Zum Inhalt der Seite

Lokis Strafe

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der schrecklichste Bruder der Welt

Thor war ziemlich erschöpft aber sehr zufrieden, als er es am nächsten Morgen endlich zurück ins Hauptquartier schaffte. Er hatten diesen Chitauri-Bastarden eine harte Zeit gegeben und es geschafft, sie nochmals um einige hundert Krieger zu dezimieren. Dummerweise war er nachher selbst ziemlich in Bedrängnis gekommen und hatte, um seine Freunde nicht in Gefahr zu bringen, die halbe Nacht damit verbracht, seine Spuren zu verwischen.
 

Aus diesem Grund war es bereits neun Uhr morgens, als er in der Basis eintraf.
 

Er hätte sich vielleicht hinlegen sollen, aber dafür lief sein Gehirn noch viel zu sehr auf Hochtouren. Also machte er sich auf in den grossen Gemeinschaftsraum, wo, wie er wusste, der Kaffeeautomat stand. Er liebte das heisse, bittere Getränk das zudem die nette Angewohnheit hatte, einen so richtig zu wecken.
 

Natürlich wusste er, dass der Automat nur mit Münzen funktionierte, aber irgendeiner von SHIELD oder den Avengers würde sicher noch da rumhängen, um ihm eine zu leihen. Nicht, dass er seine Schulden je zurückzahlen konnte, aber es klang netter, zu fragen, ob sie ihm das Geld ausleihen könnten anstatt gleich zuzugeben, dass er auf ihre milde Gabe angewiesen war.
 

Ausserdem hatte sich noch nie jemand bei ihm beschwert.
 

Erfreut stellte er fest, dass nicht nur eine Person, sondern gleich mehrere, anwesend waren. Ziemlich viele sogar, in Anbetracht der doch schon etwas fortgeschrittener Uhrzeit: bis auf Barton alle Avengers sowie Coulson, Mack, Daisy und noch drei weitere Agenten.
 

Bestens - das ersparte es ihm, alle Fragen mehrfach beantworten zu müssen!
 

«Hallo Freunde!» grüsste er fröhlich in die Runde. «Ich bin ziemlich erledigt. Aber es war ein guter Kampf – habe den Chitauri ganz schön eingeheizt.» Er wartete darauf, dass sie ihn nach dem genauen Geschehen ausfragten und hielt das andauernde Schweigen seitens der Anwesenden für Rücksichtnahme. Sie wollten ihn wohl erst mal richtig zur Ruhe kommen lassen – wie nett!
 

Er wollte schon nach dem Kaffee fragen, als ihm urplötzlich (und gerade noch rechtzeitig!) wieder einfiel, warum er alleine hatte kämpfen müssen.
 

«Ähm... mit Barton ist doch hoffentlich alles okay, oder?» fragte er hastig. Und dann, ohne die Antwort abzuwarten: «Und mit Strange auch?»
 

«Strange haben wir sicher nach Hause gebracht.» meinte Alphonso Mackenzie ausdruckslos. «Der wollte gleich nach der Ankunft runter in seinen Sicherheitsraum und da sitzt er jetzt seitdem.»
 

Der 'Sicherheitsraum' war eine Art Hochsicherheitstrakt, den Loki magisch versiegelt hatte, sodass Strange zwar jederzeit hinaus konnte, aber keiner – nicht einmal mehr Loki selbst – hinein, wenn der Doktor es nicht autorisierte. Eine Vorsichtsmassnahme, sollte die Basis angegriffen und überrannt werden. Strange als Hauptziel in einem solchen Fall wäre dann geschützt. Und obwohl es natürlich unnötig war, dass er sich ständig dort aufhielt, hatte er es sich angewöhnt, sich sofort in diesen Raum zurückzuziehen, wenn er nicht im Kampf gebraucht wurde. Er war mit allem ausgestattet, was das Herz begehrte und manch einer beneidete den Zauberer insgeheim ein wenig um sein Refugium.
 

Thor nickte daher nur kurz und wollte schon wieder um den Kaffee bitten, als Mack hinzufügte: «Und Barton ist auch wieder okay.»
 

Ups, ja klar... «Gut! Freut mich!»
 

Der Donnergott hielt die Hand bereits wieder in Richtung Kaffeeautomat ausgestreckt und öffnete seinen Mund, um mit dem liebenswürdigsten Lächeln, das er zustande brachte, zu fragen, ob jemand dem müden Krieger einen Becher spendieren würde, als ihm auffiel, dass etwas nicht stimmte.
 

Und dass, wenn er sich nicht sehr irrte, Macks Stimme merkwürdig kalt geklungen hatte.
 

Genauso kalt wie die Augen in den Gesichtern vor ihm, die ihn jetzt musterten. Und am kältesten funkelten diejenigen von Stark.
 

Thor zuckte zusammen. «Was ist los, Freunde?» fragte er alarmiert. Noch münzte er die Blicke nicht auf sich, sondern fürchtete, dass etwas Schlimmes geschehen war und sie sich darauf vorbereiteten, es ihm schonend beizubringen.
 

Womit er letztlich gar nicht mal so falsch lag.
 

Allerdings hegten sie nicht im Mindesten die Absicht, es 'schonend' zu tun...
 

Doch bevor jemand etwas sagen konnte, schlenderte Loki hinein. Er hatte herrlich geschlafen – genau genommen zum ersten Mal seit einer Ewigkeit überhaupt geschlafen – und war jetzt in der Stimmung für einen schönen heissen Espresso.
 

Das beste, was Midgard zu bieten hatte – abgesehen von Fastfood vielleicht – war schliesslich Kaffee... Und da man nun schon mal auf diesem Planeten festsass, konnte man ja wenigstens von seinen Vorteilen profitieren, nicht wahr?
 

Er bemerkte die andern und grüsste flüchtig, ehe er Thor entdeckte. «Oh, hallo Bruder, auch schon zurück?» Dann ging er zum Kaffeeautomaten, ohne sich weiter um die Anwesenden zu kümmern, und liess seine Finger kurz über das Tastenfeld gleiten. Anders als Thor war Loki nicht auf Mildtätigkeiten seitens der Sterblichen angewiesen: ein flüchtiges grünes Flimmern unter seinen Händen und der Automat spuckte das Gewünschte aus.
 

Thor, der noch gar nie mitbekommen hatte, dass Loki in der Lage war, sich selbst mit Kaffee bedienen zu können, vergass für den Moment die – immer noch sehr, sehr merkwürdigen – Blicke der Freunde und wandte sich an seinen Bruder: «Äh, Loki, würdest du mir vielleicht auch einen Becher..?» Er liess den Rest des Satzes in der Luft hängen und zauberte sein typisch-charmantes Donnergott-Lächeln aufs Gesicht.
 

Loki zuckte nur die Schultern und erwiderte: «Klar.»
 

Doch gerade als er sich umdrehen und dem Bruder den Kaffee herauslassen wollte, wurde Tonys Stimme hörbar – Tonys vor unterdrücktem Zorn bebende und ziemlich fassungslose Stimme, wohlgemerkt.
 

«Du machst ihm Kaffee? Einfach so? Denkst du echt, dass er das verdient hat?»
 

Die beiden Asgardianer erstarrten und sahen zuerst einander, dann die Anwesenden in sichtlicher Verwirrung an.
 

«Wovon redest du, Tony?» fragte Loki völlig irritiert.
 

«Davon, dass...» Stark fehlten plötzlich die Worte. Er wandte sich hilflos zu den anderen um, aber denen schien es gleich zu gehen.
 

Sie standen alle nur schweigend da. Arme über der Brust verschränkt, Gesichter verschlossen, Lippen fest aufeinander gepresst. Eiserne, kalte Blicke trafen Thor.
 

Einen endlos langen Moment sagte niemand was.
 

Bis Thor selbst schliesslich in einem leicht hilflosen Versuch, die Spannung zu durchbrechen, zu Loki gewandt meinte: «Sie sind schon die ganze Zeit über so komisch und sehen mich so merkwürdig an.»
 

Lokis Augenbrauen gingen nach oben und ein flüchtiges Grinsen zuckte um seine Mundwinkel. «Tja, dazu kann ich nur sagen: willkommen im Club, Bruder!» Er tätschelte Thor gespielt mitfühlend ein paar Mal den Rücken. «Aber keine Angst, nach etwa hundert Jahren hat man sich an komische Blicke und dergleichen gewöhnt.»
 

Dann drehte er sich wieder zur Kaffeemaschine um und hielt wenige Sekunden später dem Blonden einen Becher mit dem dampfend heissen Getränk entgegen.
 

Thor nahm es, trank aber nicht. Spätestens jetzt sickerte das Bewusstsein in ihm durch, dass es hier um ihn ging.
 

Dass die Sterblichen vor ihm ihn beinahe so anschauten, als ob sie ihn...
 

...verabscheuen würden.
 

Auch Loki bemerkte es jetzt. Aber da er genauso wenig wie sein Bruder auch nur den leisesten Schimmer hatte, warum alle so seltsam reagierten, meinte er leichthin: «Hey Leute, starrt ihr nicht den Falschen so finster an?»
 

Als ihn flüchtige – verwirrte – Blicke trafen, grinste er breit und fügte hinzu: «Ich bin doch der Böse hier, nicht Thor... Schon vergessen?»
 

Wieder Stille.
 

Einen weiteren endlos langen Moment...
 

Bis Tony schliesslich rauswürgte: «Wir wissen es. Alles. Und du...» Er deutete auf Thor, seine Hand zitterte, «...du bist definitiv der schrecklichste Bruder, den man sich denken kann!»
 

Thor warf Loki einen weiteren fragenden – und noch hilfloseren – Blick zu. Aber Loki, der es sich bis zu diesem Punkt verboten hatte (nicht zuletzt deshalb, weil er der Sache bis gerade eben keine allzu grosse Bedeutung beigemesssen hatte), in die Gehirne der Anwesenden hinein zu blicken, holte das nun nach.
 

Und innert Sekunden wusste er, was los war.
 

Sein erschütterter Blick traf sich mit dem von Tony. Er wollte etwas sagen... Aber dann merkte er, dass er es nicht konnte.
 

Also zuckte er nur scheinbar gleichgültig die Schultern, sagte zu Thor «Viel Vergnügen noch!» und rauschte wieder hinaus.
 

Doch kaum war er allein, begann er am ganzen Körper zu zittern.
 

Waren diese Sterblichen etwa wirklich total entsetzt wegen dem, was man in Asgard mit ihm angestellt hatte?
 

Und hegten sie tatsächlich alle eine Stinkwut auf Thor, weil er ein halbes Jahr gebraucht hatte, bis er sich endlich dazu bequemt hatte, seinen Bruder aus diesem Käfig heraus zu holen?
 

Hatte er ihr Bewusstsein falsch gedeutet? Bildete er sich das nur ein? Es war doch wohl unmöglich, dass die seinetwegen ein solches Drama veranstalteten..?
 

Aber nein – Blödsinn – auf seine magischen Fähigkeiten konnte er sich verlassen.
 

Was er gesehen hatte, war echt...
 

Diese Leute fanden es nicht nur nicht gut, was mit ihm geschehen war, sondern sie waren regelrecht angewidert davon.
 

Von Asgard...
 

Von Odin...
 

Von Thor.
 

Loki atmete tief durch und teleportierte sich dann nach draussen.
 

Luft... Er brauchte ganz dringend frische Luft!
 

Nie im Leben hätte er gedacht, dass ihn Anteilnahme mal derart umhauen würde...
 


 


 

_________________________________________________________
 


 


 


 

In der Zwischenzeit sah sich Thor mit verbalen Attacken konfrontiert, wie er sie in seinem ganzen Leben noch nie hatte einstecken müssen. Tonys Worte hatten einen Bann gebrochen – dies und die offensichtliche Erschütterung Lokis, dem man deutlich (und sogar ohne die Fähigkeit, Gedanken lesen zu können) angemerkt hatte, dass er nicht verstand, warum sie das so mitnahm, was mit ihm in Asgard geschehen war.
 

Warum sie seinetwegen etwas anderes empfinden konnten als bestenfalls... Gleichgültigkeit.
 

Und Thor, ungeübt wie er war im Einstecken von Vorwürfen selbst der kleinsten Art – geschweige denn von solch massiven Anschuldigungen, wie sie ihm nun entgegen geschleudert wurden – konnte nur stumm dastehen und es über sich ergehen lassen.
 

Am Ende, als sie endlich alle losgeworden waren, was sie hatten loswerden wollen, fühlte er sich so elend wie noch nie zuvor.
 

Im ersten Moment hatte er sich verteidigen wollen...
 

Gut, dass ihm niemand auch nur eine Sekunde lang die Gelegenheit gegeben hatte, etwas einzuwerfen.
 

Das hatte ihn immerhin vor dämlichen und falschen Rechtfertigungen bewahrt.
 

Jetzt, am Ende ihrer Tiraden, konnte er nur dastehen und schliesslich langsam und stumm nicken. Und endlich, nach mehrmaligem leeren Schlucken und Sich-Räuspern, leise sagen: «Ihr habt Recht... Ich habe Loki komplett im Stich gelassen.»
 

Das nahm den Freunden nun doch den Wind aus den Segeln. Sie hatten mit einer heftigen Antwort à la Thor gerechnet aber nicht mit einem solch demütigen Eingeständnis.
 

Und als er nun noch hinzufügte: «Glaubt mir, ich mache mir deshalb weitaus grössere Vorwürfe als ihr es je tun könntet.» waren sie schon fast wieder bereit, ihm zu verzeihen.
 

Fast...
 

So in ein, zwei Tagen vielleicht.
 

Schliesslich hatte Loki es ja offensichtlich auch getan – also würden sie es wohl auch schaffen.
 

Aber nicht heute.
 

Heute erwiderten sie bloss kalt: «Schön, dass du's einsiehst.»
 

Und liessen den Donnergott stehen.
 


 


 


 

_____________________________________________
 


 


 


 

Loki hatte eigentlich gemeint, alleine zu sein, als er sich vor dem Haupttor wieder materialsierte, doch kaum war er einige Schritte gegangen, hörte er eine leise Stimme hinter sich.
 

«Loki...»
 

Es war Barton.
 

Vorbei war's mit der Ruhe!
 

Der Magier drehte sich seufzend um und setzte seine gewohnte Maske auf. Im Vortäuschen von Gleichgültigkeit war er der Meister aller Meister.
 

«Ah, Hawkeye: wieder auf den Beinen, wie ich sehe! Gut zu wissen.»
 

Barton biss sich auf die Lippen.
 

Loki wollte sich schon schulterzuckend – und in der Hoffnung, doch noch einen Moment für sich allein zu erhaschen – umdrehen, als Barton erneut sprach.
 

Noch viel leiser als vorhin und mit einem unüberhörbaren Zittern in der Stimme fragte er: «Kann ich Sie kurz sprechen?»



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück