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Sana

tortured souls
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey hey ^_^ Endlich hab ich‘s geschafft, diese Story geistert mir schon seit Jahren im Kopf herum
und ich freue mich mega sie jetzt auf „Papier“ gebracht zu haben.
Dann will ich auch nicht weiter labern...
Viel Spaß beim lesen..
Hajim Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und wie versprochen das Nächste Kapitel :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey ;p
Dieses ist das vorletzte, der vorgearbeiteten Kapitel.
Und wenn die alle raus sind wird es sehr viel langsamer weiter gehen,
aber ich bin gehypt schnell weiter zu schreiben >///<
Ich hoffe ihr habt spaß beim lesen...
LG
Hajim Komplett anzeigen

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Mein Bruder und Ich

Scheiße bin ich auf Schaum! Mein be- schissener Drecksbruder hat mir meine Beute geklaut und das, obwohl ich es beinahe geschafft hatte. Der Gehörnte Panther über seiner Schulter war mein Ziel! Scheiße Mann!
 

Frustriert schlage ich gegen einen riesigen Baum, den danach der Abdruck meiner Faust ziert.

Das Knacken meiner Fingerknochen und Nartos‘ skeptischen Blick ignoriere ich dabei geflissentlich.

„Was hat dir der Baum getan?“ fragt mein, oh so perfekter Bruder, bevor er einen Schritt auf mich zu kommt. Ich funkele ihn böse an und zische ihm ein giftiges „Nix!“

entgegen, ehe ich den Hirsch in meinem Nacken zurecht rücke, welcher droht herunter zu fallen.

Wortlos greift er nach meiner Hand.

Störrisch ziehe ich sie weg, doch er lässt nicht los, weshalb ich ihn dann doch gewähren lasse. Nartos streicht über meine aufgeplatzten Knöchel, sieht sich jede Unebenheit meiner Hand an, prüft ob etwas gebrochen ist. Er hält meine Hand so nah an sein Gesicht, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren kann.

Wie ich es hasste, wenn er das tat... also nicht mich berühren, sondern sich um mich sorgen.

Ich bin schließlich die ältere von uns beiden, zwar nur zwei Minuten... aber trotzdem!

Nach drei Minuten intensiver Musterung macht er einen zufriedenen Laut, lässt meine Hand los und geht ohne ein weiteres Wort, doch nun wieder bester Laune, weiter in Richtung Fluss.

„Was ist dein verdammtes Problem?!“, schreie ich ihm hinterher. Er dreht sich wieder zu mir, mit einem breiten Grinsen.

„Ach nix.“

Gerade macht mein geliebter Bruder der Sonne ernsthaft Konkurrenz, denke ich schmunzelnd.

Wenn er so vor sich hin strahlt, wirkt er wieder wie ein Welpe, schon süß.

Über diesen Gedanken fange ich breit an zu grinsen, was meinen Bruder stutzen und stehenbleiben lässt.

Als ich an ihm vorbei gehe, boxe ich ihm scherzhaft in die Seite, was ihn ordentlich zusammen zucken lässt.

„Nicht trödeln“, flöte ich ihm zu, während ich in einen leichten Trab verfalle.

Meine Laune ist wieder gut, und nun spüre ich die Aufregung und die Euphorie auf die bevorstehende Zeremonie der Sommersonnenwende.

Wir beschleunigen unsere Schritte, denn der Weg zur Lichtung ist noch weit, und die Sonne hat ihren höchsten Punkt beinahe erreicht.

Nach ein, zwei Stunden treffen wir endlich auf andere Stammesmitglieder. Die Gruppe besteht hauptsächlich aus Alten und Jungen, welche gemächlich vor sich hin trotten.

„Ah schöner Fang! Dürft ihr denn schon alleine jagen?“, fragt einer der Älteren spöttisch. „Ihr seht mir doch noch etwas grün hinter den Ohren aus“, witzelt er weiter.

„Maaaannn Quentus, musst du schon wieder Witze auf unsere Kosten machen, du weißt ganz genau, dass wir heute volljährig geworden sind! Und ich bin schon aufgeregt genug!“

„Aber ich weiß noch bei eurer Geburt, du warst der süßeste Welpe, den ich je gesehen habe!“

Er wuschelt mir durch die Haare und scheint kurz davor zu sein, mich samt meiner Beute in eine knochenbrechende Umarmung zu schließen.

Wie zufällig stellt sich Nartos schützend zwischen uns und schließt nun seinerseits Quentus in die Arme. Der alte Mann grinst und klopft wohlwollend, freundlich auf seine Schulter.

„Lang ist’s her“, sagt er zu ihm.

Nachdem die beiden angefangen haben, sich ein wenig zu prügeln, mache ich sie darauf aufmerksam, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, weshalb wir nun endlich weitergehen sollten.

Auf dem weiteren Weg treffen wir immer mehr Jugendliche, die genau wie wir ihre Beute auf den Schultern tragen, um diese dann beim großen Ritual heute Abend zu präsentieren.

Mal mehr mal weniger auffällig sieht man, wie die Beutetiere verglichen werden. Ich sehe auf Anhieb, wer uns annähernd gefährlich werden könnte, aber dennoch hat niemand bis jetzt einen besseren Fang als wir.

Die Sonne ist einfach herrlich auf meiner Haut und ich genieße ihre Strahlen, welche mich auf der großen Lichtung begrüßen. Die Vorbereitungen für das abendliche Spektakel sind schon in vollem Gange.

Nachdem Nartos und ich unsere kleine Schwester Antres sowie unsere Eltern begrüßt haben, trennen wir uns, um uns mit Freunden zu treffen. Beziehungsweise ich treffe mich mit Freunden, Nartos trifft sich mit seiner Freundin.

Dem Brauch entsprechend nehmen wir unsere Beute mit uns, um diese zur Schau zu stellen, während wir plaudern, helfen und das Spektakel genießen.

Ich schlängele mich durch eine Horde Welpen, welche am Rand des Waldes vor sich hin tollen und sehe den hellroten Schopf meiner besten Freundin, die gerade einen wimmernden Welpen wieder auf die Beine stellt.

Ich schlendere zu ihr und muss zugeben - letztes Jahr sah sie irgendwie anders aus, irgendwie kindlicher. Ihr Gesicht, welches eben noch von Besorgnis gezeichnet war, verzieht sich zu einem breiten Lächeln, als sich unsere Blicke treffen.

Sie gibt dem Kleinen einen aufmunternden Klaps und kommt zu mir herüber.

Wir schließen uns in die Arme, und es fühlt sich an, als wären wir nie von einander getrennt gewesen. Ihre Haare riechen wie eine Sommerwiese und Regen... ganz viel Regen.

Ich will sie gar nicht mehr loslassen, aber nach zwei Minuten lassen wir dann doch voneinander ab. Ich sehe ihr ins Gesicht und bemerke, sie ist im letzten halben Jahr noch tausend mal schöner geworden.

Da ist irgendeine ganz seltsame Spannung zwischen uns. Wäre meine Haut nicht ohnehin schon rot, hätte sie wohl jetzt einen leichten Rotschimmer angenommen.

Doch im nächsten Augenblick ist der Moment vorbei und ich setze wieder mein Lächeln aus Schelm und Freude auf.

„Ich freu mich so, dich wieder zu sehen!“, kreischt sie mir ins Ohr.

Beruhigenderweise hat sich an ihrer Stimmfrequenz überhaupt nichts geändert -

das wär ja noch schöner, wenn sie jetzt schon ihre für unser Volk typische eher tiefere Stimme hätte.

Aus einem Reflex heraus nehme ich sie gleich wieder in den Arm und raune ihr ein „ich freu mich auch“ ins Ohr.

Was dazu führt, dass sie nun ihrerseits leicht errötet. Wir sehen uns in die Augen und irgendwie wird mir ganz flau im Magen, ich möchte etwas sagen doch gerade in diesem Augenblick kommt Keirus aus dem Gewusel auf uns zu gestürmt, baut sich vor uns auf und schreit uns ins Gesicht.

Wir sehen ihn pikiert an, und hätte ich eine Brille, würde ich sie jetzt hoch schieben. Das einzige, was mir in diesem Moment über die Lippen möchte, ist ein irritiertes, fragendes -

„okay“.

„Na unser Erkennungsruf von letztem Jahr, ich hab euch schon dreimal gerufen... da habe ich gedacht, ihr wäret vielleicht taub geworden.“

„Nein, waren wir nicht, aber jetzt vielleicht“, entgegnet Aska sarkastisch.

Wir brechen alle in schallendes Gelächter aus und wie um diesen Moment noch besser zu machen, kommen die Strahlen der Sonne hinter den Wolken hervor, welche aufgezogen waren.

Ich freu' mich unheimlich, dass wir alle wieder zusammen sind, doch ein kleiner Teil in mir hätte den Moment mit Aska gerne noch einen Augenblick länger genossen.

Nach einer gefühlten Viertelstunde Lachflash halten wir uns unsere schmerzenden Bäuche und kriegen uns zwangsweise wieder ein, nachdem uns ein paar der Älteren schon vorwurfsvolle Blicke zuwerfen.

Keirus deutet auf den Hirsch, der neben uns liegt und fragt -

„Ist das deiner, der ist ziemlich groß?!“

„Ja, schon...“, antworte ich und knirsche mit den Zähnen, ohne den Satz zu beenden.

Fragend sieht er mich von oben herab an.

Ich schüttele nur mit dem Kopf und füge hinzu -

„Ach nicht so wichtig.“ Ich beginne wieder zu grinsen. „Viel wichtiger ist, wo ist deine Beute?“

Er strafft die Schultern und hievt den riesigen Hai zwischen uns, welchen er hinter sich her geschleift hatte.

Staunend begucken Aska und ich das riesige Ding.

Scheiße man, das Vieh könnte größer sein als das von Nartos.

„Der da ist aber auch nicht gerade klein“, gebe ich anerkennend zurück.

„Hey ihr zwei, wollen wir uns vielleicht irgendwo anders hin verziehen, bis die Zeremonien anfangen? Ich hab da ein schönes Plätzchen entdeckt“, schlägt Keirus vor und schultert den Hai.

„Ja nice, das klingt gut, führe uns hin!“

Keirus macht eine tiefe Verbeugung und deutet mit einem -

„My Ladies“ in Richtung Wald.

Aska wirft ihr wallendes Haar zurück und geht voraus. Ich folge ihr und greife mir im Vorbeigehen noch den Hirsch, welchen ich zeitweilig abgelegt hatte.

Wir trotten ein paar Minuten durch den Wald, bevor wir auf eine kleinere Lichtung mit einem süßen Bachlauf treffen, wo wir uns gemütlich nieder lassen.

„Boah habe ich das vermisst“, meint Keirus lächelnd, „mit euch einfach abhängen und quatschen.“

Wir hauen uns auf die Wiese und lassen uns von der Nachmittagssonne wärmen, welche noch hoch am Himmel steht.

Ich genieße das Plätschern des Baches, die frische Luft, das entspannt dumme Gelaber meiner besten Freunde und merke, wie die Aufregung vor dem, was heute Abend passieren wird, wieder zurück kommt.

Ich drehe mich zur Seite und frage Aska, welche bereits letztes Jahr volljährig geworden war, wie sie sich damals gefühlt hat.

Sie lächelt -

„Ich war scheiße aufgeregt, aber es war auch schön.“ Bei dem Gedanken daran muss sie leicht schmunzeln. „Ich hab mich beinahe eingepisst, als ich vor deinem Großvater und den anderen stand, um dort meinen Eid zu leisten.“

Keirus und ich sehen uns ein Moment schweigend an, bevor wir prusten und anfangen loszulachen.

Worauf hin sie süffisant grinst -

„das steht euch auch noch bevor.“

Unser Lachen stirbt augenblicklich einen qualvollen und schnellen Tod.

Aska schaut in unsere betrübten Gesichter und sagt aufmunternd -

„Ach, macht euch doch nicht so einen Kopf drum, denn wie gesagt es war auch eine sehr schöne Erfahrung.“

Die nächsten paar Stunden liegen wir rum, scherzen und erzählen uns, was in den letzten Monaten so Verschiedenes passiert ist und genießen einfach die Gesellschaft der anderen. Ab und an kann man noch beobachten, wie immer wieder Volljährige mit ihrer Beute auf der großen Lichtung ankommen. Die meisten bringen irgendwelche Beutetiere mit, das heißt Rehe, Hasen, ein paar von ihnen haben es geschafft, die schon ein wenig größeren Rinder zu erlegen, alles in allem waren es fast immer Pflanzenfresser.

Zwei konnte ich beobachten, welche tatsächlich eine der kleineren Raubkatzen gefangen hatten.

So gegen Abend verabschiede ich mich von Aska und Keirus, um mich wieder mit Nartos zu treffen.

Es braucht ein bisschen, bis ich meinen Zwillingsbruder, der immer noch bei seiner Freundin steht, im Gedränge entdecke. Er hat seinen Arm um ihre Taille gelegt, und widerwillig muss ich gestehen, sie passt zu ihm.

Ich hebe die Hand und winke den beiden zu. Katras entdeckt mich zuerst, und für einen kurzen Moment sehe ich einen Schatten über ihr Gesicht huschen.

Irgendwie kann ich sie verstehen, denn sobald Nartos mich entdeckt hat, lässt er seine Angebetete los und hüpft breit strahlend auf mich zu, ja so ist er, mein geliebter Bruder. Er fällt mir um den Hals, und für Außenstehende muss es so scheinen als hätten wir uns Jahre lang nicht gesehen, auch wenn es eigentlich nur ein paar Stunden gewesen sind. Reflexartig lasse ich meinen Hirsch los und fange Nartos auf.

Gespielt theatralisch ruft er aus -

„Ich habe dich so vermisst, du darfst mich nie wieder allein lassen!“ Ich schlinge meine Arme um seinen Kopf und steige mit einem nicht minder theatralischen -

„Nie wieder! Auf immer und ewig“ darauf ein. Wir drehen uns noch zwei, drei Runden und bemerken gar nicht die vielen irritierten und amüsierten Blicke, welche auf uns gerichtet sind.

Ein energisches Räuspern reißt uns aus der Welt, die nur uns beiden gehört und Katras meint, für meinen Geschmack eine Spur zu vorwurfsvoll -

„Müsst ihr nicht los?“

Und auch wenn ich ihr nur ungern zustimme, hat sie Recht, weshalb wir uns beide unsern Fang schnappen und los gehen.

Auf dem Weg zum großen Feuer treffen wir noch einmal unsere Eltern und Antres, welche gerade auf dem Weg zum Welpenplatz sind. Unsere Mutter, die sonst immer eine knallharte Kriegerin war, wirkt ein wenig wehmütig, dass wir nun als vollwertige Mitglieder in den Stamm aufgenommen werden. Emotional zu werden sah ihr so gar nicht ähnlich, das könnte allerdings auch daran liegen, dass sie gerade wieder schwanger und deswegen ein wenig zarter besaitet ist als sonst. Vater klopft uns aufmunternd auf die Schultern und sagt, wir sehen uns später beim Fest.

Antras quengelt, weil sie eigentlich lieber mit uns mitgehen möchte, doch Mama meint, dass sie noch ein paar Jahre warten muss. Nämlich bis sie selbst eingegliedert wird, um an diesem heiligsten unserer Rituale teil haben zu dürfen. Ein bisschen schmollend lässt sie meine Hände los und läuft hinter unseren Eltern her. Sie dreht sich noch einmal um und winkt uns zu.

Bevor wir weitergehen, richten wir die Beute auf unseren Rücken und mein Blick huscht erneut zu dem Panther, der nun nicht meine Gabe sein würde.

Während wir durch den alten Wald trotten, wird uns bewusst, dass dies nun unsere letzten Momente als Jungtiere sein werden. Wir treten durch die Baumgrenze und es scheint wie eine andere Welt. Knapp hinter den Bäumen fällt das Gelände schlagartig ab. Vor uns erstreckt sich ein tief in die Erde eingelassenes Kolosseum.

Versprechen zwischen uns

Der Platz, den wir schon tausend mal gesehen haben mit den alten überwachsenen Steingemäuern, wirkt heute ganz anders - irgendwie kraftvoller, feierlicher.

Wir ziehen oberhalb der Tribüne entlang, um zu dem alten Eingang zu kommen, der leicht verwachsen versteckt vor uns liegt.

Ein paar von uns sind schon angekommen im Kreis, ein paar trotten hinter uns.

Wie viele wir wohl dieses Jahr sind?

Wir werden von den Älteren, schon erfahrene Jäger und Mitglieder, in Empfang genommen. Auf einem leicht erhöhten Podest stehen unsere drei Clan-Führer eingehüllt in ihre Tuniken. Die Abendsonne färbt alles rot.

Wir stellen uns in einer Art Halbkreis auf mit Blick zur Bühne. Die Älteren haben sich auf den erhöhten Plätzen, die an der Wand sind, niedergelassen. Am Anfang ist das Getuschel zwischen uns noch sehr laut und man hört viele kleine Fragen oder aufgeregtes Gekicher, doch sobald mein Großvater seine Arme hebt, wird alles ganz still. Ein Moment der stillen Feierlichkeit. Es hat begonnen.
 

Er tritt nach vorne, und als alle Augen auf ihn gerichtet sind beginnt er zu sprechen -

„Meine geliebten Frischlinge! Ein Jahr ist es nun her, dass wir uns hier getroffen haben, um die Einweihung und Eingliederung neuer Krieger in unserem Kreis zu vollziehen. Im vergangenen Jahr haben 18 von uns die Volljährigkeit erreicht; sie sind nun bereit, den Schritt ins Leben als vollwertiges Mitglied unserer Gemeinschaft zu tun. So möchte ich euch hier und heute herzlich begrüßen, um in diesem Jahr gemeinsam diesen Übergang zu zelebrieren.

Und somit wollen wir heute die heiligste der Nächte dafür nutzen, euch zu feiern und zu begleiten, euch zu führen in diesen euren nächsten Lebensabschnitt.

Wir werden beginnen mit unserem alljährlichen „Tanz des Tieres“, in dem ihr noch einmal in Kontakt gehen könnt mit ihnen und mit euch, der Erde und dem was ihr die letzten Tagen erlebt habt.

Wenn wir wahrnehmen, dass ihr an euren tiefsten Punkt gelangt seid, werden wir euch einzeln einladen, diese Erfahrungen mit uns zu teilen.

Der Tanz wird euch vielleicht an Grenzen führen, wo ihr denkt ihr könnt nicht mehr - lasst es zu und geht darüber hinaus, denn ihr werdet merken, da ist mehr als nur ihr allein.

Nachdem wir all eure Geschichten gehört haben, werden wir uns wieder hier versammeln und ich werde die anstehenden Zeremonien des ewigen Bundes verkünden. Eine wird es in diesem Jahr auf jeden Fall geben, und zwar die, die im Falle einer Zwillingsschaft notwendig ist.

Zu diesen Zeremonien möchte ich euch bitten, genau zu prüfen, ob ihr zu dieser Zeit bereit seid, diesem Moment beizuwohnen, es ist wichtig, auch als Zeuge ausschließlich in dem Moment zu sein. Also wenn ihr spürt, dass ihr noch so sehr mit euch selbst und euren gerade erlebten Erfahrungen beschäftigt seid, dann nehmt euch diese Zeit dafür und geht. In diesem Falle treffen wir uns wieder am großen Feuer.

Nun möchte ich euch bitten, in den Kreis zu treten und euch von uns und dem Rhythmus der Erde führen zu lassen.“
 

Mit diesen Worten schließt er seine kurze Rede, wir schultern unsere Tiere und bilden einen Kreis in der Mitte des Kolosseum. Die Energie des Raumes füllt sich merklich mit den verschiedensten Gedanken, Erwartungen und undefinierbarem Sphären-britzel.

Es legt sich wieder Stille über den Platz. In dieser Stille hört man das Stampfen eines einzelnen Paares Hufe aufsteigen. Die große Trommel donnert durch die Tiefen der Nacht, dringt in unsere Knochen, gleich dem Herzschlag der Erde. Das Beben lässt unsere Körper erzittern.

Zu dem einen Paar Hufstampfen gesellt sich ein zweites und dann noch eins und noch eins. Immer mehr der umstehenden steigen auf den Rhythmus ein. Nun wird erst ersichtlich wie viele Zeugen von Älteren uns umgeben.

Zu der großen Trommel gesellen sich viele Kleinere, manche leicht wie das Schlagen eines Vogelflügels, andere flink wie das Rauschen eines Wiesels. Die Mauer des Klangs und der Energie scheint uns beinahe zu erdrücken. Der Raum ist erfüllt von berstendem Rhythmus.

Wir spüren die Kraft in unseren Körpern und das dringende Gefühl, uns dieser Woge anzuschließen, doch keiner von uns rührt sich. Nach Minuten, in denen die Spannung in unserem Inneren wächst und wächst, stoppt die Musik und in dieser Leere erschallt der Ruf -

„TANZT!“

Wie ein Vulkanausbruch gerät alles um mich herum in Bewegung und ich spüre, wie es auch in mir brodelt und mich mitreißt.

Die Musik setzt jetzt wieder ein und die Stimmen unseres Stammes erscheinen über den Baumwipfeln. Unsere Kraft und Stärke scheint ins Unermessliche zu steigen. Wir wirbeln herum und der Hirsch auf meinen Schultern ist nur eine Feder schwer. Der Gesang und die Trommelschläge durchfluten meinen Körper. Ich wirbele herum und spüre die Verbundenheit und Dankbarkeit zu dem Tier, das ich vor Stunden getötet habe.

Wie eine warme Dusche erkenne ich eine Trommelmelodie, vertraut aus meiner Kindheit, meine Gedanken machen eine Reise in die Vergangenheit. Auch hier spüre ich meine Verbundenheit und Dankbarkeit.

Wie von Zauberhand kommen wir in langjährig geübter Kreisformation zusammen und beginnen, der klaren Melodie mit einem klaren Tanz zu folgen. Wir schwingen, wiegen, drehen uns, legen unsere Beute ab, nehmen sie wieder auf, klatschen mit den Händen auf die Erde, für den Rhythmus in unserem Zentrum. Wir bewegen uns wie ein Organismus, eine Gemeinschaft, wir sind eins.

Die Melodien ändern sich und unser Tanz folgt, von laut zu leise, von schnell zu langsam - und in all dem das Ganze.

Die Worte von meinem Großvater hallen in meinem Kopf wieder - „Da ist mehr als nur wir allein„ - und ja, ich spüre die Freude ins Unermessliche steigen. Unsere Zusammengehörigkeit, Einigkeit erfüllt mich und trägt mich ins Unendliche.

Die Trommeln entlassen uns wieder in unseren individuellen Tanz, ich drehe und schwebe und fühle den Boden unter meinen Füßen. Ich bin verbunden mit mir, meinem Bruder, meiner Familie, meinem Clan, den Tieren, den Pflanzen, der Erde selbst und Frieden durchrauscht mich.

Eine Hand nimmt die meine und gibt mir den Impuls, ihr zu folgen. Sie führt mich durch die Menge, die Leiber der Tanzenden.

Wir treten aus dem Kreis und ich stehe vor den drei Großen unseres Stammes.

Ich spüre die interessierten und gleichzeitig liebevollen Blicke der weisen alten Männer auf mir. Leicht und wie von selbst kreieren sich Worte in mir und noch von meinem Atem durchrauscht trete ich vor sie.

„Hallo Sana, wir freuen uns dich heute hier bei uns zu haben.“ Miclare, die Anführerin des östlichen Clans lächelt mich wohlwollend an, sie ist zwar die kleinste von ihnen, aber trotzdem nicht minder beeindruckend.

Ich hebe den Hirsch über meinen Kopf, lege ihn behutsam zwischen uns. Vorsichtig hebe ich den Kopf, habe ein bisschen Angst, in die Gesichter der drei zu blicken, ihre Reaktion zu sehen.

Der Ausdruck der Anführer ist freundlich, doch im Gesicht meines Großvaters kann ich eindeutig Zufriedenheit erkennen. Und seine Mundwinkel heben sich ein ganz kleines bisschen.

Lotwes, dessen Klan das Gebiet im Westen unseres Landes bevölkert, tritt vor und fragt mich -

„Möchtest du uns von deiner Jagd und dem, was du erlebt hast, berichten?“

Ich atme tief ein, und weiß gar nicht, wie ich anfangen soll.

„Also ich hab... aber auch... “ -

ich stocke und werde immer aufgeregter und faseriger in meinen Gedanken.

„Sana, lass dir Zeit.“

Ich blicke den alten Mann an und sein Gesicht, das von zwei breiten Narben gezeichnet ist, strahlt Weisheit, Stärke und Güte aus.

Mein Kopf leert sich. Ich wiege mich im Takt der fern klingenden Trommeln. Nach einem weiteren Atemzug beginne ich -
 

„Mein Bruder und ich sind vorgestern Morgen von zu Hause aufgebrochen. Wir liefen Richtung Norden, da wir wussten, dass die Jagdgründe dort sehr ertragreich sind.

Nach zwei Stunden nebeneinander hertraben trennten wir uns, das war so ein Kilometer vor dem Großwald. Und ich muss schon sagen, das war wirklich ein neues Gefühl so ganz allein auf weiter Flur.

Ich ging am östlichen Waldrand entlang. Ich suchte mir eine Stelle aus, in der das Unterholz nicht ganz so dicht war. Von dort aus betrat ich das Innere des Waldes.

Es dauert nicht lange und mir begegneten die ersten Rehe, doch sie schienen mir belanglos, und ich ließ sie weiterziehen.

Ich wusste direkt, dass ich nach einem anderen Tier suchte. Sie sprachen irgendwie nicht mit mir, so wie ich es kannte aus vorherigen Situation.

Tief in meinem Inneren wußte ich, dass es in diesem Wald nur ein Tier gab, das meine Beute sein könnte. Genau dieses Tier musste meine Beute sein. Und ich würde es finden, auch wenn es Stunden dauern würde.

Nach einer Stunde, in der ich leise durch den Wald gegangen war, spürte ich, dass ich beobachtet wurde. Ich spürte die wilde Präsenz eines Raubtieres, und es musste groß sein. Das Knacken eines Zweiges verriet mir, dass es rechts von mir sein musste, und weiteres leises Knirschen, dass es sich zum Sprung bereit machte.

Ich wappnete mich innerlich, und als der Panther aus dem Gebüsch auf mich zu sprang, schleuderte ich ihn über mich, so dass er links von mir auf den Boden schlug. Doch zu seinem Glück schaffte er es, sich mit seinen Füßen abzufangen.

Einen kurzen Augenblick lang trafen sich unsere Blicke, das Universum schien sich um uns aufgelöst zu haben, es schien nichts außer uns zu existieren.

Dann sprang die gehörnte Katze wieder die Böschung hoch und verschwand im Dickicht.

Ich brauchte einen kurzen Moment, um zu begreifen, was da passiert war, doch dann sprang ich los und folgte ihm.

Ein paar Minuten später entdeckte ich ihn am Rande einer Lichtung. Er hatte es auf eine Horde Rehe abgesehen, die dort friedlich grasten. Ich näherte mich ihm vorsichtig und war beinah nah genug, um ihn sicher erledigen zu können. Er war so beschäftigt mit den Rehen, dass ich es wagte, mich noch näher heran zu schleichen, um mehr Sicherheit für seinen Fall zu haben.

Und dann ging alles ganz schnell. Vor meinen Augen fiel er einfach um.

Ich verstand nicht, hatte ich doch noch überhaupt nicht geschossen.

Doch dann trat mein Bruder hinter den Büschen schräg vor mir auf die Lichtung. Da war mir augenblicklich klar - es war tatsächlich geschehen, dass mein Bruder und ich uns die gleiche Beute ausgesucht hatten.

Ich ließ meine Deckung fallen und trat ebenfalls auf die Lichtung. Mein Bruder hatte sich ziemlich darüber beömmelt, dass seine Beute offensichtlich eigentlich auch meine Beute sein sollte.

Ich war innerlich ziemlich sauer, weil das für mich bedeutete, dass ich mindestens einen halben Tag auf die Jagd eines Tieres verschwendet hatte, das ich nicht hatte erlegen können. Welches nun vor meinen Augen von meinem Bruder als Trophäe mitgebracht wurde.

Wir beratschlagten uns dann, was wir mit der Situation nun anfangen wollten.

Der erste Vorschlag meines Bruders war, dass wir uns die Beute ja quasi teilen könnten, da sie groß genug war.

Doch ich spürte in meinem Inneren, dass ich noch einmal auf die Jagd gehen wollte und, dass sein Vorschlag für mich keine Lösung sein konnte. Weniger wegen der Frage, wie das aussehen würde mit einem halben Tier, sondern mehr für mich, denn es ging ja schließlich darum etwas allein zu jagen.

Da klar war, dass ich in diesem Wald nicht mehr fündig werden würde, beschlossen wir schon mal, in Richtung der großen Lichtung zu gehen. Ich wollte im nächsten Wald noch mal mein Glück versuchen.

Den Rest des Tages gingen wir nur. Jedes Tier, das uns begegnete, oder jeder Wald durch den wir kamen, kam mir nicht richtig vor.

Unser Nachtlager schlugen wir am Rand der nördlichen Ebene auf. Es war ein sehr schöner Abend gewesen, mal wieder nur mit meinem Bruder allein zu sein, das hatten wir zuletzt gemacht als wir noch Kinder waren.

Doch ich spürte auch, dass sich in mir ein gewisser Druck aufbaute, da mein Bruder seine Beute bereits hatte und klar war, dass ich am nächsten Tag auf jeden Fall etwas finden musste.

Als ich am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war die Sonne noch nicht aufgegangen. Dichter Nebel bedeckte die weite Graslandschaft. Mein Bruder schlummerte friedlich neben mir.

Ich beschloss, mir die Beine ein wenig zu vertreten und machte mich auf die Suche nach einem Fluss oder Teich. Ich musste ein gutes Stück gehen, bevor ich einen Bachlauf fand, der nicht vollkommen schlammig und verdreckt war. Aus einem Impuls heraus folgte ich ihm, und er führte mich in eine kleine Baumgruppe.

Und da stand er, groß, stark, prächtig. Natürlich er war keine Raubkatze, aber als ich ihn sah, war es klar. Er trank an dem Bach. Seine Ohren zuckten hektisch hin und her, um jedes noch so kleine Geräusch wahrnehmen zu können. Seine Muskeln waren gespannt, um augenblicklich die Flucht antreten zu können, falls dies notwendig sein sollte.

Ich pirschte mich an ihn heran, den Bogen bereits in meiner Hand. Er hob den Kopf, schaute sich um, lauschte.

Unsere Blicke trafen sich, verknoteten sich in einander. Er stand da, völlig ruhig. Er wußte es, spürte es. Er konnte nicht entkommen.

Ich zog einen Pfeil aus meinem Köcher, legte ihn an die Sehne an. Spannte. Kurz zögerte ich noch, doch dann lies ich los.

Der Pfeil verließ die Sehne und flog.

Traf.

Der Hirsch strauchelte noch kurz, dann knickten ihm die Hinterläufe ein und er stürzte zu Boden. Ich lief zu ihm, und als ich in seine Augen sah, konnte ich das Verlöschen des letzten Lebensfunkens erkennen. So klar wie noch nie zuvor.“
 

Damit schloss ich den Bericht meiner Erlebnisse. Der Rest des Weges schien mir für den Moment nicht wichtig.

Ich hänge meinen Gedanken nach, welche immer noch an diesem Bachlauf sind, bei diesem Tier, das nun vor mir liegt, als mich die Stimme meines Großvaters wieder ins Hier und Jetzt holt.

„Danke das du das alles mit uns geteilt hast. Wir schätzen sehr, dass deine Wahl ein Tier getroffen hat, das von der Größe dir ebenbürtig ist.“

Nach einem Augenblick des Schweigens wende ich mich zum Gehen, halte jedoch inne als Miclare das Wort noch einmal an mich richtet -

„Bewahre dir die Gabe, in diesen tiefen Kontakt gehen zu können, mit deiner Umwelt und dir selbst.“
 

Ich gehe wieder auf den großen Platz. Mein Blick wandert die Tribünen hinauf und ich sehe, dass mein Bruder bereits auf ihnen steht. Mit ein paar Sprüngen bin ich bei ihm und geselle mich dazu.

Wir sprechen nicht, lassen die Musik in uns fließen, hängen unseren Gedanken nach, während unsere Augen den Bewegungen der Tanzenden folgen.

Meine Gedanken schweifen ab, zu dem, was gleich noch geschehen wird, und ich spüre die unheimliche Dankbarkeit über die Tatsache, dass mein Bruder und ich noch viele Jahre miteinander teilen dürfen. Ein Geschenk, das den Zwillingen unserer Rasse noch nie zu Teil wurde.

Ich sehe jetzt zu Nartos, er wiegt sich leicht im Takt der Musik. Aus einem Gefühl heraus greife ich seine Hand. Er zuckt kurz überrascht, schaut jedoch nicht zu mir herüber. Leicht drückt er meine Hand, zieht sie sanft zu sich heran, und ich stolpere näher an seine Seite. Wir sprechen nicht, nehmen nur die Wärme des Anderen wahr.

Meine Gedanken tragen mich weiter. Wer von uns sich wohl opfern würde, wenn wir nicht dieses Glück hätten. Ein Gedanke, den ich schnell verwerfe, da er irrelevant ist, denn es muss sich keiner von uns opfern.

Der Platz in der Mitte leert sich langsam. Ich sehe Keirus, welcher wacker trotz des Hais seine Runden dreht. Wie schon gesagt, das Vieh ist ziemlich groß und demnach bestimmt auch ziemlich schwer.

Ich habe beim Tanzen mein Zeitgefühl komplett verloren, doch es müssen bestimmt schon Stunden vergangen sein, seit die Trommeln eingesetzt haben. Und trotz dessen sind alle auf dem Platz noch motiviert und energetisch. Die Musik und die Klänge des Waldes hüllen mich ein und tragen mich davon.
 

Nartos drückt meine Hand, und ich habe das Gefühl, durch einen dunklen mit Wasser gefluteten Tunnel an die Oberfläche gezogen zu werden. Mein Blick, der bis eben noch ins Nichts ging, richtet sich wieder auf den Platz in der Mitte, auf welchem nun keiner mehr ist, und auch die Musik, welche ich immer noch tief in mir spüre, ist verstummt.

Die drei Clansführer treten aus dem hinteren Teil des Kolosseum und begeben sich wieder auf das Podest, auf welchem sie uns empfangen haben. Nach einem Augenblick der vollkommenen Stille beginnt mein Großvater zu sprechen -

„Ihr Geliebten, ihr Lieben, wir bedanken uns noch mal für eure Offenheit und freuen uns, dass ihr ausnahmslos eure Abenteuer bewältigt habt.

Die Nacht schreitet voran und wir kommen jetzt zu unserer Zeremonie des ewigen Bundes, die die einzige an diesem Abend sein wird.

Ich möchte nun all diejenigen, die sich dem nicht gewachsen sehen, bitten, diesen Ort zu verlassen und schon einmal zu dem Feuer auf der Spitze des Berges zu gehen.

Alle anderen lade ich dazu ein, diesem besonderen Moment beizuwohnen.“
 

Nach und nach leeren sich die Ränge, etwa die Hälfte derer, welche heute eingegliedert wurden, machen sich bereits auf den Weg zum Feuer, der Rest der Krieger und Kriegerinnen sammelt sich im Inneren des Kolosseums.

Ich spüre, wie sich die Ruhe, welche in den letzten Stunden in mir eingekehrt war, wandelt. Meine Brust schnürt sich zu, ein Raunen geht durch die Menge, ich wende den Blick zum Eingang und sehe wie „Er“, katzig und bucklig, die Treppe herunter kommt, genau zur rechten Zeit, am rechten Ort, wie immer, ohne dass er gerufen wurde.

Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Nicht dass wir nicht alle ein wenig seltsam sind, doch Er übertrifft uns andere bei weitem. Gleich wird Er vor uns stehen, jener, der über unser Leben entschieden hat, der uns gerettet hat durch seine Weissagung.

Meine Nackenhaare stellen sich auf, und ich muss gegen den Impuls ankämpfen, die Flucht zu ergreifen. Der Mann vor uns ist gefährlich, und das ist eine Tatsache.

Er ist die Verbindung unseres Stammes mit dem Universum, er ist unser Schamane.

Er steht über den Clanoberhäuptern, und ist doch Ausgestoßener. Alle respektieren und verachten ihn zu gleich.

Und wie schon gesagt, er kann mit einem Wort das Leben retten oder es mit selbigem beenden. Denn nichts steht über seinem Wort, es ist unabänderlich, endgültig.

Er tritt vor das Podest, und als er den Kopf respektvoll senkt, klackern die vielen Knochen, die in Ketten um seinen Hals hängen.

Bedacht senken auch mein Großvater und die beiden anderen ihre Köpfe, der eine mehr, der andere weniger tief.

Kurz treffen sich die Blicke der östlichen Clanführerin und des Schamanen. Über das Gesicht von Miclare huscht ein hasserfüllter Ausdruck, diese Tatsache verwirrt mich, war der Schamane doch ihr Vater.

Ihre Blicke treffen sich, verhaken sich in einander, es scheint so, als wolle Trashnah etwas sagen, doch im nächsten Augenblick ist der Moment verflogen.

Er wendet sich von dem Podest ab. Seine Aufmerksamkeit richtet sich auf die Mitte des Kreises.

Ich will einen Schritt hinein machen, werde allerdings von meinem Vater aufgehalten der meine Schulter festhält.

„Warte noch“, flüstert er, „er wird auf euch zukommen.“

Ich sehe ihn ungläubig an, wie soll der Greis denn wissen, wer wir sind?

Auf einmal beginnt der hagere Mann zu schwanken, er strauchelt, stolpert ins Zentrum des Kolosseum. Plötzlich beginnt er wie am Spieß zu schreien und reißt seine Arme hoch, um sich den Kopf zu halten, seine Stimme überschlägt sich, er krümmt sich zusammen, brüllt.

Nach einigen Minuten erschlafft sein Körper, und Stille legt sich über den Wald.

Wie automatisch habe ich Nartos Hand gegriffen und merke jetzt erst, dass ich mich an ihm festklammere. Er klopft mir sacht auf die Hand und ich ziehe vorsichtig meine Klauen aus seinem Arm. Nachdem er seinen Arm nun wieder hat, legt er ihn beschützend über meine Schulter. Ich spüre wie ich mich augenblicklich ein wenig entspanne.

Der Mann auf dem Boden beginnt wieder, sich zu bewegen, stützt sich auf seine Arme und kommt wieder auf die Hufe. Er scheint noch ein wenig wackelig auf den Beinen zu sein. Auf einmal wirbelt er herum und ist in ein paar Sätzen vor uns.

Jetzt, wo er vor mir steht, merke ich erst, dass er trotz seiner dürren Statur ein gutes Stück größer ist als ich. Er sieht uns in die Augen. Auf einmal heben sich seine Mundwinkel.

„Sana, Nartos, süße Welpen“, mehr sagt er nicht, seine Stimme ist leise und kratzig. Er dreht sich um und geht zurück.

Trashnah macht eine forsche Handbewegung, worauf ich ihm vorsichtig und ein bisschen skeptisch in die Mitte des Kreises folge, dicht gefolgt von meinem Bruder.

Nartos schwingt nervös mit seinem Schweif. Nun wird es ernst, nach der heutigen Nacht wird unser Leben nie wieder dasselbe sein.

In der Mitte des Ritualplatzes bleibe ich stehen. Ich kann meinen kleinen Bruder leise neben mir atmen hören. Spüre die leichte Wärme, die sein Körper ausstrahlt.
 

Wir knien uns vor den alten Mann. Die Knochen seines Schmucks rasseln. Er umrundet uns langsam, scheint uns zu begutachten, wir halten die Köpfe gesenkt. Ich spüre eine knochige Hand, welche mir den Kopf schmerzhaft in den Nacken zieht, er schwenkt ihn hin und her.

Nach einigen Sekunden lässt Trashnah mich wieder los. Ich muss dem starken Drang widerstehen, meinen Kopf zu schütteln, um meinen Nacken wieder zu entspannen.

Ein leises Keuchen seitens meines Bruders, verrät mir, dass auch er gerade unsanft in Augenschein genommen wird.

Leicht amüsiert stelle ich fest, dass mich der Umstand, dass ich meine Überraschung besser unterdrücken konnte als mein Bruder, ein wenig freut.

Der Schamane beendet seine Runde.

„Erhebt euch! Die Götter des Himmels und der Erde sind sich einig.“ Er wartet, bis wir wieder stehen, bevor er weiterspricht. „Bei der Geburt der beiden habe ich prophezeit, dass sie besonders sind. Dass sie auch ohne die Opferung zu stattlichen Kriegern werden, und ihr Lebensweg hat sich nicht verändert.“

Er macht eine bedeutende Pause.

Ich spüre ein winziges bisschen Anspannung von mir abfallen.

Obwohl uns von jeher immer gesagt worden war, dass wir etwas Einzigartiges und durch eine glückliche Fügung von der Opferung ausgenommen seien, hatte ich bis heute immer noch die Befürchtung, dass sich unser Schicksal noch ändert. Dass ich meinen Bruder, mein Gegenstück, meine Mitte, mein Herz, doch auf ewig verliere.

Nartos schaut mir in die Augen. Ein leichtes Lächeln huscht über sein Gesicht. Wir wenden uns einander zu. Trashnah beginnt wieder zu sprechen -

„Sana, Tochter der Erde und des Feuers, schwörst du Nartos, deinem Bruder, deinem Zwilling, deinem Partner, ihn zu beschützen, ihn zu stützen sollte er straucheln, ihn zu feiern sollte er siegen und ihm wenn nötig deine Seele zu schenken sollte er zweifeln?“

Wortlos nicke ich, ich habe keine Ahnung ob ich eigentlich etwas sagen sollte, doch da der Schamane sich nun an Nartos wendet, schien meine Geste wohl ausgereicht zu haben.

„Nartos Sohn des Feuers und der Erde, schwörst du Sana, deiner Schwester, deinem Zwilling, deiner Partnerin, sie zu beschützen, sie zu stützen sollte sie straucheln, sie zu feiern sollte sie siegen und ihr wenn nötig deine Seele zu schenken sollte sie zweifeln?“

„Ja, das werde ich.“

Nartos dreht sich wieder zu mir -

„Sollte sie fallen werde ich sie auffangen, sollte sie zerbrechen werde ich sie wieder zusammensetzen, sollte sie scheitern werde ich ihren Pfeil für sie schießen und sollte sie vergehen werde ich ihr mein Herz opfern.“

Mein Bruder sieht mir tief in die Augen, ich habe das Gefühl, in sein Innerstes sehen zu können. Ich spüre, wie die Rührung in mir versucht, sich an die Oberfläche zu kämpfen. Er war von uns beiden schon immer derjenige gewesen, welcher besser mit Worten umgehen konnte. Meine Augen beginnen zu brennen. Er legt den Kopf schief und fügt flüsternd hinzu, so, dass es niemand außer mir versteht, „und sollten dir jemals die Worte fehlen, werde ich deine Stimme sein.“

Leicht schmunzelnd hebe ich den Blick, welchen ich gesenkt hatte.

„Dann soll euer Blut euch stärken, schützen und binden, aus dem Kreis seid ihr gekommen, zu diesem werdet ihr zurückkehren!“

Nartos und ich ziehen unsere Messer. Ich schließe meine rechte Hand um die Klinge zu einer Faust. Mit einem kräftigen Ruck ziehe ich es heraus.

Fuck das tut mehr weh als ich dachte.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Nartos keine Mine verzieht.

Trashnah streckt auffordernd seine Hände aus. Einen kurzen Augenblick verfalle ich in Panik, weil ich keinen blassen Schimmer habe, was er von mir möchte.

Doch Nartos rettet mich aus dem Debakel. „Deine Kette“, raunt er mir zu und nimmt seine eigene von seinem Hals.

Endlich verstehe ich und beeile mich es ihm nach zu tun.

Heute ist der Tag, an dem wir die Ketten welche wir zu unsere Geburt bekommen haben, tauschen werden. Der Stein des anderen soll uns Glück bringen, und manche sagen das man, wenn man ganz stark mit seinem Partner verbunden ist, über den Stein sogar spüren kann wie es dem anderen geht, doch das ist nur ein Mythos.

Ich lasse die Kette in Trashnahs Hand fallen, mir widerstrebt es, diesen mir wichtigen Gegenstand aus der Hand zu geben.

Im Schein der Fackeln schillern sie in einem tiefen Rot, was noch von dem Blut auf ihnen unterstützt wird. Einen Moment lasse ich das Spiel des Feuers in der Spiegelung auf mich wirken, ehe ich mir Nartos Kette nehme und die zerrissenen Enden des Bands in meinem Nacken zusammen knote.

Ich grinse ihm entgegen. Bedächtig nimmt er nun die Kette, welche ich die letzten achtzehn Jahre getragen hatte.

Er hält sie mir hin, aus einem Reflex heraus nehme ich sie. Er dreht sich mit dem Rücken zu mir. Ich gehe zwei Schritte, die uns noch trennen und raune ihm ins Ohr -„Was soll der Scheiß?“ Er dreht sich leicht zu mir um, „ich hätte gerne, dass du mir die Kette ummachst“.

Ich werde ein bisschen rot, keine Ahnung warum, aber irgendwie ist mir diese Situation gerade peinlich. Das ignorierend, komme ich Nartos' Aufforderung nach, und hänge ihm den Stein um den Hals.

Er dreht sich wieder zu mir. Und gibt mir einen flüchtigen Kuss auf die linke Wange. Ich bin ein bisschen aus dem Konzept gebracht.

Doch nun meldet sich unser Großvater wieder zu Wort -

„Damit ist der Ritus vollendet!“ Er hebt einladend die Arme. „Jetzt möchte ich alle bitten, sich auf den großen Berg zu begeben, dort wird der Abschluss dieses Abends stattfinden. Allen älteren Kriegern und Kriegerinnen steht es natürlich frei, auch schon zur großen Lichtung zurück zu kehren.“

Die Gruppe beginnt sich zu teilen, die meisten machen sich auf zur Spitze des Hügels. Einzelne gehen allerdings in Richtung Lichtung.

Unsere Mutter kommt auf uns zu. Drückt uns an sich. „Das habt ihr gut gemacht, ich bin sehr stolz auf euch!“ Ich grinse.

Wenn man sie gerade so betrachtet, dicker Bauch, ein wenig ungeschickt und schon wieder fast am Weinen, käme man nicht auf die Idee, dass sie eigentlich eine unserer besten Jägerinnen ist.

„Wir sehen uns morgen, ich muss ins Lager zurück, mich um Antres kümmern.“

Wir umarmen uns noch einmal, bevor sie sich den anderen anschließt, die nicht mehr mit uns kommen.

„Und wollen wir auch mal?“ fragt Keirus, der mit Aska im Schlepptau hinter Nartos und mir auftaucht.

Ich sehe an meinem Kumpel vorbei, finde den Blick von meerblauen Augen, welche mir entgegen strahlen. Im Schein der Fackeln wirken sie wie die aufgewühlte See, also nicht dass ich das Meer schon mal bei Sturm gesehen hätte, aber so stellte ich es mir vor, schön und alles verschlingend.

Ein Pfiff holt mich wieder in die Wirklichkeit.

„Ou shit Girls“. Meine eine Hand liegt in Askas Nacken, mit der anderen ziehe ich sie näher an mich heran. Ihre Hände vergraben sich in meinen kurzen roten Haaren. Und unsere Lippen liegen auf einander. Das fühlt sich unheimlich gut an. Ich rieche wieder den Regen und den Wald wie heute Mittag, nur das der Duft hundert mal stärker ist. Meine Finger fahren durch ihre langen Haare.

„Nee echt, wir müssen los“, Keirus grinst. „Ihr könnt ja später weiter machen“. Ohne hinzugucken gibt Aska ihm einen derben Stoß in die Rippen, der ihn sich keuchend zusammen krümmen lässt, bevor sie den Kuss langsam löst.

Als ich wieder klarer denken kann, sehe ich prüfend und unsicher zu Nartos. Dieser zuckt aber nur mit den Achseln. „Wurde aber mal Zeit, dass du den Arsch hoch kriegst!“

Ich knuffe ihn leicht in die Seite und wir machen uns auf den Weg. Also nachdem wir Keirus wieder aufgerichtet haben, der ja von Aska zu Fall gebracht wurde.

Auf der Hügelkuppe brannte bereits ein Feuer, und ein paar der von uns erlegten Tiere brutzeln bereits über den Flammen. Ich freue mich darauf, was jetzt kommt.

Aska und ich beschlagnahmen einen der Baumstämme, welche als Sitzgelegenheiten um das gesamte Feuer herum liegen. Die anderen beiden holen derweil was zu mampfen für uns und sich selbst.

Ich lehne den Kopf an die Schulter meiner Freundin, es ist schön das zu denken -„meine Freundin“. Ihre Finger kraulen ihn, was ich mit einem leisen Schnurren quittiere.

Dieser Tag war unglaublich anstrengend doch auch sehr schön, ein Tag, an den ich mich bestimmt immer erinnern werde.

Mein Blick wandert in die Flammen. Genau wie alle anderen unseres Stamms liebe ich das Feuer, es ist warm, beruhigend und unaufhaltsam.

Ohne darüber nachzudenken greife ich nach dem Stein um meinen Hals, kurz bin ich irritiert, bis mir einfällt das es ja jetzt der von Nartos ist. Seine Maserung ist ganz anders als die meines eigenen. Er ist auch ganz glatt, doch die Risse verlaufen auf der anderen Seite.

Endlich kommen Keirus und Nartos mit vier großen Keulen Fleisch zurück. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, es riecht köstlich und ich habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen, also richtig heftig Kohldampf.

„Na endlich!“ meine ich gespielt genervt.

„Wir wollten euch nicht stören, und Nartos wollte den Klang deines Schnurrens noch genießen.“

Mir stieg die Schamesröte ins Gesicht. Schnurren war was für Weicheier.

Mein Bruder tätschelte mir den Kopf. „Ist doch schön!“

Ich gucke zerknirscht zur Seite. Alle drei fangen an zu lachen und ich funkele sie böse an. Nach ein paar Minuten haben sich diese Idioten wieder eingekriegt und ich bekomme endlich mein Fleisch.

Nartos setzt sich neben mich und unisono beißen wir das erste Stück aus unseren Keulen heraus. Keirus und Aska tun es uns gleich. Der Bratensaft tropft uns die Hände runter und landet auf der festgetretenen Erde. Allmählich sind auch die letzten Nachzügler eingetrudelt und die Stämme ums Feuer füllen sich zusehends.

Lotwes ergreift das Wort, er räuspert sich kurz -

„Nun, da alle neuen Mitglieder anwesend sind, kann es weiter gehen. Ich bitte euch jetzt, euch zum Feuer zu begeben.“

Es vergehen noch ein paar Minuten, bis die gesamten Anwesenden sich mit Essen bewaffnet hinsetzen.

Trashnah steht auf. Er schüttelt kurz die steifen Glieder, was seinen Schmuck leise klappern lässt. Augenblicklich senkt sich bedächtiges Schweigen über die Hügelkuppe.

Ich fühle wie sich Spannung in meinem Körper breit macht. Ich knuffe Nartos wieder in die Seite. Er verdreht genervt die Augen, ob meines Blickes, der freudig verkündet -

„jetzt gehts looos!“.

Mein Bruder wuschelt mir durchs Haar, und endlich beginnt unser Schamane zu erzählen.

Anders als gedacht

„Am Anfang gab es nur Ra und Gaya. Ihnen war es bestimmt, auf ewig gemeinsam, durch das unendliche sein zu treiben.

Sie waren sehr glücklich zusammen, doch Gaya spürte, dass ihr etwas fehlte. Ra der es nicht ertragen konnte sie unglücklich zu sehen, suchte und suchte nach etwas, das Gaya wieder froh stimmte. Er erschuf Planeten, malte ihr ganze Sternbilder, doch all dies konnte die Leere in ihrem inneren nicht füllen. Auf die Frage hin, was er für sie tun könnte, hatte Gaya keine Antwort für ihn. Und als Ra schon fürchtete sie an das Nichts zu verlieren, ging ihm ein Licht auf.

Seine Über alles geliebte Gaya wollte Kinder, und so erschuf er Feuer und Luft, voller Temperament und Kraft. Gaya umsorgte und liebte sie. Doch sie waren unausgewogen und ungestüm. Weshalb Gaya sich dazu entschloss Erde und Wasser zu formen, gelassen und unaufhaltsam. Auf dass sie ihre wilden Brüder im Zaum halten.
 

Gemeinsam erschufen Ra und Gaya die Welt, Meere, Berge, Vulkane, Ebenen und Seen. Sie schufen Tiere, Pflanzen, Leben. Auf dass sie diesen Ort bevölkern und bewohnen.

Ihre Kinder liebten es den kleinen Geschöpfen zu zusehen. Die Welt wuchs und wuchs und es begann, dass es immer öfter geschah, dass Wasser, Feuer, Luft und Erde herab stiegen, um unter denen von ihren Eltern entworfenen Wesen zu wandeln. Und da kam auch in den Vieren der Wunsch auf, es Gaya und Ra gleich zu tun und etwas zu erschaffen.

Erde nahm Lehm und Steine. Sie machte ihre Wesen groß und gab ihnen einen Willen standhafter als jedes Gebirge. Wasser formte aus Eis und Salz Kreaturen, schöner als der Morgentau und tückisch wie das tiefe Meer. Luft entwickelte aus Rauch und Wolken ein Geschöpf mit Flügeln, auf dass sie sie in die höchsten Lüfte tragen möge, und einem Gemüt so sprunghaft wie der Wind selbst. Und Feuer entschied aus Lava und Hitze etwas zu kreieren, ein Wesen aufbrausend wie ein Vulkan und widerstandsfähiger als die kleinste Kakerlake.

Gaya war sehr stolz auf sie und Ra erlaubte es Ihnen ihre Geschöpfe in die Welt zu bringen.

Wassers Wesen tummelten sich im Meer, die von Erde hatten schnell die Ebenen für sich eingenommen. Feuers ließen sich auf den Vulkaninseln und im inneren der Lavaströme nieder. Und Luft schenkte seinen Kreaturen eine fliegende Stadt, von der aus sie den Himmel erkunden konnten.

Doch schnell wurde klar, dass es Dinge gab die sie nicht bedacht hatten. So wollten die Wasserwesen auf Land, Luft`s Geschöpfe wurden von der Sonne verband, und die Kreaturen aus Salz und Lehm lösten sich beim ersten Regen auf. Einzig das Leben, welches Feuer erschuf schien zu funktionieren. Doch auch das trügte, denn dort, wo sie waren gab es keine Nahrung und als sie an die Oberfläche traten, um dort zu jagen, erfroren sie bitterlich.

Erde und Wasser wussten sich nicht anders zu helfen, und entschieden sich ihre Geschöpfe zu vereinen. Was diesen ermöglichte, sowohl auf Land zu wandeln, als auch die Tiefen des Meeres zu erkunden.

Feuer und Luft jedoch waren sich sicher diese Probleme für sich allein lösen zu können. Die Wesen aus Wolken und Rauch bekamen einen festen Körper, das machte sie dann zu schwer um richtig zu fliegen. Und Feuer hatte seinen Geschöpfen Fell gegeben um sie vor der Kälte zu schützen, doch sobald sie wieder in die Lava wollten, gingen sie in Flammen auf. Die beiden probierten und probierten. Und eines Tages hatten sie Kreaturen erschaffen, die ihnen gefielen und die ihrer würdig waren.

Zu der Zeit begab es sich das Gaya und Ra den Wunsch verspürten weiter zu ziehen, und so vertrauten sie ihre erschaffene Welt ihren vier Kindern an, auf dass sie ein wachsames Auge auf ihre Schöpfung haben mögen.

Doch es dauerte nicht lange und Luft und Feuer begannen sich darum zu streiten, wer die wirklich wichtigen Entscheidungen fällen durfte. Sie wurden und wurden sich nicht einig.

Erde und Wasser meinten, es solle doch der regieren, deren Schöpfung am besten wäre. Und so gab Luft seinen Geschöpfen ihre Flügel zurück, ermahnte sie jedoch der Sonne nie zu nahe zu kommen. Feuer hingegen machte seine Wesen größer und robuster, auf dass sie sich vor keinem Angriff fürchten müssten. Doch beide Schöpfungen wurden so gut, dass ihre Schwestern sich nicht entscheiden konnten. So entschieden Feuer und Luft, dass der gewinnen und regieren solle, dessen Spezies es schaffte, die des anderen auszulöschen.

Trashnah schloss seine Geschichte mit einem undeutbaren Blick auf die Stelle, an der die Geschichte auf dem großen Stein endet, die er uns gerade erzählt hat. Er scheint noch etwas sagen zu wollen - doch auf einmal hört man ein Horn langgezogen über den Wald schallen, erst einmal, dann noch zweimal.
 

Alle springen auf, das war ein Notsignal, unser Lager wurde angegriffen!

Wir schnappen uns unsere Waffen. Und einen Augenblick später stürmen alte, wie neue Krieger geschlossen durch den Wald. Ich muss an Antres und Mutter denken, die mit den anderen Kindern und Schwangeren im Lager sind. Meine Sprünge werden weiter. Ich spüre das Nartos dicht hinter mir ist. Es sind nur wenige Krieger auf der Lichtung, die meisten waren mit uns zum Feuer gekommen.

Gemeinsam brechen wir durch die Baumgrenze. Das Feuer in der Mitte des Platzes ist aus, und vom gegenüberliegenden Ende des Lagers hört man erstickte und gequälte Schreie. Ich rase zusammen mit den anderen los, doch der Kampf ist bereits vorbei. Auf dem Welpenplatz liegen zuckende und wimmernde Leiber, aber die meisten sind stumm und starr.

Ich kann Quentus sehen, unter dem ein weinender Welpe hervor kriecht. Einer der Krieger der bereits früher gegangen war um sich um sein Kind und seine Frau zu kümmern, beide hält er in seinen leblosen Armen.

Neben dem endlos fließenden Blut fliegen überall weiße Federn herum. Wer uns angegriffen hat ist klar, und unsere Strategie auch -

jeden töten den wir in die Finger bekommen!

Ein paar bleiben zurück um sich um die zu kümmern die man noch retten kann.

Der Rest macht sich auf.

JAGEN!
 

Die Fährte der Angreifer aufzunehmen ist kein Problem. Einer von ihnen scheint offensichtlich verletzt, die Bäume an denen wir vorbei kommen sind blutverschmiert. Außerdem sind sie nicht gerade leise, so wie sie durchs Unterholz brechen. Das laufen im Dickicht scheint Ihnen sehr schwer zu fallen.

Nach ein paar Minuten entdecken wir den ersten, wie erwartet blutend, doch direkt davor ist ein weiterer, der auch ziemlich fertig aussieht. Eine Kriegerin aus unserem Clan, vielleicht fünfzehn Jahre älter als ich selbst und ich sprinten los. Wir fliegen geradezu über die Äste und Stämme, die den Boden bedecken.

Mit einem markerschütternden Schrei stürzt sie sich auf den ersten der beiden, welcher augenblicklich zu Boden geht und regelrecht zerfetzt wird.

Ich renne einfach weiter, meine Beute ist der Andere, welcher durch haken schlagen versucht mir zu entkommen. Doch mit dem nächsten Satz bin ich bei ihm. Ein gezielter Tritt wirft ihn in den Dreck. Ich stehe auf seinem Flügel, hindere ihn daran davon zu fliegen. Meine Klauen schlagen sich in seinen Rücken, direkt zwischen seine Schulterblätter dort, wo die Flügel in seinen Rücken münden. Er schreit, brüllt auf, versucht sich unter mir fort zu winden, doch ich bin unerbittlich. Das Blut läuft über seinen Rücken, färbt die Gewänder, welche wohl ein dunkles Grün hatten, in ein noch tieferes Rot. Mit einem Ruck, und einem letzten gellenden Schrei seinerseits, reiße ich ihm die Wurzel einer seiner Flügel aus. Augenblicklich hört er auf zu schreien. Sein Körper zuckt noch zwei drei Mal, bevor er dann regungslos liegen bleibt.

Dieses ganze Szenario dauerte nur ein bisschen länger als eine Minute.

Blutverschmiert richte ich mich wieder auf. Für einen kurzen Moment höre ich nur das leise plätschern des Blutes, welches noch immer aus dem am Boden liegendem quillt. Ich lausche dem Geräusch und meine Gedanken verstreuen sich, entgleiten mir.
 

„...na ...ana ...sana ...VERDAMMT SANA!“

Brennender Schmerz zuckt durch meine rechte Gesichtshälfte und holt mich zurück ins Hier und Jetzt, welches erbarmungslos auf mich einschlägt. Ich sehe in das hasserfüllte und zornige Gesicht meines Bruders.

Er packte mich am Arm.

„Wir müssen weiter, viele von ihnen sind uns entkommen.“

Er fängt wieder an zu rennen, zieht mich mit sich. Zwei Schritte strauchele ich ihm noch leicht desorientiert hinterher, ehe ich wieder fokussiert bin, und ihm nun eigenständig in großen Sätzen folge. Wir brauchen nicht lange um wieder zu den anderen unseres Stammes aufzuschließen, und uns kurz darauf erneut an die Spitze der jagenden Horde zu setzen.

Mir kocht das Blut in den Adern. Ich fletsche die Zähne. Meine Nackenhaare stellen sich auf. Ich will töten. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich einen so starken Wunsch danach jemandem den gar auszumachen. Ich will Blut schmecken und zwar jetzt!

Kurz fällt mein Blick auf meinen Bruder, der dicht neben mir ist, und ich sehe das es ihm nicht anders geht. Seine Augen blitzen und sein Gesicht ist zu einer unheimlichen Fratze verzogen.

Von weitem hört man ein Horn schallen. Dreiundzwanzig langgezogene Laute. Das bedeutet dreiundzwanzig Tote. Mütter und Kinder.

Dieses beschissene Federvieh ist dran!

Ich stoße mich vom feuchten Waldboden ab und mache einen weiteren, riesigen Satz nach vorne. Trotz dessen, dass es den Engeln fast nicht möglich ist zu fliegen, sind sie unheimlich schnell und wendig.

Immer wieder haben wir fast einen von Ihnen, aber eben nur fast. Und der Wald neigt sich langsam dem Ende zu, was bedeutet, dass sie dann in höhere Gefilde aufsteigen können.

Der Waldrand kommt in Sicht. Die geflügelten Assassinen legen noch einmal an Geschwindigkeit zu, und dann haben sie den Waldrand durchbrochen.

Ein Pfeil aus unseren Reihen zischt dicht an meinem Kopf vorbei, gefolgt von ein paar Weiteren. Sie treffen zwar keinen der Engel richtig, doch einer streift den hintersten ihrer Gruppe an der Flanke.

Entgegen aller Erwartungen steigen die verbliebenen neun nicht direkt in die Tiefen des Nachthimmels auf, nach dem sie den Wald verlassen haben, sondern bleiben in Reichweite von uns.

Nun da auch wir den Wald verlassen, lassen noch mehr von uns Pfeile durch die Luft fliegen, und sogar ein zwei schleudern ihre Speere.

Plötzlich trifft mich etwas feuchtes im Gesicht, dann noch ein Tropfen. Der verwundete Engel fällt für einen kurzen Augenblick ein bisschen zurück. Es war nur ein Wimpernschlag, doch ganz klar, ihm geht die Kraft aus. Ich spüre wie Genugtuung in mir aufsteigt, ihn werde ich auf jeden Fall erwischen! Nach ein paar Minuten sackt er erneut ein Stückchen tiefer, und schafft es auch nicht mehr zu den anderen aufzuschließen.

Meine Chance!

Ich setze zu einem Sprint an und strecke meine Hand aus. Ein heftiger Ruck fährt durch meinen Körper. Ich werde von den Beinen gerissen. Als ich aufblicke sehe ich das Gesicht meines Bruders. Sein Blick spiegelt pure Verwunderung und Entsetzen wieder, und noch etwas das ich nicht verstehe... Erleichterung.

Ich Spanne meine Muskeln an, versuche wieder auf die Hufe zu kommen, auf ihn zu zugehen. Nartos schreit auf. Seine Beine geben unter seinem Gewicht nach. Ein dünnes Rinnsal Blut bahnt sich einen Weg aus seinem Mundwinkel, herunter zum Kinn und dann in zähen Fäden auf den Boden.

Ich sehe in sein Gesicht, das immer blasser wird. Mein Blick folgt den Tropfen Blut, welche einfach nicht aufhören wollen zu fallen. Und da bemerke ich die Lanze, welche aus seiner Brust ragt und uns verbindet. Erst jetzt spüre ich das brennen in meiner Schulter. Mein Körper steht in Flammen. Der Speer durchbohrt meine Schulter, doch es fühlt sich an als hätte jemand mein Herz durchstoßen. Ich kann nicht atmen.

„Schwester bitte wein doch nicht“, seine Stimme ist leise, nur ein kraftloses hauchen. Er hebt seine Hand, sie zittert in der Luft. Finger streichen über meine Wange, wischen die Tränen, welche nicht aufhören wollen zu fließen fort.

„Nartos...“ -

mehr kann ich nicht sagen, bevor meine Stimme bricht und ich verstumme.

Er legt den Kopf schräg, sieht mich müde an. In seinem Blick ist keine Angst, keine Wut, nur bedauern und... Dankbarkeit? Er möchte noch etwas sagen, doch aus seinem Mund kommt nur noch Blut und pfeifende Luft.

Sein Körper erschlafft, kippt zur Seite. Ich werde mitgerissen, habe keine Kraft uns beide aufrecht zu halten. Wir liegen im weichen Gras. Es ist feucht und angenehm kalt, ob nun vom Morgentau oder von unserem Blut, das ist mir eigentlich egal. Ich liege nur da, sehe meinen Bruder an, fühle nichts. Seine Augen sind geschlossen, sein Gesicht entspannt. Er hätte auch schlafen können. Ich bin eine leere Hülle, mein Geist treibt davon.

Aus weiter Ferne kriege ich mit wie der Speer aus uns gezogen wird. Jemand hebt mich hoch, bringt mich fort.

Es ist mir egal.

Jemand spricht mit mir, möchte mich trösten. Ich höre nicht hin, denn es ist...

EGAL.

Das Gewölbe

Nach einer Stunde Fußmarsch, es wird schon wieder hell, erreichen wir die große Lichtung. Wir kommen am Welpenplatz vorbei. Ringsumher liegen Leichen verstreut, Alte, Frauen, Kinder, den Schwangeren haben sie sogar die Bäuche aufgeschlitzt. Überall kauern weinend, schreiend, bettelnd, flehend, die Krieger und Kriegerinnen unseres Stammes.

Ich sehe Antres und unseren Vater die neben einer der Schwangeren hocken. Ich möchte zu Ihnen, aber mein Körper bewegt sich nicht. Ich hänge immer noch im Arm desjenigen der mich hergetragen hat. Schlaff, als wäre ich einer der Toten um mich herum.

„Sana!“ -

Ich drehe den Kopf zur Seite, sehe wie mein Großvater gefolgt von dem Schamanen auf mich zu kommt. Sie bleiben vor uns stehen. Mein Opa streicht mir die wirren Haare aus dem Gesicht, schaut mir in die Augen.

„Häuptling! Sie steht unter Schock, soll ich sie zu den anderen Verletzten bringen?!“

Bestimmt schüttelt er den Kopf -

„Nein! Gib sie mir, ich werde mich um meine Enkelin kümmern.“

Vorsichtig übergibt mich der Krieger. Großvaters Gesicht ist ausdruckslos. Keine Trauer, keine Wut, eine undurchdringliche Maske.

Er bringt mich zum Kolosseum. Auf dem Weg durch die Bäume erinnere ich mich, wie ich glücklich und aufgeregt durch diesen Wald getrabt bin. Wir erreichen die obere Kante der Tribünen. Ich werde durch den Vorhang aus Lianen und Blättern getragen, welcher den Eingang nach unten versteckt.

Der Schamane geht voraus, führt uns durch Gänge die mir noch nie aufgefallenen waren. Wir kommen in ein Gewölbe deren Dach nur aus Ästen besteht. Fackeln gibt es hier keine, der gesamte Raum wird nur vom Schein des Mondes und der Sterne erhellt. In der Mitte liegt etwas. Wir gehen näher heran. Es ist ein Körper. Opa setzt mich auf den Boden, neben den Leichnam.

Ich sehe mir das Gesicht an, den leicht geöffneten Mund, mit dem Hauch eines Lächeln auf den Lippen, die schmale Nase, die große Narbe, welche sich über die gesamte linke Wange vom Kinn bis zum Auge zieht, die fahle Haut, die sonst kräftig Braun-Rot war. Und die geschlossenen Augen, die wirken als könnten sie jeden Moment wieder aufgeschlagen werden. Ich rutsche näher heran, Strecke die Hand aus. Vor mir liegt mein Bruder.

Meine Brust schnürt sich zu. So wie er da liegt hätte er auch nur schlafen können, wäre da nicht das Loch in seiner Brust.

Ich berühre seine Wange, Streiche zaghaft über die kleinen Lachfältchen an seinen Mundwinkeln, die Sorgenfalten zwischen seinen Augen.

Seine Haut ist eiskalt. Mein Blick fällt auf sein Ohr. Sein Schmuck und seine Armbänder sind weg. Der Stein, den ich ihm noch vor wenigen Stunden gegeben habe, damit er ihn beschützt, liegt zerbrochen neben seinem Kopf.

Ich will schreien, die ganze Welt soll meinen Schmerz hören, doch es kommt nur ein ersticktes Schluchzen aus meiner Kehle. Und plötzlich heule ich bitterlich wie ein kleines Kind. Werfe mich über ihn. Drücke ihn. Beschimpfe ihn. Flehe ihn an zu mir zurück zu kommen. Und natürlich antwortet er nicht.

Irgendwann, ich weiß nicht nach wie vielen Stunden, verstumme ich und lege mich neben ihn. Meine Hand liegt auf seiner, ich halte sie ganz fest. Die leichte Borke die sich auf meiner Handinnenfläche gebildet hatte geht wieder auf, doch es kümmert mich nicht. Ich werde ruhiger, mein Atem regelmäßiger und dann endlich gleite ich in einen alles betäubenden und traumlosen Schlaf.
 

Das erste was ich wahrnehme als ich die Augen aufschlage ist die Tatsache, dass ich allein bin.

Die Sonne scheint durch das Blätterdach, welches leicht im Wind wogt und tanzende Schatten auf die Erde zeichnet. Ich kann das zwitschern der Vögel hören, und sehe ein Fliegenpaar sich jagen und umspielen. Die Luft ist angenehm warm, sie riecht nach Gras und Wald.

Nartos Leichnam ist verschwunden. Der zerbrochene Stein ist ebenfalls weggeschafft worden. Ich richte mich auf, sehe mich um.

Es ist tatsächlich niemand außer mir da.  

Nun, da das Gewölbe lichtdurchflutet ist, kann ich die Zeichnungen an den Wänden erkennen. Ich gehe näher heran, betrachte sie. Sie scheinen gleiche Geschichten zu erzählen wie die, die wir gestern gehört haben. Doch diese hier gehen sehr viel weiter, zeigen Ereignisse welche über die anderen Zeichnungen auf dem Stein oben auf dem Berg hinaus gehen. Vielleicht sogar Jahrhunderte in die Zukunft?

Ich kann aber nichts genaues erkennen, die Wand gegenüber vom Eingang ist einfach zu verwittert und rissig. Vorsichtig streiche ich über die breiten Risse, fühle den unebenen Stein unter meinen Fingern. Angestrengt versuche ich etwas zu erkennen. Es sieht so aus, als würde es mal eine vierte oder sogar fünfte große Spezies geben, aber woher sie kommt kann ich nicht erkennen, denn dort sind sogar Teile aus der Wand heraus gebrochen.

Ich sehe mich auf dem Boden um, suche die fehlenden stellen, doch ich kann nichts finden. Ich drehe mich um -

„Nartos, was denkst du ist mit Ihnen...“ ich verstumme, mein Herz verkrampft sich und ein Riesen Klos schnürt mir die Kehle zu. Für einen Augenblick hatte ich vergessen, dass er mir nicht Antworten kann, mir nie wieder antworten würde.

Auf einmal will ich nur noch hier weg! Ich renne aus dem Raum, hasste durch die Gänge, und stehe wenige Sekunden später wieder auf dem großen Platz im Kolosseum.

In der Mitte sitzt Trashnah, er hat die Augen geschlossen. Um ihn herum sitzen die verschiedensten Vögel, von kleinen Spatzen, über Elstern, bis hin zu großen Raben. Alle sitzen andächtig und friedlich nebeneinander.

Ich spüre Zorn in mir aufbrodeln. Ich stapfe auf ihn zu, die Vögel in meinem Weg machen flügelschlagend Platz.

„Du hast gesagt wir können beide Leben...!“, schreie ich ihn an, „du hast gesagt wir sind anders, was Besonderes! Du meintest wir wären stärker als alle Anderen!“ Die Tränen laufen mir schon wieder die Wangen hinunter. Ich funkele den Mann auf dem Boden wütend an.

Bedächtig öffnet Trashnah die Augen. Er sieht zu mir herauf. Als er aufsteht schütteln die Vögel ihre Flügel und fliegen davon. Ein Sturm aus Staub und Federn erhebt sich um uns.

Er fängt eine von ihnen, eine pechschwarze Rabenfeder, und zeigt sie mir.

Ich sehe ihn verständnislos an.

„Federn sind stark, stabil und unverzichtbar für die Vögel. Sie tragen sie über die höchsten Berge und durch die heftigsten Stürme, und doch reicht ein einziger Flügelschlag, um sie davon zu wehen.“

„Und was willst du mir damit sagen?!“ Ich trete noch einen Schritt näher an ihn heran. Er reicht mir die Feder.

„Was glaubst du, wie viel der Rabe schon mit dieser Feder zusammen erlebt hat?“

Verwirrt gucke ich sie an. Ich zucke mit den Schultern -

„Keine Ahnung, wieso ist das wichtig?“ erwidere ich genervt.

„Sie haben eine unglaublich lange Zeit mit einander verbracht, waren unzertrennlich und doch hat der Rabe sie hier zurückgelassen.“

Ich mache eine wirsche „und weiter?“ Bewegung. Er seufzt bedauernd.

„Manchmal muss man etwas wichtiges opfern, um in seinem Leben weiter zu kommen, und wenn es einem auch noch so lieb und teuer war.“

Ich falle auf die Knie -

„aber warum er? Und warum so?“ Meine Tränen landen im feinen Staub auf den Boden.

„Ich wusste, dass nur einer von euch diese Nacht überleben würde, aber ich wusste nicht, wer. Und es war wichtig, dass ihr das ganz allein entscheidet.“

„Ich hab gar nichts entschieden!!“

Ich schlage auf den Boden ein. Die nasse Erde bleibt an meinen Fäusten kleben dort, wo sich der Dreck mit meinen Tränen vermischt hatte.

„Dir scheint vielleicht alles aussichtslos, doch es bietet dir auch Möglichkeiten.“ Er nimmt meine Hände und öffnet die, in welcher ich immer noch die schwarze Feder halte. Ein Windstoß erfasst sie, und im nächsten Moment, wirbelt sie schillernd davon. Es war mir nicht aufgefallen, wie schön sie in der Sonne aussah.

Trashnah zieht mich wieder auf die Beine.

„Es wird besser werden.“ -

Er lächelt sachte, der Wind fährt durch sein graues Haar und auf einmal wirkt er mindestens dreißig Jahre jünger, und zum ersten Mal fühle ich mich tatsächlich mit ihm verbunden.

Trashnah setzt sich wieder zurück auf die Erde, und schließt seine Augen. Unser Gespräch scheint beendet.

Ich verlasse das Gebäude unter der Erde und trete in das grün des Waldes. Auf dem Weg zur großen Lichtung begegnen mir viele Tiere, sogar ein paar Rehe, welche schnellen Schrittes an mir vorbei ziehen. Es ist sogar ein tollpatschiges Kitz dabei.

Als ich durch die Bäume trete sehe ich, dass bereits Tage vergangen sein müssen. Die Leichen sind weg und der Berg an Beute, den wir Jungen erlegt hatten, ist fast vollständig verschwunden.

Ich sehe mich um, entdecke hier und da ein paar aus meinem Clan. Aber weder mein Vater, noch Mutter, noch Antres oder mein Großvater kann ich finden. Zielstrebig steuere ich die Gruppe am Feuer an.

„Kann mir bitte einer von euch sagen, wo ich meinen Vater oder meine Mutter finde?“

Die Angesprochenen sehen zu mir auf.

„Dein Vater ist mit den anderen am Fluss des Abschieds...“, bedauernd sieht mich die kleine Runde an, dann fährt ein anderer fort -

„Guran erweist deinen Brüdern die letzte Ehre.“

Ich stocke -

meinen Brüdern?! Drehe mich einfach um, fühle mich wie vor den Kopf gestoßen. Ich hätte noch einen Bruder gehabt. Und Mutter... - weiter kann ich nicht denken. Mir geben die Beine nach.

„Sana!“

Jemand umarmt mich.

„Oh Sana, es tut mir so leid!“

Ich blicke zur Seite, langes hellrotes Haar wellt sich über den Rücken der Person. Leblos hänge ich in Askas Armen. Habe nicht die Kraft, ihre tröstende Wärme in mir aufzunehmen. 

Eine Zeit ohne Ende

Wie in Trance laufe ich hinter meinem Vater und meiner kleinen Schwester her.

Wir waren noch einen weiteren Tag auf der Lichtung geblieben, nachdem ich wieder aufgewacht war, haben die Woche zu ende gebracht.

Ich hatte fast die gesamte Woche der Zusammenkunft in dem Gewölbe gelegen und geschlafen. Es gab schon welche die befürchtet hatten ich wäre vor Trauer mit Nartos gemeinsam dort gestorben. Doch noch bin ich am Leben, zumindest körperlich.

Wir traben in einem konstanten Tempo in Richtung Berge, kommen an Wäldern, Flüssen und Seen vorbei. Am Abend haben wir bereits eine der großen Ebenen erreicht. Wir schlagen unser Lager auf. Normalerweise wären alle in ihren Kleinfamilien zurück zu unserem Dorf gelaufen, doch mein Großvater wollte in diesen schweren Zeiten nicht, dass sich unser Clan splittet. Und so waren wir alle gemeinsam losgezogen.

Es werden schnell ein paar Feuer angezündet, und für die Kinder und Verletzten Zelte aufgespannt. Nicht, dass uns noch mehr wegsterben!

Als ich fertig mit helfen bin, lasse ich mich erschöpft neben meinem Vater sinken. Auf seinem Schoß liegt Antres, ihre Augen sehen verheult aus, sie wimmert leise im Schlaf. Ich streiche ihr durch die dunkelroten Haare, die sie genau wie unsere Mutter lang in einem sauberen, geflochtenen Zopf trägt.

„Ich weiß noch, wie bestürzt deine Mutter und ich gewesen sind, als du eines Tages von der Jagd kamst und deine Haare zerzaust und abgerissen waren. Du hast so geweint, dass Nartos meinte er würde sie sich auch abschneiden, damit ihr wieder gleich ausseht.“

Mein Vater zaust mir durch die Haare, welche ich seit dem immer kurz getragen hatte. Ich erinnere mich an den Tag, bei dem Gedanken an meinen geliebten Bruder zieht sich meine Brust schmerzhaft zusammen.

Ich rappele mich auf und gehe. Ich kann den Blick meines Vaters in meinem Nacken spüren, doch er hält mich nicht auf.

Meine Schritte führen mich an den Rand unseres Lagers. Neben einem dicken Baum lasse ich mich wieder auf die Erde sinken. Ich döse ein bisschen. Mein Kopf lehnt an der rauen Rinde und meine Gedanken schweifen wieder zu Nartos, der seine langen Haare geliebt hatte, genau wie ich. Doch er hatte keinen Augenblick gezögert sie zu schneiden, damit ich mich nicht mehr schlecht fühlte...

Am Morgen brechen wir auf, sobald die Sonne aufgeht. Laufen dann bis zum Mittag. Am nächsten Wäldchen machen wir ein paar Stunden Pause, und ziehen dann solange weiter bis es wieder dunkel wird. In der Nacht schlafe ich leicht abgelegen, wenn ich nicht gerade Wache halte.

Dieser Tagesrhythmus wiederholt sich so lange, bis wir unsere Höhlen, in unserem Tal im Gebirge, erreichen. Tagsüber rennen, bis jeder Muskel zittert, und nachts von Albträumen heimgesucht werden.

Nartos stirbt vor meinen Augen, jede einzelne Nacht, sobald ich die Augen schließe. 

Wir kommen an.

Alle gehen in ihre Höhlen, die einen um zu trauern, die anderen um Gaya zu danken, dass ihre Liebsten noch bei ihnen sind. Zögernd betrete ich die Grotte, welche Nartos und ich uns vor kurzem gemeinsam gesucht hatten. Ich lege mich ganz nach hinten in die Höhle.
 

Ein Monat nach Nartos Tod

Die Anderen fangen wieder an durchs Dorf zu gehen.
 

In mir Leere 
 

Zwei Monate nach Nartos Tod

Die Anderen sprechen wieder miteinander.
 

In mir Leere
 

Drei Monate nach Nartos Tod 

Die Anderen fangen wieder an zu jagen.
 

In mir Leere
 

Vier Monate nach Nartos Tod 

Die Kinder laufen wieder durchs Dorf.
 

In mir Trauer
 

Fünf Monate nach Nartos Tod 

Die Kinder spielen wieder miteinander.
 

In mir Wut

Mein Weg zu mir

Mir Platz der Schädel!

Ich habe schon lange keine Schmerzen mehr gespürt, irgendwie erfrischend.

Heute Morgen war mein Großvater wieder zu mir gekommenen, um mich, zum keine Ahnung wievielten Mal, dazu zu überreden meine Höhle zu verlassen. Er hat mich gebeten, mit einem der älteren Krieger zu kämpfen, um den Frischlingen ein wenig Anschauungsmaterial zu bieten. Irgendwie, war mir heute danach.

Und genau bei diesem Kampf hat mir mein Gegenüber, gerade seinen Fuß volles Brett gegen den Kopf gezimmert. Ich schüttele ihn kurz um mich wieder zu fokussieren und meine Gedanken zu ordnen. Der Krieger wartet bis ich mich wieder gefangen habe, dann beginnen wir erneut damit uns zu umrunden. Ich kassiere einen weiteren Treffer, dieses Mal einen Schlag gegen den Oberarm. Das gibt morgen richtig schöne blaue Flecken!

Ich bringe so viel Platz zwischen uns wie nur irgend möglich. Meine Konzentration und Reflexe sind offensichtlich nicht ganz richtig auf der Höhe. Ich atme zweimal kräftig ein und aus. Wieder wartet mein Gegenüber, bis ich wieder bei der Sache bin. Mein Puls verlangsamt sich, und alles um mich herum verschwindet, nur der Mann mir gegenüber ist jetzt wichtig.

Ich nicke, und nun kann der Kampf richtig losgehen. Ich taxiere den großen Mann mit dem dunkelbraunen Fell. Dann mache ich einen Satz nach vorne, versuche ihn zum straucheln zu bringen in dem ich seine Füße attackiere. Er weicht aus, versucht seinerseits meinen Schritt aus dem Takt zu bringen.

So geht es dann eine Weile, erst greift der Eine an, dann der Andere. Ab und an, landet einer von uns einen Treffer. Doch auf einmal reicht es mir nicht mehr nur so zu tun, als würden wir kämpfen, wutentbrannt stürme ich auf ihn zu. Ein kurzer Laut der Überraschung, zu mehr kommt mein Gegner nicht, bevor ich ihn zu Boden reiße. Gerade balle ich meine Hände zu Fäusten, um ihm mit voller Kraft das Leben aus zu prügeln. Da packt jemand meine erhobene Faust.

„Das reicht! Sana!“

Ich hebe den Kopf, es kommt mir vor als würde ich aus einem langen Traum aufwachen. Das strenge Gesicht meines Großvaters blickt mir entgegen.

„Danke für deine Unterstützung, du kannst jetzt gehen.“

Ich zucke die Schultern, drehe mich auf dem Absatz um und will gerade gehen, als -

„Sana, komm heute Abend zu mir, essen, wir müssen etwas besprechen.“

Respektvoll senke ich kurz den Kopf.

Der Weg zurück in meine Höhle führt mich durchs Dorf und am belebten Dorfplatz vorbei. Ich sehe die anderen meines Stammes und fühle mich eigenartig fremd in meiner Haut, und wundere mich über mein Desinteresse.

Ich überlege kurz, ob ich meinen Vater und Antres besuchen soll, aber entscheide mich dann doch dagegen. Ich nehme den kleinen Patt zu meiner Höhle. Sobald ich sie betrete, merke ich wie kalt und einsam es hier ist. Wenigstens etwas kann ich spüren.

Ich liege auf dem Fell, ganz hinten in der Höhle, starre an die Decke und merke, dass mich hier nichts mehr hält. Nicht nur nicht in dieser Höhle, nicht in diesem Dorf, nicht in diesem Tal, nicht in diesem Stamm. -

Meine Höhlenzeit, ist definitiv zu Ende!

Ich sehe der Sonne dabei zu wie sie hinter den Bergen verschwindet, packe meine Sachen, was bedeutet, hänge mir den Schmuck meines Bruders um, greife meinen Bogen und kurz bevor ihre letzten Strahlen erlöschen, mache ich mich auf, zu meinem Großvater.

Mein Großvater erwartet mich bereits. Der Tisch ist akkurat gedeckt, er ist einer der wenigen im Dorf, der Wert auf solche Dinge legt. Ich setze mich. Ein paar Sekunden schweigen wir uns einfach nur an, ich sehe dass er sieht dass ich gehe.

„Du hast deine Entscheidung also schon getroffen.“

„So ist es Großvater, und du wirst nichts daran ändern können.“

„Da missverstehst du mich meine Liebe, ich freue mich darüber, dass du selbst darauf gekommen bist. Denn ich denke, dass du hier, zu dieser Zeit, keinen Frieden finden wirst. Hast du denn schon eine Idee, wo es für dich hingeht?“

„Ja, mein Ziel steht bereits fest.“

Wir sehen uns tief in die Augen, meine Smaragdgrünen treffen auf seine Moosfarbenen, in seinem Blick stehen Erkenntnis und Verständnis geschrieben.

Ich stehe auf, er ebenfalls. Er nimmt die zweite Keule vom Feuer, und ohne ein Wort reicht er sie mir. Das ist etwas, dass ich schon immer an der Kommunikation mit meinem Großvater mochte, wir brauchen keine Worte, die Dinge sind klar, wie immer.

Wir treten vor seine Höhle, die Nacht ist eisig.

„Ich werde den anderen sagen, dass du eine Reise machst, um wieder zu dir selbst zu finden.“ 
 

Meine Beine fühlen sich an wie Blei, jeder Schritt auf den Eingang des Tals zu fällt mir schwerer. Ich spüre Großvaters Blick in meinem Nacken.

Nach einer halben Stunde schnellen Laufs merke ich, wie mein Körper sich anfängt zu entspannen. Der Druck auf meinen Schultern wird weniger, meine Bewegungen werden geschmeidiger. Die Zweifel, die mich die letzten Kilometer begleitet haben, verfliegen.

Meine Reise hat begonnen! 

Ich stehe auf einem Hügel, das Gebirge meiner Kindheit liegt hinter mir. Am Horizont geht die Sonne auf und färbt den Himmel orange-blau. Eine flache, weite Ebene erstreckt sich vor mir, dessen Ende kaum zu sehen ist.

Obwohl ich die gesamte Nacht durchgelaufen bin, fühle ich mich voller Energie. Ich laufe noch bis zum Mittag, bevor ich die erste Pause mache. Im Schatten einer der großen Bäume, die auf der Graslandschaft stehen, esse ich die Keule, welche mein Großvater mir mitgegeben hatte. Eine warme Brise zerzaust mir das Haar.

Nach einem kurzen Nickerchen, mache ich mich wieder auf den Weg. Ich komme gut voran. Das Wetter hält sich. Bis es dunkel wird mache ich noch einmal halt, an einem kleinen See, um mich zu waschen und ein wenig was zu trinken.

Ich weiß, dass nun bald der Wald kommen wird. Der Wald, der unseren Ritualplatz umhüllt. Der Wald, in dem Nartos gestorben ist. Gegen Mitternacht, habe ich die nördliche Kante von ihm erreicht. Ich lasse die Bäume, im Dunkel der Nacht, an mir vorbeiziehen. Als die Sonne aufgeht liegt er weit hinter mir, und ich bin froh darum.

Nach einem weiteren Tag, begegne ich zum ersten Mal wieder Artgenossen, welche mich freundlich und warmherzig begrüßen. Je weiter ich Richtung Süden komme, desto mehr verändert sich meine Umgebung. Und ich sehe Pflanzen die ich noch nie zuvor gesehen habe!

Viele von ihnen sind behängt mit diesen großen prallen Früchten, welche ich von den Festen auf der großen Lichtung kenne. Auf einer der Straßen, die diese Hälfte unseres Landes durchziehen, begegnet mir ein Bauer, welcher viele dieser Früchte auf seinem Karren hinter sich herzieht. Als ich näher heran trete, streckt ein Kind seinen Kopf zwischen den Früchten hervor. Es wirft mir freudestrahlend eine pralle Frucht zu. Ich grinse ein bisschen. Nicht nur die Umgebung, sondern auch das Gemüt der Leute, scheint hier weicher und wärmer zu sein.

Die nächsten Tage, laufe ich fokussiert meinem ersten Etappenziel, der legendären Seestadt, entgegen. Sobald ich müde werde, lege ich mich unter einem Baum und schlafe ein bisschen. Wenn ich Hunger habe, esse ich was von den Früchten, die überall am Straßenrand wachsen.

Zu Beginn des vierten Tages, begegnen mir zum ersten Mal Wesen, von denen ich zuvor nur gehört hatte. Neugierig begutachte ich sie, sie wirken auf mich klein und schwächlich. Sie sind für mich die Vorboten der unbekannten Stadt. Ich lege an Tempo zu, und erreiche die Tore am Morgen des nächsten Tages.

Sobald ich durch den Eingang bin, erschlägt mich beinahe das emsige Gewusel, was mich in den Straßen erwartet. Ich tauche ein in dieses mir unbekannte Getümmel, und bahne mir meinen Weg Richtung Hafen.

Dort bin ich auf der Suche nach einem Schiff, welches mich über die Meerenge nach Südland bringt.

Schnell habe ich einen Kapitän gefunden, der bereit ist mich mitzunehmen, doch ich muss bis zum nächsten Tag warten.

Ich sehe mich an den Ständen um, welche überall die Straßen säumen. Hier und da, kaufe ich Kleidung. Denn mir fiel auf, dass ich in meinem Aufzug mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehe, als mir lieb ist. Meine Wahl fällt auf einen langen dunklen Wollumhang, eine gute Lederhose, einen leichten langen Rock, für eine eventuelle Tarnung und ein schlichtes kurzärmliges Oberteil.

Der Tag neigt sich dem Ende zu, weshalb ich nach etwas Essbarem und einem Schlafplatz Ausschau halte. Schnell wird mir klar, dass es in dieser Stadt, ohne Geld keines von beidem zu finden gibt.

Mir kommt ein Gespräch in den Sinn, was ich letztes Jahr zufällig auf der Lichtung mitgehört hatte. Es wollte einer von uns, ein entfernter Verwandter, in den Süden gehen und am Hafen ein Wirtshaus aufmachen. Ich gehe an der Hafenpromenade entlang, schaue mir die verschiedenen Schilder an. Eines der Schilder zieht meine besondere Aufmerksamkeit auf sich, und ich bin mir sicher, dass ich dort richtig bin. Die Sonne ist fast verschwunden, also gehe ich schnell rein.

Drinnen ist ein reges Treiben. Ich gehe an die Bar, bestelle mir etwas zu essen und etwas zu trinken. Danach setze ich mich an einen Tisch, in der Nähe des über und über mit leckerem Obst bedeckten Buffets.

Nach einigen Minuten tritt ein kräftiger groß gewachsener Kerl, mit einem Tablett aus der Küche. Er lässt seinen Blick kurz schweifen, und kommt dann zielstrebig auf meinen Tisch zu. Er stellt zwei Bier und einen großen Teller mit Fleisch und gedünstetem Gemüse vor mir ab, dann lässt er sich, ohne mich zu fragen, strahlend auf den Stuhl mir gegenüber plumpsen.

„Hallo meine Schöne! Dich kenne ich doch irgendwo her. Haben wir nicht dieses Jahr deine Volljährigkeit gefeiert? Wie ist es dir so ergangen nach diesem... Desaster?“

Abwesend blicke ich aus dem Fenster.

„Ja stimmt, das ist der Grund, warum ich hier bin. Meine Brüder und meine Mutter wurden an dem Tag ermordet, und Ich brauche ein bisschen Abstand.“

„Ach mein Herzelein, das tut mir ja leid! Und hast du ein Ziel vor Augen, wo es hingeht?“

Ich zucke mit den Achseln.

„Hmm, weiß ich noch nicht genau, mir die Welt angucken.“, gebe ich ihm eine knappe Antwort.

Er scheint zu verstehen, dass ich nicht darüber sprechen möchte, und nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem Bierglas, während er durch den Schankraum schaut. Aus dem Augenwinkel sehe ich eine kleine Gestalt an mir vorbei huschen und unterm Buffettisch verschwinden. Der Mann mir gegenüber, trinkt seelenruhig sein Bier weiter.

Ich bin irritiert. Hat er den kleinen Jungen nicht gesehen? Dann sehe ich eine Hand unter der Tischdecke hervorkommen, und zwei saftige runde Früchte finden ihren Weg in die Tasche des kleinen Diebs.

Ich springe empört auf, und merke wie eine Hand mich wieder auf den Stuhl zurück zieht. Ich schaue meinen Tischpartner fragend an. Er strahlt mir nach wie vor entgegen, und meint -

„lass gut sein, dass ist schon okay so. Andere Orte andere Sitten. Das war eins von den Straßenkindern dieser Stadt. Die sind weit ehrlicher, als die meisten hier im Schankraum.“

Ich richte mich kopfschüttelnd auf. Er gluckst als wir beide beobachten wie der Kleine wieder aus der Schänke entwischt.

Das gibt mir erst mal zu denken und ich sinke in meinen Stuhl zurück und beiße in die saftige Fleischkeule.

Mein Verwandter Gastwirt steht auf, als ein anderer Kunde mit dem Finger schnippt, um ihn zu sich zurufen. Er verabschiedet sich von mir mit den Worten -

„Hat mich gefreut, vielleicht sieht man sich ja noch mal! Gute Reise dir!“

Kaum, dass er sich vom Tisch entfernte, wenden sich meine Gedanken wieder dem kleinen Jungen zu, der das Obst vom Tisch gestohlen hatte, und den Worten meines Verwandten. Wieso hat es ihn nicht gestört, dass er beklaut wurde? Bei uns im Dorf hätte selbst so ein kleiner Diebstahl eine harte Strafe nach sich gezogen. Beziehungsweise, es wäre nie dazu gekommen, dass der Junge geklaut hätte. Irgendwas hier ist grundlegend anders, aber ich weiß noch nicht genau was.

Ich esse meinen Teller leer, trinke den letzten Schluck aus meinem Glas und verlasse den Schankraum, der sich immer mehr mit Gästen füllt.

Die kalte Nachtluft weht mir durch die Haare und der Mond spiegelt sich schillernd im Hafenbecken. Ich strecke meine steifen Glieder, meine Wirbelsäule knackt leise. Mein Weg führt mich die Hafenpromenade entlang und auf einmal sehe ich den kleinen Jungen wieder, welcher in einer schmalen Gasse verschwindet. Schnell folge ich ihm. Er ist flink, und ich muss mich sputen, ihm hinterher zukommen. Als ich die Gasse erreiche, sehe ich nur noch seinen Schweif um die nächste Ecke huschen. Ich lege an Tempo zu und frage mich gleichzeitig was ich hier eigentlich treibe.

Als ich um die nächste Biegung komme bleibe ich abrupt stehen und verstecke mich hinter der Hauskannte. Mit dem, was sich gerade vor mir abspielt habe ich in keiner Weise gerechnet.

Der Junge holt seine Beute aus der Tasche und hält sie triumphierend hoch. Augenblicklich kommen zwei kleine mir völlig fremde Wesen, die eindeutig im Welpenalter sind, aus dem Schatten vieler Kartons, und springen ihn jubelnd an. Der Junge lässt sich seine Beute lachend aus den Händen reissen.

Langsam dämmert es mir, wieso der Schankwirt ihn einfach so hat gehen lassen. Ich habe wohl noch viel über diese Welt zu lernen!

Gemächlichen Schrittes, mache ich mich wieder auf den Weg, Richtung Hafenbecken. Auf einmal werde ich hundemüde. Mein Kopf surrt noch, doch dieser Tag war lang und, als ich das Gasthaus erreiche, bin ich froh, dass mich die nette Wirtsfrau ohne Umschweife zu meinem Zimmer bringt. Ich bin bereits eingeschlafen, als mein Kopf auf dem Kissen landet.

Nach einer aufwühlenden Nacht, mit wirren Träumen, erwache ich bei den ersten Sonnenstrahlen.

Heute ist der Tag! Heute verlasse ich unser Land!

Meerenge

Um die Mittagszeit sind alle Vorbereitungen abgeschlossen. Der Kapitän bläst zur Abfahrt.

Ich stehe an der Reling und schaue auf die sanften Wogen des Wassers, die sich bis zum Horizont erstrecken.

Dort liegt mein Ziel. Das Land, in dem die Engel leben. Euphorie durchrauscht mich! Ich komme der Erfüllung meiner Rache näher!

Der Ton auf dem Schiff ist rau. Ich bin eine der wenigen Frauen an Bord. Doch die Tatsache, dass ich ein Teufel bin, sorgt dafür, dass mich Niemand hier gegen meinen Willen auch nur anspricht.

Viele der Anderen meiden mich. Als mir das klar wird muss ich grinsen. Als ob ich jeden, der mir zu nahe kommt direkt in Stücke reiße - nicht, dass ich das nicht gekonnt hätte.

Das Schiff schwankt in den Wellen, nicht sehr beruhigend. Das Meer ist hier sehr viel aufgewühlter, als nahe des Hafens, es ist wild und ungestüm. Mir wird ein wenig flau im Magen. Einer Eingebung folgend, lasse ich meinen Blick über den Horizont ziehen, ganz am Rand sieht man eine Fontäne in den Himmel steigen.

Der Kapitän meinte zwar, dass wir erst morgen Mittag ankommen werden, doch ich glaube bereits Land zu sehen. Nach ein paar Augenblicken ist die Insel wieder hinter hohen wellen verschwunden. Oder bilde ich mir nur ein etwas gesehen zu haben? Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Der Wind wispert durch die Segel. Der Himmel zieht sich zu, und Nebel streicht mir um die Knöchel.

Mir wird plötzlich speiübel. Ich hänge mich über die Reling und füttere die Fische mit meinem Mittagessen. Während ich mein Inneres nach außen kehre, beschleicht mich das Gefühl beobachtet zu werden doch, als ich mich wieder aufrichten kann, bin ich allein auf dieser Seite des Schiffs.

Ich gehe Unterdeck, meine Lust nach frischer Luft ist verflogen und ich kann den Anblick des Wassers nicht mehr ertragen.

Mein Bett ist eine der Hängematten in einem großen Raum. Sobald ich mich hinein lege hört das schaukeln auf. Ich schließe die Augen. Und wieder merke ich, dass sich mir jemand nähert.

Ein und aus, mein Atem wird ruhiger, meine Sinne schärfen sich. Die Person schleicht um mich herum, kommt auf mich zu. Ich warte noch einen Augenblick, dann stürze ich mich auf sie. Erschrocken schreit das Ding unter mir auf. Der Statur nach, würde ich sagen, ein Elf.

„Warum schleichst du mir nach, das mag ich nicht besonders!“

Meine Aussage untermale ich, in dem ich seine Arme schmerzhaft auf den Boden presse.

Ein kleines wimmern entkommt ihm -

„das war... ich habe nicht...“

Ich knurre leise.

Seine Augen weiten sich, verfolgen meinen Schweif, welcher bedrohlich hin und her schwingt.

Er schluckt schwer.

„Mein Herr wollte mit Euch sprechen, und schickt mich Euch zu bitten, in seine Kajüte zu kommen.“

Ich ziehe skeptisch eine Augenbraue hoch, lockere jedoch meinen Griff ein wenig.

Erleichtert seufzt er auf.

„Und wieso kommt dein Herr nicht selbst, sondern zitiert mich zu sich?“, in einem Schwung stehe ich auf und wende mich zum gehen. „Wenn er was von mir will soll er mich selbst fragen.“

Der Junge rappelt sich auf, hastet mir hinterher -

„Bitte!“

Ich bleibe stehen.

„Nur ganz kurz, er wird ungehalten sein, wenn ich alleine wieder komme.“

Genervt drehe ich mich wieder zu ihm, er sieht eindeutig verzweifelt aus. Ach du Scheiße, man ist das nervig.

Unter meinem Blick schrumpft der Elf noch ein Stück und ich frage mich unwillkürlich, was dieser Herr wohl für einer sein muss, ein so zerbrechliches Geschöpf, wie diesen Jungen zu schicken, um mit mir zu sprechen. Mein Gegenüber ist den Tränen nahe. Und auch etwas, was ich noch nicht benennen kann. Ich verdrehe die Augen -

„Na gut, los, gehen wir.“

Der Kleine wischt sich übers Gesicht. Pure Erleichterung ist darauf zu erkennen.

„Dann folgt mir bitte. Ich bringe Euch.“

Ich greife den Beutel in dem ich mein gesamtes Hab und Gut habe. Wir gehen den Flur entlang, vorbei an den kleinen Kajüten, auf eine Tür am Ende des Ganges zu, vor welcher zwei bewaffnete Soldaten stehen. Sie betrachten mich argwöhnisch, während ich an ihnen vorbei den Raum betrete. Dieser ist geräumig und hell, ganz anders als die herkömmlichen Unterbringungen auf diesem Schiff.

Ein leichter Duft von Essen steigt mir in die Nase. Bei dem Geruch muss ich an die lauen Sommerabende auf unserem Dorfplatz denken, und ein Hauch von Wehmut erfasst mich.

Meine Augen fallen auf einen groß gewachsenen Mann, der sich vom Schreibtisch erhebt und sich in einer eleganten Drehung zu uns wendet. Seine Äußere Erscheinung bringt mich einen kurzen Moment aus der Fassung. Durch seine edlen Gewänder kann ich den muskulösen Körper erahnen, er wirkt nicht älter als Anfang dreißig.

Ich hatte erwartet das er alt, fett und irgend wie... also auf jeden fall nicht, dass er so aussieht.

Er schaut mir interessiert ins Gesicht, seine lila funkelnden Augen blitzen schelmisch auf. Ich wende den Blick ab, fühle mich ein wenig fehl am Platz.

„Ah... endlich! Jaspur du hast lange gebraucht, wen hast du mir mitgebracht?“

„Ähem, ja also..“ -

unbeholfen macht er eine Geste, als wolle er mich vorstellen.

Ich schmunzele in mich hinein. Mein Gastgeber beginnt zu grinsen.

„Du hast die Dame also noch nicht nach ihrem Namen gefragt?“

Der Junge wird rot und bedeckt sein Gesicht und piepst ein kleines -

„nein. Das ist mir entgangen.“

„Ah, also hast du ihr meinen Namen wohl auch noch nicht genannt.“

Der Kleine sagt nichts mehr und senkt nur demütig seinen Kopf.

Leicht theatralisch atmet der Größere der beiden aus und wendet sich mir zu.

„Nun denn, dann möchte ich mich Euch selbst vorstellen - ich bin 6. Kronprinz des vereinigten Reichs Dematus, Dariell Agnisis von Demayutus.“

Bescheiden senkt er kurz sein Haupt, und ich hätte meinen am liebsten gegen den nächstbesten Pfosten gehauen.

„Darf ich nun endlich erfahren wie Ihr heißt?“, er schaut mich herausfordernd an.

„Sana.“, halte ich meine Antwort so kurz es nur irgend geht.

Ich kann das schwanken des Schiffes wieder deutlich in meiner Magengegend spüren, und ich sehne mich nach meiner Hängematte, die ich den Rest dieser Überfahrt eigentlich nicht verlassen wollte.

Ungeachtet meines genervten Blicks fängt der Kronprinz nun seinerseits wieder strahlend an zu reden.

„Ich habe Euch herrufen lassen, um Euch ein Angebot zu machen.“

Ich verlagere mein Gewicht und verschränke abwehrend die Arme.

Er hebt beschwichtigend die Hände -

„hört Euch meinen Vorschlag erst einmal an, bevor Ihr ablehnt. Ich lade Euch zum essen ein und wir können dabei über die näheren Details Eures möglichen Auftrags reden.“

Ich zögere unsicher, doch in diesem Moment knurrt mein Magen beschämend laut, und mein Gegenüber grinst mich siegessicher an.

„Von mir aus“, gebe ich mich zähneknirschend geschlagen.

Seine Augen blitzen wieder schelmisch auf, und mit einer einladenden Geste, führt er mich an den reich gedeckten Tisch im Rauminneren. Wie schon erwartet ist ein saftiges gut durchgebratenes Schwein die Hauptattraktion der festlichen Tafel, gesäumt wird es von Brotkörben, Obsttellern und gedünstetem Gemüse. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, gepaart mit meiner Übelkeit ist das eine delikate Angelegenheit. Überhaupt, das Ganze hier, was will dieser Kerl eigentlich von mir?

Ich setze mich auf den Stuhl, den er mir höflich zurecht schiebt, bevor er sich selber auf einem imposanten Stuhl, mir gegenüber, nieder lässt. Eindeutig mir zu liebe, beginnen wir mit dem Essen. Es schmeckt besser, als alles was ich je gegessen habe, naja fast alles. Das versöhnt mich ein bisschen mit dieser merkwürdigen Situationen. Aber trotz des guten Essens, habe ich nicht vor, seinen Vorschlag, egal was es für einer sein sollte, anzunehmen.

Und sollte es sich dabei um irgendetwas verwerfliches oder anzügliches handeln, werde ich ihm eigenhändig den Kopf abreißen!

Ich werde durch ein lautes Lachen aus meinen Gedanken gerissen. Zugegebenermaßen, ein schönes Lachen, und ich höre wie er sagt, ich hoffe das Schwein hat dir persönlich nichts angetan, so wie du es gerade aufspießt.

Ich gucke auf meinen Teller, und ich fühle mich ein wenig ertappt, sage aber nichts weiter dazu. Er räuspert sich noch mal und meint dann -

„wie dem auch sei, wir sind ja eigentlich aus geschäftlichen Gründen hier.“

Er richtet sich ein wenig mehr in seinem Stuhl auf, bevor er weiter spricht -

„Gerade heraus, Ihr seid mir gestern schon in der Schänke aufgefallen, eine so hübsche, starke junge Dame, so ganz ohne Begleitung.“

„Ich weiß nicht, was Ihr damit sagen wollt?!“, unterbreche ich ihn barsch.

Wieder hebt er beschwichtigend die Hände, ob der frostigen Stimmung, die ihm entgegenschlägt.

„Es war nicht meine Absicht Euch zu kränken oder anderweitig zu beleidigen. Ich habe mich offensichtlich in meiner Wortwahl vergriffen, und möchte mich dafür aufrichtig entschuldigen.“

Ich nicke knapp und lehne mich abwartend in meinem Stuhl zurück.

„Nun denn, ich war überrascht und erfreut Euch hier auf dem Schiff wiederzusehen. Es kam mir vor, wie ein Wink der Götter. Nicht oft trifft man auf jemanden aus Ihrem Stamm, der die Meerenge überquert.

Ich suche schon seit einigen Wochen einen fähigen Ersatz für meinen Leibwächter, der mir viele Jahre treue Dienste erwiesen und mich nun verlassen hat. Mir ist die Kraft und Schnelligkeit Ihrer Spezies wohl bekannt, und so kam mir der Gedanke, ob Ihr nicht seinen Platz einnehmen wollt.“

„Nein, das tut mir leid, aber da müsst Ihr Euch jemand anderen suchen. Ich habe bereits Pläne, die unabänderlich sind.“

„Darf ich fragen, wo Euch Eure Pläne hinführen?“

Ich seufze angestrengt.

„Mein Ziel liegt weiter im Süden.“

„Oh, meines auch. Führt Euch Euer Weg dann ebenfalls durch die Wüsten der Hapienklippen im Niemandsland? Einer meiner Residenzen liegt dort, an einem Hang in einer Oase. Ich werde dort einige Monate verweilen. Möchtet Ihr mich bis dorthin begleiten? So haben wir beide gewonnen!“

Ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch.

„In wiefern?“

„Ich habe einen fähigen Kämpfer an meiner Seite, und Ihr müsst diese gefahrvollen Gebiete nicht allein durchqueren.“

„Ich bin gern allein, und wie sie schon sagten, ich bin eine fähige Kriegerin, also auf niemanden angewiesen.“

„Nun denn, wenn Ihr das so seht, kann ich Euch nicht aufhalten. Aber bedenkt, dass ich Euch für Eure Dienste auch fürstlich entlohnen würde - UND egal, wo nun Euer Ziel liegt, ich kann Euch in jeglicher Währung auszahlen.“

Das ist tatsächlich etwas, worüber ich noch nicht nachgedacht habe. In landesüblicher Währung zu zahlen ist immer etwas unauffälliger, als in Gold oder Edelsteinen. Und bei meinem Vorhaben, sollte alles so unauffällig wie möglich sein. Und ja, jetzt kommt mir der Gedanke, vielleicht ist es auch unauffälliger, in einer Karawane zu reisen, statt allein.

Der Kronprinz nippt an seinem Weinglas und wartet sichtlich entspannt, mit einem leicht amüsierten Ausdruck, auf das Ende meines inneren Disputs.

Ich ergreife das Wort, und halte mich kurz.

„In Ordnung. Ich nehme ihr Angebot an. Ich begleite sie ab verlassen dieses Schiffes, bis zu ihrem Palast, und dann werde ich weiter ziehen.“

„Darauf lasst uns anstoßen, Sana! Ich bin hoch erfreut über Eure Entscheidung!“

Bei dem Klang meines Namens aus seinem Mund, läuft mir ein kleiner Schauer über den Rücken. Ich strecke mich und stehe auf, um nun das zu tun, was ich schon die ganze Zeit tun wollte. Mich in meine Hängematte verkrümeln und schlafen.

„Das ist ein verlockendes Angebot, doch mein Tag war lang und das schaukeln dieses Schiffs raubt mir den letzten Nerv. Ich bedanke mich für das köstliche Essen.“

Er bringt mich zur Tür. Ich neige höflich den Kopf, bevor ich mir die Tür öffnen lasse. Es fühlt sich jetzt anders an, hier am Eingang, mit ihm zu stehen. Ich schaue ihm noch mal in seine funkelnden Augen, dann drehe ich mich um und gehe den langen Gang zurück.

Als ich nun zum zweiten Mal an diesem Tag mit geschlossenen Augen in meiner Koje liege, bin ich ruhiger und nicht mehr so aufgewühlt. Das Essen füllt mir angenehm den Magen, und lässt mich schläfrig werden. Wie von selbst wandert meine Hand zu der Kette mit dem Stein, welcher warm ist, und ich habe kurz das Gefühl, als würde ich einen Herzschlag spüren. Ich falle in einen ruhigen, erholsamen Schlaf.

Neue Länder Neue Sitten

Der neue Tag beginnt nicht, wie der alte geendet hat. Unter Deck herrscht lautes, hektisches Treiben. Scheinbar sind alle schon in Vorbereitung auf unsere baldige Ankunft.

In dem Gewusel taucht plötzlich wieder der kleine Elf auf. Heute schaut er nicht mehr ganz so verängstigt drein, als er sich mir nähert.

„Bitte Madam, mein Herr fragt, ob sie ihm beim Frühstück Gesellschaft leisten.“

Innerlich seufze ich auf, und mein Magen knurrt im gleichen Moment.

Nun denn! -

denke ich sarkastisch, schwinge meine Beine aus der Hängematte, erschlage dabei fast den armen kleinen Jungen, der gerade noch in Deckung springen kann, und taumele durch den Raum, da das Schiff gerade über ein paar Wellen hüpft. Welch ein Start in den Tag!

Wieder begleitet mich der Kleine den Gang entlang bis zur Tür am anderen Ende. Vor dem Eingang steht nur noch eine Wache. Der Junge klopft zaghaft an die schwere Holztür, und sie wird prompt von innen geöffnet.

Bei dem lächeln, welches mir gerade entgegen strahlt, hätte ich am liebsten die Tür wieder geschlossen, und wäre gegangen. Doch, die Ruhe hinter der Tür und der Duft nach frisch aufgebrühtem Kaffee, locken mich einzutreten. Kaum ist die Tür hinter mir geschlossen, verstummen die letzten Laute aus dem Korridor. Und der Kronprinz begrüßt mich mit einem leichten Kuss auf die Wange.

Ich erstarre ob der körperlichen Nähe. Er seinerseits erschrickt über meine extreme Reaktion.

„Ich bin Euch wieder zu nahe getreten“, stellt er resigniert fest.

Als ich mich wieder gefangen habe, winke ich fahrig ab.

„Schon okay. Ich bin so ein Verhalten, nicht gewöhnt.“

Sein lächeln, welches kurz erstorben war flammt wieder auf.

„Ich bin froh, dass Ihr es mir nicht nachtragt. Mein Verhalten war nicht anrüchig gemeint, bei uns begrüßt man sich häufig so.“

Der Tisch ist mit neuen Köstlichkeiten gedeckt, und wieder läuft mir das Wasser im Mund zusammen, als ich ihnen näher komme.

Entspannter als gestern nehme ich seine freundliche Geste auf, den schweren Stuhl unter mir zurecht zu rücken. Nachdem wir die ersten Bissen der frischen Brötchen und den herrlichen heißen Kaffee zu uns genommen haben, räuspert er sich verlegen.

„Ich wünschte ich könnte sicher gehen, Euch mit meinen nächsten Worten nicht wieder in Verlegenheit zu bringen. Ich habe in der vergangenen Nacht viel über Euch und mich nachgedacht, und die neuen Möglichkeiten die sich mir, durch Ihre Anstellung als Leibwächterin, eröffnen.“

Mein Körper versteift sich, und meine Hand verschließt sich fester um das Brotmesser, welches ich gerade in die Butter versenke.

Der Kronprinz beeilt sich, weiter zu sprechen.

„Ihr müsst verstehen, ich habe selten die Möglichkeit, unauffällig in der Öffentlichkeit aufzutreten, da ich stets von Bewaffneten umgeben bin. Mit Euch wäre es mir erstmalig möglich, mich zu zweit in einer fremden Stadt umzusehen. Ihr als Frau, fallt an meiner Seite nicht so sehr auf. Nur um das noch einmal klar zu stellen, ich erwarte von euch nichts weiter, als meine Sicherheit zu gewährleisten.“

Ich löse langsam meinen Schraubstockgriff um das Messer. Ich glaube ihm, und ein kleiner Teil von mir vertraut ihm auch. Aus einem mir unerfindlichen Grund beginne ich, zaghaft zu lächeln.

„Das solltet Ihr öfter machen, es steht Euch.“

Mir wird warm ums herz, und ich fühle mich so wohl, wie schon lange nicht mehr.
 

„Land in Sicht!“ schallt es ins offene Fenster hinein.

Wir schrecken aus unserer Trance. Ich erhebe mich schnell, und schlage prompt mit dem kopf an die Holzdecke des Raums.

„Keep cool, Baby“

Ich halte mir stöhnend den Kopf. Ich weiß nicht, ob es der Aufprall oder der idiotische Spruch ist, aber mein Kopf schmerzt ordentlich.

„Es dauert noch eine ganze Weile bis wir anlegen, setz Euch doch wieder, und wir können noch in Ruhe zu Ende essen.“

Ich lasse mich wieder auf den Stuhl fallen. Zu etwas anderem bin ich gerade sowieso nicht in der Lage. Wir essen, ohne viele Worte, und das Puckern in meinem Kopf lässt langsam nach.

Die Tür öffnet sich, und die zwei Wachen, so wie der Kleine Jaspur kommen herein, um bescheid zu geben, dass wir nun anlegen. Sie begleiten uns an Deck.

Ich habe all mein Hab und Gut bereits bei mir, und der Kronprinz scheint sich um seines nicht kümmern zu müssen.

Wir kommen gerade zur rechten Zeit oben an, um als erste von Bord zu gehen. Wie mir scheint, hat der Kronprinz seine Idee schon in die Tat umgesetzt. Wir verlassen das Schiff zu zweit -

entweder ist er sehr naiv, oder aber er setzt bereits großes Vertrauen in mich - denn, von den Wachen oder Jaspur ist nichts mehr zu sehen. 

Der letzte Schritt von Bord auf den Hafensteg kostet mich mehr Überwindung, als ich erwartet habe. Ich habe mein Heimatland nun endgültig verlassen. Mir steckt ein schwerer Klos im Hals. 

„Alles in Ordnung bei Euch?“

Der Prinz sieht mir besorgt ins Gesicht.

Ich nicke nur schnell.

„Sollte Euch etwas bedrücken, sprecht gerne mit mir.“

„Es ist wirklich nichts“, versichere ich knapp. Er schmunzelt leicht.

„Dann will ich Euch mal glauben, doch bitte bedenkt, dass es für mich gerade zu überlebenswichtig ist, dass Ihr konzentriert bei der Sache seid.“

Wieder nicke ich, straffe die Schultern. Mein Blick schweift prüfend über die Menge am Hafenbecken, welche darauf wartet, ihre Lieben wieder zu sehen. Mir fällt auf, dass die vorherrschende Spezies hier Elfen sind. Ich kann auch ein paar Tierwesen sehen, doch diese sind eher vereinzelt, und viele von ihnen haben schwere Metallringe um den Hals, dessen Nutzen sich mir noch nicht erschließt, und das es sich dabei um Schmuck handelt, kann ich mir nur schwerlich vorstellen.

Endlich treten wir aus dem Gewusel. Ich atme auf. 

„Mögt Ihr solche Aufläufe nicht?“ 

Agni scheint belustigt - in Gedanken nenne ich den Kronprinzen so, sein gesamter Name ist mir einfach zu lang. 

„Lacht Ihr nur, ich muss mich ja darum kümmern, dass Euch nichts passiert, lasst Euch nicht den Spaß verderben.“ Mein Blick schweift erneut skeptisch über das Gedränge. 

„Es tut mir leid, wenn mein Verhalten Euch Unannehmlichkeiten verursacht.“

Es ist offensichtlich, dass es ihm nicht leid tut. Ich verdrehe die Augen, und muss den Impuls unterdrücken ihn zu boxen. Wir schlendern über den Pier, in Richtung eines Gebäudes, das vor Protz und Prunk nur so überquillt. Insgeheim hoffe ich, dass dies nicht unser Ziel ist. Aber natürlich habe ich Pech. 

Vor dem Eingang ist ein Aufgebot, welches den Prinzen bereits erwartet. Mistrauen und Argwohn, schlägt mir von den Wachen und den Bediensteten des Gast-„Hauses“ entgegen. Ich ignoriere das gekonnt. 

„Ich hoffe Ihr hattet eine angenehme Überfahrt, bitte tretet doch ein.“

Mit einer Wegwerfbewegung meint der Mann neben mir -

„Es war erträglich. Ich bin erschöpft.“, er bietet mir seinen Arm an. „Lasst uns auf mein Zimmer gehen, ich zeige Ihnen die Stadt von oben.“

Die Blicke die mir bei seinen Worten zugeworfenen werden, sind zum schießen. Von verhohlenem Unglauben bis hin zu offener Verachtung. Wäre mir nicht so unglaublich egal, was diese Leute denken, würde ich mich jetzt schlecht fühlen, doch wie gesagt, es ist mir herzlich egal. Als ich hinter Agni die Treppe hinauf gehe, sehe ich nur noch aus dem Augenwinkel, wie die Wachen gemeinsam mit Jaspur durch den Torbogen treten.

Das Zimmer des Kronprinzen liegt im obersten Stock des pompösen Haus. Wie erwartet ist es gigantisch, mit edler Einrichtung und einem Badezimmer, das noch einmal ein eigenes Apartment sein könnte. Mein Auftraggeber setzt sich in einen Lehnstuhl, der aussieht, als wäre er eigens für ihn in diesen Raum gestellt worden.

Ich sehe mich unschlüssig um -

soll ich jetzt vor der Tür Stellung beziehen, im Zimmer in einer Ecke hocken und darauf warten, dass ich gebraucht werde, oder die Tür schließen, und mich neben ihn setzen? Was erwartet der Kronprinz von mir?! Mir erscheint alles irgendwie plausibel.

„Schließt die Tür, und kommt doch zu mir.“

Ich rühre mich nicht, und versuche krampfhaft mir meine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.

Bei dem Gesicht, das ich gerade ziehe, muss er herzlich schmunzeln. Nach zwei weiteren Augenblicken in denen wir uns nur anstarren, und ich einer Salzsäule alle Ehre mache, seufzt er angestrengt und steht auf.

Langsam kommt er auf mich zu, kostet jeden Schritt aus, unsere Blicke verhaken sich ineinander. Ich kann erkennen, dass das lila seiner Augen von bernsteinfarbenen Fäden durchzogen ist. Er geht an mir vorbei, packt mich bei den Schultern, und schiebt mich mit sanfter Gewalt in den Raum. Dann schlägt er die Tür hinter uns zu. Ich bin so überrumpelt von seiner Nähe, dass ich mich nicht wehre.

Er geht wieder um mich herum. Seine Hand ruht noch immer auf meiner Schulter. Meine Wangen werden warm, also wärmer, als sie sowieso schon sind. Der Prinz schaut mir tief in die Augen. Er ist mir so nah, wie ich noch nie jemanden, außer meine Familie oder Aska, an mich heran gelassen habe.

Plötzlich prustet Agni los. Ich starre ihn entgeistert an. Er hätte mir auch eine Ohrfeige geben können, es hätte mich nicht weniger verwirrt. Ich bin überfordert, es hat mir niemand gesagt, dass dieser Prinz so ein Exzentriker ist. Er will gar nicht mehr aufhören zu lachen.

Gerade schwanke ich wirklich dazwischen, rumzuschreien, oder dem hochwohlgeborenem Typen volle scholle eine runterzuhauen. Irgendwann kriegt er sich dann doch wieder ein, ich habe es schon nicht mehr für möglich gehalten. Er wischt sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel.

„Es ist nur so, meine Bediensteten haben auf dich genauso reagiert, wie ich es mir erhofft hatte. Du bist exotisch und schön, dazu kommt, dass du wahrscheinlich stärker bist als meine meisten Wachen.“

„Ja das stimmt vermutlich, aber, worauf wollt Ihr hinaus?“ -

mir schwant übles, doch ich möchte, dass er es ausspricht.

„Das sind die perfekten Vorraussetzungen dafür, das du meine Geliebte wirst.“ 

Ich mache augenblicklich einen Schritt zurück und schüttle energisch den Kopf.

„Nein, auf gar keinen Fall! Nie im Leben!“ 

Er wirkt ein ganz klein wenig geknickt, ob meiner direkten und absoluten Abfuhr, doch das Lächeln auf seinem Gesicht erstirbt nicht.

„Sana, ich möchte nicht, dass du tatsächlich meine Geliebte wirst, es soll in der Öffentlichkeit nur so scheinen, als ob. Das würde mir die Möglichkeit geben, zum ersten Mal in meinem Leben in den Genuss zu kommen ohne Gefolge, durch die Straßen zu ziehen. Also, denk bitte unter diesen Umständen noch einmal darüber nach.“

„Beim Hoden des Ra!“, das Ganze hier steigt mir sowas von über den Kopf. „Ehm... okay“ -

nun bin ich vollends aus der Bahn gebracht. Agni fängt schon an zu grinsen, doch dann spreche ich weiter -

„Gebt mir ein paar Minuten, um darüber nachzudenken.“

Er nickt.

„Aber natürlich, wir haben es nicht eilig“, er bietet mir erneut seinen Arm an,„ich möchte dir etwas zeigen.“ Wir treten durch eine verglaste Flügeltür, auf einen Balkon. „Ist das nicht wunderschön!?“

Unser Blick fällt auf die Stadt, welche von der sich langsam tiefer senkenden Sonne, in ein warmes, angenehmes Licht getaucht wird.

Ich schweife mit meinem Blick über die Dächer der Häuser. Dahinter, in weiter ferne, sind schon die Anfänge der Wüste zu erkennen. Der Horizont wabert von der enormen Hitze. Ich balle die Faust. Hinter diesem Ödland aus Sand liegt mein Ziel.

Den Prinzen, der neben mir steht, habe ich total vergessen. Er räuspert sich geräuschvoll.

„Du scheinst in Gedanken, ich lasse dich mal allein.“ Er löst seinen Blick von der Stadt. „Wenn du dich entschieden hast, komm zu mir, ich werde warten.“

Abwesend nicke ich.

Agni tritt wieder durch die Tür ins Innere. Auf einem kleinen Tisch stehen eine Karaffe und ein filigranes Glas. Mit beidem bewaffnet setzt er sich wieder auf seinen “Thron“.

Mir schwirrt der Kopf. Zum ersten Mal seit ich meine Reise begonnen habe, fühle ich mich wieder ein bisschen sicher und entspannt. Das Gedränge in den Straßen lässt langsam nach. Es wirkt alles so friedlich, die Bewohner hier scheinen gut mit einander auszukommen.

Der Hafen ist im Vergleich zu dem auf unserer Seite der Meerenge sauber und es gibt auch keine Straßenkinder, welche dort herum lungern. Und doch habe ich auch das Gefühl, dass diese Stadt etwas düsteres an sich hat, eine Bedrücktheit.

Ein Tumult ein paar Gassen entfernt, zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Tierwesen der Gattung Rind ist umringt von schwarz Gekleideten. Es hat den Kopf drohend gesenkt, versucht so seine Widersacher auf Abstand zu halten. Ein lauter Knall ertönt, und ein paar Sekunden später schwankt das gehörnte Monstrum, bevor es umfällt, und auf dem Boden liegen bleibt. Es wird auf einen Karren gewuchtet, und weggebracht. Ich bin geschockt über das, was sich mir gerade geboten hat. Nach einigen Minuten kriecht ein kleineres Tierwesen aus einem Haufen Müll. Es sieht sich vorsichtig, suchend um. Plötzlich tritt aus dem Schatten einer der schwarz Gewandeten. Das kleine schreit auf, möchte fliehen. Es wird gepackt.

Ich löse mich aus meiner starre, wenn ich über die Dächer springe, kann ich es vielleicht noch schaffen, und den Kleinen retten.

Eine Hand packt mich, ich wirbele herum bereit, wen auch immer zu zerquetschen. Mir blickt das ausdruckslose Gesicht des Prinzen entgegen. 

„Lass es, du kannst nichts für sie tun.“ - bedauern schwankt in seiner Stimme mit.

„Nein!“ -

mein Ruf schallt über die Stadt.

„Den kleinen kann ich noch retten!“

Agni schüttelt mit dem Kopf.

„Sana, das sind Sklaven. Sie gehören jemandem, sind dessen Eigentum. Wenn du dich da einmischst, ist das ein Verbrechen, welches hart bestraft wird. Außerdem könnte das die Situation für die beiden nur noch schlimmer machen, wenn es Ihnen als Fluchtversuch ausgelegt wird.“

Alle Kraft weicht aus meinem Körper. Schlaff hänge ich im Griff des Kronprinzen. 

„Aber...“ -

meine Stimme ist brüchig. 

Mit einem Ruck hebt mich der Prinz hoch, trägt mich zu dem riesigen Bett. Er setzt mich vorsichtig ab. Schlägt die Decke zurück. Drückt mich in die Weichen Kissen. Ich will mich wieder aufrichten. Seine Hand hält mich zurück.

Ich fühle mich so schwach. Schwächer noch als damals, als... ich kann nicht daran denken. Meine Kehle schnürt sich zu, meine Augen brennen. Schluchzend krümme ich mich zusammen. Ich fühle mich so unglaublich alleine.

Eine Hand legt sich auf meinen Rücken.

„Es ist okay...“



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