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Last verse of dawn

von

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Wir sprechen wenig auf unserem weiten Weg zur Haltestelle des Zuges und nur beiläufig fühle ich, wie die Welt um uns herum klarer wird, heller, lebenswerter. Der Wind lässt sich angenehm atmen, selbst der Gesang der Vögel begleitet unsere Schritte und obwohl sie uns fortführen und die Distanz vergrößern, meine Gedanken scheinen festzuhängen und sich schwer damit zu tun, sich vollständig zu lösen.

Es gibt kein Gefühl der Freude oder Erleichterung. Nicht diesmal. Dabei sind diese Empfindungen so oft Teil von uns, wenn wir eine Mission beenden und Nachhause zurückkehren.

Die Gewissheit, etwas Gutes getan zu haben, sie fehlt, doch ich vermute sie in naher Zukunft. Der Boden, den wir schufen, ist noch trocken, doch fähig zu jeder Entwicklung und wie hoffe ich, dass die nächsten Tage und Wochen wieder Gesundes hervorbringen und das Dorf erblüht. Koste es so viel Zeit, wie es wolle.

Zu mehr oder weniger waren wir nicht fähig.

Einmal mehr schöpfe ich tiefen Atem, bevor meine Hand zu meinem Bauch findet. Hunger rumort in mir und ich vermute, Kanda wird es nicht anders gehen. Wir aßen und tranken kaum in der letzten Zeit und nicht nur unsere Mimiken werden uns zu Symbolen der Müdigkeit und Erschöpfung machen. Auch wir werden Zeit benötigen, um uns vom Gift dieses Ortes zu erholen.

Bisweilen spähe ich zu meinem teuren Kameraden, versuche in ihm zu lesen, doch sehe rasch die fehlende Notwendigkeit. Natürlich steht auch ihm nicht der Sinn nach vielen Worten. Natürlich braucht auch er Essen und Schlaf, doch ich kann mir sicher sein, dass es kein Schatten aus Zweifeln oder Schuld ist, der sich über ihn neigt. Es entspräche ihm nicht, denn er trifft keine Entscheidung, die er später bereuen könnte.

Leichter Nieselregen geht auf uns nieder, als wir den steinernen Boden der Haltestelle erreichen.

Ich erkenne die lange Flur wieder, den offenen Blick auf die Felder, die keinen Hinweis geben auf das, was sich hinter ihnen verbirgt und es kommt mir vor, als wären es Wochen, die mich von meiner Ankunft trennen.

Still und überwiegend regungslos harren wir aus unter der fragwürdigen Überdachung.

Die Gleise erstrecken sich leer bis zum Horizont. Einen Fahrplan scheint es schon seit langem nicht mehr zu geben und ich zähle mein Gähnen, lehne mich irgendwann gegen das alte Blech des Wartehäuschens und glaube das Gefühl für die Zeit zu verlieren. Als gäbe es hier und jetzt keine Zeiger, die wandern. Als stünde die Welt still.

Abermals driften meine Augen zu Kanda. Er bewegt seinen kleinen Kompass in den Händen, die Arbeit seiner Finger verfolgend. Noch immer haftet Erde auf dem Glas und verbirgt die Nadel unter sich. Er vertreibt sich die Zeit, indem er den Schmutz von der Fläche streicht und ich vertreibe sie ebenso mit dem Anblick, dem ich früh verfiel. Endlos und offenkundig kann ich ihn mir betrachten und ich bediene mich gierig dieser Möglichkeit. Jedes Mal, wenn wir unter uns sind.

Noch immer haftet leichter Schmutz auf der etwas zu blassen Haut seines Gesichtes. Auch seinem Haar fehlt es an Ordnung und das Blinzeln seiner leicht gesenkten Lider schließt sich dem Strom harmonisch an. Als wäre das Chaos des Dorfes auf ihn übergangen, da er zu lange mit ihm in Kontakt stand. Und ich betrachte ihn mir weiterhin, als würde ich mich nähren an seiner Gegenwart, vorerst nicht einmal auf das sich nähernde Geräusch des Zuges achtend. Der Kompass ist sauber, als Kanda aufblickt und nur flüchtig begegnen sich unsere Augen, bevor er den Gegenstand in der kleinen Gürteltasche versenkt. Wenige Momente später betreten wir das warme Innere des Zuges, sinken auf die Polster, doch wollen nur in die nächste Stadt, nur in die Zivilisation.

Ein Telefon und eine Unterkunft genügen als erste Etappe und wir fahren nicht weit, bis wir fündig werden. Ein großes Dorf macht den Eindruck, alles zu bieten, was wir benötigen und wie auffällig bahnen sich die Eindrücke in mein Bewusstsein, als wir über die Straßen ziehen und einem möglichen Gasthaus entgegen.

Gelöste Stimmen liegen in der Luft und auch einer Gruppe aus Kindern sehe ich nach. Sie fangen einander, jauchzen und lachen, stets in sicherer Entfernung der Mütter, die bei einem Obsthändler und spontanen Gesprächen hängen blieben. Es ist gesundes Leben, das uns umgibt, grünes Gras und Blumen, ausdrucksvolle Gesichter und Geräusche.

Auch ein Gasthof ist nicht schwer zu finden und der Kontakt zu den Besitzern ungezwungen und offen. So erreichen wir die alte Normalität, nehmen uns zwei Zimmer, doch lassen uns erst im Restaurant nieder.

Wir sind ausgedörrt, marode durch den Verzicht von allem, was schön und hilfreich ist und noch nie zuvor wussten wir so zu schätzen, was auftischt wird. Mit leicht ratloser Miene laden die Kellner Teller um Teller vor uns ab, der Tisch füllt sich und wie ächze und seufze ich unter den ersten Bissen. Es mag nach Elend klingen und einem schweren Kampf, doch niederringen tut mich nur der Genuss.

„Oh Gott.“ Ungläubig schüttle ich den Kopf, kauend und rasch an Körperspannung verlierend. Explosiv entfaltet sich der Geschmack in meinem Mund, während meine Stirn beinahe auf einen nahen Teller trifft. „Das gibt`s doch nicht.“

Mir gegenüber versenkt Kanda den Löffel in einer heißen Suppe. Wählerisch zu sein, konnte er sich nicht leisten und so bestellten wir fast alles, um nichts falsch zu machen. Tim kaut auf einem Stück Braten und nur beiläufig drängt er ihn zur Seite, um an einen Brotkorb zu gelangen.

„Verdammt.“ Entsetzt weite ich die Augen. Ein Omelette entpuppt sich als unmöglich und sofort stochere ich weiter. „Ist das wirklich so lecker oder liegt es daran, dass ich hungern musste?“

Schulterzuckend greift Kanda nach der Teekanne, ein fragender Blick, nickend schiebe ich meine Tasse näher und so schenkt er uns nach.

„Willst du den Kuchen?“ Nur einen Moment braucht es, bis ich begreife, wie unnötig die Frage ist, also nehme ich den Kuchen, doch reiche Kanda stattdessen gebratenes Gemüse. Ich sortiere, ordne die Gerichte in unserer Nähe und koste den Kuchen. Zwischen meinen Zähnen hängt noch Bohnenkraut, als sich die Schokoladenglasur großzügig im unteren Bereich meines Gesichtes verteilt. Das Gebäck zerfließt mir auf der Zunge und nur kurz begegne ich Kandas Blick, bevor ich die Augen schließe.

Es tut so gut und ich esse noch, da hat er längst kapituliert. Er nimmt nur zu sich, was er wirklich benötigt und ich sauge an meinen Zähnen, noch immer mit der Schokolade beschäftigt, da lehnt er sich zurück und streckt die Beine unter den Tisch. Seine Schultern heben und senken sich unter einem tiefen Durchatmen, träge sinkt sein Arm auf die Rückenlehne und die nächsten Momente bringen wir abermals in Schweigen zu.

Ich spreche nicht, da ich esse und Kanda mustert das Umfeld, die Tasse nahe am Mund.

Für gewöhnlich entfernen wir uns nicht nur körperlich von Orten, zu denen uns Missionen führten. Auch gedanklich lösen wir uns, um weiter zu driften und stets in der Gegenwart zu leben, doch ich denke, der Schmutz von Bingen wird noch lange an uns haften. Als würde dieser verfluchte Priester einen Teil unserer Gedanken an sich binden, selbst im Tod noch giftig und voller Rachsucht.

Vermutlich zieht es auch Kandas Gedanken zurück, doch er reißt sich los, sobald die Tasse geleert ist.

„Ich rufe Komui an.“ Gemächlich kommt er auf die Beine und ich kaue und nicke, während er nach Timcanpy greift. Nur unwillig löst mein Golem die Zähne aus dem Braten und beiläufig hebe ich die Gabel, bevor er entführt wird. Und ich hoffe, dass Kanda nicht zu erwähnen vergisst, wie müde wir sind und dass die Rückreise getrost bis morgen warten kann, denn das Essen war nur ein Schritt der Regeneration.

Unter einem irritierten Lächeln beginnt ein Kellner kurz darauf, das leere Geschirr abzuräumen und auch die übrigen Schalen und Teller leere ich und genieße die Sättigungsstarre, als Kanda zurückkehrt. Tim umflattert ihn, als er sich zurück auf die Bank sinken lässt und mir fehlt die Kraft für die Frage, doch er deutet meinen müden Blick.

„Wir bleiben bis morgen“, verschafft er mir Erleichterung. „Dann kehren wir vorerst zurück.“

Keine weitere Mission, also. Vermutlich sagte Kanda auch nur das Nötigste, um Komui zu beruhigen. Die umfassende, ernüchternde Geschichte bleibt dem Wiedersehen vorbehalten und unter einem leisen Ächzen rutsche ich tiefer.
 

Noch nie genoss ich den Anblick einer gefüllten Badewanne so abgrundtief. Der schwere Wasserdampf erwärmt das kleine Badezimmer und wie schwerfällig streife ich die Uniform von mir. Jede Bewegung fällt schwer und erfordert Überwindung, doch kurz darauf häuft sich meine Kleidung zerknittert auf einem Stuhl. Ein Frösteln zieht durch meine Glieder und wie genüsslich steige ich in dieses Wasser, wie behaglich lasse ich mich sinken und ächze befreit in der wärmenden Ummantelung. Mein Körper verliert die letzte Spannung, meine Lider werden schwer und eine Weile liege ich nur dort, schlaff und reglos wie eine Puppe, die niemand lenkt.

Leise Geräusche dringen zu mir, während ich tief und ruhig atme, all das verlierend, das mir schadet.

Stoff raschelt, ein Stuhlbein quietscht und dann erhebt sich das Rauschen der nahen Brause. Es wirkt beruhigend und meiner Müdigkeit zum Trotz öffne ich doch die Augen und blicke zur Seite.

Fast meine ich zu erkennen, wie das Wasser den Schmutz über Kandas Haut rinnen lässt. Es prasselt auf seinen Schopf, prasselt auch auf sein Gesicht, als er es in den Schauer hebt und dann steht er dort, regungslos die reinigende Hitze genießend. Die Nässe dringt rasch in sein Haar und wie behaglich bleibe ich der Betrachtung treu. Helle Rinnsale aus Dreck folgen den Konturen seiner Beine, bevor das Wasser klar wird und wie verfolge ich dann die Bewegungen seiner Hände. Wie sie über sein Gesicht gleiten, über das Haar und in den Nacken.

Ich schätze, wir beide sind zufrieden in diesen Momenten. Es ist still und einträchtig und wie besonnen sitzt er bald darauf auf einem Schemel und wäscht sein Haar. Er weiß, dass ich ihn ansehe, da ich stets mit dankbarer Aufmerksamkeit zelebriere, was er mir an nackter Haut offenbart. Er schenkt dem keine Beachtung und auch mir fällt es schwer, an den Zeitpunkt zurückzudenken, an dem meine Blicke verbotener Natur waren. Wie hatte ich sie zu verstecken, wie süchtig suchten sie dennoch nach ihm und genießen nun vollendete Freiheit. Keinen Moment lang muss ich die Augen von ihm lösen, nicht verbergen, was an Faszination und Begehren in ihnen ruht und so liege ich dort und beobachte ihn und habe auch nicht viel mehr getan, als er bereits nach einem Handtuch greift.
 

Als ich das Bad verlasse, tat es Kanda längst. Ein erleichtertes Stöhnen begleitet mich hinaus in den Flur und dann öffne ich die Tür zu meinem kleinen Zimmer, lasse die schwere Uniform auf den nächsten Stuhl sinken und bewege das Handtuch ein letztes Mal über mein feuchtes Haar.

Das Leben strömte in mich zurück, brachte Kraft und Ausgeglichenheit mit sich und umso weniger ist mir danach, in diesen vier Wänden zu bleiben. Ich interessiere mich nicht für das Licht auf der anderen Seite des Fensters, kehre ihm den Rücken, verlasse mein Zimmer und bringe die Tür zwischen mich und Tim. Nur wenige Schritte führen mich zu einer anderen, die ich öffne und schließe, als wäre es meine eigene. Entspannt jedoch zielstrebig trete ich in das Zimmer, atme tief durch und labe mich an dem vertrauten Geruch, den dieser Ort bereits innehat.

Nur flüchtig späht Kanda auf. Er sank auf die Bettkante und lockert die Schnallen seiner Stiefel. Auch er will alles von sich streifen, das belastet und erschwert und so befreit er seine Füße aus dem robusten Leder, während ich vor ihn trete.

Jede Regung seiner Finger verfolgend, aufmerksam, überaus fixiert und wie blind finden meine Hände zu den Knöpfen meines Hemdes und drehen sie aus den Löchern. Eine Strähne sinkt in Kandas Gesicht, als er sich ein letztes Mal hinabneigt, die Stiefel beiläufig zur Seite schiebend und kaum richtet er sich auf, da nehme ich ihn für mich ein.

Mein Hemd gleitet zu Boden, nur einen Schritt braucht es, um die letzte Distanz zu überwinden und wie leicht fällt es mir, die Grenze zu überschreiten, die damals so unendlich hoch vor mir aufragte. Mein Knie setzt sich auf die Matratze und wie werde ich angezogen von der Wärme seines Körpers, in deren Radius ich dringe. Ich sinke auf seinen Schoß, seine Arme empfangen mich und ein letzter, tiefer Atemzug strömt genüsslich über meine Lippen, bevor ich seine erreiche.

Sanft betten sich meine Hände auf seinem Hals, dringen meine Finger in sein offenes Haar und wie spürbar ist der Augenblick, als selbst die geringste Last von mir zu bröckeln scheint. Als ich ihn küsse und die Lider senke, um ihn in jeder möglichen Intensität zu spüren. Als sich seine Hände auf meinem Rückgrat betten, mich stützend, haltend, doch gleichzeitig näher zu sich ziehend. Niemals kapituliere ich so rasch wie in diesen Momenten, niemals so bereitwillig und so schließe ich die Arme um ihn, nehme ihn für mich ein, verschmelze mit ihm und ich würde in ihm versinken, gäbe es nicht die Hülle unserer Körper.

Wie abgrundtief verehre und liebe ich diese Augenblicke, in denen nichts zu uns dringt.

Es gibt keine Geräusche, keine andere Existenz als unsere in diesem engen Kern, um den sich eine Mauer schließt.

Ich schmecke ihn, rieche ihn, erschaudere unter seiner Wärme und noch immer küsse ich ihn, werde fordernder, lasse mich zurückdrängen, dränge ihn zurück und wie schwer fällt es meinen Fingern kurz darauf, die Knöpfe seines Hemdes zu finden. Ich will das, was dieser Stoff verbirgt und wie ungeduldig streife ich ihn von Kandas Haut. Nur einen Augenblick lösen sich seine Hände von mir, bevor er zurücksinkt und mich mit sich zieht.

Wir hungerten lange Zeit, tranken und aßen, doch hatten dem zu entsagen, was uns ebenso am Leben hält.

Bebend streift mein Atem Kandas Wange, bevor ich sie küsse, seinen Hals küsse, mich an seine Haut schmiege, mich in ihr verbeißen will. Ausgehungert gleiten meine Hände über seine Brust, seine Rippen.

Jede Kontur erkenne ich wieder, jeden Zentimeter seiner Haut liebe ich abgöttisch und nur flüchtig löse ich mich von ihm, als seine Finger meine Hose erreichen. Wie flink ist sie geöffnet, wie eilig streife ich den Stoff von meinen Hüften und ächze unter dem spürbaren Griff in meinem Schopf, als ich mich zu seinem Bauch hinabneige. Ich küsse seinen Nabel, keuchend und ringend mit den Prioritäten.

Wäre ich nicht so ausgemergelt, würden sich meine Lippen endlos Zeit nehmen für seine Haut, doch meine Hände treffen die Entscheidung. Bereitwillig hebt sich die Hüfte, als ich die Hose von ihr streife. Der Stoff ist hier viel nicht mehr als eine unerwünschte Grenze, die eilig entfernt wird. Entscheidend ist, was sie verbirgt und ich gönne mir die knappe, jedoch intensive Betrachtung seines Körpers, bewege mich längst auf den Knien zurück und neige mich abermals hinab.

Unter meinen Fingern spüre ich die Spannung seiner Muskeln, als ich mich in seine Oberschenkel klammere. Seine Finger verlieren sich aus meinem Schopf und wie konzentriert zügle ich meinen Atem, um seinen zu hören. Noch immer weiß ich jede Facette an Emotionen zu schätzen, die er offenbart und ich erschaudere selbst unter seinen tiefen, gelösten Atemzügen, unter jedem Zucken seines Körpers, genieße endlos auch den leichten Schmerz, als sich seine Finger abermals in meinem Haar versenken und mich einen festen Griff spüren lassen.

Lange windet er sich unter mir, bevor ich die Führung an ihn zurückgebe, ihn mich formen und auf die Matratze hinabdrängen lasse. Die Decke ist erfüllt von seiner Wärme. Sie geht auf meinen Bauch über. Selbst die Hand, die mich niederzwang, wirkt so erhitzt und nicht zuletzt mein Atem, der mir entgegenströmt, als ich laut in das Kissen ächze. Seine Lippen vergehen sich an meinem Nacken, selbst seine Zähne hinterlassen Spuren. Ich ergebe mich seinen Händen, klammere mich in das Laken und wie endlos zieht mich dieser schwere, prickelnde Sog mit sich. Schwindel bricht in meinem Kopf aus. Mein Rachen ist längst trocken. Schweiß dringt in meine Augen, doch ich kann die Hände nicht lösen, um gegen das leichte Brennen vorzugehen. Es ist richtig, es ist ein Teil von allem und wie stockt mein Atem, als Kandas schwerer, warmer Körper auf mich sinkt, mich einschließt zwischen sich und der Matratze.

Meine Finger drängen sich tiefer, zitternd tiefer in den Stoff und wie beiße ich die Zähne zusammen, um meine Stimme zu zügeln, als er sich gegen mich schiebt.

Ich zucke, bebe, liebe das Leben so abgöttisch in diesem Moment und ich lasse mich fallen, lebe nur in meinem Körper, als sich Kanda zu bewegen beginnt. Seine Wange bettet sich auf meinen Schopf, bald darauf kann ich nicht mehr unterscheiden, welches Keuchen zu mir dringt und so groß unsere Erschöpfung auch ist, wir opfern den kläglichsten Rest unserer Kräfte und tun es lange, bevor er neben mich sinkt. Kühl weint der Schweiß auf meinem Rücken seiner Haut nach. Kurz darauf sinkt Kandas Arm auf mein Kreuz und so bleiben wir liegen, keuchend und entkräftet, doch so gelöst und friedlich, als hätten die vergangenen Minuten alles aufgelöst, was an Finsternis auf uns lastete.

Irgendwann bewege ich den Kopf auf dem Kissen, spähe zu ihm und verliebe mich zum unzähligen Mal in den Anblick seines Gesichtes. Seiner geschlossenen Augen, seines leicht geöffneten Mundes, während der Schweiß auf seiner Haut schimmert und vereinzelte Strähnen seines Haares an sich bindet.
 

Wir stehen nicht mehr auf. Dieser Tag ist nicht unserer. Wir nutzen ihn nicht für Schritte oder anderes Handeln, bleiben liegen, ziehen die Decke über uns und es braucht nicht lange, bis sich Kandas Atemzüge vertiefen und sein Körper sich in völliger Entspannung an die Matratze schmiegt.

Er schlief lange nicht mehr, dabei waren die letzten Tage so kraftverzehrend. Hier in dieser behüteten Sicherheit kapituliert er und ich liege neben ihm, durchaus erschöpft, doch zu fasziniert von dem Anblick, den ich so gerne rauben und mit mir nehmen würde, um mich in den Zeiten seiner Abwesenheit von ihm zu ernähren. Wie sparsam würde ich von ihm zehren, ihn bei mir tragen wie einen unbezahlbaren Schatz.

Es könnten Stunden sein, die ich damit zubringe, mir sein Gesicht zu betrachtend. Hoffend, dass eine Strähne hinabsinkt und eine Berührung rechtfertigt. Sein Schlaf ist tief, vorerst auch ruhig, doch irgendwann beobachte ich das leichte Zucken seiner Lider. Er sieht etwas, blieb nicht ungestört in seiner warmen Dunkelheit und wieder stelle ich mir die Frage, ob er sich die Alpträume auflastete, die er mir nahm.

Mich erreichen sie nur noch selten und fernab der Heimat, wo ich ohne seine Gegenwart lebe, ohne seinen Geruch, ohne das geringste Fragment seiner Existenz, die mich vor allem aus kurzer Distanz absolut zuverlässig abzuschirmen scheint.

Nun träumt er und ich versuche zu erahnen, wovon.

Sieht er Bingen und alles, was wir zurückließen?

Malen seine tief verborgenen Zweifel das Bild eines gewaltigen Fehlers, den er beging?

Seine Augen bewegen sich hinter den gesenkten Lidern und irgendwann bette ich die Hand auf seinem Ohr. Langsam und vorsichtig, als würde ich dadurch eine Grenzen ziehen zwischen ihm und den Bildern. Er soll mich spüren und vom Bewusstsein über meine Anwesenheit ebenso profitieren wie ich von seiner. Manchmal spüre ich das leichte Zucken unter meinen Fingern, einmal regt er den Kopf, doch irgendwann verschwimmt auch mein Blick und lässt die Welt um mich herum dunkel werden.
 

Es ist alles in Ordnung.

Dieses Gefühl durchströmt mich am nächsten Morgen und auch Kanda wirkt ausgeglichen. Wir frühstücken, während die Sonne bereits nahe am Zenit steht. Es ist angenehm hell, auch angenehm ruhig. Das Essen schmeckt so gut wie am Vortag und auch der Weg, der uns zum Bahnhof führt, ist so entspannt hinter sich gebracht. Manchmal reden wir, manchmal schweigen wir auch und ich für meinen Teil habe nicht die Sorge, etwas Unerledigtes zurückgelassen zu haben. Fast fühlt es sich an wie eine erfolgreich beendete Mission. Fast wie die Normalität.

Und als wir die Heimat erreichen, denke ich kaum noch daran. Von diesem Punkt aus geht es weiter.

Wie immer. Nur noch eine letzte Berührung, eine letzte Thematisierung.

Schweigend hört Komui uns zu. Zurückgelehnt, die Hand nahe der leeren Kaffeetasse und sich kaum regend, während wir von Bingen erzählen. Größtenteils bin ich es, der spricht, da Kanda mir zu Beginn mit seinem Schweigen genug Raum ließ. Ich glaubte in dieser Geste ein Zeichen zu erkennen, das ich nicht hinterfrage.

Meine Distanz zu diesem Ort ist größer und wird es auch immer sein und Kanda hätte das Wort ergriffen, hätte er es gewollt.

Ich fasse mich kurz, bin allgemein nicht der Mensch, der zu Verzierungen neigt, sollte es in diesem Fall überhaupt möglich oder angebracht sein. Die knappe Version ist nicht schlechter als die detaillierte und Stille herrscht im Raum, nachdem ich verstumme, abschließend nicke und gegen die Rückenlehne sinke.

Kanda bewegte sich kaum binnen der letzten Momente und auch jetzt findet er wenig Interesse an Komuis Mimik. Absent berühren sich seine Finger, während er sich das Holz des Schreibtisches betrachtet.

Komui scheint nachdenklich und seine erste Regung besteht daraus, dass seine Hand zum Mund findet und ihn reibt.

Seine Augen driften über die chaotische Fläche seines Schreibtisches, doch der Moment der Stille endet unvorhergesehen rasch. Ich erlebte Komui noch nicht in einer solchen Situation, kann nur erahnen, wie sich seine Persönlichkeit anpassen könnte und ich erwartete tatsächlich die Ruhe, die er noch immer ausstrahlt, als er nickt, die Hand sinken lässt und sich aufrichtet. Ein kurzes Seufzen erhebt sich, bevor er die Ellbogen auf den Schreibtisch stemmt und uns abermals und offen mustert.

„Geht es euch gut?“

Ich bejahe, Kanda beantwortet die Frage mit einer knappen Regung und Komui gibt sich damit zufrieden.

Er braucht sich keine Sorgen zu machen, denn unsere Füße sind schwere Wege gewöhnt.

„In Ordnung.“ Ein letztes Mal mustert er uns eindringlich. „Ich werde in den nächsten Tagen Finder dorthin schicken, um unsere Kameraden Nachhause zu holen. Betrachten wir diese Angelegenheit also als beendet.“

Mehr sagt er nicht und es hätte mich auch gewundert, denn obwohl er hier an diesen Ort gebunden und somit stets sehr weit entfernt ist von unserer Wirklichkeit, so kennt er doch die Wahrheit und sieht die Notwendigkeit der Dinge.

Vielleicht hätte er an unserer Stelle einen anderen Weg gesucht. Vielleicht jedoch genauso gehandelt. Es ist und bleibe dasselbe und er maßt es sich nicht an, zu urteilen. Kanda und ich sind hier und unversehrt. Mehr zählt für ihn nicht und tatsächlich wirkt er kurz darauf, als wäre die Angelegenheit emotional komplett beendet. Er räuspert sich, schiebt einen wackeligen Stapel aus ungeöffneten Briefen zur Seite und lässt einen anderen von der Kante des Schreibtisches rutschen.

Alles ist wieder normal.

„Ich weiß, es ist kurzfristig, aber ich würde euch beide morgen gerne wieder losschicken. Nach Tschechien.“

Er hätte nichts Schöneres sagen können.

Ein Schmunzeln zuckt an meinem Mundwinkel, während er sich die Wange reibt.

„Marie wird in Kürze hier sein. Er begleitet euch."

Während er sich möglicherweise grämt, uns nicht mehr bieten zu können als einen halben Tag Ruhe, vertieft sich mein Schmunzeln. Das Schicksal scheint mir wohlgesonnen die Hand zu reichen und ich möchte naiv genug sein, sie dankbar zu ergreifen.
 

-tbc-



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