Zum Inhalt der Seite

Die andere Seite des Monds

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wiedersehensfreude

 

 

 

 

 

 

Der Schlafende rührte sich nicht. Nicht die kleinste Regung ging durch die ausgestreckte Gestalt. Allein der Brustkorb hob und senkte sich gemächlich unter seinem Schnarchen. Grimmig blickte Severus auf ihn herab, den verhassten Kollegen, wie er da auf seinem Stuhl lümmelte, den Kopf auf die Zettelwirtschaft des Schreibtischs gebettet, der nicht einmal ihm gehörte. Das gesamte Interieur des gedrungenen Büros – das Pult vor dem Fenster, die Schränke und das Hängebrett , das Sofa in der Ecke– sie alle waren Besitztümer der Schule. Angewidert wandte Severus sich ab und stellte in aller Vorsicht die dampfende Tasse auf die Ecke des Schreibtischs, so dass sie kein Geräusch von sich gab. Er hatte nicht vor, seinen Patienten vorzeitig zu wecken und sich das schönste Stück seines Auftritts zu verderben. Auch wenn er diesen erst seit einer halben Minute plante. Es war schon ein sonderbares Geschick am Werk, das ihn seinen Feind so vorfinden ließ. Severus hatte nicht erwartet, dass jemand, der ganze Vollmondnächte umherstreifte, sich noch vor der Geisterstunde zu einem unflätigen Nickerchen in seiner Arbeit hinreißen lassen würde, noch wäre er aus eigenen Stücken in das Domizil eines Kerls eingebrochen, dessen Anwesenheit in Hogwarts ihm schon lästig genug war. Doch es galt eine Gefahr zu bannen und der Zufall hatte ihm in die Hände gespielt. Einen Moment, nur einen Moment lang wollte er seine Augen weiden an seinem Feind, der da vollkommen arglos vor sich hin döste; an dem Gesicht, auf dem sich nicht der Hauch einer Vorahnung abzeichnete; an der Macht, die er in diesen Minuten über ihn hatte, so unschuldig, so unwissend, so gänzlich ausgeliefert wie Lupin vor ihm lag. In einem Anflug von Triumpf kräuselte Severus die Lippen zu einem bitterbösen Lächeln. Der Gedanke, was er seinem alten Mitschüler in dieser Lage alles antun könnte, war eine sehnlichst erwartete Genugtuung. Stundenlang hatte er einen Abend zuvor stillschweigend ertragen müssen wie Albus den neuen Kollegen für seine Lieblingsstelle willkommen geheißen und ganz Hogwarts applaudiert hatte; wie der Direktor Lupin mit ernster Miene seinen Dank dafür ausgesprochen hatte, genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein um Potter zu beschützen, wo Severus es zum gleichen Zweck einst mit einem dreiköpfigen Riesenhund aufgenommen und als Lohn nur die Verweigerung des Schulpokals für sein Haus erhalten hatte; wie herzlich Madam Pomfrey und Minvera McGonagall auf dem späteren Umtrunk den Neuankömmling begrüßt hatten und das Gesülze und Gesäusel, das da ausgetauscht worden war bis man brechen wollte.
 

Als Severus es nicht mehr ausgehalten hatte, hatte er sich bei Albus wegen einer Magenverstimmung entschuldigt, war in seine Kerker geflohen und hatte seinen Unmut über dem brodelnden Kessel ausgelassen. Gestern und am heutigen Tag, an dem er seinem neuesten Ärgernis bestmöglich aus dem Weg gegangen war. Wenn der verlauste Werwolf und der feine Herr Direktor ihm schon die wertvolle Zeit für seine Studien für die Merlin Akademie raubten, dann wollte er zumindest die Bedingungen selbst bestimmen. Und diese lauteten Rache. Rache, soweit sie den Augen des Schulleiters entgehen konnte. Rache für sieben lange Schuljahre, in denen ein gewisses Schülerquartett ihn hatte leiden lassen und die gleichen Augen ebenfalls weggesehen hatten. Oh ja, er hatte dem Zaubertrank eine Kleinigkeit hinzugefügt. Nur ein paar Tropfen…
 

Die Zeiger der kleinen Uhr auf dem Hängebrett, ebenfalls eine Leihgabe Hogwarts‘, rückten auf halb eins und der Tasse entströmte ein leichter Zitrusduft, der nur für Severus‘ feine Nase wahrnehmbar war. Zitronensaft hatte keinerlei Einfluss auf die Wirkung des Tranks, doch umgekehrt war das Gegenteil der Fall. Der Wolfsbanntrank verstärkte den sauren Geschmack der Zitronen und in Verbindung mit dem Wermut entstand widerliches, übelkeitserregendes Gebräu aus dem sonst nur leicht bitter schmeckenden Trunk. Stille erfüllte den Raum als Severus sich in süßer Erwartung über seinen alten Feind beugte und eine Handvoll Staub, die er in der Kürze von der Fläche einer der zahllosen Truhen aufgesammelt hatte, über dessen Gesicht rieseln ließ. Mit einem gewaltigen Niesen kam Lupin zu sich. Doch da hatte Severus das klägliche Licht seines Zauberstabs bereits gelöscht, sich in die Schatten der Nische zwischen zwei Kistentürmen zurückgezogen und belauschte mit giftigem Vergnügen, wie sein Gegenüber raschelnd ein Taschentuch aus der Brusttasche seines verblichenen, gestreiften Hemdes zog. Gerade als der Wolf sich schnäuzte, begann er zu sprechen.
 

„Guten Abend, Professor Lupin“, schmeichelte er mit der falschesten Höflichkeit, die er aufbringen konnte und vergaß nicht, eine leise Drohung in seine Stimme zu legen, „wie mir scheint, sind Sie nicht bei bester Gesundheit. Einschlafen mitten bei der Arbeit, Husten und Schnupfen…. Wohl ein Ausflug zu viel des Nachts, nehme ich an? Welch ein Glück, dass Hogwarts unter seinen Zinnen fähige Heiler beherbergt“.
 

Im einfallenden Mondlicht, an das sich Severus‘ Augen allmählich gewöhnten, konnte er erkennen, wie Lupin sich suchend im Raum umblickte. Er zögerte nicht. Schon hatte er den Zauberstab zur Hand und streckte ihn in Richtung der Petroleumlaterne auf dem Beistelltisch des Sofas aus.
 

„LUMOS!“
 

Die Lampe entflammte und im aufscheinenden Licht trafen sich ihre Blicke.

„Severus“, keuchte Lupin und seine Worte erstickten in einem Hüsteln.

„Ja, der bin ich“, erwiderte Severus kühl, während er an den Kisten vobei langsam in den Raum hinein schritt, „So sieht man sich also wieder. Ich in der ehrwürdigen Robe des Tränkemeisters und du im Sträflingskostüm wie dein alter Freund Black.“

Für einen Augenblick herrschte Stille im Zimmer, während Severus sich vor dem Sofa aufbaute und mit einem höhnischen Lächeln auf seinen Kollegen hinabblickte. Schließlich war dieser es, der das Schweigen brach.

„Ich muss zugeben, dein Besuch überrascht mich. Ich hätte nicht erwartet, dich mitten in der Nacht in meinem abgeschlossenen Büro anzutreffen“, erklärte Lupin ruhig. Doch Severus entging das leichte Zittern in dessen Stimme nicht.

„Oh“, erwiderte er scharf und funkelte sein Gegenüber finster an, „Hat der Schulleiter etwa vergessen, dir das mitzuteilen? Der Wolfsbanntrank muss schon einige Tage vor Vollmond regelmäßig eingenommen werden, damit er seinen Zweck erfüllt. Fünf im Minimum, besser aber sechs oder sieben. Wir wollen doch nicht, dass du zur Gefahr für unschuldige Schüler wirst oder sollte ich sagen für unschuldige Slytherins?“
 

Mit den letzten Worten war Severus dicht an den Schreibtisch herangetreten und hatte Lupins Augen mit stechendem Blick fixiert. Leicht wie ein Gift, das erst im Nachgang seine Wirkung entfaltet, verklang der Hauch seiner gesenkten Stimme im geringen Raum zwischen ihnen. Für einen Augenblick vermeinte er das Gesicht seines Kollegen unter dem warmen Licht der Petroleumlampe erbleichen zu sehen. Doch schon im nächsten Moment gewann Remus nach einem kurzen Augendreher ins Halbdunkel des Raums wieder an Farbe. Stirnrunzelnd folgte Severus dem Blick und erspähte auf dem Beistelltisch des Sofas, vor dem er gerade noch gestanden hatte, in einem Durcheinander frisch ausgepackter Utensilien die Umrisse eines blauen Papiertütchens. Eines von jener Sorte, die er gut kannte, denn Mr Mullpepper verkaufte in solchen Tüten Bezoare. Bei diesem Anblick brandete plötzlich ein unerklärlicher Zorn in Severus auf und er biss die Zähne zusammen. Doch er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, was ihn an diesem Besitztum seines alten Feindes eigentlich so verärgerte. Eine Stimme zog seine Aufmerksamkeit nach einer Weile zurück zum Schreibtisch.
 

„Ich danke dir, Severus, dass du zu so später Stunde noch zu mir heraufgekommen bist, um mir den Wolfsbanntrank zu bringen“, bemerkte Lupin ruhig und hielt seinen Blick, diesmal ohne jedes Anzeichen von Furcht. Dann, zu Severus großer Überraschung, stand er auf, tat an ihm vorbei in den Raum und ließ mit einem Schlenker seines Zauberstabs das große Deckenlicht aufleuchten.

„Nachtarbeit verlangt einem einiges ab“, sprudelte es nach einem tiefen Atemzug förmlich aus ihm heraus, „Das lange Wachbleiben schlägt schnell auf die Gesundheit und am nächsten Morgen fühlt man sich wie gerädert. Ich kenne das nur zu gut. In Oxford, wo ich im November vor zwei Jahren als Inventurgehilfe in den großen Lagern von Qualität für Quidditch und Siegfrieds Drachenlederwaren arbeitete, hatten wir nur Nachtschichten. Das kalte, feuchte Klima in den zugigen Hallen fuhr einem in die Knochen. Ich denke in den Kerkern von Hogwarts ist es nicht anders. Kann ich dir etwas anbieten. Ein Glas Wasser oder einen Tee vielleicht?“

Während Lupin sprach, hatte er sich ohne Unterlass an einem Hängebrett zu schaffen gemacht und trat nun mit zwei Tassen in der Hand zum Beistelltisch des Sofas, wo eine schäbige Zinnkanne auf einem kalten Stövchen ruhte. Perplex starrte Severus ihn an.

„Was?! Nein!“, kam es unwillkürlich über seine Lippen ohne dass er es noch verhindern konnte. Das alles lief nicht so, wie er es geplant hatte. Es lief ihm völlig aus dem Ruder.

„Dann vielleicht einen Kaffee?“, fragte sein Kollege als wäre nichts geschehen, rief ein schnelles Accio und begann schon braunes Pulver in eine der beiden Tassen zu häufen. Verzweifelt griff Severus zu dem einzigen Mittel, das ihm blieb: Seinem Zauberstab.

Ein Schlenker und das hässliche Geräusch splitternden Porzellans erfüllte das Zimmer. Lupin, der gerade einen zweiten Löffel Kaffee in die Tasse geben wollte, hielt plötzlich nur schon Scherben in der Hand. Mit trübseligem Blick wandte er sich zu Severus um. Und Severus spürte den Triumpf rückkehrender Macht.

„Du hattest gestern schon dein Vergnügen, dich bei allen lieb Kind zu machen“, raunte er seinem Gegenüber zu „Glaub nicht, es sei mir entgangen, wie du dich überall eingeschleimt hast. Ein Küsschen hier, eine Umarmung dort und das Kollegium lag dir zu Füßen. Oh Ja, die ganze Welt scheint dich zu lieben, den neuen, netten und völlig harmlosen Kollegen, nicht wahr? Doch sei dir ihrer Gunst nicht so sicher. Sympathien wechseln leicht wie ein Fähnchen im Wind. Mich jedenfalls kannst du nicht täuschen. Ich habe ich dich schon immer durchschaut und ich werde nicht ruhen, bis der Rest der Welt ebenso weiß, wessen Geistes Kind du bist. Wer weiß, ob Black bei seiner Flucht nicht die Unterstützung eines alten Freundes hatte!“
 

Schlagartig wandelte sich Lupins Miene. Es war wie eine eisige Briese, die über das Gesicht fegte und jede Falte eines Lächelns fortwischte. Unter der blassen Haut schien Zorn zu brodeln. Mit finsterem Blick trat er vor und fixierte Severus‘ Nase.

„Du bist in mein Arbeitszimmer eingedrungen, obgleich meine Tür abgeschlossen war. Das ist Hausfriedensbruch, Snape“, flüsterte er streng, „Ich könnte den Schulleiter informieren und das werde es auch, wenn du nicht sofort auf dem Absatz kehrtmachst.“

Severus lächelte kalt.

„Keine Sorge, ich hatte nicht vor, mich lange in deinem wie nennst du es, Arbeitszimmer, aufzuhalten. Ich erfülle hier nur meine Pflege“, erklärte er gönnerhaft und schnickte mit der Nase in Richtung Schlafnische, „Du solltest übrigens deinen Trank trinken ehe er auskühlt, Werwolf!“
 

Ohne eine Antwort seines Feindes abzuwarten, der inzwischen wie versteinert vor ihm stand, machte Severus auf dem Absatz kehrt und rauschte aus der Tür, die hinter ihm donnernd ins Schloss fiel.
 

Im dunklen, stillen Korrifor auf der anderen Seite aber blieb er noch einmal stehen und warf einen verächtlichen Blick zurück. Lupin hatte es geschafft, ihn kurzzeitig aus dem Konzept zu bringen, doch am Ende hatte er die Schlacht für sich entschieden. Er hatte dem neuem Kollegen unmissverständlich klar gemacht, was er von ihm und seiner Anwesenheit in Hogwarts hielt. Ab heute herrschte Krieg und Severus wusste, wer ihn gewinnen würde. Mit einem bitterbösen Lächeln verließ er das Schlachtfeld und nichts folgte ihm als das leise Klappern von Geschirr in der nächtlichen Stille.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück