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Der Waldläufer Nousagi

von

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Das Geschenk

Kapitel 44 Das Geschenk
 


 

„Lass dir Zeit Nousagi“, schwirrten seit einigen Stunden die letzten Worte meines Herrn durch meinen Kopf. Sonst konnte ich nichts denken, nichts spüren, hatte kaum ein Gehör für meine Außenwelt oder roch irgendetwas.
 

Leer… So konnte man mein Innerstes beschreiben. Unglaubliche Leere.
 

Auch wenn mein Körper aufgegeben hatte, nachdem ich bei Taisho angekommen war, war mein Geist wach geblieben. Ich bekam mit, wie der Schmied mich vom Rasen auflas und mich in mein Gemach brachte. Auf dem Weg dorthin waren Yukara, Ayaka und Aiko zu uns gekommen. Ihre tränenerstickten Stimmen trafen auf mein Gehör, aber ich konnte nicht wahrnehmen, was sie sagten. Benommen lies ich mich von Yukara ins Bett verfrachten. Ich wollte nicht mehr atmen, wünschte mir die Atemnot herbei, die ich hatte als ich zu ihr gerannt war. Als ich spürte wie sie erstickte, wie sie Schmerzen erlitt und wie sie am Ende daran starb. Zu gern wollte ich ihr folgen, aber mein Körper ließ sich nicht bewegen. Alles war taub und still in mir. Das Biest schien wie ausgelöscht. Ob ich überhaupt noch ein Yokai war?
 

Die Tür öffnete sich, was ich bemerkte dar Yukara sich bewegte und jemand neben ihr Platz nahm. Zum ersten Mal versuchte ich zu lauschen wer es war und erkannte meinen Herrn. Taisho war gekommen und schickte Yukara fort. Ich hoffte sehr, das er auch einfach gehen würde, mich hier zurück lies und ich in Ruhe meinen Geist auslöschen könnte. Mein Lebenssinn war fort.
 

„Du bist wach oder Junge?“, fragte er und etwas in meinem Inneren kämpfte sich hoch. Mein Inneres zerbarst und mit einem Schlag spürte ich die ganze Trauer auf mich zu kommen. Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich entließ eine. Taisho ergriff meine Hand. Ich spürte seine Wärme, ganz anders als die Kälte, welche sie immer an sich getragen hatte. Kalte Finger.
 

Mein Atem wurde so stark das ich ihn schluchzend hinauspresste. Meine Trauer schaffte sich einen Weg nach außen. Warum es ausgerechnet bei seiner Anwesenheit geschah, wusste ich nicht, aber er gab mir Halt. Ließ zu das ich seine Hand zudrückte und weinte wie ein kleiner Junge. Im Grunde war es mir egal, ob er dachte das ich schwach war. Mein ganzes Leben war ich schwach gewesen. Zu schwach um Mutter zu retten, zu schwach um Krieger zu sein und am Ende von allem, zu schwach meine Gefährtin zu schützen. Den wichtigsten Menschen in meinem Leben. Was sollte ich jetzt nur tun?
 

Es vergingen lange Minuten, in denen ich meine Trauer hinausließ und am Ende stumm meine Augen öffnete. Zunächst verschwommen, dann wieder klar, sah ich in das Gesicht meines Herrn. Seine Augen waren ernst, die Augenbrauen zusammengezogen. In einer anderen Situation hätte man meinen können, das er einen bald ausschimpfen würde, aber so war es nicht. Auch aus seinen Augen trat die Trauer heraus. Was er wohl gerade dachte?
 

Seine Lippen öffneten sich und er teilte mir mit das er Shiju an einen guten Ort gebracht hatte. Er wollte mit mir dorthin reisen, sobald ich mich dafür in der Lage fühlte. Mein Blick glitt zur Decke meines Gemachs. Wann ich dazu wohl bereit wäre?
 

Als nächstes nahm Taisho etwas hoch, ich erkannte es am Geräusch des Stoffes, welcher darum gewickelt war. Zum ersten Mal setze ich wieder meine Nase ein um zu erspähen was darin sein könnte. Doch es war zu schmerzhaft. An diesem Gegenstand klebte ihr Geruch. So intensiv und schmerzhaft das es mein Herz zum Stillstand brachte. Meine Augen fielen zu. Musste die Trauer unterdrücken und tief in mir verankern.
 

„Ich will es nicht“, sprach ich meine ersten Worte. Taisho allerdings ließ keinen wiederstand zu. Er legte es neben mir ab. „Es ist für dich bestimmt“, teilte er mit und stand dann auf, lies mich allein.
 


 

Dieser Tag war nun ein Monat her. Der Schmerz hatte nicht ein wenig abgenommen, nein er war noch viel stärker geworden. Hielt mich wie eine Schlange in ihren Griff und presste jeglichen Tatendrang aus mir heraus. Die meiste Zeit verbrachte ich in einem Baum, nahe der Mauer des Schlosses. Ich hatte in der ersten Nacht Reißaus genommen, weil ihr Geruch mich überall fand. In meinen Kissen, meiner Decke, meiner Kleidung. Überall war Shijus Geruch. Überall in meinem Gemach. Und so gab ich es erst einmal auf.
 

Am Training nahm ich auch nicht Teil, denn ich wollte den Blick der anderen nicht sehen. Wollte allein sein. Allein mit mir und ihrem Überbleibsel, welches noch immer verpackt vor mir lag. Ich starrte es immerzu an. Kannte jede Falte des Stoffes auswendig, ebenso jede Nuance des Geruches, welches davon ausging. Das war der einzige Gegenstand welcher ihren Geruch hier draußen trug und welchen ich ertragen konnte.
 

Seki schmiegte sich an meinen Hals, als ich wieder stundenlang auf das Tuch gestarrt hatte. Er forderte mich immer wieder dazu auf, es endlich auszuwickeln. Aber ich konnte nicht, wollte nicht. Wegen diesem Ding, war sie hinaus gegangen, hatte ihr Leben gegeben nur um es mir geben zu können. Ich wollte es nicht. Niemals. Sie war doch das einzige für mich gewesen. Die einzige die mich liebte.
 

„Nousagi?“, hörte ich die Stimme derjenigen, die mich seit Anfang an versuchte zu versorgen. Ayaka stand einen Ast neben meinem und schaute vorsichtig um den Stamm des Baumes herum. Ich antwortete ihr nicht und trotzdem kam sie näher und setze sich vor mir ab. Das Geschenk lag nun zwischen uns und auch wenn sie da war, starrte ich es weiter an.
 

„Du solltest etwas essen. Seit einem Monat hungerst du. Du wirst noch sterben, wenn du so weiterer machst“, bat sie mich und öffnete eine Schachtel in der es herrlich duftete. Sie gab sich immer mehr Mühe und bereitete köstliche Speisen für mich zu, aber ich wollte nichts.
 

„Und wenn es so wäre“, hauchte ich monoton und schloss die Augen. Das ich einen Monat nichts gegessen hatte, störte mich kaum. Ich nahm den Schmerz meines Magens und auch des restlichen Körpers nicht wahr. Ayaka schnappte nach Luft, kniete sich auf und warf mir die Schachtel mit dem Essen an den Kopf. Die heißen Speisen landeten auf meiner Brust und ich sah zu ihr. Ihre Augen weiteten sich und dicke Tränen stiegen in ihnen auf. „Weißt du eigentlich was du da redest!? Du bist ein törichter Idiot Nousagi!“, schrie sie mich an. Ich wendete den Blick ab und wischte mir über die klebrige Kleidung. „Lass mich einfach in Ruhe!“, bat ich sie flüsternd. Ayaka war zwar entsetzt, aber das ließ sich auch schnell in Wut umsetzen. Und dann sagte sie etwas, was meine starrte augenblicklich löste. „Shijukara würde sich schämen, dich so zu sehen.“
 

Erstarrte starrte ich zu ihr auf. Wie konnte sie es wagen so etwas zu sagen? „Was fällt dir ein?“, fragte ich heiser und Ayaka stemmte die Hände in ihre Hüften. „Deine Gefährtin würde sich schämen! Jemanden wie dich, hier sitzen zu sehen. In seiner Trauer gefangen und stinkend vor Scham und Unglück! Steh endlich auf Nousagi! Meinst du, Shiju hätte gewollt das du nun hier sitzt und stirbst?“, lies sie eine Tirade auf mich nieder. Mein Hirn setzte aus und ich schnappte sie mir, drehte mich herum und presste sie an den Baumstamm. „Sag du mir nicht, was sie denkt, verstanden! Du weist gar nichts, über das was ich fühle!“, knurrte ich sie aus tiefster Kehle an. Ayakas Blick blieb stark und sie funkelte mich an. „Du kannst ihr ja nicht mal die Ehre erweisen, das Geschenk anzunehmen und es ihr zu ehren zu tragen. Du bist schwach Nousagi!“
 

Das war genug! Ich lies Ayaka los, schnappte mir das Bündel und Seki und sprang in den Wald hinein. Wie konnte sie mir nur so etwas an den Kopf werfen! Als ob sie Shiju verstehen würde, oder mich. Hatte sie sie doch gehasst, weil ich mich für sie entschieden hatte. Weil Shiju meine Gefährtin wurde und meine Liebe für sich hatte. Woher wollte sie also wissen wie Shiju fühlte.
 

Nach einigen Meilen blieb ich stolpernd stehen. Mein Körper war zu schwach. Shiju, dachte ich an sie und lies kurz ihr Gesicht in meinem Geist aufleben. Es schmerzte zwar unheimlich, aber in diesem Moment brauchte ich es. Ihre azurblauen Augen. Ihre lächelnden Lippen. Das braune Haar. Hart schluckte ich und nahm das Bündel vor mich. Du kannst ihr ja nicht mal die Ehre erweisen, das Geschenk anzunehmen und es ihr zu ehren zu tragen, schossen Ayakas Worte durch meinen Kopf.
 

Shiju hatte dieses Ding nur für mich angefertigt. Es war ihr so wichtig gewesen, das sie dafür in den Trümmern ihrer Hütte, als erstes danach suchte und sogar das Schloss verließ. War es also in meiner Pflicht sie so zu ehren? Zumindest solange ich noch leben würde?
 

Zitternd legte ich meine Finger an den Knoten, welcher den Stoff festhielt. Seki schmiegte sich an meine Wange, gab mir Halt und so schaffte ich es das Bündel zu öffnen. Zum Vorschein kam der Yokaiknochen. Er war in Form einer Maske geschnitzt und mit angsteinflößenden Mahlen, die sich um die Augenlöcher schmiegten, bemalt worden.
 

Ich lies mich auf die Knie sinken und betrachtete ihr Geschenk für mich. Es war eine Maske. Unmissverständlich das sie für mich gedacht war, denn sie hatte die perfekte Form. Andächtig wendete ich sie um und entdeckte einen kleinen Fetzen Pergament. Auf dem Stand folgendes geschrieben: verstärkende Wirkung des Biestes, Besänftigung des Biestes.
 

War das etwa der Grund gewesen, warum sie sie mir anfertigte? Wenn ich recht darüber nachdachte, begann sie mit dem Geschenk nachdem wir das erste Mal an diesem Friedhof waren und ich sie vor dem herabfallenden Geröll geschützt hatte. Dort war das Biest ihr das erste Mal erschienen. Hatte sie sich sorgen um mich gemacht, weil das Biest damals sagte, dass wir uns nur in einer Sache einig waren. Nämlich wenn es um Shiju ging.
 

Sie wollte mir etwas geben, was mich selbst ohne sie, dazu befähigte mit meinem Biest zusammen zu arbeiten. Mir die Kraft gab, mich mit ihm zu verstehen und seine Macht nutzen zu können, wenn ich sie brauchte?
 

Usa, erklang ihre freudige Stimme in meinem Kopf. Mir kamen Erinnerungen darüber wie sie immer versuchte das Geschenk geheim zu halten. Meine liebste, klug schlau und schön, hatte hier etwas geschaffen, um mich stärker zu machen.
 

Seki stupste mich wieder mit seiner Nase an und ich sah kurz schmunzelnd zu ihm. „In Ordnung“, hauchte ich und setze die Maske auf. Mit den roten Bändern band ich sie zu und staunte. Sie passte perfekt, schmiegte sich meine Gesichtsform an. Seki betrachtete mich und klopfte anerkennend mit seinem hinterlauf auf den Boden. Lächelnd sah ich auf ihn herab und streichelte seinen kleinen Kopf. „Danke liebste“
 


 

Es verging ein weiterer Monat, indem ich das Schloss mied und für mich allein trainierte. Doch ich beschloss zurück ins Schloss zu gehen. Ich war lange genug meinen Pflichten ferngeblieben und hatte mir ein Ziel gesetzt. Ich würde sterben. Wann genau war mir noch nicht klar, aber ich wusste das ich zum Friedhof gehen würde und warten wollte, das die heilige Energie mein Youki verschlang. Ich wollte mich noch von Taisho verabschieden, bevor ich auf meine Reise gehen wollte.
 

Einige Meter vor dem Schloss wurde ich schon erwartet. Kasimir stand dort und betrachtete mein neues Gesicht. Ich verneigte mich vor ihm und wartete darauf das er mich ansprach. „Der Herr hat einen Auftrag für dich“, verkündete er und ich weitete meine Augen. Fragend sah ich zu Kasimir auf. Dieser schien wie immer. So als wenn ich niemals fort gewesen wäre.
 

„Ich..“, stotterte ich und Kasimir hob die Hand. „Er will nur dich. Bitte führe den Auftrag aus bevor du uns verlässt“, bat Kasimir mich und ich erstarrte. Ahnte er was ich vor hatte?



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