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Lokis Strafe

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Lokis Strafe

Es dauerte nicht lange und Jemma war dankbar für Lokis Warnung, ihn auf keinem Fall zu stören. Ganz egal, was geschah.
 

Andernfalls hätte sie genau das getan.
 

Nicht, als er blau wurde. Damit hatte Jemma schon fast gerechnet, als Loki davon gesprochen hatte, dass er sich vielleicht verändern würde. Aus diesem Grund konnte sie auch die beiden Krankenschwestern neben sich, die entsetzte Laute ausstiessen, mit den Worten beruhigen: «Keine Panik, das ist normal bei ihm.»
 

Doch spätestens in dem Moment, in dem Lokis ganzer Körper zu zittern begann und er so aussah, als könnte er sich kaum noch auf den Beinen halten, fand Jemma es nicht mehr normal.
 

Von da an war sie dankbar für seine Warnung.
 

Denn es verlangte ihr als Ärztin alles ab, nicht ins Zimmer zu stürmen und Beistand zu leisten – in welcher Form auch immer. Doch der Magier schien bald einmal nicht mehr nur die grösste Mühe zu haben, sich überhaupt auf sein Tun konzentrieren zu können, sondern er wirkte auch so, als hätte er Schmerzen.
 

Aber Jemma hielt sich an die Anweisungen und blieb draussen.
 

Zumindest blieb Clint Barton völlig ruhig. Aber da Jemmas Augen fast ausschliesslich auf Loki ruhten, realisierte sie die Veränderung bei dem Verletzten erst, als eine der Schwestern sie anstiess und fassungslos sagte: «Jemma, du meine Güte, schauen Sie mal..!»
 

Weiter kam sie nicht, aber das war auch nicht nötig. Die Ärztin folgte der ausgestreckten Hand und erkannte, dass Bartons Verbrennungen vor ihren Augen zu heilen begannen. Oder sollte sie eher sagen: sich in Nichts aufzulösen begannen?
 

Der Prozess dauerte ungefähr zwanzig Minuten – danach lag Barton unversehrt da.
 

Wäre nicht das zerfetzte Leder seiner Kleidung gewesen, hätte kein Mensch geglaubt, dass er vor wenigen Minuten noch ein schwerverletzter Mann gewesen war, dessen Brustkorb Verbrennungen dritten Grades davongetragen hatte.
 

Schon gar nicht, als Hawkeye nun seelenruhig die Augen aufschlug, verwirrt um sich blickte und fragte: «Wo bin ich?»
 

In diesem Moment hörten die drei Frauen einen lauten Knall hinter ihm: Loki war erschöpft zusammengebrochen.
 


 


 

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Die Avengers konnten es kaum fassen: eben noch waren sie von Natasha in heller Panik darüber informiert worden, dass Clint von einer Chitauri-Waffe getroffen worden war. Und nun begrüsste er sie, als ob nichts geschehen wäre!
 

Sie hatten mit dem Schlimmsten gerechnet, als sie zurück zum SHIELD-Hauptquartier gerast waren. Hin- und hergerissen zwischen der Pflicht, weiter zu kämpfen und dem sehnlichen Wunsch, nach ihrem verwundeten Kameraden zu sehen, hatten sie schliesslich Thors Drängen nachgegeben.
 

«Geht!» hatte der blonde Donnergott gesagt und ihnen Strange zugeschoben, den sie mitnehmen sollten. «Ich halte hier derweil die Stellung.»
 

Wäre es nicht Thor gewesen, der das gesagt hätte, so wären sie nie darauf eingegangen. Aber der blonde Riese war stark genug, auch eine Zeit lang ohne sie auszukommen – zumal die Chitauri ohnehin so wirkten, als ob sie bald eine Pause brauchen würden. Dezimiert, wie die Mistkerle glücklicherweise immer mehr waren!
 

Also hatten sie schliesslich Thor allein zurückgelassen und waren bangen Herzens in die Basis geeilt. Was würde sie dort erwarten? Wenn Natasha derart panisch klang, musste es schlimm um Barton stehen.
 

Doch als die Black Widow sie am Eingang begrüsste – immer noch auf den Stock gestützt, den sie wegen ihres verletzten Beines benötigte – fühlten sie alle bereits einen Hauch von Erleichterung in sich aufsteigen: die Frau lächelte ihnen entgegen. Sie hatte die Basis vor ihnen erreicht, da sie sofort, nachdem Clint verwundet worden war, den Rückflug aus dem Krisengebiet angetreten hatte. Und Natashas Worte, als die Avengers heran waren, erlösten sie dann definitiv von ihrem Schock: «Alles in Ordnung, Leute. Clint geht’s inzwischen wieder gut.» Natashas Gesicht wurde ernst. «Aber es war knapp. Ohne Loki wäre er jetzt tot.» Sie stockte einen Moment und fügte dann leise hinzu: «Verbrannt.»
 

Und während sie die Freunde zu Clint führte, erklärte sie ihnen, was passiert war.
 

«Er hat ihn geheilt?» fragte Banner fassungslos. «Einfach so? Wenn er das kann… warum hat er es dann bei dir nicht getan?»
 

Natasha erwiderte seinen Blick mit tiefem Ernst. «Meine Verletzung ist im Vergleich zu der von Clint nichts… Und da es nicht nur ‘einfach so’ ging mit dem Heilen, bin ich ganz froh, dass Loki sowas nur im äussersten Notfall tut.»
 

«Was meinst du damit?» fragte Tony besorgt.
 

«Es hat ihn ganz schön umgehauen. Buchstäblich.» Natasha hob beschwichtigend die Hand, als Iron Man blass wurde. «Aber keine Angst, er ist ebenfalls okay. Liegt allerdings im Bett und ruht sich aus – endlich, würde ich sagen. Das hätte er meiner Meinung nach schon längst mal tun sollen.»
 

Niemand widersprach.
 


 


 

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Clint wurde freudig begrüsst, nicht nur von den Avengers, sondern auch von Coulson, Mack und den anderen aus ihrem Team, die ebenfalls inzwischen die Basis erreicht hatten. Alle klopften ihm auf die Schultern und konnten es kaum glauben, dass er vor rund zwei Stunden noch schwer verletzt gewesen war.
 

Als die ersten Begrüssungsstürme abebbten, verdüsterte sich Clints Gesicht allerdings zusehends. Natasha, die sich bange fragte, ob er vielleicht doch noch irgendwelche Schmerzen spürte, setzte sich neben ihn. «Alles in Ordnung?»
 

Clint nickte abwesend. «Ja.»
 

Natashas Augen wurden schmal. Er sagte ja – aber es klang mehr wie ein Nein.
 

«Was ist los, mein Freund?» hakte sie nach.
 

Clint brummelte etwas Unverständliches, aber da inzwischen auch die anderen seinen plötzlichen Stimmungsumschwung mitbekommen hatten, konnte er nicht einfach drüber hinweg gehen. Alle fürchteten, dass er doch noch Schmerzen hatte und wollten besorgt wissen, was ihm fehle und ob ihn Jemma nicht doch noch untersuchen solle. Schliesslich realisierte Clint, dass er ihnen sagen musste, wo das Problem lag – zumindest wenn er nicht wollte, dass sie sich weiterhin um ihn sorgten.
 

«Es geht mir gut, wirklich!» wehrte er ab und fügte dann, leiser, hinzu: «Körperlich zumindest.»
 

Die Freunde blieben still. Jeder ahnte instinktiv, dass Clint mit sich rang, und sie liessen ihm daher Zeit. Halbwegs beruhigt, dass er körperlich wirklich okay zu sein schien… Aber was mochte ihn dann derart quälen?
 

Denn er wirkte gequält, das zeigte sich von Sekunde zu Sekunde mehr.
 

Was stimmte – Clint spürte etwas in sich rumoren, dass man gut und gerne mit Schmerz umschreiben konnte. Oder mit Scham. Grenzenloser Scham.
 

Wenn er daran dachte, wie Loki ihn vorgefunden hatte… Ausgerechnet Loki!
 

Clint hatte sich schreiend – brüllend – vor Qual am Boden gewälzt, ein hilfloses Bündel Mensch… Und er hatte sich verzweifelt nach Hilfe gesehnt. Aber dann war Loki gekommen…
 

Ausgerechnet er!
 

Nicht, dass Barton ihm nicht dankbar war für seine Rettung…
 

Aber wie konnte er dem Magier je wieder ins Gesicht blicken, nachdem der ihn in einem solch desolaten Zustand erlebt hatte?
 

Er war überzeugt davon, dass Loki sich insgeheim riesig über seine Qualen gefreut hatte. Schliesslich war Clint der einzige im Team gewesen, der weiterhin keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber dem Magier gemacht hatte. Der ihn mehr als einmal verbal attackiert und herausgefordert hatte. Und der ziemlich offenkundig bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit durchblicken liess, dass er allzeit gerne bereit wäre, Loki auch auf weitaus handfestere Art als mit blossen Worten anzugreifen.
 

Und dann fand ausgerechnet Loki ihn als schreiendes, wehrloses und völlig verzweifeltes Nichts vor…
 

Clint stöhnte. Er wusste nicht, wie er mit dieser Schande weiterleben sollte.
 

«Clint..» sagte Natasha sanft und legte ihm die Hand auf den Arm. «Komm schon, alter Freund: was ist los?»
 

Ihre Worte rissen ihn aus seiner Erstarrung – und dann, ohne dass er recht merkte, wie ihm geschah – brach es aus ihm heraus. «Loki… Er hat mich gefunden… Schreiend… Verletzt…» Bei der Erinnerung stöhnte er erneut laut auf. «Ich kann das… nicht ertragen… Dass ausgerechnet er…» Ein neues, tiefes Stöhnen. «Oh Mann, ich bin sicher, er amüsiert sich köstlich darüber!»
 

«Was redest du denn da?» fragte Natasha fassungslos. Auch Tony und die übrigen starrten Hawkeye an, als hätte er den Verstand verloren. Tony war sogar kurz davor, eine scharfe Antwort zu geben – hielt sich dann aber zurück.
 

Der einzige, der nicht so ganz überrascht schien, war Coulson. Doch auf ihn achtete im Moment noch keiner.
 

«Ich meins ernst, Nat!» Clints Worte klangen beinahe wie ein leises Aufschluchzen. «Ich weiss, Loki hat sich nichts anmerken lassen… Aber komm, sei ehrlich: er hasst mich! Er muss mich hassen! Da bin ich mir sicher… Und dann findet er mich so vor…» Er presste die Hände gegen die Schläfen und schloss die Augen. «Versteht mich nicht falsch… Ich bin dankbar, dass er mich gerettet hat. Aber…» Erneut entfuhr ihm ein Laut, der verdächtig nach einem Schluchzer klang. «Man macht keine besonders gute Figur, wenn man sich brüllend vor Schmerzen am Boden herumwälzt.»
 

Fassungslose Stille. Einen endlos langen Moment wusste keiner der Anwesenden, was sie darauf antworten sollten.
 

Doch schliesslich versetzte Coulson leise: «Wenn man tagelang ausgepeitscht und anschliessend ein halbes Jahr in einen Käfig gesteckt und öffentlich zur Schau gestellt wird, macht man auch keine besonders gute Figur.»
 

Clint Bartons Mund klaffte auf und er starrte Coulson an, als sähe er einen Verrückten vor sich.
 

Womit er allerdings nicht der einzige war: alle übrigen Anwesenden taten es ihm gleich.
 

«Wovon… sprechen Sie, Coulson?» hauchte Tony schliesslich als erster schreckensbleich.
 

Der Agent musste sich erst räuspern, ehe er sprechen konnte. «Davon, wie Loki in Asgard bestraft wurde.» Sein ernster Blick traf Barton. «Glauben Sie mir: der letzte, der sich über ihr Unglück freuen würde, ist Loki. Denn er dürfte absolut der letzte sein, der sich ihnen deshalb überlegen fühlt, weil er sie in einem äusserst schwachen und – wie sie glauben - schmählichen Zustand erlebt hat.»
 

Coulsons Augen schlossen sich flüchtig als er an die Bilder zurückdachte, die er damals, bei dieser unheimlichen Verbindung mit Loki, gesehen hatte. Als er die Erinnerungen des Magiers durchlebt hatte, als wären es seine eigenen.
 

Ein Zittern durchlief den Agenten und er schrak beinahe auf, als er Bartons leicht heisere Stimme hörte.
 

«Erzählen Sie…» sagte Clint rau. «Ich will genau wissen, was man mit Loki angestellt hat. Alles.»
 

Seinem versteinerten Gesicht war nicht mehr anzumerken, was er empfand.



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