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Lokis Strafe

von

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Der Tote, der wieder lebendig wurde

Die Hütte war ziemlich klein, aber es würde genügen. Thor war Jane sehr dankbar, dass sie ihm schliesslich gestattet hatte, Loki hierher zu bringen. Auch wenn so einiges an Überzeugungskraft von seiner Seite nötig gewesen war. Aber nachdem er ihr erzählt hatte, was geschehen war, hatte sie nur mit grossen, entsetzten Augen «Oh» gesagt und ihm den Schlüssel überreicht.
 

Und nun waren Loki und er in der Hütte angelangt, am Fusse des Denali, eines der höchsten Gebirge der USA. Janes Familie, die alle begeisterte Wanderer und väterlicherseits auch Bergsteiger waren, hatte diese Hütte vor rund sechzig Jahren erstanden. «Wann immer wir Ruhe und Erholung suchten, gingen wir da hin,» hatte Jane erklärt. Da sie inzwischen aber ausser ihrer alten, kränklichen Mutter die einzige der Foster-Familie war, stand das kleine Häuschen schon seit über einem Jahr verlassen da.
 

«Im Grunde genommen ist es ganz gut, wenn da mal jemand eine Zeitlang drin wohnt,» hatte Jane gemeint und ihre Betroffenheit hinter Resolution zu verstecken versucht. «Loki kann das Haus gerne wieder auf Vordermann bringen – dann tut er wenigstens mal was Nützliches.»
 

Thor hatte sie nur in die Arme genommen und geküsst.
 

Und jetzt waren er und Loki also hier. Sein Bruder war sehr schweigsam, die ganze Zeit schon, aber Thor drängte ihn zu nichts. Auch mit Jane hatte er kaum mehr als ein, zwei Worte gewechselt. Aber nicht, wie es früher sicher der Fall gewesen wäre, aus Verachtung und Überheblichkeit, sondern, wie der blonde Donnergott ahnte, eher aus Schuldgefühlen und Scham. Immerhin hatte Loki einen von Janes engsten Freunden, den Astrophysiker Dr. Erik Selvig, mittels des Gedankensteins in seinem Zepter unter seinen Bann gebracht. Selvig war daraufhin zu Lokis willenloser Marionette geworden, bis der Bann schliesslich gebrochen werden konnte. Dass Jane ihn deswegen nicht gerade liebte, konnte er sich somit ausrechnen.
 

«Glaubst du, dass du zurecht kommst?» fragte Thor und riss Loki, der sich eingehend in der Hütte umsah, aus seinen Betrachtungen. «Du weisst, ich muss zurück.»
 

«Ich komme klar, keine Angst.» Lokis Blick wurde unruhig, fast ein wenig ängstlich. «Aber bist du sicher, dass du einfach so mir nichts dir nichts zurück nach Asgard kannst? Ich meine, immerhin hast du...» Er brach ab.
 

«Verrat begangen?» vollendete Thor den Satz.
 

«Schlimmeres.» erwiderte Loki leise. «Den Staatsfeind Nummer eins befreit.»
 

«Loki.» Thor setzte sich an den kleinen Tisch in der Mitte des Raumes und bedeutete seinem Bruder, es ihm gleich zu tun. «Da gibt es etwas, das ich dir noch nicht erzählt habe. Ich zögere auch jetzt, es zu tun... Aber da du ja sowieso in meinen Kopf reinschauen kannst, wäre es wohl ziemlich dumm, nicht von alleine mit der Wahrheit rauszurücken.»
 

«Das habe ich nur getan, um sicher zu gehen, dass du mir wirklich helfen willst,» verteidigte Loki sich hastig. Noch immer klang seine Stimme müde und matt. «Und sogar das geschah eher automatisch als gewollt. Aber ich versichere dir, Bruder, ich bleibe aus deinem Bewusstsein raus. Wenn du mir etwas sagen willst, dann sage es. Wenn aber nicht, dann habe keine Angst, dass ich mir die Informationen selbst beschaffe.»
 

«Ich will es dir ja sagen,» gab Thor zurück. Sein Blick forschte in Lokis Gesicht, und er war sicher, dass sein Bruder ihn nicht belog - er würde aus seinen Gedanken heraus bleiben. «Aber ich weiss nicht, ob ich es darf. Für den Moment daher einfach nur so viel: Odin wird mir nichts tun.» Er zögerte, biss sich auf die Lippen und fügte dann hinzu: «Er sieht in dir immer noch seinen Sohn, Loki.» So gerne hätte er ihm gesagt, dass Odin nur deshalb so unerbittlich gewesen war, weil er die Hoffnung hegte, Loki damit zu retten. Auch wenn Thor die Meinung seines Vaters nicht teilte: er hätte seinem Bruder gerne versichert, dass der Allvater aus Liebe dermassen hart gehandelt hatte. Aber er hatte sich schon viel zu sehr über die Anordnungen seines Vaters hinweg gesetzt, und er konnte im Moment nicht noch mehr Scherben zerschlagen. Mal ganz abgesehen davon, dass Loki ihm wohl eh kein Wort glauben würde.
 

Womit er völlig richtig lag, denn bei seinem letzten Satz klaffte Lokis Mund auf, und sekundenlang zuckte Ärger über sein Gesicht. Aber dann siegte sein Sarkasmus, und ein spöttisches Lachen entrang sich seiner Kehle. «Thor, du machst es mir echt schwer, mein Versprechen zu halten und deinem Bewusstsein fern zu bleiben.» Das Lachen erstarb. «Aber ich will dir mal zugute halten, dass du nicht anders kannst: schliesslich liebst du Vater.»
 

«Dich liebe ich auch, Bruder.» gab Thor ernst zurück. Er nahm Loki seine Zweifel nicht übel. «Und darum musst du eines wissen: ich würde dich nie belügen.»
 

Loki winkte ab. «Lassen wir das, Thor. Tu, was du tun musst. Ich hoffe nur...» Er wandte sich um und verschränkte die Arme ineinander, als müsse er sich Halt geben, «...dass du dich nicht irrst. Was Odin und dich anbelangt, meine ich.»
 

Thor trat zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schultern und lächelte ihm beruhigend zu. «Das tue ich nicht.» Dann ging er zum Kühlschrank, lugte kurz hinein und nickte dann zufrieden. «Es ist genügend Essen für etwa zwei Wochen da. Bis dahin sollte ich zurück sein.» Ihm war natürlich klar, dass Loki wie jeder Asgardianer und Frostriese, monate-, im Notfall sogar jahrelang ohne Nahrung und Flüssigkeit auskommen konnte, wenn es sein musste. Aber da sich die Hungergefühle doch nach einiger Zeit deutlich bemerkbar machten, wollte er ihn versorgt wissen. Loki hatte diesbezüglich im letzten halben Jahr wahrlich mehr als genug gelitten!
 

Loki grinste nur wieder flüchtig, als er Thors fürsorglichen Gesichtsausdruck bemerkte. «Wie ich schon sagte, Bruder: ich komme klar.»
 

«Wenn etwas ist...»
 

«Schreie ich laut um Hilfe.» Der Schwarzhaarige lachte. «Jetzt verschwinde endlich.»
 

Ein letztes Schulterklopfen, dann rauschte der blonde Riese zur Tür hinaus. Loki war allein.
 

Die nächsten drei Tage geschah nichts Aussergewöhnliches. Loki stellte fest, dass die Schönheit der Bergwelt um ihn herum wie Balsam wirkte, und das erste Mal seit Ewigkeiten schien ihm, als würde der schwere Stein, der im letzten halben Jahr auf seiner Brust gelegen hatte, ein wenig leichter werden. Doch des nachts kamen die Träume zurück, die gleichen Alpträume, die ihn seit seinem Urteil verfolgten. Bilder von verletzten, toten, schreienden, panischen Menschen, die verzweifelt versuchten, den Chitauri zu entkommen. Ihm zu entkommen...
 

Er vermied es daher zu schlafen, so gut es ging, und las sich in der Nacht lieber durch die kleine, aber erlesene Bibliothek im Haus. Viele der wissenschaftlichen Bücher, die er hier fand, entlockten ihm zwar nicht viel mehr als ein müdes Lächeln, da einige dieser sogenannten ‘Erkenntnisse’ aus der Sicht eines Asgardianers längst überholt waren. Doch es gab auch Werke, deren Inhalt ihn überraschte.
 

Am vierten Tag spürte Loki schon früh am Morgen, dass etwas anders war. Er hätte nicht zu sagen vermocht, was er da genau wahrnahm, aber alle seine Sinne schlugen Alarm: erst leise, dann immer lauter und unmissverständlicher. Er versuchte, sein Bewusstsein auszudehnen, um zu erkennen, was da allenfalls auf ihn zukam, doch er war nach wie vor zu geschwächt, um einen grösseren Radius abdecken zu können Also beschloss er, einfach zu warten. Wenn es sich um Menschen handelte, würde er schon mit ihnen fertig werden. Wenn es aber Asgardianer waren, hatte Gegenwehr eh keinen grossen Sinn...
 

Gegen Mittag hörte er schliesslich Schritte, die sich der Hütte näherten. Die Gruppe – es waren eindeutig mehrere Leute – verharrte vor der Tür. Loki hörte, wie jemand sagte: «Es gibt Lebenszeichen. Von einer Person.» Und ein anderer: «Menschlich?» Auf die Frage kam keine Antwort, aber Loki war sich sicher, dass der erste gerade den Kopf geschüttelt hatte.
 

Es waren eindeutig Menschen. Loki gab sich keine Mühe, irgendwo ein Versteck zu suchen. Er hatte jetzt, da sie so nahe waren erkannt, um was für Leute es sich handelte, und er wusste, dass er sich der Sache stellen musste. Ihm war eh klar gewesen, dass es früher oder später dazu kommen würde... Noch wusste er nicht genau, wie er reagieren sollte, aber eines stand für ihn fest: er würde den SHIELD-Agenten da draussen nichts antun.
 

Was nicht unbedingt bedeutete, dass er sich nicht zur Wehr setzen würde.
 

Er hob leicht die Hände und wappnete sich. Ein schwacher Energieblitz würde vermutlich genügen, um die Menschen einigermassen sanft ins Reich der Träume zu schicken. Doch als die Tür schliesslich aufschwang (er hatte sie nicht einmal abgeschlossen) und drei Männer sowie zwei Frauen hereinstürmten, verharrte Loki mitten in der Bewegung. Die Energie, die sich in seinen Händen zu bilden begonnen hatte, erlosch wieder, und mit einer Erstarrung, die schon eher einem Schock glich, wich der schwarzhaarige Asgardianer an die Wand zurück.
 

«Sie..?» hauchte er und schüttelte den Kopf, als ob er das Bild, das sich ihm bot, dadurch los werden könnte. «Das ist... unmöglich. Sie sind... tot!»
 

Doch Loki war nicht der einzige, der einen Schock hatte. Der mittelgrosse Mann im dunklen Anzug vor ihm sah genauso aus, als hätte er eben einen Geist gesehen.
 

«Loki!» entfuhr es Phil Coulson entsetzt.



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