blick verriet ihm, dass sie zu allem bereit war, aber nicht wirklich wusste, was sie erwartete. So seltsam diese Situation auch für sie war, es schien alles in Ordnung zu sein. Ebenso erkannte er die Bitte sich ruhig zu verhalten.

Seufzend schloss Steve kurz die Augen und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Offensichtlich wusste er nicht so recht, wie er das hier erklären sollte. „Wenn du etwas Zeit mit ihm verbringst, wirst du es verstehen.“, fing er schließlich an, doch Clint, Loki immer in seinem peripheren Blickfeld belassend, spießte ihn bei den Worten geradezu auf mit seinem Blick. War das sein Ernst?

„Zeit mit ihm verbringen?“, hakte er nach. „Wovon redest du?! Warum in aller Welt sollte ich das wollen?! Warum sollte das irgendeiner wollen?!“, beschwerte er sich lautstark. „Das ist wahrscheinlich der verrückteste, gefährlichste, offenbar auch superintelligente-“ mit einer Geste deutete er bei diesem Wort kurz auf Tony. „-manipulative Freak, mit dem es jemals irgendwer von uns zu tun hatte!“ Aus den Augenwinkeln sah er wir Tony ansetzte etwas zu sagen, doch er ließ ihm keine Möglichkeit auch nur ein Wort loszuwerden. „Solange er kaum fähig war sich auf den Beinen zu halten, okay. Aber jetzt!? Er sollte in einem verbarrikadierten Raum eingesperrt und mit diesem Toxin ruhiggestellt werden, bis wir ihn auf Thor abwälzen können!“ Sofort erkannte der Scharfschütze wie vergeblich es war das überhaupt anzusprechen. Die Abscheu und der Ekel den das bei seinem Gegenüber offensichtlich schon bei der bloßen Vorstellung hervorrief, war sofort zu erkennen. Schnell musterte er die anderen Anwesenden. Pepper sah ihn schon fast entsetzt an bei dem Gedanken, Tony musterte ihn wütend. Loki war der einzige, der keinerlei Reaktion auf diesen Vorschlag zeigte.

Mit einer bestimmten Geste schob Clint Steve zur Seite und trat vor, bis nur noch die Couch zwischen ihm und Loki stand. Er sah, wie der Milliardär sich anspannte, ebenso wie Natascha daneben.

„Was hast du ihnen erzählt? Was für eine Lüge hat sie dazu gebracht…“, er versuchte Worte zu finden, die beschrieben, was er meinte. Wie sollte er beschreiben, wie sehr es sich anfühlte, als wäre sein persönlicher Albtraum mitten in seine heiligste Privatsphäre eingedrungen und hätte es sich gemütlich gemacht? Doch es fielen ihm keine passenden Worte ein, also machte er nur eine Geste, die den Raum umfasste. „… das hier zu machen!?“, zischte er ihm entgegen. Wieder starrten sie sich gegenseitig an. Wieder schien Loki nicht ansatzweise beeindruck.

„Wow!“, meldete Tony sich zu Wort, löste seinen Arm um den Außerirdischen. „Du solltest dich dringend abkühlen.“ Es schien als wollte er sich vor Loki schieben, doch dieser streckte einen Arm aus und hielt ihn zurück. Clint blieb nicht verborgen, dass der Handrücken den Arc Reactor berührte und der Milliardär offenbar kein Problem damit zu haben schien. Tony sah den Außerirdischen lediglich mit einem fragenden Blick an, der jedoch unerwidert blieb.

Es machte Clint nur noch wütender. Wie konnte er es auch nur wagen den Arc Reactor anzufassen! Wenn die Couch nicht zwischen ihnen wäre, hätte er sich sicher auf Loki gestürzt.

„Ich habe ihnen gar nichts erzählt.“, antwortete der Asgardier ruhig. „Das hier, habe ich der Naivität, dem Mitleid, der Ignoranz, Arroganz und Gutgläubigkeit Tonys sowie des Captains zu verdanken.“

„Hm.“, machte der Milliardär und verschränkte die Arme vor der Brust. „Danke für die Blumen.“, sagte er mit deutlichem Sarkasmus in der Stimme. Als Antwort bekam er nur einen Blick, der irgendwas zwischen Erschöpfung und Genervtheit war.

„Ihr seid tatsächlich die erste Person, die nachvollziehbar auf meine Anwesenheit hier reagiert, Agent Barton.“, fügte Loki dann noch hinzu. „Obwohl ich zugeben muss, dass es keine leichte Aufgabe ist zu erkennen, was genau in Eurer Partnerin vorgeht.“, fügte er dann noch hinzu und warf Natascha einen kurzen Blick zu, der schon fast amüsiert wirkte.

Warum hatte er seinen Bogen nur nicht dabei? Was würde er diesem selbstzufriedenen Freak gerne einen Pfeil ins Gesicht schießen! Weshalb sah außer ihm offenbar niemand, dass sie einen verrückten Mörder mitten in ihrem Wohnzimmer zu stehen hatten? Ein Biest, das sich äußerlich angepasst hatte, um seine Umgebung in die Irre zu führen. Wieso sah das niemand!?

„Clint.“, riss ihn Nats Stimme aus seiner Gedankenspirale und er sah automatisch kurz zu ihr. Sie wirkte besorgt. Ihr Blick bat ihn sich zu beruhigen. Jetzt erst bemerkte er seine schnelle, gepresste Atmung und seine zu Fäusten geballten Hände, die seine Arme zittern ließen.

„Ich werde mich in mein Quartier zurückziehen. Offensichtlich besteht hier dringender Gesprächsbedarf.“, verkündete Loki als nächstes und trat einen Schritt zurück.

„Hey, ich habe bereits gesagt, du gehst nirgendwo hin.“, beschwerte Tony sich sofort, griff nach seinem Arm und hielt ihn fest.

„Tony.“, meldete Steve sich wieder zu Wort. Er musste nichts weiter sagen. Es war offensichtlich eine Bitte die Situation nicht eskalieren zu lassen. Der Milliardär starrte eine Weile Loki an, welcher seinen Blick erwiderte. Dann ließ er ihn sichtlich widerwillig los.

„Wir holen das nach.“, versprach er dem Asgardier. Ohne ein weiteres Wort lief dieser um die Couch, verneigte sich höflich vor Natascha und Pepper und verschwand dann im Fahrstuhl. Clint ließ ihn keine Sekunde aus den Augen, bis er weg war.

Augenblicklich war Nat bei ihm. Ihr Arm schlag sich um seinen, sie drückte sich seitlich leicht an ihn und ihre Finger fuhren beruhigend über seine Hand.

„Okay. Er ist weg. Können wir jetzt reden? Oder willst du den Fahrstuhl todstarren?“, durchbrach Tonys Stimme die angespannte Atmosphäre.

„Habt ihr den Verstand verloren?!“, fuhr der Scharfschütze ihn an. Dann drehte er sich zu Steve. „Zeit mit ihm verbringen!? Was soll das!?“

Der Soldat grinste entschuldigend. „Ich weiß das klingt komisch. Setzt dich. Wir sollten wirklich reden.“

Clint holte bereits Luft um Cap zu sagen, wo er sich sein sitzen hinschieben sollte, als er Nats Finger seinen Arm zusammendrücken fühlte. Sofort drehte er seinen Kopf ihr zu und sah ihren bittenden Blick. Sie flehte ihn geradezu an. Sein Verhalten beunruhigte sie mehr, als er gedacht hätte.

„Okay.“, presste er hervor, schloss die Augen und atmete tief durch.
 

Schweißgebadet schreckte Clint hoch. Sein Herz schlug ihm bis zu Hals. Adrenalin rauschte durch seine Venen. Er brauchte einen Moment, um zu verstehen, wo er war.

„Clint?“, sprach Nat ihn besorgt an. Offensichtlich hatte er sie geweckt. Er spürte ihre Stirn an seiner Schulter, als sie sich unter der Bettdecke wieder näher an ihn heranschob. Einer ihrer Arme legte sich über seinen Brustkorb. „Es ist alles gut.“, versuchte sie ihn zu beruhigen.

Doch er hörte ihre Worte kaum. Das rauschen in seinen Ohren war zu laut. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Erinnerungen taumelten durch seinen Kopf. Erinnerungen, die noch vorm Schlafengehen nicht da gewesen waren. War das wirklich alles passiert? War sein Gedächtnis deutlich löcheriger als er bisher angenommen hatte? SHIELD hatte nie herausgefunden, was er genau getan hatte, als er unter Lokis Einfluss gestanden hatte. Seine eigenen Erinnerungen waren eher schwammig.

Loki! War das sein Werk? Natürlich war das sein Werk! Wie sonst sollte er gerade jetzt anfangen sich an die Tage mit ihm erinnern. War das ein Spiel? War das überhaupt echt? Hatte er das alles wirklich getan? Oder waren es lediglich Erinnerungen, die er platzierte, um Einfluss aufzubauen. Hatte er das auch mit den anderen gemacht? Waren sie plötzlich mit Erinnerungen aufgewacht, die sie vorher nicht gehabt hatten, ohne das zu bemerken?

Sofort sprang er aus seinem Bett und packte den Bogen und Köcher, den er vorsichtshalber daneben aufgestellt hatte.

„Clint!“, hörte er seine Partnerin wieder, als sie ihm folgte. „Was machst du?“

„Rausfinden, was hier vorgeht.“, antwortete er lediglich. „Jarvis. Wo ist Loki?“, hakte er nach und schlang sich den Köcher auf den Rücken.

„Mr. Odinson befindet sich in seinem Quartier.“, antwortete die KI. „Darf ich fragen, was Sie vorhaben, Agent Barton?“

„Was macht er?“

„Diese Information darf ich Ihnen aus Gründen der Privatsphäre nicht geben.“

Was zu Hölle!? War das sein Ernst? Am liebsten würde er Tony dafür eine verpassen. Er würde es ja gleich sehen. Notfalls würde er die Tür aufsprengen! Als er aus seinem eigenen Quartier herausstürmte, war Natascha ihm dicht auf den Fersen. Er nahm die Treppe hoch zu Thors Etage. Wie er befürchtete, weigerte Jarvis sich ihn einfach einzulassen.

„Clint. Rede mit mir.“, bat ihn seine Partnerin erneut. Hatte Loki in ihrem Kopf bereits etwas angestellt? Wenn er mit ihr redete, würde sie ihn dann verstehen? Oder würde sie denken, er hätte den Verstand verloren? Ohne es sie sehen zu lassen, lud er ein paar der speziellen Pfeile in seinem Köcher vor und bestückte sie mit der Ladung, die er für den Außerirdischen gebrauchen würde. Ihre Augen wanderten kurz zum Köcher, der sich entsprechend drehte und ihr verriet, dass er sich kampfbereit machte. Einen kurzen Moment lang, als er Angst in ihren Augen erkannte, war er versucht sein Vorhaben abzubrechen.

Dann öffnete sich die Tür vor ihm. Er sah sich Steve gegenüber. Haare verwuschelt, T-Shirt und Pyjamahosen, barfuß. In seinem Gesicht war ein typischer Kissenabdruck zu sehen! Clint war kaum fähig im ersten Moment mehr zu tun, als zu starren.

Was ging hier nur vor sich!? Warum war Steve hier!?

Eine Bewegung im Hintergrund ließ ihn sich aus seiner Starre lösen. Loki war ebenfalls da. Er hielt sich weiter hinten im Zimmer auf und sah sich das Schauspiel an. Natürlich. Sicher war das alles ziemlich unterhaltsam für ihn! Er musste sich innerlich kaputtlachen!

Schnell fasste er einen Plan. Er würde gegen Captain America in einer direkten Konfrontation nicht ankommen können. Er wusste nicht, ob er sich auf Natascha verlassen können würde. Wenn er an Loki heranwollte, musste er zusehen, dass er beide loswurde. So schnell wie möglich, denn Jarvis würde sicher Tony alarmieren und wenn dieser in seiner Rüstung hier auftauchte, war es vorbei.

Als Steve zum sprechen ansetzte, ergriff Clint den ersten Pfeil. Gekonnt rollte er seitlich an Cap vorbei ins Zimmer, drehte sich und schoss den Pfeil gegen den Türrahmen auf Steves Kopfhöhe, noch bevor er wieder stand. Mit einem leisen pfeifenden Geräusch, entwich das in der Ladung enthaltene Gas. Clint sah die Überraschung und gleich darauf die Erkenntnis über das, was passierte auf Steves und Nats Gesicht.

„Tu das nicht.“, kam noch über Caps Lippen, während Natascha bereits hustend in die Knie ging. Ohne das weiter zu beobachten zog Clint den nächsten Pfeil aus seinem Köcher und wandte sich Loki zu. Er richtete die Spitze direkt auf seinen Kopf.

Es war nicht nötig die anderen beiden Avengers zu beobachten, er wusste, wie das Gas wirkte. Steve würde dank seines Stoffwechsels nur ein paar Minuten bewusstlos bleiben, aber das würde reichen. Wie zur Bestätigung hörte er Captain America zusammensacken.

„Was hast du mit uns getan!?“, verlangte Clint zu wissen und machte einen weiteren Schritt von Loki weg. Er durfte ihm nicht zu nahekommen.

Loki sah etwas unsicher wirkend zur Tür. Das hatte er sich offenbar anders vorgestellt. Doch als er angesprochen wurde, richtete er seine Aufmerksamkeit auf Clint. Der Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand und er wirkte erneut wie vorhin im Gemeinschaftsbereich. Sicher. „Wie ich bereits vor einigen Stunden sagte, gar nichts.“, antwortete er ruhig.

„Das ist eine Lüge! Glaubst du wirklich, ich bemerke es nicht, wenn du versuchst mir falsche Erinnerungen unterzujubeln?“, zischte Clint wütend zurück.

Irritiert zog Loki die Augenbrauen zusammen und legte den Kopf etwas schief. „Erinnerungen?“, hakte er nach.

„Du weißt genau, was ich meine! Eineinhalb Jahre nichts! Und jetzt erinnere ich mich auf einmal wieder, was ich angeblich unter deiner Führung getan habe? Das ist nie im Leben ein Zufall!“, schrie er ihn an und wich weiter zurück. Zweifel machten sich in seinem Kopf breit. Würde sein Pfeil ihn überhaupt treffen? Oder würde er ihn einfach abfangen, wie er es schon vorher getan hatte?

„Nein. Wahrscheinlich nicht. Ich gehe davon aus, dass meine Anwesenheit Eurem Gedächtnis auf die Sprünge geholfen hat, Agent Barton.“, erklärte Loki.

Wollte Loki ihm damit versuchen zu verklickern, dass er das wirklich getan hatte? Dass seine Erinnerungen echt waren? In seinem Kopf schienen sich auf einmal einige Teile zusammenzufügen. Auf einmal war Belova gar nicht mehr so verrückt, wie es bisher für ihn ausgesehen hatte. Wenn seine Erinnerungen stimmten, machte ziemlich viel von dem, was sie ihm erzählt hatte auf einmal Sinn. Wenn er dem nachging, würde er weitere Hinweise auf die diese Richtigkeit finden? Es gab einiges, was sich überprüfen lassen würde.

„Wenn ich dir direkt ins Herz schieße, stirbst du?“, fragte er schließlich. Er wusste nicht warum er das tat. Egal welche Antwort er bekommen würde, er würde sie so oder so anzweifeln. Und eigentlich hatte der Asgardier ja schon deutlich gezeigt, dass er nicht so leicht umzubringen war. Es würde auch erklären, warum er völlig unbesorgt schien.

„Nein.“, kam auch schon die Antwort, die Clint erwartet hatte.

„Überrascht mich nicht wirklich.“, sagte er und ließ den Pfeil los. Unbeirrt fand dieser seinen Weg und bohrte sich in Lokis Brust. Der versuchte nicht einmal sich zu wehren. „Aber offenbar fühlt selbst ein Monster Schmerz.“, kommentierte der Scharfschütze zufrieden als er den gepeinigten Ausdruck in dem schmalen Gesicht sah. Es dauerte nur eine Sekunde, bis sich neben dem Schmerz auch Überraschung und dann Angst auf Lokis Gesicht abzeichneten. Er hatte bemerkt, dass das kein normaler Pfeil gewesen ist. Ohne zu zögern schoss Clint einen weiteren Pfeil ab. Er bohrte sich ein paar Zentimeter neben den ersten. Dort wo die Lunge sein musste. Der nächste traf den Magen. Loki ging in die Knie, fing an zu husten, Blut lief ihm übers Kinn.

Clint verspürte Genugtuung, als er sah, wie Loki sich vor Schmerzen krümmte, wie seine Muskulatur anfing unkontrolliert zu krampfen. Als er zusah wie seine Kleidung sich rot färbte und die Flüssigkeit auf den Boden unter ihm tropfte. Er war vornübergebeugt, musste sich mit den Händen am Boden abstützen, um nicht umzufallen und hatte durch die Spasmen, die durch seinen gesamten Körper fuhren offensichtlich Probleme damit. Clint zielte auf seinen Kopf. Hätte ihm eigentlich klar sein müssen, dass das Herz nicht sein Schwachpunkt sein würde, dachte er sich grimmig. Aber sein Hirn vielleicht. Würde er tot umfallen, wenn sich ein Pfeil durch sein Auge in seinen Kopf schieben würde? Würde sein Auge einfach nachwachsen?

Und dann lachte der Asgardier.

Ein eiskalter Schauer lief dem Scharfschützen über den Rücken. Das Lachen wurde von husten unterbrochen und Clint konnte hören wie ein Schwall Blut auf den Boden klatschte. Unvermittelt sah Loki hoch. Als ihre Blicke sich trafen, zuckte Clint zurück.

Weitere Erinnerungen fluteten zurück in seinen Kopf. Loki, der sich an einer Wand abstützend zurück zu seinem Team schleppte, mit diesem gequälten Ausdruck in seinem kalkweißen Gesicht, sich mit einer Hand den Kopf haltend, zitternd und irrsinnig vor sich hin lachend. Keiner von ihnen hatte sich damals Gedanken um Lokis Zustand gemacht. Sie alle waren so fixiert auf ihre eigene Aufgabe gewesen und er war ihr Anführer, keiner hinterfragte ihn. Niemand war auch nur auf die Idee gekommen irgendetwas zu hinterfragen.

Jetzt, direkt vor ihm krümmte der Asgardier sich vor Schmerzen. Warum sah er dann aus, als wäre er zufrieden? Warum schien er glücklich? Warum schienen seine blutverschmierten Lippen in diesem von Schmerz verzerrten Gesicht zu grinsen?

Irritiert wich der Agent zurück. Irgendetwas stimmte nicht. Hatte er etwas übersehen? Oder war das einfach nur die Reaktion eines Verrückten, der er ohne Zweifel war?

Er hörte Schritte im Flur und wusste, dass was auch immer er tun wollte, ihm blieben nur wenige Sekunden dafür übrig. Doch er rührte sich nicht. Diese Erinnerungen verwirrten ihn mehr als er zugeben wollte.

„Was…!?“, hörte er Tony hinter sich und kaum eine Sekunde später stand er direkt vor ihm, mitten im Schussfeld. Ohne Rüstung. Er sah Pepper an ihnen vorbei und auf Loki zurauschen, während sie Jarvis die Anweisung gab Bruce zu informieren und hierher zu schicken.

Sofort löste Clint sich aus seiner Starre, senkte seinen Bogen, steckte den Pfeil zurück in den Köcher, schob Tony dabei zur Seite - sein Widerstand war nicht wirklich der Rede wert - und sprang zwischen Loki und Pepper, bevor es ihr möglich war ihn zu erreichen.

Lokis blubbernde, unregelmäßige Atmung war für einen Augenblick das Einzige Geräusch. Peppers entsetzter Blick war direkt auf ihn gerichtet.

„Clint!“, schrie Tony warnend. Die Wut im Gesicht seines Freundes sprang ihm geradezu entgegen als er sich zu seiner Freundin gesellte. Aber das war nicht alles. Er sah die Sorge.

„Die Pfeile sind giftig.“, informierte der Schaftschütze seine beiden Freunde.

Er hörte Loki hinter sich umfallen. Pepper schlug sich die Hände vor den Mund, Tränen in ihren weit aufgerissenen Augen, die direkt auf den Außerirdischen gerichtet waren.

„Geh mir aus dem Weg.“, befahl Tony mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme, hielt aber nun Pepper fest.

Kurz überlegte Clint, was er tun sollte. Tony würde seine Freundin nicht in Gefahr bringen, aber er neigte doch dazu sich unverantwortlich zu verhalten, wenn es um ihn selbst ging. Doch seine Gedanken wurden unterbrochen, als er Bruce in der Tür sah, der sich sofort zu der bewusstlosen Natascha am Boden hinunterkniete.

„Was ist denn nur hier los?“, fragte er in den Raum hinein, während er Nats Puls fühlte und sich sichtlich beruhigte. Der Wissenschaftler tat das gleiche bei Steve.

„Birdbrain schießt mit Giftpfeilen auf meinen Gast.“, antwortete Tony. Gleich darauf war der Wissenschaftler bei ihnen. Clint hielt ihn nicht auf, als er an ihm vorbei und zu Loki ging. Er wusste, wie er mit Giften umzugehen hatte. Schließlich trat der Scharfschütze beiseite und ließ Tony und Pepper durch. Clint drehte sich nicht um, um zu sehen, was das genau los war. Bruce würde sich um alles kümmern.

Stattdessen ging er zur Tür. Steve saß bewusstlos gegen die Wand danebengelehnt, während Natascha mitten im Eingang auf dem Boden lag. Kommentarlos sammelte er sie vom Boden auf und verschwand in den Flur.

Er brachte Natascha zurück in sein eigenes Appartement. Sie würde ihm den Kopf abreißen für das, was er getan hatte. Weniger dafür, dass er Loki mit drei Pfeilen durchlöchert und vergiftet hatte, mehr dafür, dass er sie ausgeknockt hatte.

Behutsam ließ er sie zurück in sein Bett sinken und deckte sie zu, bevor er sich sein Handy und Tablet schnappte und anfing seine Erinnerungen zu überprüfen. Er setzte sich an den Bettrand, loggte sich bei SHIELD ein und durchforstete ein paar Akten, ließ sich anzeigen, was in den Datenbanken zu finden war. Ob die Ereignisse sich deckten. Je weiter er wühlte, desto schlechter wurde ihm. Jede einzelne seiner Erinnerungen schien sich zu bestätigen. Zumindest jede über SHIELD überprüfbare. Loki könnte unmöglich das alles zufällig genauso erfunden haben.

Er wusste nicht wie lange er das Bild eines toten 12-jährigen Mädchens angestarrte hatte, als er eine Hand an seiner Schulter spürte. Er zuckte zusammen und sprang auf.

Besorgt sah seine Partnerin ihn an, die auf dem Bett sitzen blieb. Offenbar hatte er so geknickt ausgesehen, dass sie darauf verzichtete ihn zur Schnecke zu machen. „Rede mit mir.“, bat sie ihn.

Clint musste kurz die Augen schließen und sich sammeln. Er atmete tief durch. Dann warf er das Tablet zurück aufs Bett, wo Natascha es sofort ergriff. „Wer ist das?“, fragte sie besorgt, als sie das Bild vom Tatort begutachtete.

„Ich war das.“, antwortete er ihr. Ungläubig sah sie von dem Bildschirm hoch. „Ich brauchte Informationen. Ihr Vater wollte nichts verraten also schnitt ich ihr Gesicht auf und brach ihre Arme, um ihn unter Druck zu setzen.“, erklärte er. „Als ich hatte, was ich brauchte, brachte ich die ganze Familie um, um Zeugen zu vermeiden.“

Entsetzen breitete sich auf dem engelsgleichen Gesicht seiner Partnerin aus. Sie verstand, was er ihr damit sagen wollte. Das Datum im Bild würde ihr verraten, dass das in der Zeit passiert war, als er Lokis persönlicher Sklave gewesen war. Dass er sich jetzt wieder erinnerte.

„Das ist nicht der einzige Vorfall. Ich habe einiges angestellt.“ Er spürte seine Hände zittern und ballte sie zu Fäusten in der Hoffnung, dass es dann aufhörte. „Ich muss Phil anrufen.“, murmelte er noch. Sie mussten die Akten durchgehen und abschließen.

Doch er kam nicht dazu. Natascha ließ das Tablet wieder zurück auf das Bett fallen, stand auf und zog ihn an sich in eine Umarmung. Er ließ es zu. Vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und schlang seine Arme um sie, während sie ihm beruhigend über den Rücken streichelte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Rentierchan
2019-01-22T06:17:35+00:00 22.01.2019 07:17
Wieder ein sehr spannendes Kapitel.
Armer Loki. Man möchte ihn in den Arm nehmen.
Wie Cap das ganze wohl aufnimmt.
Auch wenn ich Clint verstehen kann, wa r das doch etwas viel..ohne wirkliche Kenntnisse.
Aber bei den Träumen...ob er ganz er war?


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