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Was die Hitze des Sommers nicht alles bewirken kann...

The Vessel and the Fallen 1
von

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Vasall


 

*~*
 

Sobald Judar unter nervtötendem Gekeife verschwunden war, löste Koumei ermattet die Dschinnausstattung auf und ließ sich mitsamt seiner Gewänder ins Bett fallen. Die Dunkelheit verlor stetig an Macht und ließ sanftes Morgengrauen heraufziehen, das nicht weiter beachtet wurde. Der zweite Prinz fühlte sich furchtbar. Er war müde, eingesteift und halb erfroren, weil er den Großteil der Nacht im Freien verbracht hatte. Vor allem machten ihm aber die Erinnerungen an Hakuren zu schaffen. Sie waren so ungewöhnlich klar und deutlich gewesen, dass sie ihn regelrecht gefesselt hatten. Nach all der vergangenen Zeit jagten ihm ihre Schärfe und Eindringlichkeit beinahe Angst ein, auch wenn das bei weitem noch nicht die schlimmsten gewesen waren. Wie konnte es sein, dass er nach zehn Jahren, einer ganzen Dekade, noch immer so verzweifelt an seinem Geliebten hing und sich nach ihm sehnte, wie ein Hund nach seinem gefallenen Herrn, obwohl er ihn so rücksichtslos verlassen und ihn nie wieder auch nur für einen winzigen Augenblick besucht hatte? Noch nicht einmal eine Brieftaube hatte er ihm gesandt, obwohl Koumei vermutete, dass Hakuren es versucht haben musste. Der junge Prinz war eigentlich nicht der Typ für plötzliche Abschiede, sowie für das Abbrechen jeglichen Kontaktes zu seinem ehemals besten Freund gewesen. Koumei hegte deshalb seit Jahren einen bösen Verdacht, doch er konnte ihn einfach nicht beweisen. Ach herrje, er sollte es einfach vergessen, nach all den Jahren konnte es nicht angehen, so deprimiert zu sein, nur weil man einer längst vergangenen Existenz hinterher trauerte.
 

Ja, das Vergessen wäre die beste Möglichkeit. Doch er konnte nicht, wollte nicht. Und noch viel wichtiger: Die Erinnerungen hatten ihm die Augen für seine eigene Vermessenheit geöffnet. Wie konnte er sich nur einbilden in dem aggressiven Hohepriester jemanden gefunden zu haben, dem er sich gefahrlos annähern konnte, noch dazu derart überstürzt? Judar besaß keinerlei Ähnlichkeiten mit dem verstorbenen Kaiserssohn, war schon immer boshaft und kindisch gewesen. Nun, kindisch hatte Hakuren sich auch viel zu oft benommen, aber das hatte Koumei stets irgendwo missbilligt und es stellte die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden dar. Na schön, die Haarfarbe stimmte ebenfalls grob überein, wenngleich Judars pechschwarzer Zopf nicht diesen sanften bläulichen Schimmer aufwies, den er von Hakuren kannte und liebte. Wie gerne er selbst jetzt noch das Gesicht in den kurzen, weichen Haaren vergraben hätte...
 

Aber Koumei glaubte kaum, dass eine jämmerliche Farbe für irgendeines seiner Gefühle ausschlaggebend war, zudem ihr Aussehen sich ansonsten nicht sonderlich ähnelte. Genau genommen hatte er nach dieser trostlosen Vergangenheit nicht einmal mehr angenommen, noch zu derartigen Gefühlen fähig zu sein. Vor allem nicht für diesen Wahnsinnigen! Hakuren war unvorstellbar mutig, stark, fürsorglich, freundlich und fast immer gutgelaunt gewesen. Der schwarze Magi konnte in keiner dieser Eigenschaften mithalten, er zeigte immer nur seine herrische, wütende, beleidigende Seite. Was bei Hakuren Mut gewesen war, offenbarte sich bei Judar als Vermessenheit. Außerdem hatte Koumei es ohne jegliche Probleme geschafft, ihn festzuhalten, dabei war er selbst doch eher schwächlich. So war ihm in dieser Nacht eines deutlich geworden: Es war eine Beleidigung für Hakuren, den lächerlichen Priester auch nur eines Blickes zu würdigen, geschweige denn, ihn zu berühren oder zu küssen. Wenn er ihm in die wirren, roten Augen schaute, fragte ein Teil seiner Selbst sich plötzlich, wie er gestern Abend und in der Nacht im vorherigen Jahr dieses seltsame Verlangen nach Judars Nähe hatte wünschen können. Dennoch, ein anderer Teil verspürte noch immer den Wunsch, den jungen Mann an sich zu ziehen und festzuhalten, egal wie selbstverräterisch dieses Verhalten wäre.
 

Dabei wollte er keinen Ersatz für Hakuren. Und weshalb konnte es statt Judar nicht eher Kali sein, die ohnehin zu ihm gehörte und nur auf seine Interessensbekundungen zu warten schien? Sie lebte immer noch in seiner Nähe, auch wenn sie sie daheim in Rakushou gelassen hatten. Mit den Jahren hatte sich ihr unangenehmes, dämonisches Wesen etwas gebessert. Sie hatten sich sogar ein wenig mit einander arrangiert, sie jagte ihm keine Angst mehr ein und versuchte nicht länger, ihm selbstständig näher zu kommen. Sie benahm sich recht erträglich und niemanden würde es stören, sie an seiner Seite zu wissen. Oder gab es da nicht irgendeine liebreizende Prinzessin, Dienerin oder wenigstens eine vergessene Nebenfrau seines alternden Vaters, welche sich zugleich auf das erledigen von häuslichen Arbeiten verstand? Hakuren hätte sich darüber vielleicht gefreut, so begeistert wie er immer von den Frauen geschwärmt hatte, wohingegen er Judar immer mit Misstrauen und Abscheu begegnet war. Aber nicht nur er hätte ein Problem mit seiner Annäherung an den schwarzen Magi von Kou gehabt, schließlich gehört es sich im Allgemeinen nicht. Koumei vergrub stöhnend das Gesicht in der Bettdecke. Ein Glück, dass der Schlaf ihn gestern Abend vor weiteren, noch verheerenderen Dummheiten bewahrt hatte.
 

Plötzlich klopfte es an der Tür. Überrascht schielte der zweite Prinz zwischen den Kissen vorbei nach draußen. Die grausame Sonne ging bereits hinter den Dächern Baldbadds auf und versprach einen weiteren, unerträglich heißen Tag. Furchtbar. Wieder pochte es, heftiger jetzt.

„Mein Herr?“

Koumei stöhnte gepeinigt. Hatte er nicht befohlen, dass er nicht gestört werden sollte? Er wollte wenigstens noch ein kleines bisschen schlafen, bevor er sich daran machte, die wegen Judar verpasste Arbeit nachzuholen. Ein drittes Klopfen.

„Prinz Koumei? Darf ich eintreten?“

Er verneinte. Doch kaum hatte er die Worte ausgesprochen, wurde die dünne Schiebetür regelrecht aufgerissen. Das Übelkeit erregende Schaben konnte einem eine Gänsehaut bereiten. Die massiven Türen im heimatlichen Palast, welche aufschwingen konnten, wären viel angenehmer gewesen, aber dieses Haus hatte schnell erbaut werden müssen und übermäßiger Luxus kam dafür nicht in Frage.

Dann war er nicht länger alleine im Raum: „Verzeiht, mein Herr. Ich wollte euch nicht stören und erst recht keine Befehle missachten, aber ich habe schon seit Tagen kein Lebenszeichen mehr von euch vernommen.“

„Und da dachtest du zweifellos: ,Mein unfähiger Herr liegt im Sterben‘ nicht wahr, mein Chuu’un?“, gähnte Koumei und setzte sich mühsam auf. Er hatte den Diener über die letzten Tage fast vergessen, was ihm beinahe Leid tat.
 

Die kou-typischen Schuhe knallten hart auf den Boden, als der Bedienstete mit geneigtem Haupt eintrat. Chuu’un war ein schlanker, großgewachsener Mann, beinahe so groß wie Kouen und der goldverzierte Helm mit dem wolkenähnlichen Federbusch, den er sogar im Haus oft trug, verstärkte diesen Eindruck von Größe noch. Wie Koumei besaß er zu viel zotteliges Haar, nur in einem merkwürdigem Braunton, welcher ab und an ins Violette zu changieren schien. Die Mähne verdeckte seine Augen zusätzlich zu dem unpraktischen Helm. Immerhin wirkte sein ebenfalls violettes Gewand deutlich gepflegter als das des Prinzen.
 

Zwischen den beiden Männern herrschte das gewohnte Schweigen. Nicht, weil sie Abneigungen gegeneinander hegten, sondern weil sie beide nicht gerne unnötige Worte machten. Allerdings schien Chuu'un etwas auf der Seele zu liegen, auch wenn seine starre Haltung dies gekonnt verschleierte. Der Vasall hielt sich immer kerzengrade und ließ mit keiner Regung erkennen, was ihm durch den Kopf ging. Doch Koumei hatte über die Jahre hinweg gelernt, seine verhaltene Mimik zu lesen. So konnte er sich bereits denken, mit welchem Anliegen der Mann zu ihm kam. Und tatsächlich, schließlich hielt Chuu'un es nicht länger aus und brach die Stille.

„Verzeiht die unsensible Frage, aber solltet ihr nicht längst auf den Beinen sein?“, tastete er sich nach kurzem Zögern vor.

Koumei stöhnte innerlich. Wieso musste sein Vasall ausgerechnet heute hereinplatzen und warum redete er nach all den gemeinsamen Jahren immerzu in diesem formellen Tonfall? „Hast du nicht etwas vergessen?“, konterte er die unangemessene Erkundigung mit einer ausweichenden Gegenfrage.

Chuu’uns Schultern fielen in sich zusammen. Er musste sich in höchstem Maße unwohl fühlen. „Verzeiht, ich meinte natürlich nicht Herr, sondern Koumei, ich staune immer wieder darüber, wie gütig ihr Prinzen eure Vasallen behandelt!“, meinte er dann doch wieder gefasster.

Der Rothaarige merkte, wie sich zum ersten Mal an diesem Morgen ein Lächeln auf seine Züge stahl. Chuu'uns Verhalten ist mal wieder herzerwärmend. Dabei ist es gar nicht seine Art, an allem herum zu schmeicheln.
 

Er mochte Chuu'un, auch wenn es manchmal anstrengend mit ihm und seiner Unterwürfigkeit war. Er sollte eigentlich nicht über seine Unzulänglichkeiten nörgeln, schließlich hatte er ihn sich selbst ausgesucht und jegliche Unannehmlichkeiten selbst eingebrockt. Dafür erhielt er allerdings auch die bedingungslose Treue und Ergebenheit seines Untergebenen zurück. Falls man einmal einen Blick auf seine verdeckten Augen erhaschen konnte, zeigten sie eine tiefe Verehrung für seinen Herrn. Nur leider verbarg der Bogenschütze ein kleines Geheimnis, was seine Augen betraf und so erblickten die meisten Menschen lediglich braune, das Gesicht verdeckende Zotteln. Wie gesagt, die Männer ähnelten sich äußerlich nicht unwesentlich. Koumei mochte Chuu'un trotz dessen übersteigerter Ergebenheit und Zurückhaltung sehr. Möglicherweise grade deshalb. Vielleicht ein wenig zu sehr, aber bis jetzt hatte sich niemand daran gestört, schließlich pflegte auch Kouha ein sehr inniges Verhältnis zu gleich dreien seiner Gefolgsleute. Auch Kouen ging mit seinen Vasallen beinahe gelassen um und wenn sein Bruder dies tat, konnte es nicht allzu verwerflich sein. Der zweite Prinz konnte sich an Zeiten erinnern, wo er Chuu'un stets sein Herz ausgeschüttet hatte und immer auf ein offenes Ohr hatte hoffen dürfen. Mittlerweile allerdings hütete sich Koumei davor, seinem Vasallen jede Sorge anzuvertrauen. Es war einfach zu gefährlich. Und so herrschte zwischen ihnen viel zu oft nur noch eine gestelzte Freundlichkeit, die wahre Verbundenheit erschwerte. Tiefgründige Gespräche kamen so gut wie gar nicht zustande und an Tagen wie diesen freute sich der zweite Prinz ausnahmsweise einmal darüber.
 

Doch was sein treuer Gefährte dann von sich gab, umging Koumeis Bemühung um Verschwiegenheit auf schändliche Art und Weise: Zuerst druckste Chuu'un nur ein wenig herum, aber dann meinte er ganz unverblümt, wie er es nur noch manchmal wagte, wenn sie ganz unter sich waren: „Hat der Hohepriester etwa die Nacht bei euch im Bett verbracht?“

„Was?!“ Koumei musste sich am Bettpfosten festhalten, um nicht krachend auf dem Boden aufzuschlagen, doch bevor er den Halt verlieren konnte, griff Chuu’un unter seine Achseln und zog ihn in die Höhe.

„Also ja?“, schlug er leicht pikiert vor und warf seinem Herrn unter den Zotteln einen vorwurfsvollen Blick zu. Das glaubte der Prinz jedenfalls, da er keine Augen sah.

„Du solltest nicht anmaßend werden, mein Lieber“, schnaubte er verärgert, um seine Überraschung zu verbergen.

Der andere Mann blieb vollkommen ernst. „Ich habe gesehen, wie er euch besucht hat und seitdem nicht fortgegangen ist. Befindet er sich wohlmöglich noch hier? Falls ja werde ich mich sofort wieder zurückziehen…“

Wie konnte dieser Kerl nur so nüchtern sprechen, obwohl er innerlich vollkommen toben musste? Wahrscheinlich überlegte er bereits hektisch, was er anstellen sollte, falls seine Vermutung zutraf und die Ehre seines Herrn in Gefahr war.

Koumei sollte ihn schnellstens beruhigen. „Chuu'un! Unser Priester befindet sich inzwischen sicher in Rakushou an der Seite der ehrenwerten Kaiserin und meines Vaters, mögen sie gesegnet sein.“ Die beißende Ironie in seiner Stimme sollte er dringend wieder hinunterschlucken, sie passte nicht zu ihm. Judar musste wahrhaft einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen haben.
 

Kopfschüttelnd schritt der Prinz zu seinem Schreibtisch hinüber und besah sich die übriggebliebenen Dokumente.

„Oh, dann habt ihr den Priester lediglich in die Hauptstadt befördert?“, mutmaßte der Bogenschütze.

Koumei gähnte schwach. So viel Arbeit… Der Vasall war ihm gefolgt und klaubte die gestern verstreuten Papiere vom Boden auf. Er klang zu hoffnungsvoll, um ihn in dem Irrglauben zu belassen.

Der Prinz erklärte erschöpft: „Zuerst einmal, du kannst mich jederzeit duzen, solange wir unter uns sind! Wie oft haben wir das schon besprochen? Und der Priester war tatsächlich bis vor kurzem hier. Judar hat vielleicht in diesem Bett geschlafen aber nicht bei mir.“ Vielleicht hätte er, um den anderen vollständig zu beruhigen, lieber "nicht MIT mir" sagen sollen, aber das fiel ihm zu spät ein. Wahrscheinlich hätten diese Worte ohnehin nur bodenloses Entsetzen seitens des älteren Mannes ausgelöst, also beließ er es dabei.

Er tunkte die abgenutzte Feder in das beinahe leere Tintenfass und setzte eine krakelige Unterschrift auf ein Schreiben aus einer ihrer Provinzen. Wie um alles in der Welt war es mit nach Balbadd gelangt?

„Herr?“ In den Worten lag eine unausgesprochene Frage, wie seine Äußerung zu verstehen sei.

Koumei bedachte ihn mit einem finsteren Blick.

„Verzeiht, Koumei.“

Chuu'un erntete ein noch düsteres Funkeln. Das mit dem Duzen verstand er nie, man konnte schon froh sein, wenn er sich das „Herr“ sparte. Allerdings war dies auch keine Selbstverständlichkeit.

Der Prinz erläuterte ihm seine vorherigen Worte: „Nun gut, zumindest hat er nicht die gesamte Nacht in meiner Nähe verbracht, ich konnte nicht schlafen und saß bis zum Morgengrauen auf der Terrasse. Also mach dir keine unnötigen Sorgen!“, befahl er fest und wandte sich dem nächsten Dokument zu.
 

Doch den letzten Satz hätte er sich sparen können. Normalerweise sprach der Vasall kein unnützes Wort, doch er konnte es nicht ertragen, wenn der Prinz sich gehen ließ oder zu sorglos handelte. Vor allem aber schien er es regelrecht zu hassen, wenn so etwas wie mit Judar geschah, Koumei danach Abstand brauchte und sich in die Nacht hinaus stellte. „Aber Prinz Koumei, wie könnt ihr so etwas Leichtsinniges tun? Es ist eisig kalt dort draußen! Ihr holt euch eines Tages noch den Tod! Und die Sache mit dem Priester… eure kaiserlichen Geschwister werden erzürnt sein und sich übergangen vorkommen, sollte bekannt werden, dass ihr mit ihm eine Beziehung pflegt. Ist er nicht außerdem ein wenig…“, er zögerte befangen, „…zu jung und… aktiv für euch?“

Koumei starrte ihn ungläubig an. Er sollte zu alt und eingerostet für den erbärmlichen Magi sein? Mit Judar wurde er ja wohl grade noch fertig! Wie respektlos! Diese Äußerung klang eher nach dem Vasall seiner jüngsten Schwester, Koubun Ka, der für seine Unverschämtheiten und lächerliche Machtversessenheit bekannt war…

„Wir pflegen keinerlei Verhältnis zueinander, welches über die Verbundenheit von Magi und Königskandidat hinausgeht“, erwiderte er trocken und kämpfte müde gegen seine immer wieder zufallenden Augenlider an. War das anstrengend, von einem Untergebenen ausgehorcht zu werden! Er sollte es unterbinden! Warum will er es überhaupt unbedingt wissen?
 

Chuu'un wirkte prompt erleichtert, aber irgendwie nicht vollends überzeugt. Doch ehe er noch etwas anmerken konnte, fiel Koumeis Kopf mit einem dumpfen Laut auf das Blatt vor ihm.

„Mein Herr!“, rief der Vasall überrascht und dennoch gefasst. So anders als Hakuren oder Judar… Tadelhaftes Verhalten zeigte er höchstens im Streit mit Seishuu Ri, einem von Kouens Vasallen. Die beiden waren schon seit frühsten Kindertagen befreundet und hatten ursprünglich Hakuyuu und Hakuren zur Seite stehen sollen. Welchen der beiden Diener Hakuren bevorzugt hätte, stand außer Frage. Der lebhafte Prinz hatte nie erkannt, dass der Bogenschütze intelligenter und mindestens ebenso nützlich wie Seishuu sein konnte. Hätte Hakuren Chuu’un zum Beispiel heute gesehen, wäre er wahrscheinlich überrascht gewesen. Doch nun hingegen schien das seltsam aufdringliche Verhalten endlich beendet. Das hier war wieder der Chuu'un, den der Rothaarige kannte und dessen Nützlichkeit er schon als kleiner Junge bemerkt hatte.

Nun allerdings würde der Mann ihn eher vom Dösen abhalten und Unannehmlichkeiten bescheren – oder? Große Hände fassten ihn bei den Schultern und drückten sie prüfend. Ein wohliges Seufzen entwich seiner Kehle. Wie gut das tat! Sein ohnehin angeschlagener Rücken musste unter der Kälte und der unglücklichen Position gelitten haben, doch eigentlich hatte er jetzt keinen Nerv für eine Massage. „Mh…lass das…“, brummte Koumei plötzlich unwillig, denn er wollte einfach nur noch seine Ruhe haben und endlich schlafen.
 

Natürlich hatte er keinerlei Chance. „Eure Muskeln sind völlig versteift“, stellte Chuu'un besorgt fest. Diese Erkenntnis schien ihn jedes Mal zu durchfahren, wenn er auch nur in die Nähe von Koumeis Rücken gelangte. „Kein Wunder, die ganze Arbeit zwingt euch wahrlich in eine ungesunde Haltung und hält euch von jeglicher Bewegung fern“, behauptete er beinahe verärgert, während er hinter ihm nieder kniete. Für echte Empörung beherrschte sich der Vasall zu gut.

Träge linste der Prinz zwischen seinen Zotteln hervor. „Bewegung ist weder erfreulich, noch gesund“, hielt er müde dagegen und stöhnte auf, als sein Vasall begann, kräftig an seinen Schultern herum zu kneten. „Und ebenso wie körperliche Ertüchtigung ertrage ich grobe Massagen nicht“, ächzte er schmerzerfüllt. Seine Schultern wurden regelrecht zerquetscht. Wie sehr wünschte er sich den behutsamen Druck von eben zurück. Sein Berater grub seine Finger zur Antwort lediglich umso fester in die verhärteten, eigentlich nicht vorhandenen, Muskelstränge. Welch eine Folter! Doch schließlich schien es ihn zu langweilen, seinen Herrn zu quälen.
 

Erleichtert hob Koumei den Kopf und wandte sich dem nächsten Dokument zu, das er überprüfen musste. Es ging um die Selbstverwaltungsrechte Balbadds. Herrje, darum musste er sich dringendst kümmern. Am besten wäre es sicher, mit dem Land zu verfahren, wie Kou es auf seinen Rat hin mit jedem eroberten Gebiet tat. Genau genommen hatten sie Balbadd zwar nicht wirklich erobert, doch es unterstand mittlerweile ihrem Machteinfluss. Die Selbstverwaltungsrechte würden abgeschafft und Gesetze und Sitten denen des Imperiums angeglichen werden. Die Regierung oblag nun ihrer Zentralverwaltung und obwohl das Land als Republik galt, würde diese Staatsform nicht mehr lange andauern. Als Oberbefehlshaber der Westexpedition würde „General“ Kouen sicherlich bald der Gouverneur dieses unerträglich heißen Staates werden… was bedeutete, dass sie ewig hier festsitzen und Rakushou wahrscheinlich nie wiedersehen würden. Es gab hier so viel zu tun! Dabei sehnte sich der zweite Prinz sehr nach seinen Gemächern daheim, denn sie blieben im gemäßigten Klima Kous, außer im Hochsommer, erträglich kühl. Nun gut, für das Wohl von Kou musste jeder sein persönliches Opfer bringen. Je nach Persönlichkeit fiel es kleiner oder größer aus.
 

„Koumei? Darf ich eure Dienerinnen herbeirufen?“, durchbrach auf einmal Chuu'un seine sehnsuchtsvollen Gedanken.

Der Prinz verneinte mit der Begründung, jetzt endlich arbeiten zu müssen.

„Aber euer Haar ist vollkommen zerzaust“, wandte der andere ein, „es muss dringendst entfilzt werden, sonst müsst ihr es bald abschneiden!“

„Dann kümmere du dich darum“, gähnte Koumei gleichgültig. Was interessierte ihn schon sein Aussehen, wenn es um die Zukunft von Kou ging?

„Ich weiß bedauerlicherweise nicht, wie man euch am besten kämmt und sich im Allgemeinen um seinen Herrn sorgt“, widersprach Chuu'un verzweifelt.

„Du solltest es eigentlich langsam wissen! Auch wenn du es nicht bei jemandem gelernt hast, sollte es dir durchaus möglich sein, ein paar Haare zu kämmen, mein Lieber“, tadelte Koumei ungehalten.

Der Vasall zierte sich manchmal unerträglich, dabei sollte er mittlerweile wirklich genügend Erfahrung mit seinen Zotteln haben, so oft wie der Prinz über Tage hinweg nur seinen vertrauenswürdigsten Untergebenen um sich haben wollte.
 

Schicksalsergeben schritt der braunhaarige Mann schließlich zu einem kleinen Wandschrank und kam mit Bürste und Kamm zurück. Während er umständlich den, von seinem Herrn grade mühsam erneuerten, Pferdeschwanz öffnete, vertiefte sich Koumei in Balbadds republikanische Strukturen. Wenn sich Chuu'un anstelle der Dienerinnen um ihn sorgte, konnte er deutlich besser arbeiten, weil der Mann viel vorsichtiger zu Werke ging und nicht ununterbrochen plapperte: Bevor sein Vasall mit dem Bürsten und Kämmen begann, löste er die gröbsten Knoten mit den Händen und während seine Massage im Schulterbereich mehr einem Knochenbrechen glich, war sie auf seiner Kopfhaut angenehm sanft und entspannend. Wäre er eine Katze, hätte er laut geschnurrt. Dabei hasste er die kratzbürstigen Viecher, weil sie seinen geliebten Tauben nachstellten. Allerdings fühlte er sich grade tatsächlich ziemlich wohl. Ja, Chuu‘un war ein vielseitiger, praktischer Geselle, der zwar selten redete und jedem seiner Befehle folgte, sie aber dennoch ab und an in Frage stellte, sodass Koumei hin und wieder nachdenklich wurde. Auch wenn seine Überlegungen meist von unschlagbarer Raffinesse beseelt waren, konnte es nie schaden, Entscheidungen zu überdenken. Der Prinz konzentrierte sich das erste Mal an diesem Tag vollends auf die Arbeit. Nur selten durch schmerzhaftes Ziepen abgelenkt, konnte er den zerknitterten Stapel in kurzer Zeit beträchtlich abarbeiten. Allerdings riefen die sanften Bürstenstriche auch die Müdigkeit wieder wach. Sollte er vielleicht eine Art Schwindelanfall vortäuschen, um vielleicht doch noch in sein geliebtes Bett zurückkehren zu können? Er könnte sich einfach gegen den Vasallen fallen lassen und ein mitleiderregendes Wimmern von sich geben. Manchmal sprang auch Chuu'un darauf an, nun gut, meistens seufzte der nervige Kerl nur verzweifelt oder er beschwerte sich über seine schlechte Arbeitsmoral…

Schließlich jedoch unterbrach der große Mann wieder seine angestrengten Gedankengänge: „Mein Herr, ihr solltet euch besser ein heißes Bad vorbereiten lassen.“

Der Rothaarige verdrehte hilflos die Augen. Was gab es denn nun schon wieder an seinem Äußeren zu bemängeln?

„Nun ja… Eure Robe wirkt, als hättet ihr sie tagelang nicht gewechselt mit all den Tintenflecken darauf, euer Haar ist etwas fettig und ihr riecht ein wenig unangenehm, verzeiht mir meine Ehrlichkeit.“
 

Stöhnend ließ sich Koumei gegen seinen Untergebenen sinken, der ein wenig überrascht reagierte. Zwar beabsichtigte er nicht mehr, irgendeine Schwäche vorzutäuschen, aber seinem Unmut musste er irgendwie Luft machen. Der andere hatte ja Recht, nach drei Tagen ohne Kleiderwechsel und Waschmöglichkeit roch er wohl nicht grade nach blumiger Seife.

Chuu'un räusperte sich unbehaglich. „Weswegen ich eigentlich hier bin: Euer kaiserlicher Bruder sucht und schickt nach euch, um gemeinsam das Frühstück einzunehmen“, enthüllte er den Grund für seine Bemühungen.

Das Frühstück? Was für ein überflüssiger Befehl. En will mich mal wieder ärgern… Ihm die Anweisung mitzuteilen, fiel Chuu'un ziemlich spät ein. Wenn Kouen ihn derart derangiert zu Gesicht bekam, würde es ein Donnerwetter geben. Nein, nicht vor den Bediensteten und anwesenden Würdenträgern, aber sicher danach, worauf er heute gut verzichten konnte.

„Dann bade mich, aber beeil dich“, befahl der Prinz verstimmt.

„Sollten das nicht lieber die Frauen übernehmen, mein Herr?“, kam der biedere Widerspruch.

„Sie sind zu langsam und außerdem würde ich meine Haut gerne behalten“, schnaubte der Befragte erzürnt, dass man ihm Widerworte gab und er nicht früher von dem Frühstück erfahren hatte, wobei sein ausgehungerter Magen sogleich zu knurren begann. Wenigstens war der Morgen noch jung, so würden sie nicht zu spät an der Tafel erscheinen.

Geschlagen verstummte Chuu'un und erhob sich, um das heiße Wasser für das Bad seines Herrn vorzubereiten, wobei Koumei diese Gelegenheit noch für einen winzigen Schlaf nutzte.
 

~
 

Schließlich wurde er von einem verzweifelten Chuu'un geweckt und in den Baderaum gezerrt. Sein Vasall hatte Helm und hinderliche Kleidungsstücke abgelegt und stand mit hochgekrempelten Ärmeln nur noch in den weißen Gewändern vor ihm, die man in Kou stets zu unterst trug, wobei er bereits sehr geschafft wirkte. Der Mann hatte großes Glück, dass er seinem Herrn körperlich überlegen war, andernfalls wäre er wohl bei der undankbaren Aufgabe, den Rothaarigen über die Gänge zu schleifen zusammengebrochen. Sobald sie sich dem dampfenden Waschzuber, welcher bis oben hin mit Wasser und Seifenschaum angefüllt war, näherten, leistete der Prinz noch mehr Widerstand. Er mochte Baden einfach nicht. Doch hatte man Chuu'un einmal einen Auftrag erteilt, entschloss dieser sich, ihn um jeden Preis auszuführen. Er war ein tüchtiger Diener. Also streifte er Koumei rasch die Gewänder ab und beförderte ihn kurzer Hand in die Wanne, was diesem überhaupt nicht gefiel. Prompt triefte Chuu’un vor Nässe. Dann befand sich plötzlich duftende Seife in Koumeis Haar und auf seiner Haut. Schweigend und mit höchstem Widerwillen gegen die nasse Prozedur, erschwerte er seinem plötzlich unliebsamen Vasallen das Ausführen des Befehls, indem er sich mehr als unbedingt nötig bewegte, wenn dieser versuchte, ihm den Staub vom Körper zu schrubben.

Irgendwann reichte es aber auch dem duldsamen Chuu'un und er seufzte: „Mein Herr, was ist nur heute mit euch los, ihr benehmt euch wie ein kleines Kind… und diese Sache mit dem Priester…“ Es war ihm anzuhören, dass ihm die Worte bereits beim Aussprechen Leid taten und so legte er rasch eine verständnisvolle Note in seine Stimme, die einem Ahnungslosen wohl kaum aufgefallen wäre, bevor er es von neuem versuchte: „Bedrückt euch irgendetwas? Hat der Magi euch vielleicht angegriffen?“
 

Koumei konnte ein bitteres Schnauben nicht unterdrücken. Irgendetwas lief momentan gehörig falsch mit ihm, wenn Chuu'un von sich aus beschloss, ihn mit Fragen zu löchern.

„Oh, wenn es das wäre, würde ich mich beinahe freuen.“

Und wie es sich für einen guten Berater gehörte, verstand Chuu'un sein Problem sofort. „Mh… das ist es also“, murmelte er wissend und trocknete seine schaumbenetzen Hände nachlässig ab, bevor er unbeholfen begann, die Seife aus Koumeis Haar zu spülen. „Wisst ihr… ihr solltet langsam versuchen, mit diesen Erinnerungen zu Recht zu kommen“, erlaubte er sich einen Ratschlag.

Der Prinz versteifte sich verärgert und schüttelte die Finger in seinem Haar ab, doch der Vasall gab ihm bereits zu verstehen, dass er nun sauber war. Als Koumei sich anschickte in einem regelrechten Wasserfall aus dem Zuber zusteigen, erwartete ihn bereits ein weiches Handtuch.

Mein Chuu'un ist geschickter, als jede Dienerin, dachte er mit widerwilliger Bewunderung, weil der Mann ihn in Rekordzeit gewaschen hatte. Dabei verbreitete er keine Spur von der Aufregung, die den wuselnden Frauen innewohnte und einen oft nervös machte. Einigermaßen zufrieden ließ er sich auf einen Hocker sinken und abtrocknen, als sein Begleiter mit einem Mal wieder besänftigend die Stimme erhob: „Nun, vielleicht ist es verständlich, dass ihr nicht davon los kommt und euch schuldig fühlt. Ihr wart sehr jung damals.“ Das war das einzige, was über seine Lippen kam, doch natürlich verstand sein Herr.

„Nicht jung genug, um es nicht zu verstehen und mein Verhalten nicht selbst zu verschulden“, antwortete Koumei achselzuckend.

„Ihr meint also, dass ihr keinen Beistand nötig habt? Und dennoch scheint euch die Vergangenheit so sehr zu beeinflussen, dass ihr euren Priester die ganze Nacht in euren Gemächern beherbergt, was auch immer dort geschehen ist?“, stichelte Chuu'un ungewöhnlich boshaft.
 

Koumei blinzelte ihn ungerührt an. Wie falsch Chuu'un mit seiner Vermutung lag. Er würde nicht mehr aus verbitterten Erinnerungen heraus nach Gesellschaft suchen. Nein, erst die angefangene Sache mit Judar hatte bewirkt, dass seine Gedanken mal wieder um Hakuren und die Vergangenheit gekreist waren, nicht anders herum, wie der Vasall gedacht hatte. Danach war es unvermeidlich, dass es ihm schlecht ging. Andererseits könnte sein Unterbewusstsein durchaus einiges zu seiner Übersturzhandlung beigetragen haben, wie Chuu'un vermutete. Aber wer wusste das schon, Menschen konnten einander nie vollends verstehen. Der rettende Schlaf hatte ihn grade so vor Dummheiten bewahrt, auch wenn der andere das nicht recht glaubte. Bist du etwa neidisch, mein Diener? Diese Worte lagen ihm fast auf der Zunge, in einem herrischen, überaus lauten Tonfall, wie bei Kouen, so sehr hatte ihn die allzu lange Anwesenheit Judars gereizt. Nun, sein Vasall verschlimmerte seine schlechte Laune noch mit untypischen Verhaltensweisen. Für gewöhnlich hielt er den Mund und hüllte sich in professionelles Schweigen. Eigentlich sprach er nur, wenn es etwas Dringliches gab, auf welches er seinen Prinzen hinweisen musste oder um ihm auf eine Frage zu antworten. Vielleicht handelte es sich beim Auslöser dieses frevelhaften Verhaltens tatsächlich um Neid, wer konnte das schon sagen? Koubun Ka zum Beispiel wurde immer ungehalten, wenn sich jemand seiner Herrin Kougyoku näherte und seine Vorschläge ihr besser gefielen, als die des machtgierigen Vasallen. Chuu'un musste folglich auch irgendein Problem haben. Dieses vertrauliche Gespräch, welches größtenteils von dem Berater ausging, war für ihn einfach überaus ungewöhnlich. Nicht, dass es etwas Derartiges nie gegeben hätte, damals hatten ihn die intimen Unterhaltungen wohl vor dem Wahnsinn bewahrt, aber früher hatte Chuu'un auch lieber geredet als heute, wo er längst das bei Hofe angemessene Verhalten gelernt hatte. Wie dem auch sei, Koumei strahlte mittlerweile nur so vor Sauberkeit und sobald der als Dienstmädchen missbrauchte Bogenschütze ein paar neue Gewänder aufgetrieben hätte, würden sie endlich das Frühstück mit seinen noch in Balbadd anwesenden Geschwistern hinter sich bringen.
 

Plötzlich erstarrte er. Sein Vasall war erstaunlich nahe an ihn heran getreten, sodass man den gold-gelben Schimmer seiner Augen durch die wilde Haarmähne erahnen konnte.

„Prinz Koumei, ihr könnt mir alles erzählen, was euch auf dem Herzen liegt“, sagte er überraschend weich, wie er früher als Kind geklungen hatte, wenn er Koumei manchmal getröstet hatte.

Das kam ziemlich überraschend. Ein wenig verwundert über den veränderten Tonfall musterte Koumei den anderen.

„Ich möchte lediglich, dass es euch besser geht.“

Schlagartig fühlte er sich beruhigt, begriff, dass Chuu'un nicht auf Ärger aus war, sondern lediglich seinen Herrn schützen wollte, wie immer, weil dies seinen einzigen wirklichen Lebensinhalt darstellte. Zögerlich legten sich zwei entblößte, feuchte Arme um Koumeis nackte Schultern. Der Bogenschütze wusste genau, dass man ihn hier wegen ein wenig Nähe nicht verurteilen würde. Dafür verband die beiden Männer zu viel gegenseitiges Vertrauen: Lebensrettende Hilfeleistungen in der Vergangenheit wurden nicht so leicht vergessen. Dabei hätten sich andere Herren aufgrund dieser unangemessenen Annäherung nun einfach abgewandt oder den Diener scharf zurechtgewiesen und ihm vielleicht sogar eine Strafe angedroht. Aber der zweite Prinz konnte nicht umhin, zu lächeln. Nur ein klein wenig, grade so viel, dass sein Gegenüber es erkannte. Die Anspannung und der Ärger verflüchtigten sich nach und nach. „Es ist nichts, was du nicht schon lange wüsstest“, beschwichtigte er ihn endlich und bemerkte, wie sein Diener aufatmete. Warum er ihm plötzlich glaubte, leuchtete ihm zwar nicht ein, aber die entspanntere Situation erleichterte ihn ebenfalls und so erwiderte er die vertraute Umarmung, die ihm einst wohl das Leben gerettet hatte.

„Ich wünschte nur, ihr würdet ein wenig mehr auf euch achtgeben“, meinte Chuu'un leise.

„Nun mach dir nicht immer so einen Kopf“, murmelte Koumei kaum hörbar, während er sich der angenehmen Nähe des anderen allzu bewusst war. Nicht gut.

Dieser protestierte seufzend: „Das ist leichter gesagt als getan. Ihr saht heute Morgen so schlecht aus, dass ich an diesen einen Tag zurück denken musste…“ Der Vasall verstummte schaudernd.

Koumei wusste genau, auf welches vergangene Ereignis er anspielte, obwohl sein Berater offensichtlich nicht wagte, mehr davon zurück ans Licht zu zerren. „Nun, wenn du mich damals retten konntest, wieso sollte es dir ein nächstes Mal nicht gelingen?“, erkundigte er sich unbekümmert.
 

„Ach, ihr seid anstrengend!“, rief der Braunhaarige lediglich aus und erntete ein erheitertes Schmunzeln, woraufhin er seinen Griff um den Rücken des Prinzen löste. Wenn Chuu'un seine demonstrative Gelassenheit aufgab, wurde er beinahe redselig. Dann fiel er auf einmal vor ihm auf die Knie und neigte ergeben Kopf. Waren in diesen Tagen alle Leute von Stimmungsschwankungen geplagt? Die wohltuende Nähe des anderen vermisste Koumei jetzt schon.

„Verzeiht, das unangemessene Verhalten von vorhin, mein Herr, es wird nicht wieder vorkommen.“

Na herrlich, sie hatten das ganze Gespräch umsonst geführt. Wobei, er sollte sich freuen, dass der Vasall sich wieder eingekriegt hatte. Offenbar brach nun wieder Chuu’uns wahre Natur hervor, die ihm die strengste Kaisertreue abrang.

„Wenn ihr etwas braucht, egal was, sagt es mir einfach, ich gebe es euch. Immer“, beteuerte er. Obwohl seine Miene dabei vollkommen unbewegt blieb, zweifelte der Prinz nicht im Geringsten an diesem Versprechen.

Koumei lächelte müde. Herrje, in den letzten zwei Tagen hatte er eindeutig zu viel gelächelt, das entsprach gar nicht seinem schläfrigen Wesen. Das einzige, was er wollte, waren Ruhe und Schlaf, etwas, das er kaum um diese Zeit und erst recht nicht von einem Untergebenen erbitten konnte. Also meinte er: „Deine Ergebenheit ehrt mich, aber es gibt momentan nichts für dich zu tun. Allerdings wird Kouen wütend sein, wenn wir ihn noch länger warten lassen.“

Chuu'un stimmte hastig zu und machte sich daran, ihn anzukleiden, bevor sie sich mit endlich auf den Weg zum Speisesaal begeben konnten.
 

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