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Lokis Strafe

von

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Mutterliebe / Bruderliebe

In Friggas Augen standen Tränen, und sie ballte die Hände zu Fäusten. «Lass mich zu ihm gehen, bitte!» flehte sie ihren Mann an. «Ich halte es nicht mehr aus.»
 

Tag für Tag hatte sie das zu ihm sagen und ihn bestürmen wollen, dieser Grausamkeit endlich ein Ende zu setzen. Nur Odins feste Zusicherung, dass er wisse, was er tue, hatte sie bisher davon abgehalten. Aber nachdem sie heute von Fandral aufgesucht worden war und er ihr kleinlaut gestanden hatte, dass er bei Loki gewesen war, konnte sie sich nicht mehr beherrschen. Was Fandral ihr über Lokis Reaktion erzählt hatte.... Ihr Magen hatte sich verknotet, und sie hatte es nur knapp geschafft, nicht vor dem Krieger in Tränen auszubrechen.
 

Fandral hatte sie zerknirscht und sichtlich erschüttert um Vergebung für das, was er ihrem Sohn angetan hatte, gebeten, doch Frigga hatte ihrem ersten Impuls – ihn wütend von sich zu stossen – widerstanden und stattdessen seine Offenheit gewürdigt. Er war zu ihr gekommen, weil ihm das Ganze keine Ruhe liess. Und sie war ihm dankbar dafür...
 

«Frigga...» Odins Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie klang müde und alt. Er trat zu ihr und nahm ihre zarten kleinen Finger in seine grossen Hände. In seinem einen, verbliebenen Auge glitzerte es ebenfalls verdächtig feucht. «Ich verstehe dich gut, und glaube mir: nichts würde ich lieber tun, als dich zu ihm zu lassen. Ja, mehr noch...» Er seufzte schwer und liess die Arme wieder sinken, «...ihn da rausholen. Noch heute. Aber ich kann nicht. Ich darf nicht! Ich will ihn retten, Frigga.»
 

«Ihn retten?» Sie stöhnte laut. «Du zerstörst ihn.»
 

«Um ihn zu retten, ist das leider nicht zu umgehen.» Odin versuchte, sich wieder etwas zu straffen, doch er wich dem Blick seiner Frau aus. «Ich zerstöre das Böse in ihm, das Dunkle.»

«Und was macht dich so sicher, dass danach überhaupt noch etwas übrig bleibt?» fragte sie kaum hörbar.
 

«Frigga!» Das glich beinahe einem Aufschrei. «Ich glaube daran... Ich weiss es! Es muss so sein.» Dann, mehr zu sich selbst: «Er ist doch mein Sohn...»
 


 

Doch Frigga war nicht die einzige, die es nicht mehr aushielt. Loki irrte sich, wenn er glaubte, dass Thor noch nie bei ihm gewesen war. Er war da gewesen – zwar nicht persönlich, aber durch Heimdall. Kein Tag war vergangen, an dem der Donnergott den allsehenden Wächter nicht nach seinem Bruder befragt hatte. Dabei hatte sich Heimdalls anfängliche Genugtuung schon sehr bald in widerwillige Betroffenheit gewandelt. Und in Bewunderung. Nur Thor gegenüber gestand er, dass er Loki niemals für so stark gehalten hätte, so etwas durchzustehen, ohne dabei verrückt zu werden.
 

An diesem Tag aber suchte Thor ihn nicht auf, um ihn nach Loki zu befragen. Nein, was er von ihm wollte, war weitaus beunruhigender.
 

«Ich werde ihn jetzt da rausholen,» polterte der blonde Muskelprotz energisch. «Und du, Heimdall, wirst mir den Bifröst öffnen.»
 

Heimdalls Gesicht verzog sich schmerzhaft. «Das kann ich nicht, Thor. Ich darf meinen König nicht hintergehen.»
 

«Ich bin dein zukünftiger König, Heimdall. Und ich befehle dir, mir zu helfen.» Thor raufte sich die Haare. Während er sprach, tigerte er hin und her. Es war unschwer zu erkennen, wie aufgewühlt er war.

Heimdall seufzte schwer. Er hätte ihm gerne geholfen – inzwischen traf das tatsächlich zu, denn auch ihn liess Lokis Schicksal schon lange nicht mehr kalt – aber ihm waren die Hände gebunden. «Hast du schon mit deinem Vater gesprochen?»
 

«Der hört nicht auf mich,» erwiderte Thor heftig. «Wenn er nicht mal auf Mutter hört, brauche ich es gar nicht zu versuchen...»
 

Er hatte sie heimlich belauscht, die Szene vorhin, als Frigga den König von Asgard regelrecht angefleht hatte, Lokis Strafe endlich zu beenden. Und noch immer hallte Odins Stimme in seinen Ohren nach. «Ich will ihn retten...» Beinahe hätte Thor laut aufgelacht gehabt. Nur mit letzter Mühe war es ihm gelungen, den bitteren Sarkasmus, der aus ihm herausbrechen wollte, hinunter zu schlucken. Dann hatte er sich umgedreht und war zu Heimdall geflogen. Er konnte keinen Augenblick mehr länger tatenlos zusehen. Ganz egal, ob er es sich damit nicht nur mit seinem Vater, sondern mit ganz Asgard verscherzte!
 

Heimdall fühlte seinen Schmerz und zerbrach sich den Kopf darüber, was er tun und sagen sollte. Und dann war ihm, als flüstere ihm eine leise Stimme plötzlich die Antwort zu. «Lokis Magie ist nur gebunden, solange er in diesem Käfig sitzt,» versetzte er langsam. «Sobald du ihn befreist, hat er sie zurück.»
 

Thor war abrupt stehengeblieben und wirbelte herum. «Ja... und?»
 

Heimdall atmete tief durch. «Ich darf den Bifröst nicht für dich öffnen. Aber das muss nicht bedeuten, dass du mit Loki nicht fliehen kannst. Denn dein Bruder...» Erneutes tiefes Luftholen – beging er nicht eigentlich doch gerade Verrat am Thron? Schnell weitersprechen, bevor er den Gedanken zu Ende führen konnte: «Dein Bruder kennt andere Pfade raus aus Asgard. Magische Pfade.»
 

Mit einem Satz war Thor bei ihm und zog ihn in eine heftige Umarmung. Heimdall war derart überrumpelt, dass er nicht wusste, wie ihm geschah. «Danke!» rief der blonde Hüne, ehe er davonstürmte. «Das werde ich dir nie vergessen!»
 

Und ein wehender roter Umhang flog eilig davon.



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