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Grisha Tales

von

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Flüstern II (Harschow & Onkat)

Harschow konnte seinen Augen kaum trauen, als er sah wie die Sonnenkriegerin mithilfe der Spiegelschüsseln auf dem Dach des Kleinen Palastes den Schnitt ausführte. Sie alle hatten sich versammelt, um der beeindruckenden Performance beizuwohnen, doch bis vor einer Sekunde waren sie noch alle skeptisch und voller Angst gewesen. Sie alle hatten sich gefragt, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, im Kleinen Palast zu bleiben. Viele von ihnen waren geflohen oder hatten sich dem Dunklen und seiner Schattenarmee angeschlossen.

Harschow hatte sich schon oft gefragt, warum er geblieben war. In genau diesem Augenblick wusste er, dass eine Sonnenkriegerin mit einem solchen Lichtstrahl ihm als Anführerin viel besser gefiel als der Dunkle. Ihre Lichtstrahlen hatten viel mehr mit seinem Feuer gemein, als die tanzenden Schatten, die der Dunkle aus seinen Händen heraufbeschwören konnte. Das machte ihm die Sonnenkriegerin definitiv schmackhafter und sympathischer. Die Flammen würden ihm da sicher zustimmen. Und kämpfen konnte er überall, solange er seine Feuersteine hatte und etwas explodieren lassen konnte. Er vermisste die Zeit, als er noch mit den Fabrikatoren auf das Außengelände gefahren war, um neue Waffen zu testen. Die anderen Inferni hatte ihn dafür immer abschätzig gemustert, doch er hatte das völlig ignoriert. War doch egal mit wem man etwas in die Luft jagte. Hauptsache war doch, dass man etwas in die Luft jagte. Seitdem die Zweite Armee am Boden war, waren die Experimente eingestellt worden und das Außengelände war nicht mehr in Benutzung.

Um ihn herum brachen alle in ein Jubelschrei aus und zum ersten Mal war die Stimmung nicht mehr so bedrückend. Harschow folgte den anderen an den See, wo sie den Graben entlang schritten, den der Lichtstrahl in den Boden geschnitten hatte. Das Loch war völlig verkohlt. Der Waldboden war bedeckt mit den gekappten Baumgipfeln, Ästen und Blattwerk. Diese Verwüstung war ganz nach Harschows Geschmack.

Freudig schlug er seine Feuersteine gegeneinander und ließ Funken springen. Die anderen Inferni taten es ihm nach und bald hatten sie am Seeufer mehrere Freudenfeuer entzündet. Der jüngere Prinz sorgte dafür, dass Champagner aus dem Palast gebracht wurde und plötzlich feierten sie eine richtige Party am See. Die ganze Anspannung und Angst schien von ihnen abgefallen zu sein. So als hätten sie schon die Schlacht gewonnen. Von irgendwoher ertönte Musik und alle lachten, waren fröhlich und ausgelassen.

Hilfe, wisperte es auf einmal aus dem Wald. Harschow sah verwirrt auf. Das Flüstern klang wie seine Flammen, aber irgendwie doch anders. Und das Wispern kam nicht von den Feuern am Rande des Sees und auch nicht von den Menschen um ihn herum. Niemand anders schien die Stimme zu hören. Es war wie mit den Flammen.

Hilfe, ich stecke fest. Harschow stand auf und folgte der Stimme in den Wald. Sie war schwach, kaum mehr als Hauch, der von dem Partylärm fast verschluckt wurde.

„Wo bist du?“, rief er in den Wald hinein und suchte den Waldboden und die Bäume ab. Er sah kein Feuer und er war sich nicht sicher, wonach er eigentlich suchte. Suchend ließ er seine Augen über alles um ihn herum wandern und spitzte zugleich die Ohren um die leisen Hilferufe wahrzunehmen. Er hatte das Gefühl näher zu kommen, doch er sah nichts. Verwirrt fuhr er durch seine roten Haaren. Vielleicht sollte er wieder umdrehen, aber dann sah er einen roten Schatten unter einem der Baumgipfel, die abgebrochen zwischen den Bäumen lagen.

Hilfe, fiepte das kleine Wesen. Harschow kam näher und sah, dass es eine rot getigerte Katze war, die unter den Ästen und Blattwerk lag. Er verstand nicht ganz, warum er die Katze hören und verstehen konnte, aber er würde ihr helfen. Schnell räumte er alles von der Katze herunter, die sofort aufsprang und sich streckte. Scheinbar war sie nicht verletzt, denn sie ging ein paar Schritte von ihm weg, bevor sie sich zu ihm umdrehten und ihn mit ihren grünen Augen musterte. Sie schien genauso verwirrt zu sein, dass er sie gehört hatte, wie er darüber war.

Je länger er sie betrachtete, desto mehr erinnerte sie ihn an ihn selbst. Ihr rotes Fell und seine roten Haare. Beide waren sie hager. Sie beide hatten diesen neugierigen, hypnotisierenden Blick, der alles um sie herum wahrnahm. Er hatte das Gefühl, dass er sie bereits ewig kannte. Es war als blickte er in sein Spiegelbild in Katzenform. Sie fühlte sich genauso vertraut an, wie die Macht in ihm, aber doch anders. Eigenständiger, wilder, klüger.

Er streckte die Hand nach ihr aus und sie blieb sitzen.

„Onkat“, sprach er sie ganz automatisch auf Kaelisch an und sie miaute bejahend. Er lächelte und strich ihr vorsichtig über den Kopf. Sie schmiegte ihren Kopf gegen seine Handfläche und schnurrte leise. Danke.

Harschow schlug seine Feuersteine aneinander und ließ Funken sprühen. Onkat jagte ihnen nach und hüpfte wild durch die Äste und Blätter. Ihr schien es wirklich gut zu gehen. Sie bewegte sich geschmeidig und tänzelte wie eine Flamme durch den Wald. Er konnte den Blick nicht von ihr lassen. Sie verzauberte ihn. Harschow überlegte, ob er schon einmal so eine Verbindung zu einer Katze gehabt hatte, aber es fiel ihm nichts dergleichen ein. Onkat erschien einzigartig zu sein. Er pfiff und sie sah ihn abschätzig an. Natürlich, sie war kein Hund, der kam, wenn man ihn rief. Nach ein paar Sekunden stolzierte sie zu ihm herüber und strich um seine Beine.

Ich mag dich, entschied sie. Er lachte leise auf und streichelte sie ausgiebig. „Ich mag dich auch, Onkat.“

Heute war ein guter Tag, dachte Harschow später, als er sich ins Bett legte. Onkat war ihm nicht mehr von der Seite gewichen und hatte ihn zurück in den Kleinen Palast begleitet.Er hatte heute Morgen beim Aufstehen sicher nicht damit gerechnet eine Katze zu finden, die ihm so sehr ähnelte. Genauso wenig wie er daran geglaubt hatte, dass die Sonnenkriegerin mit den schrägen Spiegelschüsseln von dem Fabrikator einen gigantischen Lichtstrahl erzeugen konnte. Solche Tage voller Überraschungen waren genau das richtige für ihn.

Es fühlte sich richtig an, als Onkat sich auf seiner Brust einrollte. So als war sie wie die Flammen ein Teil von ihm, der außerhalb seines Körpers lag, aber doch zu ihm gehörte. Er strich noch einmal über ihr rotes Fell, bevor er die Augen schloss, zufrieden mit dem Moment und begierig darauf morgen neue Abenteuer zu erleben.



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