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Insecurity

Dofladile
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Viel Spaß beim Lesen :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
ich wünsche euch viel Spaß mit dem 2. Kapitel von "Insecurity" :)

bye
sb Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Dofla & Croco sind nervös und freuen sich darauf bald Eltern zu werden... andere Leute reagieren weniger positiv.... ;)
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben :)

Vieles, was in diesem Kapitel geschieht oder worüber gesprochen wird, bezieht sich auf Ereignisse in "Mesh Of Lies".
Man muss MOL nicht absolut zwingend gelesen haben, um das Kapitel zu verstehen, aber einige Hintergründe bleiben für euch möglicherweise unklar. Deshalb würe ich empfehlen MOL zu lesen oder einen Blick auf die Steckbriefe der Charaktere zu werfen :)

Und mir ist aufgefallen, dass ich im letzten Kapitel Dr. Raffits Namen ständig unterschiedlich geschrieben habe xD Das hab ich korrigiert und bei diesem Kapitel darauf geachtet ihn immer richtig zu schreiben *schäm*

bye
sb Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine lieben minderjährigen Leser ;)
Für euch lade ich das Kappi noch einmal in zensierter Form hoch. Im Text sind die zensierten Stellen gekennzeichnet.
Viel Spaß beim Lesen der jugendfreien Version

bye
sb Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben,
ich wünsche euch viel Spaß mit dem neuen Kappi :)
Es tut sich endlich etwas bei der künstlichen Befruchtung und Crocodile findet wieder zu seiner Familie

bye
sb Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo auch an meine minderjährigen Leser :)
Hier gibt es das Kappi noch mal in zensierter Form ;) Die entsprechende Stelle im Text ist mit [zensiert] gekennzeichnet. Ich hoffe, es geht euch allen gut und dass euch das neue Kappi gefällt!

bye
sb Komplett anzeigen

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Zweifel

Gelangweilt nippte Sir Crocodile an seinem Wasserglas. Er ließ den Blick über seine Umgebung schweifen: In dem festlich dekorierten Saal tummelte sich eine Vielzahl von Menschen. Unweit von ihm entfernt konnte er seine Sekretärin Robin ausmachen. Sie trug ein kurzes, schwarzes Kleid, das ihr außerordentlich gut stand. Dieser Umstand schien auch ihrem Verlobten, Franky, nicht zu entgehen. Crocodile beobachte, wie sein Vorgesetzter seiner Sekretärin etwas ins Ohr flüsterte, woraufhin Robin schelmisch grinste. Wahrscheinlich war es irgendeine Sauerei gewesen.

Crocodile musste an Doflamingo denken. Anstatt sich bei dieser öden Firmenfeier zu langweilen, hätte er den Abend viel lieber mit seinem Ehemann im Bett verbracht. Leider wurde von ihm als Manager erwartet, dass er bei Anlässen wie diesem mit Anwesenheit glänzte.

Kiwi ließ sich geräuschvoll auf dem Stuhl neben ihm nieder. "Was ist los?", fragte sie ihn und nahm einen Schluck von ihrem Krabben-Cocktail. "Du siehst so mies gelaunt aus."

Crocodile zuckte mit den Schultern und senkte den Blick. "Es ist nichts", erwiderte er. "Ich bin bloß kein großer Freund von solchen Feiern."

"Du solltest versuchen dich zu amüsieren." Kiwi bot ihm einen Schluck von ihrem Cocktail an, den Crocodile dankend ablehnte. "Immerhin gilt diese Feier auch dir. Du hast maßgeblich zu Toms Workers Erfolg beigetragen. Deinen Talenten als Manager haben wir es zu verdanken, dass die Messe dieses Jahr wieder so ein großer Erfolg geworden ist."

Damit hatte Kiwi durchaus Recht. Crocodile war kein eingebildeter Mensch, doch ihm war klar, dass die Erfolge der Firma vielfach auf ihn zurückzuführen waren. Zum fünften Mal in Folge brach die Elektronik-Messe Toms Workers alle Rekorde. Seit Franky Crocodile als Manager eingestellt hatte, erlebte die Firma ein unglaubliches Hoch.

"Ich freue mich für Franky und alle Mitarbeiter", stellte Crocodile hastig klar. "Es ist nur..."

"Was ist?", wollte Kiwi wissen.

Doch Crocodile wusste auf die Frage selbst keine Antwort. Schließlich wiederholte er: "Ich fühle mich auf solchen Feiern einfach nicht wohl. Ich wäre jetzt gern bei meinem Mann. Ich habe ihn die ganze Woche nicht gesehen, weil er auf Geschäftsreise im Ausland war. Heute Abend ist er endlich zurückgekommen und ich sitze hier fest."

"Ihr zwei seid wirklich ein wahnsinnig süßes Paar", kicherte Kiwi und schlürfte ihren Cocktail. "Warum erklärst du Franky nicht die Situation und verabschiedest dich früher? Er hätte sicher Verständnis. Sieh nur, wie Robin und er strahlen!"

Das entging auch Crocodile nicht. Sein Vorgesetzter und seine Sekretärin waren ein sehr glückliches Paar. Letzte Woche hatte er die Einladung für die Hochzeit der beiden erhalten. Crocodile freute sich für Robin. Als er sie vor sieben Jahren kennengelernt hatte, hätte er niemals darauf gesetzt, dass eine so kühle und unnahbare Person wie sie sich für die Ehe entscheiden würde. Franky schien ihr gut zu tun.

"Ich bin der Manager", seufzte Crocodile. "Da gehört es sich nicht als Erster zu gehen."

"Du bist nicht nur ein Manager, du bist auch ein Ehemann", sagte Kiwi mit zärtlicher Stimme. "Geh nach Hause, verbring den Abend mit Doflamingo. Franky wird es dir nicht übel nehmen. Crocodile, du gibst für Toms Workers immer einhundert Prozent. Es ist nicht falsch auch mal an sich selbst zu denken."

"Vielleicht hast du Recht", hörte Crocodile sich selbst sagen. "Danke, Kiwi. Du bist die Beste." Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und erhob sich.
 

Es war als wäre Crocodile eine schwere Last von den Schultern genommen worden. Lächelnd saß er in seinem Mercedes C 220 BlueTEC Exclusive und gab Gas. Den Wagen hatte Doflamingo ihm letztes Jahr zu seinem Geburtstag geschenkt. Crocodile hatte sich sehr gefreut. Nicht weil sein Ehemann so viel Geld für ihn ausgegeben hatte (für Doflamingo handelte es sich dabei bloß um Peanuts), sondern weil er sich für ihn dazu überwunden hatte einen Mercedes zu kaufen. Crocodile wusste, dass Doflamingo die Automarke nicht leiden konnte, weil er sie für spießig hielt.

Endlich Zuhause. Crocodile kletterte eilig aus dem Mercedes und hastete hinüber zum Fahrstuhl der Tiefgarage. In den sechs Jahren, die sie beide nun ein Paar waren, waren sie nur selten getrennt gewesen. Deswegen hatte er sich in den letzten Tagen wahnsinnig einsam gefühlt. Der Aufzug bewegte für Crocodiles Geschmack viel zu langsam. Er konnte es kaum erwarten seinen Ehemann endlich wieder in seine Arme zu schließen.

Irgendetwas in seinem Magen flatterte nervös, als Crocodile sich im Eingangsbereich ihrer kleinen Villa umschaute. Alles lag still und dunkel da. Weder in der Küche noch im Wohnzimmer brannte Licht. Crocodile versuchte die Enttäuschung zu unterdrücken, doch es fiel ihm wahnsinnig schwer. War Doflamingo etwa noch nicht wieder da? Aber er hatte ihm doch gesagt, spätestens um zweiundzwanzig Uhr wäre er Zuhause. Oder hatte er sich schon ins Bett gelegt?

Eigentlich dürfte er es ihm das nicht verübeln. Sicherlich war Doflamingo erschöpft. Er hatte sich eine erholsame Mütze Schlaf redlich verdient. Leise schlich Crocodile die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Sich an den warmen Körper seines Liebsten zu pressen und neben ihm einzuschlafen war immer noch besser als seine Zeit auf dieser frustrierenden Firmenfeier zu vergeuden.

Schwaches Licht schien durch den Spalt unter der Türe in den Flur. Crocodile konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Doflamingo war doch noch wach!

Seine Hand berührte schon beinahe die Türklinke, als er Doflamingo stöhnen hörte. Crocodile erstarrte in seiner Bewegung. Wenige Sekunden später war auch das Stöhnen einer Frau zu hören.

Crocodile ließ seine Hand sinken. Sein Hirn war wie leergefegt. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Völlig hilflos stand er vor seiner eigenen Schlafzimmertüre und lauschte den Lustgeräuschen, die sowohl sein Ehemann als auch die ihm fremde Frau ungehemmt von sich gaben.

Als er halbwegs wieder zu sich fand, war der erste Gedanke in seinem Kopf: Ich hätte es wissen müssen. Im Gegensatz zu ihm war Doflamingo bisexuell.

Früher, mit Anfang zwanzig, hatte Crocodile es hin und wieder mal mit bisexuellen Männern probiert. Leider war jeder Kontakt daran gescheitert, dass die Männer immer irgendwann ihr Glück bei seiner gutaussehenden, jüngeren Schwester Hancock versucht hatten. Schließlich hatte Crocodile den Bisexuellen abgeschworen und beschlossen sich nur noch auf Männer einzulassen, die so wie er homosexuell waren.

Dass sein Partner Doflamingo, der die Farbe Rosa liebte, auf beiden Seiten Ohrringe trug und ein hemmungsloser Romantiker war, auch etwas für das weibliche Geschlecht übrig hatte, hatte Crocodile schließlich nicht ahnen können. Erst nach über einem halben Jahr Beziehung hatte sich herausgestellt, dass auch Doflamingo der Gruppe der Bisexuellen angehörte, die Crocodile eigentlich zu vermeiden versuchte.

Und nun musste er die Rechnung zahlen. Zu der Enttäuschung gesellte sich Wut. Wie konnte Doflamingo es wagen?! Er hatte diese Beziehung gewollt. Er hatte ihn wochenlang umgarnt, bis er einem ersten Date zugestimmt hatte. Er hatte ihm schon nach neun Monaten Beziehung einen Antrag gemacht und ihn zu einer schnellen Hochzeit gedrängt. Und nun, kaum dass sie sich eine mickrige Woche nicht gesehen hatten, ließ er sich auf irgendein billiges Flittchen ein. Dieser Bastard!

Crocodile öffnete die Schlafzimmertüre – und erstarrte. Der Anblick, der sich ihm bot, schockierte ihn. Doch anders als erwartet. Zu seiner Verwunderung war nirgendwo der Körper einer hübschen, jungen Frau zu sehen – abgesehen von dem großen Bildschirm, der gegenüber ihrem Bett an der Wand montiert war. Dort spielten sich nämlich sehr eindeutige Szenen zwischen einer Frau und einem Mann ab.

Doflamingo lag auf dem Bett. Ausnahmsweise trug er einen dunkelroten Anzug. Wobei das vielleicht das falsche Wort war, denn das Sakko hatte er abegelegt und die Hose mitsamt Unterwäsche hing bloß noch lose um seinen rechten Fußknöchel.

Crocodile brachte kein Wort heraus. Mit offenem Mund starrte er seinen Ehemann an, der von seinem plötzlichen Auftauchen völlig ungerührt zu sein schien. Er unterbrach nicht einmal die Masturbation, sondern widmete sich weiterhin seinem erigierten Glied. Beschämt senkte Crocodile den Blick. Er spürte, dass ihm die Röte ins Gesicht schoss.

Wie üblich amüsierte das Doflamingo bloß. "Schön dich zu sehen, Wani", grinste er und fixierte ihn mit seinen grünen Augen. Seine Sonnenbrille lag auf dem Nachttischschränkchen. "So früh habe ich dich gar nicht zurückerwartet. Hattest du nicht gesagt, dass Franky euch alle zu einer Hotelparty einlädt?"

"Ich bin früher gegangen", murmelte Crocodile und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Er brachte es nicht über sich den Blick mit seinem Ehemann zu kreuzen. Plötzlich fühlte er sich furchtbar, weil er so schlecht über seinen Partner gedacht hatte.

Ihn plagte die irrationale Angst, dass Doflamingo seine Gedanken erraten würde, wenn er ihm ins Gesicht sah. Dieser verfügte nämlich über die unheimliche Gabe ihm das Gefühl zu geben geröntgt zu werden, wenn er ihn mit seinen stechend grünen Iriden anblickte.

"Du hättest Bescheid sagen sollen", meinte Doflamingo mit amüsiert klingender Stimme. Er leckte sich über seine Lippen. "Dann hätte ich etwas Anderes für den Abend geplant." Gierig ließ er seinen Blick über Crocodiles Körper wandern. Bei Donquixote Doflamingo handelte es sich um eine wahnsinnig sexuelle Person. Obwohl er bereits Mitte dreißig war, besaß er das Libido eines Siebzehnjährigen. Crocodile war sich sicher, dass er absolut ausgehungert war. Während er sprach, hörte er nicht auf sein steifes Glied zu streicheln.

"Aber so ist es auch gut. Ich hatte sowieso gerade erst angefangen. Warum ziehst du dich nicht aus, Baby, und legst dich neben mich? Ich bin mir sicher, ich kann auch dich ganz schnell in die richtige Stimmung bringen."

Wie hypnotisiert kam Crocodile näher. Er hatte mit Sicherheit keinen so starken Trieb wie Doflamingo, aber auch er hatte seinen Ehemann eine Woche lang vermisst. Sein schlechtes Gewissen rückte plötzlich ganz nach hinten in seinen Kopf. Gegen Sex hätte er jetzt nichts einzuwenden.

Doflamingo packte mit beiden Händen die Vorderseite seines Hemdes und zog ihn nah zu sich heran, kaum hatte er die Bettkante erreicht. Sofort presste er seine warmen, süßen Lippen auf seinen Mund. Doflamingo begann an seiner Unterlippe zu saugen und auch wenn Crocodile sich ein klein wenig schämte, konnte nicht anders als sehnsüchtig in den Kuss hinein zu stöhnen. Verdammt, er hatte seinen Ehemann wirklich vermisst.

Crocodile unterbrach den Kuss, als wieder das laute Stöhnen der Frau im Porno zu hören war. Unwillig schaute er zum Bildschirm hinüber. Gerade war sehr deutlich zu sehen wie der männliche Darsteller mit seinem Glied in der Löffelchen-Stellung in die Frau eindrang.

"Können wir das ausschalten?", bat Crocodile.

"Warum?", erwiderte Doflamingo, der versuchte mit einer Hand die Hemdknöpfe seines Partners zu öffnen, während er mit der anderen weiterhin sein Glied bearbeitete. "Sei nicht so verklemmt, Croco. Komm, zieh deinen Gürtel aus. Ich kümmere mich um dich, während du die Show genießt."

Er schob das geöffnete Hemd von Crocodiles Schultern und zog ihm auch das Tshirt, das er darunter trug, über den Kopf. Ohne auch nur eine kostbare Sekunde zu vergeuden, stürzte Doflamingo sich wie ein ausgehungertes Raubtier auf seinen Partner. Er umschloss eine Brustwarze mit seinem Mund und begann heftig daran zu saugen. Seine Hände fuhren gierig über Crocodiles Oberkörper; berührten seinen Bauch, seinen Rücken, seine Arme.

"Ich bin nicht verklemmt", erwiderte Crocodile und schob seinen Ehemann von sich.

Doflamingo fixierte ihn mit einem amüsierten, aber auch ungeduldigen Blick. Seine Hände umschlossen Crocodiles Taille. "Du willst dir keinen Porno reinziehen, während ich dir einen blase", meinte sein Ehemann. "Was ist bitteschön verklemmt, wenn nicht das? Komm schon, Wani, sei kein Spielverderber. Das macht Spaß!" Und wie um ihn überreden zu wollen, präsentierte er Crocodile seine feuchte, zuckende Zunge.

"Darum geht es gar nicht. Mich stört es nicht mit dir zusammen einen Porno anzuschauen", verteidigte sich Crocodile entrüstet und verschränkte die Arme vor der Brust. Trotzdem ließ er zu, dass Doflamingos Hände sich von seiner Taille entfernten und sich stattdessen an seinem Gürtel zu schaffen machten.

"Und was ist dann das Problem?"

Sie beide wandten sich dem Fernsehbildschirm zu. Gerade in diesem Moment wurde das feuchte Geschlecht der Frau in einer Nahaufnahme präsentiert. Angewidert schloss Crocodile die Augen. Bei diesem Anblick spürte er sofort, wie seine Lust abnahm.

Doflamingo schien zu begreifen, was die Ursache für sein untypisches Verhalten war. "Ehrlich?" Sein Blick war ungläubig, beinahe entsetzt. Als hätte Crocodile ihm erzählt, dass er darauf abfuhr, kleine Hundewelpen zu treten. "Dich turnt die Frau im Porno so sehr ab?"

"Falls du es vergessen hast: Ich bin schwul", erinnerte ihn Crocodile pikiert. Doflamingo half ihm dabei aus seiner Hose und seinen Boxershorts herauszuschlüpfen. "Mach den Fernseher einfach aus. Oder schalte wenigstens auf einen Film mit Männern um."

"Aber in dem Porno ist doch auch ein Mann zu sehen", hielt Doflamingo dagegen und umfasste Crocodiles nicht-erigiertes Glied. "Und er ist sogar blond", neckte er ihn.

"Das spielt keine Rolle", meinte Crocodile. "Doffy, glaub mir bitte, wenn ich dir sage: Ich kriege keinen hoch, wenn ich mir dabei ständig diese... diese... ihr... ich kann mir das einfach nicht anschauen."

Doflamingo drückte ihn in eine liegende Position, sodass er freie Sicht auf den Fernseher an der gegenüberliegenden Wand hatte. Sich selbst positionierte er mit dem Kopf zwischen Crocodiles gespreizte Beine. "Ich finde, du steigerst dich da ein bisschen zu sehr rein", erklärte Doflamingo ihm, während er Crocodiles Glied rieb. "Ich verstehe ja, dass du im Gegensatz zu mir wirklich ausschließlich auf Männer stehst. Aber du tust ja glatt so als wären Frauen ekelhaft."

"Ich finde Frauen nicht ekelhaft." Crocodile musterte die nackte Frau im Pornofilm. Sie sah durchaus hübsch aus. Lange, dunkelbraune Haare. Leicht gebräunte Haut. Crocodile würde sie nicht als hässlich oder widerlich beschreiben. Dann zoomte die Kamera auf ihre mithilfe von zwei Fingern gespreizte Vagina... und Crocodile spürte, wie sich ein flaues Gefühl in seiner Magengegend ausbreitete. "Ich kann nur nicht verstehen.... dass man... jemand... Ich meine, es sieht wirklich nicht schön aus."

Doflamingo arbeitete immer noch vergeblich an seinem nicht-erigierten Penis. "Du übertreibst", ermahnte er ihn erneut. "Mal ehrlich, welches Geschlechtsorgan sieht denn wirklich schön aus, ich meine jetzt aus ästhetischer Perspektive? Keiner von uns hat dort unten ein Ölgemälde hängen. Aber eine Vagina ist doch trotzdem nicht eklig. Wenn man in der richtigen Stimmung ist, sieht sie auch auf einmal viel interessanter aus. Und genau das gleiche gilt für das männliche Pendant."

Noch immer hatte Crocodile keine Erektion. "Schalt den Fernseher einfach aus", bat er erneut. Vielleicht gab es die Möglichkeit, dass er diese abturnenden Bilder irgendwie aus seinem Kopf bekam und dann endlich heißen Sex mit seinem Ehemann haben konnte. Er begriff sowieso nicht, warum Doflamingo plötzlich so stur war.

"Konzentrier dich einfach auf den Mann", erwiderte Doflamingo, der allmählich einen frustrierten Eindruck erweckte. Wahrscheinlich weil er normalerweise weniger als eine Minute brauchte, damit sein Partner einen Ständer bekam.

"Das geht nicht, wenn ständig diese eklige Fotze eingeblendet wird", hielt Crocodile zornig dagegen. Es war untypisch für ihn, dass er solche Worte in den Mund nahm, doch allmählich machte sich auch bei ihm der Frust breit. Er wollte doch bloß eine schöne Nacht mit Doflamingo verbringen. Warum konnten sie diesen blöden Fernseher nicht einfach ausmachen und loslegen? Sein Ehemann war manchmal wirklich ein sturer Esel.

"Das kann doch nicht wahr sein, dass du keinen hochkriegst, bloß weil im Fernsehen eine nackte Frau zu sehen ist!", zischte Doflamingo, der immer noch vergebens an Crocodiles Penis herumwerkelte. "Und ihre Fotze ist nicht eklig. Sie sieht ganz normal aus!"

"Es sieht aus wie eine Wunde", murmelte Crocodile.

Diese Worte ließen Doflamingo innehalten. Mit einem Blick, der pures Entsetzen ausdrückte, musterte er seinen Ehemann. "W-was hast du gerade gesagt?"

"Was Frauen da unten haben", sagte Crocodile im Flüsterton und mit gesenktem Blick, "sieht aus wie eine schlimme Wunde. Als hätte jemand ein Messer in ihr Fleisch gestoßen. Ich kann wirklich nicht verstehen, wie man auf die Idee kommen kann, da seinen Penis reinzustecken."

Er hatte es nicht beabsichtigt, doch diese Worte runierten die Stimmung vollkommen. Doflamingo ließ von ihm ab und drehte sich zum Fernseher um. Nun konnte man sehen, wie die Frau in der Hündchen-Stellung vom Mann penetriert wurde. Sein Ehemann zog eine Augenbraue hoch und schüttelte dann den Kopf.

"Tut mir leid", meinte Crocodile und griff nach Doflamingos Handgelenk. "Ich wollte dich nicht erschrecken. Komm, mach den Fernseher einfach aus und dann haben wir beide ein bisschen Spaß miteinander."

Doch zu seiner Überraschung schüttelte Doflamingo erneut den Kopf. "Vielleicht sollten wir uns einfach schlafen legen", erwiderte und riss sich von seiner Hand los. "Ich gehe kurz duschen. Leg du dich ruhig schon hin, ich komme dann gleich zu dir."

Während sein Partner sprach, breitete sich ein unangenehmes Gefühl in Crocodiles Magengegend aus. In den sechs Jahren, die sie beide nun schon zusammen waren, war es noch nie vorgekommen, dass Doflamingo den Sex mit ihm verschmähte. Doflamingo hatte nicht einfach nur gern Sex; er brauchte ihn regelrecht. Lediglich wenn es Crocodile nicht gut ging, hielt sein Ehemann sich zurück.

Crocodile presste seine Lippen aufeinander und beobachtete wie Doflamingo ins angrenzende Badezimmer verschwand. Er fühlte sich hundeelend.

Warum nur musste er ihren ersten gemeinsamen Abend seit einer Woche so verderben? Crocodile bedeckte die Augen mit seiner rechten Hand. Verdammt, wieso hatte er überhaupt so etwas Blödes gesagt? Hielt sein Ehemann ihn jetzt für geisteskrank? Fragte er sich, was mit ihm nicht stimmte?

Crocodile verkroch sich unter die Bettdecke. Als Doflamingo zurückkehrte, tat er so als wäre er bereits eingeschlafen.
 

In Wirklichkeit lag Crocodile die halbe Nacht wach. Erst in den frühen Morgenstunden übermannte ihn der Schlaf. Als er aufwachte, zeigte der Wecker auf seinem Nachttisch elf Uhr dreißig an und die andere Hälfte des Bettes war verwaist.

In seinem Magen bildete sich ein Knoten, als er auf die zerwühlte Decke und das Kopfkissen blickte. Offenbar hatte Doflamingo fluchtartig das Bett verlassen. Hab ich im Schlaf etwa davon gesprochen, dass mich eine Vagina auffrisst?, dachte er zynisch und biss sich auf die Unterlippe.

Verdammt, wie sollte er seinem Ehemann bloß unter die Augen treten. Bestimmt hielt Doflamingo ihn jetzt für einen debilen Idioten.

Seufzend erhob Crocodile sich und schleppte sich hinüber ins Badezimmer. Vielleicht würde eine heiße Dusche seine Stimmung aufheitern.
 

Es war fast ein Uhr mittags, als Crocodile das Aufeinandertreffen mit seinem Ehemann nicht weiter hinausschieben konnte. Mit klopfendem Herzen öffnete er die Türe zum Wohnzimmer. Der Raum bildete das Herzstück ihrer kleinen Villa; hier hielten sie sich die meiste Zeit über auf.

Doflamingo saß im Schneidersitz auf dem Sofa; er musterte mit angestrengter Miene den Bildschirm seines privaten Laptops. Seine Sonnenbrille hatte er hochgeschoben.

Nervös räusperte Crocodile sich. Doflamingo, der ganz vertieft ins Internet gewesen war, schreckte auf. Als er seinen Ehemann neben sich stehen sah, schenkte er ihm ein breites Lächeln. "Guten Morgen, Baby", zwitscherte er. Sein unverschleierter Blick war freundlich und liebevoll.

Crocodile fiel eine Wagenladung Steine vom Herzen.

"Morgen", erwiderte er. "Möchtest du auch einen Kaffee?"

Doflamingo nickte und wandte sich wieder seinem Laptop zu. "Das wäre herzallerliebst, Wani."

Crocodile rollte mit den Augen, machte sich aber kommentarlos auf den Weg hinüber zur Küche. Seit sie nicht mehr in Doflamingos Villa der Superlative wohnten, sondern sich in ein schönes Haus am Ende einer baumreichen Straße zurückgezogen hatte, pflegten sie einen ruhigeren Lebensstil. Es schwirrten nicht andauernd irgendwelche Angestellten um sie herum. Ihr Abendessen wurde nicht länger von einem Fünf-Sterne-Koch in der hauseigenen Großküche zubereitet. Ihr Zuhause war gemütlich geworden. Und Crocodile mochte es so viel lieber, auch wenn er sich seinen Kaffee nun hin und wieder selbst zubereiten musste.

Crocodile stellte das kleine Tablett mit den beiden dampfenden Kaffeetassen auf dem Couchtisch ab und ließ sich neben seinem Ehemann nieder. "Was machst du da?", fragte er und nippte an seiner Tasse.

"Mir geht nicht aus dem Kopf, was du gestern Abend gesagt hast", antwortete Doflamingo mit unverfänglich klingender Stimme. "Deswegen recherchiere ich ein bisschen im Internet zu diesem Thema."

Beinahe hätte Crocodile seinen Kaffee wieder ausgespuckt. "Was?! Wie kommst du auf so etwas, Doffy? Bitte, vergiss einfach, was ich gesagt habe, okay? Ich habe nicht darüber nachgedacht. Es hat nichts zu bedeuten."

Doch Doflamingo schüttelte den Kopf. Er wandte den Blick vom Bildschirm des Laptops ab und musterte stattdessen Crocodile. Es war ein furchtbar unangenehmes Gefühl. Die stechend grünen Augen seines Ehemannes schienen ihn förmlich zu durchbohren. "Das war nicht einfach nur so dahin gesagt", widersprach er ihm. "Deine Worte waren absolut ernst gemeint. Du... du bist wirklich der Meinung, dass eine Vagina wie eine Messerverletzung aussieht."

"Na und?!" Nun wurde Crocodile wütend. "Und wenn schon? Ich bin nun mal homosexuell. Da ist es doch irgendwie logisch, dass ich das weibliche Geschlechtsteil nicht wirklich anziehend finde, oder nicht? Ich verstehe nicht, was es da zu googlen gibt."

"Du findest es nicht bloß nicht anziehend, du findest es regelrecht abstoßend. Das habe ich gestern gemerkt. Ich glaube, es war für dich wirklich so als hättest du einen hochkriegen sollen, während du dir im Fernsehen... eine blutige Not-Operation anschauen müsstest... So in der Art muss es für dich gewesen sein."

"Ich will dir nicht zu nahe treten, Doffy", zischte Crocodile empört. "Aber ich denke, ich kann besser als du beurteilen, wie die Situation für mich gewesen ist. Du bist bisexuell, deswegen schaust du dir gerne Pornos mit Frauen an. Ich bin homosexuell, deswegen schaue ich mir nicht gerne Pornos mit Frauen an. So einfach ist das."

Doch wieder schüttelte Doflamingo den Kopf. Er warf ihm einen eindringlichen Blick zu und meinte: "Du hast dich vor der Vagina der Frau geekelt. Es war eine echte körperliche Reaktion."

"Welchen Teil von Homosexualität willst du nicht verstehen?!" Inzwischen war Crocodile so aufgebracht, dass er sich am liebsten Doflamingos Laptop geschnappt und aus dem Fenster geschmissen hätte. Er fühlte sich von seinem Partner regelrecht in die Ecke gedrängt. Wieso wollte Doflamingo seine Erklärung einfach nicht akzeptieren?

"Das hat nichts mit Homosexualität zu tun", hielt Doflamingo dagegen. "Ich habe ein wenig im Internet recherchiert und bin auf den interessanten Beitrag einer Sexualtherapeutin gestoßen."

"Einer... einer was? Sexualtherapeutin? Soll das ein Witz sein?"

"Sie schreibt, dass sie schon mit sehr vielen Patienten zu tun hatte, die sich vor Vaginas ekeln. Auch heterosexuelle Männer. Einige davon sind -so wie du- der Meinung gewesen, dass Vaginas Fleischwunden ähneln. Laut dieser Sexualtherapeutin hat dieser schlimme Ekel vor dem weiblichen Geschlecht nichts mit Hetero- oder Homosexualität zu tun."

"Oh, und womit dann?" Crocodiles Stimme trotze nur so vor Zynismus. Er konnte seinen Ehemann im Moment absolut nicht ernst nehmen. Was war bloß in ihn gefahren? Das Gespräch, das sie gerade führten, war doch völlig absurd.

"Nun..." Plötzlich wurde Doflamingo untypisch leise. Er wich Crocodiles Blick aus, als er erklärte: "Eine Theorie besagt, dass Männer oft einen Ekel vor weiblichen Geschlechtsteilen empfinden, weil sie als Kinder auf brutale Art damit konfrontiert wurden. Zum Beispiel bei sexuellem Missbrauch durch eine Lehrerin oder..."

"Stopp! Halt!", unterbrach Crocodile seinen Partner. Er starrte Doflamingo völlig entgeistert an. "Du hast wohl nicht mehr alle Latten am Zaun, Mister Donquixote! Ich mag Vaginas nicht, weil ich schwul bin. Punkt. Das hat nichts, absolut rein gar nichts, mit irgendwelchen pädophilen Übergriffen in meiner Kindheit zu tun. Ich glaube, du tickst nicht mehr ganz richtig!"

"Das ist ein ernstes Thema", erwiderte Doflamingo. Er schien sich um eine ruhige Stimmlage zu bemühen. "Vielleicht könntest du ja auch mal eine Sexualth..."

"Nein, sicher nicht!" Crocodile ließ Doflamingo gar nicht erst aussprechen. "Ich muss zu keiner Therapie, vielen Dank, mir geht es gut. Du steigerst dich bloß in irgendwelche Berichte rein, die du in einem unseriösen Internet-Forum gefunden hast! Dabei solltest du längst wissen, dass im Internet ganz schön viel Mist steht!"

"Das hat nichts mit Unseriösität zu tun! Das ist ein ernstes Thema!"

"Aber nicht für mich!" Allmählich hatte Crocodile wirklich genug. "Dann finde ich Vaginas eben eklig, was soll`s! Anbetracht der Tatsache, dass ich schwul bin, dürfte das für mich ja wohl kaum zu einem Problem werden."

"Aber bist du denn auch wirklich schwul?"

Diese Frage traf Crocodile völlig unvorbereitet. Er starrte seinen Ehemann an als hätte dieser ihm so eben eröffnet, dass er gerne Steine vom Gehwegrand aufhob und ableckte. "Was?"

"Diese Sexualtherapeutin", erklärte Doflamingo ihm und rückte näher an ihn heran, "vertritt die Theorie, dass kein Mensch einhundertprozentig homo- oder heterosexuell ist. Man bewegt sich immer in einem Spektrum. Und bei dir gibt es womöglich eine Einschränkung, weil du als Kind Opfer..."

Crocodile stand vom Sofa auf. "Jetzt ist aber wirklich Schluss!", zischte er mit scharfer Stimme. "Ich weiß nicht, was mit dir los ist, Doffy, aber du redest wirres Zeug. Es mag nicht viele Dinge in meinem Leben geben, derer ich mir absolut sicher bin. Aber du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich definitiv homosexuell bin. Und zwar nicht nur ein bisschen oder größtenteils, sondern komplett. In mir schlummert nicht das allerkleinste bisschen Verlangen einer Frau sexuell näherzukommen. Und zweitens: Ich wüsste es ja wohl, wenn sich in meiner Kindheit eine pädaphile Lehrerin an mir vergriffen hätte! Also lass uns dieses bescheuerte Thema jetzt beenden, bevor ich mir deinen Laptop greife und gegen die Wand schmeiße!"

Doflamingo, der nicht mit einem solchen Wutausbruch gerechnet zu haben schien, hob in einer beschwichtigenden Geste beide Hände. "Ist ja gut." Er sprach in derselben Tonlage, in der er sicherlich auch mit einem verängstigten Hund sprechen würde. "Ich wollte dich nicht so aufregen, Crocodile. Wenn du möchtest, dann lassen wir diese Sache auf sich beruhen." Das vorerst, das Doflamingo diesem Satz anfügte, blieb unausgesprochen. "Komm, setz dich wieder hin und trink deinen Kaffee, bevor er kalt wird."

Crocodile ließ sich zähneknirschend wieder neben seinem Ehemann nieder. Er wurde das Gefühl nicht los, dass dies nicht ihr letztes Gespräch zu diesem verrückten Thema sein würde. Doflamingo war manchmal ein wahnsinniger Sturkopf. In dieser Hinsicht waren sie beide sich leider sehr ähnlich.
 

*
 

Überraschenderweise kam Doflamingo tatsächlich fast zwei Wochen lang nicht mehr auf diese absurde Sache zu sprechen. Erst als sie eines abends bei Crocodiles älterem Bruder Mihawk im Garten saßen und das spätsommerliche Wetter genossen, begann sein Ehemann wieder seltsame Fragen zu stellen. Eigentlich schien es sich bloß um harmlosen Small-Talk zu handeln, doch Crocodile wurde sofort hellhörig.

"Wie kommt Nozomi in der Schule zurecht?", fragte Doflamingo seine Schwägerin. Hancock saß ihnen gegenüber auf einem gemütlichen Gartensessel; in der Hand hielt sie ein Glas Rotwein. Nozomi übernachtete heute bei einer Freundin und Hancock nutzte die Gelegenheit, um ganz ungestört den Abend mit ihren Brüdern und ihrem Schwager zu verbringen.

"Oh, sehr gut", antwortete Hancock. "Um ehrlich zu sein, war ich am Anfang ein bisschen besorgt, weil Nozomi wirklich sehr an ihren Erzieherinnen aus dem Kindergarten hing. Sie hat sich dort immer wohl gefühlt. Aber zum Glück geht sie auch sehr gern in die Schule."

"Bist du selbst als Kind eigentlich auch in einen Kindergarten gegangen?", wollte Doflamingo mit neugieriger Stimme wissen.

Unwigerlich verengte Crocodile seine Augen zu schmalen Schlitzen. Womöglich zog er voreilige Schlüsse. Doflamingo war schon immer sehr am Wohlergehen ihrer einzigen Nichte Nozomi interessiert gewesen. Am besten bemühte er sich einfach darum gelassen zu bleiben.

Hancock nickte. "Klar", antwortete sie. "Ich bin in einen kleinen Kindergarten in der Nähe unseres Elternhauses gegangen. Wir waren alle Drei nacheinander dort."

Da Crocodile fünf Jahre jünger als Mihawk und fünf Jahre älter als Hancock war, hatte sich ihre Kindergarten-Zeit nicht überschnitten. Sie hatten alle dieselbe Gruppe besucht, aber waren niemals gemeinsam dort gewesen.

"Und wie waren dort die Erzieherinnen? Nett? Aber bestimmt ist man auch mal gestresst, wenn man jeden Tag so viele Kinder um sich herum hat."

Hancock legte den Kopf schief. "Ich habe fast nur gute Erinnerungen an meine Kindergarten-Zeit", meinte sie und schwelgte ein wenig in alten Erinnerungen. "Im Kindergarten habe ich auch Marigold und Sondersonia kennengelernt. Wir sind sozusagen Sandkasten-Freundinnen. Die Erzieherinnen waren auch nett. Natürlich haben sie hin und wieder mal geschimpft. Aber gut, ich muss ja auch manchmal mit Nozomi schimpfen. Aber wie kommst du plötzlich auf dieses Thema?"

"Genau", murrte Crocodile und warf Doflamingo einen warnenden Blick zu. "Wie kommst du plötzlich darauf?"

"Ach, nur so", versuchte sein Ehemann sofort zu beschwichtigen. "Ich selber war als Kind nicht im Kindergarten, sondern hatte eine Nanny. Deswegen bin ich neugierig."

"Dass du nie einen Kindergarten besucht hast, erklärt einiges", murmelte Crocodile. Kein Wunder, dass sein Ehemann so ein Egoist war und immer seinen Willen durchsetzen wollte. Wahrscheinlich war er als kleines Kind hoffnungslos verhätschelt worden. "Wenn wir beide mal ein Kind haben, wird es definitiv in einen Kindergarten gehen." Die Worte waren ihm über die Lippen gekommen, ohne dass Crocodile etwas dagegen hätte tun können. Erst einen Augenblick später wurde ihm klar, was er da gerade eben gesagt hatte.

Doflamingo wirkte erstaunt, doch schnell legte sich ein verschmitzter Ausdruck auf sein Gesicht. "Klar", meinte er und gab Crocodile hingebungsvoll einen Kuss auf den Mund. "Da hätte ich nichts gegen."
 

Es war nach Mitternacht, als sie beide sich von Mihawk und Hancock verabschiedeten. Kaum hatte Crocodile sich hinter das Steuer seines Mercedes C 220 BlueTEC Exclusive gesetzt, warf er seinem Ehemann einen vernichtenden Blick zu.

"Was sollte das?"

"Was sollte was?" Doflamingo verschränkte die Arme hinter dem Kopf und tat ganz unschuldig.

"Du weißt genau, was ich meine", zischte Crocodile. "Und? Bist du enttäuscht, dass meine Erzieherin im Kindergarten offenbar keine pädophilen Neigungen hatte und sich nicht vor mir entblößt hat? Wie erklärst du dir jetzt meine angebliche Vagina-Phobie?"

"Es war nur eine Idee", gab Doflamingo schulterzuckend zurück. "Die Sexual-Therapeutin hat auch andere Ansätze..."

"Davon will ich nichts hören", erwiderte Crocodile sofort und trat stärker als nötig auf die Bremse.

"Nun, ich bin nicht der einzige von uns beiden, der heute Abend ein Tabu-Thema angesprochen hat", meinte sein Ehemann und grinste breit. "Was sollte dieser Kommentar bezüglich eines Kindes von uns? Hm?"

"Das war rein hypothetisch", erklärte Crocodile sofort. "Ich wollte nur darauf hinaus, dass man dir definitiv anmerkt, dass du nie im Kindergarten warst."

"Oh, und woran machst du das fest?"

"An deiner absolut mangelhaft ausgebildeten Sozialkompetenz", meinte Crocodile schnippisch. "Du kannst es kaum ertragen, wenn das Verhalten anderer Menschen nicht deinen Wunschvorstellungen entspricht. Du bist ganz oft grenzüberschreitend und aufdringlich. Und du musst auf Gedeih und Verderb immer deinen Kopf durchsetzen. Außerdem bist du total ungeduldig und hasst es, wenn du auf etwas warten musst. Insgesamt bist du ein ziemlich großer Egoist."

"Ich würde das gern abstreiten, aber leider hast du in allen Punkten absolut Recht", erwiderte Doflamingo lachend. "Aber ob das daran liegt, dass ich nicht im Kindergarten gewesen bin? Corazon war ein unglaublich lieber und rücksichtsvoller Junge, obwohl er genauso erzogen worden ist wie ich. Vielleicht ist es also einfach nur Charaktersache."

"Vielleicht", seufzte Crocodile.

"Aber keine Sorge: Wenn es dir so wichtig ist, kann unser Kind später gerne in einen Kindergarten gehen", neckte sein Ehemann ihn. "Weißt du, ein bisschen Kompromissbereitschaft habe ich mir mit deiner Hilfe ja doch angewöhnt. Autsch!"

Crocodile hatte ihm einen schmerzhaften Stoß mit seinem Ellenbogen verpasst, der es aber leider nicht vermochte Doflamingos blödes Grinsen aus dessen Gesicht zu wischen.
 

*
 

"Geht es dir nicht gut? Du bist ganz blass im Gesicht", meinte seine Sekretärin Robin und legte einen Stapel Aktenordner auf seinen Schreibtisch ab.

Crocodile, der keine große Lust auf tiefgründige Gespräche verspürte, antwortet mit seiner Standard-Erwiderung: "Ich bin immer blass."

Genervt ließ er seinen Blick über die dicken Ordner schweifen. Am liebsten würde er sie einfach aus dem Fenster werfen.

Robin ließ nicht locker. "Mal ehrlich, was ist los?" Sie setzte sich auf den Schreibtisch und warf Crocodile einen eindringlichen Blick zu. "Ich bin nun schon seit sieben Jahren deine Sekretärin. Ich denke, ich kenne dich gut genug, um beurteilen zu können, ob bei dir etwas nicht in Ordnung ist."

"Es ist wirklich nichts", meinte Crocodile. Das war nicht einmal gelogen. Abgesehen von Doflamingos abstruser Theorie, er hätte irgendein pschisches Problem mit weiblichen Geschlechtsteilen, war in den letzten Wochen nichts vorgefallen. Es gab überhaupt keinen Anlass für Frust. "Ich fühle mich einfach nur ein wenig..." Er suchte nach einem passendem Wort, doch ihm fiel nichts ein. "Keine Ahnung. Vielleicht brüte ich etwas aus."

Robin wirkte nicht überzeugt. "Wann hattest du eigentlich das letzte Mal Urlaub?", wollte sie wissen. "Bestimmt würde dir ein bisschen Erholung guttun. Einfach mal die Seele baumeln lassen. Du hast dich mit der Organisation der Messe dieses Jahr wieder selbst übertroffen. Aber das hat natürlich auch seinen Preis."

"Du denkst, ich bin überarbeitet?" Darüber konnte Crocodile nur den Kopf schütteln. "Robin, ich bitte dich. Du hast selbst gesagt, dass du mich gut kennst. Hast du jemals erlebt, dass ich überarbeitet gewesen wäre?"

"Mir ist klar, dass du ein Workaholic bist", wandte Robin ein. "Aber du bist auch nicht mehr Anfang dreißig, Crocodile. Kein Mensch kann jahrelang einhundertzwanzig Prozent geben, ohne dass es Spuren hinterlässt."

"Du tust glatt so als wäre ich ein alter, abgekämpfter Mann", murrte Crocodile. Er beäugte noch einmal den Stapel mit den Aktenordnern und nahm schweren Herzens den obersten herunter. Lustlos blätterte er in den abgehefteten Seiten.

Robin musterte ihn unzufrieden. "Du solltest dich nicht selbst so kasteien", riet sie ihm schließlich. "Es ist okay, wenn man sich mal ein wenig Zeit für sich nimmt. Warum bittest du Franky nicht um Urlaub und fährst mit Doflamingo weg? Du hättest es dir wirklich verdient."

"Ich werde darüber nachdenken." Und das war Crocodiles Standard-Erwiderung, wenn er in Wirklichkeit ausdrücken wollte, dass er genug ungebetene Ratschläge gehört hatte.

Natürlich kannte Robin ihn gut genug, um die Sache auf sich beruhen zu lassen. Augenrollend wandte sie sich von ihm ab und kümmerte sich stattdessen um wichtigere Angelegenheiten.
 

Seine Niedergeschlagenheit hielt mehrere Wochen lang an. Crocodile erkannte sich selbst kaum wieder.

Er war immer gern zur Arbeit gegangen. Er mochte seinen Chef, Franky, und auch seine Arbeitskollegen sehr gern. Seine Sekretärin Robin und er waren schon seit vielen Jahren ein eingespieltes Team. Er leistete herausragende Arbeit, die zu großem Erfolg führte, und wurde daher von allen wertgeschätzt. An seiner Stelle bei Toms Workers war rein gar nichts auszusetzen.

Warum nur ging er dann plötzlich nicht mehr gerne dorthin? Schon morgens, bevor er überhaupt losfuhr, spürte Crocodile diesen Unwillen. Dann saß er in der Küche, nippte unglücklich an seinem Kaffee und malte sich Dinge aus, die er viel lieber tun würde als die nächsten Stunden im Büro zu verbringen.

Es war nicht so als würde das Niveau seiner Arbeitsleistung absinken. Wenn Crocodile auf dem teuren Ledersessel hinter seinem Schreibtisch saß, erledigte er alles absolut gewissenhaft und korrekt. Er tat es nur mit viel weniger Elan als früher.

Diese Lustlosigkeit frustrierte Crocodile. Er versuchte die Ursache auszumachen. Warf einen schärferen Blick auf die Menschen und auf seine Aufgaben bei Toms Workers. Doch er fand nichts, woran es etwas auszusetzen gäbe. Alle waren nett, schätzten ihn wert. Und sein Arbeitspensum war auch nicht zu hoch. Crocodile kam gut zurecht. Insbesondere jetzt, wo die Messe erst vor kurzem wieder zu Ende gegangen war, war es eher entspannt als stressig. Robin lag definitiv falsch, er war alles andere als überarbeitet.
 

Als er sich eines abends mit ein paar Freunden in Shakkys Bar traf, brachte Crocodile sein Problem vorsichtig zur Sprache. Doflamingo hatte an der Theke einen alten Bekannten ausgemacht, mit dem er sich rege unterhielt. Im Moment saßen bloß Law und dessen fester Freund Kid mit bei ihm am Tisch.

"Sag mal, Law", begann Crocodile zögerlich. Er wusste nicht so recht, wie er sich ausdrücken sollte. "Du bist ja Chirurg. Ähm, gab es eigentlich irgendwann mal einen Zeitpunkt, an dem du die Nase voll von deiner Arbeit hattest?"

Law warf ihm einen skeptischen Blick zu. Er war ein verdammt kluger, scharfsinniger Mann und er begriff sofort, dass es sich bei Crocodiles Worten nicht einfach bloß um bedeutungslosen Smalltalk handelte. "Nun ja", erwiderte zögerlich, "du kannst dir sicher vorstellen, dass man im OP-Saal immer unter Druck steht. Es ist nicht leicht damit zurechtzukommen. Aber alles in allem bin ich sehr gerne Chirurg. Um ehrlich zu sein, könnte ich mir gar nichts anderes vorstellen."

"Also ich hatte schon zig Jobs", warf Kid ein und nahm einen Schluck Starkbier. "Bevor ich mit meinem Tattoo-Studio Erfolg hatte, habe ich ständig gewechselt. Nach der Schule habe ich eine Weile als Umzugshelfer gearbeitet. Danach war ich Barkeeper. Türsteher. Ein paar Jahre habe ich auch als Roadie gearbeitet, hauptsächlich für die Band Rumbar Pirates. Irgendwann wurde es mir aber immer zu blöd und ich habe mir was anderes gesucht."

"Meinst du, das passiert dir irgendwann auch mit deinem Tattoo-Studio?", fragte Crocodile interessiert nach. "Also, dass es dir langweilig wird und du es aufgibst?"

Kid zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung", antwortete er mit ehrlich und unbefangen klingender Stimme. "Mir macht das Tätowieren Spaß und ich bin wirklich gut darin. Aber ich nagle mich nicht darauf fest. Wenn ich irgendwann keinen Bock mehr darauf haben sollte, höre ich eben auf. Ich meine, das Leben ist kurz. Man sollte es nicht verschwenden, indem man jeden Tag etwas tut, worauf man eigentlich keinen Bock hat."

"Da hast du natürlich Recht", pflichtete Crocodile ihm bei.

"Wie kommst du auf dieses Thema?", hakte Law nach. "Hast du Probleme bei der Arbeit?"

"Das kann man so nicht sagen", erwiderte er ausweichend. "Es läuft gut. Die Messe war dieses Jahr wieder ein riesengroßer Erfolg."

"Aber..."

"Nun..." Crocodile senkte den Blick. Es fiel ihm nicht leicht über dieses Thema zu sprechen. Er war seit jeher ein Mensch, der seine Probleme grundsätzlich lieber im Alleingang löste. Aber bei Law und Kid handelte es sich um langjährige Freunde, denen er komplett vertraute. "Ich denke, ich kann aus meinem Job nicht mehr viel rausholen", erklärte er den beiden. "Ich bin jetzt schon seit sechs Jahren als Manager bei Toms Workers tätig... Und im Grunde ist es jedes Jahr dieselbe Arbeit. Langsam ... langsam hängt es mir ein bisschen zum Hals raus, glaube ich."

Es tat gut diese Worte auszusprechen. Crocodile spürte sofort, wie er sich ein klein wenig leichter fühlte.

"Vielleicht bist du unterfordert", mutmaßte Law. "Du bist ein intelligenter und ehrgeiziger Mann, Crocodile. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dich nervt, wenn sich die Arbeit jedes Jahr wiederholt. Auch wenn du Erfolg hast."

"Such dir doch eine andere Stelle", schlug Kid leichthin vor. "Etwas Neues, was dich wieder fordert. Man wird sicher nicht glücklich, wenn man Jahr für Jahr mehr versauert."

Crocodile seufzte. "Ich werde darüber nachdenken."

Doflamingo hatte sein Gespräch mit seinem Bekannten beendet und kehrte zu ihnen an den Tisch zurück. "Worüber redet ihr?", fragte er mit neugieriger Stimme nach und saugte am Strohhalm seines Cocktails.

"Ach, dies und das", antwortete Crocodile schnell. "Wusstest du, dass Kid früher mal ein Roadie der Rumbar Pirates war?"

Doflamingo verschluckte sich an seinem Pina Colada. "Was? Ehrlich?" Sofort richtete er seinen Blick auf Kid. "Warum hast du davon noch nie erzählt?! Ich liebe die Rumbar Pirates! Dann hast du doch sicher schon oft mit den Mitzuka Zwillingen gesprochen, oder?"

Kid schien sich ein wenig überfahren zu fühlen. "Klar", meinte er, "wir sind immer noch ganz gut miteinander befreundet. Ich wusste gar nicht, dass du ein Fan bist."
 

Später am Abend kehrten sie nach Hause zurück und ließen sich auf dem Sofa im Wohnzimmer nieder, um noch ein wenig Musik zu hören. Obwohl sie über ein modernes Sound-System verfügten, legte sein Ehemann eine Schallplatte auf. Doflamingo liebte Plattenspieler. Lag vermutlich an seiner altmodisch-romantischen Ader.

Er ließ die Nadel des Geräts los und setzte sich neben Crocodile. Auf dem Couchtisch standen zwei Gläser Wasser. Sie hatten sich beide in der Bar nicht gerade zurückgehalten, was alkoholische Getränke anging. Es war klüger vor dem Zubettgehen ein paar Schlücke Wasser zu trinken, um einen schlimmen Kater am nächsten Morgen zu verhindern.

"So....", begann Doflamingo. Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. "Du bist also unzufrieden mit deiner Arbeit bei Toms Workers."

Crocodile verschluckte sich am Wasser. Er warf seinem Ehemann einen entsetzten Blick zu. "Woher weißt du...." Doch eigentlich konnte er sich die Frage selbst beantworten. "Law und Kid. Diese Bastarde!" So viel also zum Thema Vertrauen.

"Sei ihnen nicht böse", meinte Doflamingo in einem beschwichtigend klingenden Tonfall. "Ich habe sie darum gebeten dich ein wenig auszuhorchen."

"Aha, und warum das?" Misstrauisch verengte er seine Augen zu schmalen Schlitzen.

"Mir ist aufgefallen, dass du in den letzten Wochen ziemlich deprimiert gewirkt hast. Ich habe angefangen mir Sorgen zu machen. Und weil du meine Fragen immer bloß abtust, dachte ich, dass die beiden vielleicht eine bessere Chance haben."

"Eigentlich ist es nichts", seufzte Crocodile und senkte den Blick.

"Ich würde dir ja gerne glauben, Crocodile, aber das letzte Mal, als du Probleme bei der Arbeit hattest, hast du mir ein Jahr lang verheimlicht, dass dir gekündigt worden ist. Nimm es mir also nicht übel, wenn ich skeptisch bin."

Crocodile verzog das Gesicht. "Die Geschichte ist fünf Jahre her", murmelte er verlegen. "Wir sollten das langsam mal auf sich beruhen lassen."

"Dann tu deinen Ehemann, der dich über alles liebt, einen Gefallen und vertrau dich ihm an."

Selbst durch die getönten Gläser der Sonnenbrille hindurch konnte Crocodile den stechenden Blick seines Partners spüren. Schließlich überwand er sich und meinte: "Ich habe im Moment irgendwie eine schlechte Phase. Keine Ahnung. Aber es ist nichts Dramatisches."

"Ist der Leistungsdruck zu hoch?", wollte Doflamingo wissen. Er rückte näher an ihn heran und legte seinen Arm um seine Schulter. Crocodile legte den Kopf auf die Brust seines Ehemannes. Überdeutlich konnte er sein Herz schlagen hören.

"Nein, das ist es nicht", meinte er rasch. "Die Messe ist ja gerade erst wieder zu Ende gegangen. Im Moment ist es eigentlich sehr entspannt."

"Hast du Probleme mit irgendjemandem? Mit Franky? Oder einem Kollegen?"

Wieder verneinte Crocodile. "Sie sind alle sehr nett und fürsorglich. Und Franky schwebt sowieso auf Wolke 7. Ich dachte ja schon du wärst eine Nervensäge gewesen, was die Vorbereitungen für unsere Hochzeit anging. Aber Franky ist noch schlimmer."

Leider schluckte Doflamingo den Köder nicht. Anstatt auf Frankys und Robins Hochzeit zu sprechen zu kommen, fragte er mit ernster Stimme: "Was ist es dann?"

Crocodile verzog den Mund. "Ich weiß es nicht genau", gab er schließlich zu. "Irgendwie ... nervt mich meine Arbeit. Es ist jedes Jahr dasselbe. Wir organisieren die Messe... sie findet statt... sie wird ein Erfolg... und dann geht es wieder von vorne los. Ich mache das jetzt seit sechs Jahren und ich spüre, dass es mir nicht mehr so viel Spaß macht wie am Anfang."

"Na, dann such dir doch einfach eine andere Stelle", schlug Doflamingo vor. "Ich denke, du bist ein Mensch, der immer neue Herausforderungen braucht. Weiter, höher, besser. So bist du einfach. Ein ehrgeiziger Mensch. Wenn du aus deiner Arbeit bei Toms Workers nichts mehr rausholen kannst, wird es vielleicht an der Zeit etwas Anderes zu machen."

"Das haben Kid und Law auch gesagt", seufzte Crocodile. Er windete sich aus Doflamingos Umarmung und setzte sich gerade hin.

"Aber...?"

"Aber ich bin mir nicht sicher, ob es einfach nur daran liegt, dass ich gelangweilt bin", meinte er schließlich. Er warf seinem Ehemann einen verunsicherten Blick zu. "Ich meine... Ich hatte so eine Phase noch nie zuvor in meinem Leben. Ich bin immer gerne arbeiten gegangen. Habe mich zeit meines Lebens für einen Workaholic gehalten. Mir war Arbeit immer wichtig und es wurde mir nie zu viel. Aber seit ein paar Wochen ... kommt mir alles so bedeutungslos vor."

Plötzlich begann Doflamingo amüsiert zu kichern. Crocodile warf ihm einen verärgerten Blick zu und schlug ihm halb-ernst gegen den Oberarm. "Das ist nicht witzig, Doffy!"

"Naja", allmählich kriegte Doflamingo sich wieder ein, "ein bisschen witzig ist es schon. Für mich klingt das nach einer Art Midlife-Crisis."

Crocodile zog eine Augenbraue hoch. "Midlife-Crisis", wiederholte er. "Ich weiß ja nicht... Meinst du das ernst?"

Doflamingo zuckte mit den Schultern. "Du wirst dieses Jahr vierzig", erklärte er ihm schließlich. "Du hast seit Jahren einen festen Job. Bist glücklich mit einem super heißen Kerl verheiratet. Dein Leben verläuft in geregelten Bahnen. Also sagt dein Unterbewusstsein dir, dass es an der Zeit ist Bilanz zu ziehen."

Das klang gar nicht so verrückt wie man am Anfang denken würde. Crocodile kam ins Grübeln. "Und was will mir mein Unterbewusstsein sagen?", fragte er schließlich.

"Offenbar ist deine Arbeit der Knackpunkt", erwiderte Doflamingo. "In der Hinsicht solltest du also etwas ändern, damit du wieder glücklich wirst."

"Aber ich kann doch nicht einfach meinen Job kündigen, bloß weil ich mal ein paar Wochen lang schlecht drauf bin", hielt Crocodile dagegen. "Das ist doch unvernünftig! Immerhin habe ich eine gute Arbeitsstelle. Mit netten Kollegen und einem tollen Chef. Es ist ja nicht so als wäre ich bei Toms Workers unglücklich!"

"Offenbar versauerst du dort", meinte sein Ehemann. "Und ich denke nicht, dass man langfristig irgendwo glücklich sein kann, wo man bloß seine Zeit absitzt."

"Damit hast du natürlich nicht Unrecht", räumte Crocodile ein, "es ist nur..."

"Du musst ja nicht sofort eine Entscheidung fällen", sagte Doflamingo. Er legte beide Arme um ihn und drückte ihn an sich. "Und ich möchte dich auch zu nichts drängen. Letztendlich musst du für dich selbst entscheiden. Aber ich denke es ist nicht verkehrt, wenn du dir ein paar Gedanken machst. Ich möchte, dass du glücklich bist, Crocodile."

"Weiß ich doch", murmelte er und schloss für einen kurzen Moment die Augen, genoss die Wärme, die Doflamingos Körper ausstrahlte.
 

*
 

Am Samstag besuchten sie Crocodiles jüngere Schwester Hancock. Sie servierte ihnen Kaffee und selbst gebackene Plätzchen. Nozomi brannte natürlich darauf ihren beiden Onkels von ihrer ersten Zeit in der Grundschule zu erzählen.

"Meine Lehrerin heißt Miss Valentine", erzählte seine sechsjährige Nichte aufgeregt. "Sie ist sehr, sehr nett. Und sie bringt uns ganz viele tolle Sachen bei! Schaut mal, welche Wörter wir schon gelernt haben!" Sofort stürzte sie los, um aus ihrem Schulrucksack ein Heft hervorzukramen.

"Ganz ruhig, Nozomi", ermahnte Hancock das kleine Mädchen. "Lass die beiden doch bitte erst einmal in Ruhe ankommen. Es ist nicht höflich sie gleich so zu überfallen."

"Ach, ist schon gut", winkte Doflamingo sofort ab. Er brachte es nur selten über sich seiner einzigen Nichte etwas abzuschlagen.

Neugierig blickte Crocodile in das Heft, das Nozomi ihnen unter die Nase hielt. Links waren kleine Kinderzeichnungen zu sehen; auf der rechten Seite in unsicherer Kinder-Handschrift die entsprechenden Wörter. "Haus, Wolke, Ball", las Doflamingo vor. "Oh, und dieses Wort hier hat ja ganz viele Buchstaben!"

"Sonnenblume", krakeelte Nozomi mit stolzer Stimme. "Siehst du, ich habe daneben auch eine Sonnenblume gemalt!"

"Du kannst ja wirklich schon sehr gut schreiben", lobte Doflamingo seine Nichte und tätschelte ihren Kopf. Nozomi hatte dunkles Haar und schöne, blaue Augen. Sie sah ihrer Mutter zum Glück sehr ähnlich und hatte nur wenig von ihrem Vater geerbt.

"Wir lernen jeden Tag neue Wörter", erklärte Nozomi ihm.

"Vielleicht wirst du ja irgendwann Schriftstellerin", murmelte Crocodile lächelnd. Er mochte seine kleine Nichte ebenso gerne wie Doflamingo. Nozomi war ein sehr liebes Kind.

"Was ist eine Schriftstellerin?", wollte sie sofort wissen und blickte ihn aus zwei neugierigen Augen heraus an.

"Ein Schriftsteller ist jemand, der Bücher schreibt", erklärte Crocodile ihr. "Oder Gedichte. Erinnerst du dich an die Geschichte über die kleine Hexe, die ich dir mal vorgelesen habe?" Nozomi nickte. "Nun, auch diese Geschichte hat sich ein Schriftsteller ausgedacht. Er hat sie aufgeschrieben und dann in Büchern drucken lassen, damit alle Menschen sie lesen können."

"Ich glaube, das ist eine gute Idee", meinte Nozomi. Ihre blauen Augen funkelten. "Mama, Mama! Hast du Onkel Croco gehört? Ich werde Schriftstellerin!"

Hancock lachte und strich ihrer Tochter eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Erst einmal musst du in der Schule fleißig alle Wörter lernen", meinte sie.

"Das ist kein Problem", erwiderte Nozomi breit grinsend und entblößte dabei eine Zahnlücke. "Wörter zu lernen macht ja Spaß."

"Es gibt aber auch schwierige Wörter", warf Doflamingo neckisch ein. "Zum Beispiel Amylmetacrasol oder Tyrothricin."

"Trio... Titri..."

"Tyriothricin", wiederholte sein Ehemann grinsend. "Und Amylmetacrasol. Das sind beides Wirkstoffe für Halstabletten."

"Diese Wörter brauch ich nicht", winkte Nozomi nach reiflicher Überlegung ab. "Weißt du, ich werde einfach keine Geschichte über Halsschmerzen schreiben."

Diese Aussage ließ Doflamingo in lautes Gelächter ausbrechen. "Nozomi", meinte er grinsend und nahm sie in den Arm. "Bitte werd niemals groß, mein Mädchen."

Dieser Anblick versetzte Crocodile einen Stich ins Herz. Er ließ seinen Blick über seinen lachenden Ehemann und seine einzige Nichte schweifen. Nozomi ließ sich von Doflamingos Gelächter anstecken. Crocodile konnte ganz deutlich ihre Zahnlücke erkennen.

Sie war jetzt schon sechs Jahre alt und ging in die Schule. Von dem kleinen Baby, das sie einmal gewesen war, war nichts mehr zu erkennen. Kein Babyspeck. Keine unsicheren, staksigen Schritte. Keine Windeln und kein Schnuller mehr.

Wehmütig fragte Crocodile sich, wie es sein konnte, dass diese Zeit so schnell vergangen war. Während bei ihm alles beim Alten geblieben war, er Jahr für Jahr die Toms Workers Messe organisierte, hatte seine kleine Nichte sich zu einem völlig anderen Menschen entwickelt. Sie lernte jetzt sogar schreiben und rechnen. Crocodile spürte einen schmerzhaften Knoten in seinem Magen. "Ist alles in Ordnung bei dir, Wani?", hörte er seinen Ehemann mit besorgter Stimme fragen.

Rasch nickte Crocodile. "Klar", winkte er ab, "sind nur wieder meine Magenschmerzen. Nichts weiter."

Weil er diese Ausrede in letzter Zeit nur sehr selten gebraucht hatte, schien ihm Doflamingo zum Glück zu glauben. "Du hättest lieber die Finger von Hancocks Plätzchen lassen sollen", ermahnte er ihn.

"Sie backt für mich immer eine zuckerfreie Variante", entgegnete Crocodile besserwisserisch. Sein empfindlicher Magen hatte sich in den letzten Jahren nicht gebessert. Noch immer musste Crocodile sehr stark darauf achten, was er aß. Trotzdem plagten ihn hin und wieder schlimme Magenschmerzen. So war es schon seit seiner Kindheit gewesen. Wahrscheinlich würde sich das Zeit seines Lebens auch nicht mehr ändern. Aber damit hatte Crocodile kein großes Problem. Er kannte es ja nicht anders.

Sie verbrachten den ganzen Nachmittag bei Hancock. Tranken Kaffee, aßen Gebäck und schwatzten miteinander. Doch das unangenehme Gefühl in Crocodiles Magengend verschwand nicht.
 

*
 

In den folgenden Wochen bemerkte Crocodile seltsame Veränderungen an sich. Plötzlich starrte er in jeden Kinderwagen, an dem er vorbeikam. Und als seine hochschwangere Arbeitskollegin Kalifa ihn fragte, ob er ihren Bauch berühren wollte, zögerte er nicht lange und legte neugierig seine rechte Hand auf die dicke Wölbung.

Er war irritiert von seinem eigenen Verhalten. Früher, bevor er Onkel geworden war, hatte er nie viel mit Babies oder Kleinkindern anfangen können. Es war nicht so, dass es sich bei ihm um einen eingeschworenen Kinderhasser gehandelt hätte. Kinder zu haben war für ihn viel mehr eine Art abstraktes Konzept gewesen.

Zum ersten Mal in seinem Leben fragte Crocodile sich, wie ein leibliches Kind von ihm aussehen würde. Bei Hancocks Tochter hatten sich definitiv die Gene ihrer Mutter durchgesetzt. Ob er wohl auch ein Kind mit seiner eigenen Haar- und Augenfarbe bekäme? Crocodile verstand nicht allzu viel von Genetik; in der Schule war Biologie nie ein starkes Fach von ihm gewesen.

Obwohl ihn wochenlang kein anderes Thema beschäftigte, erzählte Crocodile niemandem davon. Er hielt seine absonderlichen Gedanken unter Verschluss. Besonders in Doflamingos Nähe achtete er darauf nicht zu offensichtlich fremden Kleinkindern hinterherzuschauen. Nicht dass sein Ehemann irgendwelche falschen Schlüsse zog.

Das ist bloß eine Phase, versuchte Crocodile sich einzureden. Vielleicht befindest du dich gerade wirklich in einer Art Midlife-Crisis und suchst nach einem höheren Sinn im Leben. Das hat mit Sicherheit nichts zu bedeuten.

Doch noch im selben Moment begann er an seinen eigenen Gedanken zu zweifeln. Crocodile war kein Mensch, der irgendwelche emotionalen Phasen durchlebte. Bei ihm handelte es sich um eine abgeklärte, bodenständige Person. Er war kein gefühlsverliebter Idiot, dem es heute so und morgen so erging.

Wochenlang versuchte Crocodile den einzigen Schluss, den diese Situation zuließ, zu verdrängen. Er stürzte sich in die Arbeit; versuchte bei Toms Workers seinen alten Elan wiederzufinden. Wenn in seinem Job wieder alles in Ordnung war, dann würden sicherlich auch diese komischen Anwandlungen verschwinden. Doch obwohl er sich alle Mühe gab seine Arbeit mit guter Laune zu erledigen und sich außergewöhnlich viel Zeit nahm, um mit seinen Arbeitskollegen zu schwatzen, gelang es ihm nicht sich von diesen Gedanken zu lösen. Stattdessen manifestierten sie sich immer mehr zu einer fixen Idee.
 

Eines abends (Doflamingo hatte sich mit seiner besten Freundin Monet fürs Kino verabredet) erwischte Crocodile sich sogar dabei, wie er bei Google Suchanfragen wie Adoption und Leihmutterschaft abschickte.

Teils neugierig, teils beschämt klickte Crocodile sich durch verschiedene Seiten. Er kam sich vor wie ein Teenager, der zum ersten Mal im Internet nach Pornos suchte. Obwohl er wusste, dass es nicht richtig war und er ernste Schwierigkeiten bekäme, wenn er aufflog, konnte er es nicht lassen.

Nach ausgiebiger Recherche brachte Crocodile schließlich in Erfahrung, dass man als homosexuelles Paar die Möglichkeit hatte eine Frau zu bezahlen, damit sie ein leibliches Kind austrug. Dafür ließ man eine Eizelle im Labor mit Spermien befruchten und setzte sie anschließend in den Uterus ein. Man konnte sogar die Eizelle einer fremden Frau verwenden, sodass die Mutter mit dem Kind, das sie austrug, selbst gar nicht verwandt war. Im Grunde fungierte sie bloß als eine Art Brutkasten.

Crocodile schwirrte der Kopf. Es kam ihm komisch vor, dass in der heutigen Zeit eine Frau ein Kind zur Welt bringen konnte, ohne mit diesem ihre Gene zu teilen. Auf der anderen Seite war die Vorstellung, dass es sich um eine Art bezahlte Dienstleistung handelte, auch irgendwie beruhigend.

Es gab sogar gleich in ihrer Nähe eine private Kinderwunschklinik, die diesen Service anbot. Crocodile überflog das auf der Homepage dargestellte Leistungsspektrum. Wenn er es richtig verstand, dann konnte er sich dort eine Frau aussuchen, die sich bereit erklärte sein Kind auszutragen. In-Vitro würde sie dann befruchtet werden und sein Kind zur Welt bringen. Für Doflamingo bestünde dann die Möglichkeit das Kind zu adoptieren, sodass dieser aus rechtlicher Sicht ebenfalls ein Elternteil war.

Ein bisschen als würde man ein Auto kaufen, dachte Crocodile und spürte gleichzeitig wie ihm dieser Gedanke einen Stich versetzte. War es wirklich in Ordnung auf diese Weise ein Kind zu bekommen? Doflamingo und er müssten nicht bloß sämtliche Krankenhausrechnungen übernehmen, sondern auch die Leihmutter für ihre Dienstleistung bezahlen. Crocodile brachte schnell in Erfahrung, dass es sich insgesamt um Beträge im hohen fünfstelligen Bereich handelte. Natürlich stellte diese Summe kein Problem für sie beide dar. Doch trotzdem blieb der unangenehme Beigeschmack ein Kind zu kaufen.

War vielleicht Adoption die ethisch bessere Variante? Crocodile suchte im Internet nach Informationen über Adoptionsverfahren. Offenbar war es üblich sich bei mehreren Agenturen anzumelden. Die schwangere Frau suchte sich dann ein passendes Elternpaar aus und überließ diesem ihr Kind. Natürlich bestand auch die Möglichkeit erst nach vielen Jahren oder sogar niemals ausgewählt zu werden.

Crocodile verzog das Gesicht. Wie standen wohl die Chancen, dass sie beide von einer schwangeren Frau als Eltern für ihr Kind ausgesucht werden würden? Doflamingo erfüllte mit seinem schrillen Kleidergeschmack und aufgedrehten Verhalten jedes Klischee für einen Schwulen. (Ironisch, dachte Crocodile, immerhin war sein Ehemann ja nicht einmal homo-, sondern bisexuell). Und Crocodile wirkte mit der fehlenden Hand und der Narbe im Gesicht sicher auch nicht gerade einladend. Auf der anderen Seite waren sie extrem wohlhabend; das war in den Augen vieler verzweifelter Mütter sicher ein Pluspunkt.

Nachdenklich zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann behagte ihm der Gedanke nicht ein Kind aufzuziehen, mit dem er überhaupt nicht verwandt war. Lieber hätte er ein eigenes Kind. Das aussah und tickte wie er. Ein kleines Mädchen oder ein Junge mit seiner Haarfarbe oder seinen Augen. Es war nur natürlich, dass man sich ein Kind wünschte, das einem selbst ähnlich war, oder nicht?

Crocodile rief noch einmal die Seite der privaten Kinderwunschklinik auf. Der Vorgang der Zeugung wiederum war alles andere als natürlich. Heterosexuelle Paare, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können, tun genau dasselbe, dachte er sich. Warum sollte es also bei Doflamingo und ihm als homosexuellem Paar falsch sein?
 

Letztendlich war es lautes Schlüsselklirren im Eingangsbereich, das Crocodile aus seinen Gedanken riss. Verdammt, war Doflamingo schon wieder zurück?! Anscheinend hatte Crocodile die Zeit völlig vergessen. Hastig schloss er alle Browsertabs. Er wollte vermeiden, dass sein Ehemann etwas von seinen seltsamen Anwandlungen mitbekam. Nicht bevor... er sich absolut zweifelsfrei darüber im Klaren war, was er sich wünschte.

Doflamingo betrat das Wohnzimmer. Wie üblich war er gekleidet wie ein Zirkusclown. Orangefarbene Caprihose und ein weißes Hemd mit Schlangenprint.

"Wie war der Film?", fragte Crocodile, der sich um keinen Preis irgendetwas anmerken lassen wollte.

"Schlecht", antwortete Doflamingo breit grinsend. "Wie fast alle modernen Hollywood-Streifen. Aber der Abend war trotzdem nett." Sein Ehemann setzte sich neben ihn. "Was hast du gemacht?"

"Ach, nur ein bisschen im Internet gesurft", erwiderte Crocodile ausweichend und vermied es seinem Gegenüber ins Gesicht zu sehen.

Leider kannte Donquixote Doflamingo ihn inn- und auswendig. Nach sechs Jahren Beziehung war es für ihn ein Leichtes seinen Ehemann zu durchschauen.

"Nur ein bisschen im Internet gesurft, hm", wiederholte er und setzte eine spöttische Miene auf. Es war klar, dass er ihm diese Ausrede nicht abkaufte.

Crocodile seufzte leise. "Ich habe nach Jobangeboten geschaut", log er schließlich.

"Dachte ich mir schon", meinte Doflamingo und streckte sich. "Deine Situation bei Toms Workers hat sich nicht verbessert, oder? Man spürt, dass du dort immer unzufriedener wirst."

"Ehrlich?"

Doflamingo nickte energisch. "Ich habe den Eindruck, dass du bloß noch deine Zeit absitzt. Das tut dir nicht gut. Ich denke es wäre besser, wenn du dich nach einer anderen Arbeitsstelle umzuschaust. Hast du schon an etwas Bestimmtes gedacht?"

"Nun ja..." Crocodile zögerte. "Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist es auch an der Zeit, dass ich mich neu orientiere."

"Willst du nicht mehr als Manager arbeiten?" Doflamingos Stimme klang erstaunt.

"Ich weiß nicht... Ich habe die Befürchtung, dass, wenn ich mir eine neue Stelle als Manager suche, sich dasselbe Spiel bloß wiederholt. Dann wäre ich in ein paar Jahren wieder genauso frustriert wie jetzt. Vielleicht ist es klüger sich nach einer Tätigkeit umzuschauen, die langfristig ... nun ja... die mich mehr erfüllen würde."

"Und woran hast du dabei gedacht?"

Crocodile zuckte mit den Schultern. Er brachte es nicht über sich seinem Ehemann von den geheimen Wünschen, die ihn seit Wochen plagten, zu berichten. Erst wollte er seine Gefühle ordnen, bevor sich Doflamingo einmischte.

"Schau dich ganz in Ruhe um", riet dieser ihm schließlich. "Lass dich nicht unter Druck setzen. Wenn du etwas Anderes machen möchtest, unterstützte ich dich natürlich. Von mir aus kannst du auch freischaffender Künstler werden, fufufufu." Seit Doflamingo vor ein paar Wochen zufällig erfahren hatte, dass Crocodile als Student mal einen Kunstkurs besucht hatte, riss er ständig solche blöden Witze. "Hauptsache du bist glücklich."
 

Es war ein ganz gewöhnlicher Dienstagmorgen, als Crocodile schließlich seine finale Entscheidung traf. Um ehrlich zu sein, hätte er nicht sagen können, wo seine plötzliche Entschlossenheit herrührte. Nichts war anders als sonst.

Gemeinsam mit Doflamingo saß Crocodile am Frühstückstisch. Dadan, ihre Haushälterin, hatte Kaffee gekocht und Pfannkuchen zubereitet. Anschließend setzte er sich in sein Auto und machte sich auf den Weg zur Arbeit.

Während der Fahrt driftete Crocodile gedanklich ab. Er fuhr diese Strecke täglich und kannte sie inn- und auswendig. Als er an einer roten Ampel anhielt, wurde ihm plötzlich unmissverständlich klar, dass es ein Herzenswunsch von ihm war Vater zu werden. Gründlich durchforstete er sein Inneres nach Zweifeln, doch er konnte keine mehr finden.

Noch ehe die Ampel auf grün wechselte, hatte Crocodile sich entschieden. Plötzlich war ihm bewusst geworden, dass es für ihn nur einen einzigen Weg gab.

Am Vormittag desselben Tages bat er seinen Vorgesetzten Franky um ein Gespräch unter vier Augen. Crocodile teilte ihm mit, dass er Toms Workers verlassen wollte. Aus persönlichen Gründen. "Keine Sorge", versuchte Crocodile seinen überraschten und enttäuschten Chef zu trösten, "ich werde euch nicht im Stich lassen. Was hältst du davon, wenn wir uns gemeinsam auf die Suche nach einem passenden Nachfolger für mich machen, Franky? Ich könnte ihn selbst ausbilden, wenn du möchtest."

Eine Schwangerschaft dauerte neun Monate. Crocodile hatte also genug Zeit, um sein Wissen und seine Erfahrungen an einen neuen Kandidaten weiterzugeben. Er käme sich schäbig dabei vor Toms Workers ohne Vorwarnung den Rücken zu kehren. Schließlich war er hier viele Jahre lang sehr zufrieden gewesen. Dass er sich selbst um einen kompetenten Nachfolger kümmerte, hielt er für einen guten Kompromiss.
 

Abends saß er gemeinsam mit Doflamingo am Esstisch. Dadan hatte ihnen ein leckeres Abendessen gekocht und sich danach verabschiedet. Es gab Kabeljau-Saltimbocca mit Kartoffelpüree.

"Ich habe heute mit Franky gesprochen", teilte Crocodile seinem Ehemann zwischen zwei Bissen mit. "Ich habe ihm erklärt, dass ich Toms Workers verlassen werde. Nicht von heute auf morgen, das ist klar. Wir haben ausgemacht, dass wir gemeinsam nach einer Neubesetzung für meine Stelle suchen, bevor ich endgültig gehe."

Doflamingo setzte eine erstaunte Miene auf. "Du scheinst ja wirklich Nägel mit Köpfen zu machen. Wie hat Franky denn reagiert?"

"Er war alles andere als begeistert", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "Aber anbetracht der Tatsache, dass die Messe Jahr für Jahr zu einem größeren Erfolg wird, ist das wohl auch kein Wunder. Ein neuer Manager stellt für ihn natürlich auch ein Risiko dar."

"Nicht nur für ihn", gab Doflamingo zurück. Leichte Zweifel schwangen in seiner Stimme mit. "Bist du dir wirklich ganz sicher, dass das die richtige Entscheidung gewesen ist, Crocodile?"

Crocodile warf seinem Ehemann einen empörten Blick zu. "Du bist doch derjenige gewesen, der gesagt hat, dass ich dort bloß noch meine Zeit absitze", verteidigte er sich. "Du hast gesagt, du würdest mich unterstützen, wenn ich bei Toms Workers nicht mehr glücklich bin!"

"Weiß ich doch", versuchte Doflamingo ihn zu beschwichtigen. "Und natürlich liegt mir dein Glück am Herzen. Mich wundert nur... nun ja... es ist ziemlich heftig einfach so seine Arbeit hinzuschmeißen. Ich möchte nicht, dass du überstürzt Entscheidungen triffst, die du später womöglich bereust."

"Keine Sorge, Doffy, es war alles andere als eine überstürzte Entscheidung", erklärte Crocodile seinem Ehemann kopfschüttelnd. "Ich habe mir wochenlang um nichts Anderes Gedanken gemacht. Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher den richtigen Weg einzuschlagen."

Doflamingos Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. "Dann ist ja gut. Und weißt du schon, wo die Reise hingehen soll? Hast du vielleicht wirklich deine künsterlische Ader entdeckt und möchtest dich von nun an der Malerei widmen, fufufufufu?"

"Sehr lustig", gab Crocodile augenrollend zurück. Er verfluchte Mihawk dafür, dass diesem rausgerutscht war, dass er sich als Student eine Zeit lang für Malerei interessiert hatte. Für seinen neckischen Ehemann waren solche Informationen stets ein gefundenes Fressen. "Um ehrlich zu sein, weiß ich tatsächlich schon, wie es weitergehen soll. Ich habe mir alles ganz genau überlegt."

"Ach ja?" Doflamingos Gelächter erstarb abrupt. Durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch warf er ihm einen neugierig-skeptischen Blick zu. "Und was hast du vor, Crocodile?"

"Ich möchte ein Kind", antwortete er mit ruhiger Stimme.

Plötzlich wurde es im Esszimmer so still, dass man eine Stecknadel hätte zu Boden fallen hören können. Doflamingo war normalerweise ein redseliger und schlagfertiger Mensch, den man nicht leicht mundtot bekam. Crocodile war es in all den Jahren, die sie beide sich nun kannten, höchstens drei- oder viermal gelungen. Dieses Mal mit eingeschlossen.

Die Stille wurde mit jeder Sekunde, die verging, immer drückender. Doflamingo starrte ihn einfach bloß mit offenen Mund an. Es war als hätte irgendjemand den Moment eingefroren.

Die Reaktion seines Partners begann Crocodile zu verunsichern. "Ich dachte, du würdest dich freuen", sagte er im Flüsterton, als Doflamingo immer noch kein Wort über die Lippen gebracht hatte. "Du... du, ähm, hast schließlich schon vor Jahren davon gesprochen, dass du gerne Vater werden würdest."

Hatte er sich getäuscht? Crocodile biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. War es zu voreilig von ihm gewesen seinen Job hinzuschmeißen ohne vorher mit seinem Ehemann über seine Pläne zu sprechen? Um ehrlich zu sein, war Crocodile einfach davon ausgegangen, dass Doflamingo sofort absolut begeistert sein würde. Er liebte Kinder. Nicht nur ihre Nichte Nozomi. Früher hatte er ständig mit ihm über Kinder gesprochen. Hatte sich seine Sichtweise in den letzten Jahren womöglich geändert? Plötzlich kam Crocodile sich naiv und dämlich vor, weil er bereits einen so großen Schritt gegangen war, ohne Doflamingos mögliche Einwände zu berücksichtigen.

"Ich freue mich!", stieß sein Partner plötzlich mit schriller Stimme aus. Doflamingo wedelte aufgeregt mit seinen Händen. Er stand von seinem Stuhl auf, umrundete hastig den Esstisch und stürzte sich praktisch auf Crocodile. "Natürlich freue ich mich! Oh, Crocodile! Meinst du das wirklich ernst? Du versucht nicht bloß mich zu ärgern wegen den ganzen blöden Kunst-Kommentaren?!"

"Ich meine es absolut ernst", bestätigte Crocodile, der sich mit Doflamingos plötzlichem Gefühlsausbruch ein wenig überfordert fühlte. "Ich habe mir wochenlang Gedanken gemacht und lange gezweifelt. Aber jetzt bin ich mir vollkommen sicher, dass ich gerne ein Kind haben möchte."

Doflamingo drückte seinen Ehemann so fest, dass dieser kaum noch Luft bekam. "Das ist ja Wahnsinn! Oh Mann! Wani! Baby! Du kannst dir nicht vorstellen wie glücklich du mich gerade machst! Ich glaube, ich träume! Du möchtest wirklich endlich ein Kind mit mir?!" Doflamingos Stimme, die vor Aufregung ganz schrill klang, verursachte bei Crocodile Kopfschmerzen. Er versuchte seinen Ehemann, der ihm immer noch die Luft abschnürrte, von sich zu schieben. Noch nie hatte er ihn dermaßen begeistert erlebt.

Doflamingo ließ vorerst von ihm ab, allerdings nur in physischer Hinsicht. "Wie hast du dir die Sache vorgestellt? Möchtest du gerne ein Kind adoptieren? Weißt du schon, ob du lieber einen Jungen oder ein Mädchen hättest? Oh, ich hätte so gern eine süße, kleine Tochter!" Er sprach so schnell, dass Crocodile ihn kaum verstehen konnte.

"Ich möchte unbedingt ein leibliches Kind", erklärte Crocodile seinem Ehemann.

Endlich beruhigte sich Doflamingo ein wenig. Jedenfalls wippte er nicht mehr wie verrückt mit den Füßen. Stattdessen warf er Crocodile einen neugierigen Blick zu.

"Ich möchte nicht adoptieren", meinte Crocodile. "Sondern dass eine Leihmutter mein Kind austrägt. Mir ist wichtig, dass wir blutsverwandt sind." Er hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er hinzufügte: "Es gibt nicht weit von hier entfernt eine Klinik, die sich darauf spezialisiert hat."

"Du scheinst ja schon alles genau geplant zu haben, fufufu", neckte ihn Doflamingo breit grinsend.

"Ich habe es dir doch schon gesagt: Ich habe mir viel Zeit genommen, um nachzudenken", erklärte Crocodile ihm schnippisch. "Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass für mich nur ein leibliches Kind infrage kommt. Du kannst es dann nach der Geburt adoptieren. Dann sind wir beide die Eltern."

Doflamingo zuckte mit den Schultern, ohne dass das breite Grinsen in seinem Gesicht um nur einen Millimeter schrumpfte. "Wie du magst", erwiderte er leichthin. "Du möchtest ein leibliches Kind – soll mir recht sein. Ich habe gegen ein Baby, das deine hübschen Augen erbt, nichts einzuwenden, fufufu."

"Wir wissen doch überhaupt nicht, welche meiner Attribute mein Kind erben würde", sagte Crocodile augenrollend. "Immerhin werden die Hälfte seiner Gene auch von einem anderen Menschen stammen. Vielleicht sieht es mir am Ende gar nicht wirklich ähnlich." Wenn Crocodile ganz ehrlich zu sich selbst war, dann war das eine heimliche Angst, die er hatte. Dass er womöglich ein Kind bekam, das rein gar nichts von ihm an sich hatte.

"Nozomi sieht Hancock auch sehr, sehr ähnlich", hielt Doflamingo dagegen. Er schien instinktiv zu spüren, dass seinem Ehemann dieses Thema wichtig war. "Bestimmt hast du auch so dominante Gene. Aber wenn unser Kind eben eine andere Haar- oder Augenfarbe bekommt, ist das doch auch nicht schlimm."

"Ich hätte schon gerne ein Kind, das mir ähnlich ist", gab Crocodile kleinlaut zu. "Ich meine... das ist doch einer der Gründe, wieso man überhaupt Kinder bekommt oder nicht?"

Doflamingo zuckte mit den Schultern. "Also mir ist das ganz egal", gestand er. "Natürlich hätte ich nichts dagegen, wenn... unser Kind", er sprach dieses Wort abslut ekstasisch aus, "nach dir kommt. Aber von mir aus könnten wir auch adoptieren. Mir ist Familienähnlichkeit nicht wirklich wichtig."

Crocodile senkte den Blick. Plötzlich kam er sich ziemlich mies vor, weil für ihn die genetische Verwandtschaft so eine große Rolle spielte. Doflamingo wiederum schien sich einfach bloß über die Vorstellung, mit ihm gemeinsam ein Kind großzuziehen, zu freuen. Hauptsache war doch, dass es dem Kind gut ging und es gesund war, oder nicht?

"Wenn unser erstes Kind dir nicht allzu ähnlich sieht", meinte Doflamingo und streckte ihm die Zunge raus, "bekommen wir einfach noch ein zweites. Und wenn auch unser zweites Kind nichts von dir erbt, versuchen wir es eben noch ein drittes Mal, fufufufu."

"Ich möchte ein Kind!", stellte Crocodile rasch klar, ehe sein Ehemann auf falsche Gedanken kommen konnte. "Wir sprechen hier ausschließlich von einem einzigen Kind! Nicht zwei oder drei! Eins!"

"Und wenn es Zwillinge werden? Oder sogar Drillinge?", fragte Doflamingo mit hoch gezogener Augenbraue. "Du weißt doch bestimmt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft bei künstlicher Befruchtung ziemlich hoch ist, oder?"

Ja, das hatte Crocodile auch gelesen. Trotzdem wollte er verhindern, dass Doflamingo auf eine fixe Idee kam. "Nun, dann wäre das natürlich so. Da kann man wohl kaum etwas gegen machen. Aber grundsätzlich sprechen wir hier über ein Kind!"

Schon allein bei der Vorstellung, sich um Drillinge kümmern zu müssen, brach Crocodile in Panik aus. Wie viele Windeln musste man denn dann täglich wechseln? Wie viele Fläschchen geben? Wann konnte man denn dann überhaupt schlafen? Er betete dafür, dass Doflamingo und er in den Genuss einer ganz regulären Schwangerschaft mit nur einem Kind kämen.

"Wenn du nichts dagegen hast, würde ich morgen bei der Kinderwunschklinik anrufen und einen Termin für uns ausmachen", sagte Crocodile, um wieder auf ernstere Themen zu sprechen zu kommen.

"Du willst wohl wirklich keine Zeit vergeuden", kommentierte Doflamingo seine Aussage lachend.

"Nun, ich wüsste nicht, aus welchem Grund wir warten sollten", gab Crocodile pikiert zurück. "Immerhin scheinen wir uns beide ja einig zu sein. Und außerdem dauert eine Schwangerschaft ja schließlich auch neun Monate. Ich würde also annehmen, dass wir frühestens in einem Jahr unser Kind im Arm halten könnten."

"Ich kann es kaum abwarten", hauchte Doflamingo überglücklich. "Ehrlich gesagt, Wani, warte ich nur darauf, dass ich endlich aufwache. Mir kommt das Ganze hier wie ein Traum vor. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass du deine Meinung noch mal ändern würdest. Das Thema Kinder hatte ich innerlich schon abgehakt."

"Ich habe nie explizit ausgeschlossen irgendwann mal Vater zu werden", verteidigte Crocodile seinen Sinneswandel. "Ich war nur nicht von Anfang an so begeistert wie du. Aber jetzt bin ich soweit. Es ist der richtige Zeitpunkt. Denke ich."
 

bye

sb

Verunsicherung

Am 5. September, also Crocodiles Geburtstag, hatten sie einen Termin für ein Erstgespräch in der Kinderwunschklinik. Crocodile hatte es nichts ausgemacht, als die freundliche Sprechstundenhilfe ihm ausgerechnet dieses Datum vorgeschlagen hatte. Er war sowieso kein allzu großer Freund von Geburtstagsparties und eigentlich ganz froh, auf dieser Weise dem Rummel um seinen vierzigsten Geburtstag entgehen zu können.

Doflamingo sah die Sache natürlich ganz anders. „Wir gehen heute Abend auf jeden Fall essen“, erklärte er seinem Ehemann während der Fahrt zur Klinik. „Immerhin ist es dein Geburtstag!“

Crocodile rollte mit den Augen. „Du weißt, dass mir das nicht sonderlich viel bedeutet“, gab er seufzend zurück. Doflamingo nutzte seinen eigenen Geburtstag jedes Jahr als Anlass für eine Party der Superlative, doch für Crocodile war es ein Tag wie jeder andere auch.

„Ich habe deinetwegen dieses Jahr sogar auf eine Party für dich verzichtet“, beschwerte sich Doflamingo. „Wir sollten uns wenigstens einen schönen Abend im Restaurant gönnen. Heute ist dein Geburtstag, Wani. Ich möchte dich verwöhnen.“

„Es macht auch wenig Sinn eine Geburtstagsparty für jemanden zu schmeißen, der so etwas nicht mag“, meinte Crocodile, doch davon wollte sein Partner natürlich nichts hören. „Na von mir aus können nachher wir essen gehen. Ich habe nichts dagegen.“ Damit gab Doflamingo sich dann wenigstens zufrieden.
 

Kurze Zeit später fanden sie sich in den Praxisräumen des leitenden Arztes der Klinik, Dr. Raffit, wieder. Crocodile fand den Mann gleich vom ersten Moment an unsympathisch. Er war extrem blass, dürr und schminkte seine dünnen Lippen mit dunkelrotem Lippenstift. Unwillkürlich kam ihm der Gedanke, dass Raffit wie eine ausgehungerte Version von Gecko Moria aussah. Vielleicht wurde er auch deshalb mit ihm nicht warm.

Bei diesem Gespräch ging es erst einmal darum sich zu informieren. Sie teilten Dr. Raffit ihren Wunsch mit, mithilfe einer Leihmutterschaft Crocodiles leibliches Kind austragen zu lassen. Daraufhin wurde ihnen dargelegt, wie genau eine solche in-vitro-Befruchtung ablief.

Wenn Crocodile ganz ehrlich war, dann hörte es sich ziemlich gruselig an. Natürlich hatte er sich zuvor schon zu diesem Thema eingelesen; er wurde also nicht überrascht. Trotzdem jagte es ihm einen Schauer über den Rücken, als Dr. Raffit davon sprach wie die befruchtete Eizelle in einem speziellen Kühlschrank aufbewahrt wurde, wo sie sich weiterentwickelte, ehe ein Arzt den entstandenen Embryio per Katheter in die Vagina der Frau einsetzte.

Nicht zum ersten Mal in seinem Leben dankte Crocodile Gott dafür, dass er ihn zu einem Mann gemacht hatte.

Sein Anteil bei der Zeugung des Kindes war -wie auch bei der natürlichen Variante- ziemlich gering.

„An dem Tag, an dem der Frau die Eizelle entnommen wird, um sie zu befruchten, benötigen wir Ihr Sperma“, meinte Dr. Raffit an Crocodile gewandt. „Hierfür haben Sie die Möglichkeit in speziellen Räumlichkeiten unserer Klinik zu masturbieren. Bevor die Eizelle befruchtet wird, bereiten wir die Samenflüssigkeit im Labor auf, um die Fähigkeit der Samenzellen zu verbessern. Anschließend werden die Ei- und die Samenzelle in einer Nährflüssigkeit zusammengebracht.“

Crocodile nickte bloß. Die ganze Situation war ihm ziemlich unangenehm. Es handelte sich bei ihm um eine sehr prüde Person und ihm fielen spontan eintausend Dinge ein, die er lieber tat als mit einem gruseligen Arzt über Masturbation zu sprechen.

Dafür war Doflamingo umso eifriger bei der Sache. „Wie viele Leihmütter stehen denn zur Auswahl?“, wollte er wissen.

„Derzeit verfügt unsere Klinik über mehrere hundert gebährfähige Frauen“, erklärte Dr. Raffit. „Meine Assistentin kann Ihnen nachher gerne den aktuellen Katalog mitgeben.“

„Katalog?“ Es war das erste Mal seit einer halben Stunde, dass Crocodile das Wort ergriff. „Man sucht sich die Frau in einem Katalog aus?“ Ihm hatte die Vorstellung, dass es sich beim Austragen seines Kindes um eine bezahlte Dienstleistung handelte, gefallen; trotzdem kam es ihm makaber vor, dass er sich die leibliche Mutter seines Kindes wie eine Ware im Katalog aussuchen konnte.

Dr. Raffit nickte. „Darin finden Sie nicht nur Fotos der Frauen, sondern auch Angaben zum Lebensstil, Krankheiten in der Familie und so weiter. Wir beraten Sie gerne bei der Auswahl der richtigen Kandidatin. Dafür wäre es auch sinnvoll, wenn wir ein genetisches Profil von Ihnen erstellen, Mr. Donquixote.“

„Warum denn ein genetisches Profil von mir?“, wollte Crocodile erstaunt wissen.

„Nun, um die Chancen für eine erfolgreiche Befruchtung und ein gesundes Kind zu erhöhen, ist es ratsam die genetische Kompatibiltät der beiden an der Zeugung beteiligten Personen zu prüfen“, erklärte ihm Dr. Raffit in demselben Tonfall, in dem ein Mechaniker von Ersatzteilen sprach.

Bevor Crocodile weiter darauf eingehen konnte, fragte Doflamingo: „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft? Man hört überall, dass bei künstlicher Befruchtung oft Zwillinge oder Drillinge enstehen. Wie kommt das?“

„Das liegt daran, dass der Erfolg einer in-vitro-Fertilisation grundsätzlich bei nur etwa fünfzehn bis zwanzig Prozent liegt“, antwortete Dr. Raffit mit gelassener Stimme. „Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass sich ein Embryo in der Gebärmutter der Frau weiterentwickelt und somit später zur erfolgreichen Geburt führt, werden daher in der Regel direkt zwei oder drei Embryonen eingesetzt. Es kommt daher in etwa fünf bis fünfzehn Prozent der Fälle zu Zwillings-, und in maximal drei Prozent der Fälle zu Drillingsschwangerschaften. Gerade bei Mehrlingsschwangerschaften, die über zwei Embryonen hinausgehen, besteht allerdings auch die Möglichkeit einzelne Embryonen abzutreiben, um die Entwicklung der übrigen Embryonen nicht zu beeinträchtigen.“

Crocodile spürte, dass ihm schlecht wurde. Plötzlich fragte er sich, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, per Leihmutterschaft Vater werden zu wollen. Auf einmal kam ihm die Vorstellung, stattdessen ein fremdes Kind zu adoptieren, gar nicht mehr so abwegig vor. Ein Kind, das ganz natürlich gezeugt und geboren wurde. Ohne Brutkühlschränke, Katheter und Abtreibungen von störenden Geschwisterchen.

„Aber das hängt natürlich immer von der individuellen Situation ab“, fuhr Dr. Raffit fort. „Sie sollten übrigens berücksichtigen, dass die Frauen für Mehrlingsschwangerschaften oft eine höhere Summe verlangen, weil die Belastung für den Körper natürlich deutlich höher ist. Aber das würden Sie dann mit der jeweiligen Frau ausmachen.“

„Also wird der Preis individuell ausgehandelt?“, fragte Doflamingo mit neugieriger Stimme.

Dr. Raffit nickte. „Die meisten Frauen sehen ihre Tätigkeit als Leihmutter als eine Dienstleistung“, erklärte er ihnen. „Sie vermieten sozusagen ihren Bauch. In der Regel bewegen sich die Summen zwischen zehn- und dreißigtausend Berry. Bei Mehrlingsschwangerschaften wird, wie bereits gesagt, ein Zuschlag fällig. Dieses Geld geht ausschließlich an die Frau, die das Kind austrägt. Wir als Klinik berechnen lediglich die Vorgänge, die zur erfolgreichen Befruchtung führen. Also die Entnahme der Eizelle, das Zusammenbringen von Ei- und Spermazelle, das Heranwachsen der befruchteten Eizelle im Brutkasten sowie letztendlich das Einsetzen des Embryos in den Mutterleib. Dafür werden noch einmal etwa fünfzig- bis hunderttausend Berry fällig. Abhängig von der Qualität der Spermien, des erfolgreichen Einnistens des Embryos und so weiter.“

Doflamingo nickte. Er warf seinem Ehemann, der inzwischen leichenblass geworden war und kaum ein Wort hervorbrachte, einen besorgten Blick zu. Seine grünen Augen blieben zwar hinter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen, doch Crocodile konnte seinen Blick ganz genau auf sich spüren.

„Ich denke, wir haben für heute genug gehört“, meinte er lächelnd und erhob sich. „Danke, dass Sie sich so viel Zeit für uns genommen haben, Dr. Raffit. Wir bleiben in Kontakt mit Ihnen wegen der weiteren Vorgehensweise.“

Dr. Raffit verabschiedete sie und kurze Zeit später fand Crocodile sich auf dem Ledersitz seines Mercedes C 220 BlueTEC Exclusive wieder. Sein Kopf schwirrte und ihm war schlecht. Automatisch tastete er nach der Packung Zigarren, die er in der Innentasche seines Mantels aufbewahrte.

„Das waren ziemlich viele Informationen“, sprach Doflamingo, der auf dem Beifahrersitz saß, mit sanfter Stimme. „Ich finde, das sollten wir erst einmal sacken lassen. Komm, jetzt feiern wir erst einmal deinen Geburtstag.“

„Ich würde lieber einfach nach Hause fahren“, erwiderte Crocodile matt. „Nimm es mir nicht übel, Doffy, aber ich habe absolut keinen Hunger.“
 

Anstatt in einem schicken Restaurant fanden sie sich an diesem Abend in den bequemen Korbsesseln auf ihrer Terrasse wieder. Obwohl sich der Sommer allmählich dem Ende zuneigte, war es immer noch angenehm warm. Nicht einmal Crocodile, der sehr schnell fror, trug eine Überjacke.

„Du bist ziemlich blass im Gesicht“, meinte Doflamingo mit halb besorgt, halb neckisch klingender Stimme.

„Woher willst du das wissen?“, gab Crocodile gereizt zurück. „Mit der Sonnenbrille kannst du das doch überhaupt nicht erkennen.“

Sein Ehemann schob seine Brille nach oben und offenbarte seine stechend grünen Augen. Crocodile fand, dass Doflamingo die aufmerksamen und eindringlichen Augen einer Schlange besaß. Sofort begann er sich unwohl zu fühlen.

Doflamingo nahm ihm seinen Verdruss nicht übel. „Mir ist klar, dass vieles, was Dr. Raffit heute gesagt hat, ziemlich heftig klang“, meinte er beschwichtigend. „Wir sollten das erst einmal verarbeiten, bevor wir uns an den nächsten Schritt wagen.“

„Den nächsten Schritt? Du meinst einen Katalog durchzublättern und eine Gebährmaschine auszusuchen?“, schnaubte Crocodile und scharrte mit den Füßen.

„Mal ehrlich, was hast du dir denn vorgestellt, wie das ablaufen würde?“, entgegnete sein Ehemann und verschränkte die Arme vor der Brust. “Ich finde das überhaupt nicht schlimm. Es ist wie Dr. Rafitt gesagt hat: Diese Frauen vermieten ihren Bauch. Wenn ich mir ein Auto kaufe, vergleiche ich doch auch verschiedene Modelle und suche das für mich passende aus.“

„Es geht hier aber nicht um ein Auto“, herrschte Crocodile ihn mit aufgebrachter Stimme an. „Es geht um ein Kind, verdammt noch mal! Du bist doch sonst auch eher konservativ, was diese Dinge angeht, Doffy. Hat dich denn nicht einmal geschockt, wie Dr. Rafitt über Abtreibungen gesprochen hat?“

Es war schwer zu glauben, doch bei Donquixote Doflamingo handelte es sich um einen eingeschworenen Abtreibungs-Gegner. Für ihn war ungeborenes Leben heilig. Doch nicht einmal mit diesem Argument bekam Crocodile ihn zu packen.

„Es geht um Abtreibung mit einer medizinischen Indikation“, meinte er. „Wenn das Leben der Mutter oder ungeborenen Geschwister in Gefahr ist. Das ist etwas völlig anderes als wenn man einfach aus Lust und Laune ein Kind abtreibt.“

„Stell dir mal vor die Frau, die wir uns aussuchen, wird mit Drillingen oder sogar Vierlingen schwanger. Könntest du dich ernsthaft dafür entscheiden eines der Kinder abzutreiben? Welchen Embryo würdest du auswählen? Den, der auf dem Ultraschallbild am kleinsten aussieht?“

Doflamingo senkte den Blick. „Wir könnten einfach immer nur eine einzige befruchtete Eizelle einsetzen lassen“, meinte er schließlich. „Dann gäbe es keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Mehrlingsschwangerschaft.“

„Aber die Chance, dass eine erfolgreiche Schwangerschaft zustande kommt, liegt dann nur noch bei höchstens ein Fünftel“, erinnerte Crocodile ihn.

Es war zum Haare raufen. Als ihre Blicke sich kreuzten, konnte Crocodile in den Augen seines Partners die gleiche Unsicherheit erkennen, die er selbst spürte.

„Mir wäre es lieber, wenn wir fünf Versuche brauchen, als dass wir ein Geschwisterchen abtreiben müssten“, meinte Doflamingo schließlich mit leiser Stimme. „Und für uns ist es ja auch finanziell kein Problem so viele Versuche zu bezahlen.“

„Was hat er gesagt, wie viel die Leihmutterschaft insgesamt kosten könnte? Dreißigtausend Berry für die Frau und noch einmal hunderttausend Berry für die Klinik?“

„Na und?“ Sein Ehemann zuckte mit den Schultern. „Für uns sind das doch bloß Peanuts.“

„Trotzdem...“ Crocodile senkte den Blick. „Ich meine... Das ist mehr als Mihawk für sein Haus bezahlt hat. Wie können sich denn andere Paare so eine Leihmutterschaft leisten?“

Betretenes Schweigen breitete sich zwischen ihnen beiden aus.

„Lassen wir das alles erst mal sacken“, sagte Doflamingo irgendwann und setzte sich seine Sonnenbrille wieder auf die Nase. „Die ganzen Informationen sind alle neu und schockierend für uns. Morgen denken wir vielleicht schon ganz anders über alles. Komm, wir trinken jetzt erstmal ein Glas Sekt. Immerhin ist heute dein Geburstag!“
 

Zwei Wochen lang sprach keiner von ihnen beiden mehr über ihren Besuch in der Kinderwunschklinik.

Als Crocodile von Robin, seiner langjährigen Sekretärin, gefragt wurde, warum er Toms Workers verlassen wollte, ließ er sich eine Ausrede einfallen. Anstatt „Ich möchte gerne Vater werden und mich in den nächsten Jahren auf mein Kind konzentrieren“ sagte er „Ach, weißt du, durch Doflamingo bin ich ja sowieso nicht auf mein Einkommen angewiesen und so habe ich mehr Zeit für mich.“

Selbstverständlich durchschaute sie seine Lüge sofort. Bei Robin handelte es sich zwar selbst um eine eher kühle und distanzierte Person, doch sie konnte in anderen Menschen lesen wie in einem Buch. Außerdem kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich erstens unter keinen Umständen von seinem Partner aushalten lassen würde und zweitens niemand war, der sonderlich viel Zeit für sich brauchte.

Crocodile war ein waschechter Workaholic. Es machte ihm nichts aus erst spätabends nach Hause zu kommen. Wenn gerade wenig zu tun war, suchte er sich selbst neue Aufgaben oder nahm Kollegen Arbeit ab. Mihawk scherzte manchmal, dass er seine Berufung verfehlt hatte und eigentlich als Arzt im Schichtdienst sein müsste. Vierundzwanzig Stunden am Stück arbeiten – für Crocodile wäre das kein Problem.

Natürlich kaufte Robin ihm also nicht ab, dass er Toms Workers nach über sechs Jahren verließ, weil ihm plötzlich klar geworden war, dass er eigentlich lieber ausspannen wollte.

Sie warf ihm einen teils skeptischen, teils besorgten Blick zu. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie schließlich mit leiser Stimme. „Mit Doflamingo? Und auch gesundheitlich?“

Hektisch nickte Crocodile. Das Letzte, was er wollte, war, dass Robin sich vollkommen unnötig um ihn sorgte. „Klar, es ist alles gut“, erwiderte er rasch. „Mach dir bitte keine Gedanken.“

Es wäre viel leichter, wenn er ihr einfach die Wahrheit mitteilen würde. Sicher würde sie sich freuen. Doch das brachte Crocodile nicht über sich. Wenn er schon mit Doflamingo nicht mehr über dieses Thema sprechen konnte, dann mit seiner Sekretärin erst recht nicht.

„Das sagst du so leicht“, seufzte Robin. „Mich hat dein Rücktritt völlig unvorbereitet getroffen. Es ist sehr untypisch für dich einfach deine Arbeit aufzugeben und dich auf dem Vermögen deines Ehemannes auszuruhen.“

Diese Formulierung traf Crocodile härter als er zugeben wollte. Verdammt, er ließ sich doch nicht von Doflamingo aushalten. Das enstprach überhaupt nicht seiner Vorstellung. Crocodile plante bis zur Geburt seines Kindes berufstätig zu bleiben und seinen Nachfolger auszubilden. Und wenn sein Sohn oder seine Tochter auf der Welt war, würde er mit der Säuglingspflege mehr als genug um die Ohren haben. Crocodile hatte damals bei Hancock und Nozomi mitbekommen, was es bedeutete, sich um ein kleines Baby zu kümmern. Man hatte kaum eine freie Minute.
 

Trotzdem beschäftigte ihn Robins Aussage den ganzen restlichen Tag lang.

Abends, als er gemeinsam mit Doflamingo im Fitness-Studio trainierte, fragte er: „Sag mal, Doffy, wie hast du dir eigentlich später die Betreuung unseres Kindes vorgestellt?“ Er bemühte sich um einen bewusst locker und unverfänglich klingenden Tonfall.

„Keine Sorge“, meinte Doflamingo ohne das Training mit seiner Kurzhantel zu unterbrechen, „ich habe dir doch schon gesagt, dass ich kein Problem damit habe, wenn unser Kind in einen Kindergarten geht. Mir ist klar, dass du kein schnöseliges, verzogenes Gör als Sohn oder Tochter haben möchtest.“

„Und wann soll unser Kind in den Kindergarten gehen?“

Doflamingo setzte eine verdutzte Miene auf. „Startet man nicht mit dem Kindergarten, wenn man drei ist?“

„Drei“, wiederholte Crocodile gedankenverloren.

„Warum fragst du?“, wollte Doflamingo wissen und legte seine Hantel weg.

„Nun ja...“ Crocodile räusperte sich. „Ich überlege einfach nur, wie wir die ersten Jahre gestalten werden. Es gibt heutzutage ja doch ziemlich viele verschiedene Möglichkeiten.“

„Ehrlich gesagt, bin ich davon ausgegangen, dass du nach der Geburt Zuhause bleibst und dich um unser Kind kümmerst, während ich arbeite“, meinte sein Ehemann. „Deswegen hast du doch schon mit Franky abgemacht, dass du Toms Workers verlassen wirst.“

„Wenn wir unser Kind mit drei Jahren in den Kindergarten schicken, dann bedeutet das, dass ich drei Jahre lang kein Geld verdienen werde.“

„Ja und?“ Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. „Ich weiß ja nicht, ob es dir irgendwann mal aufgefallen ist, aber: Ich bin stinkreich. Also was soll`s, wenn du drei Jahre lang ohne Arbeit bist.“

„Ich habe immer mein eigenes Geld verdient“, erklärte Crocodile ihm. Seufzend ließ er sich neben Doflamingo auf der Hantelbank nieder. „Es wäre ein komisches Gefühl jahrelang nur von deinem Vermögen zu leben.“

„Jetzt mach mir bloß keine Vorwürfe“, sagte Doflamingo plötzlich mit gereizter Stimme. „Du bist derjenige von uns beiden, der von heute auf morgen beschlossen hat, dass er ein Kind möchte und dafür seinen Job hingeschmissen hat. Das ist nicht meine Idee gewesen!“

Crocodile glaubte sich verhört zu haben. „Aber du möchtest doch auch Vater werden“, hielt er zornig dagegen. „Du liegst mir schon seit Jahren damit in den Ohren, dass du gerne ein Kind hättest!“

„Das meine ich doch gar nicht.“ Beschwichtigend hob Doflamingo die Hände. „Natürlich wünsche ich mir ein Kind. Aber tu nicht so als hätte ich verlangt, dass du dafür mit deiner Arbeit aufhörst. Das hast du ganz allein entschieden. Von mir aus können wir auch eine Nanny einstellen und du behältst deine Stelle bei Toms Workers. Franky würde sich bestimmt freuen.“

„Nein, nein.“ Crocodile schüttelte den Kopf. Die Vorstellung, dass eine Nanny sich die meiste Zeit um sein Kind kümmerte, während er sich mit der Planung für die nächste Messe herumschlug, behagte ihm gar nicht. „Ich möchte mich doch gerne um mein Kind kümmern!“

„Und was ist dann dein Problem?“ Doflamingo starrte ihn an als hätte er eine Schraube locker. „Du hast doch ganz unkompliziert die Möglichkeit Zuhause zu bleiben und unser Kind zu betreuen. Bis es dann mit drei in den Kindergarten geht. Also ist doch alles okay.“

„Mir ist klar, dass für uns diese Situation grundsätzlich kein Problem darstellen würde“, herrschte Crocodile seinen Partner genervt an. „Es... es wäre einfach nur irgendwie ein komisches Gefühl. Du weißt, dass ich es nicht mag auf andere Menschen angewiesen zu sein.“

Unwillkürlich huschte sein Blick zu seiner Hand-Prothese auf der linken Seite. Er trug sie nicht gerne; die Prothese fühlte sich für ihn wie ein Fremdkörper an. Doch beim Sport war er auf sie angewiesen, wenn er sich nicht mit zwei ungleich trainierten Seiten herumschlagen wollte.

„So sehe ich das nicht“, meinte Doflamingo und drückte zärtlich seine Hand. „Wir beide sind ein Team. Als Eltern erst recht. Jeder von uns trägt seinen Teil bei. Wir sollten das nicht gegeneinander aufwiegen.“

„Klar“, erwiderte Crocodile augenrollend. „Du scheffelst eine Millionen nach der nächsten, während ich unserem Baby das Fläschchen gebe. Das sind zwei Tätigkeiten, die sich wirklich ganz einfach vergleichen lassen.“

„Du solltest endlich aufhören alles gegeneinander aufzurechnen“, ermahnte sein Ehemann ihn.

„Ich rechne nicht alles gegeneinander auf“, verteidigte sich Crocodile sofort murrend, obwohl er wusste, dass Doflamingo nicht Unrecht hatte.

„Du bist der schlimmste Erbsenzähler, den ich kenne“, neckte dieser ihn lachend. „Hast du dich nicht eben erst beschwert, weil du beim Bankdrücken zehn Kilo weniger als ich geschafft hast?“

„Das ist auch total unfair!“ Crocodile verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hattest doch letztens einen Muskelfaserriss in der Brust! Eigentlich dürftest du gar nicht so viel drücken können!“

„Mach dir nichts draus, Baby.“ Doflamingo hauchte ihm einen Kuss entgegen. „Dafür schlägst du mich bei die den Cablecurls. Ich glaube, du hast inzwischen sogar einen dickeren Bizeps als ich. Es zahlt sich wirklich aus, dass du angefangen hast mit einer Prothese zu trainieren. So kannst du viel effektiver deine Armmuskulatur formen.“

Crocodile warf einen unwilligen Blick auf seine Prothese. Doflamingo hatte durchhaus Recht, doch trotzdem war ihm nicht wirklich wohl mit seiner Ersatzhand. Noch immer fühlte sie sich für ihn kalt und fremd an. Er trug sie bloß beim Sport und legte sie danach so schnell wie möglich wieder ab. Crocodile hatte sich fünfzehn Jahre lang ohne linke Hand arrangiert; er sah keinen Sinn darin sich nun plötzlich an eine Prothese zu gewöhnen.

„Früher hast du mal gesagt, dass du gar nicht so sehr auf muskulöse Männer stehst“, merkte Crocodile amüsiert an.

„Das war wohl, bevor ich dich mit diesen sexy Arm- und Brustmuskeln gesehen habe“, erwiderte Doflamingo achselzuckend. „Aber wenn du irgendwann mal keine Lust mehr auf Sport haben solltest, wäre das auch kein Weltuntergang.“ Er hielt kurz inne, bevor er neckisch grinsend hinzufügte: „Wusstest du eigentlich, dass viele Männer sich selbst auch einen Bauch stehen lassen, wenn ihre Frau ein Kind erwartet? Mal abwarten, Wani: Vielleicht wirst du ja auch umso moppeliger, je näher der Tag der Geburt rückt.“

„Pah!“ Am liebsten würde Crocodile seinem Ehemann eins mit seiner Hantel überbraten. Stattdessen begnügte er sich mit einem Stoß in die Rippen, über den Doflamingo nur lachte.
 

Die halbe Nacht lang lag Crocodile wach. Immer wieder schwirrten ihm Robins und Doflamingos Worte durch den Kopf. Und mal schmerzte sein Herz bei dem Gedanken sich von seinen Ehemann aushalten zu lassen und mal bei der Vorstellung, dass sich eine Nanny den ganzen Tag um sein Kind kümmerte und er es nur spätabends zu Gesicht bekam. Bei Crocodile handelte es sich um einen Perfektionisten und es machte ihn wahnsinnig, dass es keine perfekte Lösung zu geben schien.

Und wenn er nur ein paar Stunden in der Woche arbeiten würde? Vielleicht könnten sie jemanden einstellen, der sich ein oder zwei Tage in der Woche um sein Kind kümmerte?

Oder sie suchten eine nette Krippe, die sein Sohn oder seine Tochter vormittags besuchen könnte? Crocodile wusste, dass seine Nichte Nozomi mit einem Jahr in die Krippe gegangen war. Hin und wieder hatten Doflamingo und er sie dort abgeholt. Nozomi war in eine kleine Gruppe mit neun oder zehn anderen Kleinkindern gegangen und auch die Erzieherinnen hatten einen sehr freundlichen Eindruck gemacht.

Aber welcher Arbeit könnte er in dieser Zeit dann nachgehen? Crocodile legte die Stirn in Falten. Als Manager arbeitete man nicht Teilzeit. Das war einfach nicht möglich. Man trug eine unheimlich große Verantwortung. Ständig wollten Leute ihn sprechen, weil seine Meinung, sein Okay, sein Ratschlag gefragt war. Präsenz war Pflicht; nicht nur bei der Messe selbst, sondern auch bei zahlreichen Meetings. Als Manager konnte man nicht einfach um vierzehn Uhr nach Hause gehen. Das ging schlicht und ergreifend einfach nicht.

Unruhig ließ Crocodile die Finger seiner rechten Hand über das Bettlaken kreisen.

Außerdem hatte er mit Franky bereits ausgemacht, dass ihn ein Nachfolger ablösen würde. Sie hatten sogar schon die Stellenanzeige aufgegeben. Vielleicht könnte er ja dem neuen Manager von Toms Workers zur Hand gehen? Ein oder zwei Tage in der Woche in sein Büro fahren und...

...und dann sehen, dass ein anderer Mann hinter seinem Schreibtisch saß. Dass seine Sekretärin Robin mit jemand anderem wichtige Zahlen durchging. Und was tat er dann währenddessen? Arbeitete im Vorzimmer ein paar Unterlagen durch?

Bei dieser Vorstellung drehte sich Crocodile der Magen um. Nein, das war nicht sein Stil. Er war jemand, der sich einer Sache zu 100% verschrieb. Nur halb zu arbeiten, sich nur um weniger wichtige Dokumente und Aufgaben zu kümmern, das war für ihn nicht machbar.

Crocodile wischte sich mit der rechten Hand ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, während er mit den Fingern seiner linken Hand auf der Matratze herumklopfte.

Vielleicht war es doch klüger sich in den ersten Jahren vollkommen auf seinen Sohn oder seine Tochter zu konzentrieren. Wer wusste denn schon, ob er überhaupt das Glück hatte ein pflegeleichtes Kind zu bekommen? Bei seiner Recherche im Internet hatte Crocodile herausgefunden, dass es auch sogenannte Schreibabies gab. Da wäre er sich dankbar für jede Minute, die sein Kind schlief, und wollte sich nicht gleichzeitig noch mit einem Job, auf den er nicht einmal wirklich angewiesen war, herumschlagen.

Ob sein Sohn oder seine Tochter ein fröhlicher Säugling sein würde? Hm. Bestimmt hing es auch davon ab, wie oft das Kind krank würde und wann die ersten Zähne kämen.

Crocodile wusste nicht, ob er selbst ein pflegeleichtes Baby gewesen war. Seine Eltern konnte er schlecht fragen, denn zu ihnen hatte er schon seit über zwanzig Jahren keinen Kontakt mehr. Vielleicht könnte ihm aber Mihawk etwas über seine Säuglingszeit erzählen. Immerhin war sein Bruder fünf Jahre älter als er.

Gedankenverloren trommelte Crocodile mit den Fingern seiner beiden Hände auf der Matratze herum. Er musste Mihawk unbedingt mal darauf ansprechen, wenn er ihn das nächste Mal....

Moment mal?! Beide Hände?!

„Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!“ Als hätte jemand mit einem Messer auf ihn eingestochen, schrie Crocodile plötzlich auf. Panisch richtete er sich im Bett auf und starrte auf seine Hände. Beziehungsweise auf eine Hand und einen Armstumpf.

„Crocodile?“ Offenbar hatte er mit seinem Geschrei Doflamingo aufgeweckt. Besorgt setzte sich sein Ehemann ebenfalls auf und wischte sich mit dem Handrücken über die müden Augen. „Was ist los?“

Crocodile beachtete ihn überhaupt nicht. Wie gebannt starrte er auf seinen Armstumpf auf der linken Seite. Sein Arm endete knapp vor dem Handgelenk. Schon seit etwa fünfzehn Jahren verfügte er über keine linke Hand mehr. Und doch... konnte er seine Finger spüren. Crocodile beugte seiner Finger und fühlte die Bewegung ganz deutlich ebenso auf der linken wie auf der rechten Seite.

Es war ein … außerirdisches Gefühl. Crocodile konnte seine linke Hand nicht sehen. Er wusste, dass sie nicht da war. Sie war vor fünfzehn Jahren zerschmettert worden zwischen einer Felswand und dem Heck eines Volvos. Und doch war er dazu in der Lage seinen Daumen nacheinander gegen die Spitzen der anderen Finger zu drücken. Er fühlte die Berührung ganz genau. Sie war absolut real.

„Crocodile?“ In Doflamingos Stimme war keine Spur von Müdigkeit mehr zu vernehmen. „Was ist passiert? Ich habe dich schreien gehört... Hast du... einen Krampf oder sowas?“

„Ich kann meine Finger spüren“, erwiderte Crocodile mit ruhiger Stimme. Er deutete mit dem Kopf auf seinen Armstumpf auf der linken Seite.

Doflamingo schaltete sofort. „Phantomschmerzen?“ Panisch schloss er Crocodile in seine Arme und redete beruhigend auf ihn ein. „Keine Sorge, alles wird gut! Das hört sicher gleich wieder auf! Es sind... es sind keine echten Schmerzen, okay? Versuch einfach... versuch einfach...“

„Es tut nicht weh“, unterbrach Crocodile seinen Partner rasch.

Doflamingo warf ihm einen überraschten Blick zu und hörte auf ihn zu erdrücken. „Tut nicht weh?“, wiederholte er und musterte skeptisch Crocodiles Armstumpf.

Crocodile nickte und noch während er seinen Kopf bewegte, verschwand das Gefühl aus seinen Fingerspitzen wieder. „Jetzt... jetzt ist es weg“, murmelte er. Er wusste nicht so recht, ob er froh oder enttäuscht sein sollte. Es war ein Gefühl wie aus einer anderen Welt.

„Aber du hast doch geschrieen“, meinte Doflamingo plötzlich. „So hab ich dich noch nie schreien hören! Verdammt, Crocodile, du musst vor mir nicht einen auf starken Mann machen...“

„Ich habe mich erschrocken“, erklärte er seinem Ehemann. „Deswegen habe ich geschrieen. Ich habe gar nicht gemerkt gehabt, dass ich alle meine Finger bewegen kann.“

„Und... du konntest deine Hand so richtig fühlen?“ Doflamingo erweckte einen teils neugierigen, teils besorgten Eindruck.

„Nun, meine Finger“, antwortete Crocodile. „Ich habe mit ihnen auf der Matratze herumgetrommelt.“

„Und es hat nicht wehgetan? Überhaupt nicht?“

Crocodile schüttelte den Kopf. „Es war mehr wie ein Kribbeln“, versuchte er ihm das Gefühl zu beschreiben.

„Aber es heißt doch Phantomschmerzen, nicht Phantomkribbeln!“

Crocodile zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, dass Shanks früher große Probleme mit Phantomschmerzen gehabt hat. War wohl ziemlich übel. Deswegen hat er sich auch eine Prothese zugelegt. Aber manchmal hat er auch einfach nur ein Kribbeln oder Zucken gespürt, hat er mir mal gesagt.“

Doflamingo biss sich auf die Unterlippe. „Was machen wir jetzt?“, fragte er schließlich mit leiser Stimme. „Meinst du, wir sollten zum Arzt gehen und das untersuchen lassen?“

Crocodile zog eine Augenbraue hoch. „Was will man da untersuchen? Meine Hand ist weg. Da gibt es nicht viel zu untersuchen.“

„Es gibt Therapiemöglichkeiten“, erklärte ihm Doflamingo. „Ich habe mich mal mit Shanks darüber unterhalten. Das Tragen einer Prothese soll gegen Phantomschmerzen helfen. Und es gibt auch bestimmte Wahrnehmungstrainings...“

„Das klingt ein bisschen als würden wir mit Kanonen auf Spatzen schießen. Es ist doch überhaupt nichts Schlimmes passiert. Ich meine... es ist komisch... aber es war nicht schlimm.“

„Dieses Mal“, hielt sein Ehemann dagegen. „Und beim nächsten Mal? Wenn es wirklich schlimme Schmerzen sind?“

„Wir wissen doch überhaupt nicht, ob es ein nächstes Mal geben wird“, erwiderte Crocodile augenrollend. „Die Amputation meiner Hand ist fünfzehn Jahre her und ich hatte vorher noch nie irgendwelche Probleme mit Phantomschmerzen. Bestimmt ist das eine einmalige Sache gewesen.“

„Du solltest trotzdem zur Sicherheit öfter deine Prothese tragen“, meinte Doflamingo. „Es ist erwiesen, dass das gegen Phantomschmerzen hilft...“

Crocodile verzog das Gesicht. „Du weißt, dass ich meine Prothese nicht mag“, hielt er dagegen. Er trug sie wirklich nur dann, wenn es unbedingt notwendig war, zum Beispiel beim Sport. Ohne Prothese konnte er keine Hanteln greifen. Und es war natürlich Unfug nur eine Körperseite zu trainieren.

„Schreckliche Schmerzen an deinem Armstumpf wirst du sicher noch weniger mögen“, erwiderte sein Ehemann zähneknirschend.

Crocodile verzog den Mund. Unwillig erinnerte er sich daran wie Shanks ihm einmal von seinen Schmerzen erzählt hatte. Es war wohl wirklich ziemlich schlimm gewesen und das, obwohl er hart im nehmen war. Um ehrlich zu sein, war Crocodile nicht gerade erpicht daran auch so eine Erfahrung zu machen. Für seinen Geschmack hatte er in seinem Leben bereits genug unschöne Erfahrungen mit Schmerzen sammeln müssen.

„Also gut“, seufzte er schließlich. „Ich werde versuchen daran zu denken meine Prothese zu tragen...“
 

Anderen Menschen kam es wahrscheinlich komisch vor im Alltag mit nur einer Hand auskommen zu müssen. Crocodile, der seit Jahren daran gewöhnt war, fand es komisch plötzlich zwei Hände zu haben.

Heutzutage gab es Prothesen, die wie echte Gliedmaßen funktionierten. Elektroden erfassten die Kontraktionen der Muskeln im Armstumpf und übersetzten sie in Bewegungen. Im Grunde verfügte Crocodile also über eine Roboterhand.

Für einige Leute war das sicher eine gute Lösung. Aber Crocodile hatte sich an sein Leben mit nur einer Hand gewöhnt und fühlte sich daher äußerst unwohl. Früher, kurz nach seinem Motorradunfall, hatte er es mal mit einer Prothese versucht gehabt. Aber das war viele Jahre her und damals war die Technik noch nicht so weit wie heute gewesen. Er hatte seine Ersatzhand immer als einen Fremdkörper wahrgenommen und schnell darauf verzichtet.

Am Anfang war es natürlich sehr hart gewesen. Oft genug war er an simplen Dingen gescheitert. Crocodile konnte sich noch gut daran erinnern, wie schrecklich frustrierend die erste Zeit nach der Amputation gewesen war. Auf einmal hatte er viele Dinge ganz neu lernen müssen. Wie ein Kind musste er üben sein Hemd zuzuknöpfen, sein Bett zu beziehen, sein Halstuch umzubinden... Er war sich absolut unfähig und nutzlos vorgekommen.

Doch inzwischen kam Crocodile gut zurecht. Er brauchte keine Hilfe, schaffte alles allein. Mit der Tastur war er sogar schneller als seine Sekretärin Robin, obwohl er logischerweise nur halb so viele Finger zum Tippen zur Verfügung hatte.

Umso größer war daher die Verwunderung seiner Arbeitskollegen, als er die nächsten Tage immer mit Prothese im Büro erschien.

„Du siehst aus wie ein Cyborg“, witzelte Kiwi, während sie ihm ein paar Dokumente überreichte.

Crocodile rollte mit den Augen. Es bestand die Möglichkeit eine Prothese so anfertigen zu lassen, dass man sie für ein echtes Gliedmaß hielt. Hautfarbe, Körperbehaarung, Fingernägel... Alles ließ sich individuell anpassen. Crocodile jedoch fand das ziemlich makaber. Seine Handprothese war naturbelassen, sah also aus wie eine Roboterhand. Was sie ja letztendlich auch war. Er sah nicht ein, wieso er daraus ein Geheimnis machen sollte.

„Ich hatte letztens das erste Mal Phantomschmerzen“, meinte er seufzend und blätterte durch eine Bewerbung, die heute bei Toms Workers eingegangen war. „Deswegen muss ich die blöde Prothese tragen.“

Kiwi warf ihm einen verwunderten Blick zu. „Prothesen helfen gegen Phantomschmerzen? Das wusste ich gar nicht.“

„Man versucht im Grunde sich selbst auszutricksen“, erklärte er ihr. „Phantomschmerzen entstehen, weil die abgetrennten Nervenzellen Falschmeldungen weitergeben. Durch das Tragen einer Prothese wird den Nerven vorgegaukelt, dass das Körperteil noch existiert, damit sie diese Rückmeldung auch ans Gehirn geben.“

„Wow.“ Beeindruckt musterte Kiwi seine Prothese. „Das ist ja Wahnsinn!“

Crocodile zuckte mit den Schultern. „Jedenfalls muss ich mich jetzt mit diesem Ding rumschlagen.“ Er hob seine linke Hand und wackelte mit den Fingern.

„Aber es ist doch toll, dass du eine Prothese hast!“, hielt seine Arbeitskollegin dagegen. „Jetzt hast du wieder zwei Hände. Wie früher. Ich wusste gar nicht, dass es solche Roboterhände gibt. Das sieht ja fast so aus als hättest du eine ganz normale, linke Hand.“

„Ich komme auch mit nur einer Hand gut zurecht“, erwiderte Crocodile pikiert. Ihm gefiel nicht, welche Richtung dieses Gespräch einschlug.

„Weiß ich doch“, meinte Kiwi und winkte ab. „Trotzdem ist es unglaublich, wozu die Technik und die Medizin heutzutage in der Lage sind. Auf diese Weise können Menschen, die ein Körperteil verloren haben, ein ganz normales Leben führen.“

Ich führe auch ohne Prothese ein ganz normales Leben, wollte Crocodile erwidern, doch er biss sich selbst auf die Zunge. Vermutlich hatte es überhaupt keinen Zweck mit Kiwi darüber zu diskutieren. Sie sah in seiner Prothese offenbar eine Art Heilung. Und wer könnte schon etwas dagegen haben geheilt zu werden?
 

Zuhause legte Crocodile seine Prothese sofort ab. Es war ein gutes Gefühl sie los zu sein. Als dürfte er am Ende eines langes Weges endlich seinen schweren Rucksack absetzen.

Doflamingo wiederum war damit nicht zufrieden. „Du solltest sie wieder anlegen“, meinte er, als er die Roboterhand auf der Kommode im Flur liegen sah.

„Ich habe sie die ganze Zeit auf der Arbeit angehabt“, verteidigte Crocodile sich. „Ich brauche mal ein bisschen Pause. Schließlich kann ich dieses Ding nicht den ganzen Tag tragen!“

„Und was genau hält dich davon ab?“, wollte sein Ehemann mit nörgliger Stimme wissen. Er ließ sich neben ihm auf dem Sofa nieder und hielt ihm seine Prothese hin.

„Du weißt, dass ich sie nicht gerne trage.“ Crocodile verschränkte die Arme vor der Brust und wandte sich demonstrativ von der Prothese ab, die Doflamingo auffordernd vor ihm hin- und herwedelte.

„Aber sie hilft dabei dich vor Phantomschmerzen zu schützen“, entgegnete er. „Also leg sie bitte wieder an!“

„Es ist ja wohl meine Entscheidung!“, zischte Crocodile. Ihn begann das Gespräch mit Doflamingo jetzt schon anzunerven. Warum konnte er ihn nicht einfach in Ruhe lassen?

„Du bist unvernünftig“, hielt sein Partner ihm vor. „Verdammt, Crocodile! Weißt du eigentlich wie schlimm Phantomschmerzen sein können? Ich habe mich dazu eingelesen. Manche Leute schreiben, dass sie sich wie Messerstiche oder Quetschungen anfühlen! Ich möchte nicht, dass du eines nachts anfängst zu schreien, weil du solche Schmerzen hast!“

„Warum glauben eigentlich alle Leute, dass sie besser über diese Dinge Bescheid wissen als ich?!“ Aufgebracht erhob Crocodile sich und schlug Doflamingo die Prothese aus der Hand. Er konnte spüren, dass sich heiße Wut ausgehend von seinem Magen in seinem ganzen Körper ausbreitete. „Ich bin derjenige hier, der keine Hand mehr hat! Und ob du es glaubst oder nicht: Ich kann für mich selbst entscheiden! Du hast überhaupt kein Recht dich in diese Angelegenheit einzumischen!“

„Ich bin dein Ehemann!“, erwiderte Doflamingo nicht minder zornig. Auch er erhob sich und baute sich vor Crocodile auf. „Ich möchte, dass es dir gut geht! Verdammt! Du tust so als würde ich dir etwas Schlechtes wollen! Mir ist bewusst, dass du deine Prothese nicht gerne trägst. Aber ich finde, sie ist das geringere Übel!“

„Du weißt nicht wie es ist den ganzen Tag mit dieser Roboterhand durch die Gegend zu laufen!“ Crocodiles Stimme war laut und vor Wut ganz verzerrt. Anklagend zeigte er auf die am Boden liegende Prothese. „Es ist... als müsste man... man...“ Crocodile fiel es schwer die richtigen Worte zu finden. „Alle erzählen mir wie toll so eine Prothese ist! Wie nützlich! Hilfreich! Aber ich brauche keine Hilfe! Dieses Ding zu tragen... Ich meine... Es ist doch nichts an mir kaputt! Ich brauche kein verdammtes Ersatzteil!

Doflamingo setzte eine Miene auf als hätte ihn jemand in den Magen geboxt. „Natürlich ist nichts an dir kaputt“, sagte er im Flüsterton. Seine Stimme war so leise, dass Crocodile sie kaum hören konnte. „Du bist nicht... Das ist doch...“ Offenbar fiel es Doflamingo ebenso schwer wie ihm seine Empfindungen auszudrücken. „Darum geht es doch gar nicht! Nichts an dir muss ersetzt werden!“

„Diese beschissene Prothese ist ein Ersatzteil!“ Crocodile blieb beharrlich bei seinem Standpunkt. „Und das brauche ich nicht! Ich habe keine linke Hand mehr und damit komme ich super zurecht!“

„Das weiß ich doch“, meinte sein Ehemann. Doch er wäre nicht Donquixote Doflamingo, wenn er diese Sache hinnehmen und nun einfach auf sich beruhen lassen würde. „Du bist perfekt, so wie du bist. Ich habe mich in dich verliebt, ohne linke Hand. Um ehrlich zu sein, kann ich mir dich anders gar nicht vorstellen. Ich finde es immer seltsam, wenn du auf alten Fotos mit beiden Händen zu sehen bist. Aber das ist nicht der Punkt! Du hast mir letztens wirklich Angst eingejagt. Ich möchte einfach auf keinen Fall, dass ich dich eines Tages vor Schmerzen schreien höre!“

„Was weißt du denn schon von Schmerzen?!“ Zur Wut in Crocodiles Magen gesellte sich Verzweiflung. Mit bitterer Stimme wandte er sich an seinen Ehemann. „Du hast überhaupt keine Ahnung, was echte Schmerzen sind! Du weißt rein gar nichts! Ich habe Schmerzen gefühlt, als meine Hand zu Brei zerdrückt wurde! Das kannst du dir in deinen allerschlimmsten Alpträumen nicht vorstellen! Ich habe keine Angst vor irgendwelchen beschissenen Phantomschmerzen! Ich bin ein Kämpfer! Also jetzt hör gefälligst auf damit mich mit dieser verdammten Prothese zu nerven!“

Crocodile drehte sich um und verließ das Wohnzimmer, ehe Doflamingo die Gelegenheit bekam sich zu sammeln und ihm irgendetwas entgegenzusetzen. Im Vorbeigehen verpasste er der Prothese noch einen Tritt, sodass diese laut scheppernd gegen die gegenüberliegende Vitrine krachte und einen Sprung im Glas verursachte.
 

Ihr Termin mit Dr. Raffit war inzwischen über einen Monat her.

„Ich möchte dich nicht unter Druck setzen“, meinte Doflamingo, als sie an einem Samstagnachmittag in Spiders Cafe zusammensaßen. „Aber wenn wir nicht langsam mal Nägel mit Köpfen machen, bist du demnächst deine Arbeit los, ohne dass ein Kind in Aussicht ist. Oder hast du dir die ganze Sache auf einmal anders überlegt?“

Crocodile schüttelte mit dem Kopf. „Du weißt genau, dass ich kein sprunghafter Mensch bin“, engegnete er und nippte an seinem Wasserglas. „Wenn ich mir etwas vornehme, ziehe ich das auch durch. Also mach dir keine Sorgen, dass ich meine Meinung zu diesem Thema plötzlich ändern könnte.“

„Sehr gut.“ Doflamingos Stimme klang erleichtert. Zwar kannte er ihn nach sechs Jahren Ehe gut genug, um ihn richtig einschätzen zu können. Trotzdem schien sein Partner sich Sorgen gemacht zu haben. „Also machen wir bald den nächsten Termin mit Dr. Raffit aus? Wenn ich alles richtig verstanden habe, müssen wir erst mal deine Genetik untersuchen lassen und dann eine passende Leihmutter auswählen.“

„Ich denke, da ist nichts gegen einzuwenden“, murmelte Crocodile.

„Du hörst dich ja nicht gerade begeistert an. Keine Sorge, Wani, es dauert noch, bis du in einen kleinen Plastikbecher wichsen musst, fufufufufu“, neckte ihn Doflamingo.

Crocodile spürte augenblicklich, dass seine Wangen sich rot zu färben begannen. Natürlich war Doflamingo absolut klar, dass für seinen prüden Ehemann dieser Teil ihres Vorhabens besonders unangenehm war. Bisher hatte Crocodile die Vorstellung, dass er in irgendeinem nach Desinfektionsmittel stinkenden Praxisraum auf Kommando masturbieren sollte, immer weit von sich geschoben und sich bemüht nicht darüber nachzudenken.

Rasch versuchte er das Thema zu wechseln. „Worauf legst du bei der Leihmutter wert?“, wollte er von seinem Ehemann wissen. „Gibt es für dich irgendwelche No-gos?“

„Hmmmm.“ Doflamingo legte die Stirn in Falten und nahm sich tatsächlich einen Moment Zeit, um über seine Frage nachzudenken. „Eigentlich gibt es für mich nicht wirklich viele Ausschlusskriterien“, meinte er schließlich achselzuckend. „Also, sie sollte natürlich zu deinem genetischen Profil passen, um Erbkrankheiten und so weiter zu verhindern. Das ist natürlich klar. Ansonsten fände ich es gut, wenn sie uns beiden halbwegs ähnlich sehen würde. Eine Frau mit sehr dunkler Haut oder Locken zum Beispiel würde ich eher ausschließen.“

„Vielleicht gibt es in der Kartei ja eine Frau mit blonden Haaren und grünen Augen“, mutmaßte Crocodile. „Wenn unser Kind mir nicht sonderlich ähnlich sieht, würde es ja dann alternativ zumindest eine zu dir passende Haar- oder Augenfarbe erben.“

Diese Aussage ließ Doflamingo in lautes Gelächter ausbrechen.

„Was ist los?“, wollte Crocodile sofort wissen und warf seinem Ehemann einen verärgerten Blick zu. „Du hast doch eben selbst gesagt, dass du eine Leihmutter, die ganz anders als wir aussieht, ausschließen würdest!“

„Ach, eigentlich ist nichts dramatisches“, meinte Doflamingo prustend. „Es ist nur so, dass doch überhaupt niemand meine Augenfarbe mit der meines Kindes vergleichen könnte. Oder was glaubst du wie viele Menschen es gibt, die wissen, dass ich grüne Augen habe?“

Damit hatte er natürlich nicht Unrecht. Sein Partner setzte seine heiß geliebte Sonnenbrille nur in ganz wenigen Situationen ab. Wenn er ein ernstes Thema mit ihm besprechen musste zum Beispiel. Oder beim Sex. Ansonsten trug Doflamingo sie auch im Winter und in geschlossenen Räumlichkeiten.

„Ich frage mich“, sagte Crocodile und legte den Kopf schief, „ob wenigstens Mihawk und Hancock dich jemals ohne deine Sonnenbrille zu Gesicht bekommen haben.“

Doflamingo grinste breit. „Ich würde mal behaupten, dass es außer dir nicht mehr als drei Leute gibt, die sicher sagen können, welche Augenfarbe ich habe, fufufufu.“

„Da fühle ich mich aber geehrt“, erwiderte Crocodile spöttisch. „Warum machst du daraus eigentlich so ein großes Geheimnis? Es ranken sich ja doch einige Gerüchte um deine Augen. Bevor wir beide ein Paar geworden sind, hat man mir sogar erzählt, dass du zwei verschiedene Augenfarben hättest.“

Doflamingo lache leise. „Ich halte es nicht wirklich geheim“, erklärte er ihm schießlich mit unverfänglich klingender Stimme. „Ich liebe einfach bloß meine Sonnenbrille.“

„Bist du eigentlich deswegen immer so gut drauf? Weil du buchstäblich alles durch eine rosarote Brille siehst?“

„An diesen Effekt habe ich mich längst gewöhnt“, meinte sein Ehemann und winkte ab. „Inzwischen kommt es mir sogar komisch vor, wenn ich auf einmal wieder alle Farben und helles Licht wahnehmen kann. Für mich ist meine rosarote Welt ganz alltäglich.“

„Und wie fandest du mich, als du mich das erste Mal ohne deine Sonnenbrille gesehen hast?“, fragte Crocodile neugierig. „Hat dich irgendetwas überrascht?“

Dazu war es gekommen, als sie beide das allererste mal intim miteinander geworden waren. Crocodile konnte sich noch genau daran erinnern, wie gebannt er von den stechend grünen Iridien seines Partners gewesen war. Er war gar nicht dazu in der Lage gewesen seinen Blick abzuwenden.

„Mich haben deine Augen überrascht“, sagte Doflamingo schließlich. „Ich habe noch nie vorher Augen mit einer Farbe wie Bernstein gesehen.“

„Hellbraun“, korrigierte Crocodile seinen Ehemann. „Sie sind einfach nur hellbraun.“

„Und mich hat auch überrascht wie blass du bist“, fuhr er lachend und ohne auf seinen Einwand einzugehen fort. „Wie ein Gespenst. Wahrscheinlich sieht man deswegen die Röte in deinem Gesicht immer gleich so deutlich.“

Wie auf Kommondo spürte Crocodile, dass Doflamingos Worte ihm die Schamesröte ins Gesicht trieben. Sogar seine Ohren fühlten sich warm an. Sein Ehemann brach erneut in schallendes Gelächter aus.

„Ich bin schon wirklich sehr gespannt, welche deiner Eigenschaften unser Kind erben wird. Vielleicht bekommt es ja auch so blasse Haut wie du. Und die Chance, dass die Augen unseres Sohn oder unserer Tochter blau sein werden, ist auch ziemlich hoch. Bestimmt wird er oder sie eine echte Schönheit! Wie der Papa! “

Bei dieser Aussage begann Crocodile unweigerlich mit den Augen zu rollen. Anschließend wollte er wissen: „Wieso ist die Chance hoch, dass mein Kind blauäugig wird?“ Immerhin hatte er selbst hellbraune Augen.

Doflamingo setzte eine neckisch-verächtliche Miene auf. „Ehrlich mal, Wani, hast du während deiner gesamten Schulzeit den Biologie-Unterricht geschwänzt? Du trägst höchstwahrscheinlich das Gen für blaue Augen in dir. Immerhin haben sowohl deine Schwester als auch deine Nichte blaue Augen.“

„Hancock hat die Augenfarbe unseres Vaters geerbt“, erklärte Crocodile seinem Ehemann. „Mihawk und ich … die unserer Mutter.“ Er sprach nur sehr ungern über seine Eltern. Schon seit über zwanzig Jahren bestand überhaupt kein Kontakt mehr zu ihnen. Sie hatten ihn damals vor die Türe gesetzt hatten, weil er sich vor ihnen als homosexuell geoutet hatte, und danach nie wieder ein Wort mit ihm gewechselt. Nicht einmal nach seinem dramatischen Motorradunfall, bei dem er beinahe sein Leben verloren hatte, wollte sie etwas von ihm wissen.

Auf einmal fragte Crocodile sich, ob ihn jemals etwas dazu bringen könnte sich von seinem Kind abzuwenden. Nachdenklich legte er die Stirn in Falten. Vielleicht wenn er oder sie ein schlimmes Verbrechen begangen hätte? Einen Mord vielleicht? Nun, für seine Eltern schien in dieser Hinsicht die Tatsache ausreichend gewesen zu sein, dass er anstatt auf Frauen auf Männer stand.

„Ich könnte morgen bei Dr. Raffit anrufen“, meinte Doflamingo, um auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen. „Und heute Abend schauen wir mal durch den Katalog mit den verfügbaren Leihmüttern. Vielleicht gibt es ja eine oder zwei, die wir beide auf Anhieb gut finden.“

„Okay“, erwiderte Crocodile gleichmütig. Die Erinnerung an seine Eltern sorgte bei ihm immer für schlechte Laune.

„Kann ich euch beiden noch etwas bringen?“, wurden sie von Paulas freundlicher Stimme unterbrochen. Sie arbeitete als Kellnerin in Spiders Cafe und war eine langjährige Bekannte von Crocodile. Er hatte sie damals während seine Studiums kennengelernt. Sein ältester Freund und ehemaliger Nachbar Daz hatte sie beide miteinander bekannt gemacht. Paula war seine Cousine.

Crocodile schüttelte den Kopf. „Nein danke, Paula. Wir würden gerne zahlen.“

Paula nickte und brachte ihnen die Rechnung, auf das sie wie immer ein überaus großzügiges Trinkgeld aufschlugen.
 

Nächsten Dienstag war es soweit. Alles war vorbereitet.

Crocodile war auf mögliche Erbkrankheiten getestet worden und auf Basis seines genetischen Profils wurde ihm eine Reihe von passenden Leihmüttern vorgestellt. Recht schnell entschieden Doflamingo und er sich für eine junge Frau namens Rebecca Riku. Sie war vierundzwanzig Jahre alt, studierte Biologie und stellte sich zum ersten Mal als Leihmutter zur Verfügung. Es hätte noch andere Frauen gegeben, die optisch vielleicht besser zu Doflamingo und ihm gepasst hätten (Rebecca hatte rötlich-blondes Haar), doch die nette und herzliche junge Frau war ihnen sofort aufgefallen.

„Wir haben Frau Rikus Eizellen medikamentös stimuliert“, hatte ihnen Dr. Raffit vor dem Wochenende erklärt. „Unsere Kontrolluntersuchungen haben ergeben, dass mehrere Eizellen ausreichend herangereift sind. Sechsunddreißig Stunden nach dem Eisprung, also Dienstagmorgen, werden wir ihr eine Eizelle aus den Eierstöcken entnehmen. Zu diesem Zeitpunkt benötigen wir Ihr Sperma, Mr. Donquixote. Anschließend injizieren wir die Samenzelle in die Eizelle und beobachten diese im Brutschrank. Sollte die Befruchtung geglückt sein, wird die befruchtete Eizelle nach zwei bis sechs Tagen in Frau Rikus Gebärmutter eingeführt.“

Crocodile wusste also schon einige Tage im vorraus, was auf ihn zukommen würde. Weil ihm allerdings die Vorstellung, in sterilen Praxisräumen auf Ansage zu masturbieren, immer noch völlig absurd vorkam, versuchte er so wenig wie möglich darüber nachzudenken.

Stattdessen zogen Doflamingo und er ein straffes Freizeitprogramm durch. Freitagabend gingen sie ins Kino. Samstag trafen sie sich mit Kid und Law. Und am Sonntag waren sie bei Crocodiles älterem Bruder Mihawk zum Grillen eingeladen. Er freute sich ganz besonders darauf seinen alten Studienkollegen Daz wiederzusehen. Ihr letztes Treffen war über zwei Monate her.

Alles in allem blieb ihm also relativ wenig Zeit, um sich über den kommenden Dienstagmorgen Gedanken zu machen. Was ein großes Glück war, denn Crocodile blickte mit gemischten Gefühlen auf den Tag, an dem er womöglich sein leibliches Kind zeugen würde. Er war aufgeregt, voller Vorfreude, hoffnungsvoll... aber auch nervös und verängstigt. Ob die künstliche Befruchtung wohl gelingen würde?

Crocodile hoffte jedenfalls, dass er sich bloß ein einziges Mal dem Prozedere unterziehen musste. Natürlich waren im Gegensatz zu Rebecca seine Anteile bei der Zeugung ihres Kindes recht gering, doch ihm reichte es definitiv, wenn er nur einmal in einen Becher ejakulieren musste.
 

Kid und Law waren nach zwei Jahren Beziehung gemeinsam in eine neue Wohnung gezogen. Sie lag ganz in der Nähe des Krankenhauses, in dem Law als Chirurg arbeitete. Das war den beiden wichtig gewesen, damit Law, der oft genug vierundzwanzig Stunden am Stück arbeiten musste, danach nicht noch einen langen Heimweg vor sich hatte.

Die geräumige Drei-Zimmer-Wohnung vereinte viele Gegensätze ihrer beiden Bewohner: Während im Wohnzimmer oft Bierflaschen, benutzte Teller und allerhand weiterer Kram herumflog, waren die Küche und das Badezimmer makellos rein. Darauf legte Law großen Wert.

Wie schon in Kids früherer Wohnung war auch hier an einigen Stellen die Tapeten bemalt worden. Sowohl halbfertige Skizzen als auch detaillierte Bilder ließen sich hier und da wiederfinden. Crocodile wusste, dass wenn Kid von der Muse geküsst wurde, er einfach anfing zu zeichen oder malen – ganz egal, wo er gerade war oder ob er Papier zur Hand hatte.

Die beiden waren wirklich ein absolut gegensätzliches Paar. So wie Doflamingo und er es wahrscheinlich auch waren, fügte er innerlich schmunzelnd hinzu.

Kid musste gar nicht erst nach ihren Getränkewünschen fragen – Crocodile brachte er ein Glas stilles Mineralwasser und für Doflamingo und sich holte er ein Sixpack Flaschenbier aus der Küche. Im Fernsehen lief Der Pate Teil II. Crocodile erinnerte sich daran, dass sein Ehemann einmal gesagt hatte, dass der Hauptcharakter, der junge Don Vito Corleone, ihm sehr ähnlich sah („bis auf den Bart natürlich, fufu“). Crocodile hatte bloß schnaubend abgewinkt. Er selbst konnte keine Ähnlichkeit zwischen sich und dem Star-Schauspieler Robert De Niro ausmachen. Auch wenn er hin und wieder tatsächlich gefragt wurde, ob er italienische Wurzeln besäße.

„Hey“, meinte Kid plötzlich und deutete auf den Fernsehbildschirm. „Irgendwie hat der Pate ein bisschen Ähnlichkeit mit dir, Crocodile, findest du nicht auch?“

Crocodile stach seinem Partner mit seinem Ellenbogen in die Seite, noch ehe dieser die Gelegenheit dazu bekam in schallendes Gelächter auszubrechen. Doch Doflamingo wäre nicht Doflamingo gewesen, wenn er es nicht trotzdem getan hätte.

„Das habe ich ihm auch schon mal gesagt, fufufufu“, meinte er laut prustend und amüsierte sich wie immer köstlich darüber, als sich Schamesröte im Gesicht seines Ehemannes ausbreitete.

„Das ist ein Kompliment“, fügte Kid hinzu, den Crocodiles Verlegenheit ebensowenig wie Doflamingo zu stören schien. „Zugegeben, der Schnauzer ist nicht so meins. Aber das war damals eben Mode. Also ich hätte De Niro, so wie er im Film aussieht, sicher nicht von der Bettkante gestoßen.“

„Lass das bloß Law nicht hören“, meinte Doflamingo und gab ein furchtbar unmännlich klingendes Kichern von sich. „Man glaubt es kaum, aber er kann ein wirklich eifersüchtiges Biest sein.“

Unwillig ließ Crocodile seinen Blick zwischen den beiden hin- und herwandern. Gerade im Moment wirkten sie auf ihn wie zwei gelangweilte Hausfrauen beim Kaffeeklatsch. Kids Nagellack und Lippenstift sowie Doflamingos goldene Ohrringe und sein rosafarbenes Hemd trugen ihr Übriges zu diesem Bild bei.

„Das brauchst du mir nicht zu sagen“, gab Kid augenrollend zurück und nahm einen Schluck von seinem Bier. „Du willst nicht wissen, was los war, als mir letzte Woche ein Kellner in einer Bar seine Handynummer auf die Serviette geschrieben hat.“

„Ich kann es mir vorstellen“, sagte Doflamingo lachend.

Crocodile, der es ziemlich unfair fand sich in Abwesenheit von Law über diesen lustig zu machen, versuchte ihn zu verteidigen: „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, Doflamingo. Erinnerst du dich daran, dass unsere Ehe beinahe zerbrochen ist, weil du einen GPS-Sender an mein Auto angebracht hattest?“

Augenblicklich gefror das Lächeln auf Doflamingos Lippen. Und auch wenn seine Augen hinter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen blieben, bemerkte Crocodile genau, wie sein Ehemann beschämt den Blick senkte.

„Was?“, durchbrach Kids fassungslos klingende Stimme diesen unangenehmen Moment. „Du hast was gemacht, Doflamingo?!“ Er warf Doflamingo einen Blick zu als sei dieser ein geisteskranker Psychopath.

„Das ist schon Jahre her“, gab Doflamingo zähneknirschend zu. „Und ich habe nur die ersten zwei Monate den Trackingverlauf angeschaut.“

„Wie lange hat er dich denn überwacht?“, wandte sich Kid nun an Crocodile.

„Naja...“ Verdammt, er hätte wohl besser die Klappe gehalten. Es war nicht seine Absicht gewesen Doflamingo so bloßzustellen. Er hatte lediglich von Law ablenken wollen. „So etwa... eineinhalb Jahre...?“ Das war zwar sehr deutlich zugunsten von Doflamingo geschätzt, doch Crocodile hatte nicht vor seinen Ehemann noch weiter zu demütigen.

„Wow.“ Kid senkte den Blick. Er schien diese Information erst einmal verdauen zu müssen.

„Ich bin davon ausgegangen, dass du das schon wüsstest“, meinte Crocodile kleinlaut. „Ich dachte, alle wüssten davon.“

Doch Kid schüttelte den Kopf. „Doflamingo hat uns nur erzählt, dass er Mist gebaut hat und du deswegen eine Beziehungspause wolltest. Und, nun ja, du erinnerst dich sicher noch gut daran wie schlecht es ihm damals ging. Deswegen haben wir uns nicht getraut weiter nachzubohren.“

„Tja, jetzt weißt du Bescheid“, schaltete sich Doflamingo ein. Er klatschte einmal mit den Händen und seine Stimme klang wie Gift. „Ich bin nicht stolz drauf, ehrlich.“

„Ich behalte es für mich, wenn du möchtest“, sagte Kid sofort. „Ich verstehe es vollkommen, wenn du nicht möchtest, dass diese Geschichte die Runde macht. Jeder hat schon mal Dinge getan, auf die er nicht stolz ist.“

„Ach ja.“ Doflamingo verschränkte eingeschnappt die Arme vor der Brust. „Dann pack bitte aus, Kid: Was hast du jemals getan, wofür du dich so sehr geschämt hast, dass du es jahrelang keinem erzählt hast?“

Kid zögerte für einen Moment, ehe er mit untypisch leiser Stimme meinte: „Dass ich damals Crocodile nach seinem Unfall gefunden habe.“

Plötzlich wurde es so still im Wohnzimmer, dass man eine Stecknadel hätte zu Boden fallen hören können. Vollkommen fassungslos durchbohrten sowohl Doflamingo als auch Crocodile ihren langjährigen Freund mit ihren Blicken.

Es war schließlich Kid selbst, der das entsetzte Schweigen brach. „Natürlich... ich meine nicht... ich bin froh, dass du lebst, Crocodile! Bitte versteh mich nicht falsch! Es ist nur...“ Betreten fixierte er seine Hände, die in seinem Schoß lagen. „Ich habe mich immer gefragt, ob ich nicht mehr hätte tun können. Monatelang... nein jahrelang träumte ich immer wieder von diesem Moment, wie ich dich am Boden liegend fand... und nichts getan habe! Wie erstarrt habe ich bloß dagestanden! Und als ich mich endlich rühren konnte, habe ich mich selbst vollgekotzt! Verdammt!“ Er wandte den Blick von seinen Händen ab und schaute Crocodile unverwegs ins Gesicht. Seine Pupillen bebten. „Ich habe mir immer Vorwürfe gemacht. Ich hätte schneller reagieren müssen... Ich weiß noch, dass ich dir Wasser gegeben habe...“

„Du hattest eine kleine Flasche in deinem Handschuhfach“, meinte Crocodile und nickte. Er konnte sich ebenso gut wie Kid an jenen verhängnisvollen Tag erinnern.

„Ich hätte sofort die Ambulanz rufen müssen!“ Kids Stimme wurde lauter; beinahe brüllte er. „Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich habe verstreichen lassen... Es waren wertvolle Minuten... Und ich habe auch keine Erste Hilfe geleistet. Weißt du, ich habe versucht mich an den Kurs zu erinnern, den ich absolviert habe, als ich meinen Führerschein gemacht habe. Aber ich konnte überhaupt nicht klar denken. In meinem Kopf war nichts als gähnende Leere. Ich kam mir so verdammt unnütz vor. Als ich dann später erfahren habe, dass sie dem Mann, dir, die Hand amputieren mussten, habe ich mich so sehr geschämt, dass ich niemals jemandem davon erzählt habe.“

„Das ist Unsinn!“, warf Crocodile sofort ein. Zögerlich griff er nach Kids Händen. Eigentlich war er kein großer Freund von Körperkontakt (mit Ausnahme von Doflamingo), aber jetzt gerade hatte er den Eindruck, dass Kid es wirklich nötig hatte. Aufmunternd drückte er seine mit schwarzem Nagellack verzierten Finger.

„Es ist kein Unsinn“, hielt Kid mit elendig klingender Stimme dagegen. „Ich meine, wozu macht denn jeder Autofahrer einen Erste-Hilfe-Kurs? Doch für genau solche Situationen! Aber als es darauf ankam, habe ich komplett versagt. Eigentlich müsstest du mich verabscheuen.“

„Du hast nicht versagt“, versuchte Crocodile ihn zu trösten. Leider war er darin noch nie ein Naturtalent gewesen. „Ich habe es dir schon einmal gesagt: Ich habe für dich, meinen Retter, niemals etwas Anderes als Dankbarkeit empfunden. Um ehrlich zu sein, hatte ich die Hoffnung schon aufgeben. Ich lag dort... ich weiß nicht genau wie lange... vielleicht Stunden, bevor du mich endlich gefunden hast. Wärst du nicht zufällig vorbeikommen, wäre ich mit Sicherheit gestorben. Ich fasse es nicht, dass du dir wegen dieser Sache Vorwürfe machst. Dazu gibt es wirklich keinen Grund.“

„Aber deine Hand...“ Verunsichert warf Kid einen Blick auf seinen Armstumpf auf der linken Seite. „Vielleicht hätten die Ärzte sie retten können, wenn ich früher...“

Niemand hätte diese Hand retten können“, erklärte Crocodile ihm mit ruhiger Stimme. „Nicht einmal der allerbeste Chirurg auf der ganzen Welt. Sie ist zu Brei zerquetscht worden. Es war nichts mehr übrig, was man hätte rekonstruieren können.“ Diese Aussage ließ sowohl Kid als auch Doflamingo kreidebleich im Gesicht werden. Crocodile räusperte sich. „Was ich sagen möchte: Bitte lass nicht zu, dass ungerechtfertigte Gewissensbisse dich so fertig machen, Kid. Ich weiß, dass der eigene Verstand einem manchmal böse Dinge zuflüstert... Aber ich bin unglaublich glücklich, dass du damals aufgetaucht bist. Ja, du hast dir auf die Füße gekotzt. Was solls. Du hast mich vor dem Tod bewahrt und alles andere ist unwichtig.

Und weißt du was? Ich kann mich fast gar nicht mehr daran erinnern, wie es ist sein Hemd mit zwei Händen zuzuknöpfen. Ich komme mit einer Hand wunderbar zurecht. Um ehrlich zu sein... Wenn es einen Knopf gäbe, auf den ich nur drücken müsste, um meine linke Hand wiederzubekommen. Ich glaube, ich würde es nicht tun. Es gibt also keinen Grund, um sich Vorwürfe zu machen, Kid.“

Sie nahmen sich in den Arm. Nicht lange, nur für einen kurzen Moment, denn sie beide waren eigentlich nicht die Typen für einen solch körperlichen Ausdruck von Emotionen. Aber wenn es Kid dabei half seine Schuldgefühle zu verarbeiten, war er dazu gerne bereit.

Gerade als sie sich umarmten, konnte Crocodile hören, wie die Wohnungstüre geöffnet wurde. Law, der heute bis zweiundzwanzig Uhr Dienst gehabt hatte, war offenbar soeben nach Hause gekommen. Rasch löste sich Crocodile von Kid. Wie gesagt, er hatte selten Körperkontakt zu irgendjemand anderem als seinem Ehemann. Selbst seine Geschwister umarmte er nur in Ausnahmefällen.

Law zog eine Augenbraue hoch, als er das Wohnzimmer betrat. „Als du mich wegen des Dreiers angesprochen hattest“, meinte er mit neckisch klingender Stimme und ließ seinen Blick über seinen Freund, Doflamingo und Crocodile schweifen, „bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass du mich und noch einen anderen Typen meintest.“ Kid verzog den Mund.

Doch Doflamingo nutzte sofort die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln. „Zu solchen unlauteren Praktiken versucht er dich also zu überreden, fufufufu?“, meinte er lachend.

Law seufzte halb ernst, halb gespielt. „Letzte Woche erst hat er versucht einen Kellner in einer Bar zu überreden mit uns beiden ins Bett zu steigen“, beschwerte er sich und ging hinüber in die Küche, um sich eine Flasche Bier zu holen. Offenbar hatte er das Sixpack, das auf dem Boden neben dem Sofa stand, nicht gesehen.

Doflamingo brach in schallendes Gelächter aus und selbst Crocodile ließ sich zu einem amüsierten Grinsen hinreißen, während Kid vor Scham am liebsten im Boden versunken wäre. Zumindest passte sich seine Gesichtsfarbe dem Rot seiner wild abstehenden Haare in rasanter Geschwindigkeit an.

Vorfreude

Es kam nicht oft vor, dass Mihawk ein Grillfest ausrichtete. Eigentlich handelte es sich bei ihm um eine sehr ruhige, zurückgezogene Persönlichkeit, die einen Abend allein mit einem guten Buch jedem Menschenauflauf vorzog. In dieser Hinsicht war er sogar noch spießiger und langweiliger als sein jüngerer Bruder.

"Ich glaube, Hancock hat ihn zu dieser Party gedrängt", mutmaßte Crocodile, während er sich gemeinsam mit seinem Ehemann auf den Weg zur Verabredung machte. "Sie beschwert sich andauernd darüber, dass er zum Eigenbrötler wird. Würde mich nicht wundern, wenn sie heute sogar versucht ihn zu verkuppeln."

"Hancock meint es bestimmt nicht böse", verteidigte Doflamingo seine Schwägerin. Er kam mit ihr seit jeher gut aus und stand ihr beinahe so nahe wie ihre beiden Brüder. "Sie möchte bloß verhindern, dass er vereinsamt."

Crocodile seufzte los. "Ich finde, sie drängt sich zu sehr auf. Mihawk war schon immer ein ruhiger Typ. Warum sollte er sich jetzt auf Biegen und Brechen eine Freundin suchen, wenn er mit seinem Leben doch zufrieden ist?"

"Du warst mit deinem Leben auch zufrieden, bevor wir beide uns kennengelernt haben", warf Doflamingo großspurig ein. "Und trotzdem hat es sich um einhundert Prozent verbessert, seitdem du mit mir zusammen bist."

Crocodile verdrehte die Augen. Manchmal war die Selbstverliebtheit seines Partners nur schwer zu ertragen. "Ich habe schon so einige Beziehungen geführt, bevor wir beide ein Paar geworden sind", holte er ihn rasch von seinem hohen Ross herunter. "Mihawk hingegen ist nicht wirklich ein Beziehungstyp. Überleg doch mal: Er ist inzwischen fünfundvierzig und immer noch single."

"Hatte er denn jemals eine Freundin?", hakte Doflamingo interessiert nach.

"Nun ja..." Crocodile hielt an einer roten Ampel. "Er hatte mal ein Jahr lang etwas mit einem jungen Mädchen am laufen. Perona hieß sie. Die beiden haben sich auf einem Mittelalter-Fest kennengelernt. Aber das ist schon lange her. Und dass die Beziehung gescheitert ist, hat niemanden gewundert, um ehrlich zu sein. Ich glaube, er war fast fünfzehn Jahre älter als sie."

"In eurer Familie steht man wohl auf junges Gemüse, fufufufu", witzelte Doflamingo.

Crocodile warf seinem Ehemann einen verwirrten Blick zu. "Was meinst du damit?"

"Nun ja, Mihawk hat offensichtlich mal eine deutlich jüngere Frau gedatet. Hancock hat es mit einem Siebzehnjährigen versucht. Und du hast dir auch einen jüngeren Mann geangelt." Doflamingo präsentierte breit grinsend seine strahlend weißen Zähne. Nicht zum ersten Mal fragte Crocodile sich, ob er sie beim Zahnarzt hatte bleachen lassen. Er würde nicht darauf schwören, doch sie kamen ihm heller vor als früher.

"Jetzt bilde dir mal nichts ein", meinte Crocodile kopfschüttelnd. "Wir beide sind nur fünf Jahre auseinander. Es macht doch einen Riesenunterschied, ob ein Fünfunddreißigjähriger etwas mit einem Dreißigjährigen oder einer Zwanzigjährigen anfängt. Ich denke, dass so ein großer Altersunterschied eine Beziehung sehr stark belasten kann."

"Es gibt auch Leute, bei denen es trotzdem klappt."

"Ich behaupte ja nicht, dass es unmöglich ist", lenkte Crocodile ein. "Nur, dass es die Beziehung erschwert. Ich meine, ein Fünfunddreißigjähriger steht im Leben doch ganz woanders als ein Zwanzigjähriger. Mit der Zeit ändern sich die Interessen und Ziele von Menschen. "

"Da bist du wohl das beste Beispiel für", meinte Doflamingo und präsentierte wieder seine weißen Zähne. "Ich hätte jedenfalls nicht erwartet, dass mein Workaholic von Ehemann eines Tages beschließt, dass er gerne Vater werden möchte und dafür seinen Job an den Nagel hängt."

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich habe Kinder nie explizit ausgeschlossen", verteidigte er sich. "Aber du hast schon Recht. Früher hätte ich es mir nicht vorstellen können. Ich denke, es musste erst der richtige Zeitpunkt für mich kommen."

"Ich freue mich schon wahnsinnig!" Doflamingos Stimme klang zwei Oktaven höher als üblich. Erwartungsfroh wandte er sich an seinen Ehemann: "Übermorgen ist es schon so weit! Kannst du es glauben?!"

"Ich hoffe bloß, dass alles klappt", gab Crocodile leise zurück.

"Ach, das wird schon." Doflamingo winkte ab. "Du musst doch bloß in einen kleinen Becher wichsen und den Rest übernimmt dann das Labor."

Crocodile seufzte. Es fiel ihm nicht so leicht wie seinem Partner ungehemmt über diesen Teil der künstlichen Befruchtung zu sprechen. Im Grunde seines Herzens war er ein ziemlich prüder Mensch.

Leider zeigte Doflamingo kein Erbarmen. "Du wolltest diesen Part unbedingt übernehmen", hielt er ihm schulterzuckend vor.

"Ich weiß, ich weiß..." Crocodile schaute sich nach einer geeigneten Parklücke um. "Trotzdem ist es keine sonderlich angenehme Vorstellung. Ich hoffe... dass am Dienstag alles gut klappt." Sie stiegen beide aus dem Wagen aus.

"Das wird es." Doflamingo umrundete das Heck des Mercedes C 220 BlueTEC Exclusive und schloss seinen Ehemann in die Arme. "Und jetzt versuch am besten nicht mehr daran zu denken. Es hat keinen Sinn, wenn du dich so verrückt machst. Komm, die Anderen warten bestimmt schon auf uns."
 

Früher, als Crocodile noch mit Doflamingo in dessen gigantischer Villa gewohnt hatte, musste er fast eine Stunde Auto fahren, um Mihawk oder Hancock zu besuchen. Inzwischen hatte sich die Fahrtzeit mehr als halbiert.

Die Nähe zu seinen Geschwistern war für Crocodile das wichtigste Kriterium bei der Auswahl ihres neuen Domizils gewesen. Seit jeher waren sie durch ein unsichtbares Band verbunden. Und obwohl sie alle Drei sehr unterschiedliche Wege gegangen waren, hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel.

Vor allen Dingen seinem fünf Jahre älterer Bruder verdankte Crocodile viel. Weil ihn ihre Eltern nach seinem Outing vor die Türe gesetzt hatten, hatte er ihn bei sich Zuhause aufgenommen. Mehr als zwei Jahre lang hatte er bei Mihawk gelebt. Und fünf Jahre später, kurz vor Abschluss seine Studiums, als er seine linke Hand verlor, hatte er sich erneut um ihn gekümmert.

Mihawk wohnte in einem kleinen Haus mit einer hübschen, altmodischen Fassade. Links führte ein Stichweg in den Garten. Musik und fröhliches Stimmengewirr schwebte zu ihnen herüber.

"Scheint eher eine Party als ein Treffen zum Grillen zu sein", meinte Doflamingo und ließ wieder seine unnatürlich weißen Zähne aufblitzen. Er liebte Parties jeder Art.

Crocodile zog die Augenbrauen zusammen. "Mal ehrlich, hast du dir die Zähne bleachen lassen?", fragte er schließlich. "Mir kommen sie viel heller vor."

Doflamingo schien sich ertappt zu fühlen. "Nur um zwei Farbstufen", verteidigte er sich. "Und ich finde, es steht mir echt gut. Ich habe sofort Komplimente für meine Zähne bekommen."

"Ach ja, von wem denn?"

"Von meinem Zahnarzt."

"Na, der wird doch auch dafür bezahlt", seufzte Crocodile kopfschüttelnd.

Gemeinsam betraten sie den Garten. Es waren gut fünfzehn, zwanzig Leute anwesend. Damit hatte Crocodile gar nicht gerechnet gehabt. Am Telefon hatte Hancock ihm das Grillfest eher als eine Art Familientreffen mit ein paar guten Freunden beschrieben.

Mihawk unterbrach das Gespräch mit seinem besten Freund Shanks, um sie beide zu begrüßen. "Crocodile, Doflamingo, schön, dass ihr da seid."

"Lange nicht mehr gesehen, Wani", fügte Shanks breit grinsend hinzu. Er liebte es, sowohl Mihawk als auch Crocodile mit ihren Spitznamen aufzuziehen.

Crocodile rollte bloß mit den Augen, doch konnte spüren, dass Doflamingo neben ihm sofort seinen ganzen Körper anspannte. Inzwischen hatte er seine Eifersucht eigentlich ganz gut in den Griff bekommen, doch Situationen wie diese triggerten ihn. Niemand außer Doflamingo nannte ihn Wani.

"Schau mal, Nozomi ist auch da", warf Crocodile rasch ein, um zu vermeiden, dass die Situation eskalierte. Er hatte absolut keine Lust auf einen Streit wegen einer solchen Bagatelle. Shanks hatte es ja nicht einmal ernst gemeint. Mit sanfter Gewalt packte er seinen Ehemann am Arm und schleifte ihn zu ihrer kleinen Nichte hinüber.

Nozomi stand mit begeisterter Miene am entfachten Grill und beobachtete das Feuer und die Holzkohle. Es dauerte ein paar Minuten, bis sie ihre beiden Onkel wahrnahm.

"Jetzt reagier nicht über", zischte Crocodile und verstärkte den Griff um den Unterarm seines Partners. "Es ist überhaupt nichts passiert."

"Ich kann es nun mal nicht leiden, wenn dich jemand mit Kosenamen anspricht", erwiderte Doflamingo schlecht gelaunt und schüttelte ihn ab. "Immerhin bist du mit mir zusammen."

"Shanks hat das nicht als Flirt gemeint", versuchte Crocodile ihm zu erklären. "Er wollte nur sticheln. Mihawk nennt er ständig Mipo."

Doch dieser Umstand schien Doflamingo nicht zu beruhigen. "Es stört mich trotzdem."

"Dich rufen unsere Freunde auch öfter mal Doffy und ich mache deswegen keinen Aufstand!"

"Das ist was Anderes!", wandte Doflamingo sofort ein und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Ach ja? Und wieso?"

"Weil mich alle auch schon so genannt haben, bevor wir beide uns kennengelernt haben. Ich weiß, dass du Doffy als Kosename benutzt, aber es ist auch vorher schon einfach mein Spitzname gewesen. Wani ist was Anderes. So nenne nur ich dich!"

Crocodile wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als er von Nozomi unterbrochen wurde. "Crocodile! Doffy!", rief sie mit begeisterter Stimme und wandte sich endlich von den tanzenden Flammen ab.

Doflamingo hob seine Nichte auf den Arm und warf seinem Ehemann einen Blick zu, der nichts Anderes als "Hab ich dir doch gesagt!" ausdrücken konnte.
 

Es wurde dann trotzdem noch ein nettes Grillfest. Viele der Gäste schien sich gut zu amüsieren und blieben bis zum späten Abend. Der "harte Kern", bestehend aus Doflamingo, Crocodile, seinen Geschwistern und Daz blieb bis sogar bis tief in die Nacht. (Nozomi war unter massiven Protesten gegen einundzwanzig Uhr von ihrer Mutter ins Bett gebracht worden.)

Sie saßen in gemütlichen Gartenstühlen um das heruntergebrannte Feuer herum und ließen die Seele baumeln. Crocodile, dessen Leben in letzter Zeit ziemlich hektisch gewesen war, genoss die ruhige Atmosphäre. Er spürte die angenehme Wärme auf seinem Gesicht und ließ seinen Blick über den sternenklaren Himmel schweifen.

Er konnte sich daran erinnern, dass Mihawk sich als Kind sehr für Astronomie interessiert hatte. Zu seinem zwölften Geburtstag bekam er ein Teleskop und einen Sternenkarte geschenkt. Crocodile, der viel jünger als sein Bruder war, hatte nicht alles verstanden, was Mihawk ihm über den Weltraum erklärt hatte. Aber er wusste noch, dass sie sich manchmal spätabends aus ihren Betten geschlichen und den Nachthimmel betrachtet hatten. Crocodile hatte es geliebt zuzuhören, wenn sein Bruder über Sterne, Plantene oder Monde gesprochen hatte.

"Hey, Mihawk", fragte er irgendwann, "wie heißt dieses Sternbild?" Er deutete auf eine Ansammlung von Sternen, die durch drei exakt parallel liegende Sterne gekennzeichnet war.

Mihawk richtete seinen Blick nach oben. "Das ist Orion", antwortete er ohne zu zögern. "Die alten Griechen glaubten, dass er ein Jäger war, der von der Göttin Artemis als Sternbild in den Himmel versetzt wurde. Seine beiden Jagdhunde Sirius und Procyon sind auch als Sternbilder verewigt."

"Orion", wiederholte Crocodile flüsternd und legte den Kopf schief. Dieser Name kam ihm bekannt vor.

"Als wir Kinder waren, haben wir uns oft zusammen die Sterne angeschaut", meinte Mihawk. "Du warst noch sehr klein und das Sternbild Orion war eines der wenigen, das du sicher erkennen konntest. Es ist durch die drei Sterne Alnitak, Alnilam und Minraka, die den Gürtel darstellen, ganz leicht zu erkennen."

"Ich weiß noch, dass wir uns manchmal mitten in der Nacht aus unseren Betten geschlichen haben", erklärte Crocodile. "Du hast versucht die Sternbilder zu finden, die auf deiner Karte abgebildet waren." In Crocodiles Erinnerung war die Sternkarte nichts als ein konfuses, aus viel zu vielen Punkten bestehendes Wirrwarr gewesen. Mihawk hatte einmal versucht ihm zu erklären, wie man sie lesen konnte, aber als Siebenjähriger hatte er kaum die Hälfte verstanden gehabt. Es war trotzdem schön gewesen gemeinsam mit seinem älteren Bruder den Nachthimmel zu betrachten.

Vielleicht könnte Mihawk später ja auch Crocodiles Kind die Sterne und Planeten erklären. Bestimmt würde das seinem Sohn oder seiner Tochter gefallen.

"Mintaka", unterbrach plötzlich Doflamingos Stimme seine Gedankengänge.

"Hm?" Irritiert wandte Crocodile sich zu seinem Ehemann um.

"Die Sterne des Oriongürtels heißen Alnitak, Alnilam und Mintaka", meinte Doflamingo. "Nicht Minraka."

Mihawk zog eine Augenbraue hoch. "Stimmt", gab er schließlich zu, ohne beleidigt zu klingen. "Mintaka."

Crocodile setzte eine verdutzte Miene auf. "Ich wusste gar nicht, dass du dich mit Astronomie auskennst", sagte er und warf Doflamingo einen erstaunten Blick zu. In den sechs Jahren, die ihre Beziehung inzwischen schon andauerte, waren sie nie auf dieses Thema gekommen.

"Eigentlich tue ich das auch nicht", erwiderte sein Partner schulterzuckend. "Aber Corazon mochte die Sterne immer sehr gerne. Er hat mir oft alles mögliche erzählt. Von den Sternbildern und den Planeten..."

"Wer ist denn Corazon?", hakte Hancock mit neugieriger Stimme nach. Sie saß links von Doflamingo und warf ihrem Schwager einen interessierten Blick zu.

Crocodile verzog den Mund und senkte den Blick. Es kam nicht oft vor, dass Doflamingo über seinen verstorbenen, jüngeren Bruder sprach. Selbst Crocodile hatte erst nach über einem Jahr von ihm erfahren. Vor anderen Leuten erwähnte Doflamingo Corazon fast nie. Es war ein sehr sensibles Thema.

"Mein kleiner Bruder", erklärte Doflamingo ihr. Auf alle Anderen wirkte seine Stimme gelassen, doch Crocodile hörte einen bitteren Unterton heraus. Er versuchte seiner Schwester durch leichtes Kopfschütteln begreiflich zu machen, dass sie lieber nicht weiter nachbohren sollte, doch sie schien seine Geste überhaupt nicht wahrzunehmen.

"Ich wusste gar nicht, dass du einen Bruder hast", meinte sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Du hast nie von ihm erzählt. Versteht ihr euch nicht so gut?"

"Er wohnt weit weg", log Doflamingo sie an. "Wir haben nur sehr selten Kontakt."

"Achso." Hancock zuckte mit den Schultern.

Crocodile atmete erleichtert auf. Dieses schwierige Thema schienen sie ganz gut umschifft zu haben.

"Apropos Familie", meinte plötzlich Daz, der sich im Gespräch bisher eher zurückgehalten hatte. "Ich habe gehört, Doflamingo und du möchtet eine Familie gründen."

Dieser Satz schlug ein wie eine Bombe. Entsetzt musterte Crocodile seinen alten Studienfreund, der (wie wie fast immer) einen ausdruckslose Mienie aufgesetzt hatte. Daz war in absolut jeder Situation die Ruhe selbst; es war praktisch unmöglich ihn aus der Fassung zu bringen.

Von Crocodile wiederum konnte man das nicht behaupten. "W-woher weißt du das denn?!", wollte er mit entgeisteter Stimme wissen. Er war sich absolut sicher, weder in seinem Familien- noch Freundeskreis auch nur ein Sterbenswörtchen über seinen Kinderwunsch verloren zu haben. Doflamingo und er hatten ihre Familiengründung zwar nicht zu einem Tabuthema erklärt, doch Crocodile hielt es für klüger die Pferde nicht scheu zu machen, bevor sein Kind überhaupt gezeugt worden war.

"Paula hat mitbekommen, wie ihr letztens darüber gesprochen habt", erklärte Daz ihnen.

Stimmt, dachte Crocodile und biss sich verärgert auf die Unterlippe. Paula, die in Spiders Cafe arbeitete, war die Cousine von Daz. Die beiden standen sich sehr nahe. Wie hatte er das bloß übersehen können?

"Du willst Kinder?", wiederholte Hancock mit absolut ungläubiger Stimme. Sie warf ihm einen entsetzten Blick zu.

Crocodile gab es nur ungern zu, doch ihn verletzte diese Reaktion seiner Schwester. Eigentlich hatte er mit freudigen Glückwünschen gerechnet, sobald Doflamingo und er bekanntgaben, dass sie Eltern werden würden. Immerhin war Hancock selbst auch Mutter.

"Warum so geschockt?!", gab er patzig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Nun ja..." Hancock zögerte für einen Moment. "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du jemals... irgendwie ernsthaft über Kinder nachgedacht hättest."

"Das hast du auch nicht, bevor du mit Nozomi schwanger geworden bist!", gab Crocodile zurück und warf ihr einen giftigen Blick zu.

"Ich glaube, Hancock möchte bloß ausdrücken, dass diese Nachricht ziemlich unerwartet für sie ist", versuchte Mihawk zwischen ihnen beiden zu vermitteln. "Und um ehrlich zu sein, sehe ich das ähnlich. In deiner Lebensplanung sind nie Kinder vorgekommen. Natürlich sind wir überrascht."

"Tja, jetzt beinhaltet meine Lebensplanung nun einmal Kinder", erwiderte Crocodile ohne seine defensive Körperhaltung abzubauen.

"Und wie kommt es auf einmal dazu?", wollte Daz wissen. Seine Stimme klang ruhig, doch Crocodile kannte ihn lang genug, um einen missgünstigen Unterton herauszuhören.

"Ich wüsste nicht, dass ich irgendjemanden hier Rechenschaft schuldig wäre", erwiderte Crocodile zähneknirschend und ließ es sich nicht nehmen ihm einen bösen Blick zuzuwerfen.

"Wir sind nur neugierig", versuchte Hancock ihn zu beschwichtigen.

"Es geht euch aber nichts an!", zischte Crocodile. "Eigentlich hatte ich gar nicht vor euch schon davon zu erzählen. Derzeit ist das eine Sache zwischen Doflamingo und mir. Und damit basta!"

"Jetzt reagier doch nicht gleich so ausfallend!"

"Oh, ich reagiere also ausfallend?!" Mit verärgerten Gesichtsausdruck wandte Crocodile sich zu seiner Schwester um und kreuzte ohne Scheu den Blick mit ihr.

Doch anstatt sich zurückzunehmen, ging auch Hancock in Angriffsposition über. "Du bist vor kurzem vierzig Jahre alt geworden und hast nie zuvor auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verloren, dass du irgendwann gerne Vater werden würdest", meinte sie mit energischer Stimme. "Es ist nicht in Ordnung von dir uns vorzuwerfen, dass wir überrascht sind!"

"Was ist denn deiner Meinung nach ein besseres Alter, um ein Kind zu bekommen?", schaltete sich nun auch Doflamingo mit verächtlich klingender Stimme ein. "Siebzehn, so wie der Vater von Nozomi, der sich seit der Schwangerschaft einen verdammten Scheißdreck um seine Tochter kümmert?!"

Diese Aussage traf Hancock hart. Doch selbst als sich Tränen in ihren Augenwinkeln bildeten, empfand Crocodile nur wenig Mitleid mit seiner Schwester. Eher im Gegenteil: Er fühlte sich von seiner eigenen Familie ungerecht behandelt. Welches Recht nahmen sie sich heraus über seinen und Doflamingos Kinderwunsch zu urteilen?! Niemand hatte sie um ihre Meinung gebeten!

"Doflamingo!" Selten klang die Stimme seines älteren Bruders Mihawk so scharf. Meistens hielt er sich aus den Streitigkeiten Anderer heraus und behielt eine neutrale Position bei. Doch in dieser Situation schien selbst er nicht an sich halten zu können. "Das ist nicht fair."

"Das ist nicht fair?", wiederholte Doflamingo und wandte sich an seinen Schwager. Er schien eine bedrohliche, aggressive Aura auszustrahlen. Selbst Crocodile, der kein bisschen esoterisch angehaucht war, konnte die unheilvollen Wellen wahrnehmen. "Dieses Thema ungebeten auf den Tisch zu legen und sich dann in einer Tour abfällig darüber zu äußern, das ist unfair! Crocodile hat absolut Recht: Das ist eine Sache, die im Moment keinen von euch irgendetwas angeht! Wir haben euch nicht darum gebeten euch über unseren Kinderwunsch auszulassen!"

Crocodile war dankbar dafür, dass Doflamingo Partei für ihn ergriff. Wenigstens ein Mensch in dieser Runde stand auf seiner Seite.

"Wir sind bloß besorgt", schaltete sich nun wieder Daz ein. Er ließ sich von Doflamingos bedrohlicher Aura nicht abschrecken und warf ihm einen durchdringenden Blick zu. "Ich kenne Crocodile seit er zwanzig Jahre alt ist. Und ich kann mich nicht daran erinnern, dass er jemals über Kinder gesprochen hätte."

"Was willst du damit sagen?" Doflamingo erhob sich von seinem Stuhl, stützte die Hände auf der Tischplatte ab und beugte sich zu Daz hinüber. Er wirkte wie ein Tiger, der zum Sprung bereit war.

"Es ist schon ziemlich verdächtig, dass ein Mann, der nie Vater werden wollte, sich von einem auf den anderen Tag dazu entscheidet ein Kind zu zeugen", sagte Daz. Auch wenn Crocodile wütend auf ihn war, bewunderte er ihn dafür, dass er es schaffte Doflamingos aggressiver Haltung absolut stoisch standzuhalten.

"Daz, lass es gut sein!" Crocodile ließ seinen Blick unruhig zwischen seinem ältesten Freund und seinem Ehemann hin- und herwandern.

Nun wandte sich Daz direkt an ihn. "Du solltest dir von Doflamingo kein Kind aufdrängen lässen, bloß weil er unbedingt Vater sein möchte!"

Diese Anschuldigung war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Doflamingo machte einen Satz über den Tisch hinweg und stürmte auf Daz zu. Daz erhob sich von seinem Stuhl und blockte Doflamingos Faust mühelos ab. Er betrieb schon seit vielen Jahren intensiv Kampfsport und wusste aus Erfahrung, wie man sich gegen Fäuste und Tritte effektiv zur Wehr setzen konnte.

"Doffy!" Crocodile umrundete den Tisch und versuchte die beiden Männer auseinanderzubringen. Glücklicherweise schienen weder Doflamingo noch Daz das Risiko eingehen zu wollen, ihn im Eifer des Gefechts ausversehen zu treffen, und entfernten sich ein kleines Stück voneinander.

"Komm, lass uns einfach gehen", sagte er und griff nach Doflamingos Hand. Die Berührung schien seinen Ehemann zur Besinnung zu bringen.

Er schüttelte den Kopf. Aber nicht um Ablehnung auszudrücken; es wirkte viel mehr als wollte er einige schlechte Gedanken abschütteln. Schließlich meinte er: "Okay. Wir fahren nach Hause."

"Seid ihr auf einmal alle verrückt geworden?" Mihawk ließ mit ungläubiger Miene den Blick über seine weinende Schwester, seinen verzweifelten Bruder und Daz und Doflamingo, die sich immer noch in aggressiver Haltung gegenüber standen, schweifen.

Crocodile, der sich eine zynische Erwiderung nicht verkneifen konnte, meinte: "Wenn du unter verrückt verstehst, dass ich gerne ein Kind haben möchte, dann definitiv ja. Und um es einmal klarzustellen: Ich bin derjenige gewesen, der vorgeschlagen hat eine Familie zu gründen. Das war meine Idee. Aber das scheint für euch alle ja eine unmögliche, absurde Vorstellung zu sein. Komm, Doffy, wir hauen jetzt ab. Ich habe für heute Abend wirklich genug!"

Doflamingo wirkte immer noch angespannt, doch er nickte und ließ sich an der Hand wegführen. Gemeinsam verließen sie den Garten und machten sich auf den Weg zu Crocodiles Mercedes C 220 BlueTEC Exclusive, der am Straßenrand auf sie wartete.
 

Bevor sie einstiegen, löste Doflamingo sich von seinem Ehemann und trat mehrmals mit voller Wucht gegen die Beifahrertüre. Obwohl Crocodile sein Auto heilig war, versuchte er nicht ihn davon abzuhalten. Wahrscheinlich war es besser, wenn Doflamingo die Möglichkeit bekam sich abzureagieren. Um ehrlich zu sein, konnte er seine Wut verdammt gut nachvollziehen. Er war selbst auch noch nicht ganz heruntergekühlt.

"Dieser-verdammte-Wichser!", brüllte Doflamingo und untermalte jedes Wort mit einem Fausthieb.

"Nicht mit den Händen!", mischte sich Crocodile nun doch ein. "Du brichst dir sonst noch was!"

Endlich ließ Doflamingo von dem Mercedes ab. Er öffnete die Türe und sank kraftlos auf dem Beifahrersitz zusammen. Crocodile setzte sich hinters Steuer und machte sich hastig daran einige Kilometer Entfernung zwischen ihnen beiden und Mihawks Haus zu bringen. Er wollte eine erneute Konfrontation unbedingt vermeiden.

In der Nähe der Autobahnauffahrt gab es ein McDonalds; dort parkte er.

"Doffy..." Er wandte sich zu seinem Ehemann um, der während der Fahrt keinen Ton von sich gegeben hatte und der Sonnenbrille zum Trotz das Gesicht in den Händen vergraben hatte. Er wirkte wie ein bemitleidenswertes Häufchen Elend. So hatte Crocodile ihn nur sehr selten jemals erlebt.

Er wusste nicht, was er sagen sollte. Doch diese Entscheidung nahm Doflamingo ihm sowieso ab.

"Ich wusste nicht, dass sie alle so schlecht von mir denken", gab er im Füsterton von sich.

Crocodile beugte sich zu ihm hinüber und versuchte ihn dazu bewegen die Hände vom Gesicht zu nehmen. Dabei fiel ihm seine Sonnenbrille in den Schoß. Doflamingos stechend grüne Augen waren tränennass. "Glauben sie wirklich, ich würde dich erpressen, damit du ein Kind mit mir bekommst?"

"Mihawk und Hancock waren geschockt", versuchte Crocodile ihn zu trösten. "Du weißt, dass sie dich sehr mögen und schätzen. Bestimmt hat es sie bloß total überfahren zu erfahren, dass wir demnächst Eltern werden. Sie haben ja nicht ganz Unrecht. Ich habe vorher nie davon gesprochen. Keine Sorge, sie werden sich wieder beruhigen."

"Und was ist mit Daz? Er war derjenige, der behauptet hat, ich würde dir ein Kind aufdrängen!"

"Er ist immer besorgt um mich", verteidigte Crocodile seinen Studienfreund. "So wie du auch. Daz ist schon immer so gewesen. Er meint es nicht böse. Er will mich nur beschützen."

"Vor mir?"

"Nun ja, weißt du noch, dass du mir mal zwei Katzen geschenkt hast, in der Hoffnung, eine fürsorgliche Seite an mir zu wecken?"

Doflamingo brummte leise und richtete sich in seinem Sitz auf. "Erinnere mich bitte nicht daran. Wir hatten einen riesengroßen Streit. Und auf dem Weg zu Daz bist du sogar in einen schlimmen Autounfall verwickelt gewesen."

"Mir ist doch nichts passiert", erwiderte Crocodile.

"Die Beifahrertüre ist komplett demoliert gewesen", meinte sein Ehemann kopfschüttelnd. "Ich habe die Fotos gesehen, die die Versicherung geschickt hat. Du hättest genausogut auch schwer verletzt sein können. Oder sogar sterben können."

"Das hatte ich schon einmal", gab Crocodile schelmisch grinsend zurück und deutete auf den Armstumpf auf seiner linken Seite. "Und zum Glück passieren solche Dinge immer nur einmal im Leben."

"Über so etwas macht man keine Witze."

"Wenn man selber involviert ist, darf man das. Das ist wie mit dem N-Wort."

Allmählich kehrte Doflamingos typisches Grinsen auf seine Lippen zurück.

"Mihawk, Hancock und Daz werden sich wieder einkriegen", sagte Crocodile. "Sie brauchen jetzt wahrscheinlich ein bisschen Zeit, um alles zu verdauen. Ist ziemlich mies gelaufen eben."

"Ich habe Hancock wegen Luffy beschimpft", seufzte Doflamingo. "Das wird sie mir sicher nicht verzeihen."

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Du hast nicht gelogen", nahm er seinen Partner in Schutz.

"Aber es war trotzdem hart und unangebracht ihr das so zu sagen."

"Du wolltest mich bloß verteidigen. Sie wissen doch, dass du in einen Löwen verwandelst, wenn mich jemand bedrängt."

"Du bist mein Ehemann", sagte Doflamingo. "Natürlich werde ich zum Löwen, wenn dir jemand krumm kommt."

"Und ihre Reaktionen waren wirklich alles andere als fair. Hancock, Mihawk und Daz haben sich selbst auch nicht gerade mit Ruhm beträufelt. Das wird schon wieder. Was hältst du davon, wenn wir zum Trost wir durch den Drive-in fahren und ein paar Chickennuggets für dich besorgen?"

"Und was willst du essen? Du verträgst doch gar kein Fast Food."

Crocodile zögerte. "Ich denke, ein Burger ist in Ordnung."

Doflamingo nickte. Allmähliche erweckte er wieder einen gefassteren Eindruck. "Darfst du Milchshakes trinken? Ich liebe die Milchshakes von McDonalds."

"Die sind wahrscheinlich zu süß."

"Naja, bestimmt ist die Milchshake-Maschine sowieso kaputt. Das ist sie fast immer." Doflamingo hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er mit nachdenklicher Miene hinzufügte: "Glaubst du, unser Kind wird deinen empfindlichen Magen erben? Stell dir mal vor, unser Sohn oder unsere Tochter dürfte überhaupt keine Süßigkeiten essen. Das ist doch viel zu hart."

"Ich habe es auch überstanden", erwiderte Crocodile lachend.

"War es nicht bitter, wenn alle anderen Kinder auf einer Geburtstagsparty Kuchen essen durften und du als einziger nicht? Oder wenn Verwandte für dich und deine Geschwister Süßes mitgebracht haben?"

"Nun ja, schon", gab Crocodile zu. "Aber ich bin meistens gut zurecht gekommen. Eine Geburtstagsparty besteht ja nicht bloß aus dem Kuchenessen. Und im Alltag sind wir sowieso nicht gerade mit Süßigkeiten überschüttet worden."

"Ich habe Süßkram geliebt", erzählte ihm Doflamingo. "Als kleines Kind hatte ich einen richtigen Speckring um den Bauch. Wenn ich mich nicht so viel bewegt hätte, wäre ich bestimmt ein Dickerchen geworden. Aber meine Eltern konnten Corazon und mir nichts abschlagen."

Schon wieder erwähnte sein Ehemann seinen verstorbenen Bruder.

"Du sprichst in letzter Zeit häufig von Corazon", sagte Crocodile und beobachtete genau Doflamingos Reaktion.

"Seit wir uns dafür entschieden haben Eltern zu werden, denke ich oft an ihn", erklärte ihm sein Ehemann mit leiser Stimme. "Du weißt ja, dass unser Vater und unsere Mutter schon recht früh gestorben sind. Als dann auch Corazon nicht mehr da war, bin ich ein paar Jahre lang, naja, der einzige Donquixote gewesen."

"Ich heiße inzwischen auch Donquixote", wandte Crocodile ein. Die Entscheidung war ihm nicht leicht gefallen, doch nach der Hochzeit hatte er Doflamingos Nachnamen angenommen.

"Und wenn unser Kind auf der Welt ist, wird es auch einen dritten Donquixote geben", fügte Doflamingo hinzu. "Hast du dir eigentlich schon Gedanken über einen passenden Vornamen gemacht?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Lass uns nichts überstürzen, ja? Erst einmal muss das Kind gezeugt werden."

Doflamingo zögerte für einen Moment, eher er ihm in die Augen sah und fragte: "Du bleibst also dabei? Am Dienstag fahren wir in die Kinerwunschklinik?"

Crocodile verstand nicht so ganz, worauf sein Ehemann hinauswollte. "Natürlich", antwortete er. "Warum sollten wir das nicht tun? So ist es doch geplant gewesen."

Doflamingo atmete erleichtert auf. "Das ist sehr gut. Ich habe befürchtet, dass die negativen Reaktionen dich beeinflussen könnten und du dich kurz vorher doch noch abbringen lässt."

"Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie von irgendetwas abbringen lassen", erwiderte Crocodile spöttisch. "Glaub mir: Ich lasse mich weder von meinen Geschwistern noch von Daz abhalten. Die Entscheidung, ein Kind zu bekommen, habe ich mir gründlich überlegt. Und ich bleibe dabei."

Doflamingo lachte leise. "Du bist so ein stolzer Sturkopf, Wani."

"Hättest du mich geheiratet, wenn ich das nicht wäre?", gab Crocodile zurück. "Komm, wir fahren jetzt durch den Drive-in und dann nach Hause. Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich müde. Die ganze Sache hat mir viel Energie geraubt."
 

*
 

Es war Montagabend. Crocodile tat alles, was in seiner Macht stand, um nicht an den morgigen Tag denken zu müssen.

Als er er am Nachmittag heimkam, schaltete er sofort seinen Laptop ein und versuchte sich mit ein paar Aufgaben im Homeoffice abzulenken. Unter Anderem sah er die Bewerbungsschreiben durch, die sein Chef Franky ihm weitergeleitet hatte. Er hatte bereits eine Vorauswahl getroffen und wollte Crocodiles Meinung zu den verschiedenen Bewerbern hören.

Konzentriert sichtete er die Dokumente. Vor allen Dingen eine Kandidatin erweckte einen vielversprechenden Eindruck: Blackcage Hina, eine 34-jährige Frau mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich des Event-Management. Auf dem beigelegten Bewerbungsfoto war eine äußerst attraktive, aber auch sehr rigoros wirkende Frau mit dunkelrotem Lippenstift zu sehen.

Die übrigen Bewerber konnten für Crocodiles Geschmack zu wenig Berufserfahrung vorweisen. Er hielt jüngere Kollegen nicht per se für unfähig. Immerhin war er selbst auch mit Ende zwanzig in den Management-Bereich eingestiegen und hatte damit durchaus Erfolg gehabt. Aber die Toms Workers-Elektronikmesse war eine der größten und erfolgreichsten Messen der Welt. Eine solche Verantwortung konnte man nicht einfach in die Hände eines unerfahrenen Berufseinsteigers legen.

"Wer ist das?"

Erschrocken ließ Crocodile den Stift, den er gerade eben noch in der Hand gehalten hatte, auf den Boden fallen. Verärgert drehte er sich zu seinem Ehemann um. "Verdammt, Doflamingo, schleich dich doch nicht so an!"

"Sorry", gab Doflamingo von sich, doch Crocodile konnte ihm seine Entschuldigung nicht so recht abkaufen. Ungebeten ließ sein Partner sich neben ihm nieder und betrachtete neugierig das auf dem Bildschirm sichtbare Bewerbungsfoto.

"Das ist Blackcage Hina", erklärte Crocodile ihm. "Sie kommt als meine Nachfolgerin bei Toms Workers infrage."

"Überlässt Franky dir die Entscheidung?", wollte Doflamingo mit neugieriger Stimme wissen.

"Nicht komplett", erwiderte er kopfschüttelnd. "Franky hat bereits eine Vorauswahl getroffen. Aber für den endgültigen Kandidaten werden wir uns gemeinsam entscheiden."

"Es ist sicher nicht leicht jemanden zu finden, der euren Ansprüchen gerecht wird. Du hast die Messlatte in den letzten Jahren sehr hoch gelegt. Das wird kein Spaziergang an diese Erfolge anzuknüpfen."

Crocodile seufzte leise. "Das kannst du laut sagen. Deswegen finde ich es auch wichtig jemanden auszuwählen, der bereits Erfahrung als Manager hat. Viele Bewerber sind allerdings Berufseinsteiger, die erst vor kurzem ihr Studium beendet haben. Schau mal, wie jung einige von denen sind."

Er zeigte seinem Ehemann einige weitere Bewerbungsschreiben. "Umi Itachi Nero. Vinsmoke Ichiji. Morgan Helmeppo... Moment mal, Helmeppo...!" Crocodile zog eine Augenbraue hoch und musterte skeptisch das Foto, das einen jungen Mann mit langem, blondem Haar zeigte.

"Was ist? Kennst du diesen Helmeppo etwa?", hakte sein Ehemann nach.

"Das... das kann man so nicht sagen", antwortete Crocodile. Er spürte, dass sich Röte auf seinen Wangen ausbreitete. Schnell versuchte er das Thema zu wechseln: "Jedenfalls denke ich..."

Doch natürlich bemerkte Doflamingo seine Verlegenheit sofort und bohrte neugierig nach: "Was ist das für ein Typ? Woher kennst du ihn?"

"Wie gesagt, ich kenne ihn nicht sonderlich gut. Ich bin ihm mal auf einem Kongress begegnet. Das war etwa ein halbes Jahr, bevor wir beide ein Paar wurden."

"Und...?"

"Und nichts weiter", gab Crocodile übellaunig von sich. "Ich habe seitdem nichts mehr mit ihm zu tun gehabt."

Doch mit dieser Erklärung gab sein Ehemann sich nicht zufrieden. Eingehend studierte er das Bewerbungsfoto. Schließlich meinte er mit süffisant klingener Stimme: "Er ist blond."

"Na und?"

"Du stehst auf blonde Männer."

Crocodile wollte sich verteidigen, doch er wusste, dass es angesichts seiner knallroten Gesichtsfarbe keinen Sinn machte die Vermutung seines Partners abzustreiten. Er fühlte sich ertappt und senkte den Blick. Doflamingo brach unterdessen in schallendes Gelächter aus.

"Bist du, als du single warst, mit jedem blondhaarigen Mann ins Bett gestiegent?", brachte er prustend hervor. "Verdammt, Wani, der Typ ist nicht mal gutaussehend."

Da musste Crocodile seinem Ehemann leider Recht geben. Mit seinem länglichen Gesicht und dem ausgeprägten Kinngrübchen fiel Helmeppo tatsächlich nicht in diese Kategorie. Auf dem Bewerbungsfoto war Helmeppo mit langem, glattem Haar zu sehen. Die furchtbare helmartige Frisur, die dieser damals auch noch getragen hatte, verschwieg Crocodile bewusst.

"Er ist bloß eine Notlösung gewesen", verteidigte er sich. "Ich hatte mehr als sechs Monate lang keinen Sex mehr gehabt. Also habe ich auf diesem Kongress nach einem passenden Kandidaten für einen One-Night-Stand Ausschau gehalten."

"Und da hast du dich ausgerechnet für diesen Typen entschieden?!"

"Eigentlich hatte ich es auf seinen Vater abgesehen", gestand Crocodile beschämt. "Aber der ist mit jemand Anderem mitgegangen."

Doflamingo konnte nicht mehr an sich halten. Crocodile versetzte ihm einen Hieb mit seinem Ellenbogen, doch nicht einmal das hielt ihn davon ab wie verrückt zu lachen. "Das ist ja wirklich der pure Wahnsinn, fufufufu", stieß Doflamingo zwischen den Lachern hervor. "Ein Typ versetzt dich und aus Rache vögelst du mit seinem Sohn!"

"So ist das nicht gewesen! Es war mehr... Naja, ich hatte eben mit einer, sagen wir Durststrecke zu kämpfen. Mir ist bewusst, dass mein Libido nicht so stark ausgeprägt ist wie deins, aber sogar für mich sind sechs Monate ohne Sex wirklich grenzwertig. Also hatte ich einen One-Night-Stand mit diesem Helmeppo. Wobei ich sagen muss, dass die Nacht eine einzige Enttäuschung gewesen ist."

"Wieso das?"

Crocodile zögerte. Eigentlich gehörte es sich nicht seinem Ehemann irgendwelche alten Bettgeschichten aufzutischen, aber da sie nun so frei miteinander sprachen, meinte er schließlich: "Es war der mieseste One-Night-Stand, den ich jemals hatte. Irgendwie ist keine gute Stimmung aufgekommen. Der ganze Vorgang lief irgendwie... ich weiß nicht, wie es beschreiben soll... technisch ab. Er hat mir einen geblasen und dann wollte er, dass ich ihn ficke. Um ehrlich zu sein, bin ich mir wie in einem schlechten Porno vorgekommen. Und jetzt hör endlich auf dich schlappzulachen, verdammt noch mal!"

"Tut mir leid, aber das ist wirklich witzig", gab Doflamingo zurück. Er versuchte sich zu beruhigen, aber es gelang ihm augenscheinlich nur sehr schwer. "Wobei es mich ehrlich gesagt wundert, dass du überhaupt One-Night-Stands hattest. So hätte ich dich gar nicht eingeschätzt."

Crocodile zuckte mit den Schultern. "In meinen Beziehungen bin ich immer treu gewesen", erklärte er. "Das ist für mich selbstverständlich. Aber ich sehe nicht ein, wieso ich auf Sex verzichten sollte, bloß weil ich keinen Partner habe. Also habe ich mir hin und wieder jemanden fürs Bett gesucht."

"Und wie oft kam das vor?"

"Dieses Gespräch nimmt langsam wirklich absurde Züge an", versuchte Crocodile seinen Ehemann abzuwimmeln. "Man spricht doch nicht mit seinem festen Partner über ehemalige One-Night-Stands."

"Jetzt sind wir aber schon dabei", wandte Doflamingo grinsend ein. "Komm schon, ich bin neugierig. Bevor wir beide uns kennengelernt haben, bist du drei Jahre lang single gewesen. Wie oft hast du dir jemanden gesucht, um deine Triebe auszuleben?"

Crocodile seufzte leise. "Keine Ahnung, ich habe die Typen nicht gezählt. Und ich denke, dass es auch sehr unterschiedlich war. Je nachdem, welche Möglichkeiten sich mir boten und wie viel Stress ich auf der Arbeit gehabt habe."

"Ungefähr?", bohrte Doflamingo nach.

"Das war vielleicht so etwa ein One-Night-Stand pro Monat", gab Crocodile schließlich zu. Und um den Spieß umzudrehen, fragte er: "Und wie hast du das gehandhabt, als du single gewesen bist?"

"Streng genommen, war ich nur sehr selten single", erklärte Doflamingo schulterzuckend. "Ich hatte ständig Frauen oder Männer an meiner Seite, die ich als meinen Freund oder meine Freundin bezeichnet habe. Aber das hat mir wenig bedeutet. Ich habe trotzdem nichts anbrennen lassen."

"Heißt das, du hast deine Partner am laufenden Band betrogen?" Entsetzt musterte Crocodile seinen Ehemann.

Doflamingo schien die Sache gelassen zu sehen. "Naja, das waren keine festen Partnerschaften", verteidigte er sein notorisches Fremdgehen. "Meistens war nach zwei oder drei Wochen schon wieder Schluss. Das ist etwas ganz Anderes als unsere Beziehung. Dich würde ich niemals betrügen."

"Diese Worte sind schwer zu glauben, wenn sie aus dem Mund eines Mannes stammen, der Treue bisher keinen großen Wert beigemessen hat."Crocodile schüttelte seufzend den Kopf.

Doflamingo nahm ihm seine Aussage übel. "Was willst du damit sagen?", gab er spitz zurück. "Unterstellst du mir, dass ich Affären habe!? Irgendeine Freundin, die ich heimlich treffe?"

"So war das nicht gemeint", ruderte Crocodile hastig zurück und machte eine beschwichtigende Geste. "Aber du musst zugeben, dass es verdammt ungewöhnlich ist, wenn ein Playboy plötzlich die Vorzüge der Monogamie für sich entdeckt."

"Früher habe ich es mir selbst gar nicht vorstellen können", gab sein Ehemann zu. Er wirkte nun wieder ein wenig abgekühlter. "Aber als ich dich damals kennengelernt habe, war mir klar, dass du der Mann bist, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich habe noch am selben Abend mit meiner damaligen Freundin Schluss gemacht. Mir war absolut klar, dass du der Einzige für mich bist."

"Manchmal bist du echt kitschig", murmelte Crocodile kopfschüttelnd, aber konnte gleichzeitig ein sanftes Lächeln nicht unterdrücken.

Doflamingo erwiderte sein Lächeln. "Wir sind jetzt seit sechs Jahren verheiratet", sagte er. "Und nie war ich so glücklich wie mit dir."

"Vermisst du nie dein altes Leben?", hakte Crocodile mit leiser Stimme nach. "Du warst ungebunden. Konntest dich sexuell völlig frei ausleben. Ich habe ziemlich viele Gerüchte über deine sexuellen Ausschweifungen gehört."

"Ach ja?" Doflamingo grinste ihn frech an.

"Ich habe gehört, dass du früher regelrechte Sex-Parties veranstaltet haben sollst", erklärte Crocodile, wobei er sich selbst nicht ganz sicher war, ob er dem Glauben schenken sollte oder nicht. "Und dass du dich gerne mit mehreren Sexpartnern gleichzeitig vergnügt hättest. Solche Sachen."

Doflamingo schnalzte abfällig mit der Zunge. "Naja, ich hatte hin und wieder mal einen Dreier", gab er zu. "Aber von Sex-Parties zu sprechen halte ich doch für leicht übertrieben."

"Du hattest wirklich mal einen Dreier?"

"Klar", antwortete er schulterzuckend. "Hattest du noch nie einen?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Was für Dreier hattest du denn? Also mit Männern oder mit Frauen?", hakte er nach. Er wusste, dass sein Ehemann im Gegensatz zu ihm bisexuell war.

"Alle Konstellationen", erwiderte Doflamingo mit gelassener Stimme. "Zwei Männer. Zwei Frauen. Ein Mann, eine Frau... Wieso bist du so neugierig?"

Crocodile senkte den Blick. Er wusste selbst nicht so recht, was er auf diese Frage antworten sollte.

Doflamingo formulierte seine Frage um: "Hättest du gerne einen Dreier?"

Auch bei dieser Frage war Crocodile sich unsicher. Die Vorstellung, gemeinsam mit seinem Partner und noch einem weiteren Mann Sex zu haben, war durchaus reizvoll... doch auf der anderen Seite hatte er sich auch vor seiner Ehe mit Doflamingo niemals nach Sex mit einer dritten Person gesehnt. Die Gelegenheit hätte sich ihm sicher irgendwann geboten, wenn er wirklich gewollt hätte.

"Ich kann verstehen, dass dich diese Fantasie reizt", sagte sein Ehemann. "Aber um ehrlich zu sein, ist es meistens nicht so toll wie es sich anhört."

"Wie meinst du das?"

"Naja..." Doflamingo suchte nach den passenden Worten. "Wenn man hört, dass irgendjemand einen Dreier hatte, dann geht man automatisch von wahnsinnig heißem Sex aus. Aber die Realität sieht oft anders aus. Es ist nicht immer leicht die Bedürfnisse von drei verschiedenen Menschen zu berücksichtigen. Ich habe es nicht selten erlebt, dass mindestens Einer total unbefriedigt aus der Sache wieder rausgegangen ist."

"Jetzt ehrlich?" Dieses Geständnis verpasste Crocodiles heißem Kopfkino einen gehörigen Dämpfer.

Doflamingo nickte. Er wirkte nicht als wollte er ihn auf den Arm nehmen. "Vor allem mit zwei Frauen ist es schwierig. Sie sind schnell eifersüchtig aufeinander und gönnen sich gegenseitig nichts. Das verdirbt total die Stimmung. Aber die Männer benehmen sich auch nicht unbedingt besser. Ich hatte sogar mal einen Dreier mit einem Typen, der so dermaßen ungeduldig und rücksichtslos war, dass ich ihn kurzerhand rausgeschmissen habe."

Diese Aussage ließ Crocodile unweigerlich in Gelächter ausbrechen. "Du hast ja wirklich verrückte Sachen erlebt."

"Wie gesagt, ich habe nichts anbrennen lassen, fufufu."

"Ich habe den Eindruck, dass sich dein Leben durch unsere Ehe viel stärker geändert hat als meines. Vermisst du es manchmal einfach ein ungebundener Playboy zu sein? Sei ruhig ehrlich. Ich könnte es ein klein wenig verstehen. Du hast für mich wirklich viel aufgegeben."

"Aufgegeben?" Doflamingo schüttelte den Kopf. "Das ist das falsche Wort. Ich meine... Immerhin fahren wir morgen in die Klinik, damit du unser Kind zeugen kannst. Das würde ich nicht eintauschen wollen, gegen nichts auf der Welt. Ich habe wenig aufgegeben und viel gewonnen, wenn man so möchte."

"Morgen..." Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Die skurile Sex-Unterhaltung mit seinem Ehemann hatte ihn für kurze Zeit von dem abgelenkt, was ihm morgen bevorstand. Doch nun musste er unweigerlich wieder an Dr. Raffit und den beißenden Geruch von Desinfektionsmittel denken.

"Kriegst du kalte Füße?" Es sollte wie ein Scherz klingen, doch in der Stimme seines Ehemannes klang ein Hauch Unsicherheit mit.

Crocodile schüttelte entschieden den Kopf. "Nein. Es ist nur... Ich wünsche mir, dass dieser Schritt schon getan wäre. Es ist wirklich keine angenehme Vorstellung zu... naja... du weißt schon." Er wollte es nicht aussprechen.

"In einer Kabine in der Klinik in einen kleinen Plastikbecher zu wichsen", beendete Doflamingo unverfroren seinen Satz.

Crocodile nickte beschämt. Es handelte sich bei ihm um einen ziemlich prüden Menschen. Wenn er ehrlich war, dann glich für ihn die morgige Situation einem Horrorszenario.

"Das schaffst du schon", versuchte sein Partner ihn aufzumuntern. "Da werden Porno-Zeitschriften ausliegen. Such dir einfach eine mit einem blonden Mann aus und dann legst du los."

Die Röte auf Crocodiles Wangen intensivierte sich. "Und wenn ich... wenn ich..." Er versuchte die Worte auszusprechen, die ihm auf der Zunge lagen, er versuchte es wirklich; doch nichts außer unzusammenhängendem Gestammel verließ seinen Mund.

Trotzdem verstand Doflamingo, worauf er hinauswollte. "Das wird schon alles funktionieren. Ich habe immerhin in den letzten Tagen die Finger von dir gelassen. Und in den sechs Jahren unserer Ehe bist du deutlich häufiger als einmal im Monat Sex gewöhnt, fufufufu."

Dann hatte Doflamingo ihm also absichtlich widerstanden. Crocodile hatte sich, um ehrlich zu sein, sehr gewundert, als sein Ehemann gestern gar nicht auf ihn reagiert hatte. Dabei liebte er es normalerweise, wenn Crocodile gerade aus dem Bad kam und noch nasse Haare hatte.

"Jetzt zerbrich dir nicht den Kopf", meinte Doflamingo schließlich. "Es wird alles glatt laufen morgen. Alle anderen Männer, die auf diese Weise ein Kind bekommen haben, waren von ihrem Beitrag zur Zeugung sicher auch nicht gerade begeistert. Aber am Ende wird es sich lohnen. In neun Monaten halten wir unser Kind in den Armen und du wirst gar nicht mehr an diese Sache zurückdenken."

Crocodile nickte, doch das mulmige Gefühl in seiner Magengegend wollte nicht verschwinden.
 

*
 

Es war soweit. Crocodile presste seine Lippen fest aufeinander, während er das große, quadratische Gebäude der Kinderwunschklinik musterte. Er wusste, dass es kaum möglich sein konnte, doch er bildete sich ein sogar hier draußen den Geruch von Desinfektionsmitteln und Nylonhandschuhen wahrzunehmen.

"Du siehst aus als müsstest du den Weg zu deinem Schafott antreten", witzelte Doflamingo, der neben ihm stand. Dass sein Ehemann ihn begleitete, wäre nicht zwingend notwendig gewesen, doch trotzem war Crocodile froh, dass er da war. Er konnte ein wenig seelischen Beistand wirklich gut gebrauchen.

"Ich mag diesen Geruch nicht", meinte Crocodile ohne den Blick von der Eingangstüre der Klinik abzuwenden.

"Was für einen Geruch?" Skeptisch schnupperte Doflamingo, doch er schien nichts wahrnehmen können.

"Diesen Geruch nach Krankenhaus", erklärte Crocodile ihm. "Vor allem nach Desinfektionsmittel. Jeder Arzt, jede Schwester riecht danach. Sogar ins Putzmittel für den Boden kippen sie Desinfektionsmittel."

Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. "Also ich rieche nichts." Er räusperte sich kurz, ehe er mit sanfter Stimme hinzufügte: "Du bist bestimmt empfindlich, weil du nervös bist. Das kann ich verstehen. Ich meine... Das hier ist eine große Sache. Vielleicht die größte Sache in unserem Leben. Heute beginnt unser erster Tag als Eltern sozusagen. Aber du solltest versuchen dich ein bisschen locker zu machen."

"Du hast leicht reden", murrte Crocodile. "Du bist nicht derjenige, der... für die Zeugung verantwortlich ist."

"Du wolltest diesen Part unbedingt übernehmen", hielt sein Ehemann ihm vor. "Ich hätte kein Problem damit ein bisschen zu masturbieren und unser Kind zu zeugen. Aber dir ist die Blutsverwandtschaft ja so wichtig. Dann musst du die Sache jetzt auch durchziehen."

Endlich wandte Crocodile den Blick von der Klinik ab. Doflamingos Worte klangen harsch, aber er hatte nicht Unrecht. Er hatte es so gewollt. Also hatte er im Grunde kein Recht sich zu beschweren.

"Eine Zigarre", meinte er schließlich. "Ich rauche eine Zigarre und dann gehen wir rein."

Doflamingo nickte erleichtert. Offenbar hatte er insgeheim die Befürchtung gehegt, dass Crocodile es sich womöglich im letzten Moment doch noch anders überlegte. Da kannte er seinen Ehemann aber schlecht. Crocodile war kein Mensch, der vor irgendetwas davonlief.

Er schnippste die Überreste der Zigarre in einen Mülleimer und machte sich dann auf den Weg zum Eingang der Klinik. Seine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding, doch er gab sein Bestes, um sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.
 

In der Klinik schwirrte immer wieder nur ein einziger Gedanke durch Crocodiles Kopf: Alles hier ist so verdammt unsexy. Die Umgebung wirkte neutral und steril. Weiße Wände, hellgrüner Linoleumboden. Klinikpersonal, das weiße Crocs an den Füßen trug.

Dr. Raffit passte mit seiner papierweißen Haut perfekt in diese Umgebung. Crocodile konnte sich kaum auf die Worte des Arztes konzentrieren. Er versuchte ein wenig Speichel unter seiner Zunge hervorzukramen, doch konnte keinen finden.

Irgendwann wurde ihm ein kleiner, weißer Plastikbecher in die Hand gedrückt. Oben auf dem Deckel klebte ein Zettel mit der Aufschrift "Ejakulat Donquixote Crocodile 16. Oktober". Crocodile wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Stattdessen schickte man ihn in eine kleine Kabine, in der er sein Werk vollbringen sollte.

Crocodile konnte sich nicht daran erinnern sich jemals in seinem Leben so unwohl gefühlt zu haben wie jetzt gerade. Und er war als Siebzehnjähriger mal von seiner Großmutter überrascht worden, als er sich im Bad seinen Intimbereich rasiert hatte. (Als er sich ein Jahr später geoutet hatte, hatte sie behauptet, sie hätte es damals schon gewusst. Ihr Mann hätte sich jedenfalls nie untenrum rasiert.)

Verdammt, wenn etwas gab, was noch weniger sexy als diese Masturbationskabine war, dann war es die Vorstellung davon wie sein Großvater seinen Intimbereich pflegte. Er musste definitiv auf andere Gedanken kommen.

Crocodile atmete tief ein und aus. Er stellte den kleinen Plastikbecher auf das Tischchen zu seiner Rechten und ließ seinen Blick behutsam über den kleinen Raum schweifen. Es gab ein kleines Sofa, einen Tisch, einen Zeitschriftenständer mit diversen Porno-Magazinen und einen Fernseher mitsamt Fernbedienung.

Das half ihm nicht wirklich weiter. Crocodile war ein sehr reinlicher Mensch und er ekelte sich vor dem Sofa, auf dem sich zig Männer vor ihm niedergelassen hatten, um zu masturbieren. Die Cover der meisten Zeitschriften zeigten Frauen.

Schlussendlich öffnete Crocodile seine Hose und lehnte sich gegen eine Wand. Er schloss seine Augen und versuchte sich etwas Schönes vorzustellen. Vielleicht Doflamingo, der letztens...

Der Plastikbecher! Crocodile öffnete seine Augen wieder und musterte ärgerlich den kleinen Becher, der auf dem Beistelltisch stand. Hastig zog er den Tisch zu sich heran und nahm den Deckel des Bechers ab.

Erneut schloss Crocodile die Augen. Woran hatte er eben gedacht? Genau, an seine Großteltern. Nein! Nein, nein, nein! Angeekelt schüttelte Crocodile den Kopf. Verdammt, das war schwieriger als gedacht.

Crocodile schluckte und versuchte sich so fest wie möglich auf seinen Ehemann zu konzentrieren. Sie waren in letzter Zeit häufig zusammen im Fitness-Studio gewesen. Doflamingo war kein Muskelprotz, aber er hatte schöne, athletische Oberarme und Brustmuskeln bekommen. Ja, das war gut. Damit konnte er arbeiten. Vor etwa zwei Wochen hatten sie Sex auf dem Küchentisch gehabt. Crocodile lag rücklings auf der Tischplatte und sein Ehemann war im Stehen in ihn eingedrungen. Er hatte eine sexy Aussicht auf seinen Oberkörper gehabt. Sehr genau konnte er sich an Doflamingos gebräunte Haut und seine stechen grünen Augen erinnern. An sein selbstgefälliges Grinsen mit den unnatürlich hellen Zähnen. Wie seine Muskeln sich bewegt hatten, als er immer wieder in ihn eingedrungen war...

Allmählich richtete sich Crocodiles Glied auf. Behutsam griff er mit seiner rechten Hand danach und streichelte es.

Er versuchte sich besonders intensiv an einzelne Körperstellen seines Partners zu erinnern. An seine kleinen, hübschen Brustwarzen... Sie waren dunkler als Crocodiles... Seine eigenen Brustwarzen waren hellrosa. Aber Doflamingo hatte grundsätzlich ein wenig dunklere Haut als er. Mit seinem blondem Haar und der sonnengebräunten Haut sah er aus wie eine klassische Strand-Schönheit.

Im Sommer hatten sie wieder Urlaub in ihrem Ferienhaus am Strand gemacht. Es war ein sehr schöner und sehr einsamer Ort, den sie ganz für sich gehabt hatten. An einem Abend hatte sein Ehemann ein romantisches Picknick für sie beide vorbereitet. Sie hatten auf einer großen Decke gesessen und sich gegenseitig mit Leckereien gefüttert. Und Doflamingo wäre nicht Doflamingo, wenn er die Gunst der Stunde nicht genutzt hätte, um ihn draußen am Strand zu verführen.

Crocodile fuhr mit seinem Daumen über seine Eichel, ehe er sein Glied zu pumpen begann. Er atmete gleichmäßig ein und aus und versuchte sich ganz seiner Fantasie hinzugeben.

Er konnte sich sehr deutlich an den Geräusch der plätschernden Wellen erinnern. An das Kreischen der Seevögel. Und an den Sand. Er hatte überall an ihnen festgeklebt. Crocodile wusste noch genau, dass ständig Sandkörner auf ihn herabgerieselt waren, während sie beide sich miteinander vergnügt hatten. Doflamingos gesamter Rücken war mit einer Schicht feinem Sand bedeckt gewesen.

Crocodile erhöhte die Geschwindigkeit, mit der er an seinem erigierten Glied arbeitete. Er presste seine Augenlieder fest zusammen und könnte beinahe schwören, anstatt des ekligen Desinfektionsmittels das Meer riechen zu können. Und auf seinen Lippen schmeckte er das süße Obst, das Doflamingo mitgebracht hatte.

Im Ferienhaus waren sie gemeinsam unter die Dusche gestiegen, um sich den Sand abzuwaschen. Selbstredend, dass auch dort sein Ehemann nicht die Finger von ihm lassen konnte. Crocodile hatte nichts dagegen gehabt. Er war ein wenig wund gewesen wegen ihres Techtelmechtels am Strand, aber davon ließ er sich nicht abbringen.

Verdammt, es gab kaum ein schöneres Gefühl als wenn Doflamingo sein Glied mit den Lippen umschloss und seine Zunge gegen die Unterseite seiner Eichel presste. Er erinnerte sich daran, dass sich ihre Blicke gekreutzt hatten und Doflamingos sebstgefälliger Blick ihm einen warmen Schauer über den Rücken gejagt hatte...

Crocodile spürte, dass sich sein Orgasmus aufbaute, und schritt hastig zu dem kleinen Beistelltisch zu seiner Rechten hinüber. Er wäre beinahe über die Tischbeine gestolpert. Gerade rechtzeitig schaffte er es noch auf den Plastikbecher zu ziehen, ehe sein Höhepunkt ihn überrollte.

Der Orgasmus hielt nicht sonderlich lange an; es waren bloß drei Stöße, deren Inhalt nur so halbwegs in dem weißen Becher gelandet war. Hoffentlich würde das für die künstliche Befruchtung ausreichen.

Rastlos zog Crocodile seine Hose hoch und knöpfte sie zu. Er wollte diese furchtbare Masturbationskabine so schnell wie möglich wieder verlassen. Widerstrebend warf Crocodile einen Blick auf den Plastikbecher und das Tischchen, das er bei seinem Orgasmus gleich miteingesaut hatte. Zum Glück hatte er daran gedacht eine Packung Papiertaschentücher mitzunehmen. Hastig reinigte Crocodile die Tischplatte von seinem Ejakulat. Anschließend verschloss er den weißen Plastikbecher und ließ den kleinen, unbehaglichen Raum rasch hinter sich.

Draußen im Gang wartete eine junge Krankenschwester mit blondem Haar auf ihn. Crocodile übergab ihr sein Ejakulat ohne ihr in die Augen zu schauen oder ein Wort mit ihr zu wechseln und machte sich dann eilig auf die Suche nach seinem Ehemann.

Doflamingo hielt sich draußen im Gang auf. Gegenüber einer großen Fensterfront, die helles Licht hereinließ und der Klinik ein wenig von ihrem unbehaglichen Eindruck nahm, befand sich eine Sitzgruppe. Dort hatte er sich mit Dr. Raffit niedergelassen; die beiden unterhielten sich miteinander.

Doflamingo unterbrach sofort sein Gespräch, als er ihn sah. "Und?", wollte er mit aufgeregter Stimme wissen und sprang förmlich vom Sofa auf. "Ist alles gut gegangen?"

Crocodile nickte mit gesenktem Blick. "Ich habe den Becher einer Schwester gegeben." Seine Worte waren an Dr. Raffit gerichtet, doch er wagte es nicht dem unheimlichen Arzt in die Augen zu schauen.

Um ganz ehrlich zu sein, würde Crocodile am liebsten im Boden versinken. Dass sowohl seinem Ehemann als auch einer für ihn so gut wie unbekannten Person absolut klar war, dass er soeben masturbiert hatte, war ein furchtbar unangenehmes Gefühl. Er war ein sehr schamhafter Mensch.

Doflamingo zog ihn in eine Umarmung und drückte ihn so fest, dass seine Rippen zu schmerzen begannen. "Ich freue mich so sehr!", jaulte er freudestrahlend. "Das ist einfach so wundervoll! Wir beide werden Eltern!"

"Bedenken Sie bitte, dass die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Befruchtung nur bei etwa fünfzehn Prozent liegt", unterbrach Dr. Raffit Doflamingos Gefühlsausbruch. "Ich möchte Ihre Freude nicht dämpfen, Mr. Donquixote, aber es ist also durchaus möglich, dass wir mehr als einen Versuch benötigen werden."

"Weiß ich doch", meinte Doflamingo und winkte ab. Noch immer klebte ein breites, zufriedenes Grinsen in seinem Gesicht. "Aber es freut mich, dass wir diesen ersten Schritt getan haben! Oh, Wani, ich bin so erleichtert! Ich hatte schon die Befürchtung, dass es nicht klappen würde."

"Ich habe gesagt, dass ich es tun würde", wies Crocodile seinen Partner zurecht. Noch immer brachte er es nicht über sich einem der beiden ins Gesicht zu sehen. "Also halte ich mich auch daran."

"Das meine ich nicht", erwiderte Doflamingo sofort. "Ich weiß, dass du ein konsequenter Mensch bist und dich an dein Wort hältst. Aber... Dr. Rafitt hat mir eben erklärt, dass sehr viele Männer ein Problem damit haben... nun ja... sozusagen auf Ansage zu masturbieren. Darum bin ich wahnsinnig erleichtert, dass alles geklappt hat."

"Wie geht es jetzt weiter?", fragte Crocodile mit leiser Stimme.

"Ihr Beitrag zur Zeugung endet hier", sagte Dr. Raffit. "Den Rest übernehmen wir. Im Labor wird Ihr Samen aufbereitet, um den Erfolg einer Befruchtung zu erhöhen. Anschließend wird die In-vitro-Fertilisation vorgenommen. Wir bringen in einer Nährflüssigkeit die Samen- und Eizelle zusammen. Wenn der Vorgang erfolgreich war, wird in einigen Tagen die befruchtete Eizelle in die Gebärmutter von Frau Riku übertragen. Wir werden sie natürlich laufend über den aktuellen Status der Fertilisation informieren."

Crocodile nickte. Das bedeutete, dass Doflamingo und er nun gehen konnten. Das war, um ehrlich zu sein, die einzige Information, die ihn im Moment wirklich interessierte.
 

Als sie das Klinikgebäude verlassen hatten und auf dem Weg zurück zum Auto waren, schloss sein Ehemann ihn erneut fest in die Arme. "Dofla... mingo", keuchte Crocodile und versuchte sich aus dem viel zu festen Griff herauszuwinden. "Ich kriege keine Luft mehr!"

"Tut mir leid", meinte Doflamingo. Das breite Grinsen auf seinem Gesicht geriet nicht für auch nur eine einzige Sekunde ins Stocken. "Aber ich freue mich einfach so wahnsinnig! Und ich bin dir unglaublich dankbar, Crocodile!"

"Dankbar? Wieso dankbar?" Crocodile schob Doflamingo von sich und schloss seinen Mercedes C 220 BlueTEC Exclusive auf. Er verspürte so etwas wie Erleichterung, als er sich auf dem kühlen Ledersitz niederließ. Jetzt musste er nur noch so schnell wie möglich einige Kilometer Entfernung zwischen sich und diese grausige Klinik bringen.

"Na, weil du das für mich getan hast", sagte sein Ehemann, der sich vom Beifahrersitz aus zu ihm herüber beugte. "Ich weiß, dass du bei fremden Menschen sehr schamhaft bist und dass dir diese Sache nicht leichtgefallen ist. Umso mehr schätze ich wert, was du getan hast."

"Ich habe es nicht für dich getan", erwiderte Crocodile rasch und legte den Rückwärtsgang ein, um auszuparken. "Ich wünsche mir dieses Kind genauso sehr wie du, Doffy, vergiss das nicht. Das hier ist keine Gefälligkeit dir zuliebe. Ich tue es, damit ich in ein paar Monaten meinen Sohn oder meine Tochter im Arm halten kann. Du brauchst mir also keine Dankbarkeit zu zollen."

Doch Doflamingo ließ sich von seinen Worten nicht abbringen. "Ich bin trotzdem stolz auf dich", meinte er unbeirrt. Er lehnte sich im Autositz zurück und streckte seine Beine aus. "Kaum zu glauben, hm? Mit ein bisschen Glück werden wir beide in neun Monaten Eltern sein. Ich kann es kaum erwarten! Am liebsten würde ich jetzt schon mit unserem Baby nach Hause fahren."

"Ich finde es ganz gut, dass wir noch ein wenig Zeit haben, um uns vorzubereiten", sagte Crocodile. "Ich meine... Abgesehen von der Zeugung haben wir uns bisher noch nicht um allzu viele Dinge gekümmert. Wir müssen das Babyzimmer einrichten. Einen Kinderwagen und Kindersitz kaufen. Und wir sollten uns auch über die Pflege von Säuglingen informieren. Ein Kurs wäre vielleicht sinnvoll."

"Ambitioniert wie immer, Wani, fufufufu", lachte Doflamingo.

Crocodile warf seinem Ehemann einen giftigen Blick zu. "Ich meine es ernst! Ich weiß, dass du dich mit kleinen Kindern etwas besser auskennst als ich, aber ich für meinen Teil habe absolut keine Ahnung was man tun muss... keine Ahnung... wenn Babies Zähne bekommen.. oder wie man ein Tragetuch bindet.. solche Dinge eben. Aber weil ich derjenige bin, der sich hauptsächlich um das Kind kümmern wird, muss ich über alles Bescheid wissen."

"Ich werde mich auch um unser Baby kümmern", warf Doflamingo sofort ein. "Glaub mir, ich habe nicht vor mich aus der Affäre zu ziehen. Du musst nicht alles alleine machen. Ich werde auch Windeln wechseln, baden, ins Bett bringen."

"Mir ist klar, dass ich auf deine Unterstützung zählen kann", versuchte Crocodile seinen Ehemann zu beschwichtigen. "Aber seien wir doch mal ehrlich: Ich bin derjenige, der Zuhause bleibt, während du zur Arbeit gehst. Das bedeutet, dass ich die meiste Zeit über allein zurechtkommen muss. Folglich ist es sinnvoll, wenn ich mich auf diese Zeit bestmöglich vorbereite."

"Ich bekomme allmählich das Gefühl, dass du deinen Job als Manager gar nicht aufgibst", neckte Doflamingo ihn grinsend. "Du verlagerst ihn einfach nur auf deine neue Rolle als Vater, fufufu."

"Egal, was ich tue", erwiderte Crocodile, der sich ein klein wenig ertappt fühlte, "wenn ich mich für etwas entschieden habe, gebe ich einhundert Prozent. Ob es jetzt um die Organisation einer Messe oder um mein Kind geht – ich kann einfach keine halben Sachen machen. Das ist nicht mein Stil."

Anbetracht dieser Aussage brach sein Ehemann in schallendes Gelächter aus. "Ich habe mich schon gefragt, was bei dir los ist, Crocodile", prustete er. "Wieso du auf einmal unbedingt ein Kind haben möchtest. Was sich bei dir geändert hat. Aber jetzt merke ich, dass du dich in Wirklichkeit kein Stück verändert hast, fufufufu. Du bist immer noch derselbe sture, perfektionistische, ehrgeizige Typ wie vorher."

"Du tust so als wäre das etwas Schlechtes", gab Crocodile pikiert zurück. "Mein Sohn oder meine Tochter wird es gut haben. Es ist besser Eltern zu haben, die sich der Erziehung ihrer Kinder verschreiben und sich viel Mühe geben als Eltern, denen alles völlig egal ist. Das liegt doch wohl auf der Hand, oder nicht?"

"Hast du dich denn schon über Möglichkeiten der Frühförderung informiert? Wusstest du, dass es in vielen Musikschulen schon Kurse für Kinder ab sechs Monate gibt?"

"Ehrlich?" Das hatte Crocodile tatsächlich nicht gewusst gehabt. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass Kinder mit frühestens drei oder vier Jahren begannen ein Instrument zu lernen. Wenn solche Kurse aber üblicherweise schon deutlich früher starteten, würde er sich bald schon um die Anmeldung kümmern müssen.

Es war Doflamingos schallendes Gelächter, das Crocodile aus seinen Gedanken riss. Sein Ehemann musste sogar seine Sonnenbrille nach oben schieben, um sich die Lachtränen aus dem Gesicht zu wischen. Auch als Crocodile ihm einen bösen Blick zuwarf und ihm mit der Faust in die Seite boxte, war er nicht dazu in der Lage sich zu beruhigen. "Oh mein Gott, fufufufu", brachte er japsend hervor und hielt sich laut lachend den Bauch. "Du wirst definitiv einer dieser Väter werden, die ihrem Kind schon mit drei Monaten versuchen das Lesen beizubringen, fufufufu! Oh Mann! Fufufufufu!"

Crocodile schlug seinem Ehemann erneut in die Seite, doch Doflamingo kriegte sich nichtsdestotrotz erst dann allmählich wieder ein, als sie in ihre Straße einbogen und das Tor zu ihrem Grundstück passierten. Crocodile stieg mit einem pikierten Gesichtsausdruck aus dem Wagen und wechselte kein Wort mit seinem Ehemann, während sie die Eingangstüre ihrer kleinen Villa ansteuerten. Doflamingo schien sich tatsächlich nicht an seiner beleidigten Miene zu stören, oder er ließ es sich zumindest nicht anmerken. Selbst als Crocodile ihm die Türe vor der Nase zuknallte, brach er bloß erneut in Gelächter aus.
 

bye

sb

Rückschläge

Crocodile hasste es warten zu müssen. Bei ihm handelte es sich um einen Menschen, der es nur schlecht ertragen konnte, wenn er nicht die die absolute Kontrolle über sein Leben hatte. Und im Moment fühlte er sich buchstäblich als würde er ohnmächtig in der Schwebe hängen.

Normalerweise verbrachte er nicht viel Zeit an seinem Handy, doch nun schaute er manchmal dreimal pro Minute auf den Display. Wartete auf einen Anruf von der Kinderwunschklinik. Auf eine Nachricht von seinen Geschwistern oder Daz.

Seit dem Grillfest, das am Ende völlig aus dem Ruder gelaufen war, hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Crocodile rechnete damit, dass Mihawk oder Hancock sich bei ihm melden würden, um sich für ihre unverschämten Reaktionen auf seinen Kinderwunsch zu entschuldigen. Daz würde ihn auch um Verzeihung bitten. Er war Crocodiles ältester Freund und ständig besorgt um ihn. Bestimmt würde er ihn anrufen und mitteilen, dass er seine Worte nicht so gemeint hatte. Dass er bloß das Beste für ihn wollte.

Aber es meldete sich niemand bei ihm. Inzwischen war es Freitag und weder ein Anruf noch eine Textnachricht fand ihren Weg zu ihm.

Auch von Dr. Raffit gab es noch keine Rückmeldung bezüglich der künstlichen Befruchtung. Der Arzt hatte versprochen sich zu melden, sobald es Neuigkeiten für sie hatte. Crocodile war sich dessen bewusst, dass eine in-vitro-Befruchtung nicht in fünf Minuten erledigt war: Zuerst wurden die Samenzellen aufbereitet, um die Qualität zu verbessern und die Chancen einer erfolgreichen Fertilisation zu erhöhen. Dann brachte man seinen Samen mit den Eizellen zusammen und zog sie einige Tage lang in einer Nährlösung heran. Erst danach wurde eine befruchtete Eizelle in Rebecca Rikus Gebärmutter eingesetzt. Der Vorgang dauerte also eine ganze Weile. Es war nicht ungewöhnlich oder besorgniserregend, dass sie noch nichts von der Kinderwunschklinik gehört hatten.

Trotzdem spürte Crocodile, dass er mit jedem Tag, der ereignislos verstrich, nervöser wurde. Beim gemeinsamen Abendessen mit Doflamingo starrte er praktisch im Sekundentakt auf den Display seines Smartphones. Irgendwann konnte selbst sein Ehemann diese Situation nicht mehr mit Humor nehmen.

"Jetzt leg bitte endlich dieses verdammte Handy weg", maulte er zwischen zwei Bissen. "Du hast deine Paella kaum angerührt. Dabei ist sie wirklich gut. Dadan stand dafür heute über drei Stunden in der Küche."

Dadan war ihre Haushälterin, die wochentags für sie tätig war. Eine runde Frau Mitte fünfzig mit langen, rot-orangenen Locken. Seit Crocodile und Doflamingo vor etwa fünf Jahren in ihr neues Domizil gezogen waren, kümmerte sie sich hier um alles. Dadan putzte, räumte auf, kaufte ein und kochte das Abendessen für sie. Sie war eine wirklich große Hilfe. Früher, als sie beide noch in Doflamingos gigantischer Villa gewohnt hatten, waren ständig Dutzende Angestellte und Dienstmädchen um sie herum geschwirrt. Crocodile war sich vorgekommen wie in einem Hotel; mit nur einer einzigen Haushälterin fühlte er sich deutlich wohler.

"Ich möchte nichts verpassen", verteidigte sich Crocodile. Und um seinen Ehemann ein wenig zu beschwichtigen, nahm er einen großen Bissen der Paella zu sich. Sie war wirklich gut. Traditionell mit Meeresfrüchten, frischem Gemüse und Safran. Crocodile wusste, dass Doflamingo spanisches Essen liebte. "Dr. Raffit könnte sich jeden Moment melden. Willst du denn nicht wissen, ob die künstliche Befruchtung erfolgreich war oder nicht? Ich meine, unsere Chance liegt bei höchstens einem Fünftel."

"Natürlich bin ich auch gespannt", erwiderte Doflamingo sofort. "Aber du lässt dich regelrecht verrückt machen. Er wird nicht eher anrufen, bloß weil du permanent auf dein Handy starrst. Außerdem ist unser Besuch in der Klinik gerade mal drei Tage her. Wir müssen uns noch gedulden. Es bringt nichts sich in der Zwischenzeit verrückt machen zu lassen."

Crocodile senkte den Blick. "Ich warte nicht nur auf Dr. Raffits Anruf", gestand er schließlich. "Meine Geschwister und Daz haben sich auch noch nicht gemeldet. Es ist ein komisches Gefühl mit ihnen auf Kriegsfuß zu stehen."

"Du solltest euren Streit nicht überbewerten", meinte Doflamingo. "Es ist doch schon häufiger vorgekommen, dass ihr euch zerstritten habt. Seid eben alle Drei echte Sturköpfe. Das wird sich schon alles wieder einrenken."

"Wir streiten uns hin und wieder", gab Crocodile zu. "Aber normalerweise vertragen wir uns auch schnell wieder. Fast eine Woche vollständige Funkstille ist wirklich ungewöhnlich. Ich mache mir allmählich Sorgen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie alle dermaßen wütend und nachtragend sein würden."

"Das kommt schon wieder in Ordnung", versuchte sein Ehemann ihn zu trösten. "Sie brauchen wahrscheinlich ein bisschen Zeit, um sich zu beruhi..."

Doflamingo bekam keine Gelegenheit seinen Satz zu Ende zu führen. Crocodiles Handy vibrierte; sofort stürzte er sich auf das kleine, elektronische Gerät. Nur um es gleich wieder enttäuscht sinken zu lassen. "Bloß Law", seufzte er niedergeschlagen. "Er fragt, ob wir morgen mit ihm und ein paar Freunden in Shakkys Bar gehen wollen."

Doflamingo warf ihm einen entnervten Blick zu. Zwar wurden seine Augen durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt, doch nach sechs Jahren Ehe konnte Crocodile seinen Gesichtsausdruck gut genug deuten. Die pulsierende Ader an seiner Stirn war sicher auch kein positives Zeichen. "Weißt du was?", meinte Doflamingo und verzog den Mund. "Ich finde, wir sollten uns morgen mit den Anderen in Shakkys Bar treffen. Und dieses beschissene Handy lässt du Zuhause liegen. Du brauchst ein bisschen Ablenkung."

Crocodile rollte mit den Augen, doch wagte es nicht zu widersprechen. Er wollte sein Glück nicht herausfordern. Es kam nur extrem selten vor, dass Doflamingo genervt war. Normalerweise handelte es sich bei seinem Ehemann um einen Menschen, der alles mit Humor nahm und ständig grinste. Dass er auf diese Weise auf ihn reagierte, konnte nur bedeuten, dass Crocodile sich in den letzten Tagen wirklich anstrengend verhalten haben musste.
 

Eigentlich hielt sich Crocodile sehr gerne in Shakkys Bar auf. Der Laden war klein und urig mit lauter kunterbunten Möbeln, die kein bisschen aufeinander abgestimmt waren. Es verschlugen sich immer allerhand interessante und exzentrische Persönlichkeiten hierher. Selbst Doflamingo, der eine pinkfarbene Caprihose, ein bis zum Bauchnabel geöffnetes Hemd und seinen furchtbaren Federmantel trug, fiel gar nicht allzu sehr auf.

Law war bereits anwesend; er hielt sich gemeinsam mit ein paar weiteren Leuten in der Nähe einer kleinen Tischgruppe auf. Doflamingo und Crocodile steuerten die Bar an und besorgten sich Getränke, ehe sie sich auf den Weg zu ihrem Freund machten.

Law hatte eine größere Gruppe von Bekannten in Shakkys Bar eingeladen. Im Gegensatz zu Doflamingo kannte Crocodile bloß etwa die Hälfte von ihnen. Das überraschte ihn nicht sonderlich; er hatte keinen so großen Freundeskreis wie sein Ehemann. Bevor sie beide sich kennengelernt hatten, hatte er seine Freizeit praktisch ausschließlich mit seinen Geschwistern oder Daz verbracht.

Der Gedanke an seine Familie vermieste ihm die Laune. Crocodile schüttelte geistesabwesend den Kopf und ließ sich neben seinem Ehemann nieder, der fröhlich seine Freunde begrüßte. Crocodile hatte sein Handy Zuhause gelassen, so wie Doflamingo es von ihm verlangt hatte. Nun wünschte er sich, er hätte es heimlich mitgenommen. Dann könnte er wenigstens hin und wieder mal schauen, ob Mihawk, Hancock oder Daz versucht hatten ihn zu erreichen.

Obwohl er von vielen gut gelaunten Menschem umringt war, fühlte er sich isoliert. Seine sowieso schon schlechte Laune sank noch weiter. Aufgewühlt nippte Crocodile an seinem Wasserglas.

"Versuch ein bisschen Spaß zu haben", sagte Doflamingo und bot ihm ein freundliches Lächeln an. Vor ihm stand ein Cocktail, der mit vielen bunten Schirmchen und Obstspießen dekoriert war.

"Ich gebe mir Mühe", erwiderte Crocodile, doch seine Stimme klang so wenig überzeugt, dass er sich nicht einmal selbst glauben konnte.

"Hey, Doffy, schau mal her!", rief Dellinger gut gelaunt über den Tisch hinweg. Er zog sein T-Shirt hoch und präsentierte seinen Bauchnabel, der von einem goldenen Piercing verziert wurde. "Das habe ich mir vorgestern stechen lassen. Wie findest du es?"

"Schick", kommentierte Doflamingo das Schmuckstück begeistert und beugte sich sogar über die Tischplatte, um es besser begutachten zu können. Crocodile seufzte leise und rollte mit den Augen. Er fragte sich, ob sein Ehemann bei den schlechten Lichtverhältnissen in der Bar überhaupt etwas erkennen konnte.

"Vielleicht lasse ich mir noch eins stechen", erklärte Dellinger ihm. "Ich dachte vielleicht an meine Augenbraue oder Unterlippe. Was meinst du?" Dellinger war über zehn Jahre jünger als Doflamingo und ein Cousin von ihm. Nicht ersten Grades, eher ein entfernter Verwandter. Er legte sehr viel Wert auf die Meinung von Doflamingo, an dem er sich grundsätzlich stark orientierte. Sein Outfit war ähnlich flamboyant; allerdings topte er es noch mit violetten Stöckelschuhen.

"Würde dir gut stehen", meinte Doflamingo grinsend.

Dellinger wirkte zufrieden und wandte sich wieder seinem Sitznachbarn zu. Crocodile nippte unterdessen erneut an seinem Wasserglas.

"Hast du Magenschmerzen?", fragte sein Ehemann ihn im Flüsterton. "Du wirkst so angespannt."

Crocodile schüttelte den Kopf. "Wer wäre nicht angespannt, wenn er sich Dellingers schreckliches Outfit ansehen müsste?" Seine Aussage sollte sich eigentlich witzig und locker anhören, doch sogar auf ihn selbst wirkte sie bitter.

Doflamingo nahm es ihm nicht übel. "Er ist nun mal schwul", lachte er und stupste Crocodile vorsichtig mit dem Knie an.

"Ich bin auch schwul", erwiderte Crocodile schulterzuckend. "Und ich laufe nicht so herum. Um ganz ehrlich zu sein, habe ich nie verstanden, warum manche schwulen Männer auf Frauenkleidung stehen. Dann kann man es mit der Homosexualität doch gleich bleiben lassen."

Doflamingo kicherte leise. "Und was ist mit mir?", fragte er und deutete auf sein eigenes Outfit. "Ich habe einen ähnlichen Stil wie Dellinger, fufufufu."

"Nun ja, du warst für mich schon immer ein Buch mit sieben Siegeln", gab Crocodile schelmisch zurück und brachte dieses Mal sogar ein richtiges Lächeln zustande.

Sie wurden unterbrochen, als eine junge Frau mit rötlichem Haar zu ihnen stieß. "Das ist meine Freundin Scarlet", stellte Violet sie ihnen vor. Scarlet begrüßte die Runde und ließ sich dann auf dem freien Stuhl neben Violet nieder.

Scarlet erinnerte ihn ein wenig an Rebecca Riku, die Leihmutter, die Doflamingo und er ausgesucht hatten. Ob die beiden womöglich verwandt waren? Der Gedanke an die künstliche Befruchtung ließ Crocodile wieder unruhig werden. Bestimmt war Rebecca inzwischen die befruchtete Eizelle eingesetzt worden. Nun war die Zeugung seines Kindes außerhalb der Reichweite der Kinderwunschklinik; von hier an würde das Schicksal entscheiden.

Dellinger zog erneut alle Aufmerksamkeit am Tisch auf sich, indem er von seinem Date mit einem Typen namens Blue Gilee erzählte. Sie hatten sich offenbar letztes Wochenende auf einer Party kennengelernt. "Er ist wahnsinnig groß", schwärmte Dellinger. "Und seine langen Beine... Ich bin wirklich neidisch geworden. Manchmal ist es gar nicht so einfach schwul zu sein: Du weißt nie ganz sicher, ob du den Typen einfach nur vögeln möchtest oder ob du so sein möchtest wie er."

Diese Aussage sorgte für allgemeines Gelächter am Tisch; lediglich Crocodile rollte mit den Augen. Er konnte es nicht leiden, wenn Menschen ihre Sexualität zu ihrem wichtigsten Persönlichkeitsmerkmal stilisierten. Er selbst war auch homosexuell, aber er hatte nicht das Gefühl, dass ihn diese Eigenschaft am stärksten ausmachte. Es war nicht so als würde er seine sexuelle Orientierung verheimlichen; sie nahm in seinem Leben einfach keinen sonderlich großen Stellenwert ein. Seine Arbeit als Manager und sein stolz-sturer Charakter waren deutlich prägnanter. Viele seiner Bekannten erfuhren erst davon, dass er auf Männer stand, wenn sie ihm gemeinsam mit seinem Ehemann begegneten.

"Ich mache nur Spaß", fuhr Dellinger kichernd fort und wedelte mit seiner Hand. "Natürlich habe ich ihn gevögelt." Erneut erntete er amüsiertes Gelächter von den umstehenden Leuten.

Crocodile fragte sich unterdessen, ob er nicht lieber nach Hause gehen sollte. Bei ihm handelte es sich nicht per se um eine Spaßbremse. Eigentlich ging er gerne mit Freunden aus. Aber die Gesprächsthemen an diesem Abend entsprachen absolut nicht seinem Niveau. Er war kein so verrückter Paradiesvogel wie Doflamingo oder Dellinger.

Seinem Ehemann zuliebe nahm Crocodile sich vor wenigstens noch eine Stunde in Shakkys Bar abzusitzen. Ihm war bewusst, dass Doflamingo es mit seiner schlechten Laune in letzter Zeit nicht leicht hatte. Er gönnte ihm ein bisschen Ablenkung durch seine Freunde und deren primitiven Humor.

Die Stimmung kippte später am Abend, als Dellinger es übertrieb und einem Mann am Nachbartisch einen obszönen Flirtspruch zurief. Crocodile bekam die genaue Wortwahl gar nicht mit; irgendetwas mit süßem Mäuschen oder so etwas. Wahrscheinlich eine Anspielung auf die weiße Kappe mit Mäuse-Ohren, die dieser trug.

Leider nahm er den Flirt nicht Humor. "Lass mich bloß in Ruhe, du Tunte", gab er zischend zurück und warf Dellinger einen verächtlichen Blick zu, der insbesondere an seinen Stöckelschuhen haften blieb. "Mit Typen wie dir will ich nichts zu tun haben."

Doflamingo, der sich immer für seine Freunde einsetzte, fühlte sich sofort dazu veranlasst Dellinger zu verteidigen. "Nimm das sofort zurück, du elendige Ratte!", sagte er zornig und erhob sich von seinem Sitzplatz.

Andere Leute aus ihrer Gruppe schlossen sich Doflamingo an. "Du homophobes Arschloch!", hörte Crocodile Cirkies sagen. Scarlet stimmte mit ein.

Crocodile war einer der wenigen, der sich zu keiner beleidigenden Äußerung herabließ. "Doffy", sagte er stattdessen und zupfte an dessen Hemdsärmel. "Lass es gut sein. Du tust keinem hier einen Gefallen, wenn dieser Abend in einer unnötigen Prügelei endet."

Doflamingo setzte eine verständnislose Miene auf. "Der Kerl hat Dellinger beleidigt", meinte er wütend. Sein Atem roch nach Alkohol. "Das kann man doch nicht so einfach stehen lassen!"

"Dellinger hat ihn zuerst angemacht", erinnerte Crocodile seinen Ehemann. "Und davon mal abgesehen: Wenn man als Mann mit Hotpants und Stöckelschuhen rumläuft, darf man sich nicht wundern, wenn man als Tunte bezeichnet wird."

Diese Aussage sorgte nicht nur bei Doflamingo, sondern auch bei einigen anderen Leuten am Tisch für entsetzte Reaktionen. "Das ist doch wohl nicht dein Ernst!", meinte Bellamy und warf ihm einen durchdringenden Blick zu. "Dellinger findet es sich nicht schön als Tunte bezeichnet zu werden!"

"Vielleicht findet es dieser Kerl auch nicht schön als Mäuschen oder was auch immer bezeichnet zu werden", hielt Crocodile dagegen ohne Bellamys Blick auszuweichen.

"Er hat verdammte Mäuseohren auf seiner Mütze!"

"Und Dellinger hat Stöckelschuhe an den Füßen!" Crocodile war es völlig unbegreiflich, wie weder Bellamy noch dessen Freunde diese Doppelmoral erkennen konnten. Sie verteidigten Dellinger bloß, weil er zu ihnen gehörte. Aber im Grunde hatte er sich nicht besser benommen als der Kerl, gegen den nun alle schossen.

"Dellinger wollte nur ein bisschen flirten", schaltete sich nun auch wieder Doflamingo ein. Ausnahmsweise schien er einmal nicht auf der Seite seines Partners zu sein. "Das ist kein Grund gleich beleidigend zu werden!"

"Er hat ihn als Tunte bezeichnet", gab Crocodile angenervt zurück. "Nicht als Missgeburt, Hurensohn oder was auch immer. Und im Grunde liegt er ja nicht einmal falsch. Ich meine, Dellinger ist eine Tunte, oder nicht?"

Damit hatte er den Vogel wohl abgeschossen. Der Reihe nach zogen die Leute um ihn herum scharf die Luft ein und traktierten ihn mit giftigen Blicken. Man könnte meinen, er hätte so eben behauptet, dass er die Ausbeutung von Kindersklaven befürwortete.

"Es geht nicht darum, was er ist oder nicht", erklärte ihm Doflamingo, der sich schwer um einen sachlich klingenden Tonfall bemühte. "Es geht darum, wie man ihn bezeichnet und was man damit meint. Diese Ratte da drüben hat das jedenfalls nicht nett gemeint."

"Er hatte eben keine Lust darauf mit Dellinger zu flirten. Nicht jeder wird gerne von einer Tunte angeflirtet. Das muss man akzeptieren. Ich meine, Shakkys Bar ist nicht explizit eine Schwulenbar oder so etwas in der Art."

"Stell dir mal vor, jemand würde dich Narbengesicht nennen", warf Doflamingo ein. "Ich meine, du hast eine auffällige Narbe im Gesicht. Aber du fändest es trotzdem mies, wenn man dich so bezeichnen würde, oder nicht?"

"Falls du dich erinnerst, hatten wir exakt diese Situation in exakt dieser Bar schon einmal", erklärte Crocodile ihm augenrollend. "Weißt du noch? Diese junge Frau... Ich glaube, sie hieß Porsche, aber ich bin mir nicht mehr ganz sicher... Sie hat mich so genannt. Und nein, es hat mir nichts ausgemacht. Ich habe nun einmal eine Narbe im Gesicht. Und Dellinger ist eine verdammte Tunte. Es ist keine Beleidigung, wenn es nicht gelogen ist."

"Wenn man also jemanden als fett bezeichnet, dann ist das keine Beleidigung, wenn diese Person tatsächlich fett ist?", schaltete sich Cirkies mit mockierender Stimme ein.

"Ja", gab Crocodile mit klarer Stimme zurück. Er ließ sich nicht einschüchtern oder kleinmachen.

"Verdammt noch mal, Crocodile, das ist nicht okay!" Violet schien kaum mehr an sich halten zu können. "Auch wenn manche Leute vielleicht dick sind... oder Narben haben... oder angezogen sind wie Dellinger... Es ist nicht in Ordnung es ihnen ständig unter die Nase zu reiben. Das ist verletzend."

"Wenn Dellinger nicht als Tunte bezeichnet werden möchte, dann soll er eben aufhören sich wie eine zu kleiden", sagte Crocodile, doch mit diesem Satz schien er alles bloß viel schlimmer gemacht zu haben. Ungerührt fuhr er fort: "Mal ehrlich, wenn ihn diese Bezeichnungen so extrem stört, soll er halt eben aufhören die Angriffsfläche dafür zu bieten. Im Gegensatz zu mir hat er jederzeit die Möglichkeit dazu. Ich kann meine Narbe nicht einfach abziehen wie einen verdammten Sticker."

"Dellinger hat das Recht sich zu kleiden wie er möchte!", warf Scarlet scharf ein.

"Ja, und andere Menschen haben das Recht seine Kleidung und seine Flirts scheiße zu finden. Man kann nicht Freiheit einfordern und sie gleichzeitig anderen nehmen."

"Seine Kleidung ist Ausdruck seiner Persönlichkeit, seiner Identität", meinte Scarlet. "Er ist homosexuell und es ist sein Recht seine Sexualität durch seinen Kleidungsstil auszudrücken. Niemand darf ihn deswegen angreifen."

Crocodile blickte ihr ungläubig ins Gesicht. "Was hat seine Sexualität mit seiner Kleidung zu tun?", gab er zurück. "Nur weil man auf Schwänze steht, muss man nicht gleich in Stöckelschuhen herumlaufen. Es gibt viele schwule Männer, denen man ihre sexuelle Orientierung nicht ansieht. Sexualität ist doch nicht der einzige Aspekt, der eine Person definiert. Er könnte auch homosexuell sein und sich trotzdem normal anziehen. Das wäre sogar besser. Dann würden sich nämlich die Leute, wenn sie das Wort schwul hören, nicht sofort einen Kerl in Hotpants und hohen Schuhen vorstellen, sondern einen ganz normalen Menschen."

"Es hat schon seinen Grund, dass viele homosexuelle Männer diesen Stil für sich wählen", zischte Scarlet und warf ihm einen giftigen Blick zu. "Dein Kumpel Doflamingo zum Beispiel kleidet sich ähnlich wie Dellinger." Sie deutete auf das bis zum Bauchnabel aufgeknöpfte Hemd, die pinkfarbene Caprihose und die flamboyante Sonnenbrille seines Ehemannes.

Crocodile schüttelte den Kopf. "Das ist totaler Blödsinn! Erstens hat Doflamingo einfach absolut keinen Geschmack", erklärte er ihr, "und zweitens ist er überhaupt nicht schwul. Er ist bisexuell. Ich glaube, er hatte in seinem Leben sogar mehr weibliche als männliche Partner. Seine Kleidung hat nichts mit seiner Sexualität zu tun. Wahrscheinlich hat er sich mit sechzehn oder so eine pinkfarbene Hose gekauft und niemand hat sich getraut ihm zu sagen, dass es scheiße aussieht!"

Alle Leute am Tisch verfolgten aufmerksam ihren Schlagabtausch. Dellingers Unterlippe bebte; er schien die Tränen nur schwer zurückhalten zu können. Crocodile empfand ein klein wenig Mitleid mit ihm. Es war nicht seine Absicht gewesen ihn bloßzustellen. Ganz im Gegenteil: Eigentlich hatte er eine Eskalation der Situation verhindern wollen.

"Was weißt du denn schon davon?!", herrschte ihn Scarlet an. "Du weißt überhaupt nicht, wie Dellinger oder Doflamingo sich fühlen! Das kannst du als heterosexueller Mann doch gar nicht nachempfinden!"

"Und wieder liegst du falsch", gab Crocodile zurück und warf ihr einen besonders süffisanten Blick zu. "Ich stehe auch auf Kerle. Wer hätte das nur ahnen können? An meiner Kleidung ist es schließlich nicht zu erkennen. Das könnte daran liegen, dass man an dem Kleidungsstil einer Person nicht auf ihre Sexualität schließen kann. Es ist einfach nur persönlicher Geschmack. Dellinger könnte auch mit weniger auffälligen Klamotten ein Leben als schwuler Mann führen. Wenn er das nicht möchte, muss er nun einmal damit leben, hin und wieder als Tunte bezeichnet zu werden."

Nun brach Dellinger endgültig in Tränen aus. Er vergrub sein Gesicht in beiden Händen und begann laut zu schluchzen. Alle Augen richteten sich auf ihn. Cirkies tätschelte ihm tröstend die Schulter.

"Du solltest dich bei Dellinger entschuldigen", meinte er an Crocodile gewandt. "Du hast ihn zum Weinen gebracht."

"Es ist nicht meine Schuld, dass er eine verdammte Heulsuse ist", gab er zornig zurück. Er sah überhaupt nicht ein sich zu entschuldigen. Immerhin hatte er Dellinger nicht beleidigt. Doch seine Aussage ließ Dellinger bloß noch lauter schluchzen. Crocodile rollte mit den Augen. "Ich gebe dir einen Rat, Dellinger", sagte er. "Wenn du ein Problem damit hast als Heulsuse bezeichnet zu werden, dann hör auf zu heulen!"

"Du bist wirklich ein verdammtes Arschloch!", blaffte Scarlet ihn an.

"Lieber ein Arschloch als eine Heulsuse", hielt Crocodile schulterzuckend dagegen. Dann wandte er sich erneut an Dellinger: "Wenn du ein Opfer sein willst, dann sei eins. Wenn du heulen möchtest, weil dich jemand als eine Tunte bezeichnet hat, dann tu das. Ehrlich, Dellinger, du benimmst dich einfach nur peinlich. Vielleicht überlegst du dir mal, ob noch etwas Anderes in dir steckt als eine übersensible Tunte. Wenn das nicht der Fall sein sollte, hast du mein tiefstes Mitgefühl. Ich für meinen Teil bin jedenfalls lieber ein Arschloch als so eine jämmerliche Figur abzugeben wie du."

Damit erhob er sich von seinem Stuhl, griff nach seinem Mantel, schlüpfte hinein und steuerte den Ausgang an. "Hey!", rief Doflamingo ihm hinterher. "Crocodile, wo willst du hin?"

"Ich fahre nach Hause", meinte er ohne seinen Ehemann auch nur eines einzigen Blickes zu würdigen. "Diese Gesellschaft hier ist wirklich nicht auszuhalten. Und damit meine ich nicht nur Dellinger."

Crocodile bahnte sich einen Weg durch die Gäste von Shakkys Bar ohne darauf zu achten, ob ihm Doflamingo oder irgendjemand Anderes folgte. Draußen atmete er tief die kalte, schneidende Nachtluft ein. Aus seiner Manteltasche fischte er eine Zigarre und zündete sie an. Der Geschmack des teuren Tabaks beruhigte seine angespannten Nerven. Verdammt, dieser Abend war wirklich ein Reinfall. Er hätte einfach Zuhause bleiben und auf seine lang ersehnten Anrufe warten sollen.
 

Crocodile warf seinen Mantel in die erstbeste Ecke und pfefferte seine teuren Lederschuhe gleich hinterher. Missmutig schlurfte er ins Wohnzimmer hinüber und ließ sich auf dem Sofa nieder. Verdammt, er hatte nicht gewollt, dass dieser Abend dermaßen enttäuschend endete. Eigentlich sollte es doch ein lustiges Treffen mit Freunden und Bekannten werden. Was wohl Law nun von ihm dachte? Er war ebenfalls homosexuell. Nahm er ihm seine Worte auch übel?

Crocodile bedeckte seine Augen mit der rechten Hand. Daz, Mihawk, Hancock, Doflamingo, Law... Hatte er nun wirklich alle Leute, die ihm etwas bedeuteten, gegen sich aufgebracht?

Ich bin ein verdammter Idiot, dachte er und spürte, dass sich das Gefühl von purer Verzweiflung ausgehend von seinem Magen in seinem gesamten Körper ausbreitete.

Vielleicht könnte er wenigstens den Streit mit seinen Geschwistern beilegen. Dann gäbe es immerhin wieder zwei Menschen, die auf seiner Seite standen. Das war eine gute Idee. Er würde gleich sofort bei Hancock anrufen und ihren Streit beilegen.

Crocodile griff nach seinem Handy, das den ganzen Abend über auf dem Wohnzimmertisch gelegen hatte. Verwundert stellte er fest, dass ihm sage und schreibe fünfundzwanzig verpasste Anrufe angezeigt wurden. Sie alle stammten von Daz. Dazu einige Textnachrichten, in denen stand, dass er sich unbedingt melden sollte, sobald es ihm möglich war.

Die Nummer von Daz war über die Kurzwahltaste 6 auf seinem Handy gespeichert. Crocodile gab sich nicht einmal genug Zeit, um auch nur einen einzigen klaren Gedanken zu fassen, ehe er die 6 drückte. Er fühlte sich hundeelend und wollte einfach bloß die Stimme eines guten Freundes hören.

Daz nahm gleich nach dem allerersten Klingeln ab. "Crocodile", sagte er, "wie geht es dir?"

Es tat gut, die ruhige und tiefe Stimme seines Studienfreundes zu hören. "Ehrlich gesagt ziemlich mies", gestand Crocodile. "Ich hatte einen echt beschissenen Abend."

"Das kann ich verstehen", hörte er Daz sagen. "Diese Nachricht war für dich sicher alles andere als leicht zu verdauen."

"Nachricht?" Crocodile zog skeptisch eine Augenbroche hoch. "Was denn für eine Nachricht?"

"Haben sich deine Geschwister nicht bei dir gemeldet?", fragte Daz.

Crocodile schüttelte den Kopf, bis ihm einfiel, dass sein Gesprächspartner diese Geste nicht sehen konnte. "Nein", sagte er und fuhr mit der Zunge über seine trockenen Lippen. "Ich habe seit der Grillparty nichts mehr von ihnen gehört. Was ist denn passiert?"

"Oh scheiße", sagte Daz. "Ich dachte, du wüsstest es schon."

"Wüsste was?" Crocodile spürte, dass er panisch wurde. "Ist irgendetwas passiert, Daz? Geht es allen gut?" Es war doch bloß hoffentlich nichts mit seinen Geschwistern geschehen!

"Eigentlich möchte ich nicht, dass du es von mir erfährst. Immerhin ist es eine familiäre Angeleg..."

"Verdammt, Daz, jetzt rück schon mit der Sprache raus!", unterbrach Crocodile ihn panisch. "Was ist los?!"

"Deine Mutter ist tot", sagte Daz schließlich zögerlich. "Sie hatte gestern eine Lungenembolie und ist daran gestorben."

"Meine Mutter ist tot", wiederholte Crocodile mit tonloser Stimme. Er wusste nicht, was er mit dieser Information anfangen sollte. Er hatte die Worte seines Freundes gehört, doch es war, als würden sie nicht bis zu seinem Gehirn vordringen.

"Bist du Zuhause?", wollte Daz wissen. Wie immer war er besorgt um ihn. "Dann komme ich zu dir."

"Du musst dich zu so später Stunde nicht auf den Weg machen", erwiderte Crocodile kopfschüttelnd.

"Die Uhrzeit ist mir egal", widersprach Daz ihm mit energischer Stimme. "Du solltest jetzt nicht allein sein. Diese Nachricht ist doch sicher ein schwerer Schock für dich."

"Ich bin nicht allein", log Crocodile. "Doflamingo ist hier. Er ist bloß ... kurz duschen. Wir haben uns mit ein paar Freunden in Shakkys Bar getroffen. Ich hatte mein Handy vergessen."

"Okay", hörte er Daz sagen, "aber melde dich bei mir, okay? Du kannst mich jederzeit anrufen oder vorbeikommen."

"Weiß ich doch... Ähm, Doflamingo kommt gerade aus dem Bad. Wir reden morgen miteinander, ja?" Er beendete den Anruf, ehe Daz die Gelegenheit bekam ihm eine Erwiderung zu geben.

Das Handy fiel ihm aus der Hand und landete auf dem teuren Holzfußboden. Crocodile wollte es aufheben, doch dazu war er nicht imstande. Es war als wäre er zu Stein erstarrt.
 

Irgendwann hörte er Schritte im Flur. Türen wurden geöffnet. Doch nicht einmal als sein Ehemann hinter ihm das Wohnzimmer betrat, drehte Crocodile sich zu ihm um.

"Crocodile!" Doflamingos aufgebrachte Stimme hörte sich an als würde sie durch eine Schicht Watte zu ihm durchdringen. "Was zur Hölle ist bloß los? Erst machst du Dellinger so nieder und dann haust du einfach ab?! Geht es dir noch gut?!"

"Dellinger", wiederholte Crocodile und fuhr sich mit der Handinnenfläche über die Lippen. "Stimmt... Es gab eine Auseinandersetzung wegen Dellinger..." Obwohl die Situation kaum eine halbe Stunde her sein konnte, kam sie ihm vor wie eine Szene aus einem Film, den er sich vor vielen Jahren mal angeschaut hatte.

"Crocodile?" Doflamingos Stimme veränderte sich. Die helle Wut wich einem besorgt klingenden Unterton. "Was ist los mit dir? Hast du... hast du einen Nervenzusammenbruch oder so etwas?"

"Ich habe gerade mit Daz telefoniert", sagte Crocodile kaum hörbar. Er sah seinem Ehemann noch immer nicht ins Gesicht. Stattdessen schweifte sein Blick unruhig im Raum umher.

"Daz? Daz hat angerufen? Was hat er gesagt?" Doflamingo umfasste behutsam sein Kinn und zwang ihn auf diese Weise dazu ihn anzuschauen. Sein Blick blieb hinter den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verborgen, doch seine Stirn lag in Falten. Es war ein so komischer Ausdruck, dass Crocodile am liebsten laut losgelacht hätte.

"Meine Mutter ist gestern an einer Lungenembolie gestorben", sagte Crocodile stattdessen.

"Was?!" Doflamingo wirkte absolut entsetzt. Er schien nicht zu wissen, wie er auf diese unerwartete Nachricht reagieren sollte. Crocodile ging es ganz genauso.

"Ich weiß nicht, was ich von dieser Sache halten soll", meinte Crocodile mit zögerlicher Stimme. "Seit über zwanzig Jahren habe ich keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern. Als ich meine Mutter vor einigen Jahren einmal zufällig getroffen habe, hat sie mich nicht einmal erkannt. Im Grunde besteht keinerlei Verbindung mehr zwischen uns. Sollte es mir also egal sein, dass sie plötzlich gestorben ist?"

"Es ist in Ordnung, wenn du um sie trauerst", erwiderte Doflamingo und kniete sich vor ihm auf den Boden. Zärtlich ergriff er seine Hand. "Schließlich ist sie trotz allem deine Mutter Ich weiß, dass du ein Mensch mit einer sehr harten Schale bist. Aber du solltest die Trauer nicht in dich hineinfressen."

Crocodile senkte den Blick. "Ich glaube, es ist besser, wenn ich mich jetzt schlafen lege", sagte er. "Bestimmt sehe ich morgen früh klarer. Im Moment weiß ich gar nicht, wie ich mich fühlen soll. Erst dieser Streit mit meinen Geschwistern und Daz... dann die Sache mit Dellinger... und ausgerechnet jetzt erfahre ich, dass meine Mutter gestorben ist. Ich muss mich erst einmal ordnen."

Doflamingo nickte. "Das ist eine gute Idee", meinte er und half ihm vom Sofa aufzustehen. "Ich komme mit dir."
 

Leider wollte Crocodiles Körper nicht auf seinen nüchternen Verstand hören. So sehr er sich auch bemühte: Es gelang ihm nicht zur Ruhe zu kommen. Die ganze Nacht lag er wach im Bett. Starrte die Decke an. Wälzte sich von einer Seite auf die andere. Tausend verschiedene Gedanken schwirrten durch seinen Kopf, doch es gelang ihm nie auch nur einen zu fassen zu bekommen.

Doflamingo spürte seine innere Unruhe.

"Wie ist deine Mutter eigentlich gewesen?", fragte er ihn gegen drei Uhr nachts. "Du hast nie von ihr erzählt."

"Seit meine Eltern mich damals vor die Türe gesetzt haben, habe ich versucht nicht mehr an sie zu denken", erklärte Crocodile seinem Ehemann. "Die Erinnerung an sie verschlechtert immer meine Laune. Ich habe alle Fotos und andere Erinnerungsstücke schon vor langer Zeit weggeschmissen."

"Aber du erinnerst dich doch bestimmt trotzdem an sie, oder nicht?", bohrte Doflamingo nach. "Du hast immerhin achtzehn Lebensjahre mit ihr zusammen verbracht."

Crocodile zögerte. "Sie ist Hancock sehr ähnlich." Er fixierte die Zimmerdecke, während er sprach. "Nicht nur optisch, auch vom Charakter her. Sie ist... sie war eine sehr strenge, konsequente Mutter. Bei uns Zuhause gab es feste Regeln. Und Gejammere wollte sie sich nie anhören. Aber sie war auch freundlich und hatte oft gute Laune. Insgesamt war sie eine gute Mutter, denke ich... Nun ja, bis sie mich von Zuhause rausgeschmissen hat."

"Wieso haben sie denn so heftig auf dein Outing reagiert?", fragte Doflamingo nach. Er rückte unter der Bettdecke ganz nah an Crocodile heran. Intuitiv presste dieser sich an die nackte Brust seines Partners. Er konnte Doflamingos Herz laut schlagen hören. "Meine Eltern haben es sehr gelassen genommen, dass sowohl Corazon als auch ich Männern nicht abgeneigt sind. Ich habe mich nie explizit vor ihnen geoutet, aber ich glaube, es hat sie nicht sonderlich überrascht, als ich irgendwann mit meinem Freund aufgetaucht bin. Für sie war es nie ein großes Thema. Sind deine Eltern vielleicht religiös oder so etwas in der Art?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Nein, religiös sind sie nicht... Um ehrlich zu sein, hat mich selbst ihre Reaktion auch sehr geschockt. Mir war schon klar, dass sie nicht gerade begeistert sein würden. Aber dass sie mich von einem auf den anderen Tag rausschmeißen würden, habe ich nicht erwartet. Sie... sie haben all meine Sachen in den Vorgarten geschmissen und mich nicht mehr ins Haus hineingelassen. Meine Mutter hat noch zu mir gesagt, dass ich eine Schande für die Familie bin, und danach hat sie sich geweigert auch nur ein einziges Wort mit mir zu wechseln. Im Nachhinein glaube ich, dass meine Eltern einfach sehr konservative und prüde Menschen sind. Die Vorstellung einen homosexuellen Sohn zu haben war für sie absolut grauenhaft."

"Und ihr habt euch nach diesem Tag nie wieder gesehen?"

"Nie wieder", bestätigte Crocodile mit leiser Stimme. "Ich bin dann erst einmal bei Mihawk untergekommen. Er hatte damals schon eine eigene Wohnung. Und seitdem komme ich ohne meine Eltern aus." Er zögerte einen Moment, ehe er hinzufügte: "Ich glaube, ich bin nicht sonderlich traurig. Es ist nicht so als hätte ich ihr gewünscht, dass sie früh stirbt.. Aber im Grunde ist es als würde ich vom Tod eines völlig Fremden erfahren. Ich meine... zweiundzwanzig Jahre lang haben wir kein Wort mehr miteinander gewechselt. Es gab überhaupt keine Bindung mehr zwischen uns. Sie hätte auch vor Jahren schon gestorben sein können, ohne dass ich davon erfahren hätte."

"Meinst du nicht, Mihawk oder Hancock hätten dir davon erzählt?" Doflamingos versuchte witzig zu klingen, doch Crocodile schüttelte bloß den Kopf.

"Wir sprechen nie über unsere Eltern. Ich weiß, dass die beiden immer noch Kontakt zu ihnen haben... aber es ist ziemlich schnell ein Tabu-Thema zwischen uns geworden. Ich meine... sie haben mir ja tatsächlich nichts vom Tod unserer Mutter erzählt. Es war Daz, der es mir gesagt hat. Nicht Mihawk oder Hancock..." Er wusste nicht so recht, was er davon halten sollte.

"Bestimmt müssen sie den Tod eurer Mutter auch erst einmal verarbeiten", meinte Doflamingo und streichelte mit seinen Fingern durch Crocodiles Haar. Die Berührung tat unwahrscheinlich gut. "Ich weiß noch, wie schlimm es damals für Corazon und mich gewesen ist, als unsere Mutter gestorben ist. Die beiden sind sicher am Ende ihrer Kräfte."

"Meinst du, ich sollte sie anrufen?" Crocodile richtete sich im Bett auf. "Vielleicht könnte ich irgendetwas für sie tun... Es muss wirklich hart für sie sein. Ich weiß nicht viel über Lungenembolien. Passiert das unerwartet? Oder ist das eine lange Krankheit?"

"Es ist halb vier morgens", erwiderte Doflamingo kopfschüttelnd und zog ihn wieder zu sich heran. Er schloss seine Arme fest um ihn, als ob er befürchtete, dass er ansonsten aufspringen und aus dem Zimmer rennen würde. "Du rufst jetzt überhaupt keinen an!"

"Mihawk und Hancock müssen die Beerdigung unserer Mutter planen", fiel Crocodile plötzlich ein. "Und mein Vater natürlich auch."

"Möchtest du hingehen?", fragte ihn Doflamingo.

"Hm?" Irritiert blickte Crocodile in das Gesicht seines Partners,

"Ob du zur Beerdigung gehen möchtest?", wiederholte er.

Crocodile legte die Stirn in Falten. "Keine Ahnung", antwortete er schließlich wahrheitsgemäß. "Ein Teil von mir möchte sich gerne von ihr verabschieden... Andererseits hat sie sich schon vor über zwanzig Jahren von mir verabschiedet. Und bei der Beerdigung würde ich auch zwanzsläufig meinem Vater über den Weg laufen. Er ist nicht so abgebrüht wie meine Mutter, aber ich glaube trotzdem nicht, dass das eine sonderlich gute Idee wäre."

"Was ist dein Vater für ein Mensch?"

"Eigentlich ist er ein liebenswerter Kerl", erklärte Crocodile seinem Ehemann. "Er war immer eher locker drauf. Ich weiß noch, dass er Mihawk und mich einmal erwischt hat, als wir nachts aus unseren Betten geschlichen sind, um uns den Sternenhimmel anzuschauen. Aber anstatt mit uns zu schimpfen, hat er sich einfach dazu gesetzt und mit uns über den Weltraum gesprochen."

"Hört sich ja eher nach dem Gegenteil deiner Mutter an?"

"Könnte man so sagen. Sie war definitiv diejenige, die die Hosen anhatte. Mein Vater hat oft einfach getan, was sie wollte, um Streit zu vermeiden."

"Du kannst dir ja überlegen, ob du zur Beerdigung gehen möchtest", sagte Doflamingo schließlich. "Aber jetzt solltest du versuchen zu schlafen. Es ist viel passiert in einer einzigen Woche. Du siehst erschöpft aus."

Um ganz ehrlich zu sein, fühlte Crocodile sich tatsächlich völlig ausgelaugt. Seine Augen waren müde und sein Körper war schwer. Trotzdem fand er keine Ruhe. Er hatte eine Tür geöffnet, die er über zwanzig Jahre lang geschlossen gehalten hatte. Plötzlich sprudelten zahllose Erinnerungen aus seiner Kindheit auf ihn ein.

"Als ich ein kleines Kind war, hat mein Vater mich manchmal Autofahren lassen", sagte Crocodile. Er war sich nicht sicher, ob er mit Doflamingo oder eher mit sich selbst sprach. Ohne seinem Ehemann ins Gesicht zu schauen, erklärte er: "Er hat mich auf seinen Schoß gesetzt und dann durfte ich das Auto lenken. Und als ich älter wurde, so mit elf oder zwölf Jahren, hat er mich sogar ganz ohne Hilfe fahren lassen. Wir haben es vor meiner Mutter geheim gehalten; sie hätte es nie erlaubt."

Es waren Erinnerungen, die Crocodile jahrzehntelang verdrängt hatte. Um sich selbst zu schützen, hatte er immer vermieden an seine Eltern zurückzudenken. "Und ich weiß noch, dass meine Mutter mal versucht hat Mihawk mit dem Nachbarsmädchen zu verkuppeln. Ihn hat es furchtbar angenervt und er ist dann kurze Zeit später ausgezogen. Er war schon als Jugendlicher ein ziemlicher Eigenbrötler."

"Bereust du es, dass du nie wieder versucht hast Kontakt zu ihnen aufzunehmen?", fragte Doflamingo.

Crocodile schüttelte mit dem Kopf. "All diese schönen Erinnerungen aus meiner Kindheit... Im Grunde sind sie nichts wert, wenn wir mal ehrlich sind. Die Liebe und Fürsorge war bloß gespielt. Ein Kind, das man wirklich aufrichtig liebt, setzt man nicht einfach vor die Türe, bloß weil es homosexuell ist. Es war die richtige Entscheidung ein Leben ohne sie zu führen. Und es ist ja nicht so als wäre ich ganz allein gewesen. Mihawk und Hancock waren immer an meiner Seite. Sie sind meine Familie. Und du natürlich auch."

Diese Erkenntnis beruhigte Crocodile. Auf einmal sah er wieder ein wenig klarer. Er hatte zwanzig Jahre lang ein Leben ohne seine Mutter und seinen Vater geführt. Und trotzdem ging es ihm gut. Es war nicht immer einfach gewesen, aber Crocodile hatte sich durchgekämpft. Er war hartnäckig und beharrlich. Wenn es Schwierigkeiten gab, löste er sie selbst. Er war ein Einzelkämpfer. Und im schlimmsten Fall konnte er sich immer auf seine Geschwister, seinen Ehemann und seine Freunde verlassen.

"Ich bin wirklich müde", sagte Crocodile und spürte, dass ihm die Augen zufielen. Das Geräusch von Doflamingos gleichmäßig schlagendem Herz an seinem Ohr begleitete ihn in den Schlaf.
 

*
 

Es vergingen drei weitere Tage. Crocodile versuchte nicht an den Tod seiner Mutter zu denken. Das fiel ihm überraschend leicht, denn er war geübt darin, jeden Gedanken an sie schnellstmöglich aus seinem Kopf zu verbannen. Außerdem gab es momentan genug andere Dinge in seinem Leben, um die er sich kümmern musste.

Am Dienstag, also genau eine Woche nach seinem furchtbar unangenehmen Besuch in der Kinderwunschklinik, meldete sich Dr. Raffit bei ihnen. Crocodile und Doflamingo lauschten aufgeregt den Worten des Arztes. Leider gab es keine guten Nachrichten.

"Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass die Fertilisation nicht erfolgreich verlaufen ist", erklärte ihnen Dr. Raffit mit sachlicher Stimme. "Die Befruchtung von Frau Rikus Eizelle sowie die Weiterentwicklung im Brutschrank hat stattgefunden. Doch leider gelang keine erfolgreiche Embryoübertragung in die Gebärmutter."

Für Crocodile waren Dr. Raffits Worte wie ein schmerzhafter Schlag in die Magengrube. Dann waren seine Bemühungen völlig umsonst gewesen. Er hätte sich nicht überwinden und in einer unbehaglichen Masturbationskabine seinen Beitrag zur Zeugung leisten brauchen. Crocodile kam sich vor wie ein Idiot.

"Dass der erste Versuch einer in-vitro-Fertilisation scheitert, ist nicht ungewöhnlich", fuhr Dr. Raffit fort. Seine Stimme klang monoton; so als hätte er dies bereits tausenden anderen Paaren vor ihnen mitgeteilt. "Wir können den Vorgang nach Abgabe einer neuen Probe Ejakulat wiederholen. Außerdem gibt es verschiedene Möglichkeiten die Erfolgschancen zu verbessen. Vielleicht möchten Sie darüber nachdenken."

"Was sind das für Möglichkeiten?", wollte Doflamingo sofort wissen. Er wirkte deutlich gefasster als Crocodile. Aber er war derzeit auch einfach nicht emotional so stark belastet wie sein Ehemann.

"Nun, ich weiß, dass Sie darauf bestanden haben, nur einen einzigen Embryo in Frau Rikus Gebärmutter einsetzen zu lassen, um einer Mehrlingsschwangerschaft vorzubeugen. Wenn Sie sich allerdings dafür entscheiden würden, mit zwei oder sogar drei befruchteten Eizellen weiterzuarbeiten, würde sich natürlich auch die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft erhöhen.

Zweitens wäre es nicht unklug, bei der Zeugung hochwertigere Samenzellen zu verwenden. Sie, Mr. Donquixote, sind fünf Jahre jünger als ihr Ehemann und im Gegensatz zu diesem Nichtraucher. Diese Faktoren wirken sich natürlich maßgeblich auf die Qualität der Samenzellen aus. Es bestünde übrigens auch die Option Samenzellen von ihnen beiden bei der in-vitro-Fertilisation zu verwenden. Im Falle einer erfolgreichen Mehrlingsschangerschaft wäre dann eventuell jeder von Ihnen biologischer Vater eines der Kinder."

"Wir denken darüber nach", meinte Doflamingo, ehe Crocodile die Gelegenheit bekam sich zu äußern. "Vielen Dank für Ihren Anruf, Mr. Raffit. Mein Ehemann und ich werden uns beraten und uns im Verlauf der Woche bei Ihnen melden, um das weitere Vorgehen zu besprechen." Dann beendete er das Telefonat.

Crocodile war nicht dazu in der Lage seine Enttäuschung zu verbergen. "Es hat nicht funktioniert", gab er ernüchtert von sich. Nach all den Niederschlägen der letzten Tage hatte er wenigstens in dieser Hinsicht auf eine gute Nachricht gehofft.

Doflamingo nahm die ganze Situation deutlich gelassener. "Es war der erste Versuch", versuchte er ihn zu trösten. "Das hat nichts zu bedeuten. Die allermeisten Paare brauchen mehrere Versuche. Bevor meine Mutter mit mir schwanger wurde, hatte sie zehn gescheiterte in-vitro-Fertilisationen hinter sich. Aber am Ende hat sie dann doch zwei Kinder bekommen."

"Du bist auch durch künstliche Befruchtung gezeugt worden?", hakte Crocodile interessiert nach.

Sein Ehemann nickte. "Ich glaube, das hatte ich dir irgendwann schon mal erzählt. Meine Eltern haben sich erst spät kennengelernt und waren schon ziemlich alt, als sie versucht haben eine Familie zu gründen. Aber mithilfe einer Kinderwunschklinik hat es dann doch funktioniert."

"Nach zehn gescheiterten Versuchen", wandte Crocodile seufzend ein.

"Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer erfolgreichen Schwangerschaft kommt, liegt bloß bei fünfzehn bis zwanzig Prozent", erinnerte ihn Doflamingo. "Das ist uns von Anfang an klar gewesen. Um ehrlich zu sein, habe ich nicht damit gerechnet, dass es sofort klappen würde. Wir sollten uns nicht entmutigen lassen. Das ist keine Katastrophe. Bloß ein kleiner Rückschlag."

"Dieser Rückschlag bedeutet, dass mir wieder ein Besuch in diesem schrecklichen Masturbationsraum bevorsteht", gab Crocodile von sich und setzte einen gequälten Gesichtsausdruck auf. "Ich hatte gehofft, dass ich mich bloß einmal überwinden müsste. Du kannst dir nicht vorstellen wie unangenehm der Aufenthalt in so einer Kabine ist, Doflamingo."

"Nun ja..." Sein Ehemann zögerte einen Moment. "Du musst es nicht noch einmal tun, wenn du nicht möchtest. Mir würde es nicht so viel ausmachen, denke ich."

"Was?" Crocodile warf Doflamingo einen entsetzten Blick zu. "Nein! Wir haben ausgemacht, dass ich der biologische Vater sein werde und du das Baby nach der Geburt adoptierst! Das ist meine Bedingung gewesen und du hast zugestimmt!"

"Ich weiß", gab dieser sofort zurück und hob in einer beschwichigenden Geste die Hände. "So hatten wir es geplant. Aber offenbar stellt dein Anteil an der Zeugung für dich nichts als pure Quälerei dar. Warum also solltest du diese Tortur noch weitere Male auf dich nehmen, wenn es auch eine andere Möglichkeit gibt?"

"Warum sagst du plötzlich so etwas?" Crocodile fühlte sich hintergangen. Kaum war der erste Versuch einer künstlichen Befruchtung gescheitert, versuchte Doflamingo sich vorzudrängeln. Das entsprach absolut nicht ihrer Abmachung. "Du bist damit einverstanden gewesen, dass ich das Kind zeuge! Ständig redest du doch davon wie sehr du dich auf ein Baby mit meinen Augen oder meinen Haaren oder was auch immer freust!"

"Es geht nicht darum, dass ich damit nicht einverstanden wäre", versuchte sein Ehemann ihm deutlich zu machen. "Mir geht es hier um rein praktische Vorzüge. Du hast doch Dr. Raffit selbst gehört: Du scheinst eine eher schleche Spermienqualität zu haben. Ich möchte es dir einfach nicht zumuten vielleicht noch zehn weitere Male in einer Klinik in einen Plastikbecher zu wichsen!"

"Was heißt denn hier schlechte Spermienqualität?!", gab Crocodile pikiert zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. "Dr. Raffit hat doch gar nicht gesagt, dass meine Spermien nicht gut genug wären! Es war der allererste Versuch! Das muss nichts bedeuten!"

"Es stimmt aber, dass du fünf Jahre älter bist als ich und viel rauchst", hielt Doflamingo dagegen. "Und es ist ein Fakt, dass sich das auf die Vitalität und die Beweglichkeit von Spermien auswirkt."

"Was willst du damit sagen? Dass du glaubst, ich wäre nicht dazu in der Lage ein Kind zu zeugen?!"

"Jetzt dreh mir doch nicht jedes Wort im Mund herum", erwiderte sein Partner mit angenervter Stimme. "Wenn du zeugungsunfähig wärst, hätte uns die Kinderwunschklinik mit Sicherheit darüber informiert. Ich will doch nur darauf hinaus, dass die Wahrscheinlichkei einer erfolgreichen Befruchtung höher ist, wenn ich es versuche. Und dann müsstest du auch nie wieder eine Masturbationskabine von innen sehen. Das ist doch im Grunde eine Win-Win-Situation, oder nicht?"

"Nein, das ist es nicht", zischte Crocodile und warf Doflamingo einen bösen Blick zu.

"Und wieso nicht? Die Hauptsache ist doch, dass bald ein gesundes Baby bei uns einzieht. Mir ist es egal, wer von uns beiden der biologische Vater ist."

"Mir ist es aber nicht egal!" Die Verzweiflung in seiner Stimme erstaunte sogar Crocodile selbst. "Ich habe dir ganz klar gesagt, dass ich derjenige sein möchte, der das Kind zeugt. Und für dich ist das völlig okay gewesen. Ich verstehe nicht, warum du auf einmal dieses Recht für dich veranschlagen möchtest."

"Was wäre denn so schlimm daran, wenn es mein anstatt dein leibliches Kind wäre?" Doflamingo wirkte ehrlich gekränkt. "Wärst du nicht dazu in der Lage ein Kind zu lieben, das so ist wie ich?"

Crocodile warf seinem Ehemann einen entsetzten Blick zu. "Darum geht es nicht!", gab er zornig zurück.

"Worum geht es dann? Warum genau ist dir die Blustverwandtschaft so wichtig? Es ist nicht so als hätte das irgendeine Bedeutung! Deine eigene Mutter hat bis zu ihrem letzten Atemzug jeglichen Kontakt zu dir verweigert, bloß weil du schwul bist!"

Doflamingo bemerkte sofort, was er mit seinen Worten angerichtet hatte. Noch ehe Crocodile in Tränen ausbrach, fügte er mit sich überschlagender Stimme hinzu: "Oh scheiße, das habe ich nicht so gemeint! Verdammt! Crocodile! Bitte, das musst du mir glauben! Es tut mir leid! Es tut mir leid! Nein, bitte nicht weinen! Ich nehme es zurück!"

Crocodile war kein Mensch, der häufig weinte. Er war keine Heulsuse wie Dellinger. Doch trotzdem kam er nicht gegen die Tränen an. Heiß und schwer brachen sie aus ihm hervor. Hastig wandte er sich von seinem Ehemann ab und bedeckte seine Augen mit seiner rechten Hand.

"Es tut mir leid!", wiederholte Doflamingo panisch und griff nach seinem Handgelenk.

Crocodile schüttelte ihn ab, als würde die Berührung seine Haut verätzen, und bewegte sich rückwärts, um einige Schritte Abstand zwischen ihn und sich zu bringen. Es war einfach alles zu viel. Der Streit mit seinen Geschwistern. Die Auseinandersetzung in Shakkys Bar. Der plötzliche Tod seiner Mutter. Die erfolglose künstliche Befruchtung. Es war als würde sein Leben einer Abwärtsspirale folgen. Auf ein Unglück folgte das nächste.

"Bitte hör auf zu weinen!", bettelte Doflamingo. Crocodile wusste, dass er es nicht ertragen konnte ihn weinen zu sehen. Und nun war er auch noch der Anlass für seine Tränen. "Was ich gesagt habe, ist nichts als dumme Scheiße gewesen! Ich habe es nicht so gemeint! Das musst du mir glauben!" Er streckte erneut seine Hand nach ihm aus, doch wieder wich Crocodile ihm aus.

"Weißt du was? Schlag mich!", meinte Doflamingo plötzlich. "Ich habe es absolut verdient!"

"Was?" Nun wurde sogar Crocodile hellhörig. Er nahm die Hand vom Gesicht und warf seinem Ehemann einen verständnislosen Blick zu. "Was hast du gesagt?"

"Schlag mich", wiederholte Doflamingo mit fester Stimme. "Mit deiner Faust. Schlag mir ins Gesicht, wenn du möchtest."

"Ich werde dich sicher nicht schlagen", erwiderte Crocodile fassungslos und trocknete seine Tränen mit dem Hemdsärmel. "Wie kommst du bloß auf so etwas?"

"Was ich gesagt habe, tut mir unendlich leid", meinte Doflamingo. "Es war unangemessen und verletzend. Das hätte nicht passieren dürfen. Als Ausgleich darfst du mich schlagen. Du musst dich nicht zurückhalten. Ich habe es wirklich verdient! Komm schon!" Er hielt ihm sogar auffordernd seine linke Wange hin.

"Ich möchte dich nicht schlagen", sagte Crocodile. War Doflamingo jetzt vollkommen verrückt geworden?

"Aber du verpasst mir doch ständig Schläge, wenn ich dich ärgere", versuchte sein Partner ihn zu überzeugen. "Oder du gibst mir einen Hieb mit dem Ellenbogen."

"Das ist doch etwas ganz Anderes!", warf Crocodile sofort ein. "Das mache ich, wenn du blöde Witze reißt oder mich auf den Arm nimmst."

"Ich finde, in dieser Situation ist alllermindestens ein Schlag ins Gesicht angemessen", meinte Doflamingo beharrlich. "Also los! Ich warte! Schlag zu!" Er machte sogar eine auffordernde Handbewegung.

Nun platzte Crococdile vollends der Kragen. "Ein Schlag ins Gesicht ist ein bisschen wenig, findest du nicht?", mockierte er sich und strafte Doflamingo mit einem abfälligen Blick. "Wie wäre es, wenn ich dir zwei oder drei Rippen brechen würde? Dann hättest du noch deutlich länger etwas von dieser Lektion!"

"W-was?" Selbst durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch konnte Crocodile den entsetzten Blick spüren, den sein Ehemann ihm zuwarf.

"Bloß ein Schlag ins Gesicht brennt sich nicht wirklich ins Gedächtnis ein", erklärte ihm Crocodile. "So eine Lektion ist viel zu schnell wieder vergessen. Findest du nicht? Wie wäre es stattdessen mit ein paar gebrochenen Knochen? Glaub mir, das brennt sich ins Gedächtnis ein."

"Was redest du da?", wollte Doflamingo mit entsetzter Stimme wissen. "Was meinst du mit Lektionen?"

"So hat Enel es immer genannt, wenn er mich misshandelt hat", erklärte Crocodile seinem Ehemann nüchtern und beobachtete, wie mit einem Schlag jegliche Farbe aus dessen Gesicht wich. "Es waren Lektionen für mich. Einmal hat er mich gewürgt, bis ich das Bewusstsein verloren habe, weil er der Meinung war, ich hätte die Küche nicht gründlich genug aufgeräumt. Und auch als er mir meinen rechten Arm und drei Rippen gebrochen hat, war er der festen Überzeugung, das hätte ich verdient. Ganz zu schweigen von der Narbe in meinem Gesicht, die er mir nach unserer Trennung verpasst hat. Das ist auch eine Lektion gewesen, weißt du."

"Crocodile..." Doflamingo wischte sich mit einer Hand über den Mund und senkte beschämt den Blick.

"Ich bin nicht wie Enel!", herrschte Crocodile ihn an. "Ich schlage niemanden! Und schon gar nicht meinen Partner! Also wage es ja nie wieder mich in Versuchung zu bringen!"

Doflamingo schluckte und nickte. "Tut mir leid", wiederholte er zum x-ten Mal. "Ich habe es nicht so gemeint. Und... und wenn es dir wirklich so wichtig ist, dann kannst du auch gerne der biologische Vater von unserem Kind sein. Du hast Recht: So hatten wir es vereinbart. Ich hätte nicht versuchen sollen dich davon abzubringen."

"Lass uns darüber ein anderes Mal reden", meinte Crocodile. Plötzlich fühlte er sich wahnsinnig ausgelaugt. "Ich muss jetzt erstmal einige andere Dinge verdauen, bevor ich mich darum kümmern kann."

"Klar, das verstehe ich. Es ist viel passiert. Du musst deine Gefühle ordnen." Doflamingo streckte zögerlich seine Hand aus und dieses Mal ließ Crocodile die Berührung zu. Sofort nutzte sein Ehemann die Gelegenheit, um ihn in eine feste Umarmung zu ziehen. "Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, was ich gesagt habe."

"Ist schon gut", seufzte Crocodile mit matter Stimme. "Es ist schließlich nicht gelogen gewesen."

Crocodile dankte Doflamingo stillschweigend dafür, dass dieser das Jetzt fang gefälligst nicht wieder mit diesem Thema an!, das ihm auf der Zunge lag, herunterschluckte anstatt es auszusprechen.
 

*
 

Sonntagabend, nach ziemlich genau zwei Wochen ohne jeglichen Kontakt, tauchte plötzlich Hancock bei ihnen Zuhause auf. Sie verfügte über einen Ersatzschlüssel für ihre kleine Villa; ebenso wie Crocodile und Doflamingo für ihr Haus. Dennoch war es in ihrer Familie nicht üblich einfach so hereinspaziert zu kommen, ohne sich vorher anzumelden oder wenigstens anzuklingeln.

Crocodiles Herz blieb beinahe stehen, als seine jüngere Schwester auf einmal das Wohnzimmer betrat.

"Hancock!", rief er ihr ohne nachzudenken mit entrüsteter Stimme entgegen. "Du kannst hier nicht einfach unangemeldet hereinspazieren!" In den Händen hielt er einen dicken Aktenordner. Arbeit, die er im Büro nicht mehr geschafft hatte und daher mit nach Hause genommen hatte.

"Mein Schlüssel ist für Ausnahmesituationen gedacht", gab Hancock kurz angebunden zurück. "Das hier ist eine Ausnahmesituation."

Crocodile legte den Ordner beiseite und musterte seine Schwester. Eigentlich handelte es sich bei Hancock um eine sehr hübsche Frau, doch heute zierten dunkle Ringe ihre Augen und ihre blasse Haut wirkte ganz fahl.

"Ich muss unbedingt mit dir sprechen", meinte Hancock. "Es ist wichtig."

"Ich weiß, dass sie gestorben ist", kam Crocodile ihr zuvor. "Daz hat es mir gesagt. Möchtest du etwas trinken? Du siehst matt aus."

Angezogen von ihren Stimmen betrat nun auch Doflamingo das Wohnzimmer. Er war gerade erst aus der Dusche gestiegen und nur mit einem Handtuch um die Hüfte und natürlich seiner obligatorischen Sonnenbrille bekleidet.

"Siehst du", sagte Crocodile und deutete vorwurfsvoll auf seinen halbnackten Ehemann. "Deswegen sollst du Bescheid sagen, bevor du vorbeikommst."

"Hallo Hancock", meinte Doflamingo, den es nicht großartig zu stören schien, dass seine Schwägerin ihn in so knapper Bekleidung zu Gesicht bekam. "Wie geht es dir?"

"Bescheiden", antwortete Hancock schlecht gelaunt und ließ ihren Blick zwischen ihrem Bruder und ihrem Schwager hin- und herschweifen. "Immerhin ist meine Mutter unerwartet gestorben."

Doflamingo nickte verständnisvoll. "Mein Beileid. Dieser Verlust ist nicht leicht zu verkraften."

Crocodile glaubte sich zu erinnern, Hancock irgendwann einmal erzählt zu haben, dass Doflamingos Eltern bereits verstorben waren, ehe sie beide sich kennengelernt hatten.

"Können wir uns hinsetzen?", bat sie. "Es gibt einige Dinge, die wir besprechen müssen, Crocodile."

"Worum geht es denn?" Wenn Hancock allein über die Beerdigung ihrer Mutter mit ihm reden wollte, brauchten sie sich gar nicht erst hinzusetzen. Er hatte für sich entschieden, dass er nicht teilnehmen würde. Es machte einfach keinen Sinn um jemanden zu trauern, mit dem man seit zweiundzwanzig Jahren kein Wort mehr gewechselt hatte.

"Warum gehen wir nicht hinüber in die Küche?", mischte sich Doflamingo mit freundlicher Stimme ein. "Und ich koche Kaffee für uns."

Widerwillig begleitete Crocodile seinen Ehemann und seine Schwester in die Küche, die sich gleich auf der anderen Seite des Flurs betrat. Hancock ließ sich am Esstisch nieder, während Crocodile stehenblieb. Doflamingo machte sich daran Kaffee aufzusetzen. (Crocodile hatte ihm kurz nach ihrem Einzug erklären müssen, wie man die Maschine bediente. Sein verwöhnter Partner hatte sich tatsächlich noch nie in seinem Leben selbst einen Kaffee gekocht.)

"Die Beerdigung findet übernächsten Samstag statt", begann Hancock. "Wir haben einen Trauerredner gebucht, aber uns überlegt, dass auch jeder von uns ein paar Worte spricht. Also Mihawk, du und ich."

"Ich werde nicht hingehen", sagte Crocodile sofort, ehe seine jüngere Schwester Gelegenheit bekam fortzufahren. Seine Stimme klang ruhig, aber bestimmt.

"Es ist die Beerdigung unserer Mutter", redete Hancock auf ihn ein. "Du musst kommen!"

"Nein, das denke ich nicht", erwiderte Crocodile angesäuert und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ist das der einzige Grund, wieso du gekommen bist? Ich dachte eigentlich, du würdest dich endlich mal bei mir entschuldigen, weil du mich wegen meines Kinderwunsches ausgelacht hast?"

Hancock strafte ihn mit einem verachtenden Blick. "Das ist doch jetzt wohl völlig irrelevant!", zischte sie und beugte sich auf ihrem Stuhl nach vorne. "Unsere Mutter ist gestorben! Begreifst du das überhaupt, Crocodile?!"

"Für mich ist sie schon vor langer Zeit gestorben", entgegnete er unerbittlich. "Und ich für sie auch! Also bitte spar dir deine Moralpredigt."

"Das stimmt nicht!" Hancock setzte eine gequälte Miene auf. "Du bist ihr nicht egal gewesen!"

"Ach, tatsächlich?", schnaubte Crocodile und ignorierte die dampfende Kaffeetasse, die sein Ehemann vor ihm auf den Tisch abstellte. "Dann muss ich mir die letzten beiden Jahrzehnte vollständige Ignoranz wohl bloß eingebildet haben."

"Mir ist bewusst, dass euer Verhältnis nie einfach war", lenkte Hancock ein.

"Was für ein Verhältnis?", hielt Crocodile ihr missgelaunt vor. "Sie hat mich vor die Türe gesetzt und nie wieder ein Wort mit mir gewechselt. Man kann gar nicht von irgendeinem Verhältnis sprechen. Ich habe ihr nichts bedeutet, Hancock. Das weißt du ebenso wie ich."

Seine Schwester schüttelte den Kopf und fixierte ihn mit ihren hellblauen Augen. Es lag ein unfassbar trauriger Ausdruck in ihnen. Unweigerlich begann Crocodile sich unwohl zu fühlen. "Ich bin bei ihr gewesen, als... als die Lungenembolie passiert ist", erklärte Hancock. "Ich bin mit ihr ins Krankenhaus gefahren. Ich denke, sie hat gespürt, dass sie sterben würde. Vor ihrem Tod hat sie nach dir gefragt, Crocodile. Sie wollte wissen, wie es dir geht."

Damit hatte Crocodile nicht gerechnet. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Mit entgeisterter Miene starrte er seine jüngere Schwester an.

"Ich habe ihr Fotos von dir gezeigt. Von deiner Hochzeit. Und ihr von dir erzählt. Dass du bald Vater werden wirst", fuhr Hancock fort. Crocodile wünschte sich, dass sie endlich aufhören würde zu reden, doch leider tat sie ihm diesen Gefallen nicht. "Es war ihr wichtig zu wissen, dass es dir gut geht, bevor sie diese Welt verlässt. Sie hat euer Hochzeitsfoto in den Händen gehalten, als sie gestorben ist."

Hancock blickte ihm unverwegs ins Gesicht. Aufgeregt wartete sie auf eine Erwiderung seinerseits. Wahrscheinlich hoffte sie auf eine Absolution.

"Das ist mir scheißegal", blaffte Crocodile seine Schwester zornig an und rümpfte die Nase. "Diese Erkenntnis kommt zwanzig Jahre zu spät. Wenn sie mich bei meiner Hochzeit hätte sehen wollen, hätte sie kommen können. Ich weiß, dass Doflamingo ihr und unserem Vater eine Einladung geschickt hat."

"Ist das dein ernst?!" Das schien nicht die Reaktion zu sein, die Hancock sich gewünscht hatte. "Ihre letzten Worte auf ihrem Sterbebett galten dir!"

"Es wäre mir lieber gewesen, sie hätte zu Lebzeiten ein paar Worte mit mir gewechselt!", zischte Crocodile.

"Es ist deine allerletzte Chance, ihr deine Ehre zu erweisen!", redete Hancock unerbittlich auf ihn.

"Nein! Danke!" Crocodile erhob sich von seinem Stuhl und fixierte seine jüngere Schwester mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck. "Und wenn es nichts anderes gibt, worüber du mit mir reden möchtest, kannst du auch gleich gehen!"

Hancock erhob sich mit zu Fäusten geballten Händen. "Ich fasse es nicht! Dir ist es wirklich ernst! Du willst nicht zu der Beerdigung deiner eigenen Mutter erscheinen! Mir fällt dazu wirklich nichts mehr ein! Was bist du bloß für ein Sohn?!"

"Ein Sohn, der alles allein meistern musste, seit er achtzehn Jahre alt ist", erwiderte Crocodile ohne ihrem Blick auszuweichen. "Ein Sohn, der jahrelang darauf gehofft hat, dass seine Eltern sich endlich bei ihm melden würden, aber bitter enttäuscht wurde. Ein Sohn, der sich irgendwann damit abgefunden hat, dass seine eigene Mutter sich einen Scheißdreck um ihn schert!"

"Sie hat nach dir gefragt! Als sie dem Tod nahe war, hat sie nach dir gefragt!"

"Und was war, als ich damals beinahe gestorben wäre? Als ich mit einem Rettungshubscharuber ins Krankenhaus eingeliefert worden bin und die Ärzte um mein Leben kämpfen mussten? Mihawk hat unsere Mutter angerufen und ihr von meinem Unfall erzählt. Und weißt du, was sie getan hat, Hancock?! Sie hat einfach aufgelegt. Sie wollte nichts davon wissen. Und um so eine Mutter soll ich trauern?!"

Hancock brachte keinen Ton hervor. Völlig entsetzt, mit weit aufgerissenen Augen musterte sie das Gesicht ihres älteren Bruders. Mihawk schien ihr diese Geschichte nie erzählt zu haben. Das überraschte ihn nicht. Selbst Crocodile hatte sie nur zufällig erfahren, als er heimlich ein Gespräch zwischen Mihawk und seinem Ehemann belauscht hatte.

"Sprich in meiner Gegenwart nie wieder von dieser Frau", sagte Crocodile mit leiser, kalter Stimme und ließ Hancock gemeinsam mit Doflamingo in der Küche zurück.
 

bye

sb

Niedergeschlagen

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Niedergeschlagen (zensiert)

Crocodile war absolut niedergeschlagen, doch gab sich viel Mühe, sich seine Gefühlslage nicht anmerken zu lassen. Leider gelang ihm dies nur mit mäßigem Erfolg.

Er konnte sich kaum auf seine Arbeit konzentrieren.

Ständig schweiften seine Gedanken ab. Besonders häufig dachte er an Mihawk und Hancock. Seine beiden Geschwister waren zusammen mit seinem Ehemann die wichtigsten Menschen in seinem Leben. Von Mihawk hatte er seit Wochen überhaupt nichts mehr gehört. Und auch mit Hancock hatte er seit ihrer Auseinandersetzung nicht mehr gesprochen. Ihm war klar, dass sie den Tod ihrer Mutter verarbeiten und die Beerdigung organisieren mussten. Trotzdem fiel es ihm nicht leicht mit der Distanz, die es auf einmal zwischen ihnen gab, zurechtzukommen. Ihm fehlte auch seine Nichte Nozomi, die normalerweise viel Zeit mit ihm verbrachte.

Crocodiles Blick war auf seinen Computerbildschirm gerichtet. Zum fünften Mal las er sich eine Email durch, ohne ihren Inhalt zu begreifen.

Ständig musste er an die bevorstehende Beerdigung denken. Hancock hatte erzählt, dass auch sie und Mihawk selbst ein paar Worte sagen wollten. Vielleicht saßen sie gerade zusammen, sortierten ihre Erinnerungen und stellten passende Wortbeiträge zusammen?

"Crocodile?"

Worauf würden sie in ihren Reden wohl zu sprechen kommen? Dass ihre Mutter wundervoll gewesen war und schmerzlich vermisst wurde? Allerdings nur in Bezug auf zwei von insgesamt drei Kindern? Ob sich alte Nachbarn und Freunde der Familie überhaupt daran erinnern konnten, dass sie noch einen weiteren Sohn gehabt hatte?

"Crocodile?" Er zuckte zusammen, als er eine Berührung an seiner Schulter wahrnahm. Seine Sekretärin Robin warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. "Ich wollte dich nicht erschrecken", sagt sie. "Aber in fünfzehn Minuten findet das Vorstellungsgespräch mit Blackcage Hina statt."

"Blackcage Hina", wiederholte Crocodile und versuchte sich zu erinnern, welche Bewerberin das gewesen war. "Natürlich. Ich komme sofort."

"Ist alles in Ordnung?" Ein besorgter Unterton schwang in Robins Stimme mit. "Du wirkst schon seit einigen Tagen geistig abwesend. Ist irgendetwas passiert?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Nein, es ist alles in Ordnung. Ich habe in letzter Zeit bloß Probleme mit dem Schlafen. Deswegen bin ich tagsüber oft müde."

Er mochte Robin gerne. Sie wirkte häufig etwas unterkühlt, aber im Grunde ihres Herzens war sie ein freundlicher und fürsorglicher Mensch. Trotzdem wollte Crocodile sich ihr nicht anvertrauen. Sie war bloß seine Arbeitskollegin. Und er war kein Freund davon private Probleme auf seiner Arbeit breitzutreten.

Robin durchschaute seine lahme Ausrede sofort, doch schien es für klüger zu halten nicht nachzubohren. "Das Gespräch findet im Konferenzraum vierundvierzig statt", erklärte sie ihm, ohne ihren Blick auch nur für eine Sekunde von ihm abzuwenden.
 

Crocodile versuchte sich zusammenzureißen. Bevor er sich auf den Weg zum Konferenzraum 44 machte, suchte er den Waschraum auf und spritzte sich ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht. Verdammt, es sah ihm überhaupt nicht ähnlich sich dermaßen hängen zu lassen.

Schon seit Tagen hatte er auf der Arbeit nichts Produktives mehr geleistet. Er blätterte durch Ordner oder las sich Emails durch, doch schon nach fünf Minuten hatte er schon wieder vergessen, worum es ging. Gestern hatte er sogar ein Dokument in der Hand gehalten und gar nicht gewusst, wieso er es eigentlich herausgesucht hatte. Er war schrecklich durcheinander und desorganisiert.

Crocodile richtete sich auf und straffte seine Schultern. Aufmerksam betrachtete er sein Spiegelbild und bemühte sich um einen strengen, durchdringenden Blick. Er wollte verhindern, dass Franky ihn für einen Schwächling hielt.
 

Das Vorstellungsgespräch verlief auffallend gut.

Bei Blackcage Hina handelte es sich um eine Nachfolgerin ganz nach Crocodiles Geschmack: Eine besonnen und rational wirkende Frau, die klare Worte fand. Er konnte sich gut vorstellen mit ihr zusammenzuarbeiten.

Schon ihre Person wirkte beeindruckend: Hina war groß, trug einen dunkelroten Hoseanzug, der im Farbton auf ihren Lippenstift abgestimmt war, und hatte ein geradezu stoisch wirkenden Gesichtsausdruck aufgesetzt. Sie erinnerte Crocodile stark an Daz, der ebenfalls immer unerschüttlich wie eine Statue zu sein schien.

"Sie würden extrem hohen Erwartungen ausgesetzt sein", erklärte Franky ihr. "Mister Donquixote hat es sich zur Gewohnheit gemacht die Toms Workers-Elektronikmesse Jahr für Jahr erfolgreicher zu gestalten. Viele unserer Kunden haben inzwischen sehr hohe Ansprüche an die Messe. Ich muss Ihnen deutlich sagen, dass es nicht leicht werden wird an diese Erfolge anzuknüpfen."

Doch Hina ließ sich nicht einschüchtern. "Ich habe mich ganz bewusst auf diese Stelle beworben", erklärte sie gelassen, "weil ich eine berufliche Herausforderung suche. Ein Job, der keine hohen Ansprüche stellt, wäre nicht der richtige für mich."

Sie gefiel Crocodile immer besser. "Wir stellen hohe Ansprüche, aber wir haben nicht vor Sie ins kalte Wasser zu werfen", erklärte er ihr. "Ich bin aktuell noch als Manager tätig und würde Sie natürlich intensiv in Ihre Tätigkeit einarbeiten. Wie würden Sie denn ihre Teamfähigkeit bewerten? Sicherlich ist Ihnen klar, dass an der Organisation einer Messe sehr viele verschiedene Menschen beteiligt sein."

Auf Kooperationsfähigkeit legte Crocodile großen Wert. Jeder bei Toms Workers leistete einen Beitrag zur Messe; also hatte auch jeder einzelne Mitarbeiter Respekt und Anerkennung verdient. Außerdem wollte er Robin keinen arroganten Alleingänger hinterlassen. Für Schnösel, die sich für etwas Besseres hielten und sich zu fein waren, um mit Mitarbeitern in niedrigeren Positionen zu sprechen, hatte Crocodile überhaupt nichts übrig.

"Ich bin in der Regel kein allzu beliebtes Teammitglied", gestand Hina. "Viele Leute empfinden meine kühle und ruppige Art als unangenehm. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass vor allem Männer ihre Probleme damit haben. Aber ich lege viel Wert auf kollegiales Verhalten. Jeder Mitarbeiter trägt zum Erfolg eines Projekts bei und hat Anerkennung verdient."

Crocodile nickte. "Welche Erfahrungen können Sie im Bereich Projektmanagement vorweisen? Ihrem Lebenslauf war zu entnehmen, dass Sie zuvor bei Loguetown beschäftigt gewesen sind. Was waren Ihre genauen Tätigkeitsbereiche?"

Hina legte ihre Erfahrungen und Kompetenzen dar. Crocodile war sehr zufrieden mit der Bewerberin, die er ausgesucht hatte. Blackcage Hina war sein Favorit gewesen. Er hoffte, dass Franky ähnlich begeistert sein würde.

"Was hältst du von ihr?", fragte er seinen Vorgesetzten, nachdem sie Hina verabschiedet hatten.

"Sie wirkt vielversprechend", meinte Franky und nickte bedächtig. "Ich finde, sie ist dir in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich."

"Mir ähnlich?" Diese Aussage überraschte Crocodile. "Wie meinst du das?"

"Naja..." Franky kratzte sich am Hinterkopf. "Auf den ersten Blick wirkt sie sehr streng und unnahbar. Aber ich glaube, dass der Anschein trügt und sie eigentlich sehr freundlich und respektvoll ist. So wie du eben. Harte Schale, weicher Kern."

Crocodile musste schmunzeln. "So beschreibt Doflamingo mich auch immer", gab er zu.

"Meinst du, ihr beide würdet gut zurechtkommen?" Frankys Ton wurde ernster. "Ich habe die Befürchtung, dass ihr Sturköpfe aneinander geraten könntet."

Crocodile winkte ab. "Es ist ja bloß eine Zusammenarbeit auf Zeit", erinnerte er Franky. "Langfristig soll Hina das Schiff allein schaukeln. Und ich denke, sie hat das Zeug dazu."

"Also gut", sagte Franky. "Ich vertraue deinem Urteil, Crocodile. Wenn du in ihr deine Nachfolgerin siehst, dann soll es so sein."
 

*
 

Es war der Abend des 23. Oktobers. Crocodile hatte einen Tisch im Baratie, dem edelsten Restaurant der ganzen Stadt, reserviert. Es handelte sich um ein kleines, privates Abendessen nur für seinen Ehemann und ihn. Am Wochenende wollte Doflamingo dann seinen 35. Geburtstag im großen Stil nachfeiern.

Er hatte hunderte Gäste auf eine seiner Yachten, der Pink Flamingo, eingeladen. Im Gegensatz zu ihm liebte Doflamingo Parties der Superlative. Schon seit Monaten freute er sich auf seine Geburtstagsfeier und erzählte unentwegt von dem bekannten DJ, den er gebucht hatte, der mehrstöckigen Torte mit den 35 Kerzen und noch einigen anderen geplanten Dingen. Von Anfang an hielt Crocodile dieses Spektakel für übertrieben, doch Doflamingo zuliebe verzichtete er darauf irgendwelche Einwände zu äußern.

Inzwischen wurde ihm bei der Vorstellung, alle Freunde und Bekannte seines Ehemannes wiederzusehen, ziemlich mulmig zumute. Crocodile war sich durchaus dessen bewusst, dass er in Shakkys Bar keinen allzu guten Eindruck hinterlassen hatte. (Auch wenn er von seiner Ansicht, dass er absolut Recht gehabt hatte, immer noch nicht abwich.) Er hatte zwar einige Tage später Law angerufen, der die ganze Sache eher gelassen nahm, doch mit den anderen Leuten hatte er sich nicht auseinandergesetzt.

Bestimmt würde auch Dellinger kommen. Crocodile verzog das Gesicht. Verdammt, diese Party würde sicher alles andere als eine angenehme Veranstaltung werden. Vielleicht könnte er schlimme Magenschmerzen vortäuschen und Doflamingo darum bitten ohne ihn zu feiern?

"Wani? Wani? Sag mal, was ist denn los mit dir?"

Crocodile schreckte auf. Verlegen wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund. "Hm?"

Doflamingo hatte eine skeptische Miene aufgesetzt. "Du bist ja geistig völlig abwesend", meinte sein Ehemann und zeigte anklagend mit seinem Messer auf ihn.

"Tut mir leid", erwiderte Crocodile und richtete den Blick auf den Hummer, den Doflamingo gerade professionell zerlegte. Das Baratie war spezialisiert auf Seafood und Hummer war Doflamingos absolute Leibspeise. "Ich habe an deine Geburtstagsparty am Samstag gedacht", versuchte er ihn zu beschwichtigen.

Sofort hellte Doflamingos Miene sich auf. "Ich freue mich schon wahnsinnig! Immerhin wird es meine letzte große Geburtstagsparty in nächster Zeit sein."

"Letzte große Geburtstagsparty?", hakte Crocodile irritiert nach. "Was meinst du damit?"

"Nun ja, nächstes Jahr um diese Zeit werden wir uns um einen kleinen Säugling kümmern", erklärte sein Ehemann ihm. "Da haben wir kaum die Möglichkeit eine riesige Feier auszurichten. Deswegen sollten wir am Samstag ein letztes Mal die Sau rauslassen, fufufufu."

Crocodile senkte den Blick. Nachdenklich stocherte er in seinem Fisch herum. Doflamingo hatte nicht ganz Unrecht. Wenn man permanent unter Schlafmangel litt, weil man alle paar Stunden ein Neugeborenes füttern und wickeln musste, hatte man sicher keine Lust auf ausschweifende Parties. Für frischgebackene Eltern änderte sich das ganze Leben.

"Ist das denn in Ordnung für dich?", fragte Crocodile vorsichtig. "Ich meine, du machst so gerne die Nacht zum Tag. Gehst oft in Bars, Discos, auf Parties... Würde es dir nicht wahnsinnig schwer fallen darauf zu verzichten?"

Doflamingo zuckte mit den Schultern. "Unser Baby wäre mir das auf jeden Fall wert. Außerdem werde ich fünfunddreißig. Ich habe schon viele tolle Abende erlebt und konnte mir die Hörner abstoßen. Irgendwann wird es auch mal Zeit sich auf andere Dinge zu konzentrieren." Er zögerte kurz, ehe er hinzufügte: "Ist das eine Befürchtung, die du hast? Dass ich dich mit unserem Baby allein lassen würde, um feiern zu gehen?"

"Nein, eigentlich nicht", antwortete Crocodile wahrheitsgemäß. "Also, ich hätte im Grunde nichts dagegen, wenn du hin und wieder mal abends mit Freunden ausgehst. Ich weiß ja, dass dir Discobesuche viel Spaß machen. Und es reicht auch, wenn ich dann Zuhause bleibe. Mich würde das nicht sonderlich stören."

Doflamingo zog eine Augenbraue hoch. "Das würde ich nicht machen", meinte er sofort. "Dich mit unserem Baby allein Zuhause lassen und mit Freunden in die Disco gehen. Da käme ich mir schäbig bei vor."

"Warum? Ehrlich, mir würde es nichts ausmachen. Ich gehe ja sowieso nicht so gerne aus. Du bist einfach ein geselligerer Mensch als ich."

Doch Doflamingo schüttelte vehement den Kopf. "Es ist unser Baby", betonte er. "Ich überlasse doch nicht dir die ganze Arbeit und mache mir ein leichtes Leben. Wie stellst du dir das vor? Ich sitze Cocktails schlürfend an der Bar, während du Zuhause versuchst einem schreienden Baby das Fläschchen zu geben? Sicher nicht!"

"Du wirst ja im Gegensatz zu mir auch weiter zur Arbeit gehen und brauchst dann auch mal einen Ausgleich", erklärte Crocodile seinem Ehemann.

"Und was ist mit dir? Gerade in den ersten Monaten ist es echt ein Knochenjob sich um ein Baby zu kümmern. Es schläft noch nicht durch, muss alle paar Stunden gefüttert und gewickelt werden... Und freue dich darauf, wenn mit sechs Monaten die ersten Zähne kommen. Die Pflege eines Säuglings verlangt einem wirklich viel ab, Wani."

"Weiß ich doch, das habe ich doch damals schon bei Nozomi mitbekommen", sagte Crocodile. Er konnte den Widerstand seines Partners nicht so ganz nachvollziehen. Warum freute sich Doflamingo denn nicht, dass Crocodile nicht von ihm verlangen wollte auf Treffen mit seinen Freunden zu verzichten? Das war immerhin sehr entgegenkommend von ihm.

"Du kannst dich auf jeden Fall darauf verlassen, dass ich dich nicht allein lassen werde", versprach sein Ehemann ihm mit fester Stimme. "Ich weiß, du bist derjenige, der sich primär um unser Kind kümmert, während ich weiter arbeiten gehen. Aber sobald ich Zuhause bin, unterstütze ich dich bei allem! Dann kannst du dich nachmittags ein wenig ausruhen, während ich auf unser Baby aufpasse."

"Aber du musst dich doch auch von deiner Arbeit erholen, Doffy", widersprach ihm Crocodile. "Du kannst doch nicht von einem anstrengenden Arbeitstag heimkommen und dann Zuhause sofort weitermachen. Ich meine, das Baby muss gefüttert, gewickelt, gebadet, ins Bett gebracht werden... Du hättest überhaupt keine Freizeit mehr."

"Und wann hast du Freizeit?", wandte sein Ehemann spöttisch ein. "Wenn du dich um unser Kind kümmerst, während ich nach der Arbeit die Füße hochlege und mich am Wochenende in der Disco rumtreibe? Wann bekommst du die Chance dich zu erholen?"

"Das brauche ich nicht", meinte Crocodile. "Ich muss ja nicht fit sein, um außerhalb des Hauses Arbeit zu erledigen. Im Gegensatz zu dir. Du hast sehr viele Aufgabenbereiche und trägst die Verantwortung für tausende Mitarbeiter. Du musst ausgeruht sein."

Doflamingo legte sein Besteck zur Seite. "Ehrlich gesagt enttäuscht mich deine Sichtweise, Crocodile. Ich bin doch kein Pascha! Ich werde genauso Vater unseres Kindes sein wie du. Ja, ich werde weiter arbeiten gehen, aber ansonsten möchte ich mich genauso um unser Kind kümmern wie du. Das Baby ist doch nicht dein privates Hobby, während sich in meinem Leben nichts ändert. Ich möchte unseren Sohn oder unsere Tochter auch füttern und baden und alles erledigen, was dazu gehört. Deswegen möchte ich doch gerne Vater werden. Wenn ich alle Aufgaben dir allein überlasse, könnte ich mir die ganze Sache auch sparen."

"So habe ich es nicht gemeint", lenkte Crocodile ein und machte eine beschwichtigende Geste. "Ich will nicht alles an mich reißen. Natürlich sollst du auch teilhaben. Nur finde ich, dass es für dich eben keine Pflicht sein sollte. Du hast mit deiner Arbeit schon genug Verpflichtungen."

Doflamingo verzog den Mund. "Das ist nicht meine Vorstellung von Gleichberechtigung. Wir sollten uns die Pflichten aufteilen. Wenn du mir zugestehst hin und wieder mal auszugehen, dann würde ich es im Gegenzug natürlich auch dir zugestehen. Dann könntest du dich mit Freunden treffen, während ich Zuhause auf unser Baby aufpasse."

"Aber ich gehe doch sowieso nicht oft feiern", wandte Crocodile ein. "Und wenn ich meine Geschwister oder unsere Freunde besuche, könnte ich unser Kind doch einfach mitnehmen."

Crocodile konnte es nicht sehen, doch er wusste, dass sein Ehemann mit den Augen rollte.

"Du kannst dir jedenfalls sicher sein, dass ich immer da sein werde, wenn du eine Pause brauchst", beendete er schließlich das Thema. Anschließend fügte er hinzu: "Möchtest du mal den Hummer probieren? Er schmeckt ausgezeichnet?"

Crocodile warf einen Blick auf den Hummer, der auf Doflamingos Teller lag, und schüttelte den Kopf. Das Tier sah mit seinen spinnenartigen Beinen und den Scheren nicht gerade appetitlich aus.

"Oh, da fällt mir ein: Ich habe dir dein Geschenk noch gar nicht gegeben." Crocodile legte seine Gabel beiseite und holte aus seiner Hosentasche ein kleines Schmuckkästchen hervor.

Doflamingo beugte sich auf seinem Platz neugierig nach vorne. Crocodile überreichte ihm das Kästchen.

"Mir ist klar geworden, dass ich letztens in Shakkys Bar vielleicht etwas zu harsch gewirkt habe", erklärte er seinem Ehemann. "Du weißt schon, als wir auf das Thema gekommen sind mit dem, naja, du weißt schon, schwulen Kleidungsstil und so. Ich liebe dich und zwar genauso wie du bist. Du kannst von mir aus ruhig weiterhin pinke Hemden und Caprihosen anziehen. So habe ich dich kennengelernt und mich in dich verliebt."

Doflamingo öffnete das Schmuckkästchen und lächelte begeistert, als er die beiden goldenen Ohrringe sah. "Awww, Wani", säuselte er und warf ihm durch die getönten Gläser seinen Sonnenbrille einen gerührten Blick zu.

Crocodile spürte, dass sich Röte in seinem Gesicht ausbreitete, und richtete seinen Blick auf seinen Teller. "Dein Kleidungsstil gehört genauso zu dir wie dein Lächeln", sagte er. "Und ich würde mich dir in keiner anderen Version wünschen."

Doflamingo schmolz förmlich dahin. Eigentlich hatte Crocodile keine stark ausgeprägte romantische Ader. Bei ihm handelte es sich um einen Mann, der stets rational dachte und besonnen blieb. Umso wichtiger war es seine Gefühle hin und wieder durch schöne Gesten auszudrücken.
 

Es überraschte Crocodile nicht, dass sein Ehemann über ihn herfiel und seinen Mund in Beschlag nahm, kaum dass sie den Eingangsbereich ihrer kleinen Villa betreten hatten. Gierig drückte Doflamingo ihn gegen die Wand und ließ seine Hände über Crocodiles Seiten gleiten, ohne ihren Kuss zu unterbrechen.

"Du hast im Baratie so oft davon gesprochen, dass du mich mit meiner Kleidung liebst", hauchte er frech grinsend, "aber ich weiß, dass du mich ganz ohne Kleidung sogar noch viel lieber hast."

Crocodile rollte mit den Augen, doch spürte gleichzeitig, wie sich Röte in seinem Gesicht ausbreitete. Dass Doflamingo just in diesem Moment beschloss an seinem Ohrläppchen zu knabbern, tat sein Übriges. Seine Ohren und sein Hals gehörten zu seinen empfindlichsten Körperstellen. (Was sein Ehemann, mit dem er seit sechs Jahren zusammen war, natürlich ganz genau wusste.)

Als Doflamingos Lippen ein Stück nach unten wanderten und seinen Hals in Beschlag nahmen, konnte Crocodile ein leises Stöhnen nicht unterdrücken. Ein warmes Kribbeln ging von der Stelle aus, die dieser sorgsam mit seinem Mund bearbeitete.

"Doffy, kein Knutschfleck", ermahnte er seinen übereifrigen Partner, als dieser zu saugen begann.

"Es ist mein Geburtstag", gab Doflamingo schnurrend zurück und ließ sich nicht beirren.

"Dein Geburtstag ist in zwei Stunden vorbei", wandte Crocodile ein. "Man wird den Knutschfleck aber noch tagelang sehen."

"Du trägst sowieso immer Halstücher." Trotzdem ließ Doflamingo von seinem Hals ab. Er leckte sich über seine nassen, wunden Lippen und warf ihm einen Blick zu, der so lüstern war, dass Crocodile ihn sogar durch die getönten Gläser der Sonnenbrille hindurch auf seinem Körper spürte.

"Schlafzimmer?", fragte Crocodile mit leiser Stimme.

Das ließ sich Doflamingo nicht zweimal sagen. Hastig griff er nach Crocodiles Hand und zerrte diesen hinüber zur Treppe, die in den ersten Stock führte. In ihrem Schlafzimmer angekommen knallte Doflamingo die Türe hinter ihnen beiden zu, schmiss seine Brille in die erstbeste Ecke und machte sich dann sofort daran das Hemd seines Partners aufzuknöpfen. Crocodile war es bereits gewohnt, dass Doflamingo an manchen Tagen den Sex kaum erwarten konnte und sehr hektisch wurde, und reagierte weitesgehend gelassen.
 

[zensiert]
 

*
 

Am Samstag wollte Doflamingo seinen Geburtstag auf seiner Yacht Pink Flamingo nachfeiern. Gemeinsam mit seinem Ehemann wurde Crocodile in einem brandneuen Audi S8 zum Hafen chauffiert. Es war erst früher Nachmittag. Doflamingo wollte sichergehen, dass alles vorbereit war, wenn seine zahlreichen Gäste eintrafen.

Er hatte mehr oder weniger jeden Menschen, mit dem er jemals ein Wort gewechselt hatte, eingeladen. Es würde also eine gigantische Party werden. Crocodile wollte sich die damit verbundenen Kosten gar nicht ausmalen. Diese Geburtstagsfeier kostete Doflamingo sicher mehr als er im ganzen Jahr bei Toms Workers verdiente.

Crocodile hatte schon häufiger von der Pink Flamingogehört, doch das imposante Schiff noch nie zuvor gesehen. Als er aus dem Audi S8 ausstieg, fielen ihm beinahe die Augen aus dem Kopf.

"Ach du heilige Scheiße", gab er entsetzt von sich und musterte die Yacht, die im Hafen lag. Bei der Gästezahl, von der Doflamingo immer wieder gesprochen hatte, war ihm natürlich klar gewesen, dass es sich nicht um ein kleines, schlichtes Bötchen handeln konnte. Aber die gigantische Yacht, vollständig in pink gehalten und mit dem Kopf eines Flamingos als Galleonsfigur, verschlug ihm einfach bloß den Atem.

"Was ist los?", wollte Doflamingo wissen, der neben ihm stand.

Crocodile bedeckte seine Augen mit der rechten Hand und schüttelte den Kopf. "Das hier ist mit Abstand das hässlichste Schiff, das ich in meinem ganzen Leben jemals gesehen habe", gab er seufzend von sich.

Doflamingo brach natürlich sofort in lautes Gelächter aus. "Ich habe die Pink Flamingo selbst entworfen", erklärte er. "Aber mich wundert es nicht, dass sie dir nicht gefällt. Du hattest ja nie viel für meine Lieblingsfarbe übrig."

Damit hatte sein Ehemann definitiv Recht. Crocodile war sich sicher, dass er nicht einmal ein pinkfarbenes Kleidungsstück besaß. Oder halt, das stimmte nicht ganz: Zu seinem Geburtstag vor zwei Jahren hatte Doflamingo ihm unter Anderem ein Hemd in Pastellrosa gekauft. Doch das teure Designerstück vermoderte seitdem im Schrank; Crocodile hatte es nicht ein einziges Mal angezogen.

Doflamingo führte ihm das Schiff vor. Auf Deck sah es nicht so schlimm aus, musste selbst Crocodile zugeben. Hier bekam man nicht mehr allzu viel von der pinken Außenfarbe mit.

"Ich habe mir die Pink Flamingo vor etwa zehn Jahren gekauft", wurde ihm erklärt. "Ich habe sie früher schon einmal als Location für eine Geburtstagsparty genutzt."

"Ich weiß", erwiderte Crocodile und folgte seinem Ehemann durch das Innere des Schiffes, "für deinen siebenundzwanzigsten Geburtstag."

"Stimmt. Aber woher weißt du das?", wollte er mit überrascht klingender Stimme wissen.

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Muss eine wirklich gute Party gewesen sein", erklärte er. "Ich höre immer wieder, wie Leute davon erzählen."

"Es war wirklich eine tolle Party", schwärmte Doflamingo. "Ich hatte an einem Samstag Geburtstag und habe reingefeiert. Um Mitternacht gab es ein riesiges Feuerwerk! Und alle meine Freunde sind da gewesen. Es war ein wirklich toller Abend. Obwohl Corazon kopfüber in der Torte gelandet ist, fufufu."

Crocodile senkte den Blick. Plötzlich musste er wieder an seine eigenen Geschwister denken. "Was ist mit Mihawk und Hancock?", fragte er seinen Ehemann, als sie gerade den Festsaal erreicht hatten. "Glaubst du, sie werden auch kommen?"

Doflamingo blieb stehen. Er zögerte für einen Moment, ehe er ihm mit ruhiger Stimme erklärte: "Mihawk hat mich vor ein paar Tagen angerufen und abgesagt. Die beiden sind zu beschäftigt."

"Er hat dich angerufen?!" Crocodile warf seinem Partner einen entsetzten und vorwurfsvollen Blick zu. "Dich?!"

Doflamingo hob in einer beschwichtigenden Geste seine Hände. "Ich weiß, dass dich die Funkstille zwischen deinen Geschwistern und dir belastet. Aber Mihawk hat nur ganz kurz angerufen, um Bescheid zu sagen. Die Beerdigung eurer Mutter findet in ein paar Tagen statt. Er sagte, er müsste vieles organisieren und außerdem auch Hancock in Zaum halten."

"Hancock?", hakte Crocodile sofort nach. "Was ist mit ihr?"

Doflamingo verzog das Gesicht. "Ich weiß es nicht genau", antwortete er ausweichend. "Aber ich nehme an, dass sie enttäuscht ist, weil du nicht zur Beerdigung kommen möchtest."

Crocodile spürte, wie sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog. Meldeten sich deshalb seine Geschwister nicht mehr bei ihm? Waren sie beide entsetzt, weil er die Beerdigung seiner eigenen Mutter schwänzte? Und das, obwohl ihre allerletzten Worte ihm gegolten hatten?

"Ich würde das nicht überbewerten", meinte Doflamingo und griff nach seiner Hand. Zärtlich streichelte er sie mit seinem Daumen. "Die beiden standen eurer Mutter nahe und sind im Moment sehr aufgewühlt. Ich weiß noch, wie es mir nach dem Tod meiner eigenen Mutter ging. Glaub mir, Crocodile: Sie werden sich wieder beruhigen. Gib ihnen noch ein wenig Zeit."

Crocodile nickte, doch es fiel ihm schwer seine Enttäuschung zu verbergen. Um Doflamingos willen versuchte er sich zusammenreißen. Heute fand seine Geburtstagsparty statt. Er wollte sie nicht verderben.

"Hey", sagte sein Ehemann mit leiser Stimme, "ich weiß, dass dich derzeit sehr viele harte Themen beschäftigen. Wenn du... Wenn du lieber wieder nach Hause fahren möchtest, könnte ich das verstehen."

Sofort schüttelte Crocodile den Kopf und riss seine Hand los. "Was? Nein, auf keinen Fall! Heute wird dein Geburtstag gefeiert! Was würden denn deine Gäste denken, wenn dein eigener Mann abwesend ist?"

"Es ist mir absolut scheißegal, was meine Gäste davon halten könnten", gab Doflamingo sofort pikiert zurück.

"Aber möchtest du denn nicht, dass ich heute Abend dabei bin?"

"Doch, natürlich! Aber am wichtigsten ist mir, dass es dir gut geht, Crocodile." Doflamingo griff erneut nach seine Hand und presste sie gegen seine Brust. Crocodile konnte sein schlagendes Herz spüren. "Verdammt, Crocodile. Du weißt, dass du ehrlich zu mir sein darfst. Du hast im Moment mit wirklich vielen Dingen zu kämpfen. Der Streit mit deinen Geschwistern, der Tod deiner Mutter, die fehlgeschlagene in-vitro-Fertilisation... Ich kann es wirklich verstehen, wenn dir das alles zu viel wird und du keine Lust auf eine Party hast."

"Nein, ich...." Crocodile atmete einmal tief ein und aus. "Es ist lieb, dass du so besorgt um mich bist, Doffy. Aber es ist schon gut. Wirklich. Eigentlich kommt mir diese Party ganz gelegen, um mich abzulenken."

Doflamingo wirkte nicht ganz überzeugt, doch nickte am Ende. Wahrscheinlich kannte er seinen Ehemann gut genug, um zu wissen, dass dieser sich nicht so leicht von Dingen, die er sich vorgenommen hatte, abbringen ließ. In dieser Hinsicht waren sie beide sich sehr ähnlich.
 

Nach und nach füllte sich das Deck der Pink Flamingo. Doflamingo hatte hunderte Gäste eingeladen. Und so wie es schien, hatte es sich niemand nehmen lassen zu erscheinen. Wer verpasste denn auch schon gerne die Party eines Multimillionärs? Die Yacht, der berühmte DJ, die gigantische Geburtstagstorte mit 35 Kerzen... Wie immer hatte Doflamingo dick aufgetragen.

Die Gäste ließen es sich gut gehen. Der Alkohol floss in rauen Mengen. Die Tanzfläche war durchgehend voll. Von allen Seiten waren angeregte Unterhaltungen und schallendes Gelächter zu hören.

Crocodile kam sich schrecklich fehl am Platz vor. Er verspürte überhaupt keine Lust zu tanzen oder neue Leute kennenzulernen. Seine Gedanken wanderten automatisch ständig zu seinen Geschwistern und verschlechterten so immer wieder seine Laune. Warum hatte Mihawk Doflamingo angerufen, aber nicht ihn? War er so enttäuscht von ihm, dass er nicht einmal mehr mit ihm sprechen wollte?

Crocodile nippte unglücklich an seinem Wasserglas. Er stand abseits von den übrigen Leuten auf dem Deck und lehnte sich mit dem Rücken an die Reling. Die Pink Flamingo hatte vor etwa einer Stunde abgelegt. So weit draußen war das Meer ruhig und dunkel; ein extremer Kontrast zu der bunten Gesellschaft, die sich hier tummelte.

Sein Ehemann wurde permanent in Beschlag genommen. Alle wollten ihm nachträglich gratulieren, mit ihm tanzen, sich mit ihm unterhalten oder mit ihm anstoßen. Doflamingo war fürsorglich genug, um immer mal wieder nach ihm zu sehen. Doch Crocodile, der keine Spaßbremse sein wollte, versicherte ihm stets, dass alles in Ordnung war. Doflamingo hatte sich schließlich monatelang auf diesen Abend gefreut und einen enormen Aufwand betrieben, um das Fest auszurichten.

Crocodile seufzte leise und verließ das Deck, um die Toilette aufzusuchen. Im Gang erhaschte er einen Blick auf seinen Ehemann, der mit dem Rücken zu ihm stand und ihn nicht bemerkte. Er unterhielt sich mit einer jungen, äußerst attraktiven Frau, die Crocodile nicht kannte.

"Fünfunddreißig?", hörte er die Frau mit gespielt erstaunt klingender Stimme sagen. Sie trug einen schicken Longbob; die langen, rosafarbenen Haarsträhnen verdeckten ihr rechtes Auge, was ihr einen mysteriösen Flair verlieh. "Nie im Leben bist du fünfunddreißig! Ich hätte dich mindestens fünf Jahre jünger geschätzt!"

"Das bekomme ich oft zu hören", lachte sein Ehemann und winkte ab. "Aber es stimmt: Ich bin nun ganz offiziell Mitte dreißig."

"Liegt bestimmt an deinem jugendlichen Kleidungsstil" meinte die Frau augenzwinkernd.

Crocodile verzog den Mund. Er war per se kein sonderlich eifersüchtiger Mensch, aber dass sein Partner vor seinen Augen offensiv angeflirtet wurde, gefiel ihm absolut nicht. Und dann auch noch von einer wahnsinnig attraktiven Frau.

Doflamingo lachte fröhlich. "Meine Freunde schimpfen immer über meine Klamotten", erklärte er ihr. "Zu viel pink für einen Mann."

"Mir gefällt pink", gab sie zurück und deutete auf ihren Haarschopf.

"Die Farbe steht dir auch wirklich gut", fand Doflamingo. Sie lächelten beide.

Crocodiles Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen. Es tat weh zu sehen wie fröhlich und ungezwungen sein Ehemann sich mit dieser fremden Schönheit unterhielt. Gerade weil eine solche Unterhaltung mit Crocodile schon seit Wochen nicht mehr möglich war. In letzter Zeit hatte es so viele belastende Themen gegeben, dass seine Gedanken ständig abwechselnd um seine Geschwister, die Beerdigung seiner Mutter und die misslungene künstliche Befruchtung kreisten.

Crocodile biss sich auf die Unterlippe und kehrte mitten im Gang um. An der Bar unten im Festsaal bestellte er sich einen Schnaps, den er in einem Zug leertrank. Die beißende Hitze in seiner Kehle konnte ihn wenigstens für einen kurzen Moment von seiner Frustration ablenken.
 

Crocodile verbrachte den Großteil des Abends damit allein am Rand zu stehen und sich von seinen Freunden fernzuhalten. Als Law ihn einmal vom anderen Ende des großen Festsaals aus erspähte und versuchte sich durch die Menschenmasse einen Weg in seine Richtung zu bahnen, ergriff er schnell die Flucht. Dieser Abend war schon schlimm genug, so wie er war. Er hatte absolut kein Interesse daran ihn sich durch ein Gespräch über sein Verhalten in Shakkys Bar noch weiter zu vermiesen.

Dellinger selbst konnte er glücklicherweise überhaupt nicht ausmachen. Doflamingos jüngerer Cousin war normalerweise sehr leicht zu finden: Mit seiner schrillen, femininen Kleidung und den hohen Stöckelschuhen fiel er in jeder Menge sofort auf. Ob er wohl Zuhause geblieben war, weil er befürchtet hatte ihm hier erneut begegnen zu können?

Crocodile hatte kaum Gelegenheit sich Gedanken darüber zu machen, als plötzlich sein Ehemann neben ihm auftauchte. In den Händen hielt er zwei Getränke: Einen mit zahlreichen Schirmchen dekorierten Cocktail und ein Glas, das vermutlich Wodka gemischt mit Saft enthielt. Letzteres drückte er Crocodile in die Hand.

"Ist alles gut bei dir?", fragte er ihn und saugte am Strohhalm seines Cocktails.

Hastig nickte Crocodile und nahm einen Schluck seines eigenen Getränks. Es enthielt einen sehr hohen Anteil Wodka.

"Law versucht schon die ganze Zeit dich zu erwischen", sagte Doflamingo. "Aber irgendwie scheint er immer einen Moment zu spät dran zu sein."

Crocodile zuckte mit den Schultern und tat so als käme ihm das überhaupt nicht sonderbar vor. "Oh, tatsächlich? Naja, eigentlich wundert es mich nicht. Du hast wirklich wahnsinnig viele Leute eingeladen. Ich habe das Gefühl, dass ich alle zehn Minuten von jemand Anderem angesprochen werde."

Er war sich nicht ganz sicher, ob sein Ehemann ihm diese Ausrede abkaufte oder nicht. Jedenfalls legte er einen Arm um seine Schulter und führte ihn durch den Festsaal. Crocodile hatte gar keine andere Möglichkeit als mit ihm mitzugehen. Zu zweit bahnten sie sich einen Weg durch die vielen Menschen, die dicht an dicht standen und sich ausgelassen miteinander unterhielten.

In einer Ecke des Saals, die recht weit weg von der Bar und daher nicht wahnsinnig überfüllt war, hielten sich Law, Kid, Vergo, Violet, Circies, Diamante und Pica auf. Und Dellinger. Crocodile schluckte. Plötzlich fühlte sich der Arm, den Doflamingo um seine Schulter gelegt hatte, sehr schwer an.

"Hey, Crocodile, da bist du ja", begrüßte Law ihn mit untypisch fröhlich klingender Stimme. Er hielt ebenfalls ein mit vielen Strohhalmen und Schirmchen dekoriertes Getränk in seiner Hand. Sicherlich nicht sein erstes an diesem Abend.

"Hey", gab Crocodile schwach zurück. Er vermied es Doflamingos anderen Freunden, insbesondere Dellinger, in die Augen zu sehen. Bei Crocodile handelte es sich nicht um einen Feigling. Aber er fühlte sich derzeit so extrem schwach und unglücklich, dass er nicht mehr die Kraft besaß, um sich mit einem von ihnen anzulegen. (Sie alle waren anwesend gewesen, als es in Shakkys Bar zu der Auseinandersetzung wegen Dellingers femininer Kleidung gekommen war.)

Sein Ehemann nahm den Arm von seiner Schulter. Crocodile musste den Instinkt, unverzüglich die Flucht zu ergreifen, mit allen Mitteln unterdrücken.

"Mir gefallen deine Ohrringe, Doffy", sagte Violet mit unverfänglich klingender Stimme und warf einen neugierigen Blick auf die golden glitzernden Schmuckstücke.

"Danke", gab sein Partner, sichtlich geschmeichelt, zurück. "Crocodile hat sie mir zum Geburtstag geschenkt."

Eben jener wagte es einen ganz kurzen Blick auf Dellinger zu werfen. Kein Wunder, dass er ihm bisher nicht aufgefallen war: Doflamingos jüngerer Cousin trug eine schlichte, schwarze Hose und einen mellierten Pullover. An den Füßen hatte er Sneaker. Crocodile traute sich nicht ihn zu fragen, wieso er plötzlich auf seine Hotpants und Stöckelschuhe verzichtete. Ohne seinen Blick mit ihm zu kreuzen wandte er sich hastig wieder ab.

"Eben ist die Geburtstagstorte angeschnitten worden", berichtete ihm Pica. Normalerweise musste Crocodile sich jedes mal, wenn er dessen piepsige Stimme hörte, zusammenreißen, damit er nicht laut loslachte, doch heute fiel es ihm überhaupt nicht schwer. "Schade, dass du es verpasst hast, Crocodile. Ich wette, so eine riesige Torte hast du in deinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Doffy scheint wirklich für jeden einzelnen Gast ein Stück vorgesehen zu haben."

"Ach, das macht nichts", erwiderte Crocodile mit schwacher Stimme und winkte ab. "Ich darf ja sowieso keine Torte essen." Er stellte sein Glas auf einem Stehtisch zu seiner Rechten ab.

"Wieso das denn?", mischte Violet sich ein. Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. "Bist du auf Diät oder so?"

"Ähm, nein." Hatte er zugenommen? Das war ihm gar nicht aufgefallen. Und Doflamingo hatte auch nichts dergleichen angedeutet. Auf der anderen Seite hatte er in letzter Zeit häufiger das Fitness-Studio geschwänzt. Wenn er wieder Zuhause war, würde er sich gleich mal auf die Waage stellen. "Ich darf gründsätzlich nichts Süßes zu mir nehmen."

"Häh? Wieso das denn?", wollte nun auch Pica wissen. Plötzlich waren alle Augen auf ihn gerichtet. Crocodile fühlte sich schrecklich unwohl. Es war nicht so, dass er sich per se für seine Magenprobleme schämte; aber es behagte ihm nicht plötzlich das Zentrum ihrer Gesprächsrunde darzustellen.

"Ich habe einen überempfindlichen Magen", erklärte er knapp. "Es gibt viele Lebensmittel, die ich nicht essen darf. Aber das macht mir nichts aus. Ich habe mich längst daran gewöhnt."

"Also eine chronische Erkrankung?", meldte sich irgendjemand anders zu Wort.

"Stimmt, davon hat Doffy irgendwann mal erzählt gehabt."

"Oh Mann, du armer Kerl. Nie wieder Schokolade essen zu dürfen wäre eine Horrorvorstellung für mich!"

"Hast du ein Magengeschwür? Tut das weh?"

"Isst du wirklich nie irgendwelche Süßigkeiten? Nicht einmal eine Kugel Eis?"

Crocodile war Reaktionen dieser Art gewöhnt. Schon seit er ein kleines Kind war, bekam er sie regelmäßig zu hören, wenn jemand von seinem chronisch gereizten Magen erfuhr. Daher bemühte er sich normalerweise darum dieses Thema nicht an die große Glocke zu hängen. Sogar Doflamingo vergaß ständig, dass Süßigkeiten für ihn tabu waren, und bot ihm immer mal wieder Bonbons oder süßes Gebäck an.

"Es ist wirklich keine dramatische Sache", erklärte er rasch und machte eine abwehrende Geste. "Ich weiß gar nicht mehr wie Schokolade überhaupt schmeckt. Mir fehlt also nichts."

Zu seinen Ungunsten schien er mit dieser Aussage den Vogel abgeschossen zu haben. Violet warf ihm einen Blick zu, den man bloß als absolut entsetzt beschreiben konnte. "Du weißt nicht mehr wie Schokolade schmeckt?! Schokolade?!"

Crocodile zuckte unbeholfen mit den Schultern. Er hatte nie wirklich nachvollziehen können, warum so viele Menschen die Vorstellung keine Eiscreme, Kekse oder Bonbons essen zu dürfen, als so schlimm empfanden. Süßigkeiten waren lecker, keine Frage. Aber es war doch kein Weltuntergang, wenn man ein Leben ohne führen musste. Es war ja nicht so als dürfte Crocodile sich überhaupt nichts gönnen. Er aß zum Beispiel gerne Cracker oder mit Frischkäse gefüllte Oliven.

"Es hört sich viel schlimmer an als es ist", versuchte Crocodile Violet zu beschwichtigen. "Ich muss einfach nur alle Lebensmittel vermeiden, die süß oder scharf oder fettig sind. Damit komme ich gut zurecht. Ich habe auch nur selten Schmerzen."

"Schmerzen?", wiederholte Violet mit großen Augen. "Nicht nur, dass du wegen dieser chronischen Erkrankung keine Süßigkeiten essen darfst; sie verursacht auch noch Schmerzen?!"

Warum hatte er das bloß gesagt? Er kam sich vor wie ein Idiot. "Das kommt höchstens zwei- oder dreimal im Monat vor. Ist aber wirklich nicht schlimm. Ich bin es ja schließlich gewöhnt." Doch damit schien Crocodile weder Violet noch die übrigen Leute überzeugen zu können. Sie alle taten etwas, was er abgrundtief hasste: Sie warfen ihm mitleidige Blicke zu. "Eigentlich ist Krankheit das falsche Wort", fügte er rasch hinzu. Er hasste es, wenn Leute Mitleid für ihn empfanden. "Es ist bloß ein empfindlicher Magen, nichts weiter."

"Oh Mann, du armer Kerl", hörte er Cirkies sagen. "Ich wusste gar nicht, dass du eine chronische Krankheit hast. Kann man da gar nichts gegen tun?"

"Es ist keine Krankheit", betonte Crocodile erneut. Er spürte, dass sein Geduldsfaden immer dünner wurde. "Wirklich, es ist nicht schlimm. Ich muss euch absolut nicht leidtun!"

Zu seiner großen Überraschung war es am Ende Dellinger, der ein Machtwort sprach: "Jetzt hört doch endlich auf ihn in eurem Mitleid zu ertränken! Crocodile ist ein taffer Kerl! Wenn er sagt, dass er die Situation mit seinem Magen nicht schlimm findet, dann solltet ihr das akzeptieren! Nicht jeder ist süchtig nach Schokolade und Pommes."

Crocodile musterte ihn mit einem überraschten Gesichtsausdruck. In just diesem Augenblick griff Dellinger plötzlich nach seinem Handgelenk und zog ihn mit sanfter Gewalt in Richtung Bar. "Komm, Crocodile", sagte er und warf ihm einen auffordernden Blick zu, "wir holen uns ein paar neue Getränke."

Crocodile machte sich nicht die Mühe Dellinger zu erklären, dass Doflamingo ihm gerade erst ein Getränk in die Hand gedrückt hatte, und ließ sich von diesem durch das Gedränge ziehen.

"Was ist los?", fragte er, als sie die Theke erreicht hatten, und schüttelte Dellingers Hand ab. "Was soll das?"

"Ich hatte den Eindruck, dass du dich unwohl fühlst", erwidere dieser schulterzuckend. "Immerhin spielst du nicht gerne die Opferrolle. Also habe ich dir kurzerhand aus der Situation herausgeholfen."

Crocodile seufzte leise. Offenbar wollte Dellinger mit ihm über ihre Auseinandersetzung in Shakkys Bar sprechen. Um ganz ehrlich zu sein, war er sich nicht einmal mehr ganz sicher, was er damals überhaupt gesagt hatte. In den letzten Wochen waren zu viele andere Dinge passiert, die seine Aufmerksamkeit gefordert hatten. Wahrscheinlich war es das Beste, wenn er sich einfach beim Cousins seines Partners entschuldigte und dieses Thema beendete.

"Dellinger, hör mal, was ich damals gesagt habe... Es war nicht..."

"Es hat gestimmt", unterbrach sein Gegenüber ihn. "Du hattest Recht, Crocodile. Mit allem, was du gesagt hast."

Erstaunt hob Crocodile den Blick. Erneut fiel ihm Dellingers ungewöhnlich neutral wirkende Outfit auf: ein mellierter Pullover, eine dunkle Hose und ein Paar Sneaker. So kannte er ihn überhaupt nicht.

"Ich habe mich total auf meine Identität als Tunte eingeschossen", erklärte Dellinger ihm. Er leckte sich über die trockenen Lippen. "Weißt du, in letzter Zeit hatte ich mit einigen Tiefschlägen zu kämpfen. Ich studiere seit fünf Jahren Wirtschaftsrecht, obwohl mir schon lange klar ist, dass ich in diesem Bereich eigentlich gar nicht arbeiten möchte. Als dann auch noch meine Beziehung in die Brüche gegangen ist, hatte ich irgendwie das Gefühl, dass mir alles in meinem Leben entgleitet. Ich wusste gar nicht mehr, was mich eigentlich ausmacht und was ich tun möchte. Ich bin total durchgedreht und habe angefangen, mich über meine Sexualität und meine Klamotten zu definieren.

Du hast Recht, Crocodile: In mir steckt mehr als eine übersensible Tunte. Was du gesagt hast, klang sehr hart; aber im Nachhinein ist mir klargeworden, dass es richtig von dir war mir den Kopf zu waschen."

"Es war nicht sehr nett von mir", lenkte Crocodile mit leiser Stimme ein. Er hatte sich den ganzen Abend lang Gedanken darüber gemacht, wie Dellinger auf ihn reagieren würde, falls sie beide sich begegnen sollten. Er hatte sich Dutzenden Szenarieren ausgemalt. Aber die Möglichkeit, dass Dellinger sich seine Worte zu Herzen genommen und seine Lebenseinstellung geändert haben könnte, war ihm definitiv nicht in den Sinn gekommen.

"Alle sind nett zu mir gewesen", fuhr Dellinger kopfschüttelnd fort. "Meine Eltern, meine Freunde... Niemand hat sich getraut mir zu sagen, dass bei mir etwas schief läuft. Ich habe bloß noch über Klamotten und Sex geredet und gar nicht gemerkt, in was für einen oberflächlichen Menschen ich mich da verwandle. Du bist der einzige, der klare Worte gefunden hat. Dafür möchte ich mich bedanken."

"Du musst dich nicht bei mir bedanken, weil ich dich eine Tunte und eine Heulsuse genannt habe", gab Crocodile unangenehm berührt zurück.

"Es hat mir aber wirklich weitergeholfen. Ich habe endlich mit dem Wirtschaftsrecht aufgehört und einen Studiengang angefangen, der besser zu mir passt. Meine Eltern sind zwar nicht begeistert, aber ich merke, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist. Die Uni macht mir wieder Spaß. Und ich habe auch angefangen mich für andere Dinge zu interessieren. Für wirklich coole Dinge und nicht nur oberflächlichen Kram. Ich habe endlich das Gefühl wieder auf einem wirklich guten Weg zu sein. Und mein Leben selbst in der Hand zu haben. Und das habe ich dir zu verdanken."

Crocodile wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Es tat gut, nach all den Hiobsbotschaften der letzten Wochen endlich einmal eine positive Nachricht zu hören. Er hatte fast nicht mehr daran geglaubt, dass irgendetwas gut laufen könnte. "Es freut mich, dass es in deinem Leben wieder bergauf geht", sagte er schließlich. "Ich wusste gar nicht, dass du solche Probleme hattest."

"Ich habe nicht oft davon gesprochen", erkläre Dellinger ihm und senkte beschämt den Blick. "Irgendwie kam ich mir auch selbst blöd vor. Im Grunde habe ich fünf Jahre für einen Studiengang, der mir gar ncht liegt, vergeudet. Ich wollte nicht, dass die Leute mich für einen Idioten halten. Deswegen habe ich so getan als wäre alles in Ordnung. Aber jetzt merke ich, dass es nichts bringt sich selbst zu belügen."

Crocodile senkte den Blick. "Ich verstehe, was du meinst." Als Dellinger ihn neugierig musterte, fuhr er fort: "Wir leben in einer Welt der Reichen und Schönen. Manchmal neigen wir dazu zu vergessen, dass es Probleme gibt, die sich nicht durch Geld oder Kontakte lösen lassen. Wir tun so als wären wir glücklich, damit niemand mitkriegt, dass wir uns ingeheim wie Versager fühlen."

"So wie du? Du tust den ganzen Abend lang so als wärst du gut drauf, obwohl dir in Wirklichkeit hundeelend zumute ist?"

Crocodile fühlte sich ertappt. Er unterdrückte ein Seufzen und wich Dellingers Blick aus. "Es gibt im Moment einige Schwierigkeiten in meinem Leben. Aber ich möchte nicht Doflamingos Geburtstagsparty ruinieren. Er hat sich monatelang auf diesen Abend gefreut."

"Möchtest du mit mir darüber reden?", bot Dellinger ihm mit freundlicher Stimme an.

Crocodile zögerte. Doch schlussendlich schüttelte er den Kopf. "Versteh mich nicht falsch, Dellinger... Ich weiß, wir kennen uns schon lange und du bist kein schlechter Kerl. Aber ich bin kein Mensch, der offen über seine Probleme spricht. Da kann ich einfach nicht."

"Weiß denn wenigstens Doflamingo, was bei dir los ist?"

"Natürlich, er ist doch mein Ehemann", gab Crocodile irritiert zurück.

"Dann ist ja gut." Dellinger lächelte ihn an. "Es ist wichtig wenigstens eine Person zu haben, mit der man über alles sprechen kann."

Crocodile nickte bedächtig. "Ich bin wirklich wahnsinnig froh ihn an meiner Seite zu haben. Ich hätte keinen besseren Menschen heiraten können."

"Lass ihn das bloß nicht hören", witzelte Dellinger und lachte hinter vorgehaltener Hand. "Doffy würde nie wieder aufhören dich zu nerven."

"Das stimmt", gab Crocodile zurück und stimmte in Dellingers Lachen mit ein.

Ablenkung

Heute fand die Beerdigung statt. Und Crocodile versuchte mit allen Mitteln nicht daran zu denken. Nicht an an seine Mutter, nicht an seinen Vater und auch nicht an seine Geschwister, von denen er noch immer nichts gehört hatte.

Als er um sieben Uhr morgens aufwachte, obwohl Wochenende war, machte er sich hastig für den Tag fertig und huschte hinüber in sein Arbeitszimmer. Ohne auch nur eine Sekunde zu verschwenden, setzte er sich an seinen Laptop und sah einige Dokumente durch, die Hina ihm geschickt hatte.

Crocodile kam wahnsinnig gut mit seiner Nachfolgerin zurecht. Beinahe tat es ihm leid, dass sie beide langfristig gar nicht zusammenarbeiten würden. Immerhin endete in sechs Monaten sein Arbeitsverhältnis bei Toms Workers.

Noch während er die Dokumente sichtete, kam ihm der Gedanke, dass er die Zeit heute auch nutzen könnte, um bei Dr. Raffit anzurufen und einen neuen Termin für die künstliche Befruchtung auszumachen. Besser früher als später. Selbst wenn bei diesem Versuch alles gut funktionieren würde, lägen immer noch mehr als drei Monate Pause zwischen seinem letzten Tag bei Toms Workers und der Geburt seines Kindes. Crocodile hatte nicht damit gerechnet, dass sich der ganze Prozess dermaßen verzögern würde.

Er würde sich gut überlegen müssen, wie er die verlorenen Monate sinnvoll nutzen könnte. Einfach nur herumsitzen und nichts tun – nein, dazu war er nicht in der Lage. Bei Crocodile handelte es sich um einen echten Workaholic. Er konnte nicht einfach ohne Plan und ohne Ziel in den Tag hineinleben; das war einfach nicht sein Stil. Vielleicht könnte er ein paar Kurse zur Pflege und Förderung von Säuglingen belegen?

Gedankenverloren öffnete Crocodile seinen privaten Emailaccount. Seine Laune besserte sich schlagartig, als er feststellte, dass ihre Haushälterin Dadan sich wegen Halsschmerzen für heute krank gemeldet hatte. Das bedeutete nämlich, dass er all ihre Aufgaben übernehmen könnte.

Dadan war schon seit mehreren Jahren bei ihnen angestellt. Sie räumte auf, putzte, wusch die Wäsche, kaufte ein und kochte. Crocodile mochte die ruppige, rundliche Frau mit den orangefarbenen Locken sehr gerne.

Dienstags bis samstags kümmerte sie sich um alles, was mit dem Haushalt zu tun hatte. Doflamingo und er hatten ihr damals angeboten ausschließlich wochentags zu arbeiten, doch Dadan hatte auf den Sonn- und Montag als ihre freien Tage bestanden. Wenn Crocodile sich richtig erinnerte, betreute sie montags wohl immer eines ihrer Enkelkinder.

Ursprünglich hatte Doflamingo für die beiden Tage, an denen Dadan nicht da war, eine zweite Haushälterin einstellen wollen, doch an diesem Punkt hatte Crocodile sich quergestellt. Er empfand es als unangenem in seinen eigenen vier Wänden von zu viel Personal umgeben zu sein. Das hatte ihm schon früher missfallen. In Doflamingos ehemaliger, viel größeren Villa waren ständig so viele verschiedene Angestellte umhergeschwirrt, dass er nicht einmal ihre Namen gekannt hatte. So eine Situation wollte er nicht noch einmal heraufbeschwören.

Meistens übernahm Crocodile am Sonntag und Montag die dringend anfallenden Aufgaben im Haushalt. Das bedeutete, er kochte, räumte den Geschwirrspüler ein und brachte den Müll weg. Manchmal kaufte er auch ein, aber das kam eher selten vor. Normalerweise sorgte Dadan nämlich samstags bereits für die kommenden Tage vor.

Nun, heute war Samstag. Heute wurde seine Mutter beerdigt. Vielleicht weinte Hancock gerade. Crocodile schüttelte hastig den Kopf, um diese unerwünschten Gedanken loszuwerden, und machte sich stattdessen daran eine Einkaufsliste anzufertigen. Doflamingo liebte Paella, besonders mit Meeresfrüchten. Er würde sich sicher freuen, wenn sein Ehemann ihn heute mit einem besonders leckeren Mittagessen überraschte.

Normalerweise wischte Dadan samstags alle Möbel im Haus mit einem feuchten Lappen ab, fiel Crocodile ein, noch während er die Einkaufsliste erarbeitete. Diese Aufgabe könnte er heute freundlicherweise auch übernehmen.

Es würde sicher viele Leute verwundern, doch obwohl Crocodile äußerst wohlhabend war, machte es ihm nichts aus im Haushalt zu arbeiten. Er war kein Macho. Früher, als er noch in seiner Loft-Wohnung gelebet hatte, hatte er seinen Haushalt weitesgehend allein geführt, obwohl er sich eine Putzfrau oder Haushälterin durchauch hätte erlauben können. (Nur für die Fenster und Böden hatte er sich Unterstützung durch Reinigungskräfte geholt. Das war ihm dann doch zu mühselig gewesen.) Er empfand es nicht als niedere, unwürdige Arbeit. Für ihn gehörten es einfach zum Leben dazu, seinen Wohnraum sauber zu halten und für sich selbst einzukaufen und zu kochen.

Als er vor vielen Jahren bei seinem älteren Bruder gelebt hatte, hatte hauptsächlich Crocodile sich um den Haushalt gekümmert. Während Mihawk zur Arbeit ging, hatte Crocodile geputzt, gekocht und alles Übrige erledigt. Er war damals noch Schüler gewesen und hätte sonst nichts zu ihrem Zusammenleben beitragen können. Seinen Bruder wenigstens jeden Abend mit einem leckeren Essen eine Freude zu machen, war das Mindeste, was er hätte tun können. Es war ihre Arbeitsteilung gewesen und Crocodile hatte es niemals als Schande empfunden.

Die alten Erinnerungen stimmten Crocodile traurig. Energisch schüttelte er den Kopf und stand von seinem Schreibtischstuhl auf. Rasch machte er sich an die Arbeit. Einkaufen. Möbel feucht abwischen. Das Mittagessen vorbereiten. In der Kinderwunschklinik anrufen. Er hatte viel zu tun und überhaupt gar keine Zeit, um an irgendetwas Anderes zu denken.
 

"Warum zur Hölle putzt du samstags um zehn Uhr morgens unsere Möbel?"

Crocodile erschreckte sich so sehr, dass er beinahe seinen feuchten Lappen fallengelassen hätte. Vorwurfsvoll wandte er sich an seinen Ehemann, der lediglich in Boxershorts bekleidet im Türrahmen stand. "Schleich dich gefälligst nicht von hinten an mich an", wies er ihn mit strenger Miene zurecht.

Völlig ungerührt von Crocodiles rüder Art trat Doflamingo näher. Er musterte ihn mit einem überaus besorgten Gesichtsausdruck. Sofort begann Crocodile sich unwohl zu fühlen.

"Dadan ist krank" erklärte Crocodile ihm. "Deswegen übernehme ich heute ihre Arbeit."

"Das ist doch wohl nicht dein Ernst", gab sein Partner spöttisch zurück. "Du musst doch nicht deine karge Freizeit nutzen, um hier sauberzumachen."

"Aber wenn Dadan nun mal krank ist?", erwiderte Crocodile kopfschüttelnd. Er gab es nur ungern zu, doch Doflamingos herablassende Reaktion verletzte ihn. Sein Ehemann neckte ihn gerne, doch er war nur sehr selten wirklich spöttisch. "Sie kommt erst am Dienstag wieder. Ich möchte nicht, dass unsere Möbel zustauben. Das sind immerhin teure Designerstücke."

"Ich verstehe nicht viel vom Putzen", meinte Doflamingo, "aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Schränke innerhalb von drei Tagen so schrecklich zustauben. Also: Raus mit der Sprache, was ist hier los?"

"Mir macht es nichts aus zu putzen", gab Crocodile ausweichend zurück. "Du weißt doch, dass ich meine eigene Wohnung damals auch allein saubergehalten habe."

"Klar weiß ich das noch." Doflamingo kam näher und legte von hinten seine Arme um seinen Körper und bettete seinen Kopf auf seiner Schulter. "Mir ist es das erste Mal in meinem Leben peinlich gewesen, dass ich von solchen Dingen nichts verstehe. Ich wusste nicht einmal, wie man eine Spülmaschine richtig einräumt."

"Stimmt", erinnerte sich Crocodile und konnte ein leichtes Lächeln nicht unterdrücken. "Als du mir dabei geholfen hast, hast du alle Gläser mit der Öffnung nach oben einsortiert."

Doflamingo kicherte. "Du hast das allererste Mal für mich gekocht gehabt. Ich weiß noch genau, wie sehr ich mich darauf gefreut habe und wie aufgeregt ich gewesen bin. Aber mit der Spülmaschine habe ich mich wirklich blamiert. Du musst mich für einen Idioten gehalten haben, Wani."

"Ich habe es niedlich gefunden", beruhigte Crocodile seinen Ehemann. "Hatte ein bisschen was von Aschenputtel und dem Traumprinzen."

Bei dieser Beschreibung brach Doflamingo unweigerlich in lautes Gelächter aus. Als er sich wieder eingekriegt hatte, meinte er: "Aber mal ehrlich: Du musst hier nicht das Aschenputtel mimen. Ich komme mir ganz schäbig dabei vor, wenn ich dir beim Putzen zuschaue. Komm, ich ziehe mich an und dann gehen wir beide auswärts frühstücken. Was hältst du davon, Baby?"

Crocodile nickte. Auswärts frühstücken hörte sich auch gut an. Hauptsache er hatte irgendeine Ablenkung.
 

"Ich habe heute auch in der Kinderwunschklinik angerufen", berichtete Crocodile seinem Ehemann, während sie beide an einem Tisch in einem edlen Frühstückslokal saßen. "Um einen neuen Termin für die künstliche Befruchtung auszumachen."

"Oh?" Doflamingo wirkte positiv überrascht.

Crocodile nickte und nahm einen Bissen von seinem Rührei. "Ich weiß, dass ich in letzter Zeit eine schwierige Phase hatte. Es sind viele schlechte Dinge passiert. Aber es macht einfach keinen Sinn noch mehr Zeit zu verschwenden. Oder wie siehst du das?"

"Ich bin ganz bei dir", pflichtete sein Ehemann ihm hastig bei. "Es freut mich, dass du bei diesem Thema wieder die Zügel in die Hand nimmst. Ich wollte dich nicht drängen, aber ich sehe es wie du. Je früher der zweite Versuch stattfindet, desto besser."

"Der Termin ist Donnerstag um achtzehn Uhr."

"Jetzt Donnerstag?", hakte Doflamingo mit unwilliger Stimme nach. "In fünf Tagen?"

"Ja, wieso? Passt dir dieser Termin nicht?" Crocodile durchforstete kurz noch einmal sein Gehirn, doch er war sich ziemlich sicher, dass keiner ihren Freunde am Donnerstag Geburtstag hatte. Vielleicht eine geschäftliche Sache also?

"Nun ja, ich bin Donnerstagabend eigentlich zum Essengehen verabredet", sagte Doflamingo. "Aber dieser Termin geht natürlich vor."

"Mit wem bist du denn verabredet?", fragte Crocodile und nahm erneut einen Bissen von seinem Rührei.

"Mit Reiju", erklärte ihm Doflamingo ohne zu Zögern. "Wir haben uns auf meiner Geburtstagsparty letzte Woche kennengelernt. Sie scheint wirklich cool zu sein."

"R-Reiju?", wiederholte Crocodile. Der Name hinterließ einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge. "Wer soll das sein?"

"Wie gesagt, sie ist auf meiner Geburtstagsparty gewesen. Und wir haben uns wirklich gut unterhalten. Also haben wir unsere Nummern ausgetauscht und uns zum Essengehen verabredet."

Crocodile blieb der nächste Bissen beinahe im Halse stecken. Er warf seinem Ehemann einen entsetzten Blick zu. "Doffy, das meinst du doch wohl nicht ernst, oder?!"

Doflamingo schien überhaupt nicht zu verstehen, wo Crocodiles Problem lag. "Keine Sorge", meinte er und machte eine beschwichtigende Geste mit den Händen. "Ich habe dir doch schon gesagt, dass der Termin in der Kinderwunschklinik vorgeht. Natürlich gehe ich mit dir gemeinsam dahin. Das Essengehen mit Reiju verschiebe ich dann einfach."

"Darum geht es doch gar nicht", spiee Crocodile ihm zornig entgegen. "Verdammt, Doffy, wie fändest du es, wenn ich mich urplötzlich mit irgendeinem Mann, den du nicht kennst, allein zum Essengehen verabreden würde?! Du würdest ausrasten vor Eifersucht!"

"Aber so eine Verabredung ist das nicht", versuchte Doflamingo sofort ihn zu beruhigen. "Das ist eine rein freundschaftliche Sache. Crocodile, ich liebe dich. Wir sind verheiratet. Glaubst du ehrlich, ich würde mich mit einer fremden Frau zum Date treffen? Und meinst du, ich wäre obendrein auch noch so blöd und würde dir davon erzählen?"

Damit hatte Doflamingo natürlich nicht ganz Unrecht. Crocodile senkte den Blick. Sein Ehemann hatte ihm in den sechs Jahren ihrer Beziehung nie einen ernsthaften Grund gegeben, um an seiner Treue zu zweifeln. Soweit Crocodile wusste, war Doflamingo niemals fremdgegangen. Und er trug ihn auf Händen, seit dem allerersten Tag.

Trotzdem hinterließ die Vorstellung, dass Doflamingo sich mit einer ihm unbekannten Frau allein in einem Restaurant traf, ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend. Sein Partner schien ihm sein Unwohlsein anzumerken.

"Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass dich diese Verabredung so sehr stören könnte", lenkte Doflamingo ein und griff über den Tisch hinweg nach seiner Hand. "Schließlich gehe ich ständig mit Freunden essen, auch mit weiblichen Freunden. Aber wenn du möchtest, dann achte ich beim nächsten Treffen auf ein, naja, neutrales Setting, okay? Aber du musst mir glauben, Reiju ist wirklich klasse. Sie wird dir auch gefallen, da bin ich mir ganz sicher."

Crocodile nickte bedächtig. Er wollte nicht den eifersüchtigen Ehemann abgeben und einen Streit mit Doflamingo provozieren. Wahrscheinlich war er einfach bloß emotional aufgewühlt und sah die ganze Sache ein wenig zu verbissen.

"Bin ich dieser Reiju denn auch schon begegnet?"

Doflamingo legte den Kopf schief. "Ich glaube nicht", meinte er schließlich. "Du warst auf der Party ja so schwer zu greifen. Ich hatte keine Gelegenheit euch einander vorzustellen. Vielleicht bist du ihr aber trotzdem begegnet. Sie hat schulterlanges, pinkes Haar und ist ungefähr einen Kopf kleiner als du."

Schulterlanges, pinkes Haar?! Crocodile fühlte sich als hätte ihm jemand einen Fausthieb mitten in die Magengrube verpasst. Oh nein. Doflamingo sprach sicherlich von der gutaussehenden, jungen Frau, die so offensiv mit ihm geflirtet hatte.

"Ich glaube, ich habe sie einmal kurz gesehen", sagte er mit matter Stimme.

Urplötzlich erinnerte Crocodile sich an Jewerly Bonney. Die Frau, mit der sein Ehemann ausgegangen war, bevor sie beide sich kennengelernt hatten. Auch sie hatte pinkfarbenes Haar gehabt. Ob Doflamingo vielleicht eine Vorliebe in dieser Richtung hatte?

"Ist alles in Ordnung? Crocodile? Du siehst auf einmal so blass aus."

"Ich bin okay", erwiderte Crocodile rasch und zwang sich zu einem Lächeln. "Reiju also. Ich bin sicher, sie ist sehr nett."
 

*
 

Der nächste Tag war ein Sonntag. Und zu Crocodiles großer Überraschung meldete sich endlich Mihawk wieder bei ihm. Obwohl sie beide sich normalerweise sehr nahe standen, hatte Crocodile schon seit Wochen nicht mehr mit seinem älteren Bruder gesprochen.

Er lag gerade gemeinsam mit Doflamingo im Bett. Sein Ehemann hatte ihm bereits das Hemd ausgezogen und liebkoste zärtlich seinen Oberkörper, als auf einmal sein Handy klingelte. Als Crocodile den Namen seines Bruders auf dem Display sah, schob er Doflamingo hektisch von sich und stürmte hinüber zum Nachttisch, auf dem das Handy lag.

"Mihawk? Mihawk?" Mit zitternder Hand hielt sich Crocodile das kleine Gerät ans Ohr. Doflamingo, der auf dem Bett saß und ihm einen giftigen Blick zuwarf, ignorierte er für den Moment.

"Hallo, Crocodile." Die ruhige, tiefe Stimme seines älteren Bruders zu hören war wie Balsam für seine Seele. "Wie geht es dir?"

Bei jedem anderen Menschen hätte Crocodile automatisch "Gut, und dir?" geantwortet, doch zu Mihawk hatte er eine besondere Bindung. "Den Umständen entsprechend ganz gut", sagte er also wahrheitsgemäß. "Es sind in letzter Zeit ziemlich viele Dinge passiert, die mich aufgewühlt haben. Aber ich komme klar."

Crocodile konnte seinen Bruder am anderen Ende der Leitung zögern hören. "Wäre es in Ordnung, wenn ich persönlich vorbeikomme?", fragte er schließlich. "Es gibt da ein paar Themen, die ich nur ungern am Telefon mit dir besprechen würde."

Sofort nickte Crocodile. "Klar, natürlich. Machst du dich direkt auf den Weg? Ich setze uns Kaffee auf, wenn du möchtest."

"Gerne", erwiderte Mihawk. "Dann bis gleich, Crocodile."

"Bis gleich!"

Kaum hatte er den Anruf beendete, hielt Crocodile nach seinem Hemd Ausschau, um rasch hineinzuschlüpfen. Während er es zuknöpfte, warf er Doflamingo einen entschuldigenden Blick zu. "Das ist Mihawk gewesen", erklärte er seinem Ehemann, der alles andere als begeistert wirkte angesichts der Tatsache, dass ihr Vorspiel so urplötzlich unterbrochen worden war.

Doflamingo gab einen für ihn sehr untypisch klingenden Brummlaut von sich und erhob sich vom Bett. Seine Erektion zeichnete sich überdeutlich unter dem orangefarbenen Stoff seiner Hose ab.

"Es tut mir wirklich leid", sagte Crocodile. Unweigerlich begannen ihn Gewissensbisse zu plagen. "Ich mache das wieder gut. Versprochen."

Doch Doflamingo winkte ab. "Ist schon gut", meinte er und machte sich auf den Weg hinüber zum Bad. "Ich verstehe, dass Mihawk im Augenblick vorgeht. Soll ich auch gleich mit runter ins Wohnzimmer kommen? Oder möchtest du lieber allein mit ihm reden?"

Crocodile überlegte kurz. "Ich denke, es spricht nichts dagegen, wenn du mit dabei bist. Vielleicht möchte er sich ja für seine unfaire Reaktion bei der Grillparty entschuldigen. Das würde ja dann auch dich betreffen."

"Okay gut. Gib mir ein paar Minuten, dann bin ich bei dir."

Crocodile nickte mit verständnisvoller Miene und beobachtete, wie sein Ehemann in seinem o-beinigen Gang das angrenzende Badezimmer betrat.
 

Bei Crocodile handelte es sich eigentlich um keinen sonderlich emotionalen Menschen. Er war stets rational, besonnen und hatte sich gut unter Kontrolle. Doch er konnte nicht verleugnen, dass er seinem Bruder (der sogar noch eine Spur nüchterner war als er) am liebsten in die Arme gefallen wäre, als er ihn unten im Eingangsbereich ausmachen konnte.

Seit frühester Kindheit war Mihawk einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben. Als ihre Eltern Crocodile nach seinem Outing vor die Türe gesetzt hatten, nahm sein Bruder ihn bei sich Zuhause auf. Und als er fünf Jahre später bei einem Motorradunfall seine linke Hand verloren hatte, war es erneut Mihawk gewesen, der sich um ihn gekümmert hatte. Für Crocodile war er sein Anker, sein Fels in der Brandung.

"Crocodile, Doflamingo, es ist schön euch wiederzusehen", sagte Mihawk und hängte seinen Mantel an die Garderobe. Ohne irgendjemandem die Hand zu geben oder sich zu umarmen, gingen sie hinüber in die Küche. Crocodile wusste, dass sein Bruder kein Mensch war, der Anderen gern körperlich nahe kam.

Sie setzten sich an den Tisch. "Es freut mich, dass du uns wieder besuchen kommst", erklärte Crocodile, während er Kaffee einschenkte.

"Ich wäre gern wieder früher mit dir in Kontakt getreten, Crocodile", gab Mihawk mit versöhnlich klingender Stimme zurück. "Aber es gab sehr viele familiäre Angelegenheiten, um die ich mich dringend kümmern musste."

Crocodile nickte mit verständnisvoller Miene. "Klar, die Beerdigung. Das verstehe ich." Er wollte keinen Streit vom Zaun brechen. Für ihn zählte bloß, dass sein älterer Bruder endlich wieder neben ihm am Tisch saß.

Mihawk senkte den Blick. "Es gibt da etwas, in Bezug auf unsere Eltern, worüber ich unbedingt mit dir sprechen muss."

Sofort versteifte sich Crocodiles ganzer Körper. "Ich weiß, es missfällt euch, dass ich nicht zur Beerdigung erschienen bin", sagte er mit energischer Stimme. "Aber ich habe Hancock bereits meine Beweggründe dargelegt. Vielleicht kannst wenigstens du sie ein klein wenig nachvollziehen."

Zu seiner Überraschung entgegnete Mihawk: "Ich verstehe dich sehr gut, Crocodile. Du musst dich für deine Entscheidung nicht vor mir rechtfertigen. Ich respektiere es vollkommen, dass du der Beisetzung ferngeblieben bist."

"Wirklich?" Skeptisch musterte Crocodile das blasse Gesicht seines Bruders. Wie immer war es schwer zu lesen. "Weil... Ich meine... Hancock ist so wütend geworden... Sie konnte es nicht verstehen... Ich..."

"Du vergisst oft, dass Hancock fünf Jahre jünger ist als du", unterbrach Mihawk ihn mit sanfter Stimme. "Sie ist erst dreizehn gewesen, als unsere Mutter dich verstoßen hat. Ich glaube, als kleines Mädchen ist ihr die Tragweite dieser Situation damals nicht so bewusst geworden wie uns beiden. Und danach hat sie noch viele Jahre lang allein mit unseren Eltern zusammengewohnt und sie als sehr fürsorglich erlebt. Hancock hat eine ganz andere Perspektive auf unsere familiäre Situation. Und deswegen fällt es ihr auch so schwer deine Ablehnung zu akzeptieren."

"So habe ich noch nie darüber nachgedacht", gab Crocodile kleinlaut zu. Wie so häufig überraschte Mihawk ihn mit seiner besonnenen und klugen Art.

"Aber ich bin gar nicht hier, um über die Beerdigung unserer Mutter zu sprechen."

"Worum geht es dann?"

"Nun, zuerst einmal möchte ich mich bei euch beiden entschuldigen. Meine Reaktion auf die Nachricht, dass ihr gerne Eltern werden möchtet, ist unfair und verletzend gewesen. Es hat mich überrascht, aber ich hatte kein Recht euch euren Kinderwunsch abzusprechen. Es tut mir wirklich leid. Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen."

"Natürlich!", antworteten Crocodile und Doflamingo gleichzeitig und ohne zu zögern.

Mihawk atmete erleichtert auf. Anschließend musterte er sie neugierig. "Und es ist wirklich deine Idee gewesen, Crocodile? Ich meine es nicht böse... Es ist nur... Du hast nie zuvor über Kinder gesprochen. Ich hatte nie den Eindruck, dass du irgendwann gerne Vater werden würdest."

Crocodile nickte stolz. "Doflamingo wünscht sich schon sehr lange Kinder. Aber die finale Entscheidung habe ich ganz allein getroffen. Ich wollte mich nicht beeinflussen lassen und habe mir einige Zeit gelassen, um mir darüber klar zu werden. Und ich bin bisher keinen Millimeter von diesem Wunsch abgerückt. Bei Toms Workers wird sogar bereits meine Nachfolgerin eingearbeitet. In sechs Monaten endet mein Arbeitsverhältnis dort."

"In sechs Monaten?", wiederholte Mihawk und ließ seinen Blick zwischen seinem Bruder und seinem Schwager hin- und herschweifen. "Bedeutet das... Ist eine Leihmutter bereits schwanger mit eurem Kind?"

Crocodiles Lächeln gefror auf seinen Lippen. An seiner Stelle übernahm Doflamingo das Wort: "Wir haben bereits einen Versuch hinter uns. Leider hat die Fertilisation nicht funktioniert. Der Embryo hat sich in der Gebärmutter nicht weiterentwickelt."

"Oh nein. Das muss eine niederschmetternde Nachricht gewesen sein."

"Am Donnerstag haben wir einen neuen Termin", erklärte Doflamingo ihm und bemühte sich um einen zuversichtlich klingenden Tonfall. "Vielleicht klappt es ja dann. Es ist nicht unüblich, dass man mehrere Versuche benötigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine künstliche Befrüchtung erfolgreich verläuft, liegt nur bei fünfzehn bis zwanzig Prozent."

"So gering sind die Chancen? Das wusste ich gar nicht", meinte Mihawk. Er warf ihnen einen mitfühlenden Blick zu. "Trotzdem ist es schade, dass der erste Versuch gescheitert ist. Ihr hattet sicher all eure Hoffnungen in diesen Embryo gelegt."

"Du kennst mich doch", erwiderte Crocodile und zwang sich selbst zu einem Lächeln. "Ich lasse mich nicht so leicht unterkriegen. In vier Tagen haben wir eine neue Chance. Vielleicht klappt es ja bei diesem Versuch. Und... und wenn nicht, machen wir es eben noch einmal."

Mihawk blickte seinem jüngeren Bruder ins Gesicht und tat dann etwas, was er nur extrem selten jemals tat: Er beugte sich zu ihm hinüber und schloss ihn in seine Arme. "Es tut mir so leid, Crocodile", sagte er und drückte ihn fest. "Es tut mir leid, dass der erste Versuch nicht funktioniert hat. Und dass ich nicht an deiner Seite war, um dir beizustehen. Hätte ich davon gewusst, wäre ich schon viel früher auf dich zugekommen."

Crocodile musste sich zusammenreißen, um nicht lautstark in Tränen auszubrechen. Er war kein Mensch, der nah am Wasser gebaut war. Und wenn er weinte, dann allerhöchstens in der alleinigen Anwesenheit von Doflamingo.

"Ist schon gut", meinte er und löste sich von seinem Bruder. "Wie gesagt, wir wussten ja, wie die Chancen stehen. Es hat uns nicht allzu sehr überrascht, als wir erfahren haben, dass die künstliche Befruchtung erfolglos gewesen ist."

"Trotzdem hättest du ein wenig Beistand gut gebrauchen können. Es tut mir wirklich wahnsinnig leid."

Crocodile winkte ab. "Wir lassen uns nicht abbringen. In ein paar Monaten wirst du eine neue Nichte oder einen Neffen im Arm halten. Versprochen."

"Das wäre schön", meinte Mihawk mit leiser Stimme. "Nozomi geht schließlich inzwischen schon in die Schule. Manchmal ist es kaum zu fassen wie schnell die Zeit vergeht. Ich freue mich darauf noch einmal Onkel zu werden. Und ich bin gespannt, ob das Kind nach dir oder nach Doflamingo kommen wird."

"Nach mir", unterbrach Crocodile seinen Bruder sofort. "Es werden nur meine Samenzellen verwendet. Das Kind wird also auf jeden Fall leiblich mit dir und auch mit Nozomi verwandt sein."

Mihawk legte den Kopf schief, doch kommentierte diesen Umstand nicht weiter. Stattdessen räusperte er sich. "Ich hatte in den letzten Wochen viel zu tun, weil ich mich nicht nur um die Beisetzung unserer Mutter kümmern musste. Ich habe mich auch sehr oft mit unerem Vater auseinandergesetzt."

Crocodile verengte seine Augen zu schmalen Schlitzen und musterte seinen Bruder abschätzig. "Worauf willst du hinaus?"

"Nun..." Mihawk zögerte für einen kurzen Moment, ehe er fortfuhr: "Hancock hat mir von eurem Gespräch erzählt. Davon, dass du der Meinung bist, die Reue unserer Mutter käme zu spät. In diesem Punkt stimme ich vollkommen mit dir überein!", fügte er hastig hinzu, ehe Crocodile die Gelegenheit bekam zur Erwiderung anzusetzen. "Jedenfalls hat nun unser Vater den Wunsch geäußert... nun ja... nicht denselben Fehler zu machen."

"Worauf willst du hinaus, Mihawk?!" Crocodile Stimme klang scharf wie ein frisch geschliffenes Messer.

"Unser Vater möchte gerne wieder Kontakt zu dir aufn..."

"Nein!", erwiderte Crocodile energisch, noch ehe Mihawk seinen Satz zu Ende geführt hatte. "Nein! Nein! Nein, nein, nein! Das ist absolut ausgeschlossen! Nein!"

Mihawk seufzte leise. "Ich habe damit gerechnet, dass du auf diese Weise reagieren würdest, Crocodile. Aber bitte, überleg es dir noch einmal."

"Nein! Nein! Nein! Nein!" Da brauchte Crocodile ganz sicher nicht zu überlegen. Für ihn gab es nichts zu bedenken. Seine Haltung war absolut klar.

"Er ist nicht derjenige gewesen, der dich vor die Türe gesetzt hat. Er hat bloß..."

"... zugesehen und nichts getan!", zischte Crocodile mit hasserfüllter Stimme. "Jahrzehntelang hat er sich einen Scheißdreck um mich gekümmert! Kein einziges Wort hat er mit mir gewechselt! Und jetzt, wo seine Frau tot ist, ist das auf einmal möglich?!"

"Ich denke, er wollte sie nicht verärgern", versuchte Mihawk ihren Vater in Schutz zu nehmen.

"Na, wenn das so ist!", giftete Crocodile und warf seinem Bruder einen durchdringenden Blick zu. "Er hatte bloß keine Lust seine Frau zu verärgern. Das entschuldigt natürlich alles, Mihawk! Kein Problem! Jetzt, wo sie endlich tot ist, können wir eine glückliche Familie werden! Er bekommt ja sogar bald noch ein Enkelchen dazu! Perfekt!"

"So habe ich das nicht gemeint", versuchte Mihawk einzulenken. Er schien sich von Crocodiles Wut total überrollt zu fühlen. "Ich verstehe, dass du zornig bist. Aber ich denke, du tust ihm Unrecht, Crocodile. Der Kontaktabbruch ging hauptsächlich von unserer Mutter aus. Er stand da nie wirklich hinter. Vielleicht wäre es möglich, dass ihr beide euch noch einmal versöhnt. Immerhin sieht er seinen Fehler ein."

"Oh, er sieht seinen Fehler ein! Dann vergebe ich ihm natürlich alles: Die Monate, nein, die Jahre, in denen ich auf einen Anruf oder einen Brief gewartet habe. Die Ferien im Winter, in denen alle Kommilitonen nach Hause gefahren sind, um Weihnachten mit ihrer Familie zu feiern, und ich allein am Campus geblieben bin. Die Zeit, als ich um mein Leben kämpfend im Krankenhaus lag und mir dachte: Wenn meine Eltern jetzt durch die Türe hereinkommen und wir wieder eine Familie werden, ist das meine verlorene Hand vielleicht sogar wert. Kein Problem, Mihawk! Das verzeihe ich ihm alles! Immerhin wollte er keinen Streit mit seiner Frau riskieren, das kann man verstehen!"

Nun standen seinem Bruder die Tränen in den Augen. Crocodile konnte sich nicht daran zurückerinnen, Mihawk jemals mit tränennassen Augen gesehen zu haben, doch er spürte, dass es ihm kein bisschen leid tat. Schwer atmend stand er vom Tisch auf. Kochend vor Wut griff er nach seiner noch halb gefüllten Kaffeetasse und schmetterte sie mit voller Wucht gegen den Küchenschrank.

"Ich erkläre hiermit unsere Eltern -alles, was auch nur im Entferntesten mit ihnen zutun haben könnte- ab sofort wieder zum Tabu-Thema." Crocodile Stimme klang leise, heiser, doch sein Tonfall ließ keinen Widerspruch zu. "Ich möchte nie wieder irgendetwas von ihnen hören. Tu in meiner Anwesenheit einfach so als gäbe es sie gar nicht. So machen wir es schließlich schon seit über zwanzig Jahren. Und ich habe nicht vor diese liebgewonnene Familientradition zu brechen."

Mihawk bedeckte seine nassen Augen mit der rechten Hand (eine Geste, die Crocodile schmerzhaft bekannt vorkam) und nickte kaum merklich.

Nun packte Crocodile doch das schlechte Gewissen. "Ich kann verstehen, dass du dir wünschst, dass aus uns wieder eine große, glückliche Familie wird", sagte er und bemühte sich dieses Mal um einen gefasster klingenden Tonfall. "Aber verdammt, Mihawk, das ist nicht möglich. Ich habe es Hancock schon gesagt und ich sage es dir noch einmal: Es ist zu spät für Vergebung! Und wenn ich ihnen beiden vergeben müsste, um ins Paradies zu kommen... Mihawk, ich glaube, ich müsste meine Zeit in der Hölle absitzen, denn das kann ich einfach nicht."

Dieser Spruch saß. Mihawk nickte und biss sich auf die Unterlippe. Noch immer standen ihm die Tränen in den Augen, doch sie waren nicht heruntergekullert. Er verfügte über eine genauso gute Selbstkontrolle wie sein jüngerer Bruder.

"Du und Hancock. Und Doflamingo. Und natürlich auch Nozomi. Ihr seid meine Familie. Ich möchte, dass wir wieder zusammenfinden. Es freut mich sehr, dass du mich heute angerufen hast. Ich würde mir wünschen, dass wir uns wieder treffen. Alle zusammen. Das ist für mich Familie."

"Vielleicht hast du Recht", hörte er Mihawk mit leiser Stimme sagen. "Vielleicht ist es wirklich zu viel von dir verlangt, unserem Vater zu vergeben. Eltern sein... das bedeutet am Ende schließlich mehr als biologische Verwandtschaft. Es geht um Liebe und Fürsorge... Aber ich denke, das muss ich euch beiden nicht erklären. Immerhin seid ihr demnächst selbst in der Situation."

"Ich rufe dich an, wenn ich weiß, ob die künstliche Befruchtung dieses Mal erfolgreich war, okay?", bot Crocodile ihm an.

Mihawk nickte und brachte sogar ein wackeres Lächeln zustande.

"Wir könnten uns mal wieder alle zum Brunchen treffen", sagte er. "Was hältst du davon? Oder wir gehen in Shakkys Bar?"

"Das hört sich gut an."
 

*
 

"Hast du schon die neue Sekretärin kennengelernt?", fragte Robin ihn, während sie gemeinsam die Besucherzahlen der letzten Messe evaluierten. Wieder einmal war es Toms Workers gelungenen seinen eigenen Rekord zu brechen. Die Elekronik-Messe gewann mit jedem neuen Jahr an Größe und Bekanntheit. Unter Crocodiles Leitung war sie zu einem national bedeutsamen Event herangewachsen. Ohne sich selbst in den Himmel loben zu wollen, konnte er durchaus von sich behaupten, in den letzten Jahren wirklich absolut erstklassige Arbeit geleistet zu haben.

"Neue Sekretärin?", wiederholte Crocodile mit verdutzter Stimme. "Ich habe gar nicht mitbekommen, dass jemand Neues eingestellt wurde."

"Miss Merry Christmas aus der Buchhaltung hat jemanden verlangt, der sie unterstützt", erklärte ihm Robin, während sie gleichzeitig einige Diagramme auf dem Computerbildschirm musterte. "Und deshalb hat vor einer Woche eine neue Sekretärin bei uns angefangen. Emporio Iva heißt sie. Eine ziemlich exzentrische Frau, wenn man das so sagen darf. Lila gefärbte Locken, ziemlich auffälliges Makeup, knallbunte Klamotten. Du erkennst sie sofort, wenn du sie siehst."

"Die Buchhaltung sitzt unten im Erdgeschoss ganz am Ende des dritten Gangs", meinte Crocodile kopfschüttelnd. "Mich verschlägt es selten dorthin."

"Nun ja, Iva ist einen Ausflug dorthin wirklich wert", sagte Robin. Sie kicherte hinter vorgehaltener Hand. "Ein echter Paradiesvogel."

"Ehrlich gesagt reicht es mir schon, wenn ich mir jeden Tag die modischen Eskapaden meines Ehemannes anschauen muss", seufzte er augenrollend. Letztes Wochenende war Doflamingo zusammen mit Bellamy und Cirkies shoppen gewesen. Seitdem besaß er ein neues Lieblingsteil: eine violett-weiß gestreifte Caprihose. Die er am liebsten mit einem dazu absolut nicht passenden orangefarbenen Gürtel kombinierte. (Zugegeben: Ihm fiel nichts ein, was wirklich gut zu dieser grässlichen Hose passen würde.)

"Ich muss sowieso gleich runtergehen", meinte Robin. "Ich habe ein, zwei Fragen an Miss Merry Christmas. Warum begleitest du mich nicht?"

"Von mir aus", antwortete Crocodile, ohne groß über dieses Angebot nachzudenken. Es schadete sicher nicht neue Mitarbeiter kennenzulernen, auch wenn sie wenig miteinander zu tun haben würden. "Schau mal hier." Er deutete auf ein Balkendiagramm. "Am letzten Tag der Messe sind doppelt so viele Besucher vor Ort gewesen wie am vorherigen Tag. Was glaubst du, woran das liegen könnte? Gab es irgendeinen begehrten Stand, der nur am letzten Tag besetzt gewesen ist?"

Robin musterte mit neugieriger Miene das Diagramm. "Seltsam. Normalerweise nimmt die Besucherzahl doch kontinuierlich ab. Hm. Soll ich dem mal nachgehen?"

Crocodile nickte. "Auf jeden Fall. So eine enorme Schwankung ist sehr ungewöhnlich. Wenn einzelne Anbieter auf eine große Zahl von Besuchern dermaßen attraktiv wirken, sollten wir das für die kommenden Messen für uns nutzen. Also, Hina sollte es nutzen. Wir... Also Hina könnte diese besonders begehrten Anbieter gleichmäßig über alle Tage der Messe verteilen, um eine möglichst gleichmäßige Besucherzahl zu erwirken."
 

Später am Vormittag gingen sie gemeinsam hinunter in die Abteilung der Buchhaltung. Crocodile hatte nur wenig mit Miss Merry Christmas zu tun. Er wusste allerdings, dass es sich um eine pottenhässliche, übergewichtige Frau Anfang fünfzig handelte. Darüber hinaus trug sie heute einen fliederfarbenen Lippenstift, der weder zu ihrer gebräunten Haut noch ihren roten Locken passte.

"Hallo, Drophy", begrüßte Robin sie freundlich.

Miss Merry Christmas blickte von ihrem Platz hinter dem großen Schreibtisch auf. "Oh, hallo Robin. Hallo, Mister Donquixote." Es wunderte ihn nicht, dass Miss Merry Christmas ihn mit seinem Nachnamen ansprach; wie gesagt, sie hatten unter normalen Umständen wirklich nur sehr selten miteinander zu tun.

Robin wollte gerade zu ihrem Anliegen kommen, als sich plötzlich hinter ihnen die Türe öffnete. Herein schlüpfte eine schlanke, überaus attraktive Frau mit einem violetten Lockenkopf. Sie trug denselben fliederfarbenen Lippenstift wie Miss Merry Christmas – mit dem Unterschied, dass die Farbe ausgezeichnet sowohl mit ihrer Haarfarbe als auch dem restlichen Makeup harmonisierte. Sie trug ein schickes, rotes Kostüm. Der Zweiteiler bestand unten aus einem Rock, der mit einer Netzstrumpfhose kombiniert worden war. Ein wenig gewagt für einen Arbeitstag im Büro, doch Crocodile musste zugeben, dass dieses Outfit der hübschen Frau ausgesprochen gut stand.

"Ich glaube, Sie beide kennen sich noch nicht", durchbrach die kratzige Stimme von Miss Merry Christmas den Augenblick. "Mister Donquixote, das ist meine neue Sekretärin, Miss Emporio. Miss Emporio, das ist Mister Donquixote, unser leitender Manager."

Eben jene legte rasch den Stapel Ordner, den sie mit beiden Händen festgehalten hatte, auf einen Beistelltisch ab und huschte dann zu Crocodile hinüber, um ihm die Hand zu reichen. Sie fühlte sich warm und weich an. "Es freut mich Sie kennenzulernen, Mister Donquixote. Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Soweit ich meinen neuen Kollegen und Kolleginnen trauen kann, sind Sie wohl eine echte Korifähe auf ihrem Gebiet."

"Oh, ähm." Es kam selten vor, dass Komplimente ihn verlegen machten. "Mich freut es zu hören, dass meine Arbeit von meinen Kollegen so hoch geschätzt wird. Und, ähm, du kannst mich gerne Crocodile nennen."

Miss Merry Christmas, die bereits seit zwölf Jahren bei Toms Workers arbeitete und der er niemals explizit das Du angeboten hatte, warf ihm einen herablassenden Blick zu, doch Iva nickte freundlich. "Sehr gerne. Dann darfs du mich natürlich auch Iva nennen."

"Iva...", wiederholte Crocodile. "Ist das eine Abkürzung?"

Doch Iva winkte ab. "Ich habe eine furchtbar komplizierten, ausländischen Vornamen", erklärte sie ihm. "Ein echter Zungenbrecher. Iva reicht völlig aus."

"Iva", unterbrach Miss Merry Christmas mit unfreundlicher Stimme ihre Unterhaltung, "ich wäre dir sehr dankbar, wenn du gleich einmal Mister Foxy anrufen könntest. Du weißt, diese Angelegenheit muss heute noch geklärt werden."

"Klar, kein Problem", meinte Iva. Sie warf Crocodile ein letztes, charmantes Lächeln zu, ehe sie im Vorzimmer verschwand. Crocodile erwischte sich dabei, wie er eine Weile lang auf den Türrahmen starrte, während Robin mit Miss Merry Christmas sprach.
 

Als sie beide wieder in ihre eigene Etage zurückgekehrt waren, warf Robin ihm einen süffisanten Blick zu.

"Was ist los?", wollte Crocodile wissen, während sie gemeinsam sein Büro betraten. "Warum grinst du so?"

Robin ließ sich auf Crocodiles teurem Bürostuhl nieder und kicherte erneut mit vorgehaltener Hand. "Nun ja", meinte sie schulterzuckend, "wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, dir gefällt Emporio Iva ziemlich gut."

Crocodile warf seiner Sekretärin einen entrüsteten Blick zu. "Robin, ich bitte dich", schnaubte er kopfschüttelnd. "Ich bin verheiratet. Mit einem Mann. Wie kommst du bloß auf diesen Blödsinn?"

"Solche Dinge spürt man einfach", sagte sie ohne ihr Grinsen abzustellen. "Es hätte bloß noch gefehlt, dass ihr ein Aktenordner heruntergefallen wäre. Ihr beide bückt euch gleichzeitig, um ihn aufzuheben... eure Hände berühren euch..."

"Robin, ich bin homosexuell", rief er ihr ins Gedächtnis. "Du könntest ein Supermodel nur in Unterwäsche bekleidet auf meinem Bett platzieren und bei mir würde sich absolut nichts regen. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie romantische oder sexuelle Gefühle für eine Frau. Nicht ein einziges Mal."

Das war nicht gelogen. Und aus diesem Grund machte es ihm auch ein klein wenig Angst, dass er zum allerersten Mal in seinem Leben die Vorstellung eine Frau zu küssen nicht vollkommen abstoßend fand. Zumindest dann nicht, wenn es sich bei dieser Frau um Emporio Iva handelte.
 

*
 

Am Dienstagabend war Doflamingo mit seiner neuen Bekanntschaft, Vinsmoke Reiju, verabredet. Anstatt ins Restaurant, gingen sie gemeinsam ins Kino. Crocodiles Auffassung nach war die zweite Variante zwar nicht angemessener als die erste, aber er wollte keinen Streit provozieren und redete daher seinem Ehemann nicht in diese Sache hinein. Ein ungutes Gefühl hinterließ diese Verabredung nichtsdestotrotz in seiner Magengegend.

"Welchen Film schaut ihr euch dann an?", fragte er und bemühte sich um einen unverfänglich klingenden Tonfall. Hoffentlich keinen Liebesfilm. (Doflamingo hatte eine furchtbar stark ausgeprägte romantische Ader und versuchte ständig vergeblich ihn dazu zu überreden, mit ihm irgendwelche schnulzigen Streifen anzuschauen.)

"Der Film heißt The Hunt", erklärte ihm Doflamingo, während er sich einen goldenen Ohrring durch sein Ohrläppchen stach. Erleichtert stellte Crocodile fest, dass es sich um die Schmuckstücke handelte, die sein Ehemann von ihm zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. "Ist wohl ein Horrorfilm."

"Ein Horrorfilm? Wie seid ihr denn darauf gekommen?"

"Monet hat es vorgeschlagen", meinte Doflamingo und steckte sich auch den zweiten Ohrring ein. "Der Film soll wohl wirklich gut sein."

"Monet?", hakte Crocodile verwundert nach. Bei Monet handelte es sich um Doflamingos langjährige beste Freundin. "Kommt sie auch mit?"

"Ja, wir gehen zu fünft", sagte sein Ehemann. Mit zufriedener Miene musterte er sich im Spiegel. "Reiju, Monet, Violet, Scarlet und ich."

"Dann bist du ja sozusagen der Hahn im Korb. Fühlt sich Reiju dadurch nicht gestört?"

Doch Doflamingo zuckte bloß mit den Schultern. "Warum sollte sie? Wie gesagt, Wani, du musst dir keine Sorgen machen. Das ist kein Date. Ich habe rein freundschaftliches Interesse an ihr. Und die Mädels werden sich sicher alle gut verstehen."

Die Vorstellung, dass sie zu fünft unterwegs sein würden, beruhigte Crocodile ungemein. In einer größeren Gruppe würde Reiju kaum die Gelegenheit bekommen, sich an seinen Ehemann ranzumachen.

"Ich wünsche dir viel Spaß", sagte Crocodile und gab Doflamingo einen innigen Kuss auf die Lippen. "Weißt du schon, wann du ungefähr wieder zurück sein wirst?"

"Keine Ahnung", antwortete ihm sein Ehemann. "Es kann sein, dass wir nach dem Film vielleicht noch etwas trinken gehen. Du musst also nicht für mich wachbleiben, Baby."

"Okay, gut." Crocodile war sich absolut sicher, dass er keine ruhige Minute haben würde, ehe Doflamingo nicht wieder an seiner Seite war, doch er ließ sich seine Eifersucht nicht anmerken. "Bis später."
 

*
 

Am Mittwoch erhielten Crocodile und Doflamingo endlich die Nachricht, auf die sie viel zu lange warten mussten: Dr. Raffit rief an, um ihnen mitzuteilen, dass der letzte Versuch der in-vitro-Fertilisation erfolgreich verlaufen war.

"Wir haben vorgestern drei befruchtete Eizellen in die Gebärmutter von Frau Riku eingesetzt", erklärte ihnen Dr. Raffit in seiner wie üblich äußerst monoton klingenden Stimmlage. "Zwei dieser drei Embryonen haben sich eingenistet und scheinen sich weiterzuentwickeln."

"Zwei?", wiederholte Crocodile und warf seinem Ehemann einen unruhigen Blick zu. "Bedeutet das, wir bekommen Zwillinge?" Er freute sich darüber, dass die künstliche Befruchtung gelungen war, doch er wusste nicht so recht, was er von dieser unerwarteten Nachricht halten sollte. Innerlich hatte Crocodile sich stets auf ein einzelnes Kind eingestellt. Zwillinge... Das würde eine deutlich größere Herausforerung darstellen. Und sie bräuchten auch eine ganz andere Ausstattung. Einen Kinderwagen für zwei Kinder, um nur ein Beispiel zu nennen.

"Es ist noch zu früh, um eine Zwillingsschwangerschaft zu garantieren", wandte Dr. Raffit ein. "Ich kann Ihnen lediglich mitteilen, dass die Übertragung von zwei der drei befruchteten Eizellen in Frau Rikus Gebärmutter gelungen ist. Für weitere Prognosen ist es noch zu früh. Die Embryonen bestehen zum jetzigen Zeitpunkt lediglich aus winzigen Zellklumpen. Wir werden die weitere Entwicklung beobachten. Bedenken Sie jedoch bitte, dass sich im Verlauf der Schwangerschaft noch einiges verändern kann. Es besteht leider auch die Option, dass sich eine oder sogar beide Eizellen nicht wie gewünscht weiterentwickeln werden. Ich würde Ihnen also raten, sich noch nicht auf eine Zwillingsschwangerschaft einzustellen. Aktuell ist es das Klügste, wenn Sie noch nichts überstürzen und den weiteren Verlauf der Schwangerschaft abwarten."

"Vielen Dank für Ihren Anruf, Dr. Raffit", sagte Doflamingo. "Wir freuen uns sehr über diese positive Neuigkeiten."

"Sehr gerne", drang Dr. Raffits kühle Stimme aus dem Hörer. "Ich werde Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten. Sobald es neue Nachrichten Frau Rikus Schwangerschaft betreffend gibt, werde ich Sie umgehend informieren."

Nachdem sie den Anruf beendet hatten, fuhr Crocodile sich nervös mit dem Handrücken über den Mund. "Zwillinge", sagte er mit belegter Stimme und warf seinem Ehemann einen Blick zu, den man durchaus als hysterisch bezeichnen könnte.

Im Gegensatz zu ihm blieb Doflamingo relativ gelassen. "Du hast Dr. Raffit selbst gehört", erinnerte er ihn. "Dass die künstliche Befruchtung geklappt hat, ist toll. Aber es ist noch nichts in Stein gemeißelt. Vielleicht bekommen wir trotzdem nur ein Kind. Oder es kommt sogar in beiden Fällen zu einem Abgang. Ich habe mal gehört, dass es in den ersten Wochen der Schwangerschaft ziemlich häufig Fehlgeburten gibt."

"Ich hätte lieber Zwillinge", sagte Crocodile sofort, "als dass es zu Fehlgeburten kommt. Das wünsche ich mir auf keinen Fall."

"Nein, natürlich nicht", pflichtete ihm sein Ehemann hastig bei. "So habe ich es nicht gemeint. Ich würde mich auch über Zwillinge wahnsinnig freuen. Du weißt doch, dass ich sowieso gerne mehrere Kinder hätte. Ich möchte nur sagen, dass wir nichts überstürzen sollten. Wir warten einfach ab und hoffen darauf, dass alles gut läuft."

Crocodile nickte bedächtig.

"Es sind erst ein paar Tage vergangen, seitdem die Eizellen in Rebeccas Gebärmutter eingesetzt wurden. Es ist noch zu früh, um fest mit Zwillingen zu rechnen", fuhr Doflamingo fort. "Wir besorgen die Ausstattung für das Baby -oder die Babies, fufufu- erst, wenn wir ganz sicher Bescheid wissen. Bettchen, Kinderwagen, Autositze... Damit warten wir, bis klar ist, was wir wirklich brauchen."

"Das hört sich vernünftig an", musste Crocodile zugeben. Allmählich spürte er, dass er wieder ruhiger wurde. Die Nachricht, dass sie eventuell Zwillinge bekamen, hatte ihn stärker aufgewühlt als er erwartet hätte. Doflamingo hingegen wirkte ziemlich gelassen.

Nun, kein Wunder. Immerhin war es nicht sein Ehemann, der sich im Fall der Fälle um die Zwillinge kümmern würde. Es war Crocodile, der die Hauptverantwortung für die Säuglinge trug.

Bei der Vorstellung, doppelt so viele Fläschchen geben und Windeln wechseln zu müssen wie gedacht, wurde ihm plötzlich doch wieder flau in der Magengegend. Unweigerlich malte er sich aus, wie einer der Zwillinge anfing zu weinen, kaum dass er mit dem anderen gerade fertig geworden war.

"Jetzt brich nicht gleich in Panik aus", sagte Doflamingo, der seine Gedanken zu lesen schien. "Wie gesagt, es steht noch überhaupt nichts fest."

"Und wenn wir doch Zwillinge bekommen werden?"

Doflamingo griff nach seiner Hand und drückte sie sanft. "Dann freuen wir uns über zwei Kinder."

"Und wenn ich mit der Arbeit gar nicht hinterherkomme? Was mache ich, wenn beide Babies gleichzeitig weinen? Wo tue ich das andere Baby hin, wenn eines gewickelt werden muss? Und wie..."

"Ganz ruhig, Wani", ermahnte ihn sein Ehemann. "Es wird alles gut gehen. Wir sind nicht die ersten Menschen auf der Welt, die Eltern von Zwillingen werden. Ich bin mir sicher, dass es für jedes Problem eine Lösung geben wird. Und wie gesagt, du solltest dir über diese Dinge jetzt noch überhaupt nicht den Kopf zerbrechen."

Doflamingo ließ seine Hand los und schloss stattdessen die Arme um ihn. Crocodile lehnte seinen Kopf an die Brust seines Partners und atmete dessen fruchtig-herben Geruch ein. "Ich möchte nicht, dass du dich zu sehr auf die Vorstellung einschießt Zwillinge zu bekommen. Hinterher wirst du enttäuscht sein, wenn sich dann doch nur ein Embryo vollständig entwickelt."

Crocodile nickte. Ihm war klar, dass Doflamingo Recht hatte. Seinem Ehemann schien es bei diesem Thema grundsätzlich leichter zu fallen rational zu denken. Crocodile hingegen, der sich bisher für einen durch und durch vernünftigen Menschen gehalten hatte, fiel es sehr schwer ruhig zu bleiben. Er erwischte sich dabei, wie er sich bereits Gedanken über eine passende Wandfarbe für das Kinderzimmer machte.

Ob sie wohl ein Pärchen bekämen? Oder doch zwei Jungs oder zwei Mädchen? Crocodile fand die Vorstellung von einem Jungen und einem Mädchen intuitiv sehr angenehm. Doch auch bei diesem Thema hatten sie wieder einmal keine andere Wahl als sich in quälender Geduld zu üben.
 

*
 

Ungeduldig tigerte Crocodile im Foyer ihrer kleinen Villa auf und ab. Doflamingo und er waren heute Mittag mit dem Rest ihrer Familie verabredet; Hancock hatte sie alle zu einem Zoobesuch eingeladen. Um ehrlich zu sein, war Crocodile ein wenig nervös.

Normalerweise traf er sich sehr recht häufig mit Hancock, Nozomi und Mihawk. Seine Geschwister und seine Nichte spielten in seinem Leben eine sehr große Rolle. Am Wochenende unternahmen sie hin und wieder gemeinsam Ausflüge. Oder sie trafen sich einfach bloß auf eine Tasse Kaffee oder zum Abendessen.

Dieser Zoobesuch stellte ihre erste gemeinsame Aktivität seit vielen Wochen dar. Crocodile interpretierte den Vorschlag, den Hancock gemacht hattem als eine Art Versöhnungsversuch. Und er wollte alles tun, was irgendwie möglich war, um sein Wohlwollen zu zeigen. Er wünschte sich nichts sehnlicher als dass zwischen ihnen endlich wieder alles wie früher wurde.

Mit jeder Minute, die verging, wure Crocodile unruhiger. "Doflamingooooo!", rief er schließlich in Richtung Treppe. "Beeil dich! Wir müssen los!"

Wahrscheinlich hatte sein Ehemann Schwierigkeiten sich für ein passendes Hemd zu entscheiden. Crocodile schnaubte. Als besäße Doflamingo auch nur ein einziges Kleidungsstück, das in einem Altkleider-Container nicht besser aufgehoben wäre.

"Doflamingo!", rief Crocodile erneut, diesmal deutlich energischer. Ein Blick auf die schöne, antike Uhr, die zu seiner Linken an der Wand hing, verriet ihm, dass sie sich nun wirklich sputen sollten. Er wollte zu dem Treffen mit seiner Familie auf keinen Fall zu spät erscheinen.

Doch sein Ehemann tauchte einfach nicht auf. Zornig stapfte Crocodile die Treppe hinauf. Er konnte Geräusche wahrnehmen, die vom Schlafzimmer herrührten. "Doflamingo!", knurrte er und stieß die Zimmertüre auf. Eben jener saß auf dem Bett und telefonierte.

Crocodile deutete mit einer Kopfbewegung an, dass sein Ehemann das Telefonat rasch beenden sollte. Doflamingo machte eine beschwichtigende Handbewegung. Unzufrieden zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Handelte es sich etwa um ein wichtiges, geschäftliches Telefonat?

"Wir haben keine Zeit mehr", sagte er im Flüsterton. "Wenn wir nicht jetzt sofort losfahren, kommen wir zu spät."

"Gib mir noch fünf Minuten", erwiderte Doflamingo und lauschte mit aufmerksamer Miene den Worten seines Gesprächspartners am anderen Ende der Leitung.

"Hast du mir nicht zugehört?!", gab Crocodile gereizt zurück. "Wir müssen uns auf den Weg machen. Mihawk und Hancock warten auf uns."

"Nur fünf Minuten", wiederholte Doflamingo und wedelte mit der Hand.

"Nein, keine fünf Minuten! Verdammt, Doflamingo! Jetzt komm endlich!"

"Kommandier mich gefälligst nicht herum", zischte sein Ehemann. "Ich möchte eben noch zu Ende telefonieren. Was ist schon dabei, wenn wir ein paar Minuten später kommen? Wir gehen doch bloß in den Zoo."

"Das hier ist das erste Treffen mit meinen Geschwistern seit langem", erklärte Crocodile seinem Ehemann und verschränkte die Arme. "Mir ist es wichtig einen guten Eindruck zu machen. Also komm jetzt bitte endlich."

Doflamingo schnalzte genervt mit der Zunge. "Also gut", gab er von sich. Dann wandte er sich wieder seinem Handy zu: "Reiju, ich rufe dich heute Abend zurück, okay? Nein, nein, ist schon gut. Crocodile möchte los. Nein, wirklich, okay. Was Pünktlichkeit angeht, ist er ein echter Spießer. Okay, bis dann!"

Crocodile konnte kaum fassen, was er so eben mitbekommen hatte. "Reiju??", sagte er und warf seinem Ehemann einen absolut entsetzten Blick zu. "Du lässt mich und unsere Familie für diese blöde Reiju warten?!"

"Sie ist nicht blöd", verteidigte Doflamingo prompt seine neue Freundin. "Sie ist nett und wirklich cool drauf. Ich verstehe wirklich nicht, was für ein Problem du mit ihr hast. Du kennst sie ja kaum."

"Wir sind mit meinen Geschwistern verabredet!", warf Crocodile seinem Ehemann mit wütender Stimme vor. "Nachdem wir wochenlang miteinander auf Kriegsfuß standenn, treffen wir uns endlich alle wieder. Das sollte Priorität haben! Und nicht ein blödes Gespräch mit irgendeiner blöden Freundin!"

"Hör auf sie ständig blöd zu nennen!" Nun klang auch Doflamingos Stimme gereizt. "Und tu nicht so als hätte ich die Verabredung mit Mihawk und Hancock vergessen!"

"Warum telefonierst du blöd herum, anstatt unten im Foyer deinen Mantel anzuziehen, wenn du das Treffen nicht vergessen hast?!"

"Weil es doch völlig egal ist, ob wir fünf Minuten früher oder später am Zoo sind! Die Giraffen werden nicht weglaufen, während ich eben noch telefoniere!"

"Es geht nicht um den verdammten Zoo! Sondern um meine Geschwister!"

"Na, die werden auch nicht weglaufen!"

"Du blödes Arschloch!", schimpfte Crocodile und warf seinem Ehemann einen giftigen Blick zu. "Kannst du dich denn nicht einmal zusammenreißen und pünktlich sein? Nur ein einziges Mal! Dieses Treffen ist für mich eine wirklich wichtige Sache!"

"Nenn mich gefälligst nicht Arschloch!", erwiderte Doflamingo und ballte die Hände zu Fäusten. "Ich verstehe, dass deine Geschwister dir viel bedeuten. Aber es geht hier um fünf Minuten! Fünf Minuten! Warum musst du immer so ein Spießer sein, wenn es um Pünktlichkeit geht?"

"Weil Pünktlichkeit etwas mit Wertschätzung zu tun hat! Wertschätzung, die du offenbar eher irgendeiner blöden Partybekanntschaft entgegen bringst als deinem eigenen Ehemann!"

"Was ist dein verdammtes Problem mit Reiju?! Ich kapiere es wirklich nicht, Crocodile! Du hast sie höchstens zwei- oder dreimal gesehen. Ihr habt kaum jemals ein Wort miteinander gewechselt. Ihr kennt euch kaum!"

"Nun, wenigstens weiß sie inzwischen über mich, dass ich ein Spießer bin, der dich ständig nur nervt!", zischte Crocodile und warf seinem Partner einen vernichtenden Blick zu. "Redest du mit anderen Leuten immer so nett über mich?"

"Du übertreibst!", warf Doflamingo ihm prompt vor. "Das ist doch bloß eine ganz harmlose Aussage gewesen. Und es ist nicht mal gelogen. Du bist wirklich spießig, wenn es um Pünktlichkeit geht!"

"Und du bist ein egoistischer, unreifer, rücksichtsloser Bastard!", brüllte Crocodile. "Soll ich das vielleicht auch gleich meinen Geschwistern mitteilen, wenn wir uns sehen? Es ist ja schließlich nicht gelogen!"

"Hör auf mich in einer Tour zu beleidigen!", brüllte Doflamingo zurück. "Verdammt, was ist los mit dir, Crocodile?!"

"Was bei mir los ist? Ich sage dir, was bei mir los ist: Ich bin nach wochenlanger Funkstille mit meinen Familie verabredet und komme zu spät, weil du lieber mit dieser dummen Reiju telefonierst!"

"Es ging um fünf Minuten! Fünf verdammte Minuten!"

"Inzwischen sind es schon mehr als zehn! Selbst, wenn wir jetzt sofort losfahren, kommen wir zu spät!"

"Das liegt nur daran, dass du unbedingt mit mir streiten musstest! Wenn du mich nicht so aggressiv angemacht hättest, würden wir beide längst schon im Auto sitzen!"

"Also ist es jetzt meine Schuld?! Ich bin pünktlich fertig, warte unten im Foyer auf dich und trotzdem ist es meine Schuld, wenn wir zu spät kommen!?"

"Ja! Weil du in letzter Zeit einfach nur streitsüchtig bist! Du regst dich wegen jeder Kleinigkeit auf und wirst sofort beleidigend!"

"Ach, ist das so? Waum rufst du nicht gleich Reiju an und teilst ihr das mit? Meine Charakterschwächen scheinen ja ein beliebtes Thema zwischen euch beiden zu sein!"

"Ich ziehe nicht mit Reiju über dich her", zischte Doflamingo mit fest aufeinandergepressten Zähnen. "Das würde ich niemals tun."

"Seltsam, dann muss ich mir euer Gespräch gerade eben wohl eingebildet haben!"

"Das war bloß ein einziger Satz! Zu einer total unwichtigen Sache! Du sagst auch oft zu anderen Menschen, dass ich keinen Geschmack habe oder verschwenderisch bin oder was auch immer!"

"Das ist etwas Anderes!"

"Und wieso ist das etwas Anderes?"

"Weil diese verdammte Reiju auf dich steht! Und ihr solche Aussagen gelegen kommen, um einen Keil zwischen uns beide zu treiben!"

Angesichts dieser Aussage hielt Doflamingo für einen Augenblick inne. Mit verdutzter Miene musterte er Crocodile. "Das ist also dein Problem", stellte er anschließend mit verächtlicher Stimme fest. "Du bist auf Reiju eifersüchtig!"

"Und wenn es so wäre?!" Crocodile fühlte sich ertappt. Unangenehm berührt verschränkte er die Arme vor der Brust und wandte sich ab.

"Du hast kein Recht dazu eifersüchtig auf sie zu sein", hörte er seinen Ehemann sagen.

"Kein Recht?" Crocodile glaubte sich verhört zu haben. "Du, ausgerechnet du, sagst mir, dass ich kein Recht habe, um eifersüchtig zu sein?! Du bist doch selbst ständig eifersüchtig aus den nichtigsten Gründen! Deine verdammte Eifersucht hat sogar einmal zu unserer Trennung geführt! Und du willst mir sagen, ich hätte kein Recht dazu selbst einmal eifersüchtig zu sein?!"

"Meine Eifersucht ist eine Krankheit", rechtfertigte Doflamingo sich. "Eine auf Verlustängsten basierende psychische Störung, die ich erfolgreich habe behandeln lassen. Aber deine Eifersucht ist einfach nur ungerechtfertigt. Reiju ist bloß eine Freundin! Darf ich keine Freunde mehr haben?"

"Keine Freunde, die auf dich stehen! Keine Freunde, die mit dir flirten!"

"Wie kommst du darauf, dass sie mit mir flirtet? Du kennst sie doch kaum!"

"Ihr habt schon bei eurem allerersten Aufeinandertreffen miteinander geflirtet!", warf Crocodile seinem Ehemann vor. "Ich habe genau mitbekommen, wie ihr euch gegenseitig Komplimente gemacht habt! Schicke Ohrringe, schicke Klamotten, schicke Haarfarbe und so weiter! Also erzähl mir nicht, dass ihr nicht flirten würdet!"

"Das ist doch bloß normaler Smalltalk auf einer Party", verteidigte Doflamingo sich sofort. "Verdammt, Crocodile, du siehst Dinge, die nicht da sind. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich ein rein freundschaftliches Interesse an ihr habe!"

"Genauso wie an Monet?"

"Jetzt kram nicht diese alte Geschichte wieder hervor! Crocodile, ich bin dir während unserer Beziehung immer treu geblieben und habe dir nie irgendeinen Grund gegeben, um eifersüchtig zu werden. Es ist absolut nicht fair, dass du mir diese Freundschaft nicht gönnst, weil es dir im Moment selbst schlecht geht!"

"Mir geht es nicht schlecht", erwiderte Crocodile automatisch. Ohne dass er etwas dagegen hätte tun können, waren die Worte über seine Lippen gekommen. "Ich bin okay."

"Nein, du bist nicht okay", sagte Doflamingo mit ruhiger, aber klarer Stimme. "Deine Mutter ist gestorben. Dein Vater möchte auf einmal wieder Kontakt zu dir. Deine Geschwister haben wochenlang kein Wort mit dir gesprochen. Nun setzen sie dich auf einmal unter Druck euren Eltern zu vergeben. Und dazu kommt noch, dass wir demnächst selbst Eltern werden. Eventuell sogar von Zwillingen. Dir geht es nicht gut, Crocodile! Und das kann ich verstehen. Ich liebe dich und gebe jeden Tag mein Bestes, um für dich da zu sein. Aber du verhälst dich nicht fair, wenn du mir neue Freundschaften missgönnst, weil du selbst unsicher und ängstlich bist."

Das saß. Völlig erschlagen ließ Crocodile seinen Blick sinken. Aus dieser Perspektive hatte er die Sache noch gar nicht betrachtet. Auf einmal kam er sich furchtbar egoistisch und rücksichtslos vor, weil er gar nicht bedacht hatte, wie sehr auch sein Ehemann unter seiner angespannten Lebenssitiation litt. Es war sicher nicht leicht für Doflamingo jeden Tag aufs Neue mit seiner Gereiztheit und seinen Ängsten umzugehen. Und anstatt ein wenig Dankbarkeit zu zeigen, nutzte Crocodile die erstbeste Gelegenheit, um ihn anzugreifen und sogar zu beleidigen. Plötzlich kam er sich wie der schlechteste Ehemann auf der ganzen Welt vor.

Doflamingo spürte seinen Stimmungswechsel sofort. "Aber du hast Recht damit, dass es blöd von mir gewesen ist so lange mit Reiju zu telefonieren", lenkte er mit tröstender Stimme ein. "Das Treffen mit deinen Geschwistern ist dir verständlicherweise sehr wichtig. Komm, wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren." Er packte ihn sanft am Arm und zog ihn in Richtung Treppe. "Ich werde Hancock anrufen und ihr erklären, dass die Verspätung allein wegen mir zustande gekommen ist."
 

Der Zoobesuch mit seiner Familie war wie Balsam für Crocodiles Seele. Es tat ihm unwahrscheinlich gut wieder Zeit mit seinen Geschwistern zu verbringen.

Er hatte das Gesicht und die Stimme seiner Schwester wirklich wahnsinnig vermisst. Genauso wie das strahlende Lächeln seiner kleinen Nichte. Nozomi stürzte sich sofort auf ihn, um ihm ihre neueste Zahnlücke zu präsentieren. "Die Zahnfee hat zwei Berry unter mein Kissen gelegt", erklärte sie ihm mit strahlenden Augen. "Und Mama hat gesagt, ich darf davon hier im Zoo ein Eis kaufen!"

Obwohl seine Nichte längst kein Kleinkind mehr war, ließ Crocodile sich dazu hinreißen sie hochzunehmen. Nozomi war nun mit ihm auf Augenhöhe. Stolz blickte sie ihn aus blauen Iridien heraus an. Sie hatte die Augen ihrer Mutter geerbt; Hancock wiederum hatte sie von ihrem Vater.

"Das hört sich gut an", sagte Crocodile. "Darf ich dann auch mal probieren?"

Nozomi kicherte. "Du darfst doch gar kein Eis essen", ermahnte sie ihn. "Mama sagst, dass du dann Bauchweh bekommst."

"Schade aber auch." Er setzte Nozomi wieder ab, die als nächstes sofort zu Doflamingo hinüberhuschte.
 

Mittags machten sie im Zoocafe eine kleine Pause. Nozomi verputzte genüsslich ihr Eis, ehe sie fragte, ob sie hinüber auf den angrenzenden Kinderspielplatz spielen gehen dürfte. Hancock, Mihawk und Doflamingo bestellten sich jeder einen Cappucino und ein Stück Kuchen. Lediglich Crocodile begnügte sich mit einem Glas Wasser.

Schon von frühester Kindheit an hatte er immer sehr streng auf seine Ernährung achten müssen, um seinen chronisch empfindlichen Magen nicht zu reizen. Vor allem süße oder scharfe Speisen und Getränke vertrug er sehr schlecht. Manchmal hatte er allerdings auch scheinbar grundlos sehr starke Magenschmerzen.

"Es gibt hier auch Obstkuchen", sagte Hancock, die bemerkte, dass er nichts für sich bestellt hatte. "Der besteht aus einem Mürbeteig, der nicht sonderlich süß ist. Bestimmt würdest du ihn vertragen."

Crocodile lehnte dankend ab. Der Stress der letzten Wochen war ihm buchstäblich auf den Magen geschlagen. Gestern hatte er sich im Büro sogar übergeben müssen, bloß weil er eine Saftschorle getrunken hatte. Da wollte er lieber kein unnötiges Risiko eingehen.

"Besteht eigentlich die Möglichkeit, dass eure Kinder deine Magenprobleme erben werden?", fragte Mihawk plötzlich mit nachdenklicher Stimme.

Crocodile zuckte mit den Schultern. Darüber hatte Dr. Raffit bisher noch kein Wort verloren.

"Dafür müsste man wissen, ob es genetisch bedingt ist", warf Hancock ein. "Aber soweit ich weiß, ist ja nie herausgefunden worden, was genau mit Crocodiles Magen los ist."

"Es gibt bestimmt keine genetische Ursache", erwiderte Crocodile und winkte ab. "Ihr seid schließlich auch nicht betroffen."

"Aber das heißt doch deshalb nicht zwingend, dass deine Magenprobleme nicht genetisch bedingt sein können", gab Hancock mit irritiert klingender Stimme zurück.

"Aber wenn es mit der Genetik zu tun hätte, dann hättet ihr als meine Geschwister doch auch empfindliche Mägen."

Hancock warf ihm einen ungläubigen Blick zu. "Es kann trotzdem genetisch bedingt sein, Crocodile."

"Lass gut sein, Hancock, fufufufu", mischte sich nun Doflamingo kichernd ein. "Wani hat, was Biologie angeht, ungefähr den Wissensstand eines Zweitklässlers."

"Das stimmt doch gar nicht", verteidigte Crocodile sich sofort. Biologie war in der Schule immer ein sehr schwaches Fach von ihm gewesen, das gab er durchaus zu. Aber er war sicher nicht auf dem Niveau eines Zweitklässlers.

"Es muss dir nicht peinlich sein", neckte sein Ehemann ihn. "Jeder hat in irgendeinem Bereich einen blinden Fleck. Ich bin zum Beispiel total schlecht in Geschichte. Konnte mir nie merken, wann was passiert und wann wer gestorben ist. Und bei dir ist es eben Biologie."

"Ich kenne mich mit Biologie aus! Schau doch mal: Wenn ein dunkelhäutiger Mann und eine hellhäutige Frau Kinder bekommen, dann ist es doch so, dass nicht ein paar Kinder komplett weiß und ein paar Kinder komplett schwarz werden. Sondern alle sind eine Mischung von beiden Elternteilen und bekommen eine Hautfarbe, die irgendwo in der Mitte liegt. Und wenn mein empfindlicher Magen genetisch bedingt wäre, würde es doch genauso ablaufen wie mit den Hautfarben. Es kann ja nicht sein, dass es nur mich betrifft und meine Geschwister dagegen ganz normal funktionierende Mägen haben."

Für seine Erklärung erntete Crocodile leider bloß eine Reihe fassungsloser Gesichtsausdrücke. Während seine Geschwister ihn absolut entgeistert musterten, erweckte Doflamingo einen eher amüsierten Eindruck.

"Ich habe es euch ja gesagt, fufufu", meinte er und nahm grinsend einen Schluck Cappucino.

"Was meinst du damit?!", herrschte Crocodile seinen Ehemann an. "Was ist denn an meiner Erklärung verkehrt?"

"Genetik funktioniert nicht so simpel wie du es dir vorstellst", sagte Mihawk kopfschüttelnd.

"Wie kann ein Mann, der über einen erstklassigen Universitätsabschluss verfügt, bloß so wenig Ahnung von Biologie haben?", warf Hancock ein. Sie wirkte ehrlich schockiert. "Crocodile, jetzt mal ehrlich, das gehört doch zur Allgemeinbildung! Das lernt man spätestens in der Mittelstufe! Wie hast du es bloß geschafft den Kurs zu bestehen?!"

Er hatte meistens von seiner Sitznachbarin abgeschrieben, doch diesen Umstand wollte Crocodile seiner Schwester nicht auf dem Silbertablett servieren. "Was ist denn falsch an meiner Erklärung? Wieso soll es so nicht funktionieren?"

Doch Hancock machte sich nicht die Mühe ihn aufzuklären. "Versprich mir bloß, dass du Nozomi später niemals bei ihren Biologie-Hausaufgaben helfen wirst", seufzte sie kopfschüttelnd.

"Bestimmt hat die Kinderwunsch-Klinik darauf geachtet nur Embryonen einzusetzen, die negativ auf Erbkrankheiten getestet wurden", mutmaßte Mihawk und kehrte somit zum ursprünglichen Thema zurück. "Das ist ja immerhin ein großer Vorteil der künstlichen Befruchtung. Dass man auf diesem Weg schlimme Krankheiten vermeiden kann."

"Nun ja, eine Garantie hat man nie", wandte Doflamingo ein. "Mein Bruder ist auch mit einer Erkrankung des Nervensystems zur Welt gekommen, obwohl er künstlich gezeugt worden ist. Er konnte seine Bewegungsabläufe nicht immer richtig kontrollieren und ist furchbar ungeschickt gewesen. Aber er hatte trotzdem ein schönes Leben."

"Dein Bruder ist auch durch künstliche Befruchtung entstanden?", hakte Hancock mit neugieriger Stimme nach.

"Ich selbst bin es auch", erklärte Doflamingo ihr. "Unsere Eltern sind schon älter gewesen, als sie sich kennengelernt haben. Deswegen hat es auf natürlichem Wege nicht funktioniert."

"Schade, dass du zu deinem Bruder gar keinen Kontakt mehr hast", sagte Hancock mit leiser Stimme. "Corazon heißt er, oder? Ich kann mir ein Leben ohne Mihawk und Crocodile gar nicht vorstellen. Es wäre wirklich wahnsinnig traurig, wenn einer von ihnen weit weg ziehen würde. Manchmal denke ich auch, dass es schade für Nozomi ist als Einzelkind aufzuwachsen."

"Nun ja, in ein paar Monaten bekommt sie wenigstens zwei Cousins dazu", meinte Crocodile hastig und versuchte auf diese Weise von Corazon abzulenken. Er konnte nur schwer einschätzen wie Doflamingo auf ein Gespräch über seinen verstorbenen Bruder reagieren würde. Es war ein sehr sensibles Thema.

Sofort leuchteten Hancocks Augen auf. "Was sagst du da!? Bedeutet das etwa, dass die künstliche Befruchtung erfolgreich verlaufen ist? Ist Rebecca schwanger?" Sie erhob sich von ihrem Stuhl, beugte sich über den Tisch und strahlte ihren Bruder und ihren Schwager förmlich an.

Doflamingo nickte. "Sie ist in der achten Woche schwanger mit Zwillingen", erklärte er ihr mit stolzer Stimme.

Hastig umrundete Hancock den Tisch, fiel ihnen in die Arme und beglückwünschte sie zu der Schwangerschaft. (Mihawk hatten sie -wie versprochen- bereits direkt nach Dr. Raffits Anruf informiert.)

"Sind es eineiige oder zweieiige Zwillinge?", wollte Hancock sofort mit aufgeregter Stimme wissen.

"Keine Ahnung", antwortete Crocodile schulterzuckend. "Wir wissen das Geschlecht noch nicht. Das kann man so früh noch nicht feststellen." Müsste Hancock das nicht eigentlich wissen? Immerhin war sie selbst schon einmal schwanger gewesen.

Doch Hancock warf ihm bloß einen abschätzigen Blick zu. "Das ist nicht dein Ernst, oder? Es können doch trotzdem zweiige Zwillinge sein, auch wenn es zwei Jungs oder zwei Mädchen werden!"

"Es sind zweieiige Zwillinge", erklärte Doflamingo ihr. "Beide Embryonen entwickeln sich bisher gut. Es sieht danach aus, dass beide Kinder gesund zur Welt kommen werden."

"Worauf hofft ihr denn? Ich fände ja ein Pärchen total süß! Aber zwei Jungs oder zwei Mädchen könnte man identisch anziehen; das ist natürlich auch niedlich."

"Ich glaube, es werden ein Junge und ein Mädchen", sagte Crocodile mit leiser Stimme.

"Wie gesagt, Crocodile, auch bei zweieiigen Zwillingen kann es sein, dass ihr zwei Jungs oder zwei Mädchen bekommt. Sie würden nur nicht komplett identisch aussehen, sondern wie ganz normale Geschwister."

"Das meine ich nicht! Es ist nur... Ich habe irgendwie im Gefühl, dass es ein Pärchen wird. Schon seit ich davon erfahren habe. Ich kann nicht genau erklären, wieso. Es ist einfach eine Art Intuition."

"Die Instinkte einer Mutter liegen meistens richtig, fufufu", zog ihn sein Ehemann auf, woraufhin Crocodile ihm prompt einen Hieb mit dem Ellenbogen verpasste.

"Nun ja, ihr müsst euch nicht mehr lange gedulden", sagte Hancock. "Dann habt ihr Gewissheit. Ich kann mir vorstellen, dass Doflamingo es kaum erwarten kann endlich alle Klamotten für die Babies zu kaufen."

"Da liegst du goldrichtig", erwiderte Doflamingo lachend. "Wenn es nach mir ginge, würde bei uns Zuhause bereits bergeweise Kinderspielzeug herumfliegen, fufufu."
 

Auf dem Heimweg sprach Crocodile seinen Ehemann noch einmal auf dieses Thema an. "Was hältst du für einen guten Zeitpunkt, um mit der Ausstattung des Kinderzimmers anzufangen?", fragte er ihn mit ruhiger Stimme. "Ich weiß, wir haben gesagt, dass wir eine Weile warten möchten... Aber inzwischen ist Rebecca in der achten Woche schwanger. Ist die Wahrscheinlichkeit, dass etwas schief geht, wirklich immer noch so hoch?"

Doflamingo legte den Kopf schief. "Ich halte es für sinnvoll noch ein paar Wochen abzuwarten. Dann wissen wir auch die Geschlechter der Babies und können farblich passende Sachen besorgen. Das wäre doch das Klügste, oder nicht?"

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Es gibt ja nicht bloß blau und rosa", wandte er ein. "Man könnte die Einrichtung und erste Kleidungsstücke ja auch in neutralen Farben besorgen. Als wir damals den Kinderwagen für Nozomi ausgesucht haben, haben wir es ja schließlich auch so gemacht."

Doflamingo rutschte auf dem Beifahrersitz herum. Crocodile spürte, dass seinem Ehemann etwas auf der Zunge lag.

"Was ist los?", fragte er, als Doflamingo mit der Sprache nicht herausrücken wollte.

"Ich würde lieber noch eine Weile warten", gab er schließlich zu. "Eine Schwangerschaft von acht Wochen ist nicht in Stein gemeißelt. Es kann viel passieren. Ich möchte nicht, dass du dir einen schicken Zwillingskinderwagen aussuchst, wir am Ende aber mit nur einem Kind nach Hause kommen. Das wäre eine absolut grauenhafte Vorstellung. Wenn wir noch ein paar Wochen warten, sind wir auf der sicheren Seite. Und wir könnten farblich passende Sachen aussuchen. Es spricht wirklich alles dafür noch etwas zu warten."

Crocodile nickte. Er wusste, dass Doflamingo höchstwahrscheinlich Recht hatte. Trotzdem war er nicht ganz einverstanden.

"Mir kommt Rebeccas Schwangerschaft noch ganz unwirklich vor", gab er schließlich zu. "Ich meine... Als wir sie letzte Woche getroffen haben, hat sie ausgesehen wie immer. Ich weiß, dass meine Kinder... buchstäblich meine leiblichen Kinder in ihr heranwachsen... aber Rebecca wirkt so unschwanger."

"Ich weiß, dass du nicht viel von Biologie verstehst", meinte Doflamingo mit neckischer Stimme, "aber sogar dir dürfte klar sein, dass eine Frau nicht von Anfang an einen dicken Schwangerschaftsbauch hat, oder nicht? Der Bauch wird meistens erst im letzten Drittel der Schwangerschaft so wirklich groß."

"Das ist mir klar", erwiderte Crocodile hastig. "So ist es ja auch bei Hancock gewesen damals. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass diese ganze Sache... die Schwangerschaft und dass ich Vater werde... irgendwie greifbarer für mich wird. Bisher kommt mir alles so vor wie eine Geschichte, dir mir erzählt wird."

"Ich verstehe, was du meinst", sagte sein Ehemann. "Für mich ist es auch eine abstrakte Vorstellung. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass Rebecca nicht bei uns lebt und wir sie nur selten treffen. Unsere Babies sind im Moment immer sehr weit weg. Aber das wird sich alles bald ändern. In ein paar Monaten wird Rebeccas Bauch aussehen wie ein Ballon, der jeden Moment platzt, fufufufu. Und dann fahren wir mit unseren beiden Schätzchen nach Hause. Wir werden zwei Bettchen haben, einen Zwillingskinderwagen und mehr Anziehsachen als hundert Babies jemals tragen könnten. Du musst ich nur noch ein klein wenig gedulden, Wani."

Crocodile bog in ihre Straße ein. "Vielleicht könnten wir uns solange anderweitig vorbereiten", schlug er vor. "Es geht schließlich nicht bloß um die Ausstattung des Kinderzimmers. Wir müssen uns auch informieren. Du weißt schon, über die Pflege und Entwicklung von kleinen Kindern. Wann sie normalerweise durchschlafen, wann sie anfangen zu laufen und so weiter."

"Das hört sich nach einer guten Idee an", stimmt sein Ehemann ihm zu.

"Wir könnten gleich direkt mal nach einem passenden Kurs suchen", sagte Crocodile. "Es gibt viel zu lernen und es schadet sicher nicht gut vorbereitet zu sein. Ob wir nun ein oder zwei Kinder bekommen."

Verletzung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Verletzung (zensiert)

"Ich glaube, ich habe Robin noch nie so glücklich erlebt", sagte Crocodile zu seinem Ehemann, während sein Blick auf seiner Sekretärin ruhte. Mit einem strahlenden Lächeln und Arm in Arm mit ihrem frisch angetrauten Ehemann durchquerte sie das Kirchenschiff. Es verwunderte Crocodile nicht, dass das Paar sich für die älteste und geschichtsträchtigste Kirche in der Umgebung entschieden hatte. Er kannte Robin inzwischen seit über sieben Jahren und wusste, dass es sich bei ihr um eine eingeschworene Hobby-Historikerin handelte.

"Nun ja, heute ist ihre Hochzeit", erwiderte Doflamingo grinsend. "Das ist doch der schönste Tag im Leben, oder nicht?"

"Stimmt, logisch", meinte Crocodile sofort, doch konnte nicht verhindern, dass ihn die Worte seines Ehemannes einen Stich versetzten.

Um ehrlich zu sein, hatte er seine eigene Hochzeit ganz anders erlebt. Er hatte sich nach seiner Kündigung permanent Sorgen um die Finanzierung der Feier gemacht. Nicht einmal einen vernünftigen Anzug konnte er sich leisten. Von dem Schloss, welches sie als Location ausgewählt hatten, ganz zu schweigen. Zum Glück hatte Doflamingo, ohne das Ausmaß seiner finanziellen Probleme zu kennen, sämtliche Kosten übernommen. Trotzdem blieb bei der Erinnerung an diesen Tag immer ein scheeler Beigeschmack zurück.

"Ihr Kleid ist umwerfend, findest du nicht auch? Sie sieht so anmutig aus", säuselte Doflamingo.

Crocodile nickte. Robin trug ein traditionelles, bodenlanges Brautkleid mit Spitzenärmeln. Es stand ihr außerordentlich gut. Franky wiederum, fand Crocodile, wirkte in seinem Anzug als wäre er verkleidet. Normalerweise lief sein Chef am liebsten in Hawaii-Hemd und Shorts herum (sogar auf der Arbeit). Trotzdem strahlte er wie der glücklichste Mann auf dem Planeten.

Bei Crocodile handelte es sich eigentlich nicht um einen missgünstigen Menschen. Er hatte es noch niemals für nötig gehalten jemand Anderem etwas Schlechtes gewünscht. Trotzdem spürte er, dass sich Neid wie Gift in seinem Körper ausbreitete und seine Stimmung herunterzog.

Er wünschte sich, er hätte seine Hochzeit ebenso genießen können wie Robin und Franky. In Wirklichkeit aber hatte er den ganzen Tag lang bloß an seine Kündigung und all die Lügen, die er Doflamingo über Monate hinweg aufgetischt hatte, denken müssen. Wenn er ganz ehrlich war, dann hatte er dessen Heiratsantrag auch nur deshalb angenommen, weil er ein so schlechtes Gewissen gehabt hatte. Eigentlich empfand er eine Verlobung nach nur neun Monaten Beziehung als deutlich verfrüht. Sie hatten zum damaligen Zeitpunkt ja gerade erst ein paar Wochen zusammengewohnt.

"Ist alles in Ordnung bei dir?", holte ihn Doflamingos Stimme aus seinen Erinnerungen zurück in die Wirklichkeit. "Hast du wieder Magenschmerzen?"

"Nein, es ist alles okay", versicherte Crocodile seinem Ehemann und bemühte sich darum seinen bitteren Gesichtsausdruck abzulegen.

Ihm war absolut klar, dass es nichts brachte sich über Situationen zu ärgern, die weit in der Vergangenheit lagen. Crocodile hatte in seinem Leben schon viel Schlimmes und Schlechtes erlebt. Irgendwann hörte man auf sich ständig Gedanken darum zu machen. Man musste aufhören, wenn man seine eigene psychische Gesundheit nicht riskieren wollte. Es war nichts als Zeitverschwendung ständig nach dem Warum? zu fragen oder sich auszumalen wie alles hätte anders ablaufen können.

Was gewesen wäre, wenn er sich damals nicht vor seinen Eltern geoutet hätte. Wenn er vor fünfzehn Jahren an jenem Tag nicht beschlossen hätte mit dem Motorrad in die Berge zu fahren. Wenn er sich nicht mit dem gutaussehenden, blonden Mann, der sich ihm als Enel vorstellte, für ein Date verabredet hätte. Wenn er Doflamingo von Anfang an von seiner Kündigung bei der Bank erzählt hätte.

Crocodile schüttelte den Kopf. Sein Leben war nie leicht gewesen. Immer und immer wieder hatten ihn heftige Schicksalsschläge zurückgeworfen. Sie hatten ihn hart gemacht. Zu einem Kämpfer, der seine Probleme im Alleingang löste und Anderen seine Schwächen nicht zeigte.

Trotzdem war er ein glücklicher Mensch. Er war seit sechs Jahren mit einem tollen Mann verheiratet. Er hatte einen Bruder und eine Schwester, die immer zu ihm hielten, und viele gute Freunde. Und das Allerbeste: In sechs Monaten würde er Vater von Zwillingen werden.

Crocodile hatte wirklich kein Recht dazu neidisch zu sein. Er freute sich für Robin und Franky und gönnte ihnen ihr Glück aus tiefstem Herzen.
 

Obwohl das Buffet traumhaft ausschaute, verspürte Crocodile überhaupt keinen Appetit. Leider fiel es Doflamingo immer sofort auf, wenn er eine Mahlzeit ausließ; deshalb lud er sich zwar ein paar Kleinigkeiten auf seinen Teller, doch rührte sie kaum an.

Sie saßen gemeinsam mit Crocodiles Arbeitskollegen Kiwi, Mozz und Kalifa an einem Tisch. Natürlich sprang seinem Ehemann sofort Kalifas dicker Schwangerschaftsbauch ins Auge.

"Herzlichen Glückwunsch", sagte Doflamingos sofort mit begeisteter Stimme und beugte sich zu ihr hinüber. "Wann ist es denn soweit?"

"Oh, danke. Ehrlich gesagt kann es jeden Moment soweit sein. Der errechnete Geburtstermin wäre vorgestern gewesen", antwortete Kalifa mit einem unbekümmerten Lächeln auf den Lippen.

"Du bist schon drüber?", mischte sich nun Kiwi mit erstaunter Stimme in ihre Unterhaltung ein. "Kalifa, hältst du das für eine gute Idee hier zu sein? Was ist denn, wenn auf einmal die Fruchtblase platzt? Was machst du denn dann?!"

Crocodile empfand Kiwis Fragen als äußerst übergriffig. Er war der Ansicht, dass allein Kalifa zu entscheiden hatte, wo sie sich aufhalten wollte – hochschwanger oder nicht. Immerhin handelte es sich bei ihr um eine erwachsene Frau, die er zudem als überaus verantwortungsbewusst kennengelernt hatte. Sie würde sicher niemals fahrlässig mit ihrem ungeborenen Kind umgehen.

"Dann fahre ich eben ins Krankenhaus", antwortete Kalifa gelassen und zuckte die Achseln. "Es macht doch keinen Unterschied, ob die Fruchtblase hier oder bei mir Zuhause platzt."

Das war ein gutes Argument, fand Crocodile. Ins Krankenhaus müsste Kalifa so oder so fahren.

Kiwi wiederum schien sich mit der nüchternen Antwort ihrer Arbeitskollegin zufrieden zu geben. "Aber was ist mit deinem Ehemann? Und mit deinem Babykoffer? Du bist doch hier völlig auf dich allein gestellt."

"Was ist ein Babykoffer?", rutschte es Crocodile heraus, ehe Kalifa die Gelegenheit bekam zu einer Erwiderung anzusetzen.

"Sie meint bestimmt den Klinikkoffer", erklärte ihm Doflamingo, doch ehrlich gesagt half ihm diese Antwort nicht sonderlich weiter. Unter einem Klinikkoffer konnte er sich jedenfalls auch nicht mehr vorstellen.

"Mein Ehemann ist heute Zuhause", sagte Kalifa. "Und der Koffer ist schon lange gepackt. Wenn es ganz plötzlich losgehen würde, könnte ich ihn einfach anrufen und er würde dann mit dem Koffer ins Krankenhaus kommen. Also alles kein Problem."

"Aber fühlst du dich denn nicht unwohl? Wo du doch weißt, dass buchstäblich jederzeit die Fruchtblase platzen könnte? Franky und Robin hätten es bestimmt verstanden, wenn du deshalb lieber Zuhause geblieben wärst."

"Ich fühle mich überhaupt nicht unwohl." Allmählich schienen ihr Kiwis unhöfliche Fragen doch auf die Nerven zu gehen. Jedenfalls klang Kalifas Stimme nun schärfer. Crocodile konnte es ihr nicht verübeln. "Ganz im Gegenteil: Ich würde mich unwohl fühlen, wenn ich wochenlang nur Zuhause sitzen und warten würde. Da bin ich überhaupt nicht der Typ für. Ich freue mich, dass ich hier sein darf. Die Hochzeit von Robin und Franky hätte ich nicht verpassen wollen."

Kiwi öffnete den Mund, um erneut zu einer Erwiderung anzusetzen, doch Crocodile verpasste ihr unter dem Tisch einen sanften Tritt gegen das Schienbein und schüttelte unauffällig den Kopf. Zum Glück ließ Kiwi das Thema dann endlich auf sich beruhen.

"Bekommst du einen Jungen oder einen Mädchen?", wollte Doflamingo mit neugieriger Stimme wissen.

"Ein Mädchen", sagte Kalifa und schenkte Doflamingo ein Lächeln.

"Oh, wie schön. Ich hätte auch gerne eine kleine Tochter", meinte sein Ehemann sofort. "Haare frisieren, Fingernägel lackieren, Kleidchen aussuchen... Ich glaube, das wäre absolut meine Welt, fuufufu."

Kalifa ließ ihren Blick zwischen Crocodile und Doflamingo hin- und herschweifen, ehe sie in einem tröstlichen Tonfall meinte: "Naja, vielleicht ist es bei euch beiden ja auch irgendwann soweit. Heutzutage gibt es auch für homosexuelle Paare viele Möglichkeiten, um Eltern zu werden."

Erneut schüttelte Crocodile unauffällig den Kopf. Zum Glück begriff sein Ehemann den Hinweis sofort und meinte unverfänglich: "Vielleicht. Wer weiß schon, was uns die Zukunft bringen wird. Wie wird die Kleine denn heißen?"
 

Später zog Crocodile sich nach draußen auf die Terrasse zurück und zündete sich eine Zigarre an. Der altbekannte Geschmack beruhigte sofort seine Nerven. Diese Hochzeitsfeier strengte ihn mehr an als er erwartet hätte. Nach seiner Unterhaltung mit Kalifa hatte Doflamingo noch einen anderen schwangeren Hochzeitsgast ausgemacht und alle Fragen hatten sich noch einmal wiederholt.

Um ganz ehrlich zu sein, begriff Crocodile selbst nicht so recht, warum ihn dieses Thema so sehr nervte. Früher -das war verständlich- hatte ihn stets Doflamingos unerfüllter Kinderwunsch belastet. Doch nun war die Situation eine völlig andere und sie würden selbst in ein paar Monaten Eltern von Zwillingen werden. Eigentlich gab es überhaupt keinen Grund, um sich zu ärgern.

Crocodile war mit seiner Zigarre fast fertig, als sein Ehemann zu ihm nach draußen auf die Terrasse trat. Inzwischen war es früher Abend geworden; es war kühl und draußen hielten sich nicht viele Menschen auf.

"Ich habe mich gerade mit Robins Vater unterhalten", erzählte ihm Doflamingo giggelnd. "Er erinnert mich total an Pica. Er ist zwar riesengroß, aber hat auch eine total lächerlich klingende Lache. Klingt wie Dereshishishishi. Ich kann es kaum glauben, dass er und Robin wirklich miteinander verwandt sind."

"Das sind sie auch nicht", erklärte Crocodile ihm. "Sie bezeichnet ihn zwar immer als ihren Vater, aber eigentlich ist er bloß ein guter Freund ihrer Mutter. Nach ihrem Tod hat er Robin bei sich Zuhause aufgenommen."

"Robins Eltern sind gar nicht mehr am Leben?" Doflamingo wirkte untypisch bestürzt. "Das wusste ich gar nicht."

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Sie hängt es in der Regel nicht an die große Glocke", meinte er und drückte seine Zigarre auf dem Geländer hinter sich aus.

"Was ist los mit dir?", wollte Doflamingo plötzlich wissen.

"Was soll mit mir los sein?"

"Du wirkst so schlecht gelaunt", meinte sein Ehemann. "Hast du wirklich keine Magenschmerzen? Du weißt, dass du mir das immer sagen kannst."

Crocodile schüttelte den Kopf. "Das ist es nicht."

"Was ist es dann?"

"Mich nerven nur die Gesprächsthemen hier sehr an", gab er schließlich seufzend zu. "Keiner scheint sich über irgendetwas Interessantes zu unterhalten."

"Ist Familienplanung für dich kein interessantes Thema?"

"Nicht die Familienplanung von anderen Leuten", erklärte er seinem Ehemann. "Mich juckt es einfach nicht, in der wievielten Woche Kalifa ist und wo sie ihren Koffer gelassen hat. Solche Dinge eben. Warum meint jeder, er müsste sich darüber auslassen?"

Doflamingo lachte leise. "Hast du deswegen noch keinem deiner Arbeitskollegen von unserer Schwangerschaft erzählt? Befürchtest du, dass dann alle bloß noch über Windeln und Brei mit dir reden möchten? Fufufufufufufu."

Crocodile senkte seinen Blick. "Es ist doch überhaupt nicht unsere Schwangerschaft. Rebecca ist schwanger. Von uns beiden muss sich das zum Glück keiner antun."

"Du weißt was ich meine", gab Doflamingo zurück. Er wurde ein wenig ernster. "Mich wundert es, dass immer noch niemand davon weiß. Inzwischen ist Rebecca in der vierzehnten Woche. Wann hast du denn vor es allen mitzuteilen?"

"Ich weiß nicht", gestand Crocodile. "Es hat sich einfach noch keine gute Gelegenheit ergeben. Aber das finde ich nicht schlimm. Im Grunde geht es ja auch nur uns etwas an."

"Schämst du dich für deinen Kinderwunsch?"

"Was? Nein, natürlich nicht!" Das war nicht gelogen. "Es ist nur... Ich weiß nicht wieso, aber alle Leute scheinen zu glauben, dass man bei diesem Thema immer ohne Rücksicht auf Verluste seine Meinung kundtun darf. Überleg doch nur mal, welche unhöflichen Fragen sich Kalifa von Kiwi anhören musste. Oder erinnere dich an die Reakion von Mihawk, Hancock und Daz zurück. Ich möchte mich dem nicht unnötig aussetzen."

"Das kann ich verstehen", sagte Doflamingo. "Aber ich habe keine Lust noch viel länger ein Geheimnis aus unserer Situation zu machen. Weißt du... Ich möchte auch gefragt werden, in der wievielten Woche wir sind und ob wir schon Vornamen ausgesucht haben und solche Dinge... Ich finde es schade, dass ich überhaupt nicht mitreden darf, obwohl ich doch in derselben Situation bin."

Aus dieser Perspektive hatte Crocodile das Thema noch gar nicht betrachtet. Er musste zugeben, dass er Doflamingos Standpunkt durchaus nachvollziehen konnte.

"Also gut", meinte er schließlich und konnte sofort beobachten, wie sich ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht seines Gegenübers ausbreitete. "Aber wir teilen es nicht hier auf der Hochzeit mit! Das wäre unhöflich. Heute soll es ausschließlich um Franky und Robin gehen. Ich werde versuchen nächste Woche einen guten Zeitpunkt zu finden."

"Am Wochenende könnten wir unsere Freunde einladen", fügte Doflamingo hinzu, "und dann verkünden, dass wir beide Eltern werden."
 

Es war elf Uhr abends, als Crocodile und Doflamingo sich auf den Heimweg machten. Sein Ehemann schien viel Spaß gehabt zu haben. Er wirkte leicht angetrunken und hatte gute Laune. Crocodile wiederum war froh sich endlich loseisen zu können. Obwohl er sich vorgenommen hatte nicht neidisch zu sein, war es ihm wahnsinnig schwer gefallen Franky und Robin an ihrer Hochzeit so glücklich zu sehen. Unwillkürlich malte er sich aus, wie seine eigene Hochzeit abgelaufen wäre, wenn er nicht permanent von Sorgen zerfressen worden wäre.

"Es ist wirklich eine wahnsinnig schöne Hochzeit gewesen", meinte Doflamingo und streckte im Fußraum seine langen Beine aus. "Ich glaube, du bist der einzige Gast gewesen, der bei der Trauung noch trockene Augen gehabt hat, Wani."

Crocodile schnaubte. "Ich bitte dich, Doflamingo. Hast du mich jemals vor fremden Menschen weinen sehen?"

"Stimmt, fufufufu", lachte sein Ehemann. "Dafür bist du viel zu stolz. Allerdings bin ich mir sicher, dass du bei unserer eigenen Trauung tränennasse Augen gehabt hast. Weißt du noch? Als wir unsere Gelübde vorgetragen haben? Das ist so ein schöner Moment gewesen! Wir sollten uns demnächst mal unser Hochzeitsvideo anschauen."

Crocodile verzog den Mund.

"Was ist?", hakte Doflamingo nach, dem dieser Gesichtsausdruck nicht entging.

"Das ist so kitschig", log Crocodile. "Du weißt, dass ich für so etwas nicht viel übrig habe."

"Aber es ist unser Hochzeitsvideo", insistierte Doflamingo mit weinerlicher Stimme. Er hörte sich an wie ein trotziges Kleinkind. "Es ist der schönste Tag in unserem Leben gewesen!"

"Es ist eine Feier", relativierte Crocodile ihre Hochzeit. "Das bedeutet doch nicht automatisch, dass es der schönste Tag in unserem Leben gewesen ist."

Diese Aussage war definitiv ein riesengroßer Fehler. Crocodile konnte beobachten, wie sich Doflamingos Körper auf dem Beifahrersitz augenblicklich anspannte und er ihm durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille hindurch einen giftigen Blick zuwarf.

"Was meinst du damit?!", wollte sein Ehemann sofort mit anklagender Stimme wissen. "Dass dir unsere Hochzeit nichts bedeutet?!"

"So meine ich das doch gar nicht", entgegnete Crocodile und rollte mit den Augen. "Aber es ist eben bloß ein einziger Tag in einer Partnerschaft. Und ein stressiger noch dazu. Es gibt viele andere Erinnerungen, die romantisch sind und mir viel bedeuten, die nichts mit unserer Hochzeit zu tun haben."

"Aber eine Hochzeit hat eine besondere Bedeutung", betonte Doflamingo. Er wirkte immer noch tödlich beleidigt. "Es geht darum, dass aus zwei Individuen eine Ehegemeinschaft wird. Dass man von nun an alles im Leben teilt. In guten wie in schlechten Tagen zueinander hält."

"Das ist doch weitesgehend bloß ein symbolischer Akt", meinte Crocodile. "Würdest du mich weniger lieben oder mich in schlechten Zeiten weniger gut unterstützen, wenn wir unverheiratet wären?"

"Natürlich nicht", lenkte Doflamingo sofort ein. "Aber es geht darum zu zeigen, dass man von nun an unwiderruflich zusammengehört. Durch die Hochzeitsfeier zeigt man es der Familie und den Freunden. Und durch den Ehering zeigt man es auch allen Fremden."

Crocodile zog eine Augenbraue hoch. "Beim Ehering geht es doch nicht darum fremden Menschen zu zeigen, dass man bereits in festen Händen ist."

"Klar geht es darum", entgegnete Doflamingo. "Jeder, der den Ring an meinem Finger sieht, weiß sofort, dass ich kein Interesse an irgendeiner Form von romantischer oder sexueller Begegnung habe. Es ist ein eindeutiges Symbol."

"Für mich symbolisiert mein Ehering meine Verbundenheit mit dir", erklärte Crocodile seinem Ehemann mit verärgerter Stimme. "Er ist doch kein Mittel um Singles abzuschrecken."

"Also ich werde jedenfalls deutlich weniger angeflirtet, seitdem ich meinen Ring trage", meinte Doflamingo schulterzuckend. "Du doch sicher auch, oder nicht?"

"Ging es dir bei unserer Hochzeit allein darum?" Crocodile warf seinem Sitznachbarn einen entsetzten Blick zu. "Dass du mich als dein Eigentum markierst und es niemand mehr wagt mich anzusprechen?"

"Du bist nicht mein Eigentum", widersprach ihm Doflamingo sofort. "Du bist mein Ehemann. Und ja, darauf bin ich stolz. Und ich möchte, dass jeder weiß, dass wir zusammengehören. Darum geht es bei einer Hochzeit: Allen klar zu machen, dass man eine feste und verbindliche Beziehung führt."

"Es ist wirklich schön zu hören, dass es dir bei unserer Hochzeit gar nicht um uns beide, sondern bloß um alle anderen Menschen gegangen ist!", zischte Crocodile mit zorniger Stimme. "Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mich sicher nicht darauf eingelassen!"

"Was willst du damit sagen?", gab Doflamingo nicht minder aufgebracht zurück. "Dass du es bereust mich geheiratet zu haben?!"

"Wenn eine Hochzeit für dich nur eine Veranstaltung ist, um allen zu zeigen, wer nicht mehr zu haben ist, dann ja!" Crocodile musste scharf bremsen, um nicht auf das Fahrzeug vor ihm aufzufahren. Er hatte sich so sehr in Rage geredet, dass er die rote Ampel nicht rechtzeitig wahrgenommen hatte. Verdammt, er musste sich unbedingt besser auf den Straßenverkehr konzentrieren. Niemand wusste besser als er wie übel Verkehrsunfälle ausgehen konnten.

"Aber deswegen heiratet man doch, oder nicht? Man lädt Gäste ein, man zieht sich schick an, man legt ein Gelübde ab... Das hat doch alles seinen Sinn, Wani!"

"Glaubst du, Franky und Robin haben aus diesem Grund geheiratet? Meinst du, er hat ihr bloß deshalb einen Heiratsantrag gemacht, um allen zu beweisen, was für einen tollen Fang er gemacht hat? Bist du ehrlich der Meinung, dass es bei dieser Feier heute allein darum ging?!"

"Nein, nicht allein darum", lenkte Doflamingo ein. Er schien endlich zu bemerken, dass er bei seinem Ehemann einen empfindlichen Nerv getroffen hatte. "Aber es ist sicher auch ein Mitgrund. Immerhin ist Robin eine sehr hübsche, junge Frau."

"Ach, und wenn sie alt und unattraktiv wäre und Franky sie nur aufgrund ihres Charakters lieben würde, dann hätte er sich mit dem Antrag noch Zeit lassen können?!"

"So meine ich das doch gar nicht!"

"Wie meinst du es denn dann? Für mich hört es sich so an als wäre eine Ehepartner für dich nichts als eine Trophäe!"

"Wenn ein Ehepartner für mich bloß eine Trophäe wäre, hätte ich nicht dich, sondern ein zwanzigjähriges Supermodel aus gutem Hause geheiratet!"

Crocodile legte eine Vollbremsung hin, hielt am rechten Fahrbahnrand an und warf Doflamingo einen Blick zu, der so durchdringend und hasserfüllt war, dass er jeden anderen Menschen sofort in die Flucht geschlagen hätte. Er konnte nicht fassen, was sein Ehemann da gerade eben von sich gegeben hatte hatte. Noch niemals zuvor hatte Doflamingo ihn dermaßen beleidigt.

"So habe ich das nicht gemeint! Ich... Crocodile, das musst du mir glauben! Ich wollte damit nur sagen, dass..."

"Steig aus!", brüllte Crocodile ihn mit lauter und zorniger Stimme an. Wut breitete sich wellenförmig und heiß in seinem ganzen Körper aus. Er konnte gar nicht mehr klar denken.

"Crocodile, ich..."

"Steig. Sofort. Aus. Meinem. Auto. Aus!" Seine Worte ließen keinen Platz für Interpretationen.

Doch Doflamingo wäre nicht Doflamingo gewesen, wenn er nicht trotzdem versuchen würde mit ihm zu diskutieren. "Ich will gar kein blödes Model haben", versuchte sein Ehemann ihm zu erklären. "Ich war schon mit so einigen Models zusammen. Und niemand war so klug und interessant und..."

Weil Doflamingo nicht aufhörte zu reden, aber Crocodile dessen Worte nicht anhören wollte, drehte er die Situation kurzerhand um. Nach einem kurzen Blick in den Seitenspiegel öffnete er die Fahrertür und stieg selbst aus. Mit vor Zorn zitternden Fingern stapfte Crocodile einfach in irgendeine Richtung los. In der Dunkelheit sah sowieso alles gleich aus.

Es dauerte nicht lange, da hörte er, wie auch die Beifahrertüre geöffnet und lautstark wieder zugeschmissen wurde. Hastig lief Doflamingo ihm hinterher. Crocodile beachtete ihn gar nicht.

"Warte bitte! Crocodile! Es tut mir leid!" Schnell hatte Doflamingo ihn eingeholt und lief neben ihm her, während er versuchte auf ihn einzureden.

"Ich wollte sagen, dass ich dich nicht als meine Trophäe betrachte. Du bist nicht irgendein Preis, den ich gewonnen habe. Ich liebe dich! Und deshalb habe ich dich geheiratet!"

"Ist mir egal!", zischte Crocodile ohne sich seinem Partner zuzuwenden. "Verpiss dich, du verdammter Wichser! Ich will dich nicht sehen!"

"Jetzt reagier doch nicht gleich so über!", meinte Doflamingo mit angenervt klingender Stimme. "Du weißt, wie ich das gemeint habe!"

Nun blieb Crocodile tatsächlich stehen. Er presste die Zähne aufeinander und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen, während er seinem Ehemann mit wütender Miene fixierte. "Ich weiß ganz genau, wie du das gemeint hast! Dass ich dankbar sein sollte! Wie großzügig es von dir ist ausgerechnet mich geheiratet zu haben! Immerhin bist du in die Oberschicht hineingeboren worden! Ein stinkreicher, gutaussehender Mann mit adliger Abstammung! Und ich bin bloß irgendein Typ mit nur einer Hand und einer Narbe im Gesicht, der sich hochgearbeitet hat! Ich sollte dir jeden Morgen die Füße küssen, weil du gnädig genug gewesen bist ausgerechnet mich auszusuchen!"

Doflamingo hatte einen schockierten Gesichtsausdruck aufgesetzt. "Das stimmt nicht!", beteuerte er sofort. "Das stimmt nicht und das weißt du! Ich habe nie auf dich herabgesehen! Ich habe dich immer bewundert!"

Crocodile ignorierte seinen Ehemann, machte auf dem Absatz kehrt und lief in irgendeine andere Richtung. Doflamingo trottete im hinterher wie ein verlorener Hundewelpe und redete unaufhörlich auf ihn ein.

"Du bist wunderschön! Deine Narbe und deine Hand sind nie ein Problem für mich gewesen. Ich habe mich sofort in dich verliebt! Erinnerst du dich nicht mehr? Ich habe dich direkt nach unserem Geschäftsessen um ein Date gebeten. Das hätte ich nie getan, wenn ich dich nicht attraktiv gefunden hätte!"

Crocodile ging einfach weiter ohne Doflamingo Beachtung zu schenken. Es war dunkel und er hatte keine Ahnung, wo sie sich eigentlich befanden, aber das war ihm im Moment egal. Er konnte gar nicht mehr klar denken vor Wut.

"Mich hat es auch nie gestört, dass du aus der Mittelschicht stammst! Habe ich mich jemals herablassend dazu geäußert? Verdammt, ich weiß nicht mal, welche Jobs deine Eltern gehabt haben! Weil es für mich gar keine Bedeutung hat! Du hast hart für deine Position und dein Geld gearbeitet! Das ist etwas, worauf man stolz sein kann, Crocodile!"

Gerade als Crocodile sich umdrehte, um zu einer wütenden Erwiderung anzusetzen, verlor er plötzlich den Boden unter den Füßen. Wortwörtlich. Mit einem Schrei, der deutlich unmännlicher klang als er jemals zugeben würde, schlitterte er einen steilen Hang hinab. Er versuchte sein Gleichgewicht zu halten, doch scheiterte kläglich. Schlussendlich landete er unten im Dreck. Greller Schmerz breitete sich ausgehend von seinem rechten Knöchel in seinem Bein aus.

Am liebsten wäre Crocodile in Tränen ausgebrochen. Nicht wegen dem schmerzenden Fuß, sondern aus Scham und Wut. Verdammt. Als wären Doflamingos Worte nicht erniedrigend genug für einen Abend gewesen. Nun saß er auch noch mit dreckiger Kleidung und einem heiß pochendem Knöchel zwischen ein paar Bäumen und Sträuchern fest.

Hinter sich konnte er etwas Rascheln und Rutschen hören. Es war zu dunkel, um konkrete Formen zu erkennen, aber er vermutete, dass es sich um seinen Ehemann handelte. Doflamingo stieg vorsichtig den Hang hinab und hielt nach ihm Ausschau. "Crocodile? Crocodile, wo bist du? Ist alles in Ordnung?"

Als ebenjener nicht antwortete, holte Doflamingo sein Handy hervor und schaltete die Taschenlampen-Funktion ein. Der grelle Lichtstrahl blendete Crocodile, der nur wenige Schritte entfernt auf dem mit Erde und Laub bedeckten Boden saß.

Sein Ehemann hastete sofort zu ihm herüber. "Oh, scheiße, Crocodile! Hast du dir wehgetan?"

"Lass mich in Ruhe!", zischte Crocodile, doch selbst in seinen Ohren klangen die Worte jämmerlich. Er fühlte sich schrecklich gedemütigt – sowohl von Doflamingos Worten als auch dem peinlichen Sturz. Sein schmerzender Knöchel tat das Übrige.

"Jetzt lass deinen Stolz wenigstens mal für fünf Minuten außen vor", ermahnte ihn Doflamingo. "Kannst du aufstehen?" Er versuchte ihm aufzuhelfen, doch Crocodile schüttelte seine Hände sofort mit aller Gewalt ab.

"Ich will deine Hilfe nicht!", zischte er und versuchte stattdessen sich allein aufzurichten. Wenn man bloß eine Hand hatte, mit der man sich abstützen konnte, und man noch dazu lediglich ein Bein belasten konnte, gestaltete sich das schwieriger als man vermuten würde. Crocodile fiel es sehr schwer das Gleichgewicht zu halten. Als er vorsichtig versuchte mit seinen rechten Fuß aufzutreten, musste er sich auf die Unterlippe beißen, um nicht vor Schmerz aufzuschreien.

Verdammt! Verdammt, verdammt, verdammt! Warum nur musste eine Erniedrigung gleich der nächsten folgen? Waren die Beleidigungen, die er sich hatte anhören müssen, nicht genug gewesen? Nun saß er hier unten auch noch mit einem verletzten Knöchel fest!

Verunsichert blickte Crocodile zu dem Hang hinüber, den er eben unfreiwillig heruntergerutscht war. Im Licht von Doflamingos Handy-Taschenlampe konnte er ein paar Baumwurzeln ausmachen, die aus der mit dichtem Laub bedeckten Erde ragten. Bestimmt könnte er sich daran festhalten, während er die Steigung erklomm.

Crocodile presste die Zähne fest aufeinander und humpelte mehr schlecht als recht in ebenjene Richtung. Doflamingo folgte ihm sofort.

"Halt dich an mir fest", sagte sein Ehemann und drängte sich ihm erneut auf.

Crocodile schlug den Arm, den Doflamingo um seine Schultern legen wollte, energisch fort. "Ich habe gesagt, ich will deine Hilfe nicht!", meinte Crocodile und warf ihm einen wütenden Blick zu.

Doflamingo musterte ihn mit entgeisterter Miene. "Das ist doch nicht dein Ernst! Crocodile, du bist verletzt! Du kannst kaum stehen! Komm, ich helfe dir hoch und dann fahre ich dich ins Krankenhaus!"

"Ich lasse mir sicher nicht von dir helfen, nachdem du dich mir gegenüber so herablassend verhalten hast", erklärte Crocodile ihm.

"Du und deine gottverdammte Sturheit!", schimpfte Doflamingo. "Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Ich kann verstehen, dass du es als beleidigend empfunden hast. So habe ich es nicht gemeint." Er atmetete einmal tief ein und aus, ehe er seinen Blick über Crocodiles Sillhouette gleiten ließ. "Aber das hier ist sowieso eine ganz andere Sache. Du bist verletzt! Ohne meine Unterstützung kommst du doch gar nicht wieder hinauf zur Straße. Mir ist klar, dass es dir unangenehm ist gerade jetzt Hilfe von mir anzunehmen. Es gibt aber nun einmal keine Alternative."

"Ich klettere allein hoch", meinte Crocodile mit energischer Stimme.

"Mit nur einer Hand? Und mit einem verletzten Fuß?" Doflamingos Stimme klang in seinen Ohren höhnisch.

"Ich glaube, mein Knöchel ist gebrochen", erklärte er seinem Ehemann. "Aber ich kann meinen Fuß bewegen und belasten. Ich halte mich an den besonders steilen Stellen einfach an den Baumwurzeln fest. Dann schaffe ich es bis nach oben."

"Das werde ich ganz sicher nicht zulassen", sagte Doflamingo und baute sich mit verschränkten Armen vor ihm auf. Obwohl es sich bei Crocodile selbst um einen großen Mann handelte, überragte ihn sein Ehemann noch einmal um ein gutes Stück. "Du hältst dich jetzt gefälligst an mir fest. Du kletterst mit meiner Hilfe den Hang hinauf. Und dann fahre ich dich ins Krankenhaus. Basta."

Er versuchte erneut einen Arm um ihn zu legen, doch Crocodile wand sich aus dem Griff heraus. Als er dabei das Gleichgewicht verlor und wieder auf dem Boden landete, krabbelte er auf allen Vieren davon. Seinen schmerzenden Knöchel ignorierte er bestmöglich.

"Was ist denn bloß mit dir los?" Doflamingo hörte sich verzweifelt an. "Du bist doch sonst immer so rational, Crocodile! Siehst du denn nicht, dass es im Augenblick einfach keine andere Möglichkeit gibt? Sei bitte vernünftig. Ich will dich nicht demütigen. Ich will dir doch bloß helfen!"

Für Crocodile gab es zwischen diesen beiden Wörtern keinen Unterschied, doch das schien sein Ehemann nicht zu begreifen. Er war ein stolzer Mensch. Eher verbrachte er hier die ganze Nacht allein, bevor er sich beim Klettern von diesem elendigen Mistkerl stützen ließ.

Leider kam er auf allen Vieren nicht sonderlich weit. Doflamingo holte ihn ein, beugte sich über ihn und packte ihn von hinten. Crocodile schrie panisch auf. Er schlug nach seinem Ehemann, versuchte ihn zu beißen, trat nach ihm -auch mit seinem verletzten Fuß-, doch er ließ nicht von ihm ab. Fest wie ein Schraubstock hielt Doflamingo ihn umklammert. Crocodile konnte sein Gewicht und seine Körperwärme spüren. Es fühlte sich erdrückend an.

Crocodile schrie und tobte. Er weinte sogar. Heiß und schwer brachen die Tränen aus ihm heraus. Er spürte, wie sie über seine Wangen liefen, und dieses Gefühl beschämte ihn. Er fühlte sich ausgeliefert. Schluchzend brach er auf dem Boden zusammen. Er vergrub sein Gesicht in seiner Armbeuge, damit sein Ehemann sein tränennasses Gesicht nicht sah.

"Ich kann mir nicht vorstellen, wie schwer es für dich sein muss", hörte er Doflaming mit bewusst ruhiger, langsamer Stimme sprechen. "Ich weiß, du bist stolz und stur. Du gibst niemals auf. Du hast in deinem Leben schon viele Situationen erlebt, an denen Andere zerbrochen wären. Du hast sie mit deiner Stärke und deinem Durchhaltevermögen gemeistert. Wenn du nicht so stolz und stur wärst, dann wärst du entweder längst tot oder geisteskrank. Aber das bist du nicht. Weil du ein Kämpfer bist."

Crocodile spürte, dass er ruhiger wurde. Er entspannte sich ein wenig in Doflamingos Griff. Sein Kopf wurde wieder etwas klarer.

"Ich bin dein Ehemann. Und weißt du, was das bedeutet? Es bedeutet, dass du nicht mehr allein kämpfen musst. Ich bin bei dir. Und du musst auch deine Tränen nicht vor mir verstecken. Ich würde dich niemals demütigen. Nicht wegen deiner Narbe, nicht wegen deiner Hand, nicht wegen deiner Herkunft, nicht wegen deinen Tränen. Das bedeutet unsere Hochzeit für mich." Doflamingo schwieg für eine Weile, ehe er mit fester Stimme hinzufügte: "Ich werde dich jetzt loslassen. Du wirst dir von mir helfen lassen. Beim Aufstehen, beim Laufen und beim Klettern. Du wirst dich von mir in ein Krankenhaus fahren lassen. Hast du das verstanden?"

"Ja." Crocodiles Stimme klang heiser. Sein Hals schmerzte und er bekam nur schlecht Luft.

Vorsichtig löste sich sein Ehemann von ihm. Er konnte Doflamingos angespannten Blick auf sich spüren. Er schien jederzeit dazu bereit zu sein ihn wieder zu packen und zu Boden zu drücken, wenn es notwendig sein sollte.

Crocodile wischte sich mit dem Hemdsärmel übers nasse Gesicht und streckte dann seine Hand aus. Doflamingos Gesichtszüge wurden weich. Vorsichtig griff er nach seiner Hand und half ihm auf die Beine. Crocodile zitterte am ganzen Körper. Sein Knöchel schmerzte schrecklich.

Doflamingo legte seinen Arm um seine Schultern. Crocodile hielt sich an ihm fest. Gemeinsam gingen sie zum Hang hinüber. Mit der Hilfe seines Ehemannes gelangte Crocodile wieder hinauf auf die Straße. In einigen hundert Metern Entfernung konnte er seinen Mercedes C 220 BlueTEC Exclusive ausmachen. Sie waren gar nicht weit gekommen.

Doflamingo hievte ihn auf den Beifahrersitz und setzte sich selbst hinters Steuer. Erschöpft musterte Crocodile seine verdreckte und kaputte Kleidung. In einer mühsamen Bewegung zog er sein rechtes Hosenbein hoch und begutachtete seinen Knöchel. Er war extrem stark angeschwollen und dunkel verfärbt.

"Sieht so aus als wäre dein Sprungegelenk gebrochen", hörte er Doflamingo sagen, während dieser den Wagen startete.

"Was bedeutet das?"

"Im schlimmsten Fall darfst du den Fuß sechs Wochen lang überhaupt nicht belasten. Und wenn der Knochen nicht in genau der richtigen Position wieder zusammenwächst, wirst du um eine Operation nicht herumkommen, befürchte ich."

Crocodile ließ den Stoff wieder über die Verletzung gleiten und schloss seine Augen.

"Tut mir leid", hörte er Doflamingo sagen. "Das mit deinem Knöchel. Und vor allem, dass ich dich gepackt und gegen deinen Willen festgehalten habe. Ich weiß ja, dass früher... Mit Enel... Ich habe mir immer geschworen, dass ich dich niemals grob anfassen werde. Ich habe keinen Ausweg gesehen, aber trotzdem war es nicht richtig dich mit Gewalt auf den Boden zu drücken. Es muss beängstigend für dich gewesen sein."

"Ist schon gut", erwiderte Crocodile müde. "Ich war nicht bei klarem Verstand. Es ist wie du gesagt hast: Es gab keine Alternative."
 

Crocodile fühlte sich in Krankenhäusern grundsätzlich nicht wohl. Die Tatsache, dass seine schicke Kleidung völlig verdreckt und seine Augen vom Weinen immer noch gerötet waren, trugen nicht gerade dazu bei diesen Besuch angenehmer zu gestalten.

Doflamingo hatte ihn in die Miracle-Sakura-Klinik gebracht; ihm gehörte das Krankenhaus und daher wurde Crocodile unverzüglich behandelt.

Der diensthabende Arzt, ein junger Mann mit freundlichem Gesicht, schaute sich seinen malträtierten Knöchel an. Dr. Chopper, Assistenzarzt, stand auf seinem Namensschildchen. Behutsam tastete er seinen Fuß ab.

"Wir werden ein Röntgenbild vom gesamten Unterschenkel inklusive Knie anfertigen", erklärte Dr. Chopper ihnen. Seine Stimme klang hell und warm. "Erst dann lässt sich mit Sicherheit sagen, wo genau und in welchem Umfang die Verletzung vorliegt."

"Warum reicht es denn nicht, wenn einfach bloß der Fuß geröntgt wird?", fragte Crocodile verwundert nach. "Die Verletzung befindet sich doch ganz eindeutig am Knöchel."

"Der Doktor wird schon wissen, was er tut", mischte sich Doflamingo mit ungeduldiger Stimme ein, ehe der junge Arzt die Chance bekam die Frage zu beantworten.

"Ist schon gut", meinte Dr. Chopper und lächelte unbekümmert. "Das ist für einen Laien eine berechtigte Frage. Es besteht die Möglichkeit, dass Sie sich einen sogenannten hohen Bruch des Wadenbeins zugezogen haben, Mister Donquixote. Um dies festzustellen, muss der gesamte Unterschenkel mit Knie geröntgt werden. Eine Fraktur des Sprunggelenks muss immer genau lokalisiert werden. Je nachdem, auf welcher Höhe das Wadenbein gebrochen ist und inwiefern die Syndesmose beeinträchtigt worden ist, wird die Verletzung nämlich auf unterschiedliche Art und Weise therapiert."

Crocodile hatte keine Ahnung, worum es sich bei der Syndesmose handelte, aber es war ihm unangenehm danach zu fragen. Er wollte sich nicht schon wieder mit seinen Bildungslücken blamieren. Stattdessen fragte er mit besorgter Stimme : "Muss mein Fuß denn operiert werden?"

"Das kann ich erst nach der Analyse der Röntgenbilder beurteilen", erklärte ihm Dr. Chopper. "Handelt es sich um eine Weber-A-Fraktur, also eine Fraktur unterhalb der Syndesmose, reicht in der Regel eine konservative Behandlungsmethode aus. Bei einer Weber-B-Fraktur kann nur dann eine Operation vermieden werden, wenn es sich bei einem Bruch mit sauberen Enden handelt. Bei einer C-Fraktur, also wenn sich der Bruch oberhalb der Syndesmose befindet, kommt ausschließlich eine operative Behandlung infrage. Wir werden sofort die Röntgenbilder anfertigen lassen und dann entscheiden, ob in Ihrem Fall eine OP infrage kommt oder nicht."

Das hörte sich nicht gerade vielversprechend an, dachte Crocodile missmutig. Er hoffte inständig, dass er um eine Operation herumkommen würde.

"Sollte es sich um eine Fraktur handeln, die operativ behandelt werden muss", mischte sich nun Doflamingo ein, "wann würde die OP stattfinden? Gleich sofort?"

Dr. Chopper nickte. "Grundsätzlich wird eine OP in den ersten sechs Stunden nach Auftreten der Verletzung angestrebt, da die Schwellung dann in der Regel noch recht gering ist", erklärte er. Dann fügte er plötzlich noch hinzu: "Mr. Donquixote, Ihr Ehemann wirkt ziemlich aufgewühlt. Vielleicht möchten Sie ihm ein Getränk oder einen kleinen Snack bringen? Den Gang runter auf der rechten Seite gibt es einen Automaten."

Das war keine schlechte Idee. "Eine Flasche Wasser", erwiderte Crocodile mit matter Stimme auf Doflamingos fragenden Blick hin. Doflamingo nickte und machte sich auf den Weg, um seinen Wunsch zu erfüllen.

Kaum hatte er den Raum verlassen, ließ Dr. Chopper seinen besorgten Blick über Crocodiles lädierte Kleidung und seine geröteten Augen schweifen. "Hat er etwas damit zu tun? Ihr Ehemann?", fragte er ohne Umschweife.

"Was? Wie kommen Sie darauf?", gab Crocodile verdutzt zurück. Mit einer solchen Unterstellung hatte er absolut nicht gerechnet gehabt. Nun wurde ihm auch klar, wieso Dr. Chopper Doflamingo praktisch weggelockt hatte.

"Ich habe Ihre Krankenakte überflogen", antwortete ihm der junge Arzt. "Sie sind schon mehrmals wegen ziemlich verdächtigen Vorfällen in medizinischer Behandlung gewesen. Knochenbrüche, Gehirnerschütterungen, Vergiftung mit Narkosemitteln... Brauchen Sie Hilfe? Wir haben hier im Krankenhaus die Möglichkeit Sie..."

"Doflamingo hat damit nichts zu tun!", unterbrach Crocodile ihn sofort, um seinen Ehemann in Schutz zu nehmen und Dr. Choppers Sorge zu zerstreuen. "Ich hatte früher mal einen ziemlich üblen Partner, das stimmt... Aber das ist lange her. Über zehn Jahre. Mindestens. Doflamingo würde mir niemals etwas antun."

Der junge Assistenzarzt erweckte keinen überzeugten Eindruck. "Dass Ihnen eine -übrigens extrem seltende und sehr stark wirkende- Vergewaltigungsdroge verabreicht wurde, ist noch nicht lange her", hielt er dagegen. "Das war vor etwa fünf Jahren, wenn ich mich nicht täusche."

"Ich bin auf meinen Ex getroffen", versuchte Crocodile die Situation zu erklären, doch er spürte, dass ihm der Assistenzarzt nicht glauben wollte. "In einem Nachtclub. Das war nicht Doflamingo."

"Ich kenne Menschen wie deinen Ehemann", erklärte Dr. Chopper mit ernster Stimme. "Reiche Männer, die meinen, sie würden über dem Gesetz stehen und könnten sich alles erlauben. Sie spenden Geld an die Klinik, damit die Ärzte, die ihre Partner behandeln, schweigen. Aber ich bin eine andere Sorte Arzt. Ich arbeite hier, weil ich den Leuten wirklich helfen möchte. Also bitte, Crocodile, glaub mir: Wenn du misshandelt wirst, sprich mit mir. Es gibt Möglichkeiten, um dich zu schützen. Auch vor einer so mächtigen und reichen Person wie deinem Ehemann."

"Ich schätze Ihren Einsatz, Doktor", antwortete Crocodile. "Wirklich, das tue ich. Aber hier liegen Sie völlig falsch. Es ist wirklich nur ein Unfall gewesen, so wie wir es Ihnen beschrieben haben."

Kaum hatte er zu Ende gesprochen, öffnete sich die Türe zum Untersuchungsraum und Doflamingo trat ein. In der Hand hielt er eine kleine Flasche stilles Mineralwasser.

"Wir bringen Sie gleich sofort zum Röntgen, Mr. Donquixote", sagte Dr. Chopper, ohne einem von ihnen ins Gesicht zu schauen.
 

Crocodile hatte sich eine Weber-A-Fraktur mit unverschobenem Bruch zugezogen, sodass eine Operation nicht notwendig war. Leider würde er mindestens sechs Wochen lang einen Walker tragen und sein Bein schonen müssen. Eigentlich war es bloß eine kleine Einschränkung, aber ohne linke Hand und mit verletztem rechtem Fuß kam er sich vor wie ein Invalider.
 

Law und Kid, die am nächsten Wochenende bei ihnen zu Besuch waren, beäugten seinen Walker skeptisch.

"Sind das die Neuigkeiten, die ihr uns mitteilen wolltet?", fragte Kid mit hochgezogener Augenbraue. "Dass Crocodile sich das Bein gebrochen hat?"

"Nein, natürlich nicht", gab Crocodile sofort irritiert zurück. Er stand vom Sofa auf, um seine beiden Freunde zu begrüßen, und erntete von Doflamingo sofort einen missbilligenden Gesichtsausruck. Sein Ehemann nahm Dr. Choppers Anweisung, den Fuß so wenig wie nur möglich zu belasten, sehr ernst und sah es daher nicht gerne, wenn Crocodile aufstand oder sogar umherlief.

"Was ist passiert?", wollte Law wissen und setzte sich ihm gegenüber in einen Sessel.

"Nichts Dramatisches", gab Crocodile zurück. Ihm war die ganze Sache ziemlich unangenehm. "Ich bin ausgerutscht und habe mir eine Fraktur des Sprungegelenks zugezogen."

"Welche Weber-Klassifikation ist das?", hakte Law sofort neugierig nach. "Liegt eine Syndesmosenverletzung vor?"

Crocodile rollte genervt mit den Augen. "Arzt durch und durch, hm?", zog er Law auf und nahm einen Schluck von dem Glas Wasser, das sein Partner ihm anreichte. "Es ist eine Weber-A-Fraktur. Aber eigentlich haben Doflamingo und ich euch eingeladen, um euch etwas ganz Anderes mitzuteilen. Etwas Positives."

Sofort wurden Kid und Law hellhörig und musterten ihn mit aufgeregten Mienen. Crocodile, der eigentlich nur sehr selten von Nervosität betroffen war, spürte plötzlich, dass sein Mund wie ausgetrocknet war. Er versuchte ein wenig Speichel unter seiner Zunge hervorzukramen, doch konnte keinen finden. Wie ein Idiot starrte er seine beiden Freunde an, ohne ein Wort hervorzubringen.

Zum Glück schritt Doflamingo ein. "Wani und ich haben beschlossen, dass wir Eltern werden möchten", verkündete er freudestrahlend.

Law und Kid könnten nicht unterschiedlicher reagieren: Während Law breit lächelnd die Hände zusammenklatschte, fielen Kid vor Entsetzen beinahe die Augäpfel heraus.

"Ich freue mich für euch", meinte Law. "Wisst ihr schon, wie ihr es machen wollt? Möchtet ihr adoptieren?"

"Wir haben uns für Leihmutterschaft entschieden", erklärte ihm Doflamingo mit stolzer Stimme. "Eine Leihmutter, Rebecca Riku, ist dabei unsere Kinder auszutragen. Sie ist jetzt in der sechzehnten Woche."

"Kinder", meldete sich nun auch Kid zu Wort. Er hatte immer noch einen total entgeisterten Gesichtsausdruck aufgesetzt. "Wie viele bekommt ihr denn?"

"Es werden Zwillinge", sagte Doflamingo. "Zweieiige Zwillinge."

"Herzlichen Glückwunsch! Ich wusste, dass du eines Tages Vater werden würdest", meinte Law. "Du hast immer davon geredet, dass du irgendwann Kinder haben willst. Ist nur eine Frage der Zeit gewesen."

"Also, ich bin ziemlich überrascht", gab Kid zu. "Ich meine... Das ist super, wenn ihr euch Kinder wünscht. Es ist nur... Irgendwie habe ich nicht damit gerechnet. Immerhin seid ihr beide, naja... Männer eben."

"Was hat es damit zu tun, dass sie Männer sind?", hakte Law sofort nach. Er schien Kids Reaktion nicht nachvollziehen zu können. "Es können doch auch Männer einen Kinderwunsch haben."

"Schon...", lenkte Kid ein. "Aber meistens sind es ja doch die Frauen, die Kinder möchten und die Männer machen halt eben mit. Das ist jedenfalls meine persönliche Erfahrung."

"Ich finde das total sexistisch", beschwerte sich Law bei ihm. "Väter lieben doch ihre Kinder genauso wie Mütter."

"Ich habe ja nicht behaupetet, dass der Vater das Kind nicht liebt, wenn es dann auf der Welt ist", versuchte Kid seinen Partner zu beschwichtigen. "Nur dass die Idee meistens von den Frauen kommt. Und die Männer wachsen halt eben in die Rolle hinein. Es beibt ja auch eigentlich immer die Mutter Zuhause, um sich um die Kinder zu kümmern, und der Vater geht weiter zur Arbeit und kriegt nicht so viel mit."

Dieser Einwand ließ Law aufhorchen. "Wie werdet ihr das lösen?", fragte er interessiert nach. "Ihr seid beide Spitzenverdiener... Von euch wird doch sicher keiner seine Arbeit aufgeben, oder? Stellt ihr eine Nanny ein?"

"Crocodile wird Zuhause bleiben, um sich um die Kinder zu kümmern", sagte Doflamingo.

Nun war es Law, der tellergroße Augen bekam. "Crocodile?", wiederholte er mit nahezu entsetzt klingender Stimme. "Unser Crocodile? Unser Workaholic? Der Toms Workers jedes Jahr zu einem Riesenerfolg macht? Ehrlich?"

"Ehrlich", gab Crocodile zischend zurück. Verärgert kreuzte er den Blick mit seinem Gegenüber. Traute Law es ihm etwa nicht zu, sich um zwei Säuglinge zu kümmern?

"So habe ich es nicht gemeint", lenkte Law sofort ein. "Diese Nachricht kommt nur sehr überraschend. Du bist doch immer so gerne arbeiten gegangen. Ich meine... Ja, du hattest erzählt, dass du dich bei Toms Workers in letzter Zeit langweilst, aber ich hätte nicht erwartet, dass du gleich deinen Job hinschmeißen würdest."

"Ich finde es logisch", schaltete sich Kid erneut ein. "Warum sollte Crocodile bei Toms Workers bleiben, wenn er es blöd dort findet? Bevor man versauert, sollte man seine Situation ändern."

"Ich habe mich nicht dafür entschieden Vater zu werden, bloß weil mich meine Arbeit angefangen hat zu langweilen", verteidigte Crocodile seinen Kinderwunsch sofort. "Ich habe einfach gemerkt, dass ich inzwischen bereit bin für ein Kind bin."

"Für zwei Kinder", korrigierte ihn Law.

"Wir konnten ja nicht ahnen, dass wir Zwillinge bekommen würden", erwiderte Crocodile augenrolled.

"Ist dann ein Kind von dir und eins von Doflamingo?", fragte Kid mit neugieriger Miene nach.

Crocodile schüttelte den Kopf. "Es sind beides meine leiblichen Kinder", erklärte Crocodile ihm.

"Also habt ihr nur dein Sperma verwendet? Oder ist das einfach bloß Zufall?"

Diese Frage empfand Crocodile, bei dem es sich grundsätzlich um einen eher prüden Menschen handelte, als sehr persönlich und unangemessen. Trotzdem beantwortete er sie wahrheitsgemäß: "Mir ist es wichtig, dass die Kinder mit mir verwandt sind. Deswegen haben wir nur meine... meine Samenzellen verwendet." Er brachte den Begriff Sperma nicht über seine Lippen; das erschien ihm zu vulgär.

Aus irgendeinem Grund nahm ihm Law seine Antwort übel. "Und wieso ist es dir so wichtig, dass es deine biologischen Kinder sind? Warum habt ihr eigentlich nicht adoptiert? Es gibt wahnsinnig viele Kinder, die in Waisenhäusern darauf warten adoptiert zu werden! Sind diese Kinder nicht gut genug, weil sie nicht mit dir verwandt sind?"

"W-was?" Es kam nicht häufig vor, dass Crocodile nicht wusste, wie er auf eine verbale Attacke reagieren sollte. Aber jetzt gerade war er so überrascht von Laws Reaktion, dass er nicht dazu in der Lage war eine sinnvolle Antwort zu formulieren.

"Law, beruhige dich!" Es war Doflamingos ungewöhnlich harsch klingende Stimme, die Crocodile zurück auf den Erdboden holte. "Du hast kein Recht Crocodile irgendwelche Vorwürfe zu machen. Unsere Kinder haben nichts mit dem zu tun, was damals mit Lamy passiert ist. Okay?"

Law senkte den Blick. Plötzlich war jegliche Anspannung aus seinem Körper verschwunden. Er atmete einige Male tief ein und aus, ehe er in einem relativ ruhigen Tonfall erwiderte: "Du hast Recht, Doffy. Tut mir leid, Crocodile, ich wollte dich nicht angreifen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist."

"Wer ist Lamy?", hakte Crocodile irritiert nach. Er verstand überhaupt nicht, was hier vor sich ging.

"Laws kleine Schwester", erklärte ihm Kid, der zu Law hinüber gegangen war und und eine Hand auf seine Schulter gelegt hatte.

"Du hast eine Schwester?" Das hatte Crocodile gar nicht gewusst. Obwohl sie sich seit Jahren kannten, hatte Law nie zuvor von ihr erzählt.

"Es ist ein ziemlich sensibles Thema", sagte Doflamingo ausweichend.

"Was haltet ihr davon, wenn wir nach draußen auf die Terasse gehen und ein bisschen frische Luft schnappen?", schlug Kid vor, um die angespannte Situation aufzulockern. "Crocodile, kannst du laufen?"
 

"Was ist mit Lamy passiert?", wollte Crocodile sofort wissen, nachdem ihre beiden Gäste sich auf den Heimweg gemacht hatten.

"Du solltest dich hinsetzen", erwiderte Doflamingo ausweichend. "Der Arzt hat gesagt, du musst deinen Knöchel so gut wie möglich schonen."

Doch so leicht ließ Crocodile sich nicht abwimmeln. "Law hat nie von ihr gesprochen", bohrte er nach.

Sein Ehemann zögerte für einen Moment, ehe er schließlich klein beigab und ihm erklärte: "Lamy ist Laws kleine Schwester gewesen.Vielleicht hast du davon gehört, dass vor über zwanzig Jahren das Waisenhaus in Frevance abgebrannt ist?" Natürlich hatte er davon gehört. Diese Tragödie war damals durch alle Medien gegangen. "Sie ist in diesem Feuer ums Leben gekommen. Law hatte an diesem Tag Nachmittagsunterricht in der Schule; deswegen war er nicht dort, als das Feuer ausbrach."

"Oh mein... Ich..." Crocodile war fassungslos. "Das ist ja schrecklich! Das wusste ich gar nicht. Das hat er nie erzählt." Er wollte sich gar nicht ausmalen, wie es ihm gehen würde, wenn Mihawk oder Hancock bei einem Brand ums Leben gekommen wäre.

"Law redet eigentlich nie darüber", sagte Doflamingo. "Ehrlich gesagt wundert es mich sogar, dass Kid wusste, wer Lamy ist."

"Moment mal... Warum sind Law und seine Schwester überhaupt in einem Waisenhaus gewesen?"

"Ihre Eltern sind bei einem Raubüberfall erschossen worden."

"W-was...? Seine Eltern sind erschossen worden? Seine kleine Schwester stirbt bei einem Brand im Waisenhaus? Und später... ist dann auch noch sein fester Freund bei einem Autounfall gestorben?"

Doflamingo nickte. "Law hat es wirklich sehr, sehr schwer in seinem Leben gehabt. Deswegen verzeih ihm bitte diesen Vorwürfe, die er dir gemacht hat. Es ist absolut okay, dass du gerne leibliche Kinder haben möchtest. So wie Millionen andere Menschen auch. Er hat kein Recht dich deswegen anzugreifen."

An diesen Vorfall hatte Crocodile gar nicht mehr gedacht gehabt. In Gedanken war er bei Law und seiner tragischen Vergangenheit.

"Er ist ein wahnsinnig starker Mensch", meinte er. "Kaum zu glauben, dass ein einziger Mensch so viele Schicksalsschläge ertragen kann, ohne daran zu zerbrechen. Andere wären in seiner Siuation ein seelisches Wrack."

"In dieser Hinsicht seid ihr euch sehr ähnlich", stellte sein Ehemann fest. "Ihr beide steht immer wieder auf, egal wie sehr euch das Leben in die Knie zwingt. Das ist bewundernswert, finde ich."

"Du kannst meine Situation nicht mit Laws vergleichen", wandte Crocodile sofort kopfschüttelnd ein. "Ich meine... Aus meiner Familie ist niemand gestorben."

"Deine Mutter ist vor ein paar Monaten gestorben", erinnerte ihn Doflamingo.

"Das ist etwas ganz Anderes. Meine Mutter hat in meinem Leben schon lange überhaupt keine Rolle mehr gespielt", erklärte er ihm.

"Und du selbst bist auch einmal bei einem Unfall fast ums Leben gekommen. Deine Hand musste amputiert werden."

Crocodile winkte ab. "Das ist nicht so schlimm wie seine Familie zu verlieren. Immerhin hatte ich Mihawk, der sich um mich gekümmert hat. Law hatte überhaupt keinen mehr."

"Das Wichtigste ist, dass es euch inzwischen gut geht", beendete Doflamingo diese Diskussion. "Law ist nun schon seit einigen Jahren mit Kid zusammen und es läuft wirklich gut mit den beiden. Und du bist mit mir verheiratet und wir werden in ein paar Monaten sogar Eltern. Egal, was früher gewesen ist: Die Gegenwart sieht gut aus."
 

Am darauf folgenden Samstag verabredete Doflamingo sich erneut mit Reiju. Dieses Mal würden sie nur zu zweit unterwegs sein. Crocodile sagte dieser Umstand ganz und gar nicht zu, doch er hatte keine Möglichkeit einzugreifen.

"Wir wollen ins Einkausfzentrum", erklärte ihm sein Ehemann, der immer noch absolut davon überzeugt zu sein schien, dass die attraktive, junge Frau nichts als freundschaftliches Interesse an ihm zeigte.

"Du hättest mich wenigstens fragen können, ob ich mitkommen möchte", wandte Crocodile übellaunig ein. Er wusste, dass dieser Vorwurf unfair war. Immerhin ging er nur äußerst ungern shoppen; normalerweise musste Doflamingo ihn regelrecht ins Einkaufszentrum zwingen.

Obwohl Doflamingos Augen durch die getönten Gläser seiner Sonnenbrille verdeckt wurden, wusstt Crocodile, dass er mit den Augen rollte. "Klar", meinte er mit vor Ironie triefender Stimme, "ich nehme meinen Ehemann, der einen gebrochenen Knöchel hat und kaum laufen kann, mit auf eine Shoppingtour. Logisch."

Crocodile verzog den Mund. "Ich kann laufen", erwiderte er und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Dr. Chopper hat gesagt, du musst dein Bein ruhig halten", erinnerte ihn Doflamingo. Er nahm die Anweisungen von Ärzten grundsätzlich sehr ernst. "Und daran halten wir uns jetzt schon seit zwei Wochen strikt. Ich meine, wir haben im Moment ja nicht einmal Sex miteinander, um dich zu schonen. Es macht keinen Sinn jetzt alles aufs Spiel zu setzen, nur weil du eifersüchtig auf Reiju bist. Und mal ehrlich, was ist deine Befürchtung: Meinst du sie würde versuchen mich mitten im Einkaufszentrum zu verführen?"

Der Hinweis darauf, dass sie beide nun schon seit Wochen nicht mehr miteinander intim geworden war, half nicht dabei Crocodiles Eifersucht abzumildern. Ganz im Gegenteil. In den sechs Jahren, die Doflamingo und er nun schon verheiratet waren, hatten sie noch nie so viel Zeit miteinander verbracht ohne Sex zu haben. Und Crocodile wusste, dass es sich bei Doflamingo um einen Mann mit einem wahnsinnig stark ausgeprägten Libido handelte. Die Vorstellungen, dass sich sein sexuell völlig ausgehungerter Ehemann mit einer äußerst attraktiven Frau traf, behagte ihm daher ganz und gar nicht.

"Man kann auch trotz einer blöden Beinschiene... zusammen sein", wandte Crocodile murmelnd und mit abgewandtem Gesicht ein. "Ist ja nicht meine Schuld, wenn dir der Anblick zu unsexy ist."

"Was hast du gesagt?", hakte Doflamingo nach, der sein Gemurmel nicht richtig verstanden zu haben schien.

"Ich habe gesagt, dass es nicht meine Schuld ist, wenn du mich mit meiner Schiene nicht sexy genug findest", wiederholte Crocodile mit giftiger Stimme. Er spürte, dass heiße Wut in seinem Magen zu brodeln begann.

"Darum geht es doch gar nicht, du dämlicher Idiot", gab sein Ehemann spitz zurück.

"Nenn mich nicht einen Idioten!"

"Dann benimm dich nicht wie einer! Dass wir derzeit keinen Sex haben, liegt sicher nicht daran, dass ich dich nicht sexy genug finde! Wie kommst du bloß auf so einen Schwachsinn?!"

"Ich komme darauf, weil du mich seit über zwei Wochen schon nicht mehr angefasst hast!", gab Crocodile zischend zurück. "Wegen meiner Beinschiene!"

"Um dich zu schonen!", erwiderte Doflamingo, der inzwischen nicht minder aufgebracht wirkte. "Nicht, weil ich keinen Bock darauf hätte dich zu ficken!"

"Und das soll ich dir glauben?!" Crocodile verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und warf seinem Gegenüber einen abschätzenden Blick zu. "Dich hält doch sonst nie irgendetwas davon ab!"

Mit seinen Worten schien er einen Nerv getroffen zu haben. "Jetzt stell es nicht so hin als würde ich dich andauernd zum Sex drängen", gab Doflamingo mit leiser, angriffslustiger klingender Stimme zurück. Er rückte näher an Crocodile heran, beugte sich ein Stück zu ihm herunter unf fixierte ihn mit seinem Blick. Es war es außerirdisches Gefühl zu wissen, dass er von seinem Ehemann scharf angeschaut wurde, während ihm selbst nichts übrig blieb als zwei dunkle Brillengläser zu betrachten. Manchmal trieb es Crocodile regelrecht in den Wahnsinn, dass Doflamingo permanent eine Sonnenbrille trug. Er wünschte sich, dass er ihm in seine stechend grünen Augen blicken und die Wut darin erkennen könnte.

"Ich weiß, dass es dir schwer fällt Sex zu initiieren", fuhr Doflamingo fort. Seine Stimme klang messerscharf. "Du bist zwar ein erfolgreicher Manager und ein Mann, der auf andere Menschen einschüchternd wirken kann. Aber wenn es um Sex geht, wirst du plötzlich ganz klein. Du kannst ja nicht einmal darüber sprechen."

"Ich bin nicht verklemmt!", verteidigte Crocodile sich wütend. Es gefiel ihm nicht, dass Doflamingo ihn so herabsetzte. Dieses Verhalten war er von seinem Ehemann absolut nicht gewöhnt.

"Oh nein, ganz sicher nicht", erwiderte Doflamingo und präsentierte grinsend zwei Reihen absolut makelloser, weißer Zähne. "Du liebst Sex. Du fühlst dich nur dann wirklich wohl, wenn mein Schwanz bis zum Anschlag in dir steckt und dich vollkommen ausfüllt. Nach außen hin tust du so als wärst du prüde, aber in Wirklichkeit liebst du meinen Schwanz." Sein Ehemann, der fast einen Kopf größer als er war, rückte noch näher an ihn heran. Crocodile spürte Doflamingos warmen Atem auf seinem Gesicht. "Also tu nicht so als müsste ich dich zum Sex mit mir drängen. Ganz im Gegenteil: Ich merke, dass du mit jedem Tag, den du ohne mein Ding in dir verbringen musst, unruhiger wirst. Fufufufufufufufu."

Crocodile spürte, wie sein Gesicht plötzlich heiß wurde und sich Schamesröte auf seinen Wangen ausbreitete. Und als wäre die Situation nicht schon peinlich genug, begann sein Glied in seiner Hose steif zu werden. Verdammt!

"Als wärst du in dieser Hinsicht anders!", gab Crocodile schimpfend zurück. "Du bist fünfunddreißig, aber hast das Libidio eines Siebzehnjährigen! Tu nicht so als würde es dir leichter fallen als mir!"

"Es fällt mir nicht leicht", gestand Doflamingo. Er ging einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Crocodile musste mit viel Willenskraft dem Drang widerstehen, die Lücke aufzufüllen und näher an seinen Ehemann heranzurücken. Sein Glied war nun zu seiner vollen Größe aufgerichtet und er sehnte sich verzweifelt danach, dass Doflamingo es endlich in die Hand nehmen würde.

"Und warum hältst du dich dann zurück?"

"Ich möchte nicht, dass die Verletzung an deinem Fuß schlimmer wird", sagte er mit belegter Stimme. "Es ist meine Schuld, dass du mit diesem Walker herumlaufen musst. Das Geringste, was ich tun kann, ist dafür zu sorgen, dass du dich schonst."

"Es ist nicht deine Schuld", meinte Crocodile sofort und warf seinem Gegenüber einen verwunderten Blick zu. "Ich bin im Dunkeln einen Hang heruntergefallen. Wieso sollte das deine Schuld sein?"

"Wir haben uns vorher gestritten. Weißt du nicht mehr? Ich habe diese blöden Dinge gesagt... Ich kann dir gar keinen Vorwurf machen, dass du wütend geworden bist. Es ist meine Schuld, dass du dich verletzt hast."

Crocodile schüttelte den Kopf. Doflamingos Worte ergaben überhaupt keinen Sinn.

"Ich habe immer großen Wert darauf gelegt, dich niemals grob anzufassen", fuhr Doflamingo fort. "Ich weiß, wie schlimm du früher unter Enel gelitten hast. Und ich wollte, dass du dich in unserer Beziehung nie so fühlst. Es tut mir wahnsinnig, wahnsinnig leid. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schrecklich meine Gewissensbisse sind. Deswegen habe ich mich in den letzten Wochen zurückgehalten. Ich möchte, dass es dir so schnell wie möglich wieder besser geht."

Crocodile empfand die Worte seines Partners als rührend. Trotzdem verstand er den Sinn dahinter nicht. "Aber wir können doch trotzdem..." Er war nicht dazu in der Lage auszusprechen, was er meinte. "Vielleicht... Es ist doch bestimmt trotzdem möglich."

Ihm fielen spontan fünf Stellungen ein, in denen sie Sex miteinander haben könnten, ohne dass sein linker Fuß bewegt oder belastet werden müsste.

"Woran denkst du?", fragte Doflamingo und kam wieder näher. Nun klang seine Stimme lüstern und verspielt. Crocodile spürte sofort, dass sein Ehemann ihn aufziehen wollte.

"Wir könnten ins Schlafzimmer gehen", schlug Crocodile vor. Seine Boxershorts fühlten sich unangenehm eng an. Er lechzte nach Berührungen. "Uns fällt sicher etwas ein." Er griff nach Doflamingos Hand, doch sein Ehemann rührte sich nicht.

Irritiert zog Crocodile die Augenbrauen zusammen. Er begriff nicht, wo das Problem lag. Inzwischen war doch klar geworden, dass sie beide gerne intim miteinander sein wollten. Warum also hetzte sein Ehemann nicht mit ihm nach oben ins Schlafzimmer und schälte ihn so schnell wie möglich aus seiner Kleidung?

"Sag mir, was du willst." Doflamingo nahm seine Hand, führte sie zu seinem Mund und berührte sie sanft, beinahe schon keusch mit seinen Lippen.
 

[zensiert]
 

Doch dafür war keine Zeit da. Kaum wurde ihm wieder bewusst, dass Doflamingo sich gleich mit Reiju treffen würde, verschlechterte Crocodiles Laune sich schlagartig. Zwar würde sein Partner nun nicht mehr sexuell total ausgehungert zu der Verabredung erscheinen, doch trotzdem behagte ihm die Situation nicht. Er wünschte sich, dass Doflamingo das falsche Spiel dieser Frau endlich erkennen und den Kontakt zu ihr einstellen würde.

"Wollen wir zusammen duschen, bevor ich mich auf den Weg mache?", fragte sein Ehemann ihn. Crocodile wusste, dass Doflamingo sich bei diesem Angebot nichts Böses dachte, doch trotzdem verletzten ihn die Worte. Er kam sich vor wie eine schäbige Affäre, deren Geruch man abwaschen musste. Dennoch nickte er. "Okay, warum nicht."
 

bye

sb


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, dass euch das Kappi gefallen hat :)
Manche Stellen sind schon ein bisschen schräg, finde ich, aber das Schreiben hat auf jeden Fall Spaß gemacht :D

Die Andeutung mit den Drillingen am Ende konnte ich mir nicht verkneifen, hihi ;) Wer Dofla und Croco gerne als Drillings-Eltern erleben möchte, darf sich gerne an die Gestaltenwandler-Reihe machen :D

Btw, seit Crocodile in Mesh Of Lies erfahren hat, dass Doflamingo und Monet miteinander geschlafen haben, kurz bevor sie beide ein Paar wurden, kann er sie nicht mehr ausstehen. Er respektiert, dass sie eine langjährige und wichtige Freundon von Doflamingo ist, aber mag sie selber nicht mehr sehen.

bye
sb Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß, ich weiß, wieder keine Lemon *schäm*
Eigentlich hatte ich vor (wie bei MoL) in jedes Kapitel eine nette Lemon zu packen, aber irgendwie hat es sich bisher noch nicht so richtig ergeben.
Ich werde aber versuchen in den nächsten Kapiteln eine Lemon einzubauen, versprochen ;)

bye
sb Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen :)

Mir ist mal aufgefallen, dass Croco Dofla ziemlich häufig Schläge oder Hiebe mit dem Ellenbogen in die Seite verpasst, wenn er sich auf den Arm genommen fühlt. Aber ich denke, Dofla macht das nichts aus... So ist das halt unter Männern. Und er ärgert Croco ja auch zu gerne ;)

Habt ihr übrigens Namensvorschläge für das Kind? Ich bin da offen für alles :D Bin mir auch noch nicht ganz sicher, ob es ein Junge oder Mädchen wird...

Bis zum nächsten Kapitel

bye
sb Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen :)

Crocodiles Mutter ist übrigens ein OC. In MOL habe ich mir nicht die Mühe gemacht ihren Charakter in eine Figur aus OP zu stecken, weil ich für sie eigentlich gar keine größere Rolle geplant hatte. Und jetzt steckt sie so, wie sie ist, schon in meinem Kopf fest ;)
Crocodiles Vater wird aber ein Charakter aus OP sein, da hab ich schon einen passenden Kandidaten gefunden :)

Und sorry, dass wieder keine Sex-Szene zustande gekommen ist *schäm* Irgendwie sind die Kapitel so "kurz" (hahaha), dass es mir schwer fällt das unterzubringen... Ich werde wirklich versuchen es im nächsten Kappi ein bisschen heißer werden zu lassen

bye
sb Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe, euch hat das Kappi gefallen :)

Ich finde die Vorstellung, dass ein so gebildeter und erfolgreicher Mann wie Croco in einigen Bereichen Schwächen in der Allgemeinbildung hat, irgendwie total niedlich. Habe schon in früheren Kapiteln hin und wieder mal Hinweise gestreut, dass er nicht viel Ahnung von Bio hat. Ich denke jeder hat irgendeinen blinden Fleck.

Leider gab es wieder keine Lemon T-T Ich verspreche mich darum zu bemühen demnächst mal wieder eine einzubauen ;)

bye
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Kommentare zu dieser Fanfic (9)

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Von:  Lexischlumpf183
2020-08-23T12:57:52+00:00 23.08.2020 14:57
Hab mich sehr über das neue Kapitel gefreut 😀 und das die Befruchtung geklappt hat gefällt mir (vor allem im Doppelpack) ich spreche da aus Erfahrung, ein Zwillingspärchen macht Spaß und Arbeit 😀😀 ich bin gespannt was sich da entwickelt, in Bezug auf die zwei neuen Bekanntschaften 😯 hoffe ja nich, dass das auf irgendwelche Probleme hinausläuft 😮😡 kann keiner der beiden gebrauchen und doofe Väter übrigens auch nich, bin da voll auf Crocos Seite. So ich freu mich auf die weitere Story (ganz bald 😉) bis dahin 🍪🥛👍😁😁
Antwort von:  kleines-sama
23.08.2020 20:19
Vielen Dank für deinen Kommi :)
Ich freu mich auch für Croco und Doffy :D War mal an der Zeit, dass es endlich klappt bei den beiden. In der Story geht es immerhin darum, dass die beiden Eltern werden. Da sollte so langsam mal was rumkommen, dacht ich mir.
Ich hab noch so einige nette Ideen für die folgenden Kappis. Du darfst gespannt sein :D

bye
sb
Von:  Lexischlumpf183
2020-06-17T05:28:31+00:00 17.06.2020 07:28
Ok, doch nich 😅😅😅 Bis bald 🙋
Von:  Lexischlumpf183
2020-06-17T05:27:42+00:00 17.06.2020 07:27
Schön, irgendwie ein süsses Kapitel (finde das Wort passt einfach am besten😅) und super das es "endlich" weitergeht, freut mich total 😁😁🥛🍪 so und nu das nächste Kapitel 😍😍
Antwort von:  kleines-sama
29.06.2020 17:44
Vielen Dank für deinen Kommi :) Sorry, dass ich so spät antworte *schäm*
Es freut mich, dass du das Kappi süß findest :D Bin schon dabei weiterzuschreiben. Hab sowohl einige dramatische als auch niedliche Stories im Gepäck ;)
Von:  Lexischlumpf183
2020-05-16T21:14:09+00:00 16.05.2020 23:14
Oh, starker Tobak 😱. Das muss Chroco erstmal verdauen, da kommt ja ein Hammer nach dem nächsten, bin gespannt wie es da weitergeht, in alle Richtungen 😬 erwarte mit Spannung das nächste Kapitel 👍
Antwort von:  kleines-sama
17.05.2020 17:42
Danke für deinen Kommentar :)
Ich quäle Crocodile einfach zu gerne, hihi ;) er hat wirklich kein leichtes Leben
Das nächste Kapitel ist schon in Arbeit :)
Von:  Lexischlumpf183
2020-05-02T21:57:53+00:00 02.05.2020 23:57
Ein neues Kapitel, super 😁😁 hoffe die Geschwister und Daz kriegen sich wieder ein und können sich mit den werdenden Eltern auf den Nachwuchs freuen 🤔😥 ich bin ja für Zwillinge (ein Junge und ein Mädel) is ja bei künstlicher Befruchtung und Austragung nich ungewöhnlich, dass es eine Mehrlingsgeburt wird, Namen sind immer schwierig aber es US ja noch ein bisl Zeit, sollte mir ein schöner Name über den Weg laufen, sag ich Bescheid 👍😁 ich freu mich auf das nächste Kapitel 🥛🍪
Antwort von:  kleines-sama
04.05.2020 09:01
Danke für deinen Kommi :) Freut mich, dass dir das Kappi gefallen hat :D

Über Zwillinge habe ich auch schon nachgedacht... Aber Namen sind mir noch überhaupt keine eingefallen

bye
sb
Antwort von:  Lexischlumpf183
09.05.2020 22:53
Ayumi, bedeutet "Sie geht ihren eigenen Weg"
Hiroki, bedeutet "Grosser Baum", so als Idee. Die Bedeutungen sind nich in Stein gemeißelt aber treffen am ehesten zu. 😃
Antwort von:  kleines-sama
10.05.2020 13:23
Ayumi klingt schön :)
Crocodile hat ja "Nozomi" schon für seine Nichte verbraten... Da muss für die eigene Tochter natürlich was anderes her ;)
Ist Hiroki ein Jungen- oder auch ein Mädchenname?

bye
sb
Antwort von:  Lexischlumpf183
10.05.2020 22:14
Hiroki is ein Jungenname, ich fand die Bedeutung schön.
Von:  Lexischlumpf183
2020-03-31T05:32:55+00:00 31.03.2020 07:32
Super das es weitergeht, freu mich sehr über die Fortsetzung, die beiden sind echt knuffig zusammen, hoffe auf ein baldiges nächstes Kapitel 😁😁👍👏
Antwort von:  kleines-sama
01.04.2020 08:32
Danke für deinen Kommi :)
Ich find die beiden auch mega süß zsm <3 die haben mich einfach nicht losgelassen, obwohl ich eig gar nicht vorhatte eine Fortsetzung zu schreiben
Von:  hayamin
2020-02-24T10:33:21+00:00 24.02.2020 11:33
Vielen Dank für die Fortsetzung! Ich hoffe, dass Croc glücklich wird!
Antwort von:  kleines-sama
24.02.2020 18:01
Danke für deinen Kommentar :)
Die Idee, eine Fortsetzung zu schreiben, schwirrte irgendwie schon wochenlang in meinem Kopf herum. Es macht mir sehr viel Spaß noch einmal meine Zeit mit Doffy und Croco zu verbringen, hihi

bye
sb


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