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Lokis Strafe

von

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Überraschung!

Odin fühlte den Schmerz, doch weitaus mehr als das fühlte er die eigene Hilflosigkeit, die von Sekunde zu Sekunde zunahm. Er versuchte, sich dagegen zu stemmen, doch seine magische Kraft als Allvater begann ihn zu verlassen. Das Blut tropfte von seiner Stirn und floss in Helas Hände, wo es durch die Poren ihrer Haut sofort in sie eindrang und seine Wirkung entfaltete.
 

Flüchtig, aber wirklich nur sehr flüchtig, realisierte Odin, dass seine Tochter selbst auch schwächer wurde. Er ahnte weshalb, war jedoch weit entfernt, deswegen Hoffnung zu schöpfen. Helas Schwäche kam einzig und allein daher, dass sie ihre eigene Kraft beiseite legen musste, um die seine voll empfangen zu können. Doch sobald sie von ihm genommen hatte, was sie begehrte, würde sie ihre Energie wieder aktivieren.
 

Odin wünschte sich verzweifelt, er könnte diesen Moment nutzen, um Hela zu bezwingen. Aber ihm war bereits dermassen elend zumute, dass er Mühe hatte, überhaupt bei Bewusstsein zu bleiben. An Gegenwehr, in welcher Form auch immer, war nicht zu denken. Und Thor, der neben ihm gefesselt am Boden kniete, konnte ihm eben so wenig beistehen. Doch selbst wenn... Selbst wenn sie beide gegen Hela hätten vorgehen können: welche Chance hätten sie gehabt, wenn sie umringt waren von Unzähligen ihrer Krieger?
 

Nein, es war aus. Odin wehrte sich gegen diesen hoffnungslosen Gedanken, doch genauso wie sein Blut aus seinem Körper heraus sickerte, sickerte jeglicher Mut aus seinem Herzen.
 

Mit verschwommenem Blick sah er an Hela vorbei auf Loki. Am liebsten hätte er aus seiner tiefsten Seele heraus geschrien, doch alles, was er tun konnte, war, den verlorenen Sohn düster anzustarren. Der Anblick riss sein Inneres in Stücke, und er stellte sich die verzweifelte Frage, ob er zu weit gegangen war. Er hatte das Böse in Loki abtöten wollen... Doch nun sah es so aus, als hätte er das Gegenteil erreicht. Als hätte er es erst voll und ganz zur Entfaltung gebracht.
 

Dieses spöttische Lächeln auf seinem Gesicht... Odin konnte ein leises Stöhnen nicht verhindern. Auch nicht, dass ihm die Tränen in sein eines Auge traten. Loki, oh Loki! Was hatte er nur getan? Er wollte den Blick abwenden und merkte, dass er es nicht konnte. Und dass ihn eine innere Stimme auch auf einmal dazu antrieb, es nicht zu tun – sondern seine Augen zu suchen.
 

'Ja,' dachte Odin bitter, 'sei jetzt wenigstens kein Feigling und schau ihm in die Augen. Flüchte nicht vor dem, was du darin finden wirst. Du hast es schliesslich verdient, den Abscheu, den Hass und den Vergeltungswillen darin zu sehen!'
 

Aber als er es dann tatsächlich schaffte, Lokis Blick zu erwidern, zuckte er unmerklich zusammen. Was war denn das? Der Spott auf dem Gesicht seines Sohnes spiegelte sich in keiner Weise in seinen Augen wider – im Gegenteil. Da lag ein Ausdruck darin... Odin schwindelte es beinahe. Doch eine Sekunde später wurde Lokis Blick plötzlich leer und ausdruckslos.
 

Odin erstarrte. Er hatte diesen Ausdruck bei Loki schon gesehen, wenngleich auch seit sehr langer Zeit nicht mehr. Aber als Kind hatte er immer diesen starren Blick gehabt, wenn er einen neuen magischen Trick versuchte. Es war immer ein Zeichen höchster Konzentration gewesen, wenn Loki so dagestanden hatte.
 

Versuchte er etwa das, was Odin nicht konnte?
 

Aber nein, das war unmöglich! Loki hatte an Helas Seite gestanden und sich genauso sehr wie sie über seine – und Thors – Niederlage gefreut. Er hatte ihn und Thor ebenso wie seine Tochter verspottet. Es war also schlicht nichts weiter als die schiere Verzweiflung, die ihn auf solch verrückte Ideen kommen liess.
 

Auf solch verrückte Ideen wie die, dass Loki gerade dabei sein könnte, Hela zu bekämpfen!
 

Aber nur wenige Minuten später erfuhr Odin, dass die leise Hoffnung, die durch sein Herz zuckte, nicht vergeblich war. Denn genau in jenem Augenblick, in dem die Übertragung seiner Kraft auf Hela beinahe gänzlich abgeschlossen war, geschah es...
 

Auf einmal schwankte die Frau, griff sich an die Stirn, an den Bauch, ruderte schliesslich mit den Armen wie wild um sich und brach dann in die Knie. Ihre Augen weiteten sich und sie wandte stöhnend den Kopf. Ihr fragender Blick traf Loki – es war offensichtlich, dass sie seine Hilfe suchte. «Was...?» stammelte sie.
 

Statt einer Antwort hob Loki die Hand. Ein grüner Blitz aus reiner Energie schoss heraus und traf die Göttin des Todes mit voller Wucht. Normalerweise wäre ein solcher Angriff für sie kein Problem gewesen. Doch in ihrem jetzigen, geschwächten Zustand, in dem sie die eigene Kraft noch nicht wieder aktivieren konnte und diejenige von Odin für sie noch nicht nutzbar war, haute Lokis Magie sie buchstäblich um. Gleichzeitig merkte der Allvater, dass die Verbindung zu Hela unterbrochen wurde und seine Kraft in all ihrer Stärke wieder in ihn zurückfloss. Geradezu in ihn zurückgeschleudert wurde, um es genau zu sagen. Odin konnte kaum begreifen, was da geschah – doch da war er natürlich nicht der einzige.
 

Hela, die nicht nur aller Magie Odins wieder beraubt worden war sondern auch die eigene noch nicht wieder sammeln konnte, schrie in fassungsloser Verwirrung und mit krächzender Stimme auf. «Loki, was tust du da? Bist du von Sinnen?»
 

«Das behaupten so einige.» erwiderte Loki völlig ruhig. «Aber eigentlich bin ich nur gerade dabei, ein Versprechen einzulösen.»
 

«Ein Versprechen?» Helas Augen traten fast aus den Höhlen, so geschockt und ungläubig musterte sie den Bruder. Sie wollte sich wieder aufrappeln, doch die Magie des Mannes hielt sie fest.
 

Loki grinste leicht. «Ja, ich habe dir doch schliesslich eine Überraschung versprochen, oder? Das hier ist sie.»
 

«Und du denkst, es reicht, mich auszuschalten?» Hela ballte die Fäuste. «Da hast du aber offenbar eine Kleinigkeit vergessen!» Sie lachte laut und scheppernd auf, ehe sie den Kopf zurücklegte und rief: «Krieger Helheims: macht diesen Verräter nieder!»
 

Atemlose Stille legte sich über den Saal. Alle gefangenen Asgardianer rechneten damit, dass sich Helas Leute gleich in Bewegung setzen würden...
 

...doch nichts geschah!
 

Die Frau riss die Augen noch mehr auf und rief erneut nach ihren Männern. Lauter und fordernder diesmal. «Na los, macht ihn nieder! Eure Königin befiehlt es euch!»
 

Wieder blieb alles ruhig – sah man von Odins Herz ab, das so laut zu schlagen begann, dass er meinte, dass alle es hören konnten.
 

Hela brüllte jetzt. «Ihr Memmen, ihr elenden Verräter, ihr Schlangenbrut...! Wollt ihr wohl endlich tun, was ich euch sage!»
 

«Ups!» liess sich Loki da vernehmen. «Ich fürchte, liebe Schwester, ich muss dir noch was gestehen.» Und mit dem liebenswürdigsten Lächeln, das er auf sein Gesicht zaubern konnte, erklärte er ihr, dass er ihre Leute mental beeinflusst hatte – und dass sie rufen konnte, so laut sie wollte: sie würden nicht hören.
 

Nicht auf sie, zumindest.
 

Sie folgten allein seinem Befehl - und er hatte ihnen befohlen, in genau diesem Moment untätig und teilnahmslos dazustehen.
 

«Ach, und übrigens,» fuhr er schliesslich an die asgardianischen Wachen gerichtet fort. «Sie werden auch keinen von euch daran hindern, Hela in Gewahrsam zu nehmen.»
 

Die Wachen zögerten, warfen sich verwirrte und unsichere Blicke zu, bis Loki nachhakte: «Na los... Oder muss ich hier alles alleine machen?»
 

Da trauten sie ihrem Glück und setzten sich in Bewegung. Und tatsächlich: auch jetzt rührte keiner von Helas Kriegern auch nur einen Finger, um sie aufzuhalten, als sie der Frau Ketten anlegten. Magische Ketten, die den Rest ihrer noch verbliebenen, jetzt äusserst geringen Kraft auch noch banden und die Göttin des Todes somit völlig wehrlos sein liessen. Dann führten die Einherjar die fluchende und wilde Verwünschungen von sich gebende Frau ab.
 

Ausser den Wachen, welche Hela in den Kerker zerrten, konnte sich jedoch kein einziger der Anwesenden rühren. Sie alle standen da, als ob sie zu Salzsäulen erstarrt wären, und sahen mit einem Gemisch aus Fassungslosigkeit, Unglauben und Erschütterung auf den jüngeren Prinzen des Reiches, der sie soeben – die Erkenntnis sickerte langsam in ihnen durch – alle gerettet hatte!
 

Loki kümmerte sich nicht gross um die wie in einem Schock gefangene Menge vor ihm. Er hob erneut seine Hand und im selben Moment fielen Odins und Thors Ketten. Sofort sprang der blonde Donnergott auf und riss den Bruder in eine stürmische Umarmung. «Du hast es tatsächlich geschafft!» jubelte er laut. «Nicht, dass ich daran gezweifelt habe!»
 

«Echt nicht?» Loki keuchte leise und versuchte, Thor von sich zu schieben. «Äh... Bruderherz, falls du nicht beabsichtigst, mich als Zeichen deiner Dankbarkeit zu zerquetschen, wäre es nett, wenn du mir noch ein wenig Luft zum Atmen lassen würdest.»
 

«Entschuldige!» Thor lockerte die Umarmung, hielt ihn jedoch immer noch an den Armen fest. Er suchte Lokis Augen und versetzte ernst und beinahe feierlich: «Danke, Bruder.»
 

«Schon gut.» Loki grinste flüchtig, dann löste er sich aus Thors Griff und sagte: «Ich hoffe, du bist mir nicht böse, wenn ich mich jetzt vom Acker mache. Aber da ich mal davon ausgehe, dass ihr die Siegesfeier auch ohne mich durchziehen könnt...» Er liess den Rest des Satzes in der Luft hängen. Sein Lächeln wurde leicht spöttisch, doch bevor Thor – oder Odin, der es endlich auch geschafft hatte, sich aus seiner Erstarrung zu lösen – etwas einwerfen konnte, hatte er sich bereits umgedreht und weg teleportiert.
 

«Loki!» rief ihm der Allvater traurig nach.
 

Aber sein Sohn hörte es bereits nicht mehr.



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