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Desaster

von

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“Ich wiederhole: Sie befinden sich in militärischem Luftraum. Identifizieren Sie sich oder wir sind gezwungen Maßnahmen zu ergreifen.“, hallte die stoische Stimme ein zweites Mal durch den Quinjet. Der Mann, der die Durchsage machte klang, als wäre es nichts Neues für ihn jemandem anzudrohen, dass dieser demnächst vom Himmel geholt werden würde. Es setzte doch deutlich die eigentliche Dringlichkeit seiner Worte herab, wenn man in einer solchen Situation gelangweilt klang.

Steve war am Cockpit angekommen, als Tony gerade zu einer Antwort auf die Begrüßung ansetzte und warf ihm noch einen mahnenden Blick zu. Die einzige Reaktion war ein Augenrollen, dann drückte der Milliardär den Knopf, um mit dem gelangweilten Herrn zu reden.

„Bevor Sie das Feuer eröffnen, sollten Sie vielleicht Colonel Hawthorne in Kenntnis setzen, dass Sie es sich gerade mit den Avengers verscherzen wollen. Könnte ihn unter Umständen interessieren.“ Es folgte Stille. „Okay. Wissen Sie was? Ich mach das selbst. Ich wollte Sie nicht bei Ihrem Mittagsschlaf stören.“, fügte Tony schließlich nach einigen Sekunden hinzu und machte eine Geste in die Luft.

Steve lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand hinter sich und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Freunde, die sich inzwischen alle im Cockpit versammelt hatte, wirkten nicht minder angespannt wie er. Sie hatten sich für diesen Besuch alle gerüstet. Er selbst hatte seine Uniform an, sein Schild war sicher auf seinem Rücken befestigt. Tonys Anzug stand direkt neben ihm in seinem handlichen Kofferformat verpackt. Natascha und Clint überprüften ihre Ausrüstung noch einmal gegenseitig. Sie taten das immer, wenn sie zusammen waren, wie eine Art Ritual. In Gedanken machte der Soldat sich eine Notiz endlich danach zu fragen, wenn sie wieder zurück waren und die Situation einigermaßen stabil, ob es damit etwas auf sich hatte. Obwohl das etwas dauern könnte, wenn man genau bedachte, was sie gerade im Begriff waren zu tun. Lediglich Bruce saß auf dem Copilotensitz in Zivil. Wenn man nicht wusste, wer er war, würde er für jeden Betrachter wahrscheinlich etwas fehl am Platz wirken, das einzige, was der Wissenschaftler mitgenommen hatte, war Wechselkleidung für danach.

„Colonel Hawthorne.“, war plötzlich eine dunkle Stimme zu hören.

„Thornie, hi, Tony Stark hier. Ich hoffe, wir stören Sie nicht bei etwas Wichtigem.“, ergriff Tony sofort das Wort und Steve konnte sehen, wie sein Freund sich kurz auf die Unterlippe biss, offenbar in dem Versuch einen bissigen Kommentar sein zu lassen, bevor er weitersprach. „Ich weiß, wir haben uns nicht angemeldet, aber aufgrund der Dringlichkeit, haben wir einfach die Initiative ergriffen und sind spontan vorbeigekommen. Offenbar waren Sie ja bisher zu beschäftigt uns einzuladen.“

„Wer sind Sie? Woher haben Sie diese Nummer?“

Seufzend lehnte der Milliardär sich gegen die Konsole. „Tony Stark. Genie, Milliardär, Playboy, Philantrop.“, zählte er auf und warf Steve dabei ein knappes Grinsen zu, welches der Soldat ohne zu zögern erwiderte. Manchmal war es seltsam wie gut sie nach diesem holprigen Start inzwischen befreundet waren. „Oh, und Avenger! Genau wie meine Begleiter hier.“, fügte Tony noch hinzu, als wäre es ihm eben erst wieder eingefallen. „Auch wenn ich bestimmten Quellen nach zu urteilen nicht geeignet bin.“ Nataschas herausfordernder Blick in diesem Moment machte jedem, der sie ansah klar, dass sie zu ihrer Meinung stand und Steve musste zugeben, dass es wirklich überraschend war, wie gut Tony sich mit seiner exzentrischen Art ins Team eingefügt hatte. Andererseits war es bei den Persönlichkeiten, die in diesem Moment um ihn herum versammelt waren ohnehin erstaunlich, dass sie es so gut schafften miteinander auszukommen.

„Was wollen Sie?“, erklang erneut die Stimme des Colonels. Der abweisende Tonfall war nicht zu überhören.

„Nun, wir haben Ihre kleine Snuff-Videosammlung gefunden und haben ein gewisses Interesse darüber zu reden. Und nur zu Ihrer Information. Ein Nein werden wir nicht akzeptieren.“

Einige Sekunden passierte nichts, dann sprach der Colonel erneut. „Landen Sie auf Plattform 4.“ Danach war nur noch das Tuten der Telefonleitung zu hören, bevor die Verbindung komplett beendet wurde.

„Okay.“, ergriff Clint nun das Wort. „Das lief doch gut. Ich meine, er scheint uns nicht abschießen zu wollen.“

„Macht mich ehrlich gesagt etwas nervös.“, kommentierte Natascha und reichte dem Mann seinen Bogen zurück, der ihn nur entgegennahm und wieder einklappte.

Nickend stieß Steve sich von der Wand hinter sich ab. Er hatte mit deutlich mehr Widerstand gerechnet. „Ihr drei bleibt hinter uns.“, wies er die beiden Spione und Bruce an. Mit einer gekonnten Bewegung zog er seinen Schild vom Rücken, wechselte noch einen Blick mit Tony und verließ dann das Cockpit in Richtung der Ausstiegsrampe. Er traute dem Frieden nicht. Mit Sicherheit würden sie Loki nicht einfach so herausgeben.

„Jarvis. Kompletter Lockdown, wenn wir raus sind. Zweitautorisierung Stars & Stripes.“, wies Tony seine KI an, trat neben Steve, hob den gold-roten Koffer in seiner Hand an und drückte ihn sich an die Brust.

„Natürlich, Sir.“, bestätigte Jarvis.

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis der Milliardär von seiner Rüstung eingehüllt war.

„Stars & Stripes?“, fragte Steve schließlich, drehte den Kopf in Tonys Richtung und hob eine seiner Augenbrauen an. Das Visier klappte vor dem Gesicht des Mannes zu, sodass seine Mimik nicht mehr lesbar war.

„Mochtest du Capsicle lieber?“, kam es mit der bekannt leicht verzerrten Stimme zurück. Doch in diesem Moment fuhr die Rampe herunter und Steve lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen vor ihm. „Wie wär´s mit Glamor Pants? Nein?“ Tony anscheinend nicht.

Doch er folgte ihm, als Steve die Rampe mit dem Schild schützend vor sich gehalten die Rampe hinunterschritt. Allerdings erwartete sie ein völlig anderes Bild, als sie gedacht hatten. Anstatt vor einer Einheit zu stehen, die sie aufhalten wollte, waren vor ihnen Soldaten entlang des Weges zum Gebäude aufgestellt. Salutierend.

„Captain Rogers.“, begrüßte sie eine in Armekleidung gekleidete Frau irgendwo in ihren Dreißigern, die vor der Rampe auf sie gewartet hatte, streckte eine Hand aus und überbrückte schnell die Distanz zwischen sich und dem Angesprochenen. Ihre braunen Haare waren nach hinten gebunden und ein Lächeln auf ihren Lippen sowie die deutliche Begeisterung in ihren Augen, machte den Avengers sehr schnell klar, dass egal was die Soldaten glaubten, weshalb sie hier waren, sie komplett falsch lagen. Offenbar war sie auch nicht die Einzige, wenn Steve sich die Reihen an salutierenden Soldaten ansah.

Instinktiv, von der unerwarteten Freundlichkeit überrumpelt, ließ er seinen Schild sinken und streckte seine rechte Hand aus, um der Frau entgegen kommen zu können.

„Es ist mir eine unglaubliche Ehre, Captain.“, fuhr sie fort und strahlte ihn geradezu an, ergriff seine Hand und schüttelte sie etwas zu enthusiastisch. „Willkommen! Ich bin Lieutenant Eva Alvarez. Colonel Hawthorne hat mich geschickt, um Sie in Empfang zu nehmen. Er sagte, Sie hätten eine dringliche Angelegenheit zu klären.“, erklärte sie.

„Ähm, ja.“, meldete sich nun Tony zu Wort. Alvarez riss ihre Augen deutlich unwillig schließlich von Steve los und sah den Mann neben ihm an. „Also eigentlich bin ich hier um mit Thornie zu reden, die,“, er wedelte mit seiner Hand in Richtung der anderen Avenger, Steve miteingeschlossen. „… sind nur meine Begleitung.“

„Natürlich, Mr. Stark.“, wandte sich die Frau nun mit deutlich sachlicherer Stimmlage an den Milliardär, jedoch erst nachdem sie einen prüfenden Blick auf den Soldaten geworfen und er ihr nur zustimmend zugelächelt hatte. „Captain Rogers, Dr. Banner, Agent Romanov, Agent Barton, Mr. Stark, bitte folgen Sie mir.” Damit drehte sie sich um und lief zwischen den seitlich stehenden und noch immer salutierenden Soldaten hindurch auf den Eingang des Gebäudes zu.

„Vielleicht sollte ich das nächste Mal auch hautenge Hosen tragen, wenn ich auf einer Militärbasis freundlich behandelt werden will.“, kommentierte Tony, bevor er dem Lieutenant hinterherging.

„Fangirl Alarm.“, sang Clint amüsiert vor sich hin als er an Steve vorbeiging und Tony folgte. „Ich hoffe, du hast genug Autogrammkarten dabei. Das hier ist vermutlich eine Brutstätte an Captain America Fans.“

„Er hat nicht ganz Unrecht.“, stimmte Natascha zu und stellte sich neben ihn. Sie lächelte ihn etwas mitfühlend an. Es war kein großes Geheimnis, dass Steve mit diesem Kult um seine Person Probleme hatte.

Leise seufzend warf er noch Bruce einen Blick zu, der zur Antwort nur etwas unsicher lächelte und mit den Schultern zuckte, bevor sie sich zu dritt wieder in Bewegung setzten und den anderen zum Gebäude folgten. Lieutenant Alvarez wartete mit Tony und Clint am Eingang auf sie, ein freundliches Lächeln auf den Lippen, bevor sie die Tür mit einer Magnetkarte und einem Pin-Code entriegelte und sie gemeinsam in einen Gang traten.

Steve wusste, wo er war und wo die Frau sie hinführte. Sie alle wussten es, immerhin hatte Jarvis den Plan heruntergeladen und sie alle hatten ihn sich eingeprägt für den Fall, dass etwas passierte, das sie voneinander und von Jarvis abschnitt. Mit SHIELD konnte man nie wissen.

Vor einer metallenen Sicherheitstür blieb der Lieutenant schließlich stehen und tippte auf einem Touchpad herum, welches daneben angebracht war. Es dauerte kaum zwei Sekunden, bevor die Tür aufging und nach innen aufschwang. Ohne zu zögern trat Alvarez in den Raum die Avengers folgten ihr.

Der Raum war äußerst spartanisch eingerichtet. Gegenüber des Eingangs war eine riesige Fensterfront von der Steve wusste, dass sie aus Sicherheitsglas bestand, davor stand ein großer Schreibtisch an dem der Colonel mit dem Rücken zum Fenster saß und sie beim Eintreten direkt anblickte. Zu ihrer Linken standen metallene Regale. Die meisten davon hatten Türen, die den Blick auf den Inhalt versperrten, die Restlichen waren mit Akten und Ordnen vollgestapelt. Die Wand zu ihrer Rechten wurde durch eine große Flagge Amerikas verziert. Seitlich konnte Steve noch angebrachte Auszeichnungen erkennen, sowie gerahmte Bilder verschiedener einzelner Soldaten und ganzer Truppen. Vor dem Schreibtisch standen noch zwei Stühle und auf dem Schreibtisch war nur ein PC-Bildschirm, eine Tastatur und eine Mouse zu sehen. Eine Akte lag auf dem Tisch neben der Tastatur und ein einzelner Bilderrahmen, den Steve nur von hinten sehen konnte, zierte das Gesamtbild.

„Captain Rogers!“, begrüßte der Colonel die Ankommenden, bevor Lieutenant Alvarez die Gelegenheit bekam etwas zu sagen. Er war ein älterer Mann, vermutlich in seinen Fünfzigern. Doch er schien noch deutlich fit zu sein. Die Mimik des Kommandanten hellte sich sichtlich auf und er stand aus seinem Stuhl auf, umrundete den Schreibtisch und ging auf Steve zu, welcher ein Grinsen unterdrückte als er Tony neben sich in seinem Iron Man Anzug vor sich hin grummeln hörte, ob dieser Reaktion.

Clint machte sich nicht so viel Mühe sein Amüsement zu verbergen. Er grinste breit und legte dem Milliardär eine Hand auf seine glänzende Schulter. „Nicht dein Tag, Shellhead.“

Der Colonel, das Geplänkel völlig ignorierend, machte Steves Absicht zu salutieren Zunichte als er seine Hand ausstreckte. „Ich bin hocherfreut Sie kennen zu lernen.“

„Die Freude ist ganz meinerseits.“, entgegnete Steve und schüttelte die Hand des Colonels.

Neben ihm fing Hawkeye an gekünstelt zu husten und Steve konnte nicht umhin das Wort `Fanboy´ zwischendurch herauszuhören. Am liebsten hätte er mit den Augen gerollt.

„Vielen Dank, Lieutenant Alvarez.“, entließ der Colonel schließlich die Soldatin und sie salutierte noch einmal bevor sie den Raum wieder verließ, jedoch nicht ohne noch einmal einen Blick auf Capatain America zu werfen.

„Nun, wenn auch die Umstände etwas fragwürdig sind, so bin ich doch froh, dass Sie endlich von der Situation erfahren haben.“, ergriff der Colonel das Wort und trat wieder einige Schritte zurück zu seinem Schreibtisch, ohne die anderen Avengers weiter zu beachten. Der ältere Mann setzte sich wieder hin und bot Steve mit einer Geste an auf einem der Stühle davor Platz zu nehmen. Doch dieser reagierte auf dieses Angebot nicht. Ärger über diese Ignoranz seinen Freunden gegenüber machte sich in ihm breit, aber er wusste auch, dass sich die gute Laune des Kommandanten ohnehin demnächst deutlich ins Gegenteil ändern würde.

„Sind Sie das?“ Tony hatte lange genug geschwiegen. Es hatte Steve ohnehin schon gewundert, dass er so lange ruhig geblieben war. „Nach dem zu Urteilen, was hier vor sich geht, halte ich das für eine fragwürdige Aussage.“

„Ich kann Ihnen versichern, dass wir alles unter Kontrolle haben. Das Objekt ist unter unserer Kontrolle und hat keine Möglichkeiten zu entkommen. Es ist völlig sicher untergebracht.“, erklärte Hawthorne und Steve spürte bereits bei den ersten Worten wie sich die Muskulatur in seinem Rücken verspannte. Objekt? Es? Die folgenden Worte machten es nicht besser. „Es gab bisher keinerlei Zwischenfälle. Sie sind gerne eingeladen sich davon zu überzeugen, Captain Rogers. Doch ich muss auch darauf hinweisen, dass ich nur Ihnen den Zutritt erlauben kann.“

„Ah!“, machte Tony. „Sie sehen uns also doch! Ich habe langsam befürchtet wir wären unsichtbar.“, kommentierte der Milliardär. Selbst beim Beantworten seiner Frage hatte der Colonel mit Steve gesprochen.

„Ich bin mir sicher, Sie reagieren auch nicht mit überschäumender Freude auf ungeladene Gäste, Mr. Stark.“, wandte sich der Offizier nun doch an jemand anderen als Steve und richtete seinen Blick auf die gold-rote Rüstung.

„Ich muss zugeben, ich würde zumindest nervös reagieren, wenn ich in meinem Westflügel Lebend-Obduktionen durchführen würde und er plötzlich unangemeldet vor meiner Tür stände.“, dabei zeigte Tony auf Steve, der deutlich missgelaunt wirkte. „Aber seltsamer Weise ist er der Einzige, über den Sie sich freuen.“, fuhr Tony fort. „Anscheinend haben Sie keine Ahnung, wer Captain America ist.“

Ohne eine Miene zu verziehen, beugte der Offizier sich in seinem Stuhl vor und lehnte sich mit den Unterarmen auf seiner Schreibtischplatte ab. Es war offensichtlich, dass er jetzt wirklich übel gelaunt war. „Mr. Stark…“, sprach er nun langsam und deutlich. „… ich werde diese Angelegenheit nicht mit Ihnen besprechen. Es geht Sie nichts an, was wir mit unserem Eigentum machen. Und die Tatsache, dass sie davon wissen, ist…“

An der Stelle konnte Steve sich schließlich nicht mehr zurückhalten und kam Tony zuvor, der genauso bereits angesetzt hatte den Vortrag zu unterbrechen. „Eigentum?“, wiederholte er Hawthornes Beschreibung für Loki. Er trat an den Schreibtisch heran und stützte sich mit zu Fäusten geballten Händen auf der Tischplatte ab, beugte sich etwas zu dem anderen Mann herunter, welcher sichtlich versuchte nicht zurückzuweichen, sich aber dennoch wenige Zentimeter nach hinten lehnte. „Er ist sicher kein `Eigentum´.“, betonte Steve mit gefährlich klingendem Unterton.

„Es hat keinen Sinn.“, meldete sich nun Natascha zu Wort, die nahe der Tür bei Bruce stehen geblieben war. „Wir sollten unsere Zeit nicht verschwenden.“

„Jep. Ich denke, wir sollten tun, wofür wir hergekommen sind.“, stimmte Clint zu.

„Jarvis hat das Programm bereits hochgeladen. Wir sind startklar.“, bestätigte Iron Man. „Komm schon Steve. Wir haben das eh so geplant.“

An dieser Stelle schien der Colonel seinen Mut wiederzufinden. Energisch stand er auf. Er war nicht dumm genug, um nicht zu erkennen was hier vor sich ging. Mit einer Bewegung, die jedem sofort klar machte, dass er wusste was er tat, hatte er eine Pistole unter dem Schreibtisch hervorgezogen. Er zielte direkt auf Clint. „Ich würde Ihnen allen empfehlen diese äußerst dumme Idee zu verwerfen.“, warnte er. „Captain, Sie sollten sich bewusst sein, dass Sie hiermit Ihr Land verraten würden.“

Wie konnte Hawthorne es nur wagen ihm etwas Derartiges zu unterstellen, wenn unter seiner Aufsicht doch gerade alles wofür Amerika stand zerstört wurde?! Alles wofür sie gekämpft hatten!

„Ich würde Ihnen empfehlen, die Waffe zu senken.“, meldete sich nun Bruce zu Wort. Steve musste sich nicht in seine Richtung drehen, um zu sehen, dass die Augen des Wissenschaftlers sich bereits grün gefärbt hatten. Hulk war nie weit, wenn einer seiner Freunde bedroht wurde und sie alle wussten, dass Clint nicht kugelsicher war. „Das heißt, wenn Sie wollen, dass von dem Gebäude noch etwas übrigbleibt.“, fügte er noch hinzu und Steve konnte sehen, wie die Entschlossenheit des Offiziers bröckelte. Der Mann wusste, was passierte, wenn Bruce wütend wurde.

Doch dieser eine Moment reichte Steve. Ohne zu zögern griff er unter die Tischplatte und schleuderte sie auf Colonel Hawthorne. Überrascht schrie er auf, ein Schuss löste sich aus der Pistole und schlug irgendwo in der Decke ein. Mit lautem Krach landete alles vom Tisch auf dem harten Betonboden.

„Jarivs, Programm Lockdown, jetzt!“, befahl Tony und sie alle hörten Jarvis „Sehr wohl, Sir.“, durch ihre Ohrstücke antworten.

Clint hatte keine Sekunde gezögert und war sofort nach vorne gesprungen um die Waffe zu sichern. Mit einem Tritt beförderte er die Pistole aus der Reichweite des Colonels, der etwas benommen unter dem Tisch lag. Er beugte sich zu ihm hinunter und musterte ihn kurz, bevor er sich zu Steve umdrehte. „Der ist nur etwas durchgerüttelt.“, erklärte er. „Angeber.“, fügte er noch hinzu, bevor er wieder aufstand und zur Tür ging.

Ohne einen weiteren Blick auf den Offizier zu werfen, verließ Steve als letzter hinter Clint den Raum und zog die Tür hinter sich zu. Er vernahm ein leises Klicken, als Jarvis die Tür hinter ihm verriegelte.

„Wie viele sind auf unserem Weg?“, fragte Steve und warf einen Blick in beide Richtungen des Ganges auf dem sie sich nun befanden. Es war niemand zu sehen, doch es war nicht unwahrscheinlich, dass die Soldaten des Stützpunktes sich in diese Richtung bewegen würden, wenn sie erst einmal verstanden hatten, dass etwas schieflief.

„Es sind noch 14 Personen in den Gängen, die nicht abgeschottet werden konnten. Bei ihrer jetzigen Position wäre es mir möglich Sie um die Soldaten herumzuführen, wenn Sie das wünschen, Captain Rogers.“

„Was ist mit Loki?“

„Er ist alleine im Examinationsraum und gegenwärtig nicht bei Bewusstsein.“

Nickend, Steve wusste, dass Jarvis ihn durch eine der vielen Kameras sehen können würde, stimmte er dem Vorschlag der KI zu.

Ohne Probleme wurden die Avengers durch den Stützpunkt geführt. Hier und da hörte sie hinter den von Jarvis verschlossenen Türen Rufe und Klopfen, von Leuten, die bereits bemerkt hatten, dass sie eingeschlossen waren. Wenn es nicht gerade zu ihrem Vorteil gereichen würde, würde Steve sich generell Sorgen darüber machen, dass ein eigentlich derart gut bewachter und ausgestatteter militärischer Stützpunkt so leicht zu übernehmen war. Sicher, nicht jeder würde mit dem Knowhow von Tony aufwarten können, aber so viel Zeit hatte er schließlich auch nicht gehabt, um sich hier einzuhacken. Immerhin hatte er erst gestern Abend davon erfahren.

Schnell legten sie die Distanz zurück. Jarvis hatte ihnen gesagt, dass vor dem Examinationsraum zwei Wachen standen, die aber anscheinend noch nichts von den Vorgängen mitbekommen hatten.

„Ich erledige das.“, kommentierte Clint nur und zog einen Pfeil aus seinem Köcher, trat kurz in den Gang, schoss den Pfeil ab. Daraufhin war Husten zu hören und gleich darauf das typische Geräusch von auf den Boden aufprallenden Körpern. „Die schlafen erst Mal eine Runde.“

Die anderen Avengers traten ebenfalls in den Gang und die Tür öffnete sich als sie nahe genug herangekommen waren. Der Raum dahinter war klinisch steril. Boden und Wände waren weiß gefliest, kein Fenster. Metallene Tische und Schränke standen entlang der Wände und hier und da waren Sachen darauf mit grünen OP-Tüchern abgedeckt. Im hinteren Drittel des Raumes stand ein OP-Tisch auf dem eine beweglose Gestalt lag. Der Geruch von Infektion und Krankheit schlug ihnen entgegen. Es war der Geruch eiternder, schlecht heilender Wunden.

Ohne zu zögern bewegten sie sich auf die Person zu. Steve musste zugeben, so sehr er auch hier her gewollt hatte, um sich Loki zu schnappen und mit ihm zu verschwinden, so sehr fürchtete er sich auch ihn wirklich zu sehen. Es machte die ganze Angelegenheit nur so viel realer.

Bruce war als erstes bei dem Asgardianer und schien nach seinem Puls zu tasten. Steve konnte nicht viel sehen.

Sich wappnend trat er ebenfalls an den Bewusstlosen heran. Sein Atem stocke, als er auf den mit mehreren Fesseln am Tisch fixierten Mann hinabsah. Völlig unbekleidet war es nicht schwer seinen Zustand zu erfassen. Loki war mehr ein Skelett als alles andere. Die Haut spannte sich schmerzhaft straff über seine Knochen. Sein Rippen waren mit bloßem Auge unschwer abzuzählen. Sein gesamter Torso war von Narben übersäht, die Haut kreideweiß, selbst die Lippen waren farblos. Haare, Augenbrauen und Wimpern bildeten mit ihrer tief schwarzen Farbe einen starken Kontrast zum Rest und ließen ihn fast etwas unwirklich erscheinen.

„Lebt er?“, fragte Steve ohne den Blick von den geschlossenen Lidern abzuwenden. Er konnte keine Atmung erkennen.

„Ja.“, antwortete Bruce. „Auch wenn ich nicht wirklich weiß, warum.“, fügte er dann noch hinzu. Dann sah er hoch und zu Natascha, die auf der anderen Seite der Liege stand und genauso unfassbar auf den Gefangenen hinabsah, wie Clint neben ihr. „Wir sollten die Infusion stoppen.“, sagte er und die Frau reagierte sofort und machte sich am Zugang zu schaffen, der noch immer an der gleichen Stelle stecke, wie sie es alle erst vor wenigen Stunden in der Aufzeichnung gesehen hatten.

„Jarvis, kannst du die Fesseln lösen?“, fragte Tony dann in die angespannte Stimmung hinein und nur einen Augenblick später sprangen die Fesseln auf. Was darunter zum Vorschein kam, war blutverkrustetes, eiterndes, aufgescheuertes rohes Fleisch, welches sich mit einem schmatzenden Geräusch von dem Metall löste. Steve kannte diesen Anblick. Er wusste, dass so etwas nicht über Nacht entstand. Wie lange war der Asgardianer schon an diesen Tisch gefesselt? Er zweifelte daran, dass er das überhaupt wissen wollte.

„Okay… lasst ihn uns hier herausschaffen.“, schlug Bruce vor und trat an die Kopfseite neben Tony um Platz zu machen. „Im Quinjet kann ich mir das noch Mal genauer ansehen.“

Ohne ein weiteres Wort zog Steve eines der OP-Tücher von den abgedeckten Tischen, deckte damit einiges an OP-Werkzeugen auf, von denen er lieber nicht darüber nachdachte, dass sie wahrscheinlich an Loki benutzt worden waren, und warf es über den bewusstlosen Mann. Als er ihn anhob, um das Tuch um ihn wickeln zu können, war das schmatzende Geräusch deutlich vernehmlicher als bei den Fesseln. Der Geruch von eiterndem Fleisch schlug ihnen noch einmal stärker entgegen und Steve spürte wie seine Handschuhe sich mit einer Flüssigkeit vollsogen.

Sein Magen rebellierte. Er konnte sehen, wie Bruce sich eine Hand vor Mund und Nase hielt, seine Augen weit aufgerissen auf den nun freigelegten Rücken gerichtet.

Mit purem Willen unterdrückte Steve den aufkommenden Brechreiz, während Natascha und Clint einen Schritt zurücktraten, und wickelte das Tuch um Loki. Er hielt sich davon ab selbst einen Blick auf den Rücken des Mannes zu werfen.

„Wir sollten so schnell wie möglich verschwinden.“, kommentierte der Soldat noch, bevor er den Mann anhob. Er wog nichts.

„Jarvis. Clean Slate.“, wies Iron Man seine KI an und bekam sogleich eine Bestätigung. „Wir sollten wirklich verschwinden.“, pflichtete der Milliardär Steve zu und drängte zum Ausgang. „Der Raum wird gleich nicht mehr mit dem Leben vereinbar sein.“

„Was hast du gemacht?“, fragte Bruce und warf der Tür hinter sich noch einen Blick zu. Sie hörten wie sie verriegelt wurde.

„Jarvis hat alles an `Forschung´,“, Tony betonte das Wort voller Sarkasmus „… gelöscht und die Orte an denen Proben aufbewahrt werden, werden gleich in Flammen stehen.“, erklärte er knapp.

Proben. Bei diesem Wort drückte Steve den Bewusstlosen in seinen Armen noch etwas stärker an sich und musste sich beherrschen. Er wusste nicht, wie viel Loki in seinem jetzigen Zustand aushielt. Er wollte ihm nicht aus Versehen noch mehr Schaden zufügen. Er sah ohnehin aus, als würde er jeden Moment unter seinen Fingern einfach zerbröseln.

Jarvis navigierte die Avengers zum Dach auf dem er den Quinjet vor wenigen Sekunden erst für sie gelandet hatte. Auf dem Hof waren deutlich mehr Soldaten gewesen, die zwar nicht ins Gebäude kamen, aber längst begriffen hatten, dass etwas schiefgelaufen war. Keiner von denen würde sie mit Loki einfach gehen lassen und auch wenn Steve zumindest deutlich genug Wut verspürte um sich abreagieren zu wollen, war es deutlich schneller einfach zu verschwinden, zumal irgendjemand sicher Kontakt zu jemandem außerhalb hergestellt hatte um die Situation zu erklären. Sie wussten nicht, wie lange sie noch hatten, bevor hier die Hölle losbrach.

Eilig stiegen sie ein und Clint setzte sich ins Cockpit ans Steuer. Natascha nahm neben ihm Platz, während Steve den Bewusstlosen auf die Trage legte, die Jarvis bereits aus dem Boden des Quinjet hochgefahren hatte.

„Leg ihn auf den Bauch.“, wies Bruce ihn an. Das Tuch war am Rücken komplett durchnässt und jetzt, wo Steve Loki abgelegt hatte, merkte er, dass sein gesamter rechter Ärmel am Unterarm nass war, dort, wo er ihn am Rücken gestützt hatte.

Während Bruce das Tuch vom Rücken des Bewusstlosen wieder herunterschälte, trat Steve zurück und wartete. Er kannte sich in erster Hilfe aus, aber nicht viel mehr.

Der Quinjet startete und Tony stieg wieder aus seiner Rüstung, die sich in ihr handliches Kofferformat zurückfaltete.

„Bruce?“, fragte Natascha schließlich, nachdem der Wissenschaftler nichts anderes tat als auf den freigelegten, nässenden, entzündeten Rücken zu starren. Sie erhob sich aus ihrem Sitz und trat an ihn heran. Vorsichtig legte sie eine Hand an seinen Oberarm.

„Ich weiß nicht, was ich hier tun soll.“, erklärte Dr. Banner. „Bei einem Menschen würde man Antibiotika geben und Wundverbände machen. Entzündungshemmer. Aber er ist kein Mensch. Asgardianer werden nicht von unseren Bakterien krank. Also muss das etwas Körpereigenes sein, so wie unser Staph aureus, der nur in immunschwachen Momenten ein Problem wird, aber das bedeutet…“ Seine Stimme wurde immer leiser, bis keiner mehr etwas verstand. Schließlich begann er zusammen mit Natascha den Rücken zu säubern und Verbände anzulegen um erneute Verschmutzung zu verhindern. Er erklärte jeden Schritt und wechselte dabei immer wieder Blicke mit Natascha und Tony, als wolle er sicher gehen, dass er nicht etwas übersah. Schließlich legte er Loki einen neuen Zugang, um ihn wenigstens mit Flüssigkeit versorgen zu können, bevor er sich ebenfalls hinsetzte.

„Wenn er uns wegstirbt wird Thor wirklich wütend.“, kommentierte Clint vom Cockpit aus.

„Ich denke, um `wirklich wütend´ zu verhindern, ist es bereits zu spät.“, antwortete Tony und starrte auf das regungslose, Gesicht des bewusstlosen Mannes. Seine Wangenknochen sahen aus, als wollten sie sich durch die Haut nach außen schieben, so straff war die Haut darüber gespannt. Die blassen Lippen waren an mehreren Stellen aufgesprungen und die Augen wirkten wie zwei tiefe dunkle Löcher. Er sah bereits tot aus. Was wenn sie nicht merkten, wenn er starb. Und was, wenn sie es bemerkten? Wären sie imstande irgendetwas dagegen zu unternehmen? Würde er auf irgendetwas reagieren?

Der Rückflug gestaltete sich äußerst leise. Selbst Tony war nicht in Stimmung etwas zu sagen. Stattdessen saßen sie zusammen neben der Trage und starrten auf den geschundenen Körper darauf. Das hier, war auf mehreren Ebenen ein absolutes Desaster.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  CaroZ
2019-07-28T12:57:14+00:00 28.07.2019 14:57
Grandios geschrieben, werde ich mit Freude weiterverfolgen. SHIELDs Motive sind mir noch schleierhaft (Vorstufe von compromised in CA:WS?), aber das wird sicher interessant.
Von:  Salix
2018-08-15T19:44:17+00:00 15.08.2018 21:44
Mir gefällt, wie einfach es den Avengers fällt bei S.H.I.E.L.D. einzubrechen. :)
Und oh je, armer, amer Loki. Hoffentlich erholt er sich gut.

P.S. Was kleinere Rechtschreibfehler angeht, steht mein Angebot noch.

LG


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