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Lokis Strafe

von

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Der Ghost Rider

Das einzige, das Loki wusste, war, dass er keinen Inhuman vor sich hatte. Doch alles weitere verschloss sich ihm. Er konnte nicht in das Bewusstsein des Mannes eindringen, der ihn in derselben Sekunde, als er die zwei Wissenschaftler wieder materialisiert hatte, gepackt und durch ein Portal mitgeschleppt hatte.
 

Wobei der Begriff ‘Mann’ etwas weit hergeholt schien... schliesslich hatte der Kerl einen Totenschädel, der in Flammen stand.
 

Das – und offenbar eine Sauwut im Bauch!
 

«Hab’ ich dich endlich erwischt!» schrie er Loki an, als er ihn mit für den Magier überraschender Leichtigkeit auf den Boden schleuderte. «Seit du hierher zurückgekommen bist, habe ich versucht, dich in die Finger zu kriegen.»
 

«Ach ja? Da fühl’ ich mich ja direkt geschmeichelt ob soviel Aufmerksamkeit.» Loki sprang wieder auf und richtete seinen magischen Sinn danach aus, Schwachstellen bei seinem Gegenüber zu finden.
 

«Hast ‘ne Menge zynischer Sprüche auf Lager.» gab der Totenschädel zurück. Seine flammenden Augen blitzten. «Das hat man schon beim letzten Mal gemerkt. Aber an deiner Stelle würde ich ein bischen bescheidener werden.»
 

«Okay... Ich frag jetzt mal nicht warum. Aber wie wär’s, wenn wir noch Mal von vorne anfangen und uns erst einmal vorstellen?» Noch immer suchte Loki angestrengt nach Schwächen beim anderen, fand jedoch keine. Was war der Kerl bloss? «Ich bin Loki aus Asgard. Und du bist..?»
 

«Dein Verderben!» Der Totenschädel verzog den Mund, was wohl sowas wie ein boshaftes Grinsen hätte werden sollen. «Man nennt mich auch den Ghost Rider.»
 

«Ghost Rider? Soll ich das jetzt cool finden oder was..?»
 

Statt einer Antwort griff der andere hinter sich und hielt auf einmal eine flammende Kette in der Hand. Er holte aus zu einem Schlag, der Loki von den Beinen gefegt hätte – wenn sich dieser nicht bereits in eine Illusion aufgespalten und sein eigentliches Selbst hinter dem Ghost Rider platziert hätte. Der Hieb ging ins Leere, die Illusion löste sich auf… Dafür wurde der Flammenschädel von hinten von einem von Lokis Energieblitzen getroffen.
 

Es hatte jedoch kaum einen Effekt auf ihn. Er zuckte nur kurz und drehte sich dann wieder um, als wäre nichts gewesen.
 

«Nicht übel.» versetzte Loki ironisch. «Normalerweise haut das jeden um.»
 

«Ich bin nicht jeder!» gab der andere zurück und holte erneut mit der Kette aus. Diesmal wich Loki nicht zurück, sondern parierte den Schlag: als die flammende Kette auf ihn niedersauste, verstärkte er seine Hand mit Magie und hielt sie fest. Ein kurzer, glühender Stich fuhr durch seine Nerven, doch mehr geschah nicht. Er hielt die Kette fest umschlossen und riss dadurch seinen Gegner von den Füssen.
 

Die Augen des Ghost Riders weiteten sich überrascht. Auch ohne dass Loki seine Gedanken erfassen konnte wusste er, dass ihm so etwas noch nie passiert war.
 

«Du bist gut.» zischte sein Gegenüber. «Aber mal sehen, was du dazu meinst.» Er hob die andere Hand, und hinter ihm öffnete sich, von Flammen eingehüllt, erneut ein Portal. Als Loki sah, was sich durch die entstandene Öffnung in ihre Dimension schob, liess er vor Schreck die Kette los. Seine Augen weiteten sich entsetzt.
 

«Das kann doch… nicht sein.» stammelte er, als er die Schemen sah, die langsam auf ihn zutraten…
 

…und dabei immer mehr an Gestalt annahmen.
 

Sie waren zu viert. Drei junge Männer und ein Mädchen. Die Gesichter weiss und ausdruckslos, doch in den Augen schimmerte blanker Hass. Loki kannte diesen Hass - ihren Hass. Genauso, wie er die vier nur zu gut kannte. Denn er hatte sie schon oft genug gesehen...
 

In seinen Alpträumen!
 

Aber das konnte nicht sein. Alle vier waren tot, das wusste er. Er hatte sie in seinen Träumen sterben sehen. Sie waren unter seinen Opfern beim Anschlag auf New York gewesen. Zwei der Männer hatten das Pech gehabt, den Weg eines Chitauri zu kreuzen, und waren durch deren Strahlenpistolen getötet worden. Das Mädchen war unter der Last eines in sich zusammenstürzenden Gebäudes begraben worden. Und der letzte junge Mann...
 

Loki schwindelte, als er daran dachte. Der letzte junge Mann hatte versucht, drei Kinder zu beschützen. Er hatte sie in einen der wenigen Busse geschoben, die noch fahrtüchtig gewesen waren, und selbst natürlich auch noch hineinspringen wollen. Doch in dem Moment, als er den Wagen hatte betreten wollen, hatte ein Strahl aus einer Kanone vom grossen Hauptschiff der Chitauri sein halbes rechtes Bein weg geschossen. Brüllend vor Schmerz war der Junge auf die Strasse zurückgefallen - nur um wenige Sekunden später von einem in blinder Panik flüchtenden Autofahrer überrollt zu werden. Er war nicht sofort tot gewesen... erst rund fünfzehn qualvolle Minuten später hatte ihn der Tod erlöst.
 

Loki wurde es heiss und kalt zugleich. Er hatte das Schicksal dieser vier jungen Leute mehr als einmal durchlebt - genauso wie das Schicksal von unzähligen weiteren Opfern, die sein Angriff auf New York hinterlassen hatte. Nacht für Nacht hatten ihn diese grässlichen Träume in seinem Käfig in Asgard verfolgt, und er hätte sich zu gerne eingeredet, dass sie genau das und nichts anderes waren... Träume!
 

Aber er hatte leider nur zu gut gewusst, dass dem nicht so war. Dass es die realen Schicksale von realen Menschen aus Midgard waren, die ihn heimsuchten.
 

Genauso wie das Schicksal der vier, die er jetzt vor sich sah. Die, genauso wie die übrigen, von denen er geträumt hatte, tot waren. Trotzdem standen sie ihm jetzt gegenüber... oder, genauer gesagt: ihre Geister. Denn obwohl sie inzwischen eine solch feste Form angenommen hatten, dass man erkennen konnte, wer sie gewesen waren, waren sie eindeutig keine noch atmenden Wesen.
 

In Lokis Kopf schwirrte es, und er versuchte, die aufkommende Panik nieder zu drücken. Die Versuche der beiden Wissenschaftler im Gebiet der Entmaterialisation musste die Barriere zwischen der Welt der Toten und jener der Lebenden durchlässig gemacht haben. Wobei dieser flammende Totenkopf-Typ wohl auch seinen Teil dazu beigetragen haben mochte. Denn der gehörte eindeutig auch nicht in die Welt der Lebendenn. Oder höchstens zur Hälfte.
 

Die Geister der Toten begannen jetzt langsam, Loki einzukreisen. Eine Welle von Emotionen ging dabei auf einmal von ihnen aus und hüllte den Magier ein. Und Hass war nur eines der Gefühle, die ihm entgegen schlugen. Da waren auch noch Zorn, Abscheu, Vergeltungswillen... Die Empfindungen waren so stark, dass sie wie Hiebe auf Loki einschlugen und ihn schwanken liessen.
 

Er war wie gelähmt. Er hatte in seinem ganzen langen Leben schon gegen unzählige Gegner, aber noch nie gegen Tote gekämpft. Wie sollte er sich gegen sie wehren? Doch die Tatsache, dass er keine Ahnung hatte, ob seine Magie hier überhaupt etwas ausrichten würde, war noch nicht einmal das Schlimmste daran...
 

Das Schlimmste war, dass er genau wusste, dass er sich nicht zur Wehr setzen wollte.
 

Die vier waren in seinen Augen noch halbe Kinder – nach midgardischen Masstäben gerechnet höchstens zwischen dreizehn bis sechzehn Jahre alt. Und er war derjenige, der sie letztlich auf dem Gewissen hatte.
 

Er taumelte und versuchte beinahe unbewusst, vor ihnen zurückzuweichen. Doch er kam nicht weit. Hinter ihm ragte eine Wand auf – und Loki sass in der Falle. Seine Finger fuhren nach hinten und befühlten den kalten Stein. Es war eine Stollenwand. Das bedeutete, dass der Ghost Rider ihn nicht an einen anderen Ort gebracht hatte, sondern nur in eine andere Dimension.
 

Loki versuchte, seine Gedanken zu ordnen, doch es gelang ihm kaum. ‘Warum diese vier?’ fragte er sich, als die Geister immer näher kamen. ‘Ich habe über zweitausend Menschen getötet... Warum sind nur sie hier?’
 

Nicht, dass er sich darüber beschwert hätte, dass nicht noch mehr von seinen Opfern durch das Portal gekommen waren. Aber seltsam war es dennoch.
 

Seltsam und erschreckend!
 

Vor Lokis Augen begann plötzlich alles zu flimmern, und er nahm den Ghost Rider, der hinter den vier Halbwüchsigen stand, nur noch undeutlich wahr. Doch seine Worte hörte er – die einzigen, die hier laut ausgesprochen wurden. «Ich hab’ dir doch gesagt, du solltest besser etwas bescheidener sein.»
 

Loki biss sich auf die Lippen, erwiderte jedoch nichts. Seine Augen fixierten die toten Menschen, doch sein Blick wurde immer verschwommener. Auch sein magischer Sinn schien ihn im Stich zu lassen: so sehr er es auch versuchte, er konnte nicht im Mindesten spüren, was die Geister beabsichtigten oder welche Gefahr sie für ihn darstellten.
 

Abgesehen davon natürlich, dass ihre blosse Anwesenheit die reinste Folter war...
 

Sie sprachen nicht. Keiner von ihnen. Und doch sagten sie eine ganze Menge. Es dauerte jedoch einen Moment, bis Loki sie hören konnte – dann jedoch so laut und deutlich, dass er erschrocken aufkeuchte. Er vernahm die Stimmen der vier zwar nur in seinem Kopf, aber das war mehr als ausreichend...
 

Dabei war nicht er es, der in ihr Bewusstsein eindrang. Nein: sie drangen in seines ein und überhäuften ihn mit ihren Worten. Mit ihren Anklagen, um genau zu sein. Und selbst wenn er es noch nicht gewusst hätte, hätte er spätestens jetzt erfahren, was er ihnen angetan hatte. Denn sie erzählten es ihm in allen Details.
 

Doch sie klagten ihn nicht nur an – sie verkündeten ihm auch sein Urteil.



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