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Lokis Strafe

von

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Die dunkle Seite

Loki wusste, dass er sich seinen eigenen Dämonen stellen musste. Ihm war klar, dass ein Teil seiner Erinnerung an den Ort, wo die Vermissten sich befanden, blockiert wurde – dass er selbst sie blockierte, um genau zu sein. Und ebenso war ihm bewusst, dass er diesen Teil wieder freisetzen musste, um einen Weg da heraus zu finden. So es ihn denn überhaupt gab...
 

Doch, es gab einen Weg da raus! Er war auch herausgekommen, damals – aus eigener Kraft. Nicht weil Thanos ihm geholfen hatte.
 

Thanos! Loki keuchte leise auf. Noch so jemand, den er lieber vergessen würde. Doch im Vergleich zu dem, was an diesem Ort gelauert hatte, war Thanos die reinste Witzfigur gewesen.
 

‘Sei kein Feigling!’ herrschte er sich selbst an. ‘Hol die Erinnerung zurück! Jetzt – bevor es zu spät ist.’
 

‘Andererseits... Was kümmern dich diese Typen eigentlich?’
 

Beinahe hätte Loki sich umgeschaut, so laut war die zweite Stimme gewesen. Ihm war klar, dass sie aus ihm selbst heraus gekommen war, denn die Worte hörten sich schrecklich vertraut an. Die ganze Situation war schrecklich vertraut.
 

‘Reiss dich los!’ befahl er sich selbst. ‘Kein Zurücktauchen in alte Muster!’
 

Er hatte gewiss nicht ausgerechnet jetzt vor, diese innere Zerrissenheit erneut zu durchleben. Dieses ewige hin und her von früher, das ständige Schwanken zwischen Gut und Böse. Dafür war schlicht nicht der richtige Zeitpunkt!
 

Ganz abgesehen davon, dass er sich längst für eine Seite entschieden hatte.
 

Der Augenblick der Schwäche ging vorüber. Loki atmete tief durch und fand zurück zu der Stelle, wo er vorhin den möglichen Einstieg wahrgenommen hatte. Hier war die Anomalie am stärksten, genauso wie die Reste von Coulsons Aura. Dass der Ort rein räumlich ganz woanders lag als an dem Punkt, an dem die Agenten verschwunden waren, spielte keine Rolle. Loki wusste, dass Zeit und Raum ganz andere Begriffe darstellten auf der anderen Seite.
 

‘Der dunklen Seite!’
 

Loki drängte die innere Stimme erneut weg. Ja, es war die dunkle Seite. Die dunkelste und unheimlichste, die er je kennen gelernt und gesehen hatte – und davon hatte es eine Menge gegeben. Aber dieser Ort... Ein eisiger Schauer kroch in ihm hoch, doch auch diesen schob er weg.
 

Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Keine Zeit also für sentimentalen Kram.
 

Oder für Angst.
 

Er wusste: sobald er weiter eintauchte als das erste Mal, würde er die Erinnerung wieder erlangen. Weil es ihm dann schlicht gar nicht mehr möglich sein würde, sie zu blockieren. Doch ob er überhaupt soweit kam ohne wieder Gefahr zu laufen, mit dem Körper durchzufliessen, stand noch in den Sternen.
 

‘Immer alles schön der Reihe nach!’ Diesmal hörte er nicht seine eigene Stimme, sondern die von Frigga. Erneut erklang sie genau im richtigen Moment, um ihm Mut zuzusprechen.
 

‘Muttersöhnchen!’ lachte er flüchtig über sich selbst, ehe er weitermachte.
 

Das Eintauchen ging erstaunlich leicht, fast so, als ob ihn jemand führen würde? Coulson? Wenn ja, dann ganz sicher nicht bewusst. Egal: Hauptsache, er kam rein.
 

Wie beim ersten Mal war der Einstieg eng, doch der Kanal vergrösserte sich nach unten. Loki verankerte seinen Körper fest auf der Liege, auf der er sass, und tauchte mental vollends ab.
 

Die Schwärze der anderen Seite traf ihn mit voller Wucht. Hoppla, das war neu! Das letzte Mal hatte hier noch dieses grässliche Licht geherrscht. Nun war nichts mehr zu sehen, bis der Untergrund vor ihm auftauchte. Dunkel und nur schwach erkennbar. Loki aktivierte seinen magischen Sehsinn, sodass er die Umgebung trotz der ziemlichen Finsternis wieder klar und deutlich erkennen konnte. Und was er jetzt sah, überraschte ihn gleich nochmal.
 

Der Boden war fest geworden!
 

Eine Erinnerung stieg in ihm auf, kroch aus den Tiefen seines Bewusstseins langsam nach oben. Die Festigkeit des Bodens bedeutete etwas. Nur was?
 

Aufschub!
 

Das Wort stand ihm auf einmal klar vor Augen. Die Verschwundenen hatten sich einen Aufschub verschafft. Doch das wiederum konnte nur auf eine einzige Weise geschehen: sie mussten das, was sie verfolgt hatte, getötet haben.
 

Was bedeutete, dass Fandral wirklich auch hier sein musste – denn Menschen konnten keines der Biester, die an diesem Ort lauerten, töten. Ihnen fehlten dazu sowohl die Kraft als auch die richtigen Waffen. Eine asgardianische Klinge, geführt von einem geübten Krieger, konnte das hingegen durchaus vollbringen.
 

Und er täuschte sich wirklich nicht, wie ihm wenige Augenblicke später klar wurde, als er plötzlich nicht nur Coulson spürte, sondern auch Daisy... und die sichere Präsenz eines Asgardianers. Fandral - definitiv und eindeutig!
 

Ja, er hatte sie! Es war unglaublich, und sekundenlang konnte er seinem eigenen Glück nicht ganz trauen. Aber das, was sich verändert hatte, hatte ausgereicht, um die Drei relativ schnell zu finden. Und, was mindestens ebenso wichtig war, den eigenen Körper in der realen Welt zu halten.
 

Es war Zeit, sich dem zu stellen, was jetzt unweigerlich kommen würde. Aber er würde die Entscheidung selbst treffen und sich nicht einfach von den Erinnerungen überrollen lassen.
 

Ein letztes kurzes Zögern, dann gab er seinen Geist bewusst frei.
 


 


 


 


 

Die Avengers und die anwesenden SHIELD-Agenten, die reglos auf den Monitor starrten, hatten schon auf vielen Gesichtern den Ausdruck von blankem Entsetzen gesehen. Auf viel zu vielen, wenn sie ehrlich sein wollten. Doch das, was sie jetzt auf Lokis Gesicht erkennen konnten, überstieg jede bisherige Erfahrung bei weitem.
 

Blankes Entsetzen war eine Sache...
 

...nacktes Grauen eine ganz andere!
 

Natashas Hand fuhr unbewusst zu ihrem Herzen und ohne dass sie es merkte, stiess sie ein leises Stöhnen aus. Sekundenlang stiegen eigene dunkle Erinnerungen in ihr hoch. Sie merkte, wie sie abzudriften drohte. Eine starke Hand auf ihrer Schulter hinderte sie gerade noch daran.
 

«Hey.» Bruce Banner musterte sie eindringlich.
 

«Alles okay.» flüsterte sie hastig und wandte den Blick wieder dem Monitor zu.
 

Keiner der übrigen hatte Natashas Schock wahrgenommen. Sie alle standen wie hypnotisiert da und fragten sich, an welch grauenhaftem Ort Loki sein mochte. Und vor allem, was das für ihre Freunde bedeutete... Denn wenn Loki schon derart entsetzt reagierte, wie mochte eine solche Dimension dann erst auf Menschen wirken?
 

Oder war es mehr als nur der Ort?
 

Natashas Augen wurden weich. Sie wusste aus eigener schlimmer Erfahrung, wie eine traumatische Erinnerung aussah. Und wenn sie nun Lokis Gesicht betrachtete, konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er genau so etwas gerade durchmachte. Sie wollte es nicht, aber unwillkürlich stieg eine Welle von heissem Mitgefühl in ihr auf.
 

Sie hätte über sich selbst den Kopf schütteln müssen, denn mit Loki Mitgefühl zu haben war ja so ungefähr das Dümmste, was man tun konnte! Trotzdem liess es sich nicht abschütteln.
 

Clint Bartons Augen waren zwei schmale Schlitze. Er trat so nahe an den Bildschirm heran, dass nicht viel gefehlt hätte, um darin zu versinken. Die unterschiedlichsten Gefühle tobten in ihm. Doch zu seinem Bedauern konnte seine Schadenfreude nicht die Oberhand gewinnen. Denn da, wo Loki sich befand, waren auch Coulson und diese Daisy. Letztere kannte er zwar nicht persönlich, aber er wünschte niemandem, das zu erleben, was Loki offensichtlich gerade durchmachte. Ausser dem Magier selbst, natürlich!
 

Auch Tony Stark fühlte sich plötzlich ganz zittrig, und ähnlich wie Natasha dachte er an einige schreckliche Momente aus seiner Vergangenheit zurück. Und zum ersten Mal seit langem erinnerte er sich dabei nicht an die Alpträume nach Lokis Angriff auf New York, sondern ausschliesslich an die grässliche Zeit in Afghanistan. An all die traumatischen Erlebnisse damals – und den Verlust eines sehr guten Freundes, den er bis heute nicht ganz verkraftet hatte. Er wehrte sich mit aller Kraft dagegen... Aber genau wie bei Natasha siegte auch bei ihm am Ende das Mitgefühl.
 

Allerdings nicht nur wegen Loki... Denn auch Iron Man fragte sich mit dem gleichen Entsetzen, wie grauenhaft das, was die Agenten auf der anderen Seite erlebten, wohl sein mochte und ob sie das wirklich irgendwie überstehen konnten - wenn es schon einen solch eiskalten Typen wie den Gott der Lügen umhaute!
 

Auf den Gesichtern von Bruce Banner und Steve Rogers hingegen spiegelte sich offen und deutlich die gleiche Betroffenheit wie auf denen der SHIELD-Agenten. Und die fürcherliche Angst um die beiden Menschen, die in jener Dimension festsassen, in die Loki eingetaucht war.
 

Doch ganz gleich, wie es in jedem von ihnen aussah, eines war ihnen gemeinsam: sie alle empfanden die Hilflosigkeit, die sie zwang, untätig herum zu stehen und zum blossen Zuschauen verdammt zu sein, als absolut grässlich!
 

Wo immer Loki gerade war und was immer da auch vorgehen mochte: sie konnten nur hoffen, dass er durchhielt! Sonst wären Coulson und Daisy – und, so er sich denn wirklich ebenfalls dort befand – Fandral mit Sicherheit verloren.
 

Die Minuten schienen sich zu Stunden zu dehnen. Stunden, in denen Loki reglos und wie fest gefroren vor Grauen dasass. Doch dann, auf einmal, begann in dem Raum, in dem er war, etwas zu Flimmern. Ein schwaches, dunkles Glühen an der Wand, auf die er die ganze Zeit über schon starrte. Erst rund und schmal, dann immer breiter und ovaler werdend... Sich ausdehnend...
 

«Ein Auge!» flüsterte Natasha heiser. «Das sieht aus... wie ein Auge!»
 

Womit sie abolut Recht hatte. Auf der Wand, die Loki noch immer fixierte, erschien ein schwarz-glühendes, flimmerndes und vibrierendes Auge.
 

Die Zuschauer hielten den Atem an und fragten sich bange, was das bedeuten mochte...
 

Eine Sekunde später schrien sie auf!



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