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Lokis Strafe

von

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Die Geister, die ich rief

«Ich muss wieder zurück,» sagte Thor und schaute Loki dabei unsicher an. Er hoffte, sein Bruder würde das Versprechen halten, dass er ihm gegeben hatte, und nicht in sein Bewusstsein eintauchen. Denn er durfte ihm nicht sagen, dass Odin beschlossen hatte, Loki den Menschen zu überlassen… Im Wissen, dass dies für ihn sehr gefährlich werden, ja sogar mit seinem Tod enden könnte.
 

Als Thor das gehört hatte, hatte er es tunlichst vermieden, seinen Vater über Lokis wahre Fähigkeiten aufzuklären. Heimdall hatte er nach zähem Ringen das Versprechen abgenommen, diesbezüglich ebenfalls zu schweigen. «Du verstösst nur gegen deinen Eid, wenn du es unterlässt, Vater davon zu unterrichten, wenn Loki in irgendeiner Weise zur Gefahr für die Menschen wird,» hatte er den allsehenden Wächter beschworen. «Das ist dein Auftrag. Aber wenn Vater erfährt, wie mächtig Loki wirklich ist, wird er ihn niemals auf Midgard lassen – weil er denken wird, dass er für die Menschen eine Bedrohung darstellt, mit der sie nicht fertig werden könnten.»
 

«Und wer sagt dir, dass es nicht genau so ist?» hatte Heimdall leise gefragt.
 

Thor hatte gezögert, ehe er ebenso leise geantwortet hatte: «Ich. Loki hat sich verändert, da bin ich mir absolut sicher.»
 

Odin kannte nur den Loki, den dieser selbst jahrhundertelang Asgard hatte sehen lassen: einen zwar durchaus mächtigen Magier und Krieger… Aber nicht annähernd so sehr, wie er eigentlich war. Weshalb der Allvater zu Recht davon ausgehen durfte, dass die Menschen (die Avengers, hatte er genau genommen gesagt), mit ihm fertig werden würden.
 

«Ich dachte, du wolltest ihn retten.» hatte Thor bitter eingeworfen, als sein Vater seine wie immer nicht gerade kurze Rede beendet hatte. Der blonde Donnergott hatte eigentlich gehofft, dass Odin seinen Bruder nach Asgard zurückkehren liesse – nicht als Gefangenen, sondern endlich wieder als freien Mann. Aber es war wohl sehr naiv gewesen, darauf zu hoffen.
 

«Das will ich immer noch,» hatte Odin ernst erwidert. «Aber im Gegensatz zu dir, mein Sohn, bin ich noch lange nicht davon überzeugt, dass alles Böse in deinem Bruder komplett ausgemerzt wurde. Und ich wünsche von dir in dieser Sache kein weiteres Wort mehr zu hören! Sei froh, dass ich ihn nicht unverzüglich zurückbringen und wieder in den Käfig werfen lasse. Auf Midgard hat er eine Chance, sich zu beweisen. Sollte er sich wirklich geändert haben, würden wir das am ehesten erkennen können, wenn er sich auf jener Welt, die er unterjochen wollte, nichts mehr zuschulden kommen lässt – ungeachtet dessen, was die Menschen vielleicht mit ihm tun werden.» Odin hatte eine Kunstpause eingelegt und dann hinzugefügt: «Aber das geht nur, wenn du nicht dabei bist. Er muss allein sein – denn erstens werden sich die Menschen in deiner Anwesenheit sicher zurücknehmen, und zweitens würdest du ihn vor allem Unbill beschützen wollen.»
 

Nichts davon durfte er Loki jetzt allerdings erzählen. Das einzige, was er ihm sagen durfte war, dass Vater ihn zurückbeordert hatte. Und dass Loki – zumindest für den Moment – auf Midgard bleiben durfte.
 

Würde sein Bruder diese dürftige Erklärung akzeptieren? Oder würde er der Versuchung erliegen, in seinen, Thors, Kopf hineinzuschauen, um die ganze Wahrheit zu erkennen? Er erinnerte ihn vorsichtshalber nochmals an sein Versprechen, das zu unterlassen, und erntete ein schwaches Lächeln von seinem Bruder.
 

«Keine Angst Thor, ich hab’s nicht vergessen. Und ich halte mich daran.»
 

Thor sah ihm an, dass er es ernst meinte. Und Lokis nächste Worte bestätigten ihm dies auch – obwohl sie ihm tief ins Herz schnitten. «Weisst du, um ehrlich zu sein, ist es mir auch vollkommen egal.» sagte sein Bruder, und das erste Mal seit langem klang seine Stimme wieder beinahe so kraftlos wie in jenem Moment, als er ihn befreit hatte. «Was immer Odin für ein Spielchen mit mir spielt… Ich habe eh keine andere Wahl, als mitzuspielen, nicht wahr?»
 

«Loki!» Thor hätte ihn am liebsten geschüttelt, doch er beherrschte sich und ergriff nur seine beiden Arme. Beinahe beschwörend sah er ihn an. «Vater spielt doch nicht mit dir! Denk sowas nicht, bitte..!»
 

«Schon gut, Thor.» Loki winkte müde ab. «Wie ich bereits sagte: es ist egal.»
 

Als Thor schliesslich weg war, verspürte Loki doch ein ziemlich mulmiges Gefühl im Magen. Anders als beim ersten Mal, als er ihn auf Midgard alleine gelassen hatte, sah er sich nun nicht nur einer difusen, sondern sehr konkreten Gefahr ausgesetzt. Natürlich war ihm klar, dass er mit Coulson und seinen Leuten ohne grosse Schwierigkeiten fertig werden würde. Doch da er nicht vorhatte, noch mehr Schuld auf sein Konto zu laden, waren ihm ziemlich die Hände gebunden.
 

Als Coulson schliesslich vor der Tür stand, war er darum ziemlich nervös. Wie würde es nun weitergehen? Würde man ihn wieder nach unten sperren? Oder noch ganz woanders hin..? Obschon der Agent davon gesprochen hatte, dass er ihnen bei der Suche nach seinem alten Notizbuch helfen sollte, zweifelte Loki daran, dass sie das jetzt, nachdem Thor weg war, immer noch wollten. Er rechnete daher mit so ungefähr allem...
 

...nur nicht damit, dass Coulson wirklich hier war, weil er seine Unterstützung suchte.
 

Obwohl: ihm befahl, sie zu unterstützen, traf es eigentlich eher...
 

Coulson führte ihn in den Versammlungsraum und blieb vor dem grossen Bildschirm stehen. Agent Melinda May übernahm das Reden: «Gestern fand in einem stillgelegten Forschungslabor namens ‘Momentum Enterprises’ ein Einbruch statt. Die Polizei hat sich zunächst gewundert, da es dort nichts mehr zu klauen gibt. Auf den aber nach wie vor installierten Sicherheitskameras wurde dann jedoch das angezeigt.»
 

Sie liess das Video laufen. Man sah eine Gruppe von sechs Männern, die ins Gebäude eindrangen. Sie schienen genau zu wissen, wo sie hingehen mussten, denn sie bewegten sich absolut zielsicher. In einem der Labors fanden sie dann offenbar das Objekt ihrer Begierde: eine hermetisch abgesicherte Kiste. Vorsichtig luden sie diese auf einen Schubkarren und hasteten wieder Richtung Ausgang.
 

Loki verbarg seine Anspannung hinter einer sarkastischen Frage: «Passiert auch mal noch irgendwas?»
 

May warf ihm einen finsteren Blick zu. «Gleich.»
 

Und tatsächlich: die Männer, die allem Anschein nach nicht wussten, was sich in der Kiste befand, wurden neugierig. Sie handelten im Auftrag Dritter und wollten jetzt herausfinden, was sie da transportierten. Also öffneten sie das Schloss und hoben den Deckel an.
 

Überraschung zeichnete sich deutlich auf ihren Gesichtern ab, als sie den Inhalt sahen: ein Glasbehälter, der absolut...
 

...leer war.
 

Die Männer schüttelten den Kopf, zuckten die Schultern und wollten die Kiste eben wieder verschliessen, als es geschah: einer von ihnen nahm urplötzlich seine Waffe zur Hand und schrie etwas von wegen ‘ihr kriegt mich nicht!’ Dann begann er wild um sich zu schiessen.
 

Zwei Männer gingen zu Boden, die anderen begannen nun ebenfalls ihre Waffen zu ziehen. May zoomte das Bild näher heran. Man sah den Dieben jetzt an, dass sie verwirrt waren – ja, sogar Anzeichen von plötzlichem Wahnsinn aufwiesen.
 

«Wir haben keinen Schimmer, was da los war,» schloss Melinda May ihren Bericht. «Wir wissen nur soviel: die beiden Wissenschaftler, die unseren Informationen zufolge jetzt im Besitz des Darkholds sind, haben für Momentum Enterprises gearbeitet... bevor sie verschwanden.»
 

«Könnten sie das Bild noch etwas näher zoomen?» Loki ignorierte Mays letzte Info vorerst, denn er hatte gemeint, noch etwas gesehen zu haben. Doch er war sich nicht sicher. Als die Agentin das Bild dann grösser machte, erkannte nicht nur er deutlich den weissen Schemen im Hintergrund, sondern auch alle anderen.
 

«Ein Geist!» rief Agent Rodriguez aus.
 

«Oder jemand, der sich immaterialisieren kann,» versetzte Loki trocken. Doch bevor die anderen etwas darauf erwidern konnten, fragte er: «Wo ist der Behälter jetzt?»
 

«Wir konnten ihn sicherstellen. Fitz und Simmons haben ihn bereits untersucht: er ist mit einer seltenen Legierung ausgekleidet. Scheinbar leer, ist sie doch nicht so leer wie man meinen könnte.»
 

«Lassen sie mich raten: da ist sehr wohl etwas drin, allerdings in einem unsichtbaren Quantenzustand?»
 

Fitz klappte der Kiefer runter. Nur Jemma schien nicht im Mindesten überrascht: sie hatte längst gemerkt, was für ein Genie Loki war. «Ja... das war auch meine Vermutung.» stotterte Leopold und hantierte am Bildschirm. «Also habe ich Licht ausserhalb des sichtbaren Spektrums verwendet und die Phase umgekehrt.»
 

«Und damit was erhalten?» Loki sah aus, als wüsste er es bereits.
 

Fitz zeigte es ihm. Sein Versuch hatte tatsächlich das Innere des scheinbar leeren Kubus sichtbar gemacht. Am Monitor erschien eine Technologie, die den Menschen im Raum gänzlich unbekannt war. «Das ist ausserirdischen Ursprungs: eine Kristallstruktur, die sich selbst umschliesst.» sagte Fitz beinahe ehrfürchtig. «Aber wozu sie dient..?» Er hob die Schultern.
 

«Das ist ein Eindämmungsmodul.» meinte Loki ruhig. Sein äusserst konzentrierter Gesichtsausdruck strafte seinen leichtfertigen Tonfall allerdings Lügen. «Und was die Technologie anbelangt: sie stammt aus Asgard.»
 

Man hätte eine Nadel fallen hören, so still wurde es. Coulson fasste sich als erster: «Ein Eindämmungsmodul, sagen sie? Wofür?»
 

«Um den Vorgang der Immaterialisation abzuschliessen.» erwiderte Loki. «Damit der Körper, der die Umwandlung vornimmt, in seinen Grundatomen bestehen bleibt und nicht eliminiert wird.»
 

Coulson verschränkte die Arme über der Brust und fixierte Loki stechend. «Ich gehe wohl zu Recht davon aus, dass darüber was in ihren Notizen zu finden ist?»
 

«Ich fürchte ja.»
 

«Also, fassen wir zusammen: wir haben ein gefährliches Buch, das sich in den Händen von zwei verrückten Wissenschftlern befindet, die sich offenbar in Geister verwandeln können. Und wir haben keine Ahnung, wo das Buch mitsamt den beiden Irren ist und was diese planen. Kommt das in etwa hin?» Melinda Mays Augen schweiften in die Runde und blieben schliesslich auf Lokis Gesicht hängen.
 

«Fast korrekt.» erwiderte dieser nach kurzem Zögern. «Was das Finden des Buches und der Wissenschaftler anbelangt... eventuell kann ich da Abhilfe schaffen.»
 

«Wie meinen sie das?»
 

Loki zögerte noch immer. Er war sich nicht sicher, ob das klappen würde, schliesslich hatte er es noch nie versucht. «Vielleicht kann ich die magische Spur des Buches lokalisieren und es dadurch aufspüren. Womit dann auch die beiden Wissenschaftler gefunden wären.»
 

«Vielleicht?» Coulson musterte ihn scharf.
 

Loki zuckte die Schultern. «Ist einen Versuch wert.»
 

«Und was brauchen sie dafür?»
 

Der Asgardianer lächelte kurz. «Nur ein ruhiges Plätzchen.»
 

«Na, dann wissen wir doch, wo wir sie hinbringen.» Coulson erwiderte das Lächeln mit feiner Ironie und wies nach unten: «Wenn ich bitten darf.»
 

Wenige Minuten später machte es sich Loki in der ihm bereits bestens bekannten Hochsicherheitskabine gemütlich und konzentrierte seine gesamte Energie auf das Buch.
 

Die anderen verfolgten ihn am Monitor – und bekamen ausser einem reglos dasitzenden Mann, der nicht einmal mehr zu atmen schien, nicht viel zu sehen. Jedenfalls solange bis...
 

...Loki plötzlich von einer Flutwelle grünen Lichts umgeben wurde. Die dunkle Gefahr, die auf einmal fühlbar wurde, spürten die Menschen sogar im oberen Stockwerk deutlich. Instinktiv hielten sie den Atem an, unsicher, ob sie nach unten hasten und Loki mit vorgehaltener Waffe stoppen sollten. Jedem von ihnen ging in diesem Augenblick der gleiche Gedanke durch den Kopf: 'Der Kerl legt uns rein.'
 

Doch bevor Coulson reagieren oder auch nur etwas sagen konnte, hörten sie Lokis Stimme am Bildschirm: «Ich hab's gefunden.»
 

Die Agenten sahen einander an und atmeten schliesslich erleichtert aus.
 

Jemma versuchte, die angespannte Situation zu entschärfen: «Praktisch, sowas...» sagte sie schmunzelnd. «Ob ich Loki wohl jeweils einspannen könnte, wenn ich mal wieder was verlege?»
 

Fitz sah sie leicht konsterniert an. «Du verlegst doch nie was.»
 

Jemma lächelte nur weiter.



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