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Was die Hitze des Sommers nicht alles bewirken kann...

The Vessel and the Fallen 1
von

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Wachsamkeit

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Chuu'un lehnte seit einer gefühlten Ewigkeit an der Wand vor dem Speisesaal. Natürlich beschwerte sich der Vasall nicht über diese Sinnlosigkeit. Nein, er verspürte nicht einmal den Wunsch danach. Dank seiner strengen Erziehung befolgte er die Befehle seines Herrn punktgenau. Auch die seines machtvollen älteren Bruders. Manchmal hinterfragte er die Anweisungen im Geiste, um bei dringendem Bedarf seine Bedenken zu äußern, aber in Kouens Befehl, den Saal zu verlassen, sah er keine Gefahr. Schließlich bewachten die Wächter und er den Raum von außen, was sollte den beiden Hoheiten im Inneren schon zustoßen? Genau genommen freute sich der große Mann sogar über die Aufgabe, auf dem Flur zu warten. Ein wenig Ruhe tat ihm gut. Eigentlich hätte er aufrecht und kampfbereit stehen sollen, wie die beiden Wachmänner neben ihm es taten, doch nach dem morgendlichen Ärgernis mit seinem Herrn brauchte er eine kurze Pause. Da Koumei ihn so nicht sah, bestand erst recht keine Notwendigkeit Haltung anzunehmen. Nun gut, wahrscheinlich würde es den zweiten Prinzen ohnehin nicht weiter stören, wenn sein Vasall sich etwas weniger beherrschte als gewöhnlich. Dank seiner eigenen heruntergekommenen Erscheinung konnte sein Herr ihn ja wohl nicht dafür verurteilen, wenn er sich für ein paar Minuten anlehnte. Nicht dass er sich an dessen Äußerem störte, wenn man Koumei Ren nur danach oder gar nach dem ersten Eindruck beurteilen würde, wäre man wirklich dumm. Allerdings begingen viele Leute eben diesen Fehler. Wie viele Menschen in Kou und den anderen Ländern bereuten diesen Umstand wohl mittlerweile? Sicherlich nicht wenige.
 

Jedoch sollte Chuu'un selbst nicht derart viel nachgrübeln, ansonsten hätte er wohl auch bald etwas zu bedauern. Eventuell sogar sein vergeudetes Leben, weil er statt Wache zu halten lieber über unnötige Dinge nachsann. Vernachlässigte Pflichten zogen manchmal drastische Strafen nach sich. Also gut, er würde jetzt aufmerksamer sein. Entschlossen, ja stoisch wie immer, ignorierte er den missbilligenden Blick der beiden Wachmänner. Da er durch seine Haarmähne und unter dem Helm hindurch ohnehin kaum etwas erkannte, fiel es ihm recht leicht, der abschätzenden Musterung keine größere Bedeutung beizumessen. Viele konnten seine unbewegte Art nicht leiden. Hielten ihn für hochnäsig. Wahrscheinlich dachten sie, dass der Vasall des müden Prinzen bestens zu diesem passte. Vielleicht lag es auch daran, dass sein Körper im Gegensatz zu Kouens Vasallen noch keine nennenswerten Zeichen von Dantalions Einfluss zeigte. Manchmal ärgerte ihn dieser Umstand sehr. Dabei konnte er nicht einmal etwas dafür: Koumei besaß Dantalion noch nicht so lange, wie Kouen Astaroth und Agares sein Eigen nannte und eine Angleichung an einen Dschinn benötigte nun einmal Zeit. Kouens Vasall Seishuu Ri, der mit seinem Schlangenhaar Astaroths Kopie zu werden schien, zog ihn manchmal damit auf. Dieser blöde Zwerg! Damals hatte Chuu'un den Knirps noch bei Weitem überragt. Bevor sein Kindheitsfreund mit dem Wachsen begonnen hatte, war er so klein gewesen, wie es sich für die Familie Ri gehörte! Vermessener Schlangentyp! Ja, Chuu'un konnte es nicht leiden, wenn jemand ihn wegen seiner mangelnden Vertrautheit mit Dantalion von oben herab betrachtete. Alles hätte viel einfacher sein können, wenn Koumei sich ein paar Jahre eher in einen Dungeon gewagt hätte.
 

Aber was half es zu grübeln, das lenkte nur ab. Hatte er sich ebendies nicht grade untersagt? Verstohlen spähte er unter seinem Helm hervor und lauschte auf irgendwelche verdächtige Schritte, auch wenn es mal wieder vollkommen übertrieben war. Welcher Verbrecher würde sich schon in die Nähe des bestens geschützten Thronfolgers von Kou wagen? Höchstens ein Lebensmüder! Dafür fiel Chuu'un etwas anderes auf. Ach je… die Wachen starrten immer noch. Sie schienen wirklich darüber nachzudenken, ob und inwiefern er zu seinem Herrn passte. Mit einer Vergleichbarkeit zu Koumei hätten die Männer hier nicht Unrecht, auch wenn es nicht an der scheinbaren Müdigkeit, weil er sich grade ein kleine Auszeit nahm, oder seinem noch größtenteils menschlichen Aussehen lag, wie Chuu'un fand. Sie waren einfach beide bedächtige Menschen, die vor dem Handeln überlegten, nicht erst danach wie viel zu viele andere.
 

Einfache Wachleute zogen sowieso stets voreilige Schlüsse. Der Bogenschütze konnte dies aus eigener Erfahrung bezeugen, war er doch vor zehn Jahren noch auf der Mauer von Rakushou gewandelt und hatte darauf geachtet, keine verdächtigen Gestalten in die Stadt ein- oder auszulassen. Zuerst war der raue, weniger gesittete Umgang der Kerle dort ein Schock für den jungen Mann aus einer gutsituierten Adelsfamilie gewesen, doch wenn man Tag und Nacht von Raubeinen umgeben war, gewöhnte man sich schnell an sie. Ganz egal, ob man es mit ehemaligen Bauernsöhnen vom Land, Stadtbewohnern oder zum Strafdienst verurteilten Verbrechern zu tun bekam. Chuu'un konnte ihre einfache Denkweise nachvollziehen und hatte sich vergleichsweise gut mit ihnen verstanden, auch wenn die meisten ihn aufgrund seiner noblen Herkunft nicht sonderlich schätzten.
 

Dabei erging es den Adligen in Kou kaum besser als wohlhabenden Bürgern, denn sie mussten der kaiserlichen Familie genauso ergeben dienen, wie jeder andere Mensch im Reich. Die Söhne und manchmal auch Töchter der ältesten und treuesten Adelsfamilien wuchsen dicht neben den Sprösslingen des Kaisers auf, um in ihrer Zukunft eng mit ihnen zusammen zu arbeiten. In seltenen Fällen dienten sie sogar als Heiratskandidaten. Allerdings geschah dies wirklich nur zur Ausnahme. Meist fungierten sie als Berater, persönliche Diener, Verwalter, Beschützer oder Waffenbruder. Manchmal gleich alles in einem. Hielt ein Kaiserkind oder der Kaiser selbst einen für die engere Vergesellschaftung mit einem Prinzen beziehungsweise einer Prinzessin geeignet, wurde man meist dessen oder deren engster Vertrauter. Chuu'un hatte diesen Status allein Koumei zu verdanken, da dieser Interesse an ihm bekundet hatte.
 

Im Nachhinein wäre der Wachdienst auf der Stadtmauer wohl die einfachere Arbeit gewesen, doch nie hatte er den Wunsch verspürt, sie wieder aufzunehmen. Natürlich, die Aufgaben eines Vasallen beinhalteten viel Verantwortung und verlangten einem die gesamte Kraft ab. Urlaub oder Freizeit gab es selten bis nie. In der Nähe des zweiten Prinzen lauerten viele Schwierigkeiten, die meist darin bestanden, den Rothaarigen irgendwie vom Schlafen abzuhalten und zur Arbeit zu zwingen. Leider wurde viel zu oft aber auch das genau Gegenteil von Chuu'un verlangt: Wenn Koumei sich einmal in seinen Schriften und Dokumenten vergrub, bekam man ihn kaum wieder zur Ruhe, bis er nach ein paar Tagen vor Erschöpfung über den Papieren zusammenbrach. In dieser Hinsicht war es wohl einfacher, ein Kind zu erziehen, als Koumei Ren zur Vernunft zu bringen. Die richtige Balance zwischen Ruhe und Arbeit für seinen Herrn ließ sich für Chuu'un immer noch nur schwer finden. Wahrscheinlich hätte er auf diese Weise verhindern können, dass er stets so abgekämpft und müde aussah, vielleicht wäre seine Gesundheit besser, aber Chuu'un verzweifelte an dieser unüberwindbaren Hürde. Würde er jeglichen Gemütszustand seines Herrn durchschauen, würde ihm dies sicherlich leichter fallen.
 

Aber nicht nur durch die speziellen Eigenheiten des Prinzen stellte die Position seines ergebensten Dieners eine gefährliche Tätigkeit dar: Man musste jederzeit bereit sein, die Angehörigen seines Herrn und natürlich diesen selbst zu verteidigen und im schlimmsten Falle sogar für sie zu sterben. Schon als kleiner Junge hatte man ihm diese Pflicht schmackhaft gemacht und so blieb sie sein ganzes Leben lang eine Selbstverständlichkeit. Erst die Hoheiten schützen, danach sich selber. Einfach zu sagen, für viele Menschen jedoch schwer zu verwirklichen. Doch meist hatten die kaiserlichen Vasallen kein Problem mit der Selbstaufgabe, da sie es nicht anders vorgelebt bekamen. In Chuu'uns Fall half ihm bestimmt, dass er sich schon damals recht gut mit Koumei verstanden hatte. Nicht, dass sie als Kinder je richtige Freunde gewesen wären, Freundschaft mit Kaiser Koutokus zweitem Sohn zu schließen war schwierig, doch zwischen ihnen hatte seit jeher ein stumme Anerkennung bestanden. Der Bogenschütze bewunderte die Intelligenz und die versteckte Härte seines Herrn, gepaart mit Hinterlistigkeit. Darüber konnte man fast vergessen, dass er eigentlich ein sehr weichherziger Mensch war. Dieser wiederum wusste genau um Chuu'uns bedingungslose Treue und seinen kühlen Kopf in Gefahrensituationen. Ja, er war gemeinhin für seine Ruhe und Besonnenheit bekannt. Etwas was ihm nicht lag, war die rohe Gewalt. Er konnte tadellos mit dem Bogen umgehen, besser als die meisten anderen Schützen im Reich, ansonsten erschienen seine Kampfkünste eher durchschnittlich.
 

Kein Wunder, dass sich die Kaiserkinder damals und auch heute nicht um seine Dienste gerissen hatten. Wer beachtete schon einen ruhigen, unauffälligen Bogenschützen, wenn es Jungen gab, die andere mit bloßen Händen besiegten oder mit ihrem Schwert selbst dicke Baumstämme zerstückeln konnten?

Hakuren Ren hatte es schon in jüngsten Jahren passend formuliert: „Du bist viel zu langweilig, viel zu brav! Ich hoffe, mein Bruder nimmt dich später zum Vasallen, dann bekomme ich Seishuu, mit dem kann man wenigstens raufen.“

Derartige Äußerungen hatte er sich oft anhören müssen. An ihm gab es kaum eine Eigenschaft, welche besonders hervorstach. Beispielsweise eroberte man mit Korrektheit und Treue als kleiner Junge nicht grade die Herzen seiner Altersgenossen. Nun gut, mit seinen Schießkünsten eigentlich schon, doch sein stilles Wesen schien jegliche Aufmerksamkeit von ihm auf die lebhafteren Adelssöhne abzulenken. Noch heute musste Chuu'un bei dem Gedanken lächeln, wie der ruhige Koumei seinem gedankenlosen Cousin damals widersprochen hatte:

„Ich würde Chuu'un in jedem Falle Seishuu vorziehen. Er ist mutig und stark, aber er zeigt es nicht jedem. Er ist nicht feige, nur weil er dich nicht zum Lachen bringt, wie Seishuu es tut. Außerdem ist er viel verlässlicher und denkt im Gegensatz zu euch beiden, bevor er handelt.“

Ja, die Art des vierjährigen Koumei völlig unerwartet und unverblümt seine nicht grade vorsichtig formulierte Meinung preiszugeben, war einfach unvergesslich. Der fast doppelt so alte Seishuu hatte nach dieser Offenlegung ein grandioses Gesicht gezogen und auch Hakuren war beleidigt gewesen. Chuu'un hingegen hatte den kleinen Koumei direkt ein wenig ins Herz geschlossen. Niemals zuvor hatte jemand ihn gegen Seishuu hervorgehoben, der eine große Klappe besaß und sich gerne mit den kaiserlichen Prinzen am Boden wälzte. Allerdings zog er trotz seines kämpferischen Geschicks gerne einmal den Schwanz ein. Nicht die lobenswerteste Eigenschaft für einen Leibwächter und Waffenbruder.
 

Tja, Chuu'uns zukünftiger Herr hatte bereits damals gewusst, wer der Richtige für ihn war. Unter normalen Umständen wäre der Schütze zwar nie sein Vasall geworden, doch der verehrende Brand begünstigte die Stellung des Kaiserneffen und schon befand er sich in der Position des zweiten Thronfolgers und bestimmte mit über die Geschicke von Kou. Ohnehin hatte erst der Anschlag auf den Kaiser und seine ältesten Söhne dafür gesorgt, dass sie sich noch einmal begegneten. Eine traurige Geschichte, die seinen Herrn noch heute nicht losließ. Aber Chuu'un wollte sich nicht über das Schicksal beschweren, es gab einen Grund für jedes noch so vernichtende Ereignis, davon war er überzeugt. Deshalb würde er seinen Herrn nach Kräften unterstützen, ganz gleich welche Ziele er verfolgte. Letzen Endes hatte er Koumei sein Leben oder zumindest seine Freiheit zu verdanken und das verband sie so sehr, dass er es nicht wagte, einen anderen Weg einzuschlagen.
 

So stand er auch nach zehn Jahren noch unbeweglich im kaiserlichen Palast und umsorgte den zweiten Prinzen von Kou. Was hätte er nach all der gemeinsamen Zeit, gegenseitigem Vertrauen und unbezahlbarer Nähe auch anderes machen sollen? Dabei bedauerte er, dass sie sich früher noch so viel besser verstanden hatten als im Moment. Nach fürchterlichen Startschwierigkeiten, gepaart mit einigen Fehltritten von beiden Beteiligten, hatte er für einige Jahre geglaubt, dass zwischen ihnen eine enge Freundschaft herrschte, doch momentan konnte er dies nicht länger beschwören. Koumei hielt ihm Dinge vor, das spürte er, doch er bekam kaum bedeutsame Worte aus ihm heraus. Wenn sein Herr etwas verheimlichen wollte, bedurfte es einiges an Überredungskunst, die Worte aus ihm herauszupressen. Trotzdem sorgte Chuu'un sich immer noch sehr um ihn und wollte um jeden Preis an seiner Seite bleiben. Würde er fortgehen, hätte er doch nur Angst um das Befinden seines Herrn. Es gab viel zu wenige Leute im Palast, welche die Muße besaßen, mit Koumei über sein Wohlergehen zu diskutieren. Ja, in dieser Hinsicht war er anstrengender als ein Kleinkind. Früher hatte man ihn wenigstens noch herumtragen können, heutzutage musste man ihn schon zum gewünschten Zielort schleifen, wie Chuu'un es diesen Morgen erst getan hatte. Nicht, dass er ihn nicht immer noch hochnehmen könnte, aber mittlerweile war es deutlich mühsamer als früher und für einen erwachsenen Mann einfach lächerlich, weshalb er es so gut es ging vermied. Nun durfte er hier vor der Flügeltür zum Speisesaal ein wenig Kraft für den restlichen Tag tanken. Außerdem hatte er die letzten Tage nichts Nennenswertes von seinem Herrn gesehen oder gehört, da dieser nicht gestört werden wollte. Jetzt musste er sich wohl wieder mehr um ihn bemühen.
 

Versonnen lauschte er in die Stille hinein. Außer dem schnaufenden Atmen des einen Wachmanns drang kein Geräusch an seine Ohren. Die Wände des Saals waren vergleichsweise dick. Vielleicht hatte Kouen diesen Ort ausgewählt, um sich mal wieder in aller Ruhe mit seinem Bruder zu beraten. Kein Wunder, dass er die Wachen nicht dabei haben wollte, sicher fürchtete er, dass Gerüchte über seine Pläne nach außen gelangen könnten. Ja… das würde es wohl sein. Entspannt musterte Chuu'un das Teppichmuster zu seinen Füßen, welches Rad schlagende Pfauen zeigte. Hübsch. Die Kunstweber in Kou verstanden ihr Handwerk. Vielleicht sollte er sich für seine Kammer ebenfalls solch einen Teppich anfertigen lassen. Falls er sich so etwas leisten konnte. Geld erhielt er auf seinem Posten zwar massenweise, dafür sorgte sein Herr, aber ob er damit einen teuren, bestickten Teppich kaufen konnte, blieb dahingestellt. Es konnte Jahre dauern, bis solch ein Kunstwerk fertiggestellt war. Vielleicht sollte er sich bei seinem nächsten Ausgang einfach mal nach einem Weber oder ein paar guten Stickerinnen erkundigen. Etwas Schönes konnte schließlich jeder Mann gebrauchen…
 

„LÜGNER!“

Erschrocken fuhr Chuu'un zusammen. Das ohrenbetäubende Brüllen drang eindeutig aus dem Speisesaal, gefolgt von einem gepeinigten Kreischen. Mist! Alarmiert sprang der Schütze auf, seinen kleinen Nahkampf-Dolch gezückt. Der sperrige Bogen wartete in seiner Kammer und konnte ihm momentan nicht nützlich sein. Wie ungünstig, jetzt verfügte er nicht mal über sein Hausgefäß! Wahrscheinlich hatte Koumei auch sein metallenes Dschinngefäß in seinem Schlafzimmer gelassen, großartig! Jetzt musste Chuu'un wirklich auf der Hut sein!

Die Wachen wirkten ebenfalls gewarnt. Der Schrei am Ende hörte sich verdächtig nach dem zweiten Prinzen an. Ob seinem Herrn etwas zugestoßen war? Chuu'un sorgte sich bereits. Sein Puls schnellte hektisch in die Höhe, verdammt, hätte Kouen ihn doch nicht hinausgeschickt! Nach dem Baden war Koumei kollabiert, vielleicht war er immer noch wackelig auf den Beinen. Bei einer Auseinandersetzung mit einem Verbrecher käme ihm seine schwächliche Konstitution sicher nicht zu Gute. Aber wie hatte ein Eindringling an ihnen vorbei in den Speisesaal gelangen und die anderen Wachleute überlisten können?! Höchst befremdlich.

„Was ist da drin los?“, fragte sich einer der Männer laut.

„Wohlmöglich ein Einbrecher, der einen Anschlag auf die beiden Prinzen verüben möchte!“, befürchtete der andere Wachmann.

Chuu‘un war sich da nicht so sicher. Ein schnelles Handeln wäre jedoch sicher von Vorteil, wenn sein Herr solch gequälte Laute von sich gab!

„Das müssen wir wohl selbst herausfind-“ Die Meinung des Vasallen ging in einem heftigen Krachen unter, als hätte jemand einen Stuhl nach einer Person geworfen.

Die drei Männer wechselten einen kurzen Blick, der nichts als Entschlossenheit zeigte.

„Rein da!“, beschlossen sie einstimmig und stürmten mit gezogenen Waffen den Saal.
 

Mit rasendem Herzen platzte Chuu'un hinter den beiden Kerlen in den gewaltigen Raum. Hoffentlich gab es keine Verletzten! Oder gar Tote…!
 

Die Szenerie, die sich ihm bot, musste er nach seinem Schock erst einmal verarbeiten. Was war er froh, dass man ihm seine Aufregung niemals ansah. Jahrelange Übung zahlte sich aus! Statt einem verzweifelten Kampf mit einem Eindringling beizuwohnen, erblickten sie lediglich die beiden Prinzen. Sie lagen übereinander am Boden, nur noch ein wildes Knäuel aus rotem Haar, langen, mehr oder weniger kräftigen Gliedmaßen und weißen Untergewändern. Kouen schien sich oben zu befinden und Koumei zu quälen, die umgekehrte Position hätte wohl jeden gewundert. Einer der schweren Stühle lag umgekippt daneben. Das sah schlimm aus. Oder war seine Sorge unbegründet gewesen? Er wusste es nicht. Nun gut, ein verzweifelter Kampf fand grade auf jeden Fall statt und ließ Chuu'un die Haare zu Berge stehen. Vielleicht hätten sie sich aus der Angelegenheit heraushalten sollen. Oder nicht? Prinz Kouen lehnte nun mit seinem ganzen Körpergewicht auf dem Rücken seines kleinen Bruders und hielt ihn so unbarmherzig im Schwitzkasten, dass dieser nur noch elendig würgen konnte. Wie es schien murmelte der Ältere Koumei grade ein paar beängstigende Drohungen ins Ohr, ehe er seine überraschend nackten Füße packte und unbarmherzig kitzelte. Sofort ertönte lautstarker Protest in Form von atemlosen Hilferufen. Oh ja, er hatte den Schrei seines Herrn vorhin richtig erkannt. Daraufhin schalt Kouen seinen Bruder, er sollte sich nicht so anstellen und Ruhe geben. Doch plötzlich wandte er zufällig den Kopf Richtung Tür und verstummte schlagartig. Der flammende Blick streifte die unerwünschten Neuankömmlinge und fixierte sie dann mit plötzlicher Erkenntnis. Wie der Blitz sprang Kouen auf, was seinem Bruder ein ungläubiges Stöhnen entlockte. Ach du je. Jetzt hatten sie ein lebensbedrohliches Problem.

„Alles in Ordnung, eure Hoheiten?“, wagte sich endlich einer der Wächter vor.

„Selbstverständlich!“, donnerte der erste Prinz und von dem ausgelassenen jungen Mann, der sich mit seinem Bruder balgte, blieb keine Spur zurück.
 

Kouens Gesicht färbte sich puterrot. Ob vor Wut über die unangemessene Störung oder vor Scham, bei einer derart unwürdigen, gar kindischen Tätigkeit erwischt zu werden, ließ sich nicht feststellen. Jedenfalls konnte es für sie alle nun sehr ungemütlich werden. Den Thronfolger sollte man besser nicht reizen. Je nach Angelegenheit lag seine Reizschwelle ungewöhnlich hoch oder, wie bei diesem unschönen Ereignis hier, bemerkenswert niedrig. Irgendwo verständlich: Er sah sehr mitgenommen aus - zerrupft - und seine Gewänder hingen ihm unordentlich vom Leib. Mit seinen lodernden Augen erdolchte er die drei Männer beinahe, während er grollend versuchte, die verrutschten Stoffschichten in eine einigermaßen akzeptable Position zurechtzurücken. Sichtlich um Haltung bemüht, starrte er ihnen entgegen. Chuu'un bekam beinahe Mitleid. Als derart stolzer Mann in seiner Würde gekränkt zu werden, musste eine schlimme Erfahrung sein, doch als sein Blick das erste Mal bewusst auf Koumei fiel, verrauchte seine Empathie für den ersten Prinzen blitzschnell.
 

Sein Herr hatte sich natürlich längst in Sicherheit gebracht. Kaum war Kouen aufgesprungen, war er, schneller als man es ihm zutraute, an Seite gekrochen. Nun lag er halb unter der Tafel, die noch die Reste des Morgenmahls trug. Verzweifelt keuchend und um Atem ringend musterte er das Geschehen. Offensichtlich schien er sich unter dem Tisch am sichersten zu fühlen. Er wirkte überaus bekümmert, sicherlich um das Wohl von ihnen, den unerwünschten Wachen. Dabei hielt Chuu'un es für angebrachter, sich um Koumei zu sorgen, so matt wie er anmutete. Immerhin hatten nun die beiden Wachmänner Kouens Aufmerksamkeit auf sich gezogen und lenkten diesen von seinem wehrlosen Bruder ab. Die Armen. Plötzlich blickte sein Herr zu ihm herüber. Chuu'un konnte ihn nur entsetzt ansehen, das hektische Luftholen des Prinzen machte ihm Angst.
 

Mit einem bedächtigen Schielen in Kouens Richtung, dank welchem er feststellte, dass dieser mit den Wächtern zu beschäftigt war, schlich er so unauffällig wie möglich zu Koumei hinüber. Er musste seinen Herrn schleunigst aus dieser Gefahrenzone herausbringen, zudem war es für einen hochrangigen Prinzen wie ihn eine Schande, derart gedemütigt zu werden. Das wollte er nicht noch einmal zulassen. Was wäre er denn dann für ein lausiger Vasall? Er lebte, um Koumei vor Schaden zu bewahren und offenbar war er heute Morgen grandios daran gescheitert. Wer hätte auch ahnen können, dass Kouen in diesem Alter immer noch die Vorlieben eines ungestümen Jungen hegte und über seinen kleinen Bruder herfiel? Damals, als beide Hoheiten noch Kinder gewesen waren, hätte er nichts gegen eine Rauferei unter Geschwistern einwenden können, aber nun… so etwas gehörte sich wirklich nicht mehr! Sie befanden sich hier doch nicht im Land der Barbaren und Dämonen, wie es in Kina der Fall war! Außerdem störte es ihn gewaltig, dass immer sein Herr den Kürzeren zog. Solch eine Ungerechtigkeit! Als verantwortungsbewusster Edelmann hätte Kouen ihm wenigstens ab und an ein paar Siege zugestehen können. Kein Wunder, dass Koumei vor körperlichen Anstrengungen zurückschreckte, wenn er immer nur die Erfahrung machte, dass alle anderen viel stärker als er waren! Andererseits konnte man wohl nicht gleichzeitig besonders kräftig und bemerkenswert intelligent sein. Das eine schien das andere meist auszuschließen, fand zumindest Chuu‘un, wobei er Kouen eigentlich immer für ein ziemlich schlaues Köpfchen gehalten hatte. Heute hegte er an der alten Vermutung allerdings einige Zweifel.
 

Schließlich kniete Chuu'un neben der leergegessenen Tafel nieder. „Mein Herr, lasst uns von hier verschwinden!“, flüsterte er vorsichtig.

Dieser stieß hechelnd die Luft aus und nickte lethargisch. Er scheiterte schon an der Aufgabe, sich aufzurichten. Seine Arme zitterten bereits, wenn er sie nur ein wenig streckte. Was den Bogenschützen aber enorm erzürnte, waren die zerzausten Haare seines Herrn. Weshalb hatte er sich eben so lange mit ihnen abgemüht? Sie waren so herrlich ordentlich und glatt gewesen! Jetzt ähnelte Koumei einer zerlumpten Vogelscheuche! Bei den Rukh, was um alles in der Welt hatte Kouen mit ihm angestellt? Der arme Kerl machte nicht den Eindruck, als könnte er noch aus eigener Kraft den Speisesaal verlassen. Dermaßen geschwächt, von einer harmlosen Rauferei unter Brüdern? Er sah eher aus, als hätte er einen Kampf auf Leben und Tod hinter sich.
 

Da kam Chuu'un eine berechtigte Idee: Vielleicht hatte Kouen sich ja gar nicht so viel zu Schulden kommen lassen und Koumei musste einfach nur mehr für seinen Körper tun? Diese Kurzatmigkeit konnte nicht gesund sein. Der Vasall wusste nicht mal mehr, wann er den zweiten Prinzen das letzte Mal für längere Zeit im Freien gesehen hatte. Vor ein paar Monaten? Hier in Balbadd scheute er die Sonne noch mehr als daheim in Rakushou… Er sollte dringend versuchen, ihn zu körperlicher Ertüchtigung zu bewegen. Egal, darüber konnte er sich später den Schädel zermartern. Erst einmal musste er seinen Herrn vor dessen übergeschnappten Bruder retten. Wahrscheinlich sorgte er sich vollkommen unbegründet, aber man kümmerte sich nun mal gut um den Mann, der seinem Leben einen tieferen Sinn verliehen hatte. Sie hatten schon derart viele gefährliche Situationen überstanden, dass Chuu'un stets fürchtete, die letzte könnte bald kommen. Was er ohne seinen Herrn mit seiner Existenz anfangen sollte, wusste er nicht. War es da nicht verständlich, dass er jegliches Übel von ihm fernhalten wollte? Und ein Übel stellte Kouen Ren an diesem Tag eindeutig dar! Den unangenehmen Lauten im Hintergrund nach zu urteilen, hegte er einen gehörigen Zorn auf die Wachmänner. Auf Chuu'un sicher auch… Sie sollten sich wirklich schnellstens aus dem Staub machen.

„Na kommt schon, Koumei“, drängte er leise. Möglicherweise gelingt es uns ja, ungesehen aus diesem Albtraum zu entkommen, hoffte er.

Allerdings hätte er bedenken müssen, dass der zweite Prinz sich nicht sonderlich kooperativ verhalten würde. Gut, das rührte von der Erschöpfung her, doch die Ursache änderte nichts daran, dass sie nun vor einem riesigen Problem standen!

„Bitte, tut nur einmal das, was ich sage!“, flehte der Vasall.

Die Antwort gab ihm keine neue Hoffnung: „Will ich ja… kann aber nicht…“

Verdammt, Koumei döste schon fast. Seine Augenlider flatterten bedrohlich. Es brauchte also mehr Nachdruck.

„Aufstehen!“, forderte Chuu'un.

Der Rothaarige zuckte zusammen. Dessen gekränkter Blick, den er daraufhin erntete, ließ ihn sich wahrhaft bösartig fühlen. Aber was sollte er sonst tun? Er war doch wohl kein schlechter Mensch, nur weil er seinen Herrn vor weiterem Unheil bewahren wollte! Musste er es etwa erst mit herabwürdigendem Betteln versuchen, damit sein Vorhaben gelang?
 

Plötzlich zuckten Koumeis Beine. Beinahe erschrocken über die unerwarteten Bewegungen wich Chuu'un zurück, ehe er begriff, dass der Prinz sich erheben wollte. Hervorragend! Damit hätte ich heute nicht mehr gerechnet!, jubilierte er innerlich und hätte dem schwächelnden Mann um den Hals fallen können. Dass Koumei sich aus eigener Kraft heraus anstrengte, konnte in Situationen wie diesen nur ein Wunder bedeuten. Tatsächlich stand er wenige Augenblicke später auf beiden Füßen. Ein wenig schwankend zwar und immer noch um Atem ringend, aber es gab Schlimmeres. Kouen unterdessen brüllte die beiden Wachen an, sich fortzuscheren. Er tobte vor Wut. Gut, dann würden sie jetzt ebenfalls das Weite suchen.
 

Tatsächlich erreichten sie Koumeis Gemächer ohne einen neuerlichen Angriff des ersten Prinzen. Als Chuu'un seinen Herrn an Kouen vorbeigelotst hatte, unter Geleitschutz der beiden anderen Männer, hatte er eigentlich irgendeine unerfreuliche Reaktion des Thronfolgers erwartet. Nichts war geschehen. Und so hatte er Koumei relativ unbeschadet in Sicherheit bringen können. Doch dieser dankte es ihm grade nur mit neuen Schwierigkeiten: Kaum hatte der Vasall die Tür aufgeschoben, fiel der Prinz gähnend ins Bett.

„Nein!“, knurrte Chuu'un scharf, was eigentlich weder seiner Art, noch der Etikette entsprach, doch dafür, dass der Tag grade mal angefangen hatte, nahm sich sein Herr eindeutig viel zu viel heraus. Er musste verflucht nochmal arbeiten! Sonst würde der bescheuerte Kouen ihnen beiden den Kopf abreißen! So ein Mist, jetzt fing er bereits an, die groben Ausdrücke der Stadtwächter zu benutzen… Solch ein Frevel… er sollte sich hüten je wieder auf diese abfällige Weise an den Erben des Kaiseramtes zu denken! Aber hier musste dringendst etwas passieren. Chuu'un konnte Koumei nicht schon wieder Ewigkeiten schlafen lassen! Es stand derart viel Arbeit an, dass der zweite Prinz sich problemlos auf Überstunden einstellen konnte. Chuu'un würde ihm da, selbst wenn er wollte, keine große Hilfe leisten können. Das würde ja heiter werden. Wieso musste Koumei denn auch immer wieder solch eine Mattigkeit und Antriebslosigkeit zeigen? Das gehörte sich für einen Mann von Rang und Namen ganz und gar nicht! Er sollte lieber seine Intelligenz und sein Metallgefäß nutzen, nicht die ganze Zeit faulenzen. Zu Koumeis Verteidigung: Sein nervenaufreibendes Verhalten war nicht alltäglich. Nur fast. Es gab ja durchaus Wochen, sogar ganze Monate, wo der Zottel seine Arbeit über alles stellte und ja, dann durfte Chuu'un ihn bremsen. Dies gestaltete sich als ebenso schwer wie das Antreiben. Wenn es wirklich ernst wurde, legte sein Herr einen verstörenden Eifer an den Tag, konnte sogar todernst und einigermaßen aktiv an Besprechungen teilnehmen. Manchmal befehligte er Soldaten, als würde er nie etwas anderes tun. Doch für seine Müdigkeit, die Ausreden und Schwächeanfälle war Koumei mittlerweile derart berühmt, dass man das Gefühl gewinnen konnte, sein ganzes Leben bestünde daraus, der Dienerschaft Scherereien zu bereiten. Genaugenommen gab es eben hin und wieder kurze Momente oder ausgedehnte Zeiten, zu denen mit seinem Herrn nichts anzufangen war.
 

Um ehrlich zu sein hatte Chuu'un schon seit jeher eine Vermutung, wo diese Antriebsschwäche herrührte. Der Vasall diente dem zweiten Prinzen immerhin schon lange genug, um zu wissen wie sensibel er sein konnte. Seit dem Tod des vorherigen Kaisers und dessen Söhnen war irgendetwas in ihm zerbrochen. Das hatte Chuu'un gleich bemerkt, als er den jungen Koumei in den Wochen nach dem großen Brand versorgt hatte und seine Dienerschaft an dessen Seite angetreten war. Alleine schon ihre erste Begegnung nach all der Zeit hatte ihm mehr verraten, als er wissen wollte. Früher, als die verstorbenen Verwandten noch am Leben gewesen waren, hatte Koumei kaum je geweint, außer um Prinz Hakurens Herz zu erweichen, eine kluge Handlung, war sie bei diesem naiven Kerl doch stets geglückt. Als Chuu'un nach dem Feuer zum Vasall geworden war, hatte er schmerzvoll erfasst, dass sich dies gänzlich verändert hatte. Und er wusste ganz genau, dass sein Herr auch heute noch von Schuldgefühlen und Trauer geplagt wurde, auch wenn er es längst nicht mehr offen zeigte. Natürlich konnte dies nicht der einzige Grund für die Faulheit und Müdigkeit sein, da Koumei bereits als kleiner Junge versucht hatte, jeglicher Anstrengung zu entgehen. Dennoch, er war sich ganz sicher, dass Koumeis Erinnerungen und Stimmung eng mit seiner Arbeitsmoral zusammenhingen und das betrübte ihn sehr. Vor allem, dass er nicht helfen konnte, egal was er versuchte.
 

Momentan schien mal wieder eine längere Zeit des Elends angebrochen zu sein. Sie würde hoffentlich höchstens ein paar Tage andauern und dann konnte man wieder normalen Umgang mit Koumei pflegen. Aber bis dahin galt es die übersteigerte Ermüdung auszuhalten. Dieser schreckliche Zottel war wirklich zu bedauern, aber er verhielt sich manchmal unmöglich. Dazu passte auch die schändliche Eskapade mit dem Priester. Dieser widerliche Kerl! Wenn er sich noch einmal in die Nähe seines Herrn wagen sollte, würde er es mit Chuu'un zu tun bekommen! Koumei war viel zu gutherzig, um sich mit diesem missratenen Bengel abzugeben! Magi hin oder her! Es interessierte ihn auch nicht, dass der Priester seinem Herrn zu einem Dschinn verholfen hatte. Nein, er konnte den Gedanken, dass sein Prinz auch nur im gleichen Bett wie Judar geschlafen hatte, nicht ertragen! Was auch immer zwischen ihnen geschehen war… Koumei verheimlichte ihm doch etwas! Wenn er sich nur daran erinnerte, wie sich Judar an diesem furchtbaren Tag in die Gemächer des zweiten Prinzen begeben hatte, während er selbst wachehaltend und unbemerkt, mit der Aufforderung ja nicht zu stören, am Anfang des Ganges gestanden hatte, ballten sich seine Hände zu Fäusten und er verspürte das heftige Verlangen, dem Magi den Hals umzudrehen! Welch ein Glück für ihn, dass er sich bereits in Rakushou befand! Was fiel ihm nur ein, sich an seinen Herrn heranzumachen? Und wie konnte dieser das auch noch dulden? Na gut, Koumei duldete ohnehin immer viel zu viel, wahrscheinlich weil er zu faul oder schwach war, um sich unangenehmen Situationen zu entziehen, wie die Rauferei mit Kouen mal wieder gezeigt hatte. Plötzlich erstarrte der Vasall. Was, wenn Judar an der Angelegenheit vollkommen unschuldig wäre? Wenn alleine der Prinz schuld war, dass er bei ihm übernachtet hatte? Noch schlimmer! Aber gar nicht mal so unwahrscheinlich, wie er mit Schrecken feststellte. Koumei kam manchmal auf verstörende Einfälle. Das war so dumm und naiv, dass es ihn schaudern ließ. Falls jemand davon Wind bekäme… nicht auszudenken!
 

Wenn sich eine derartige Verfehlung wiederholen sollte, vor allem mit dem Priester, würde es unvermeidlich sein, dass irgendjemand es bemerkte. Generell wunderte es Chuu'un seit jeher, dass anscheinend niemand außer ihm wusste, dass Koumei Männer den Frauen deutlich vorzog. Oder besser gesagt zog er Hakuren Ren jedem andern vor. Immer noch. Ob Kouen etwas ahnte? Bitte nicht. Niemand sollte etwas davon wissen. Chuu'un konnte Geheimnisse für sich bewahren und verspürte nicht im Ansatz den Wunsch, irgendetwas auszuplaudern. Wäre auch schön dumm, denn dann würde er sich gleich mit ins Verderben hineinreiten. Ja, hoffentlich würde was er über Koumei wusste niemals ans Licht kommen. Sie hatten wahrhaft schon genug Schwierigkeiten. Er musste dringend ein paar ernste Worte mit dem Prinzen sprechen! Andererseits, würde diese Enthüllung etwas an dem Bild, welches die meisten Menschen im Palast von seinem Herrn besaßen, ändern? Wahrscheinlich nicht, viele sahen in Kouens jüngerem Bruder, verglichen mit dem starken Thronfolger, eine einzige Enttäuschung. Natürlich würde dies niemand offen zugeben, doch als Diener hörte man Dinge, die niemals an die Ohren der Herrschaften gelangen sollten.
 

Eigentlich traurig, dass scheinbar nur Chuu'un schätzte, was sie an dem zweiten Prinzen hatten. Nun ja, Kouen wusste dies sicher auch, sonst würde er Koumei sicher nicht derart viel Macht einräumen. Bis sich der Zottel jedoch wieder gefangen hatte, würde Chuu'un seine gesamten Überredungskünste aufbieten müssen. Wie anstrengend… Aber das würde er schon irgendwie schaffen. Jetzt galt es erst einmal, die unverbesserliche Schlafmütze aus dem Bett zu werfen und zur Arbeit zu überreden, von der es in den nächsten Wochen mehr als genug zu erledigen geben würde.
 

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Sollte es öfter mal einen Ausflug in Chuu'uns Perspektive geben?

Wenn jemand Fehler findet oder Anmerkungen hat, darf er mir sie sehr gerne mitteilen ^^ Komplett anzeigen

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