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Mondtanzritual

Summoners return
von

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Magician's Left Hand

"Ein Gewitter zieht auf", Chikaraga sieht in den Himmel. Ein paar flauschige Wolken haben sich dazugesellt - nichts Ungewöhnliches für einen Herbstmorgen. Doch meine Freundin weiß es besser. Auch wenn sie eine Prophezeiungsmagierin in Ausbildung ist, liegt es bereits in ihrer Natur, unmittelbare Veränderungen wahrzunehmen. Sobald Chikaragas Fähigkeiten einsetzen, verändert sich ihr Blick. Aus der mädchenhaften jungen Frau mit den blauen Augen und der orange-roten wuscheligen Mähne, die ihr bis zu den Schultern geht, wird schlagartig die ernste Magierin. Ihre Kräfte sind von Beginn an dazu bestimmt, zu wachsen und zu einer Macht heran zu reifen, die ihr eines Tages die Position ihres Vaters zuteil werden lassen wird. Als Mitglied des Prophezeiungszirkels wird sie bald die Zukunft wahren und schützen. Das ist ihr Schicksal.
 

Derweil klammere ich mich an meine Tasche und sehe auf die Straße. Chikaragas Bus sollte in wenigen Minuten eintreffen.

"Was hast du heute vor?", frage ich sie. Chikaraga seufzt: "Lernen. Vater sagt, ich soll in die städtische Bibliothek gehen und mir Allgemeinwissen aneignen. Als ob mir das irgendwie weiterhilft." Sie tritt einen Stein beiseite, dass er direkt auf der Straße landet. Ich sehe dem runden grauen Gegenstand hinterher.

"Dein Vater wird sich sicherlich etwas dabei denken."

"Der will mich doch nur foltern. Meint, ich nehme meine Rolle nicht ernst genug." Sie zieht einen Schmollmund.
 

Einmal habe ich Chikaraga in die Akademie begleiten dürfen. Natürlich nicht bis in die Lehrhallen! Dies ist meinem Stand nicht würdig. Das heißt: ich bin es nicht würdig. Ich bin eine Magidoll. Von den niederen Ständen gehöre ich zu dem Prestigeträchtigsten. Mein Schicksal liegt darin, auf meinen Meisterhexer zu warten. Das sind Magier höchsten Ranges, welche die Macht besitzen, über die Elemente zu herrschen und die Zauber der Welt zu erlernen. Sie unterteilen sich in Hexer des Lichts und der Finsternis. Wobei keines der beiden Attribute preisgibt, auf wessen Seite sie stehen. Die Wahl haben sie selbst zu treffen. Um ihre Macht vollständig bündeln und entfalten zu können, gibt es Magidolls wie mich. Jede ist mit einer eigenen Fähigkeit geboren, die nur zu Tage tritt, wenn sie von ihrem Meisterhexer gefunden und aufgenommen wird. Es liegt in der Natur des Meisterhexers sich von seiner Magidoll angezogen zu fühlen, so wie die ihre darin liegt, sich allein auf Grund seiner Existenz lebendig zu fühlen.
 

Der Bus fährt in die Haltebucht. Er gibt ein eisiges Quietschen von sich, dass sich Chikaraga beide Ohren zuhält.

"Brauchst du noch etwas?" fragt sie mich und deutet dabei auf ihre Umhängetasche. Ich schüttle dankend den Kopf. "Mein Bus kommt auch gleich, und danach habe ich ja keinen großen Weg zu laufen. Behalt` ruhig deinen Schirm. Du wirst ihn selbst brauchen." Ich lächle sie an, dass Chikaraga zurück lächelt und mir zum Abschied winkt, als sie bereits im Bus sitzt und dieser sich in Bewegung setzt. Aus der Ferne dröhnt ein Donnerschlag. Was für ein Timing. In Sekundenschnelle hat sich der Himmel in Grau gehüllt, kühler Wind bläst mir durch die leichte Kapuzenjacke.
 

Seit Wochen hatte es nicht mehr geregnet und der Wettervorhersage glaube ich nach dem letzten Sommer auch nicht mehr. Diese hatte jede Woche aufs Neue eine Kaltfront beschworen. Aber nichts dergleichen war passiert. Nun steigen die ersten Tropfen vom Himmel. Einer fällt mir direkt auf das Haupt. Wenigstens ist mein Bus pünktlich und lässt mich ins Trockene, bevor der Platzregen einsetzt.

"Die Fahrkarte, Magidoll", raunt mich der Busfahrer an. Stumm hole ich meine Karte aus der Jackentasche und setze mich ebenso wortlos in die hinterste Reihe.
 

Magidolls haben alle etwas gemeinsam: Unsere türkisfarbenen großen Augen sind unverkennbar. Einige behaupten, sie haben etwas Leeres oder gar Seelenloses. Dass sie im Geheimen darüber sprechen, ist keine Neuigkeit. Dass sie es offen aussprechen, liegt daran, dass eine Magidoll ohne ihren Meister nichts Wert ist. Und solange sie keinem Meister zugehörig ist, kann man sie behandeln wie einem beliebt.
 

Die Hände auf den Schoß gelegt, beobachte ich die riesigen Regentropfen, die an die Fensterscheibe klatschen. Wie Trommelschläge hämmert der Klang in meine Ohren. Ich habe so meine Zweifel, ob ich die hundert Meter bis zum Cafè trocken überstehen werde.
 

Der Bus hält an der Kreuzung zum Unterhaltungsviertel. Ich steige aus und spüre wie der Regen durch meine Stiefeletten hindurch sickert. Meine Beine setzen sich in Bewegung, schnell renne ich auf die andere Straßenseite. Ich nehme die Seitentür des Little Maid und betrete den Personalbereich des Cafés.

"Kiku!", winkt mir Sakura zu, die soeben an Tisch zehn eine Bestellung aufgenommen hat. Die tollpatschige Blondine kommt mit einem Handtuch herbeigeeilt. Ein dickes Grinsen hängt an ihrem Mondgesicht.

"Du wirst nicht glauben, wer hier ist", aufgeregt hüpft sie umher. Vorsichtig rubbel ich mir die Haare trocken, bevor ich mir die Bluse meiner Uniform zuknöpfe.
 

Wie es der Name des Cafés offenbart, sind die Outfits der Mitarbeiter in kostümierter Mädchenbekleidung ganz und gar einer Maid nachempfunden. Unsere ballonartigen Röcke mit rosé-weißer Spitze bedecken geradeso unsere Oberschenkel und die rosa gestreiften Blusen sind eher auf den üppigen Vorbau einer Frau zugeschnitten. Mir ist es ehrlich gesagt egal, wie ich aussehe... oder was ich tue. Als ich den Job als Kellnerin angenommen habe, war ich kaum volljährig. Nachdem aus meinem Zuhause keines der Magidolls übrig geblieben war, da eine nach der anderen von ihrem Meister gefunden wurde, verließ ich das Heimatdorf und zog in die Hauptstadt, suchte mir eine kleine Wohnung und besorgte mir einen Job, wie es die Leute ohne besondere Fähigkeiten taten.
 

"Ein Meisterhexer sitzt in unserem Café. Kannst du dir vorstellen, wie der Chef aus dem Häuschen ist", piepst Sakura. Ich halte inne.

"Woher weißt du das", flüstere ich und zupfe mir den Rock zurecht. Sakura tritt näher an mich heran und flüsterte mir ins Ohr: "Ich kann sein Zeichen am Nacken sehen." Mit dem linken Zeigefinger deutet sie auf den äußersten Tisch. Erst jetzt fällt mir auf, dass das Little Maid bis auf den letzten Tisch ausgebucht ist. Dort am äußeren Tisch, von dem man eine gute Sicht auf den Biergarten und seine Kirschbäume hat, sitzt er. Ich kann sein Profil ausmachen: Dunkelbraunes Haar, dessen Pony leicht über die Augen geht. Leicht fransig fällt es ihm ins Gesicht. Seine Augen scheinen aus der Ferne dunkel (was auch an der schlechten Beleuchtung des Little Maid liegen könnte). Er sieht aus dem Fenster, die Hände stützen das Kinn, die Ellenbogen sind auf dem Tisch. Sein weißes Hemd hat er an den Armen hochgekrempelt, dass man seine dunklen Härchen sehen kann. Der oberste Knopf scheint nicht zugeknöpft, dass man freie Sicht auf seinen Nacken hat. Da ist es. Auf der rechten Seite ragt es aus dem Schulterblatt hervor: Ein lilafarbenes Zeichen in Magierschrift verfasst. Ich verstehe weder die Sprache, noch kann ich die Zeichen lesen, aber die tief eingeritzten Linien geben keinen Zweifel. Er ist ein Meisterhexer.
 

"Du hast Recht", bestätige ich das Unübersehbare. Sakura grinst mich an.

"Und?", sie zieht das Wort wie eine Endlosschleife, "könnte das dein Meisterhexer sein?" Perplex sehe ich sie an. Also darum diese Aufregung.

"Na das kann doch gut möglich sein", sie stemmt die Hände in die Hüften, "warum sollte jemand wie er in so ein Café kommen. Ganz ehrlich. Da gibt es doch weitaus Bessere. Und bisher hat sich noch keiner von denen bei uns verirrt." Natürlich hat sie nicht unrecht. Es ist mehr als sonderbar, dass eine derart angesehene Person dieses Café besucht. Ich muss auch zugeben, dass mein Puls in die Höhe geschossen ist; ein natürlicher Instinkt meinerseits. Ein weiteres Mal sehe ich zu dem jungen Hexenmeister, der sich seitdem nicht von der Stelle gerührt hat.
 

"Was macht ihr zwei da hinten?!", unser Chef kommt brüllend in den Personalbereich. Sein Melonenkopf nimmt eine glühende Farbe an. Wir verneigen uns entschuldigend und eilen an ihm vorbei. Ich nehme Stift und Papier zur Hand und bediene die Tische zwanzig bis vierzig.
 

An den Wochentagen teilen Sakura und ich die Tische untereinander auf. Wir sind die einzigen Kellnerinnen des Little Maids - außer an den Wochenenden und Feiertagen, an denen eine Oberschülerin als Hilfskraft ihr Taschengeld aufbessert. Der Chef steht in der Regel hinterm Tresen, schenkt die Getränke aus und kümmert sich ab und an um das Geschirr, wenn es ihm in den Kram passt.
 

Mir fällt auf, dass die Kunden ebenfalls aufgeregt in Richtung des Ehrengastes blicken. Unenentwegt huschen Augenpaare zu dem Meisterhexer, der von all dem nichts mitzubekommen scheint. Einige tuscheln. Die Mädchen kichern.

"Hey, Magidoll", ruft mich ein männlicher Gast. Er schnippt mit dem Finger, während der andere Arm um dessen Freundin gelegt ist. Sein Blick ist herablassend und selbstgefällig. "Der Tisch ist dreckig." Ich komme an den Tisch, kann aber nichts dergleichen erkennen.

"Verzeihen Sie, Sir, aber ich kann keine schmutzige Stelle finden."

"Dann musst du blind sein", entgegnet er und kippt das halbleere Colaglas vor sich um. Die Zuckerflüssigkeit verteilt sich auf den gesamten Tisch und tropft den Rand hinunter. Ich zücke ein trockenes Wischtuch aus der Tasche meiner Schürze und sauge zunächst die Cola aus dem Tisch heraus. Es ist schließlich nicht so, als ob so etwas das erste Mal passiert. Als ich mich hinknie und den Boden reinige, kann ich einen Blick auf den Meisterhexer erhaschen. Er nippt an seinen Kaffee und starrt weiterhin aus dem Fenster. Aus dieser Position sehe ich ihn noch besser und auf einmal kommt es mir so vor, als hätte ich ihn schon einmal gesehen.
 

"Seid ihr immer so langsam?", blafft mich der Gast an, während sich seine Freundin noch enger an ihn schmiegt.

"Es ist gleich erledigt, Sir." Ich sammle die Tücher ein und erhebe mich. Mit einer tiefen Verbeugung entferne ich mich von Tisch einundzwanzig und werfe die Tücher in den Müll. Beim Vorbeilaufen streicht mir Sakura über den Innenarm. Mit einer weiteren Handbewegung deutet sie darauf hin, in der nächsten freien Minute mit mir sprechen zu wollen. Aber so bald scheint das nicht der Fall zu sein.
 

Das Stimmengewirr der Leute wird immer undeutlicher. Für kurze Zeit fühle ich mich wie in einer Bahnhofshalle, nur der Zettel in der einen und der Stift in der anderen Hand erinnern mich daran, dass ich meine Arbeit zu erledigen habe. Noch nie musste ich derart zügig den Bestellungen nachgehen. Zwischendrin werde ich immer wieder gefragt, ob der Mann am Fensterplatz hier öfter vorbeischaut. Mein Drang zur Ehrlichkeit beschert mir ein paar unbefriedigte und enttäuschte Gesichter.
 

"Irgendwie scheint der Kerl versteinert zu sein", schmollt Sakura, als wir beide vor der Kaffeemaschine stehen und den aufdampfenden Milchschaum dabei beobachten, wie er in das hohe Glas fließt.

"Ich dachte wirklich, er sein wegen dir hergekommen."

"Ich weiß, dass er nicht mein Meister sein kann", ich nehme den Latte Macchiato aus der Maschine und stelle einen neuen Pott hinein, "als ich ihn richtig sehen konnte, hatte ich das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben."

"Und?"

"Das war vor ein paar Monaten. Nicht weit von meinem Zuhause. Er stand an der Ampel. Nichts Besonderes."

"Und dann?", Sakura füllt neue Kaffeebohnen in den Behälter - völlig unnötig.

"Ich stellte mich neben ihn und wartete, dass es grün wird. Die Ampel schaltete um, er ging."

"Das war's?!", ruft die Blondine, dass ich ihr den Mund zuhalte. Einige sehen in unsere Richtung. Der Chef funkelt uns finster an. Ich nehme zügig die beiden Bestellungen zur Hand und eile an den Tisch, der direkt hinter dem des Meisterhexers ist. Ich sehe, wie sich sein Gesicht in der Scheibe spiegelt, dass ich mir für einen Moment einbilden kann, seine Augen sehen mich an. Nicht seufzen, ermahne ich mich und stelle die Gläser vor die Kunden. Mein Gesicht fühlt sich heiß an; ich möchte mich jetzt nicht im Spiegel betrachten. In dem Moment steckt er die rechte Hand in die Jeanstasche und kramt einen Schein heraus. Er legt ihn auf den Tisch - neben seine Kaffeetasse - und erhebt sich. Wortlos verlässt er das Little Maid und ich fühle mich an den Tag zurückversetzt, als er einfach über die Straße an mir vorbeigelaufen ist und meinen letzten Funken Hoffnung mit sich gezogen hat.

Magician of Dark Illusions

Sie hieß Kiku. Zumindest stand dies auf dem Namensschild, das an der Bluse ihrer Uniform geklebt hatte. Er wusste nicht, welche Tatsache erniedrigender war: dass ihr Namensschild mit Paketklebeband angebracht worden war oder doch der billig aufdringliche Dresscode. Auch wenn die Kleidung einer Maid kaum einen Unterschied zu den Outfits der meisten Magidolls aufwies, denen er bereits in seinem kurzen Magierleben begegnet war, so hatte er eine starke Abneigung gegen Anbiederungen dieser Art. Dass Kiku immer wieder ihren Rock zurecht schob, deutete nur auf das Unwohlsein auf ihren eigenen Zustand hin.

Aus der Spiegelung der Fensterscheiben konnte er ihre Gesichtszüge ausmachen, die konzentriert eine Bestellung nach der nächsten aufnahmen. Die türkisfarbenen Augen waren nichts Besonderes, nur die leichten Schatten, die darauf fielen, zeigten die Anstrengungen, die sie jeden Tag aufs Neue in dieser Bude erlebte. Ihre Wangen begannen zu glühen und für einen kurzen Moment schien es, als erwiderte sie seinen Blick. Der Gedanke ließ ihn augenblicklich hochfahren. Er holte einen Schein aus der Tasche und verließ das Café.
 

Die Kälte des Gewitters, sowie die Nässe, die von oben herab niederprasselte, durchdrang ihn vollkommen. Iryu fuhr sich durchs Haar, dass ihm Regentropfen übers Gesicht rannen. Noch bevor er die Kneipe am Rande der Hauptstadt Endoku erreicht hatte, war das Gewitter vorüber und Iryu selbst war von Kopf bis zu den Sohlen triefend nass. Er schüttelte sich im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser von den Kleidern.

Allmählich kamen die ersten Sonnenstrahlen aus der finsteren Wolkendecke. Er öffnete die hölzerne Tür, die schon so manche Schlägerei miterlebt hatte - die Dellen und Brandmerkmale hatten tiefe Einkerbungen hinterlassen und Iryu fragte sich, wieso sein Freund diese Spielunke bevorzugte. Der Geruch von Zigarettenrauch und Kartoffelsuppe stieg ihm in die Nase.

"Du kommst spät", murrte der Mann an der Theke, der sich auf einen der ledernen Barhocker niedergelassen hatte. Der Meisterhexer setzte sich wortlos neben ihn. Kiria, die Kellnerin, lächelte ihn an und beugte sich zu dem Dunkelhaarigen herüber, dass ihn der Duft von frischem Jasmin entgegen kam.

"Was kann ich dir bringen?", fragte sie ihn und kannte bereits die Antwort.

"Wasser. Still."

"Wird sofort erledigt", sie drehte sich um, dass ihr goldenes Haar ihn nur knapp verfehlte, und zückte eine Flasche trüben Wassers heraus (es war kein Geheimnis, dass man nicht hierher kam um seine Kehle mit frischem klarem Wasser zu benetzen) Während sie die durchsichtige Flüssigkeit in das polierte Glas einschenkte, steckte sich sein Gegenüber eine Zigarette zwischen die Lippen.

"Du warst bei ihr. Stimmt's?", dabei lächelte er in sich hinein, als er sein Feuerzeug aus dem Mantel zückte und die Flamme entzündete. Ein Lufthauch wehte durch die Kneipe, dass die Flamme zu Rauch aufstieg.

"Du solltest überlegen, mit dem Rauchen aufzuhören... Kyoshi", dabei betrachtete Iryu das Wasser, das ihn durch die Spiegelung des Glases die Welt wie durch eine zerbrochene Lesebrille sehen ließ. Der erfahrene dunkle Magier lachte auf, dass die Flamme zu neuem Leben erwachte und er genüsslich den ersten Zug des Tabaks in seine Lunge aufnahm. Derweil nahm Kiria das leere Bierglas in die Hand und füllte es heute bereits zum dritten Mal.

"Bei wem war er?", säuselte die Blondhaarige. Sie beugte sich zu dem erfahrenen dunklen Magier und stützte sich mit dem linken Arm ab, dass der Meisterhexer einen Blick auf ihr Armband werfen konnte auf dem das Siegel der Verbannung abgebildet war. Iryu wusste nichts über die Vergangenheit der Kellnerin. Das Siegel verriet lediglich, dass sie eine Magierin war, die einst einen Fehler beging und als Strafe nie wieder fähig sein würde, ihre Kräfte einzusetzen.
 

Der erfahrene dunkle Magier träufelte die Asche in den Becher, den Kiria mitsamt Bierglas neben ihn gestellt hatte: "Bei seiner Magidoll." Kiria hob eine Augenbraue: "Stimmt. Ich vergesse manchmal, dass du ein Meisterhexer bist", sie wandte sich entschuldigend an den Dunkelhaarigen, der die Konversation schlichtweg ignorierte.
 

Iryus Art erinnerte auf den ersten Blick nicht an die großen und mächtigen Fähigkeiten, die in ihm innewohnen mussten. Der Titel des Meisterhexers wurde nur demjenigen zuteil, der nicht nur die Kräfte seiner Elemente perfekt beherrschte. Als Meister der Lehre und des Wissens übertraf er die Fähigkeiten eines mächtigen Hexers durch die Schaffung einer eigenen perfekt choreographierten Technik. Hinter der ignoranten Fassade verbarg sich der Magier der finsteren Illusionen, der seinen Namen seiner Technik zu verdanken hatte. Seine Macht war einzigartig - wie die eines jeden Meisterhexers.
 

Kiria sah wieder zu Kyoshi herüber, als keine Antwort seitens Iryu kam: "Dabei fällt mir auf, dass ich sie noch nie zu Gesicht bekommen habe. Laufen sie ihrem Meister denn nicht immer hinterher?"

"Nun", schnalzte Kyoshi, "die Kleine weiß noch nichts von ihrem Glück." Kiria verschränkte die Arme vor der Brust: "Sie weiß nicht, dass er ihr Meister ist?"

"Das soll auch so bleiben", meldete sich plötzlich der Meisterhexer persönlich zu Wort, dass beide ihre Köpfe zu ihm drehten.

"Pah", Kyoshi nahm einen kräftigen Schluck der goldschaumigen Flüssigkeit, "das sagt der Dummkopf schon seit Jahren", er tippte Iryu an der Schulter an, "und trotzdem konntest du es nicht lassen ihr zu folgen."

"Ich dachte, es sei Bestimmung, dass Meisterhexer und Magidoll zueinander finden", erwiderte Kiria und funkelte Angesprochenen herausfordernd an. Dieser schwenkte sein Glas: "Ich lasse mich von niemandem kontrollieren. Schon gar nicht vom Schicksal. Wie kann ich mich an jemanden binden, der nur auf Grund seiner Bestimmung dazu verpflichtet ist."

"Er wird es wohl nie kapieren", Kyoshi schüttelte den Kopf und pustete den Rauch aus seiner Lunge, "der Junge leugnet nicht nur sein Schicksal. Er lässt auch noch seine Magidoll in ihrem jetzigen Zustand verwahrlosen."

"Woher willst du wissen, dass der aufgezwungene Weg der bessere ist?" Der Dunkelhaarige berührte das Glas, dass das Wasser in ihm vibrierte. Sein Sitznachbar schüttelte lächelnd mit dem Kopf: "Die Frage kannst du am besten beantworten."

"Dann scheint sie ja nicht sehr betörend zu sein, wenn du sie nicht haben willst", kam es von Kiria, welche sich die Reaktion des Meisterhexers nicht erklären konnte. Sie wusste um die Bedeutung dieser magischen Bindung, umso verwirrender kamen ihr die Worte des Meisterhexers vor. Auch wenn Iryu mit zweiundneunzig Jahren noch ein sehr junger Magier war - beinahe noch ein Sprössling - konnte sich die Blondine keinen Reim auf seine Worte machen, die ihm geradezu gleichgültig über die Lippen kamen.
 

Kyoshi drückte den Zigarettenstummel aus und erstickte den letzten Rauchschwaden in der Luft: "Ich hab sie gesehen. Vor ein paar Wochen", dabei schüttelte der erfahren dunkle Magier den Kopf als könnte er seine Geschichte selbst kaum glauben: "Hättest die Kleine sehen müssen. Hat ihn regelrecht mit ihren Augen verschlungen. Aber der Schwachkopf hier hat sich nicht einmal zu ihr umgedreht und sie lieber im Glauben gelassen, dass sie sich geirrt hätte."

"Hast du vergessen" setzte Iryu mit stoischer Stimme an, "dass Magidolls ihre Meisterhexer nicht erkennen... außer er ruft ihre Kräfte an?"

"Sie hat gewusst, dass du ein Hexenmeister bist. Und es hätte dir von Anfang an klar sein sollen. Aber mit wem rede ich da schon. Ist doch eh zwecklos."

"Und wie hat sie nun ausgesehen?", Kiria verstand wenig von den Streitereien der beiden, schon gar nicht dass der Grund eine Magidoll war. Zunächst grinste Kyoshi, dass seine schwarzen Augen einen Schatten bildeten: "Süß. Eine richtige Magidoll eben. Blonde Haare, wie Honig. Ein bisschen mädchenhaften die Frisur, aber sonst ein ziemlich weibliches Püppchen-"

"Du musst ja sehr genau hingesehen haben", kam es von Iryu, dass er für einen kurzen Moment den herablassenden Blick des Kunden vor Augen hatte, als dieser ihr beim Aufwischen zugesehen hatte. Kurz erwischte sich der Meisterhexer dabei, wie er die Hand zur Faust ballte, nur um im nächsten Augenblick die Stimme Kyoshis wahrzunehmen: "Bei hübschen Frauen kann ich einfach nicht anders", grinste der Ältere und entblößte seine Zähne. Iryu sah starr geradeaus: "Ich hoffe, du hast noch Wichtigeres zu sagen." Er trank sein Glas leer.

"Keine Angst", entgegnete Kyoshi, "ich wollte mich mit dir treffen, weil ich ein paar interessante Informationen für dich habe."

"Ich hoffe, das Warten hat sich gelohnt." Endlich hörte Iryu zu. Der Blick des erfahrenen dunklen Magiers nahm die Ernsthafitgkeit an, die seinem Titel ebenbürtig war. Das Schwarz seiner Augen verdunkelte sich in absolute Finsternis.

"Es besteht jetzt kein Zweifel. Sie ist hier." Iryu riss die Augen auf und beugte sich tiefer zu seinem älteren Freund herüber: "Bist du dir diesmal sicher?" Angesprochener nickte.

"Mein Informant irrt sich nicht. Er hat ihre Aura ausfindig gemacht", er blickte zu Kiria herüber, die sich stumm zurückgezogen hatte und die leeren Tische putzte, "es war dieselbe wie in Shinju und Niija." Die beiden großen Metropole, neben Endoku, waren wichtige Knotenpunkte der Energiekanalisation. Vor wenigen Monaten wurden sie angegriffen, dass größere Stadtgebiete gesprengt worden oder lichterloh in Flammen aufgegangen waren. Auch Iryus Augen verdunkelten sich: "Egal was sie vorhat, ich werde sie in Stücke reißen." Er ballte die Hand, dass das Weiß seiner Knöchel hervorstach.

"Du meinst", korrigierte Kyoshi, "nachdem du ihre Quelle gefunden hast."

"Keine Sorge", raunte der Meisterhexer, "ich habe meine Gefühle unter Kontrolle. Ich weiß genau, was ich zu tun habe."

"Wollen wir es hoffen. Also", Kyoshi stützte sich an der Theke ab, "was hast du jetzt vor? Meinst du, sie wird sich einfach so zeigen?"

"Ich werde abwarten", Iryu erhob sich, "wenn ihre Aura so stark ist, dass man sie spüren kann, wird das zu ihrem Plan gehören. Früher oder später wird sie sich zeigen. Wie ich sie kenne, wird es am hellichten Tag passieren", er lächelte, dass es seine Augen nicht erreichte, "schließlich ist sie ein Schattenzauber."

Veil of Darkness

Aus der nächstgelegenen Straßenkreuzung kommt Sakura herbeigeeilt. Die Blondhaarige trägt einen schwarzen Oversize-Pullover mit großen roten Punkten darauf. Darunter lugt ein kurzer Faltenrock in derselben Farbe hervor. Mit ihren Sneakers ist sie schnell unterwegs. Sie sieht Chikaraga und mich und grinst über beide Ohren. Dann winkt sie uns zu, bevor sie direkt vor uns stehen bleibt und pustet. Neben mir verleiert Chikaraga die Augen. Ich bin mir nicht sicher, ob meine rothaarige Freundin meine quirlige Kollegin leiden kann oder von ihrem Auftreten einfach nur genervt ist. Beides scheint mir logisch.
 

"Entschuldigt die Verspätung", klatscht die Blondine in die Hände und verbeugt sich. Chikaraga stemmt die Hände in die Hüften: "Wir haben eine viertel Stunde auf dich warten müssen."

"Tut mir leid, aber ich hatte verschlafen…"

"Es ist drei Uhr Nachmittag!", kreischt die Prophezeiungsmagierin, dass sich ihre Haare aufladen und in sämtliche Himmelsrichtungen aufgehen.

"Aber ich musste mich noch duschen", entgegnet Sakura und tippt sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe, "und dann musste ich noch ausgiebig frühstücken…"

"Schon gut, schon gut", Chikaraga knirscht mit den Zähnen, "lasst uns einfach losgehen. Ich brauche dringend etwas Ablenkung."
 

Es ist das erste Wochenende seit Wochen, an dem Chikaraga mit uns ausgeht. Die letzte Zeit hatte sie jeden einzelnen Tag in der Stadtbibliothek zubringen müssen. Wenn ich die Rothaarige an der Bushaltestelle traf, waren ihre Augen müde, die Schultern hingen schlaff herunter. Sie wollte nur noch, dass ihr Vater sagt, dass es nun genug sei.
 

Sakura klatscht in die Hände und zeigt auf einen bunt ausgeleuchteten Store auf der anderen Straßenseite: "Ich verspreche euch", beteuert sie, "ihr werdet diesen Laden lieben. Die Klamotten sind der Wahnsinn, total ausgefallen. Und im dritten Stock haben die sogar ein Café mit himmlischen Törtchen", Sakura schaut in den Himmel und verknotet die Finger ineinander. Dann packt sie Chikaraga und mich am Arm und zieht uns in den besagten Laden.
 

Sakura hat nicht zu viel versprochen: die Mode ist schrill und auffallend. Bunte Lichter fallen auf die einzelnen Kleidungsstücke ein und geben die Illusion vor, magisch einzigartig zu sein. Von den Decken funkelt es in Diamant großen silbernen Farben, die Wände bestehen aus ineinander fließende Spiegel, dass sie den Eindruck eines Spiegelkabinetts erwecken. Ich ziehe ein paar Kleiderbügel von links nach rechts, Chikaraga steht neben mir und verschränkt die Arme: "Was ist eigentlich los?" Ich sehe sie an. "Was meinst du?"

"Du bist in letzter ziemlich still...ich meine, noch stiller als sonst."

"Ich weiß nicht", ich starre auf ein pastellfarbenes Kleid mit einer rosafarbenen Schleife um die Taille gebunden. Die zarte Berührung Chikaragas lässt mich aufblicken: "Ich spüre Hoffnungslosigkeit", dabei klingt meine Freundin als bekäme sie durch meine Gegenwart eine Vision. Ihre starke Empathie ist das Geschenk ihrer Fähigkeit.

"Weniger Hoffnungslosigkeit", meine Stimme klingt rauer als geplant, "ich versuche mir lediglich die nächsten Jahrzehnte vorzustellen." Mit den Fingerspitzen berühre ich den glänzenden Stoff. Es ist das komplette Gegenteil von dem, was ich trage. Durch meine Stellung als Magidoll ziehe ich genug Aufmerksamkeit auf mich, dass es für den Rest meines Lebens ausreichen wird.

"Es fällt mir schwer, denn ich weiß nicht recht, was ich tun soll. Allmählich habe ich das Gefühl, dass Warten keinen Sinn hat." Chikaraga schüttelt energisch den Kopf, aber ihr Gesicht wirkt traurig: "Das ist Unsinn. Er wird dich finden."

"Vielleicht hat er das ja schon", spreche ich zum ersten Mal meinen Gedanken aus, der mir seit Jahren durch den Kopf geht.

"Es gibt so viele Möglichkeiten, was passiert sein kann." Chikaraga nimmt meine Hand, "vielleicht hat er noch eine Mission zu erfüllen oder er ist in Gefahr..." Ich bin erschrocken. Meine rothaarige Freundin beißt sich auf die Lippen: "Entschuldige, so meinte ich das nicht."

"Nein, nein." Meine Augen wandern hin und her, "womöglich hast du Recht. Daran habe ich auch schon denken müssen, aber dann..." Ich traue mich nicht den Rest auszusprechen.

"Kiku, das ist", beginnt die Rothaarige und endet mitten im Satz, als Sakura sich neben uns stellt. Sie trägt drei blaue kugelförmige Törtchen in den Händen. Aus ihrem Mundwinkel lugt orangefarbene Sahne hervor.

"Hab' isch wasch verpascht?", schmatzt sie und schaut erst zu mir, dann zu Chikaraga herüber. Diese schnappt sich eines der Törtchen und nimmt einen großen Bissen. Ihre Augen sind geschlossen, während sie den Krokant zerbeißt. Sakura hält mir ebenfalls ein Stück hin, aber ich winke dankend ab.
 

"Normalsterbliche", beginnt Chikaraga, die Sakura seit ihrer ersten Begegnung nicht anders bezeichnet, obwohl sie ihren richtigen Namen kennt "du hattest Recht. Die sind himmlisch. Lassen mich fast vergessen, dass mein Vater mich umbringen würde, wenn er erfährt, dass ich diesen tödlichen Zucker zu mir nehme." Dabei nimmt die auszubildende Prophezeiungsmagierin das letzte Stück des Törtchens in den Mund.

"Hat er dich etwa auf Diät gesetzt?", mampft Sakura weiter, während wir allmählich in Richtung Ausgang laufen. Dabei wandert ihr Blick auf die Rothaarige: Chikaraga ist schlank. Und sportlich. Man sieht ihr das regelmäßige Training aus Kampfmagierkunst und physischen Übungen im Sinne des Martial Arts an. Auch wenn Chikaraga wohl Zeit ihres Lebens kaum darauf zurückgreifen muss, ist es doch hilfreich, eine weiteres Ass im Ärmel zu besitzen. Es kursiert das Gerücht, dass die Magier, welche sich der dunklen Seite verschworen haben, Treffen abhalten. Niemand weiß, worum es geht, aber jeder kennt die Gefahr, wenn finstere Hexenmeister sich zusammentun.
 

"Quatsch", Chikaraga schließt ihren dunkelgrünen Mantel, "aber Vater sagt, dass zu viel Zucker den Geist trübt und den Blick in die Zukunft schwächt."

"Bin ich froh, keine Magierin zu sein", damit stopft sich die Blondine den Rest in den Mund und grinst zufrieden, dass sogar Chikaraga schmunzeln muss: "manchmal seid ihr tatsächlich zu beneiden", dabei hakt sie sich bei mir unter und zu dritt schlendern wir die Hauptstraße der Innenstadt entlang.
 

"Was war das?", Chikaraga hält inne. Ihr Blick verfinstert sich.

"Was meinst du?", Sakura sieht die Rothaarige blinzelnd an. Doch dann höre ich es auch: ein Donnerschlag dröhnt aus der Nähe. Aber der Himmel ist hell und klar. Ein weiteres Mal scheppert es.

"Was zum Teufel ist das?", Sakura sieht sich von allen Seiten um. Chikaraga hingegen zeigt auf die Dächer am anderen Ende der Hauptstraße.

"Etwas kommt näher. Ich spüre Dunkelheit." Wie auf ein Zeichen bilden sich dunkle Flecken auf den Dächern. Der nächste Donner ist viel mehr ein Dröhnen. Es klingt fast wie ein hohler Schrei. Ich sehe, wie die Flecken wachsen, sich gleichmäßig in schwingenden Bewegen ausweiten.

"Weg da!", höre ich eine Männerstimme rufen, die unmöglich uns gewidmet sein kann. Aus den Gebäuden vor uns rennen die Menschen panisch heraus. Sie sehen hinauf zu den Dächern, ich tue es ihnen gleich und beobachte wie die schwarzen Flecken zu brennen beginnen, explosionsartig in Flammen aufgehen. Etwas Lebendiges springt aus dem letzten unverwandelten Fleck heraus. Eine weibliche Gestalt. Ihr blaues Haar glitzert aus dem dunklen Schleier, der sich allmählich auflöst. Sie beginnt zu rennen. Ihr Haar flattert im Gleichtakt mit den schwarzen Flammen, die sie hinter sich herzieht. Beinahe tranceartig folge ich den grazilen Bewegungen der Frau, die von einem Dach aufs nächste springt. Dann ziehe ich die Luft ein: Ein dunkelhaariger Mann im schwarzen Mantel stürmt ihr hinterher. Rennt direkt in die Flammen hinein. Statt ihn zu verschlingen, nimmt er das Feuer in sich auf, dass auf den Dächern nur noch Rauchschwaden übrig bleiben.

Der Mann ist trotz seiner Schnelligkeit um einiges seinem Ziel entfernt, das allem Anschein nach diese Frau sein muss. Wärme empfängt meine Augen, ich bin wie erstarrt.
 

"Kiku! Deine Augen. Sie leuchten", höre ich Sakura sagen. Weiter breitet sich die Wärme aus, durchflutet mein Augenlid, die Pupille, meine Iris und geht sogar bis in meine Wimpernspitzen über.

"Er ruft mich", höre ich mich sagen. Dieses Gefühl in mir wird stärker. Gewissheit.

"Hey, warte", schallt die Stimme Chikaragas in mein Ohr, doch ich habe mich bereits in Bewegung gesetzt.

"Ich kann nicht anders", entgegne ich keuchend und fange an zu rennen.
 

Ich weiß nicht wie, aber meine Beine haben mich bis aufs Dach getragen. Keinen Ahnung wie ich hierher gekommen bin, doch das ist mir auch völlig gleich. Das Gefühl, meinen Hexenmeister in der Nähe zu wissen, ist unbeschreiblich. Ich spüre, dass ich handeln muss. Unwissend was ich tun soll, nur mit der Erkenntnis in mir, dass ich hier sein muss. Genau an diesem Ort.

Es ist richtig.

Es ist gut.
 

Ich sehe mich nach allen Seiten um und am vorderen Rand des Daches sehe ich etwas aufleuchten. Blaue Haare funkeln, die Gestalt dreht sich zu mir um. Ich sehe tiefenblaue Augen. Ich kann nicht aufhören, hinzusehen, so wunderschön sind sie. Die Frau lächelt mir zu, dann wendet sie sich ab und springt. Ich setze meine Füße in Bewegung. Etwas baut sich vor mir auf.

Ein magisches Wesen.
 

Es gibt Zauber, die fremdartige Wesen schaffen können. Dieses hat das Aussehen eines unvollständigen Frauenkörpers - Mund, Augen und Nase fehlen vollständig. Die Haut wirkt wie weißer Gummi. Es streckt seine Arme aus und packt mich an der Kehle. Meine Füße schleifen auf den Boden, mit den Händen will ich dem Griff entfliehen. Nein. Das Wesen schnürt mir sämtliche Luft zu, ich weiß, dass es sinnlos ist, sich dagegen zu wehren. Vielleicht sollte ich loslassen, dann ist es schnell vorüber. Der Druck auf meinem Hals wird stärker. Wie gern möchte ich meine Augen schließen -mit einem letzten Gedanken an meinen Meisterhexer.
 

Ein schwarzer Fleck taucht über der Gestalt auf. Nein, es ist ein Mensch - der Mann im schwarzen Mantel. Der Meisterhexer aus dem Café. Er scheint aus dem Himmel gesprungen zu sein. Noch bevor er auf dem Dach landet, bildet sich in seiner Hand ein langes schmales Schwert, das den Gummimenschen mit einem Hieb durchbohrt. Das Wesen kreischt. Der Druck am Hals wird weniger, die Hände lösen sich gänzlich von mir. Die Gestalt sackt zusammen, zerfällt zu einer einzigen klebrigen Masse. Ich huste und falle auf die Knie. Mein Bedürfnis die Hände an den Hals zu legen ist sehr stark. Ich möchte mich übergeben, reiße mich aber zusammen. Stattdessen sehe ich nach oben. Der Meisterhexer sieht zu mir herunter. Seinen Blick kann ich nicht deuten. Er wirkt verärgert. Oder erleichtert? Im nächsten Moment dreht er seinen Kopf zur Seite - zum Rande des Daches, von dem die Frau gesprungen war - und rennt los.



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