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Loki: the fallen Prince - der gefallene Prinz

von

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Drei mysteriöse Morde

Noch am selben Abend fand Runya die Zeit, Loki auf die Sache anzusprechen. Er hatte ihr eben das Abendessen serviert, und als er wie immer hinter ihr stehen blieb, um sie weiter bedienen zu können, gestand sie ihm, dass sie das Gespräch zwischen Inaja, Frigga und ihm an diesem Morgen belauscht hatte. Sie kannte somit die groben Zusammenhänge – aber eben keine Einzelheiten. Die wollte sie jetzt von Loki hören.
 

Es dauerte allerdings ziemlich lange, bis Loki endlich mit der Sprache rausrückte. Letztlich tat er es wohl nur deshalb, weil Runya sich, nachdem alles Bitten nichts gebracht hatte, ein Herz fasste und ihm befahl, ihr zu antworten. Sie hasste sich selbst dafür, aber sie musste einfach wissen, was mit der unglücklichen Frau geschehen war.
 

«Vor drei Wochen wurden Inajas Schwiegervater und die beiden Brüder ihres Mannes, die mit dem Paar zusammen auf dem selben Gut gelebt haben, alle tot aufgefunden.» begann Loki schliesslich zögernd seinen Bericht. «Zu der Zeit war Inaja alleine im Haus gewesen und darum galt sie von Anfang an als die Schuldige. Allerdings...» Er rang kurz die Hände. «Herrin, bitte, müssen sie das ausgerechnet mich fragen?»
 

«Wen sonst, Loki?» gab sie leise zurück. «Keiner hier würde mir überhaupt antworten, das weisst du doch sicher.»
 

Er seufzte. «Ja, da haben sie wohl Recht. Also: die Art und Weise, wie die Männer umgebracht wurden, lässt auf jemanden schliessen, der ziemlich viel Kraft dafür aufwenden musste. Sie wurden erstochen, zwar von hinten, konnten sich aber, da sie nicht sofort tödlich getroffen waren, noch zur Wehr setzen. Das liess sich aus der Art ihrer Verletzungen mit Sicherheit feststellen. Nun, sie haben Inaja gesehen: sie ist klein und zierlich und würde nie und nimmer die Kraft aufbringen, drei solch grosse Kerle mit dem Messer abzustechen. Aber das ist noch nicht mal der Hauptpunkt.»
 

Während er sprach, tigerte er im Raum hin und her. Runya selbst sass atemlos vor Anspannung auf einem Stuhl und liess kein Auge von ihm.
 

«Inajas Mann ging an diesem Morgen früh los in die Stadt. Als er sie verliess, befand sie sich im obersten Turmzimmer. Das Gutshaus ist riesig, das Zimmer, in dem Inaja sass und stickte, ist nur über eine sehr schmale Wendeltreppe zu erreichen. Um da runter zu kommen, braucht man mindestens fünf Minuten. Ihr Mann kam aber bereits nach fünfzehn Minuten zurück, weil er etwas vergessen hatte. Da fand er dann die Toten. Alle drei unten im grossen Frühstücksraum. Mal davon abgesehen, dass Inaja sie alle gleichzeitig hätte töten müssen, hätte die Zeit dafür auch nie und nimmer gereicht.»
 

Er blieb stehen und sah eindringlich auf Runya hinunter. «Verstehen sie? Gehen wir mal kurz davon aus, dass Inaja wirklich die Mörderin ist: dann hätte sie vermutlich mindestens zehn Minuten gewartet, ehe sie überhaupt nach unten gegangen wäre – nur um sicher zu sein, dass ihr Mann nicht zurückkommt. Oder dass er sie, wenn er es doch tut, noch da vorfindet, wo er sie verlassen hat. Also wartet sie zehn Minuten und braucht dann mindestens weitere fünf, um überhaupt in die Nähe ihrer Opfer zu gelangen. Womit die Zeit also schon um ist. Aber das ist noch nicht mal das Absurde bei der Geschichte...»
 

«Könnte man nicht behaupten, dass sie gleich losgegangen ist?» warf Runya ein. «Weil sie vielleicht gar nicht soweit gedacht hat?»
 

«Könnte man. Aber wie gesagt, das eigentlich Absurde kommt erst noch. Die drei Männer befanden sich alle im selben Raum. Inaja ist weder eine Kriegerin noch sonst in irgend einer Weise im Kampf ausgebildet. Will heissen: sie hat keinen blassen Schimmer, wie man auf einen Schlag drei Leute gleichzeitig tötet. Schon gar nicht mit Messern. Und der Art der Stichwunden nach zu urteilen, gab es, wie schon erwähnt, Gegenwehr – und zwar von allen dreien.» Er stoppte und atmete tief durch. «Wäre Inaja also tatsächlich die Mörderin, hätten ihre Opfer aber brav stillhalten und sich erstechen lassen müssen. Und das ist, gelinde gesagt, eine ziemlich idiotische Annahme!»
 

Da konnte ihm Runya nur beipflichten. Doch ehe sie etwas Entsprechendes sagen konnte, fuhr Loki bereits fort: «Aber Inaja ist nicht dumm. Will heissen: sie hätte mit Sicherheit zumindest ein paar Minuten gewartet, ehe sie sich zum Morden aufgemacht hätte. Und damit sind wir wieder beim Zeitfaktor. Es hätte schlicht unmöglich reichen können – oder aber ihr Mann hätte die Morde noch mitbekommen.»
 

Bei seinen letzten Worten hatte Loki wieder begonnen, im Zimmer auf und ab zu tigern. «Könntest du mal damit aufhören?» bat Runya, die krampfhaft versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. «Du machst mich ganz nervös...»
 

Der Mann verhielt mitten im Schritt. «Tut mir leid, ist ‘ne schlechte Angewohnheit von mir. Thor hat sich auch immer...» Er brach ab. Hastig fügte er hinzu: «Da gibt es noch einen letzten Punkt, Herrin: Inaja schwört, dass sie vier Reiter gesehen hat, die vom Gutshaus her nur kurz nachdem ihr Mann weg war aufgebrochen sind. Das Erkerzimmer ist mit grossen Fenstern ausgestattet, und sie sass schon allein aufgrund des besseren Lichts direkt davor, hatte also einen guten Überblick. Sie hatte dem zunächst keine Bedeutung beigemessen, weil sie dachte, dass es Auxins Knechte wären, die noch etwas hatten erledigen müssen und ihrem Herrn nun nachritten. Doch anschliessend hatte sich herausgestellt, dass dem nicht so gewesen ist. Ihr Mann hat zugegeben, dass er alleine unterwegs war und niemanden beauftragt hatte, ihn zu begleiten.»
 

"Also haben diese vier die Morde begangen?"
 

"Ist anzunehmen. Sie standen bereit und haben nur darauf gewartet, dass der Hausherr verschwindet. Und da sie zu viert waren, konnten sie problemlos gleichzeitig zuschlagen. Wobei ich mal davon ausgehe, dass nur drei von ihnen zugestochen haben... Der vierte dürfte wohl als Wache eingeteilt gewesen sein." Loki musterte die junge Prinzessin eindringlich. "Verstehen sie? Was für eine Person unmöglich gewesen wäre, konnten drei oder vier problemlos schaffen. Drei Morde auf einen Streich - und dann in aller Ruhe verschwinden... Im Wissen, dass Inaja als Schuldige dastehen würde. Und so war es ja dann auch."
 

Runya konnte das alles kaum glauben. Vor allem, dass für jedermann feststand, dass Inaja schuldig war. Die Vorwürfe ihr gegenüber waren in diesem Licht betrachtet schliesslich kaum haltbar. «Konnte Inaja das alles denn nicht genauso, wie du es mir jetzt gesagt hast, erzählen?» wollte Runya wissen.
 

Loki nickte. «Doch, konnte sie. Mit Ausnahme des Zeitfaktors... Das ist meine Überlegung, die ich aber, wie sie ja wissen, der Königin gegenüber erwähnt hatte.» Einen Augenblick schwieg er, bevor er leise hinzufügte: «Aber alle anderen Punkte hat sie genannt... Nur hat ihr von Anfang an keiner richtig zugehört. Und Thor hat schliesslich allen Fragen mit seinem endgültigen Urteil ein Ende gesetzt.»
 

«Aber das klingt ja fast so, als ob man möchte, dass sie schuldig ist!» rief Runya aus. Das konnte doch wohl nicht wahr sein? In ihrer Heimat wäre niemand aufgrund solch vager Beweise verurteilt worden.
 

«Nicht ‘man’...» korrigierte Loki sie leise. «Sondern jemand. Genauer gesagt: ihre Rivalin. Die vermutlich auch die Mörder geschickt hatte.»
 

Die junge Prinzessin war jetzt auch aufgesprungen. «Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ihr niemand glaubt. Oder ihr nicht wenigstens richtig zuhört. Das klingt doch alles so... unmöglich!» Sie hielt inne und wirbelte herum. «Und was ist mit ihrem Mann? Ich hörte, wie Frigga sagte, dass er sie auch für schuldig hält.»
 

Loki seufzte leise. «Darauf wollte ich eben hinweisen: seine Aussage belastet Inaja derart, dass man alle anderen Überlegungen gar nicht mehr in Betracht zieht. Er ist überzeugt davon, dass seine Frau seine ganze Familie gemeuchelt hat... Und er ist auch derjenige, der darauf bestand, sie hinzurichten. So gesehen...» Ein leicht bitteres Lächeln huschte um seine Mundwinkel, «...war Thor also fast gnädig, sie nur in die Sklaverei zu verurteilen.»
 

«Und die Kinder?» hauchte Runya atemlos.
 

«Zwillinge. Gerade mal drei Monate alt und damit eigentlich noch auf die Mutter angewiesen. Aber auch hier ist der Vater die treibende Kraft: sie sollen in die Obhut einer Amme gegeben werden. Vermutlich... ist das inzwischen geschehen. Und er hat verfügt, dass die Mutter sie nie wieder sehen darf.»
 

Runyas Mund klaffte auf. «Das klingt ja beinahe so, als wäre dieser Mann der grösste Feind seiner eigenen Frau.»
 

Loki zögerte mit der Antwort. Lange. Erst als die Prinzessin ihn fordernd und eindringlich ansah, sagte er vorsichtig: «Zunächst einmal dürfen sie nicht vergessen, dass er einen richtigen Schock hatte. Als er losreitet, sind sein Vater und seine zwei jüngeren Brüder noch alle wohlauf. Fünfzehn Minuten später kommt er wieder, und was er vorfindet, ist ein Blutbad... Und die einzig in Frage kommende Täterin scheint Inaja zu sein. Aber ich glaube, dass dies nicht der eigentliche Grund ist dafür, dass er seine Frau quasi verdammt.»
 

«Sondern?» Runya wagte kaum, zu fragen.
 

Der Mann zögerte diesmal noch länger. Er begann wieder ein paar Schritte auf und ab zu gehen, bis er merkte, was er tat, und sich zusammen riss. «Tut mir leid...» meinte er nervös und atmete dann tief durch. Seine nächsten Worte stiess er so schnell heraus, dass Runya sicher war, dass er es rasch möglichst hinter sich hatte bringen wollen. «Ich habe schon viele Männer und Frauen gesehen, die unter einem Bann standen. Ich selbst habe...» Ein hastiges Räuspern. «Kurz gesagt: ich bin mir absolut sicher, dass Auxin in den Minuten, in denen er unterwegs war, abgefangen und mit einem Bann belegt wurde. Vielleicht ist es auch schon vorher geschehen, kann sein... Aber Tatsache ist, dass er extrem... unnatürlich handelt.»
 

«Hast du das Frigga auch gesagt?» fragte Runya kaum hörbar.
 

Loki nickte. «Ja. Und nicht nur ihr. Ich war sogar verrückt genug, es bei Thor zu versuchen...» Er fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. Sie zitterte. «War keine meiner besten Ideen, das können sie mir glauben.»
 

Runya tat es – ungefragt.
 

Schwer atmend liess sie sich in den Stuhl zurückfallen. Ihre Gedanken rasten. Da kam ihr auf einmal noch eine letzte Frage in den Sinn.
 

«Woher kennst du diese Inaja überhaupt?»
 

Der Mann schien zu erstarren. «Ist das... wichtig?»
 

Runya musterte ihn nachdenklich. «Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst. Aber ich denke, dass du sie nicht nur kennst, sondern sogar ziemlich gut kennst. Stimmts?»
 

Er schloss flüchtig die Augen und erwiderte: «Wir waren mal zusammen. Vor Ewigkeiten. Aber da ich der einzige hier bin, der anständig mit ihr redet, sah sie wohl schon allein deshalb keinen anderen Ausweg, als sich an mich zu wenden.» Ein kurzes, bitteres Lachen entrang sich seiner Kehle. «Auch wenn ich nun wirklich der absolut letzte bin, der ihr helfen könnte.»
 

Ein kurzes Ziehen fuhr durch Runyas Brust, ein Stich, der sie selbst überraschte. Aber irgendwie mochte sie den Gedanken an eine ehemalige Geliebte Lokis nicht. ‘Reiss dich zusammen!’ mahnte sie sich innerlich. ‘Erstens ist Loki über tausend Jahre alt und hatte sicher schon unzählige Frauen, und zweitens wirst du ja wohl kaum eifersüchtig sein!’ Oder..?
 

Wie um sich von ihrem Gefühlswirrwarr abzulenken, sagte sie entschieden: «Ich werde versuchen, mit Thor nochmal über alles zu sprechen. Auch wenn ich mir wenig Hoffnungen mache: vielleicht kriege ich ihn ja dazu, die Sache wenigstens nochmals aufzurollen.»
 

Loki starrte sie mit einem Gemisch aus Überraschung und Entsetzen an. Er schien mit sich zu ringen, ehe er leise bat: «Ich flehe euch an, Herrin... erwähnt mich dabei nicht!»
 

«Keine Angst, das hatte ich nicht vor.» gab sie sanft zurück.



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