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Lokis Strafe

von

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Die Bestie

Das Brüllen wurde lauter und lauter. Es schien einerseits näher zu kommen, andererseits bereits unmittelbar vor ihnen zu sein. Oder hinter ihnen? Neben ihnen?
 

Coulson und Daisy warfen gehetzte Blicke um sich, doch sie konnten nichts erkennen. Das einzige, was auffiel: das grelle Licht hatte sich verändert. Es gab seinen dunkel glühenden Schein auf und wurde beinahe durchsichtig.
 

War es vorher schon unheimlich gewesen, so löste es jetzt in den beiden Agenten geradezu Panik aus.
 

Sie wollten sich wieder in Bewegung setzen – davonrennen, um genau zu sein – doch sie merkten, dass sie es nicht mehr konnten. Ihre Füsse klebten am Untergrund fest.
 

Und der war auf einmal genauso schwammig wie überall sonst.
 

Sie sanken ein! Daisy und Coulson keuchten auf und fassten sich instinktiv an den Händen. «Bewegung!» versuchte die Frau zu schreien – doch es wurde lediglich ein Flüstern draus.
 

Sie probierten es erneut. Mit dem einzigen Ergebnis, dass ihre Füsse noch tiefer im Untergrund versanken. Wie in einem Sumpf. Nur dass dies hier kein Sumpf war.
 

«Hände!» hauchte Coulson und liess Daisy loss. Er neigte sich nach vorn und legte beide Hände auf den Boden. Sobald er diesen berührte, wurde er fest. Der Agent war selbst überrascht. Schnell zog er sein Knie an und merkte, dass es sogar klappte: langsam schob sich sein Fuss aus dem Untergrund.
 

Daisy tat es ihm gleich. Sie kroch wie er auf allen Vieren aus dem Loch heraus, das sie beinahe verschluckt hätte.
 

Das Brüllen wurde intensiver. Nicht lauter – aber wütender.
 

Die beiden Menschen sahen sich an. Sie wussten instinktiv, dass es keinen Sinn hatte, wieder auf die Füsse kommen zu wollen. Sie hatten die erste Möglichkeit vertan. Jetzt gab es nur noch eine Art der Fortbewegung. ‘Wie zwei Hunde!’ schoss es Daisy bitter durch den Kopf.
 

Sie kamen nicht weit. So über den Boden zu kriechen war noch sehr viel kräfteraubender als das Gehen auf zwei Beinen. Auch wenn inzwischen der Untergrund wieder fest wurde sobald sie ihre Gliedmassen aufsetzten. Doch weil sie dem Untergrund nun so nahe waren, konnten sie erstmals das riechen, was sich ihrer Nase vorher gnädigerweise verschlossen hatte: ein Gestank, so fremdartig und widerlich, dass sie gegen den Brechreiz ankämpfen mussten.
 

Und sie sahen jetzt auch, warum sich der Boden überall da, wo sie ihn nicht berührten, bewegte: er lebte! Etwas bewegte sich unter der Oberfläche, verschmolz teilweise mit ihr und setzte sich im nächsten Moment wieder frei, um sich darunter zu verkriechen. Etwas Schlangenartiges, Wurmartiges, das aber auch genauso gut eine Wurzel von einem Baum hätte sein können – nur dass Wurzeln normalerweise fest im Erdreich verankert waren und sich nicht rührten. Was immer es war: es schien zugleich Teil des Untergrunds und etwas Eigenständiges zu sein.
 

Wie verrückter konnte das hier noch werden? Und wie grauenhafter? Die beiden Agenten sahen sich an, und jeder wusste, was der andere dachte: ‘Kommen wir hier je wieder raus?’
 

Und dann dieses Brüllen. Es wollte nicht mehr aufhören, war jetzt definitiv überall. Zwar schien es hauptsächlich von vorne zu kommen, doch gleich einem Echo dröhnte es hinter ihnen und neben ihnen genauso stark. Unabhängig davon, wie oft sie die Richtung wechselten: die unheimlichen Laute schienen immer vom selben Ort her an ihr Ohr zu dringen. Und die beiden Agenten bewegten sich darauf zu – unaufhaltsam. Ohne etwas daran ändern zu können.
 

Doch noch immer war nichts zu sehen.
 

Was vielleicht auch daran lag, dass das durchscheinende Licht um sie herum langsam zu erlöschen schien.
 

Und dann fühlten sie es, beide gleichzeitig.
 

Sie konnten nicht mehr!
 

Vielleicht noch ein paar Meter, dann würde es vorbei sein. Dann war ihre Kraft definitiv zu Ende.
 

Der lächerliche Versuch, auf allen Vieren zu entkommen, war nur ein letztes Aufbäumen gewesen. Und die Kreatur – falls es denn eine war! – welche dieses Brüllen ausstiess, schien das genau gewusst und nur darauf gewartet zu haben. Sie lauerte, horchte, verfolgte... Wie ein sprungbereites Raubtier.
 

«Daisy.» würgte Coulson mit letzter Kraft heraus. «W... was immer gleich... geschehen wird, es war mir... eine Ehre, an ihrer Seite... gekämpft zu haben.»
 

Die junge Frau merkte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. «Gleichfalls.» gab sie kraftlos zurück.
 

Im nächsten Augenblick sank sie zu Boden.
 

Coulson tat dasselbe nur eine Sekunde später.
 

Sie konnten definitiv nicht mehr. Es war vorbei.
 

Das Brüllen wurde wieder lauter und kam deutlich hörbar näher. Beide Agenten schlossen die Augen. Sie wussten, dass sie keine Mittel hatten, sich gegen das zu wehren, was da auf sie zukam. Selbst wenn sie noch ihre Waffen gehabt hätten, wäre sie nutzlos gewesen, denn ihnen fehlte jetzt die Kraft, auch nur den kleinen Finger zu heben. Geschweige denn einen Arm, um eine Pistole abzufeuern.
 

Doch da ihre Waffen irgendwann auf dem Weg nach unten in dieses Loch verschwunden waren, war es sowieso müssig, über Gegenwehr nachzudenken.
 

Vielleicht hatten sie die Pistolen auch verloren, als sie aus dem Wagen geschleudert worden waren.
 

Coulson und Daisy hätten es nicht mehr zu sagen vermocht. Sie konnten keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr Gehirn schien nur noch eine neblige und klebrige Masse zu sein. Genauso schwammig wie der Untergrund, auf dem sie lagen. Und der sich nun, da ihre Bewegungen erlahmt waren, wieder daran machte, sie in sich aufzusaugen.
 

Aber sie würden nicht in diesem Boden versinken, das war den beiden klar. Denn der flüssige Untergrund würde nicht das sein, was sie töten würde.
 

Aber sterben würden sie. Und zwar gleich. Es konnte nur noch wenige Augenblicke dauern, bis es soweit war. Doch zum ersten Mal seit sie als SHIELD-Agenten arbeiteten, wollten sie sich den Anblick ihres Feindes ersparen. Was immer sie gleich in Stücke reissen würde: sie wollten es nicht sehen.
 

Vielleicht würde der Tod dann ein wenig leichter sein...
 


 


 


 


 

Loki wusste dass die Zeit an dem Ort, an dem sich Coulson, Daisy und seiner festen Überzeugung nach auch Fandral befanden, anders verlief. Sie konnte manchmal schneller laufen als im Hier und Jetzt – doch oft tat sie es weitaus langsamer.
 

Er hoffte auf langsamer.
 

Denn dann hatten die Drei vielleicht noch eine Chance.
 

Die Anomalien waren unglaublich. Loki brauchte keine fünf Minuten, um sie wahrzunehmen. Er wunderte sich selbst darüber, wie leicht er ihre Spur wieder aufnehmen konnte, denn obschon sich sein magisches Gedächtnis die Signatur gemerkt hatte, hatte er mit mehr Aufwand gerechnet. Lag es vielleicht daran, dass er zumindest teilweise mit jemandem verbunden war, der sich auf der anderen Seite befand?
 

Wenn dem so sein sollte, war Coulson vielleicht erneut der Schlüssel, der die Tür öffnete, um zu ihnen vordringen zu können.
 

Aber zuerst musste er den Radius der Anomalien bestimmen. Er folgte den Schwingungen in der Atmosphäre und hatte nach weiteren fünf Minuten die Grösse des Befalls abgemessen. Seine blau-grünen Augen wurden eine Spur dunkler. Das sah nicht gut aus. Ganz und gar nicht.
 

Zum tausendsten Mal wünschte er sich, dass er seine Gedanken auch ohne Berührung in andere übertragen könnte – denn dann würde er den Agenten im Vorraum jetzt den Auftrag geben, sofort die Gegend abzusuchen, die er eben mental abgesteckt hatte. Er war sich sicher, dass sie einige Ungewöhnlichkeiten entdecken würden. Doch jede andere Form der Kommunikation – Worte zum Beispiel – würden ihn aus seiner Konzentration herausreissen. Und das durfte nicht geschehen. Denn er spürte mit jeder Faser seines Seins, dass die Zeit immer knapper wurde.
 

Also musste die Umgebung, wo die Anomalien sich bewegten, warten. Sie würde auch in zehn oder zwanzig Minuten noch die gleiche sein.
 

Aber den drei Verschwundenen blieb sicher nicht mehr genügend Zeit für einen zweiten Anlauf seinerseits. Also musste er weitermachen.
 

Nur - wie sollte er vorgehen? Das letzte Mal hatte er sich an Coulsons Aura orientiert. Selbst wenn ihm das erneut gelingen sollte, wundersamerweise sogar über diese Entfernung hinweg, was würde es bringen? Er hatte noch immer nicht den leisesten Schimmer, wie er die drei zurückholen konnte.
 

‘Immer alles schön der Reihe nach!’ hörte er eine leise Stimme in seinem Inneren.
 

Frigga! Sie hatte ihm das einst gesagt, als er noch sehr jung gewesen war und immer alles auf einmal hatte beherrschen wollen. Die Magie, den Nahkampf, den perfekten Umgang mit seinen Dolchen.... Wenn es dann wegen seiner Ungeduld schief gegangen war, hatte sie ihm das immer mit ihrem milden, weisen Lächeln gesagt. ‘Alles der Reihe nach, Loki. Immer einen Schritt nach dem anderen – auch wenn du die einzelnen Schritte nicht schon zum Voraus kennst. Sie werden sich ergeben.’
 

Das hatte insbesondere für die Magie gegolten.
 

Doch Loki hatte längst festgestellt, dass es das Beste war, sein ganzes Leben nach diesem Credo auszurichten. Also sollte er wohl nicht ausgerechnet jetzt damit aufhören!
 

Er fokussierte sich und holte sich Coulson Bild vor Augen.
 

Immer alles schön der Reihe nach.
 


 


 


 


 

Plötzlich geschah alles gleichzeitig: etwas sauste von vorne auf sie zu und etwas anderes von hinten an ihnen vorbei. Coulson und Daisy konnten Ersteres fühlen und Letzteres als dunklen Schatten über dem Boden sehen, als sie nun doch überrascht ihre Augen wieder öffneten.
 

Was immer da vorhin noch triumphierend und in Erwartung des Zustossens gebrüllt hatte, brüllte erneut. Diesmal aber, das war deutlich erkennbar, vor Schmerz. Langsam, unendlich langsam, hoben die beiden Menschen ihre Köpfe hoch genug, um geradeaus sehen zu können.
 

Vor ihnen krümmte sich etwas. Es war riesig, es sah aus wie eine gigantische Echse mit sechs Beinen oder wie eine Spinne mit einem gezackten Schlund. Doch gleichzeitig sah es auch aus wie NICHTS. Ein Wesen und doch kein Wesen. Ein Monster, ein Dämon, ein ETWAS...
 

Doch was immer dieses DING auch war: in seinem weit geöffneten Maul steckte ein breites asgardianisches Schwert!
 

Die Kreatur bäumte sich auf, wand sich, kämpfte, versuchte ganz offensichtlich, das scharfe Metall loszuwerden. Etwas tropfte von dem aufgerissenen Schlund zu Boden, das Coulson und Daisy bei jedem anderen Wesen als Blut bezeichnet hätten.
 

Doch das hier sah mehr aus wie Schleim. Harter, zähflüssiger Schleim, schwarz und gleichzeitig in derselben unheimlichen Farbe brennend wie das gleissende Licht, das sie zu Beginn ihrer Reise in diesem Nirgendwo begleitet hatte.
 

Und das nun definitiv erloschen war.
 

Das Biest warf den Kopf – oder den Teil des Körpers, auf den eine solche Bezeichnung am ehesten zuzutreffen schien – zurück und brüllte erneut laut auf. Noch schmerzgepeinigter diesmal, aber auch deutlich drohend.
 

«Runter!» hörten die beiden Agenten eine mühsam gepresste Stimme in ihrem Rücken. «Schnell!»
 

Obwohl es alles andere als ‘schnell’ ging, liessen sich Coulson und Daisy wieder ganz zu Boden fallen. Gerade noch rechtzeitig: eine zweite Klinge schoss über ihre Köpfe hinweg und traf das Monster.
 

Diesmal genau zwischen die unheimlichen tiefschwarzen Augen.
 

Das Ding brach zusammen, als wäre es von einer Axt gefällt worden. Ein letztes Schnaufen, ein leises heiseres Brüllen... dann war es tot.
 

Oder genauer gesagt: weg.
 

Denn in der Sekunde, in der deutlich sichtbar das Leben aus ihm herausfloss, zerfloss das Ding und verschmolz mit dem Untergrund. Einige kleine Bläschen stiegen auf, dann war von dem Biest nichts mehr übrig.
 

Und der Boden unter Coulsons und Daisys Körper wurde fest – wunderbarerweise sogar nicht nur dort, wo sie ihn berührten, sondern überall.
 

«Aufstehen!» keuchte Fandral, der jetzt heran war und Daisy bereits auf ihre Füsse half. «Das hier ist noch nicht vorbei.»
 

Er zog auch Coulson hoch und ignorierte die verwirrten – und sehr dankbaren! - Blicke der beiden Menschen. Sie mussten weitergehen. Und da sie jetzt wieder ein wenig Kraft besassen, konnten sie es auch.
 

Fandrals Wissen über das, was sie tun mussten und über das, was vielleicht noch geschehen würde, gründete sich nicht nur auf Instinkt. Er konnte sich plötzlich wieder schwach an eine Begebenheit erinnern, wo er Loki und einige seiner Freunde – lauter Magier – mal über so etwas hatte reden hören. Sie waren alle noch sehr jung gewesen, damals, noch richtige Kinder. Darum hatten die magisch Begabten den Inhalt ihres Gespräches auch nur als blosse Theorie bezeichnet.
 

Dass es so lange her war, war auch der Grund dafür, dass sich Fandral nur sehr vage an diese Unterhaltung erinnern konnte. Doch zwei Dinge waren ihm im Gedächtnis haften geblieben: dass er und Hogun, die bei dem Gespräch dabei gewesen waren, nur ungläubig die Köpfe geschüttelt und die magischen Kameraden und Kameradinnen für verrückt erklärt hatten. Und dass diese allesamt in ihr Lachen eingestimmt und gemeint hatten, dass es nur Spass gewesen war.
 

Alle ausser Loki.
 

Er hatte sich als einziger nicht weiter dazu geäussert und sie nur mit einem hochmütigen, sehr höhnischen Blick bedacht, der zu besagen schien: ‘Spottet ihr nur. Eines Tages werdet ihr nicht mehr lachen.’
 

Dieser Tag war nun da.
 

«I... ich kenne... sie.» Coulsons schwache Worte holten Fandral aus seinen Gedanken. «Sie sind... damals mit Lady Sif... und diesen zwei anderen Kriegern gekommen, um... Thor...»
 

«Sparen Sie sich ihre Kräfte.» unterbrach Fandral den Mann. Als Asgardianer war er immerhin noch ein bischen stärker als die zwei Menschen. «Sie werden sie brauchen.»
 

«Sie.... haben uns das... Leben gerettet.» Coulson griff nach seinem Arm. «Danke!»
 

Daisy tat und sagte das gleiche. Fandral hingegen winkte ab. «Ich bin ein Krieger Asgards. Es ist meine Aufgabe, Unschuldige zu beschützen.» Er musterte die beiden besorgt. Ob sie es schaffen würden, weiter zu gehen?
 

Egal, sie mussten einfach!
 

«Wohin... führen Sie uns?» fragte Daisy. Sie fühlte sich ein bischen besser. Ein kleines, winziges bischen.
 

Was nicht zuletzt daran lag, dass sie nun das erste Mal seit Ewigkeiten wieder festen Boden unter sich hatten – nicht nur unter ihren Füssen. Trotzdem schimmerte immer noch etwas unter der Oberfläche. Etwas, das sich nach wie vor bewegte.
 

Lieber nicht zu genau hinsehen!
 

«Ich weiss es nicht.» beantwortete Fandral leise Daisys Frage.
 

Vielleicht war es sinnlos und verrückt, die zwei Menschen weiter anzutreiben. Vielleicht hätten sie sich alle genauso gut einfach hinsetzen und gleich sterben können.
 

Aber Fandral war wirklich ein Krieger Asgards.
 

Und als solcher gab er nicht auf, solange er noch atmete.



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