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Now You See Me

Thor & Loki
von

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Loki zog sich an.

Nach all den Monaten in seinem Frostriesenkörper fühlte sich der Baumwollstoff seiner Kleidung ungewohnt leicht und luftig auf seiner Haut an, nicht so wie das schwere Material des Anzugs, den er stets hatte tragen müssen, um nicht vor Hitze zu vergehen.

Mit jedem neuen Kleidungsstück, das er anlegte, ließ das Gefühl der Fremdheit ein kleines bisschen mehr nach, und als er schließlich den letzten Knopf geschlossen und den Stoff seines Jacketts glattgestrichen hatte, war er wieder Loki Odinson, Prinz von Asgard, Gott der List und des Chaos.

Loki schloss für einen Moment die Augen und atmete tief durch.

Als er sie wieder öffnete, richtete er seine Aufmerksamkeit nach innen und rief den Frost.

Sofort nahm seine Hand eine graublaue Färbung an und überzog sich einmal mehr mit den ihm mittlerweile so vertrauten, verschlungenen Linien seines Volkes. Loki hatte in den letzten Monaten oft gerätselt, was die Linien zu bedeuten hatte – ob sie bei jedem Frostriesen individuell waren oder ob sie die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm symbolisierten. Doch es war niemand mehr da, den er hätte fragen können, und so würde auch dieser Teil seines Wesens ewig ein Rätsel für ihn bleiben.

Er schloss erneut die Augen und zwang den Frost zurück, und wenig später hatten seine Finger wieder ihre ursprüngliche Farbe angenommen.

Dann ballte er seine Hand zur Faust und konzentrierte sich auf die Magie in seinem Inneren. Lange musste er dieses Mal nicht danach suchen. Wo vorher eine große Leere gewesen war, war nun ein endloser Ozean, und als er seine Faust langsam wieder öffnete, tanzte eine Flamme über seinem Handteller.

Loki lächelte, während er den kleinen Feuerball zwischen seinen gespreizten Fingern hindurchtanzen ließ und ihn von einer Hand zur anderen und wieder zurück warf.

Er hatte sich lange nicht mehr so lebendig, so energiegeladen gefühlt.

Plötzlich war es ihm absolut unerklärlich, wie er es so lange ohne seine Magie hatte aushalten können. Sie war ein ebenso elementarer Teil seiner selbst, wie sein Herzschlag oder seine Liebe zu Thor.

Wie der Frost, dachte er für einen Moment, bevor er den Gedanken schnell wieder von sich schob.

Nein. Er sollte es nicht einmal in Betracht ziehen, diesen Teil seines Wesens als selbstverständlich zu akzeptieren.

„Ich bin kein Monster“, sagte er leise. „Ich bin kein Monster...!“

Loki sah den Feuerball in seiner Hand für einen Moment schweigend an.

Dann warf er die Flamme in die Luft – und blies sie aus.

 

„Sieh an!“, kommentierte Stark, als Loki in den Gemeinschaftsraum trat. „Der Held der Woche ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht.“

Loki machte im Vorbeigehen eine rüde Geste in seine Richtung, die den anderen Mann jedoch nur unbeeindruckt mit den Schultern zucken ließ. „Und er ist ganz der Alte, wie es aussieht.“

„Du hast dich zurückverwandelt“, stellte Rogers fest, der neben Stark auf der Couch saß. Um sie herum lagen zahlreiche Hefter mit Dokumente, die sie offenbar gemeinsam durchgegangen waren. „Ist alles in Ordnung?“

Loki, der ihn mittlerweile gut genug kannte, um zu wissen, dass es keine rhetorische Frage war, sondern dass der andere Mann tatsächlich an seinem Wohlergehen interessiert war, verdrehte nur die Augen.

„Es geht mir gut“, entgegnete er knapp, bevor er zur Küchenzeile hinüberging, um den Kühlschrank zu öffnen und darin herumzukramen.

Nach seiner speziellen Frostriesendiät in den letzten Monaten hatte er auf einmal einen enormen Appetit auf alles, was süß war, und Stark starrte ihn halb misstrauisch, halb entsetzt an, als Loki das Essen auf einem großen Teller übereinanderstapelte und sich damit an den Tisch setzte.

„Hey“, protestierte er, als Loki sich nach einer halben Schüssel Obstsalat und mehreren Joghurtbechern einem Plastikbehälter mit Schokoladenkuchen zuwandte. „Der war für Pepper reserviert...!“

„Faszinierend“, entgegnete Loki ungerührt, bevor er sich über den Kuchen hermachte.

Die beiden Männer auf der Couch tauschten wortlos einen Blick.

Dann warf Stark ergeben die Hände in die Luft. „Ernsthaft?“

Rogers musste hingegen leise lachen.

„Lass ihn“, meinte er. „Ich denke, er hat es sich  verdient.“

„Oh?“, machte Loki, dem die Bemerkung nicht entgangen war. „Höre ich da etwa ein Lob?“

Stark stieß ein Schnauben aus.

„Bist du wirklich verwundert darüber, nachdem du New York gerettet hast...?“

Er macht mit der Hand eine komplizierte Geste, und plötzlich öffnete sich vor ihm ein Holobildschirm in der Luft.

Das letzte Stück Schokokuchen verharrte auf halbem Wege zu Lokis Mund, als er innehielt, um die Ausschnitte aus den Nachrichtensendungen zu verfolgen, die Stark abspielte.

Das Bild war leicht verwackelt, aber man konnte gut den Kampf zwischen den Avengers und dem Elementar verfolgen, den jemand aus einem der Hochhäuser, die an den Central Park grenzten, gefilmt haben musste.

Erst durch die Distanz war zu sehen, wie weit sich Lokis Frost tatsächlich ausgebreitet hatte. Er hatte nicht nur den kompletten See eingefroren, sondern auch die Vegetation am Ufer dahinter, und die gesamte erste Reihe von Bäumen war mit einer dicken Frostschicht überzogen.

Kein Wunder, dass er danach zwei Tage geschlafen hatte.

„Bis jetzt ist noch nicht klar, um wen es sich bei dem unbekannten Retter handelt“, ertönte die Stimme eines Reporters, während die Bewegungen des Elementars im Hintergrund immer langsamer wurden. „Von Seiten der Avengers gab es noch keine weiteren Kommentare zu dem Vorfall oder dem mutmaßlichen, neuen Teammitglied. Eines steht jedoch fest: wer auch immer es sein mag, er scheint nicht von dieser Welt zu sein.“

„Das kannst du wohl laut sagen“, murmelte Stark.

Loki konnte sich bei dieser Bemerkung nicht zurückhalten. Er begann auf einmal zu lachen.

Rogers und Stark starrten ihn nur mit einigermaßen fassungslosen Mienen an, so als hätten sie nicht damit gerechnet, dass er zu einer solchen Gefühlsregung fähig war.

„Oh, ihr Menschen...!“, sprach Loki amüsiert, nachdem er sich wieder halbwegs beruhigt hatte. „Ihr seid wie Waschweiber, die sich das Maul über die Dinge zerreißen, die sie nicht verstehen.“

„Dann erklär es den Leuten doch.“ Starks Erwiderung war unerwartet nüchtern. „Sag ihnen, wer du bist und was dich bewogen hat, in den Kampf einzugreifen. Beantworte ihre Fragen und nimmt ihnen ihre Zweifel.“

„Und was genau ist es, was ich ihnen mitteilen soll?“, fragte Loki spöttisch. „Dass ich... was bin? Etwa ein Avenger?“

„Das ist ganz dir überlassen“, sagte Rogers leise. „In dem Moment, in dem du aus den Schatten getreten bist und beschlossen hast, uns zu helfen – in diesem Moment hast du die Welt auf dich aufmerksam gemacht und ihr Interesse an dir geweckt. Was du damit anfängst, das ist allein deine Entscheidung.“

Bei den Nornen, der Mann war fast so hartnäckig, wie sein dickköpfiger Bruder.

Loki – ein Avenger? Allein der Gedanke war schlichtweg lächerlich.

Er hätte niemals in den Kampf eingreifen sollen. Wäre Thor ihm doch bloß nicht direkt vor die Füße gefallen...

Loki schob seinen halbleeren Teller zurück und stand auf.

Ihm lag eine spöttische Erwiderung auf der Zunge, doch als er den Mund öffnete, um zu antworten, kam für einen Augenblick kein Wort heraus.

Schließlich entgegnete er:

„Überbringt meinem Bruder meine Grüße.“

Rogers schenkte ihm daraufhin ein Lächeln, doch Loki wandte sich nur wortlos ab und ging.

Was um alles in der Welt tat er da? Nur ein klares Nein wäre in diesem Fall eine akzeptable Antwort gewesen, und doch...

Und doch.

Thor war davon überzeugt gewesen, dass Loki keine Gefahr mehr für andere darstellte. Das hatte der goldene Reif, der sich nach all den Monaten endlich wieder geöffnet hatte, nur deutlich genug bewiesen.

Nun musste nur noch Loki selbst anfangen, daran zu glauben...



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