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Lokis Strafe

von

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Die Riesenschlange

Titan lag dunkel und irritierenderweise nebelverhangen vor ihnen. Loki spürte noch keine Präsenz des Wahnsinnigen, doch das überraschte ihn nicht. Thanos war kein gewöhnliches Wesen, das er durch blosse Konzentration über grosse Entfernungen hin aufspüren konnte.
 

Die Sensoren an Bord zeigten jedoch Aktivitäten auf der Oberfläche des Mondes an. Loki war sicher, dass diese von den Chitauri stammen mussten. Wer ausser diesen blutlosen Kreaturen würde sich sonst an einem derart ungastlich gewordenen Ort aufhalten?
 

«Und nun?» fragte Tony. Jetzt, da sie hier waren, wurde ihm definitiv mulmig zumute. Loki zufolge würde das Portal, das er schliessen musste, mehr oder weniger so aussehen wie dasjenige, aus dem Coulson, Daisy und Fandral gekrochen waren. Nur grösser. Trotzdem: er würde es also erkennen können, wenn er es vor sich hatte. Und die modifizierte Energie aus seinen Handkanonen müsste reichen, um den Riss zu kitten.
 

Hoffte Loki zumindest.
 

So sehr Iron Man die Überheblichkeit des Asgardianers auch verabscheute: in diesem Fall wäre es ihm lieber gewesen, wenn Loki die altbekannte Arroganz an den Tag gelegt hätte. Denn dann wäre der Magier seiner Sache zumindest sicher gewesen.
 

Was Tony wiederum weitaus mehr Zuversicht verliehen hätte.
 

«Nun versuche ich mal, die Ratten aus dem Nest zu locken.» Die Antwort des Schwarzhaarigen riss Tony aus seinen Grübeleien. Wieder hatte Lokis Stimme weitaus weniger sicher geklungen als üblicherweise. Verflixt, das hier stank nicht nur nach einem Himmelfahrtskommando, es war auch eines!
 

Loki holte wieder den Kristall hervor und erschuf dann eine Kopie von sich selbst. Diese teleportierte sich mit dem Artefakt nach draussen, ins All hinein. Stark war nur kurz verblüfft, sagte sich dann aber, dass eine Illusion von Loki wohl nicht zu atmen brauchte.
 

Oder konnte der Kerl sowieso im Weltraum existieren ohne irgendwelche Atemmasken?
 

Egal, was machte er sich über sowas auch Gedanken! Er hatte weitaus dringlichere Probleme zu lösen.
 

Eines davon war simpel genug: nicht durchzudrehen.
 

Ausserdem musste er sich bereithalten. Sobald der Magier ihm das Zeichen geben würde, musste er den Quinjet, der sich an Bord der Zephyr befand, starten. Der Jet würde den Weg ans Ziel kennen, sobald er die Koordinaten von Lokis Kopie da draussen bekam. Diese wiederum würde die Daten weitergeben können, sobald sie die Spur der Chitauri verfolgen konnte.
 

Soviel zur Theorie. Und nicht, dass Tony das alles völlig verstanden hätte. Da war zuviel Magie im Spiel, auch wenn Loki ihm versichert hatte, dass der Leitstrahl, der den Jet übernehmen würde, auf ganz normaler – wenn auch nicht irdischer – Technologie basierte. Trotzdem: die Art und Weise, wie die dafür nötigen Informationen beschafft wurden, fusste nach wie vor einzig auf Lokis Magie.
 

Und Tony liebte Magie über alles... Ungefähr so sehr wie Zahnarztbesuche oder Hämorrhoiden – nicht dass er an letzteren gelitten hätte, natürlich!
 

Stark schwirrte jetzt schon der Kopf und sein Magen schien sich kurz zu verknoten, als er seinen Platz im Jet einnahm. Nervös spielten seine Hände um das Steuer herum.
 

Was trieb Loki da draussen eigentlich? Tony konnte ihn nicht mehr sehen. Der einzige Loki, den er noch am Bildschirm verfolgen konnte, war der echte: derjenige, der in der Zephyr stand und seinen Zwilling draussen im All dirigierte.
 

Doch plötzlich keuchte Iron Man auf. Er hatte nun doch etwas gesehen, aus dem Augenwinkel heraus. Etwas, das eine erschreckende Ähnlichkeit hatte mit einer riesengrossen Schlange… Narrten ihn seine Sinne?
 

Doch eine Sekunde später leuchteten die Instrumente im Jet auf und Tony bekam von Loki den Startbefehl. Wie in einem seltsamen Traum gefangen hob er die Maschine ab. Kaum befand er sich im Flug wurde der Jet auch schon von einer unsichtbaren Kraft übernommen. Die Bordinstrumente hatten die Koordinaten des Ziels erhalten und folgten der einprogrammierten Richtung nun blind.
 

Tony hingegen war nicht blind. Jetzt, ausserhalb der Zephyr, hatte er freie Sicht auf das, was sich da seinen Augen bot. Nur glaubte er trotzdem nicht so ganz, was er vor sich sah…
 

Das mit der Schlange war keine Einbildung gewesen. Ein riesiges, schuppiges Monstrum schlängelte sich auf einmal hinter dem Mond hervor und schwebte elegant im All. Stark rieb sich die Augen, aber das Bild blieb. Wenn er also nicht gerade tatsächlich dabei war, den Verstand zu verlieren, konnte das nur eines sein: Lokis Ablenkungsmanöver.
 

Zumindest hoffte er sehr, dass die Schlange nicht echt war!
 

Aber ansonsten... Wie kam Loki bloss auf sowas?
 

Tief aus seinem Gedächtnis stieg die undeutliche Erinnerung an eine nordische Sage auf, in der eine Riesenschlange mit dem verrückten Namen Jörmun... irgendwas vorkam. Aber da Tony die Geschichte damals, als er sie gehört hatte (und ja, es war ewig her: er war noch ein Kind gewesen) als reines Märchen abgetan hatte, glich der Gedanke mehr einem diffusen Gefühl als einer realen Erinnerung.
 

Und es war auch völlig egal. Hauptsache, die Ablenkung funktionierte – und das tat sie, denn nun schwirrte gut ein Dutzend Chitauri-Gleiter an seinem Jet vorbei. Dank der Tarnfunktion, die nicht nur die Zephyr, sondern auch der Quinjet besass, wurde Stark nicht entdeckt. Die Chitauri attackierten die Schlange, die ihrerseits immer weiter von Titan wegschwebte und die Feinde somit in die Irre lockte.
 

Tony schickte ein Stossgebet zum Himmel dass auch dieser Thanos bei den Verfolgern war. Oder – noch besser – sich auf irgendeinem anderen, möglichst weit entfernten Planeten, befand! Dann durchbrach der Jet bereits die dicke Wolkendecke, die über dem Mond hing.
 

Ausser Eis war nichts zu sehen. Eis, wohin das Auge blickte. Instinktiv fröstelte Tony, obwohl es im Jet natürlich angenehm warm war. Doch dann stockte ihm der Atem, als das Flugzeug ohne abzubremsen direkt auf einen grossen Eisberg zuhielt.
 

War Loki verrückt geworden? Oder, wohl richtiger: stimmten die Koordinaten nicht?
 

Stark versuchte die Geschwindigkeit zu drosseln, doch die Steuerung reagierte nicht. Und dann, als er bereits die Augen schliessen wollte in Erwartung der unausweichlichen Kollision, schob sich plötzlich ein Stück des Eises beiseite und offenbarte ein riesengrosses metallisches Tor. Unsichtbar glitt der Quinjet hindurch und das Tor schloss sich wieder.
 

Stark war am Ziel.
 

Der Jet landete, die Tür im hintersten Teil des Flugzeugs ging hoch. Eine unmissverständliche Aufforderung, zur Tat zu schreiten. Tony warf einen Blick auf den Monitor vor sich: er zeigte die bereits gescannte Umgebung. Die grosse Halle, in welcher der Jet aufgesetzt hatte, lag leer und verlassen da.
 

Hoffentlich war sie das auch!
 

Tony schloss den Helm um seinen Kopf und wagte den ersten unsicheren Schritt aus dem Quinjet heraus.
 

Sein erster Schritt auf einem anderen Planeten.
 

Wow, wenn das kein denkwürdiger Moment war! Einen flüchtigen Augenblick lang kam er sich vor wie Neil Armstrong.
 

Nur dass dieser nicht als erster Mensch den Mond betreten hatte, um ein magisches Portal zu schliessen...
 


 


 

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Loki musste seine ganze Konzentration aufwenden, um einen Zwilling zu erschaffen, der eine zumindest halbwegs feste Form besass, damit er ihn mit dem Kristall nach draussen schicken konnte. Er hatte völlig vergessen, dass seine Magie im Weltraum geschwächt war. Aber nun war es zu spät, sich für sein überraschend schlechtes Gedächtnis in der Hinsicht zu tadeln.
 

Der Kristall in seiner Hand begann zu leuchten, als Loki dessen Kraft nun ganz freisetzte. Er fragte sich, was für eine Illusion er produzieren würde. Darüber hatte er selbst nämlich keine Verfügungsgewalt – leider.
 

Ein Grund mehr, nervös zu sein.
 

Doch es gab noch weitaus gewichtigere Gründe dafür. Zum einen dauerte es lange, bis der Kristall überhaupt etwas hervorzubringen gedachte. Und dann, als er es endlich tat, keuchte Loki auf. Das durfte doch nicht wahr sein!
 

Jörmungandr! Der Kristall liess die Midgardschlange wachsen. Ausgerechnet!
 

Oh Mann, darauf würden die Chitauri nie im Leben hereinfallen...
 

...oder?
 

Er wurde angenehm überrascht. Kaum schlängelte sich Jörmungandr hinter Titan hervor, schossen auch schon die Chitauri zur Attacke heran. Loki atmete innerlich auf. Ihm fiel wieder ein, dass Thanos in seiner Überheblichkeit nie viel übrig gehabt hatte für die Kulturen der Planeten, die er erobert hatte – oder noch zu erobern gedachte. Er nicht und seine Gefolgsleute somit erst recht nicht! Folglich war denen wohl kaum klar, dass das Riesending, welches sich auf einmal vor ihrem Schlupfwinkel zeigte, eigentlich einer irdischen Sage entstammte.
 

Wie auch immer: es wurde Zeit, die Koordinaten, welche die heranbrausenden Chitauri freundlicherweise an Loki übermittelten – natürlich ohne es zu wissen – an Starks Quinjet weiter zu geben. Wenige Augenblicke später sah er Iron Man starten.
 

‘Viel Glück!’ dachte Loki, als er den Flug des Jets kurz verfolgte. ‘Wirst es brauchen können, Blechbüchse!’
 

Dann konzentrierte er sich wieder auf seinen Zwilling, dem er natürlich längst seine sichtbare Form entzogen hatte. Zu gerne hätte er die Illusion jetzt, da die Chitauri heranbrausten, aufgehoben, doch er wusste, dass er den Kristall an Ort und Stelle halten musste, wenn der weiterhin seinen Dienst tun sollte.
 

Vor allem, da das Artefakt aus Nidavellir der scheinbar echten Riesenschlange eine ausreichend feste Form verleihen musste sodass es so wirkte, als ob die Angriffe der Chitauri auch tatsächlich auf ein physisches Ziel trafen.
 

Wenigstens war Lokis Kopie seiner Selbst genauso unsichtbar wie die Zephyr. Und Starks Jet. Nicht auszudenken, wenn die Chitauri ihn sehen könnten!
 

Oder Thanos...
 

Wenn er bloss sicher sein könnte, dass der Kerl nicht hier war. Eigentlich konnte er jetzt, da sich Stark im Inneren der Festung befand, davon ausgehen. Er hatte Iron Man nebst der technischen Ausrüstung auch eine magische Signatur angeheftet, die Loki sofort über jeden Eindringling in Kenntnis setzen würde – was natürlich auch für den Fall galt, dass entgegen jeder Erwartung einige Chitauri zurückgeblieben waren.
 

Doch Loki ging davon aus, dass dies nicht der Fall sein würde. Denn er hatte genügend Zeit bei Thanos und seinen seelenlosen Kreaturen verbracht um zu wissen, dass seine Streitmacht eigentlich nur als Ganzes handeln konnte und somit geschlossen angreifen würde. Zumindest solange sie auf sich selbst gestellt war und ihr sozusagen der Kopf fehlte.
 

Mit anderen Worten: falls Thanos sich also wirklich zur Zeit nicht hier befand.
 

‘Aber wenn es so wäre, würdest du ihn inzwischen bemerkt haben.’ versuchte Loki sich selbst zu beruhigen. Und das stimmte ja auch. Tony Stark fungierte inzwischen nicht nur als sein Werkzeug, sondern auch als sein Auge und sein Ohr – bildlich gesprochen. Wenn Thanos sich in der Festung verborgen halten würde, hätte entweder die Technik in Iron Mans Anzug oder Lokis Magie ihn inzwischen aufgespürt.
 

‘Und wenn er nicht dort ist... Sondern an einem anderen Ort in der Nähe? Was, wenn er einfach mal ein Momentchen lang gemütlich zuschaut bis er sich dazu entschliesst dass es Zeit wird, dich zu stoppen?’
 

Der unangenehme Gedanke schob sich nicht das erste Mal in Lokis Bewusstsein.
 

Der Magier drängte ihn weg.
 

Wenn es so war, sassen Iron Man und er schlicht und einfach in der Patsche. Positiv – und unrealistisch – formuliert.
 

Realistisch ausgedrückt musste man in einem solchen Fall sagen, dass sie erledigt waren.



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