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Broken Melody

Can't you hear my voice?
von

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Our Scars Part 2

Die Aufnahmeprüfung für die Oberschule war hart, ich habe noch nie in meinem Leben so viel gelernt und mich nur von Kaffee und Wasser ernährt. Vermutlich habe ich dadurch sogar einige Kilo abgenommen. Aber das war es wert - ich wurde angenommen. Auch wenn die ersten zwei Schulwochen komplett seltsam sind. Die vielen Mädchencliquen erscheinen mir wahnsinnig suspekt. Ich habe zwar auch Freundinnen auf der Mittelschule gehabt, aber ich stand Masa immer näher. Vielleicht, weil ich mit ihm aufgewachsen bin. Etwas was die anderen Mädchen natürlich seltsam finden. Wie kann man nur mit Jungs befreundet sein? Aber hier auf der Oberschule sind die Mädchen noch viel enger zusammengeschlossen und ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Die ersten zwei Wochen fühlen sich an wie ein Spießrutenlauf - einfach furchtbar.
 

Auch wenn ich mein Bestes versuche, neue Freundschaften zu schließen. Es ist schwer. Bis ich Aya kennen lerne. Gut, um genau zu sein, hatte ich sie halb umgerannt weil ich verschlafen und nicht mehr auf den Weg geachtet hatte, aber nun ja. Sie hatte ebenfalls Schwierigkeiten, Anschluss zu finden weil ihre Familie erst letztes Jahr zurück nach Japan kam und jetzt von ihr erwartet wird, dass sie die Oberschule besucht als hätte sie nie das Land verlassen. Sie ist wahnsinnig sarkastisch und direkt was ich unglaublich anziehend finde. Bald schon ist es, als ob wir uns seit Ewigkeiten kennen würden und obwohl Masa ihr gegenüber am Anfang wahnsinnig schüchtern ist, taut er schließlich nach und nach auf, bis wir es zu einem festen Ritual gemacht haben, uns jeden Samstag zum Kaffee zu treffen. Aya ist es auch, welche meiner Unsicherheit einen Strich durch die Rechnung macht, was die Musik angeht.
 

Seufzend wickelt sich Aya eine blonde Haarsträhne um den Finger, während sie einen Schluck von ihrem Bier trinkt. „Weißt du, Miyu, du musst mehr aus dir herausgehen. Selbstsicherer werden. Du musst bereit sein, dafür einzustehen was du willst.“ Sie grinst, als hätte sie mir das Geheimnis meines Lebens verraten und ich vergrabe seufzend das Gesicht in den Händen. Es ist Samstagabend, ich bin mit ihr und Masa zum Karaoke gegangen, weil ich dachte, es würde Spaß machen. Mittlerweile bin ich mir da gar nicht mehr so sicher. Ich bin mir auch nicht sicher, wo sie den Alkohol her hat, ob sie wirklich schon volljährig ist, oder nicht. Es scheint alles einfach nur wahnsinnig kompliziert zu sein. Aber bevor ich darüber nachdenken kann, etwas zu erwidern, übergibt mir Masa grinsend das Mikrofon und ich verdrehe die Augen, während ich tief durchatme. Was bin ich froh über diese kleine Kabine. Hier haben wir zumindest unsere Ruhe. Ich versuche mich an einem Lied von Dir en Grey: „Jealous.“ Ich weiß nicht wieso, aber ich liebe diese Band. Masa ist Schuld daran, er hat sie mir gezeigt und die Stimme des Sängers zieht mich immer wieder in ihren Bann.
 

Er hingegen steht mehr auf ihren Bassisten - Toshiya. Und ich hab ihn schon mehrmals aufgezogen, dass ich ihn zu einem Konzert schleppen werde, sobald wir volljährig sind. Denn den Ärger will ich nicht erleben, den es geben würde, sollte ich es wagen auf ein Konzert zu gehen. Aber wenn ich volljährig bin, kann mich keiner mehr von irgendetwas abhalten. Ganz sicher nicht. Als das Lied endet bin ich außer Atem und wische mir den Schweiß von der Stirn. Das war anders als sonst und während ich das Mikrofon sinken lasse, erwische ich Aya wie sie mich mit offenem Mund anstarrt und ein leises „Wow.“ murmelt. Ich habe schließlich nie behauptet, schlecht zu singen. Nur dass ich keine Zukunft für mich sehe in dem Bereich. „Miyu, du musst singen. Ich meine, später, professionell.“ Ich lache amüsiert auf, schlage mir jedoch gerade noch rechtzeitig die Hand vor den Mund. „Wenn du mir sagst, von was ich leben soll? Wir sind hier nicht in Amerika, hier verdienst du erst Geld wenn du erfolgreich bist…“ Davor ist es ein Überlebenskampf den ich mir nicht antun will. Denn dass ich das alles mit dem Geld meiner Eltern bezahlen könnte bezweifle ich stark. Meine Mutter will immerhin nach wie vor, dass ich wie sie werde - eine gute Hausfrau und Mutter. Und mein Vater? Es ist ein Wunder dass er mich noch nicht mit irgendwelchen Geschäftskollegen verkuppelt hat. Sollte ich auch nur Anzeichen zeigen, in eine andere Richtung gehen zu wollen, als die mir zugedachte, werde ich auf mich allein gestellt sein.
 

Aya zuckt mit den Schultern, während Masa die Liste der Lieder durchscrollt und schließlich bei einem hängen bleibt. Kurz danach sehe ich mich mit X Japan und Joker konfrontiert und verdrehe leicht die Augen. Allerdings gebe ich nach und singe auch noch dieses Lied. Irgendwie läuft es dann darauf hinaus, dass hauptsächlich ich singen muss, was mich aber auch nicht stört - ich habe mich schon lange nicht mehr so gut und befreit gefühlt. Es ist, als würde mir eine schwere Last von den Schultern fallen. Endlich wieder ich selbst sein zu können ist besser als ich erwartet habe. Die ganzen letzten Jahre hatte ich mich verleugnet…Mich gezwungen, nur zu lernen. Ich sollte vielleicht öfter zum Karaoke gehen mit Masa und Aya. Immerhin wäre das eine gute Freizeitbeschäftigung. Als wir uns Stunden später auf den Heimweg machen, bin ich heiser und muss mich an Masa festhalten, weil sich mir alles dreht. Ich habe mir mit Aya ein Bier geteilt und das war eindeutig keine gute Entscheidung. Weil wir nicht wollen, dass unsere Eltern uns erwischen, haben wir uns schließlich in einem Love Hotel einquartiert - zum einen weil es auf dem Weg liegt, zum anderen, weil ich keine Ahnung habe wo wir sonst hin sollen.
 

Als die Tür hinter uns ins Schloss fällt, bin ich so müde, dass ich im Stehen einschlafen könnte. Ich bekomme kaum mit, wie Masa mir hilft, die Schuhe auszuziehen oder als er mich sanft in Richtung Bett bugsiert, bis ich auf die Matratze falle und das Gesicht im Kissen vergrabe. Er könnte nachhause. Immerhin hat er nicht getrunken, aber er bleibt und während Aya im Bad verschwindet, setzt er sich zu mir aufs Bett und beginnt mir durch die Haare zu streicheln. „Einer muss doch auf dich aufpassen, Miyu…Außerdem kannst du mir dann an meinem Geburtstag die Haare halten.“ Ich schaffe es gerade so ein Auge zu öffnen um ihn skeptisch anzusehen, bevor ich das lieber lasse, weil mir davon noch schwindliger wird. „Igitt.“ Er lacht und ich taste nach seiner Hand, welche er sanft drückt. „Ich hab dich wahnsinnig lieb.“ Noch bevor er „Ich dich auch.“, sagen kann, bin ich eingeschlafen.
 

Am nächsten Tag höre ich Wasserrauschen als ich aufwache und blinzle irritiert, bevor mir bewusst wird, was passiert ist und ich stöhnend wieder die Augen schließe. Ich hab wahnsinnige Kopfschmerzen. „Soll ich dir was gegen den Kater geben?“ Aya Stimme lässt mich langsam doch wieder die Augen öffnen, mit der Hoffnung dass sie Schmerztabletten dabei hat, allerdings erstarre ich komplett als sie sich stattdessen über mich beugt und mir einen Kuss auf die Lippen drückt, gefolgt von einem zweiten und dritten Kuss, bis ich beginne den Kuss etwas zu vertiefen. Wieso weiß ich selbst nicht, aber ihre Lippen sind so wahnsinnig weich und haben etwas an sich, dass ich nicht widerstehen kann. Als wir uns voneinander lösen, muss ich nach Luft schnappen und starre sie vermutlich ziemlich irritiert an - sie lacht nur und springt auf um ins Bad zu tänzeln, welches Masa gerade verlassen hat und ich schließe die Augen und ziehe eins der Kissen über meinen Kopf um meinen Herzschlag auszublenden der so laut in meinen Ohren dröhnt, dass ich Angst habe, dass das ganze Gebäude ihn hören kann. Wieso hat es sich so gut angefühlt, Aya zu küssen? Mädchen küssen doch keine Mädchen! Das ist falsch. Vermutlich sehe ich genau so verwirrt aus, wie ich mich fühle, denn Masa sieht mich fragend an, aber ich kann nur mit den Schultern zucken.
 

Ich weiß doch auch nicht was gerade passiert ist. Als wir eine halbe Stunde später alle zusammen das Love Hotel wieder verlassen, bin ich immer noch nicht viel schlauer wie ich jetzt damit umgehen soll. Immerhin was soll das denn? Natürlich könnte ich sie darauf ansprechen, aber ich traue mich nicht. Vor allem nicht vor Masa. Also schweige ich, völlig in Gedanken versunken und als wir uns voneinander verabschieden, starre ich ihr so lange hinterher, dass mich Masa in die Seite piekst. „Alles in Ordnung? Du wirkst so verstört, Miyu-chan.“ Ich zucke nur seufzend mit den Schultern, bevor ich ihm ein gequältes Grinsen schenke. „Ach…Nur Kopfschmerzen.“ So ungern ich ihn auch belüge, ich muss es tun. Ich komme durchaus damit zurecht, dass er auf Männer steht. Aber bei mir selbst ist das etwas völlig anderes. Dazu kommt, dass ich Frauen nie attraktiv fand. Ab und an war ich neidisch auf ihre größeren Brüste, die längeren Wimpern. Aber sonst? Aya bringt mich vollkommen durcheinander. Masa schenkt mir ein mitleidiges Lächeln und bringt mich noch bis zur Tür wo er mich nochmal kurz umarmt und mir dann zu zwinkert. „Wenn du es nicht aushältst…komm rüber, ja?“ Ich kann nur schief grinsen und nicken bevor ich die Haustür aufsperre und tief durchatme. „Wird schon.“ Mehr als ein Mal umbringen kann mich meine Mutter zum Glück nicht.
 

Es dauert ein ganzes halbes Jahr bis ich es schaffe, mich mit allem richtig auseinander zu setzen. Wer hätte gedacht, dass Gefühle so kompliziert sein können? Ich hatte mich mit Aya privat getroffen. Mehrmals. Irgendwann hatten wir uns erneut geküsst, danach wurde es irgendwann ernst. Wir hatten zwei Dates, eines in einem Vergnügungspart. Es ist neu für mich und aufregend und vollkommen irritierend. Es bringt mich durcheinander, aber sie bringt mich zum Lachen. Masa ist zuerst skeptisch, was unsere Beziehung angeht, nach und nach jedoch beginnt er Aya zu akzeptieren. Vielleicht tut er das auch nur meinetwegen, aber damit kann ich auch gut leben. Wir treffen uns wieder regelmäßig zum Karaoke und um zu lernen auch wenn es nach einem Jahr immer seltener wird. Ich versuche mich aufs Lernen zu konzentrieren und sei es nur um zu vermeiden, dass ich darüber nachdenken muss was ich danach machen möchte. An sich brauche ich mir ja keine Gedanken um einen Job zu machen, nicht wenn ich zulasse, dass meine Mutter mir einen Ehemann sucht, aber das will ich nicht. Auch wenn ich sicher bin, dass es mit Aya nicht bis zu unserem Lebensende halten wird.
 

Ich will das, was wir im Moment haben, nicht aufgeben. Ich will meine Jugend genießen, die Zeit in der ich noch mit meinen Freunden zusammen bin. Wer weiß, wohin uns die Zukunft bringen wird. Manchmal wünsche ich mir meine Kindheit zurück, auch wenn ich damals bereits meine Mutter in meinem Nacken sitzen hatte. Es war irgendwie alles leichter. Immerhin wird jetzt von mir erwartet, dass ich mich mit meinen Klassenkameraden sozialisiere, gute Noten bekommen, die Kurse wähle, welche dafür sorgen, dass ich eine gute Hausfrau werden kann. Es ist ermüdend. Meistens falle ich abends ins Bett ohne etwas zu essen, weil es zu anstrengend ist, noch zu kochen oder überhaupt zu essen. Schlaf und Essen hole ich meist am Wochenende nach, es ist eigentlich ein Wunder, dass ich Zeit zum atmen finde. Nebenbei sehe ich mich nach einem Nebenjob um, weil ich nicht mehr von meinen Eltern abhängig sein möchte, was allerdings schwerer ist, als es klingt. Vor allem mit einer Mutter die versucht über mein Leben zu bestimmen. Meinen Vater bekomme ich noch seltener zu Gesicht als früher, aber stören tut mich das nicht, ein Elternteil weniger, das an mir herum mäkeln kann. Meine Mutter kann ich ja meistens ausblenden. Seufzend werfe ich einen Blick in den Spiegel - der müde Gesichtsausdruck wird wohl noch einige Jahre bleiben. Gähnend bürste ich mir die Haare und werfe danach einen Blick in meinen Schrank.
 

Heute ist endlich mal wieder ein freier Tag für mich und ich habe vor, diesen zu genießen. Allein. So sehr ich Aya auch liebe, aber ich brauche eine Pause von Menschen, ich brauche Ruhe und ein Mal niemanden um mich herum der etwas von mir will. Deswegen nehme ich nur Mp3-Player, Handy, Geldbeutel und Schlüssel mit als ich das Haus verlasse und mich auf den Weg zum Bahnhof mache. Kaum am Strand angekommen, atme ich tief durch und schließe für einen Moment die Augen bevor ich näher ans Wasser trete. Hier kann ich meine Musik ausschalten und den Wellen lauschen. Einfach entspannen und an nichts denken. Nicht an die anstehenden Prüfungen, nicht an meine Klassenkameraden oder meine Lehrer. Auch nicht an meine Zukunft. Aber unwillkürlich beginnen meine Gedanken zu Masa zu driften und dass ich ihn ziemlich vernachlässigt habe in letzter Zeit. Aber er verbringt auch mehr Zeit mit seinen Freunden, irgendwer besorgt ihnen jedes Mal Alkohol…Seufzend ziehe ich mein Handy aus der Tasche, starre eine gefühlte Ewigkeit nur auf das Display, bis das Bedürfnis das kleine Gerät ins Wasser zu werfen fast schon übermächtig wird. Kopfschüttelnd tippe ich eine Nachricht an Masa, bevor ich noch ein Bild vom Wasser mache und es hinterher schicke. Er antwortet fast sofort und bringt mich zum Lachen mit seiner Reihe an traurigen Smileys. Nur um ihn zu ärgern mache ich ein Selfie von mir, näher am Wasser und schicke es ihm ebenfalls. Dieses Mal braucht seine Antwort etwas länger, besteht aber aus einem Bild von ihm auf seinem Bett, mit seinen Büchern vor sich, seinen Dir en Grey Postern im Hintergrund und einem leidenden Gesichtsausdruck.
 

Er erinnert mich an einen traurigen Welpen und ich muss erneut lachen, bevor ich ihm schreibe dass ich ihm etwas mitbringen werde, was hoffentlich ein Lächeln auf sein Gesicht zaubert. Einige Minuten schreibe ich noch mit ihm, während ich am Wasser entlang laufe, bis er sich entschuldigt dass er weiter lernen muss und ich das Handy wieder in meine Hosentasche schiebe. Ob Aya sehr sauer sein wird, dass ich sie heute links liegen lasse? Ich weiß es nicht, aber wir können das sicherlich noch besprechen. Den restlichen Tag verbringe ich am Strand, ich genieße die frische Luft, den Wind, die Wellen an meinen nackten Füßen auch wenn das Wasser kalt ist. Es ist eine wunderbare Auszeit von der Realität. Auf dem Rückweg gehe ich noch zu einem Tempel um zu beten und einen Glücksbringer für Masa zu kaufen. Immerhin, er fehlt mir. Vielleicht ist es besser, dass wir uns auseinander leben - er mehr mit Jungs macht in seinem Alter und Anschluss findet. Wir waren immerhin von Anfang an ein seltsames Gespann. Allerdings wird er immer mein bester Freund bleiben und statt nach hause zu fahren, entscheide ich mich spontan dazu, zu ihm zu gehen. Dieses Mal bin ich es, die unvermittelt in seinem Zimmer steht und ihm eine Tafel Schokolade vor hält, welche wir lachend im Garten essen. Ich wünsche mir in diesem Moment nur dass es ewig so bleiben kann und die nächsten zwei Jahre uns nicht noch weiter voneinander fort treiben.



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