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Über Katzen und Krähen

Oneshot-Sammlung
von

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Grenzen

Manchmal wünscht Yuuji sich, dass er nicht jede dämliche Wette annehmen würde, die seine Freunde ihm vorschlagen. Er weiß nicht genau, was in seinem Gehirn schief gelaufen ist, aber anscheinend ist es nicht in der Lage, einfach mal zu denken »Mach das lieber nicht, du oller Trottel.«. Sobald jemand einen Satz startet mit »Wetten, dass...«, ist Yuuji schon bereit für so ziemlich alles.
 

So hat er sich schon gefühlte hundert Male Nachsitzen eingehandelt. So wurde er einmal fast verhaftet für Erregung öffentlichen Ärgernisses. So hat er sich schon mehrere Ohrfeigen, Kinnhaken und auch sein Zungenpiercing eingefangen.
 

Er kann einfach nicht nein sagen, wenn Leute ihn zu Wetten herausfordern.
 

Und diese Wette klingt bei weitem nicht so übel, wie das eine Mal, als er ins Büro des Rektors einbrechen und ein schmutziges Heftchen dort auf den Schreibtisch hatte legen sollen—wofür er nach seinem Erwischtwerden für eine Woche suspendiert worden war.
 

»Wetten, du traust dich nicht, zu Nummer zwölf rüber zu gehen und ihm deine Handynummer zu geben?«, sagt Kazuma mit einem breiten Grinsen und einem Zwinkern.
 

Sie haben ihr Spiel verloren. Yuuji erinnert sich nicht wirklich an Nummer zwölf, denn er hat definitiv nicht auf dem Feld gestanden. Was genau an ihm Kazuma davon überzeugt hat, dass er genau die richtige Zielperson für eine neue Wette ist, weiß Yuuji nicht. Aber er weiß, dass sein Gehirn sofort bei dem Wort »Wetten« anfängt, wie ein kleiner, dämlicher Hund zu hecheln.
 

Seine Augen wandern über die Mannschaft von Karasuno, die gerade draußen vor dem Gebäude an ihnen vorbeigezogen ist. Die Sonne, die gerade untergeht, passt farblich seltsam gut zu ihren schwarz-orangenen Trikots.
 

Yuujis Augen finden die kleine Nummer zehn direkt neben der Nummer neun, während die beiden über irgendetwas miteinander streiten. Und da ist der Langweiler mit der Brille, der Captain, der nicht sonderlich spannend aber frustrierend gut war...
 

Und da. Neben dem arroganten Kerl mit der Brille geht Nummer zwölf. Yuuji denkt, dass der eher unscheinbare Kerl vielleicht sogar größer ist als Yuuji selbst, aber seine gebeugte Haltung sieht sehr danach aus, dass es jemand ist, der immer eher versucht sich kleinzumachen.
 

Nicht wirklich Yuujis Typ.
 

Er mag aufregende, ausgefallene Menschen. Er mag Spaß und Abenteuer.
 

Nummer zwölf sieht nach Schüchternheit und Langeweile aus.
 

Aber hey, es ist eine Wette und auch, wenn Yuuji denkt, dass es noch viel mehr Spaß machen würde, der arroganten Nummer elf seine Nummer zu geben, weiß er, dass Kazumas Wetten so nicht funktionieren. Er wird sich schon irgendwas Beknacktes dabei gedacht haben, den schüchternen Langweiler mit den Sommersprossen ausgesucht zu haben.
 

Yuuji sieht sich um, ob er Hana irgendwo entdecken kann, aber sie scheint noch nicht draußen angekommen zu sein.
 

»Gib mir ‘nen Stift, man«, zischelt Yuuji hastig und Kazuma kramt in seiner Tasche und zieht einen Kugelschreiber hervor. Der Rest des Teams ist am Lachen und Kichern und Takeharu haut ihm ermutigend auf den Rücken, nachdem Yuuji seine Handynummer hastig auf einen Zettel gekrickelt hat.
 

Dann wischt er sich die Haare aus der Stirn, setzt sein charmantestes Lächeln auf und spurtet los, um Karasuno einzuholen, bevor sie in ihren Bus steigen.
 

»Hey, Nummer zwölf!«, ruft er ausgelassen und trennt Nummer elf von Nummer zwölf mit einer eleganten Halbdrehung, ehe er vor Nummer zwölf zum Stehen kommt.
 

In der Tat ist der unscheinbare Junge mit den Sommersprossen ein klein wenig größer als Yuuji.
 

Mit einem lässigen Kopfrucken befördert Yuuji sein Haar aus der Stirn und grinst den fremden Jungen an, dann hebt er den hastig bekritzelten Zettel mit seiner Nummer zwischen Zeige- und Mittelfinger hoch und zwinkert Nummer zwölf an.
 

»Schreib mir, wenn du ein bisschen Spaß möchtest«, sagt er und gibt sich alle Mühe, seine Stimme so verführerisch wie möglich klingen zu lassen.
 

Der Junge vor ihm starrt ihn ganze zehn Sekunden lang mit leicht geöffnetem Mund an. Dann, als würde jemand aus einem Teekessel heißes Wasser in seinen Kopf gießen, läuft er scharlachrot an, sodass man seine Sommersprossen kaum noch sehen kann. Es ist fast ein bisschen niedlich.
 

»Wa—was—warum?«, stammelt er mit heiserer Stimme und Yuuji kann Nummer elf neben sich schnauben hören.
 

»Brauch ich einen Grund, außer, dass du süß bist?«, fragt Yuuji breit grinsend. Ihm ist sehr bewusst, dass der Rest des Teams ihn anstarrt. Yuuji hat nicht vor, sich bei seinem Scherz erwischen zu lassen, indem er anfängt zu lachen, also stupst er Nummer zwölf mit dem Zeigefinger gegen die Brust, zwinkert noch einmal und macht sich nach einem weiteren »Schreib mir!« auf den Weg zurück zu seinem eigenen Team, das ihn jauchzend begrüßt.
 

»Sein Gesicht«, japst Kazuma begeistert. »Ich glaube, er stirbt vielleicht an einem Herzinfarkt!«
 

»Wahrscheinlich hat ihm noch nie jemand seine Nummer gegeben«, meint Takeharu schmunzelnd und Yuuji denkt, dass er vermutlich Recht hat.
 

Nummer zwölf wird ihm sicherlich nicht schreiben. Aber Yuuji hat vermutlich Glück und kriegt von seinen Mannschaftskameraden für seinen umwerfenden Auftritt irgendwas Leckeres zu essen spendiert.
 

Auf dem Nachhauseweg hat er kurz vor seiner Haustür die Wette bereits vergessen, als sein Handy vibriert. Während er mit einer Hand nach dem Schlüssel kramt, holt er mit der anderen sein Handy aus der hinteren Hosentasche und entsperrt den Bildschirm.
 

Eine neue Nachricht von... einer unbekannten Nummer.
 

0081704578872; 09:01 pm: hast dus wirklich so gemeint?
 

Huh.
 

Yuuji schließt die Haustür auf und kaut auf seiner Unterlippe herum. Er weiß, dass seine Mutter nicht zu Hause ist, also kickt er seine Schuhe beiseite und pilgert in die Küche, um nach irgendetwas zum Aufwärmen zu suchen.
 

Die einfachste Variante wäre nicht zu antworten. Keine Antwort ist auch eine Antwort. Er könnte die Wahrheit sagen und zugeben, dass es nur ein Witz war. Aber er denkt auch an das knallrote Gesicht mit den Sommersprossen und die riesigen Augen und den Unglauben.
 

Ein bisschen Spaß muss sein, denkt er sich und lässt seine Finger über die Tasten huschen.
 

Yuuhuuji; 09:03 pm: oooh, sommersprossen!

Yuuhuuji; 09:04 pm: wie schön von dir zu hören (☆ω☆*)

0081704578872; 09:04 pm: du weißt nicht mal wie ich heiße

Yuuhuuji; 09:05 pm: woher auch? verrätsts dus mir wenn ich lieb frage? (♥ω♥*)

0081704578872; 09:10 pm: yamaguchi
 

Yuuji schiebt sich einen Teller Curry in die Mikrowelle lehnt sich gegen den Küchentresen, um nachzudenken. Yamaguchi. Er speichert die fremde Nummer unter dem gelieferten Namen ein.
 

Yuuhuuji; 09:13 pm: und hast du auch einen vornamen ( ˘ ³˘)
 

Auf die Frage hin kommt eine Weile lang nichts mehr. Yuuji weiß nicht, ob es zu viel des Guten war, aber er holt sein Curry aus der Mikrowolle und wandert damit nach oben in sein Zimmer. Nachdem er mit dem linken Bein einen freien Platz auf seinem Bett geschaffen hat, lässt er sich darauf nieder und fängt an zu essen.
 

Die Stille in seinem Zimmer drückt auf seine Ohren. Yuuji mag die Stille nicht. Als sein Handy vibriert, wirft er einen neugierigen Blick darauf.
 

Yamaguchi; 09:26 pm: tadashi

Yuuhuuji; 09:27 pm: hmmmmmm tadashi-kun

Yuuhuuji; 09:27 pm: gefällt mir
 

Yuuji stellt seinen leeren Teller beiseite und betrachtet sein Display, ehe er den Namen ein weiteres Mal ändert. Kazuma hat nicht gesagt, dass es mit zur Wette gehört auch nach Verteilen der Nummer weiter mit Yamaguchi zu schreiben.
 

Tadashi; 09:29 pm: und dein name ist terushima, richtig?

Yuuhuuji; 09:30 pm: das bin ich. aber du darfst auch gerne yuuji sagen (⌒.-)=★

Tadashi; 09:32 pm: oh

Tadashi; 09:32 pm: uhm

Tadashi; 09:34 pm: ok
 

Yuuji muss lachen. Zugegebenermaßen macht es viel mehr Spaß, Yamaguchi aus der Reserve zu locken, als er gedacht hatte. Er ist sich nicht sicher, wie weit er das Spiel treiben kann, aber es ist nicht so, als hätte er im Moment etwas Besseres zu tun. Das Haus ist leer und still, seine Mannschaft hat verloren. Yuuji bemerkt den Muskelkater in seinen Beinen und zieht in Erwägung sich ein Bad einzulassen.
 

Sein Handy ist immerhin wasserfest.
 

Tadashi; 09:37 pm: yuuji-kun
 

Yuuji grinst und springt vom Bett. Spaß, Spaß, Spaß, denkt er sich und huscht ins Bad, dreht die Hähne auf und kramt nach irgendeinem Badezusatz, der soviel Schaum produziert wie möglich. Er schickt Yamaguchi—nein, Tadashi—ein Bild von den sich formenden Schaumwolken auf seinem Bad.
 

Eine ganze Weile lang kommt keine Antwort und Yuuji denkt, dass er Yamaguchi entweder verschreckt hat, oder der Ärmste in Ohnmacht gefallen ist.
 

Tadashi; 09:46 pm: dir ist wohl nichts unangenehm, oder

Yuuhuuji; 09:47 pm: nah, dafür ist das leben zu kurz und schamlosigkeit macht zu viel spaß (⌒.−)=★

Tadashi; 09:48 pm: da kann ich mich nur auf dein wort verlassen, als selbstbewusstsein verteilt wurde, hab ich nichts davon abbekommen (ーー;)

Yuuhuuji; 09:49 pm: ER KANN EMOJIS

Yuuhuuji; 09:49 pm: und awww tadaaashi, möchtest du dass ich dein selbstbewusstsein ein bisschen aufpoliere (ง •̀ω•́)ง✧
 

Es kommt wieder eine ganze Weile lang nichts und Yuuji steigt vorsichtig in das heiße Badewasser. Vielleicht ist es, weil er das Suffix weggelassen hat. Oder vielleicht ist Tadashi eingeschlafen. Yuuji lässt sein Handy Musik spielen und legt es auf den Badewannenrand, ehe er mit dem Kopf ins heiße Wasser taucht und die Augen schließt, um die Schwerelosigkeit ein bisschen zu genießen.
 

Die Musik ist unter Wasser kaum noch zu hören. Er hält die Luft solange an, wie er kann und taucht durch den Schaum wieder auf.
 

Tadashi; 09:55 pm: ich fürchte da ist hopfen und malz verloren

Yuuhuuji; 09:55 pm: aufgeben ist nicht sexy tadashi

Yuuhuuji; 09:56 pm: wie lange kannst du die luft anhalten?

Tadashi; 09:57 pm: bist du dir sicher dass du deine nummer der richtigen person gegeben hast

Tadashi; 09:58 pm: (und keine ahnung, vielleicht eine minute)

Yuuhuuji; 10:01 pm: ziemlich sicher ja

Yuuhuuji; 10:01 pm: ich schreib doch die ganze zeit mit der süßen nummer zwölf mit dem gesicht voller sommersprossen?

Yuuhuuji; 10:01 pm: wenn nicht, dann war das alles ein irrtum tadashi

Yuuhuuji; 10:02 pm: wenn du nicht die süße nummer zwölf mit den sommersprossen bist muss ich dich bitten die nummer an ihn weiterzuleiten

Yuuhuuji; 10:03 pm: (du musst die luft anhalten und zählen tadashi. ich chille in der badewanne und brauche antworten)
 

Yuuji taucht wieder unter und diesmal zählt er mit. Er fragt sich, ob es in so warmem Wasser schwieriger ist, aber er kommt bis über siebzig, bevor er wieder auftauchen muss.
 

Tadashi; 10:14 pm: ...

Tadashi; 10:14 pm: wie kannst du solche sachen einfach sagen??

Tadashi; 10:14 pm: und ja. sommersprossen. das bin ich

Tadashi; 10:15 pm: (62 sekunden)

Yuuhuuji; 10:17 pm: solche sachen? du meinst die wahrheit? (・ω <)

Yuuhuuji; 10:17 pm: puh, das wäre sonst peinlich gewesen. ich hätt ungern versehentlich mit dem blonden lulatsch nummern getauscht

Yuuhuuji; 10:17 pm: nicht schlecht, nicht schlecht. ich gewinne mit 76 (¬‿¬)

Tadashi; 10:19 pm: es hätte mich nicht gewundert. alle mädchen wollen auch immer mit tsukki reden
 

Ah. Daher weht der Wind, denkt Yuuji sich. Er packt das Handy beiseite und greift blindlings nach einer der Flaschen, die auf dem Badewannenrand stehen. Er versucht sich das Gesicht von dem blonden Mittelblocker ins Gedächtnis zu rufen. Scharfe Augen, ein blonder Mopp an Haaren, eine Brille. Und ein arroganter, unbeteiligter Gesichtsausdruck.
 

Nah. Definitiv nicht Yuujis Typ.
 

Auch wenn es sicherlich Spaß machen würde, so jemanden ein wenig aus der Reserve zu locken.
 

Yuuhuuji; 10:29 pm: vielleicht haben all die mädchen tomaten auf den augen

Yuuhuuji; 10:29 pm: anders kann ich es mir nicht erklären

Yuuhuuji; 10:30 pm: aber hey wenn du mir antwortest stört es dich ja vielleicht nicht dass mädchen dich nicht ansprechen? (¬‿¬)
 

Yuuji weiß nicht, wie vorsichtig er mit so einem Thema sein muss. Er macht kaum einen Hehl daraus, dass er bisexuell ist. Oder aus irgendwelchen anderen Sachen. Yuuji ist generell nicht der Typ dafür, sich für irgendwas zu verstecken, auch wenn ihm klar ist, dass nicht alle Menschen den Luxus haben, immerzu kompromisslos sie selbst zu sein.
 

Tadashi antwortet nicht mehr, bis Yuujis Finger schrumpelig geworden sind und all der Schaum verschwunden ist. Seine schmerzenden Muskeln fühlen sich ein bisschen besser an, nachdem sie so lange im warmen Wasser lagen und Yuuji trocknet seine Haare, putzt sich die Zähne und huscht summend zurück in sein Zimmer, um sich dort erneut aufs Bett zu werfen.
 

Vielleicht ist er jetzt doch zu direkt gewesen. Außer sich selbst kennt Yuuji niemanden, der nicht hetero ist. Aber hätte Tadashi ihm geschrieben, wenn er stocken hetero wäre? Vielleicht nur aus Neugierde. Vielleicht nur, weil sein armes, missbrauchtes Ego ein paar nette Worte brauchte. Traurig genug, aber fair. Yuuji bekommt selbst genauso gern Komplimente wie jeder andere Mensch, aber er braucht sie nicht für sein Selbstwertgefühl.
 

Zumindest meistens.
 

Yuuji knipst seine Nachttischlampe aus, wirft seine Bettdecke über sich und beobachtet ein paar Wolken, die sich vor den Mond schieben. Sein Handy vibriert.
 

Tadashi; 11:18 pm: heißt dass du magst jungs
 

Yuuji schnaubt.
 

Yuuhuuji; 11:19 pm: tadashi, mein dude, mein sommersprossiges schüchternheitsdesaster

Yuuhuuji; 11:19 pm: ich hab in den letzten stunden ungefähr zehnmal gesagt dass du süß bist

Yuuhuuji; 11:19 pm: glaubst du das heißt dass ich hetero bin

Yuuhuuji; 11:20 pm: die wichtige frage ist doch

Yuuhuuji; 11:20 pm: bist du hetero?
 

Yuuji ist bereits am eindösen, als sein Handy erneut vibriert.
 

Tadashi; 11:27 pm: ich dachte schon

Tadashi; 11:27 pm: vielleicht...... nicht?

Yuuhuuji; 11:28 pm: weil ich großzügig und umwerfend nett bin, stelle ich mich als versuchskaninchen zur verfügung, tadashi

Yuuhuuji; 11:29 pm: gute nacht (︶。︶✽)

Tadashi; 11:43 pm: gute nacht
 

*
 

Tadashi; 08:19 am: wie findet man raus ob man nicht nur mädchen mag
 

Yuuji hat sehr viele versaute Erwiderungen im Kopf. Über Pornos und Masturbationsfantasien und spontanes Rummachen mit einem nicht minder neugierigen, männlichen Individuum seiner Wahl. Aber es ist wahrscheinlich zu früh am Morgen, um Tadashi solche Dinge um die Ohren zu hauen—wenn überhaupt jemals eine gute Zeit dafür ist, wenn er daran denkt, wie rot der arme Junge geworden ist, nur weil jemand ihm seine Nummer gegeben hat.
 

Yuuji ist nicht verwundert darüber, dass seine Mutter über Nacht nicht nach Hause gekommen ist. Als er am Sonntagmorgen aufsteht, ist das Haus nicht minder leer und still als am Vorabend.
 

Er plündert den Kühlschrank und frühstückt mitten im Wohnzimmer auf dem Fußboden, während im Fernsehen eine Spieleshow läuft, die er nicht weiter beachtet. Wenn seine Mutter noch länger weg bleibt, muss er morgen nach der Schule dringend einkaufen gehen.
 

An Tagen wie diesen wünscht Yuuji sich Geschwister. Dann wäre das Haus nicht so still und er wäre nicht gezwungen irgendeinen niveaulosen Mist im Fernsehen zu schauen, nur damit die Stille nicht auf seine Ohren drückt. Vielleicht sollte er nach dem Frühstück rausgehen und ein bisschen die Nachbarschaft unsicher machen. Vielleicht haben Kazuma und Takeharu Zeit für ihn.
 

Yuuhuuji; 09:26 am: woher weißt du dass du mädchen magst

Tadashi; 09:27 am: umm

Tadashi; 09:27 am: einfach so?

Tadashi; 09:27 am: ich hab nie drüber nachgedacht

Tadashi; 09:27 am: mädchen sind... süß?
 

Yuuji schnaubt. Nicht, dass er das nicht nachvollziehen könnte. Aber trotzdem.
 

Yuuhuuji; 09:29 am: aus erster hand kann ich berichten dass jungs auch süß sind tadashi (⌒.−)=★

Tadashi; 09:33 am: du musst damit aufhlren ●﹏●

Tadashi; 09:33 am: *aufhören

Yuuhuuji; 09:35 am: möchtest du dass ich dich anlüge

Yuuhuuji; 09:35 am: tadashi............

Yuuhuuji; 09:35 am: und ich dachte du wärst ein anständiger junge (¬‿¬)

Tadashi; 09:36 am: yuuji-kun

Tadashi; 09:36 am: warum bist du so?
 

Yuuji muss lachen. Er bringt sein dreckiges Geschirr in die Küche und denkt einen Moment lang darüber nach, ob er die immer größer werdenden Stapel in die Spülmaschine sortieren sollte. Aber er hat keine Lust, lässt die Unordnung Undordnung sein und geht zurück ins sonnige Wohnzimmer, um sich dort auf den flauschigen Teppich zu legen und der Spieleshow im Hintergrund zu lauschen, während er sein Handy vor sich in der Luft hält und über seine Antwort nachdenkt.
 

Schließlich denkt er, dass er genauso gut die volle Breitseite auspacken kann. Warum nicht? Er hat nichts zu verlieren, es würde definitiv sehr viel Spaß machen und wer weiß, vielleicht bekommt Tadashi eine Erleuchtung, die ihn bis ans Ende seines Lebens begleiten wird.
 

Yuuhuuji; 09:41 am: möchtest du ein gedankenexperiment machen um es zu testen (¬‿¬)

Tadashi; 09:42 am: ●﹏●

Tadashi; 09:42 am: ok?

Yuuhuuji; 09:43 am: stell dir den umwerfendsten typen vor, den du kennst

Yuuhuuji; 09:43 am: einer bei dem du dir denkst boah

Yuuhuuji; 09:43 am: sowas scharfes hab ich selten gesehen

Yuuhuuji; 09:44 am: hast du einen im kopf?

Tadashi; 09:47 am: umm... ich weiß nicht.

Yuuhuuji; 09:49 am: na komm schon tadashi. wir haben jede menge heiße schnittchen in unserer präfektur. wie isses mit ushijima? oder vielleicht mehr so einer wie oikawa?

Tadashi; 09:51 am: oh gott nein!!!

Tadashi; 09:51 am: ich glaub ich hab einen. vielleicht

Yuuhuuji; 09:55 am: ich würde gerne fragen wer es ist ( ͡° ͜ʖ ͡°)

Yuuhuuji; 09:55 am: vielleicht magst du ja auch blonde rebellen mit piercings ( ͡° ͜ʖ ͡°) ( ͡° ͜ʖ ͡°) ( ͡° ͜ʖ ͡°)

Tadashi; 09:57 am: .........
 

Yuuji ist zu amüsiert über alles, was in dieser Unterhaltung passiert, als dass er irgendetwas anderes mit seiner Zeit anfangen wollen würde. Hausaufgaben sind was für Leute, die nichts Besseres zu tun haben und Yuuji ist gerade dabei, jemandem ein potentielles, sexuelles Erwachen zu bescheren.
 

Yuuhuuji; 09:58 am: okok sei weiter ein spielverderber tadashi

Yuuhuuji; 09:59 am: aber wenn du ihn im kopf hast, gut! stell dir vor ihr seid allein hinter der sporthalle und es ist dunkel draußen und eigentlich musst du nach hause, aber ihr habt bis geradeeben trainiert und vielleicht sogar nett geplaudert. und er zieht sein trikot hoch, um sich damit den schweiß aus dem gesicht zu wischen und du siehst seine bauchmuskeln und eigentlich willst du rechtzeitig wieder weggucken aber er erwischt dich beim starren

Yuuhuuji; 10:03 am: und vielleicht grinst er, aber vielleicht starrt er auch nur zurück und dann drückt er dich gegen die wand von der halle und eh dus dich versiehst küsst er dich. er schiebt ein bein zwischen deine beine und das ist definitiv der beste kuss, den du je hattest und er ist definitiv kein bisschen so weich und zierlich wie die mädchen die du sonst anguckst
 

Yuuji ist gerade dabei, eine detaillierte Beschreibung davon zu tippen, wie der namenlose Typ Tadashi an die Hose geht, als sein Handy erneut vibriert.
 

Tadashi; 10:06 am: oh mein gott hör auf (꒪ȏ꒪;)

Tadashi; 10:06 am: ich seh dich tippen. STOP
 

Yuuji ist ein bisschen enttäuscht, dass sein wunderbarer Roman jetzt keinen Abnehmer mehr findet und das, obwohl er sich viel Mühe gegeben hat, blumige Umschreibungen für das Wort Penis zu finden, damit Tadashi nicht vor lauter Schock vom Stuhl stürzt.
 

Yuuhuuji; 10:07 am: das war ein kurzes gedankenexpiremtn

Yuuhuuji; 10:07 am: *experiment

Yuuhuuji; 10:07 am: ich war schon bei dem part angekommen, bei dem ihr euch gegenseitig einen runterholt ( ͡° ͜ʖ ͡°)
 

Yuuji hat ein Problem damit, Grenzen einzuhalten. Das hat Hana ihm schon hundert Mal gesagt und er weiß, dass sie Recht hat. Aber lassen kann Yuuji es trotzdem nicht. Tadashi antwortet auf seine letzte Nachricht nicht mehr und nach zehn Minuten des Wartens steckt Yuuji sein Handy in die Hosentasche und macht sich auf den Weg in sein Zimmer, um irgendeine Beschäftigung zu finden.
 

Auf Kazuma ist eigentlich immer Verlass, wenn er Yuuji langweilig ist, aber heute scheint er ihn im Stich zu lassen, als er ihm verkündet, dass er wegen seiner letzten verpatzten Matheklausur Hausarrest bekommen hat und sich deswegen nicht mi Yuuji im Park treffen kann.
 

Seine Mutter hat immer schon gesagt, dass Yuuji Schwierigkeiten damit hatte, sich selbst zu beschäftigen. Auch, wenn er ihr gegenüber keine besonders freundlichen Gefühle hegt, hat sie nicht unrecht. Yuuji fragt sich, warum die wenigen Frauen, die er in seinem Leben hat, ihm andauernd unangenehme Wahrheiten unter die Nase reiben müssen.
 

Ihm ist so langweilig, dass er sogar seine Hausaufgaben für Montag und Dienstag erledigt—und das alles, weil Tadashi, der olle Spielverderber, ihm nicht auf seine hilfreichen Nachrichten geantwortet hat. Yuuji überlegt, ob er ihm vielleicht noch mal schreiben und einfach das Thema wechseln soll. Vielleicht hatte Tadashi auch einfach eine Verabredung und konnte deswegen nicht antworten.
 

Vielleicht ist Yuuji auch einfach zu weit gegangen.
 

Wundern würde es ihn nicht, es ist ein altes Lied für ihn.
 

Er räumt das Geschirr in der Küche in den Geschirrspüler, übt anderthalb Stunden Flickflacks im Garten und geht anschließend auch noch Joggen, um sich die Zeit zu vertreiben. Wer auch immer Sonntage erfunden hat, gehört seiner Meinung nach erschossen.
 

Als er abends im Bett liegt, stellt Yuuji fest, dass er es tatsächlich bedauert, dass Tadashi ihm nicht mehr geantwortet hat. Er starrt aufs Display seines Handys und verflucht Kazuma, der ganz offensichtlich der Grund für seine Unzufriedenheit ist. Yuuji weigert sich allerdings, länger als nötig über irgendeinen rivalisierenden Nerd nachzudenken und stopft sein Handy unters Kopfkissen, ehe er die Augen schließt und schließlich nach einiger Zeit einschläft.
 

*
 

Yuuji ist ungnädig über sich selbst und die Welt im Allgemeinen.
 

Auch am Mittwoch hat Tadashi sich nicht mehr bei ihm gemeldet und Yuuji würde gerne behaupten, dass seine Gedanken nicht an Tadashi haften, weil Tadashi ganz objektiv betrachtet eher langweilig und kein bisschen Yuujis Typ ist. Aber er denkt an Sommersprossen und ein riesiges Übermaß an Verlegenheit und »Hast du’s wirklich so gemeint?«.
 

Beim Training nach der Schule hat er endlich Gelegenheit, sein Gehirn abzuschalten, auch wenn er sich hin und wieder beim Gedanken daran ertappt, welche Position Tadashi in seiner Mannschaft spielt. Vielleicht ist er auch ein Mittelblocker. Groß genug wäre er auf jeden Fall. Während er darüber grübelt verpasst er Kazumas nächsten Aufschlag und bekommt den Ball prompt ins Gesicht.
 

»Ow, fuck!«
 

Eine Mischung aus besorgten Rufen und Gelächter bricht aus während Yuuji sich seine blutende Nase hält. Es fühlt sich nicht unähnlich zu einem Faustschlag an, den er mal bekommen hat, weil er die Freundin eines Basketballers in dessen Gegenwart angebaggert hat.
 

»Terushima! Alter! Tut mir leid!«
 

Kazuma sieht aus, als würde er zwischen Schadenfreude und schlechtem Gewissen schwanken als er sich neben Yuuji hinkniet. Runa ist zur Stelle mit einem Kühlpack und einer Ladung Taschentücher, die sie Yuuji mit großen Augen hinhält. Es ist wirklich sehr viel Blut, das ihm aus der Nase läuft.
 

»Ich glaube sie ist nicht gebrochen«, sagt Takeharu mit einem fachmännischen Blick auf Yuujis Nase, die sich jetzt schon anfühlt, als wäre sie auf die doppelte Größe angeschwollen. Er schmeckt Eisen in seinem Mund und verzieht das Gesicht.
 

»Ich glaube, du solltest damit ins Krankenzimmer gehen«, sagt Runa, ihre Augen immer noch riesig.
 

»Bringst du mich etwa hin, Runa-chan?«, feixt Yuuji um eine Ladung voll Blut und er kann Kazumas Schnauben entnehmen, dass Yuujis üblicher Charme von der Menge roter Flüssigkeit akut gedämpft wird, die ihm über Mund und Kinn läuft. Runa sieht jedoch entschlossen aus, ihre Pflichten als Managerin wahrzunehmen, denn sie nickt eifrig und greift vorsichtig nach Yuujis Ellbogen, um ihm aufzuhelfen und ihn aus der Sporthalle zu führen.
 

Unter anderen Umständen hätte Yuuji die Gelegenheit vermutlich genutzt, um mit Runa zu flirten. Jetzt ist sein Gehirn allerdings damit beschäftigt sich klarzumachen, dass er wegen seiner Ablenkung über Tadashi einen Volleyball auf die Nase bekommen hat.
 

»Runa-chan«, sagt er, während sie durch Korridore gehen und Yuuji versucht, nicht alles vollzubluten. »Was machst du, wenn du bei jemandem Grenzen überschritten hast?«
 

Runa wirft ihm einen Seitenblick zu.
 

»Absichtlich oder aus Versehen?«, will sie wissen. Ihre Stimme ist so leise. Runa ist genauso schüchtern wie Tadashi. Yuujis Gehirn ist offensichtlich von dem Schlag ins Gesicht beschädigt worden—es dreht sich im Kreis und kommt immer wieder bei Sommersprossen an.
 

»Ähm. Vielleicht beides ein bisschen?«, gibt er zurück. Seine Stimme klingt ein bisschen nasal, wahrscheinlich weil seine Nase so voller Blut ist. Yuuji hat definitiv genug von dem Eisengeschmack.
 

Runas Gesichtsausdruck überrascht ihn. Sie lächelt, fast ein bisschen amüsiert, und schüttelt den Kopf.
 

»Du provozierst Leute zu oft bis zum Anschlag, Terushima-san. Die meisten Leute schätzen es nicht, wenn man sie dauernd triezt. Hast du dich entschuldigt?«
 

»Ähm.«
 

»Terushima-san...«
 

»Wir sind nicht mal befreundet«, sagt er abwehrend und sieht zu, wie Runa die Hand hebt und an die Tür des Krankenzimmers klopft. Sie werden hereingebeten und Runa wirft ihm einen beinahe mitleidigen Blick zu.
 

»Seit wann verdienen nur gute Freunde es, mit Respekt behandelt zu werden, Terushima-san?«
 

Yuuji klappt den Mund zu und lässt sich von der Schulkrankenschwester auf eine Liege bugsieren. Runa verbeugt sich und dreht sich zur Tür.
 

»Sag einfach, dass es dir Leid tut. Ich bin sicher, es wird alles wieder ok«, sagt sie, ehe sie die Tür hinter sich schließt, wahrscheinlich, um draußen zu warten. Yuuji fühlt sich nach ihren Worten seltsam klein. Nach Hana und seiner Mutter ist Runa jetzt schon die dritte Frau, die ihn auf unangenehme Wahrheiten stößt. Yuuji erkennt ein Muster, wenn er eines vor sich hat. Er kann Muster nicht ausstehen.
 

Während die Krankenschwester in ihren Schränken nach Watte und Eis sucht, kramt Yuuji hastig sein Handy aus der Tasche seiner Shorts. Wenn der Coach wüsste, dass Yuuji es meistens mit sich beim Training herumschleppt, wäre sicherlich die Hölle los. Er macht ein blutiges Selfie mit einem strahlenden, rotzahnigen Grinsen und einem Peace-Zeichen, ehe er das Handy hastig wieder in die Tasche stopft. Dann lässt er Reininung, Kühlung und Behandlungstipps über sich ergehen, ehe er schließlich mit der Versicherung entlassen wird, dass seine Nase nicht gebrochen ist.
 

Runa lehnt draußen zwischen zwei der Fenstern, die nach draußen auf den Schulhof zeigen.
 

»Geht es dir besser?«, fragt sie lächelnd. Yuuji nickt und seufzt. Immerhin hat die Blutung aufgehört, auch wenn er weiterhin einen ekligen Geschmack im Mund und das Gefühl hat, dass seine Nase auf die doppelte Größe angeschwollen ist.
 

»Fit wie ein Turnschuh, Runa-chan!«, sagt Yuuji und schenkt ihr sein charmantestes Lächeln. Während sie sich auf den Weg zurück zur Halle machen, kramt Yuuji erneut nach seinem Handy und prüft das Selfie. Dann öffnet er den Chat mit Tadashi und schickt ihm das Bild.
 

Yuuhuuji; 04:11 pm: das passiert, wenn ich an dich denke statt aufs feld zu achten
 

Yuuji schickt die Nachricht ab, bevor er es sich anders überlegen kann. Er liest die Worte. Es ist nicht wirklich eine Entschuldigung. Yuuji kann förmlich spüren, wie Runa ihn beobachtet und er schluckt, ehe er seine Finger erneut über die Tasten huschen lässt.
 

Yuuhuuji; 04:13 pm: sry wegen neulich, ich treibs ab und an zu weit
 

Aus unerfindlichen Gründen spürt Yuuji, wie ihm die Hitze ins Gesicht steigt und er stopft das Handy hastig zurück in seine Hosentasche.
 

»Ich werd Coach nicht erzählen, dass du dein Handy mit dir rumträgst, aber vielleicht ist es besser in deiner Tasche aufgehoben«, sagt Runa vorsichtig, bevor sie die Halle betreten. Yuuji wirft ihr ein breites Grinsen zu.
 

»Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht hier und da ein paar Grenzen überschreiten würde, Runa-chan«, erwidert er und streckt ihr die Zunge heraus. Sie seufzt und schüttelt den Kopf, sagt aber nichts. Yuuji ist klar, dass er mit seiner Nase nicht weiter trainieren kann, also wirft er sich auf die Bank und macht es sich zur Aufgabe, den anderen Verbesserungsvorschläge zuzurufen und sie für besonders gelungene Manöver zu loben. Er merkt, wie Runa ihn amüsiert beobachtet.
 

Als sein Handy vibriert, muss Yuuji sich mit aller Macht zusammenreißen, nicht sofort in seine Tasche zu greifen und es hervorzuziehen. Er wartet, bis das Training vorbei ist, dann folgt er seinen Mannschaftskameraden in die Umkleidekabine und zieht sein Handy aus der Tasche.
 

Tadashi; 04:32 pm: oh mein gott bist du in ordnung???
 

Yuuji hat keine Ahnung, wo die Welle der Erleichterung herkommt, die ihn durchflutet, aber er starrt sein Handy an und vergisst ganz, dass er noch in Gesellschaft ist, bis Kazuma ihm das Handy aus der Hand schnappt und den Chatverlauf anstarrt.
 

»Wer ist Tadashi?«, will er amüsiert wissen. »Deine neuste Eroberung?«
 

Yuuji schnaubt und entringt Kazuma das Handy. Dann zögert er.
 

»Nummer zwölf mit den Sommersprossen«, gibt er schließlich zu. Ihm entgeht nicht, wie Takeharu ihn verwundert blinzelnd ansieht, während Kazuma sich über diese Neuigkeit totlacht.
 

»Meine Fresse, Terushima, wer hätte gedacht, dass du die Wette so weit treibst. Schickt ihr euch jetzt schon Selfies, ja? Was willst du denn noch mit dem?«
 

Tadashi; 10:19 pm: es hätte mich nicht gewundert. alle mädchen wollen auch immer mit tsukki reden
 

»Halt die Klappe, Alter. Er ist...«
 

Yuuji sucht nach passenden Worten. Nett. Nett ist normalerweise kein Wort, das ihn sonderlich anspricht. Tadashi ist nicht sonderlich witzig oder spannend oder abenteuerlich. Yuuji grummelt und verpasst Kazuma einen Stoß mit dem Ellbogen.
 

»Er ist in Ordnung!«
 

Kazuma hört auf zu lachen und starrt Yuuji an.
 

»Alter...«
 

Takeharu nimmt Kazuma in einen Schwitzkasten, bevor er weitersprechen kann.
 

»Wie schön für dich, dass was Gutes bei der Wette rumgekommen ist«, sagt Takeharu, während Kazuma unzufriedene Würgegeräusche macht. Yuuji stopft sein Handy in seine Jeans und katapultiert sein Trikot in seine Sporttasche. Runas Worte über Respekt huschen durch seinen Kopf wie ein Stromschlag.
 

Ugh.
 

»Wie auch immer. Ich seh euch morgen«, sagt Yuuji, wirft sich die Tasche über die Schulter und versenkt seine Hände in der Hosentasche.
 

Yuuhuuji; 05:08 pm: es ist nichts gebrochen aber ich fühl mich wie ein see elefant(; ̄Д ̄)

Tadashi; 05:09 pm: ich mag seeelefanten
 

Yuuji blinzelt. Er ist sich nicht sicher, ob sie wirklich über Seeelefanten reden, oder nicht.
 

Yuuhuuji; 05:10 pm: ich glaub ich hab noch nie jmd sagen gehört dass er see elefanten gut findet. wieso findest du die gut? (⊙_☉)

Tadashi; 05:12 pm: ich mag tiere die komisch aussehen

Tadashi; 05:12 pm: wenn schon sonst keiner sie süß findet

Tadashi; 05:12 pm: komische tiere haben auch fans verdient
 

Yuuji bleibt mitten auf dem Fußweg stehen, weil sich in seinem Brustkorb ein sehr merkwürdiges, blubberndes Gefühl breit macht. Er schluckt und seine Finger schweben über den Tasten, ehe er sich nach über einer Minute des dämlichen Herumstehens für eine Antwort entschieden hat. Sein erster Impuls ist es, Tadashi zu sagen, dass er süß ist. Dann denkt er daran, dass Runa das sicherlich als Triezen bezeichnen würde und entscheidet sich dagegen.
 

Allerdings muss Yuuji sich auch eingestehen, dass es diesmal definitiv nicht als Witz gemeint gewesen wäre.
 

Yuuhuuji; 05:15 pm: was für andere komische tiere findest du noch gut?
 

Yuuji setzt seinen Weg nach Hause fort, während Tadashi ihm verschiedene Tierarten aufzählt. Manche davon kennt Yuuji nicht, woraufhin Tadashi ihm Bilder schickt. Als Yuuji zu Hause ankommt, hat er Bilder von Narwalen, Koboldmakis, Kakapos, Ameisenbären, Capybaras und jeder Menge anderer seltsamer Tiere auf seinem Handy.

Er schließt die Tür auf, nur um festzustellen, dass seine Mutter zwischendurch dagewesen sein muss, aber jetzt wieder verschwunden ist. Er seufzt ins leere Haus hinein und kickt seine Schuhe beiseite.
 

Yuuhuuji; 05:42 pm: warum kennst du so viele komische tiere?

Yuuhuuji; 05:42 pm: capybaras und koboldmakis sind zu süß

Yuuhuuji; 05:43 pm: komisch aber süß (✪‿✪)ノ
 

Wie du, denkt Yuuji sich.
 

Tadashi; 05:48 pm: ich gucke ziemlich viele naturdokus, manchmal mit tsukki, manchmal einfach so
 

Während Yuuji durch die Nachbarschaft streift und sich überlegt, was er für Scheiß aushecken könnte, sitzt Tadashi zu Hause in seinem Zimmer und schaut Naturdokus. Yuuji hat das Gefühl, dass er sehr rapide auf einen Abrgrund zusprintet, auch wenn er nicht genau sagen kann, woran das liegt.
 

Nach dem Duschen wirft Yuuji sich aufs Bett und angelt sich seinen Laptop heran. Während er weiter mit Tadashi chattet, klickt er sich durch verschiedene Videos über Capybaras und Koboldmakis, sowie ein paar andere Tiervideos, die ihm angeboten werden. Als er das nächste Mal auf die Uhr schaut, ist es halb elf und dunkel draußen.
 

Das einzige Licht in seinem Zimmer kommt jetzt von seinem Laptop. Er hat sich fast fünf Stunden mit Tadashi über alle möglichen Themen unterhalten.
 

Pokemon—Tadashi mag Geister- und Pflanzenpokemon—, Filme—Tadashi guckt gerne Horrofilme, auch wenn er sich immer viel zu sehr gruselt—, Volleyball—Yuuji weiß jetzt, dass Tadashi der einzige Erstklässler war, der es nicht in die Starteraufstellung geschafft hat, aber dass er jetzt offiziell ein Pinch-Server ist.
 

Yuuji weiß plötzlich sehr viel über Tadashi. Und erstaunlicherweise auch mehr über sich selbst. Yuuji ist nicht der Typ, der sonderlich viel über sich nachdenkt, aber wenn Leute einem Fragen über sich selbst stellen, kommt man nicht umhin, sich mit sich selbst auseinander zu setzen.
 

Er klappt seinen Laptop zu und rupft sich im Dunkeln die Klamotten vom Leib. Er hat vor lauter Tiervideos und Tadashi vergessen zu essen, aber er hat keine Lust mehr sich mit der gähnenden Leere im Kühlschrank auseinanderzusetzen. Also ignoriert das anklagende Knurren seines Magens und das immer noch leicht schmerzhafte Puckern in seiner Nasengegend und verkriecht sich unter die Bettdecke.
 

Tadashi; 10:37 pm: hey yuuji-kun

Yuuhuuji; 10:38 pm: hm?

Tadashi; 10:38 pm: danke

Yuuhuuji; 10:39 pm: wofür?

Tadashi; 10:43 pm: weiß nicht so genau

Tadashi; 10:43 pm: ich glaub alles

Tadashi; 10:44 pm: gute nacht (ᴗ˳ᴗ)
 

Yuuji starrt auf sein Display, während sein Herz einen Mehrfachsalto vollführt.
 

Fuck.
 

*
 

Yuuji ist sich nicht sicher, wann in den folgenden Wochen es normal wird, morgens »guten morgen, yuuji-kun« und abends »schlaf gut« auf seinem Display zu sehen. Er weiß, dass Kazuma und Takeharu sich darüber wundern, was er so viel auf seinem Handy herumzutippen hat, auch wenn Yuuji sich ziemlich sicher ist, dass Takeharu ihn eher durchschaut. Aber weil er ein guter Freund ist, bohrt er nicht nach und Yuuji ist dankbar dafür, denn er hat keine Ahnung, was er sagen würde, wenn seine Freunde ihn ausfragen würden.
 

Obwohl Yuuji dachte, dass Tadashi nicht sein Typ und definitiv ein Langweiler ist, wacht er jeden Morgen mit einer nicht zu leugnenden Vorfreude darüber auf, sich den Tag über mit Tadashi zu unterhalten. Sie haben noch nicht ein einziges Mal telefoniert und Yuuji erinnert sich nicht wirklich an seine Stimme. Hat Tadashi überhaupt irgendwas gesagt, als Yuuji ihm seine Nummer zugesteckt hat?
 

Vielleicht hat er ein bisschen verwirrt gestammelt. Aber Yuuji weiß nicht mehr, wie seine Stimme klingt. Wahrscheinlich ist es nicht normal, obsessiv über die Stimme von jemandem nachzudenken, den man eigentlich nur durch Textnachrichten kennt und einmal live gesehen hat.
 

An einem Samstagabend—und Yuuji ist normalerweise nicht der Typ, der Samstagabend zu Hause hockt—stellt Tadashi eine Frage, mit der Yuuji nicht gerechnet hat. Er hat schon seine engste Jeans und sein verwegenstes Shirt ausgepackt, als sein Handy vibriert.
 

Tadashi; 09:10 pm: hast du skype oder discord und eine webcam?

Yuuhuuji; 09:11 pm: tadashi!!! hast du schmutziges mit mir vor? ( ͡° ͜ʖ ͡°) ( ͡° ͜ʖ ͡°) ( ͡° ͜ʖ ͡°)

Tadashi; 09:12 pm: .................

Tadashi; 09:12 pm: nvm

Yuuhuuji; 09:14 pm: ich hab skype! und eine webcam! ( ͡° ͜ʖ ͡°)
 

Als Tadashi für zehn Minuten nicht mehr antwortet, fragt Yuuji sich, ob er schon wieder zu weit gegangen ist. Aber dann bekommt er Skype-Kontaktdaten geschickt und ertappt sich beim Zögern. Eigentlich wollte er rausgehen. Sich mit ein paar Leuten treffen, vielleicht irgendwo im Park ein paar Bier trinken.
 

Er starrt sein Handy an.
 

Tadashi; 09:26 pm: du hast wahrscheinlich was besseres vor als zu hause zu sitzen aber es gibt diese neue doku auf netflix.....
 

Yuuji möchte gleichzeitig lachen und seinen Kopf gegen die Wand hauen, weil er niemals in seinem Leben damit gerechnet hätte, Natur-Dokus auf Netflix gegen Biertrinken im Park abzuwägen.
 

Tadashi; 09:32 pm: vergiss dass ich gefragt habe

Tadashi; 09:32 pm: sorry

Tadashi; 09:32 pm: es war ne blöde idee

Yuuhuuji; 09:35 pm: komm schon tadashi

Yuuhuuji; 09:35 pm: es war nicht blöd

Yuuhuuji; 09:35 pm: vielleicht lernen wir was über seeelefanten, meine edlen verwandten (⌒.−)=★

Tadashi; 09:38 pm: hast du wirklich nichts anderes vor?

Yuuhuuji; 09:39 pm: nah nicht wirklich. seeelefanten sind besser als bier im park (^_-)v
 

Eine Weile lang passiert nichts und Yuuji kann nicht fassen, dass er wirklich nicht in den Park geht. Nein, er wird irgendeine Natur-Doku mit Tadashi auf Netflix gucken. Während die Webcam läuft.
 

Fuck.
 

Das ist definitiv die schlechteste Idee, die Yuuji seit langem hatte. Vielleicht will Tadashi nicht nur die Webcam einschalten, sondern auch das Mikrofon. Yuuji hat das Gefühl, dass sein Leben ganz plötzlich rapide aus den Fugen gerät und er kann nicht mal genau sagen, woran genau das eigentlich liegt.
 

Es ist natürlich Tadashis Schuld, aber Tadashi hat nicht wirklich irgendwas Bösartiges mit ihm angestellt. Alles, was Tadashi tut, ist ihm Bilder von Koboldmakis zu schicken und Screenshots von neuen Pokemon, die er bei Pokemon Go gefangen hat, und ihm jeden Tag Guten Morgen und jeden Abend Gute Nacht zu wünschen und—
 

Yuuji klappt seinen Laptop auf.
 

Vielleicht sollte er ein Bier trinken, einfach um das Gefühl zu haben, dass er sein Leben noch ein bisschen im Griff hat.
 

Tadashi; 09:45 pm: webcam ohne ton?

Yuuhuuji; 09:46 pm: jup. gib mir ne sekunde, ich besorg mir ein bier ausm kühlschrank
 

Allein zu Hause sitzen, Netflix Dokus gucken und dabei ein Bier trinken ist sicherlich fast dasselbe als dafür in den Park zu gehen und mit Bekannten irgendwelchen Blödsinn anzustellen. Er akzeptiert Tadashis Freundschaftsanfrage.
 

Freunde.
 

Yuuji weigert sich, über eine Freundschaftsanfrage bei Skype eine Existenzkrise zu bekommen und geht in die Küche, um sich Bier und einen Rest Sushi aus dem Kühlschrank zu holen, den seine Mutter von ihrem letzten Ausflug mitgebracht hat. Er wirft sich aufs Bett, nachdem er seine abendliche Versorgung auf dem Nachtschrank abgestellt hat, angelt nach dem Laptop und nimmt nach kurzem Zögern den Videoanruf von Tadashi an.
 

Ein sommersprossiges Gesicht erscheint zur Hälfte, bis Tadashi seinen Laptop zurechtbiegt und auch die untere Hälfte seines Kopfes zu sehen ist. Sein Lächeln sieht aus, als würde es ihn sehr viel Anstrenung kosten und er winkt offensichtlich nervös in die Kamera.
 

Yuuji grinst.
 

Tadashi hat sein struwweliges Haar nach hinten gebunden, sodass seine Ohren zu sehen sind. Er hat wirklich sehr viele Sommersprossen. Und.
 

Yuuji entdeckt mehrere Ohrringe in den Ohren, die er beim ersten Mal nicht gesehen hat.
 

Yuuhuuji: du hast PIERCINGS???
 

Er sieht Tadashis kurze Verwirrung und dann seine Verlegenheit, als seine linke Hand unbewusst nach seinem Ohr greift. Er duckt sich und lächelt verlegen, ehe er anfängt eine Antwort zu tippen.
 

Tadashi: ja? ist das so komisch? zum sport und in der schule nehm ich sie immer raus

Yuuhuuji: unerwartet
 

Yuuji grinst breit in die Kamera und streckt seine Zunge heraus, sodass Tadashi sein Piercing sehen kann. Die Qualität der Webcamübertragung ist nicht sonderlich gut, aber Yuuji könnte schwören, dass Tadashis Gesicht rot anläuft.
 

Tadashi: wenn ich 18 bin kanns mit tattoos losgehen

Yuuhuuji: tadashi!

Yuuhuuji: wer hätte gedacht dass du ein kleiner bad boy bist
 

Yuuji muss lachen als Tadashi den Kopf noch mehr einzieht und das Gesicht in den Händen verbirgt.
 

Verdammt.
 

Warum ist Tadashi so...
 

Süß. Er ist süß.
 

Yuuji hat es ihm so oft gesagt, bevor er es wirklich gemeint hat und jetzt sitzt er hier mit der überwältigenden Einsicht, dass Tadashi kein bisschen langweilig ist. Yuuji stellt sich vor, was Hana zu ihm sagen würde, wenn sie hier wäre. Kurz juckt es ihn in den Fingern, ihr zu schreiben und sie zu fragen, was genau er eigentlich tun soll, aber dann müsste er ihr erklären, was eigentlich das Problem ist und Yuuji kann nicht genau sagen, was eigentlich das Problem ist.
 

Er weiß nur, dass er definitiv eins hat, während er Tadashis Webcamfenster anstarrt und die Piercings mustert und sich fragt, wo Tadashi sich tätowieren lassen will.
 

Tadashi: ich glaub nich dass ich im vergleich zu dir als bad boy durchgehe

Yuuhuuji: ich hab immerhin keine tattoos

Yuuhuuji: was für welche willst du?
 

Yuuji öffnet sein Bier und prostet in Richtung seiner Webcam.
 

Tadashi: sag ich dir nicht. du lachst

Yuuhuuji: tadashi! würde ich JEMALS über dich lachen???

Tadashi: das ist eine frage die ich nicht beantworten werde weil die antwort zu offensichtlich ist
 

Yuuji schnaubt. Er sieht, dass Tadashi ihn ebenfalls mustert—zumindest vermutet er das, weil Tadashi mit schiefgelegtem Kopf an seinem Schreibtisch sitzt und sehr interessiert irgendwas auf seinem Bildschirm betrachtet. Vielleicht hat er auch einfach ein spannendes Bild von irgendeinem Pokemon aufgerufen.
 

Tadashi: die doku heißt unser planet

Tadashi: sag bescheid wenn du sie gefunden hast

Tadashi: bist du sicher dass das ok ist? ist das nicht zu langweilig für dich?
 

Yuuji nimmt einen weiteren Schluck Bier und schiebt sich ein Stück Sushi in den Mund, ehe er es sich im Bett bequem macht und sich den Laptop auf den Schoß stellt. Er fährt sich durch die Haare—er sollte beizeiten seinen Undercut frisch rasieren—und nimmt einen weiteren Schluck Bier.
 

Yuuhuuji: kann losgehen (^_-)v
 

Yuuji hat das letzte Mal eine Natur-Doku geguckt, als er acht war und seine Mutter noch das Gefühl hatte, sie müsste alle zwei Wochen Zeit mit ihrem Sohn verbringen. Yuuji weiß nicht mehr genau, was für eine Doku es war, aber sie beinhaltete Löwen und Tiger und jede Menge komische Vögel, von denen er vorher noch nie gehört hatte.
 

Er und Tadashi starten gleichzeitig die erste Folge der Doku und Yuuji spürt ein unruhiges Vibrieren unter der Haut. Er ist diese Art von Zeitvertreib definitiv nicht gewöhnt. Meistens muss er in Bewegung sein, umgeben von Leuten, irgendwie beschäftigt. Seine Finger fahren immerzu den Rand der Bierdose entlang, aus der er immer wieder trinkt und seine Augen haften öfter an Tadashi, als auf der eigentlich Doku, auch wenn er sich Mühe dabei gibt, zumindest dem Ton zu folgen.
 

Yuuji weiß, dass er sich mit dem Bier eigentlich etwas zurückhalten sollte, aber die Tatsache, dass er seine Augen nicht von Tadashis Webcam-Fenster lassen kann, macht ihn unruhig und ehe er es sich versieht, ist er mit seinem dritten Bier fertig, gerade als Tadashi die Hände zum Mund hebt, seine Augen riesig und beunruhigt.
 

Einen Moment lang ist er verwirrt, bis seine Augen von Tadashi auf das Geschehen der Netflix-Doku wechseln und er ein kleines Flamingobaby sehen kann, das anscheinend aufgrund von getrockneten Salzablagerungen an seinen Beinen den anderen Flamingos nicht folgen kann.
 

Yuuji spürt, wie sich sein Brustkorb zusammenzieht und das Bier, das ihm bereits ein wenig zu Kopf gestiegen ist, weil er es zu schnell getrunken hat, sich in seinem Magen umdreht. Alles in ihm kribbelt.
 

Und das nur, weil Yamaguchi Tadashi so sehr mit einem Flamingobaby mitfühlt.
 

Fuck.
 

Fuckfuckfuck.
 

Yuuji ist am Arsch.
 

Er widersteht dem Drang seinen Laptop zuzuklappen und das Haus zu verlassen, doch noch in den Park zu gehen und sich so sehr zu betrinken, bis er vergessen hat, dass Tadashi Piercings hat und über Flamingobabys weint.
 

Vor einigen Wochen hätte Yuuji darüber gelacht, wenn jemand über ein beknacktes Falmingobaby weint. Aber während er Tadashi dabei beobachtet, wie er sich die Nase putzt und seine Augen wischt, kann Yuuji nichts dagegen tun, dass sein Herz ihm fast aus dem Brustkorb springt.
 

Vielleicht ist es nur der Alkohol, denkt er. Vielleicht wache ich morgen auf und alles ist wieder normal.
 

Tadashi: WARUM RETTET DER KAMERAMANN DAS FLAMINGO BABY NICHT

Tadashi: ༼☯﹏☯༽ ༼☯﹏☯༽ ༼☯﹏☯༽ ༼☯﹏☯༽

Tadashi: was für ein schlechter mensch
 

Yuuji würde gerne irgendetwas Aufmunterndes oder Witziges sagen, aber ihm fällt nichts ein. Nichts außer.
 

Yuuhuuji: fuck tadashi warum musst du so süß sein
 

Er hat es jetzt schon länger nicht gesagt, nicht mehr, seit es sehr real geworden ist. Und jetzt kann er zum ersten Mal live sehen, wie Tadashi auf ein Kompliment von ihm reagiert. Die Reaktion kommt sofort, als Tadashis Augen Yuujis Antwort lesen. Yuuji sieht, wie Tadashi sich anspannt und den Kopf einzieht, ehe er die Hände vors Gesicht schlägt und sich auf seinem Stuhl von der Webcam fort dreht.
 

So kann nur jemand reagieren, der nie Komplimente bekommt, denkt Yuuji sich etwas benommen, während seine Augen an seinem Bildschirm kleben, der Inhalt der Doku längst vergessen. Yuuji hat definitiv ein großes Problem.
 

Er will Tadashi mehr Komplimente machen. Er will aus der Nähe sehen, wie Tadashi rot anläuft und sich windet. Er will Tadashi küssen und hören, was für Geräusche Yuuji ihm entlocken kann.
 

Fuck.
 

Das ist ein sehr großes Problem. Aus einer bekloppten Wette ist ein Desaster geworden und Yuuji kann niemandem die Schuld geben außer sich selbst, weil er gestichelt und gestichelt und gebohrt hat, bis Tadashi sich geöffnet hat und jetzt hat Yuuji den Salat.
 

Tadashi hat sich vor seiner Webcam versteckt, aber er schreibt eine Antwort. Vermutlich hockt er auf dem Boden vor dem Schreibtisch, damit Yuuji ihn nicht mehr sehen kann.
 

Tadashi: hör auf mich zu veralbern

Yuuhuuji: das war ernst gemeint
 

Kein Zurück mehr. Er hätte grinsen und zwinkern und »ich kann nicht anders, du kennst mich doch« schreiben können. Aber sein Gesicht scheint eingefroren zu sein und er fragt sich, ob Tadashi ihn von seinem Versteck unterhalb der Webcam noch sehen kann. Er merkt, dass er auf seiner Unterlippe herumkaut. Die Musik aus seinen Lautsprechern sagt ihm, dass die erste Folge der Doku vorbei ist und die nächste gleich anfangen wird.
 

Tadashi taucht wieder auf und setzt sich zurück auf seinen Stuhl. Sein Gesicht ist knallrot angelaufen und für einen Augenblick schaut er direkt in die Webcam, was Yuujis Herz beinahe zum Stillstand bringt.
 

Fuck.
 

Tadashi: ich glaub nicht dass irgendwer außer meiner mutter mich schon mal süß genannt hat

Yuuhuuji: willst du mir etwa sagen dass ich dich entjungfert hab tadashi

Yuuhuuji: hättest du doch was gesagt dann hätte ich kerzen angezündet (¬‿¬)
 

Tadashi sieht aus, als würde er gleich vom Stuhl fallen, aber Yuuji ist froh über seine zurückgekehrte Schlagfertigkeit. Ein ernster Moment an einem Abend reicht ihm vollkommen. Vor lauter Stress öffnet er ein weiteres Bier.
 

Tadashi: möchtest du noch eine folge?

Yuuhuuji: na klar, bad boy tadashi (¬‿¬)
 

Tadashi lacht und schüttelt den Kopf. Yuujis Gedanken schwimmen in Bier und Verwirrung und fuckfuckfuck, während er Tadashi anstarrt und zuschaut, wie sein Gesicht aufleuchtet, als Seeelefanten in der zweiten Folge auftauchen und wie es in sich zusammenfällt, als ein Robbenbaby gefressen wird und...
 

Er hätte einfach nach der ersten Folge sagen sollen, dass er lieber ins Bett gehen würde. Oder in den Park. Er hätte nach der Wette nicht antworten sollen, als Tadashi ihm geschrieben hat. Er hätte—
 

Tadashi hat das Gesicht in seiner Hand abgestützt und lächelt seinen Bildschirm so liebevoll an, dass Yuujis Herz einen Moment lang stehen bleibt. Wahrscheinlich noch mehr Robbenbabies.
 

Tadashi: hey übrigens

Tadashi: rate gegen wen wir in zwei wochen ein übungsspiel haben

Yuuhuuji: schieß los

Tadashi: yohzenji (・ω <)
 

Das ist definitiv ein zwinkerndes Emoji. Tadashi grinst sehr breit.
 

Yuujis erster Gedanke ist: Fuck.
 

Sein zweiter Gedanke ist: Warum weiß ich davon noch nichts?
 

Sein dritter Gedanke ist: FUCK!
 

*
 

Yuuji ist dankbar für seine jahrelange Übung im Dasein eines abenteuerlustigen, hormongesteuerten Arschlochs, denn er schafft es sich wie sein übliches Selbst zu verhalten, als Johzenji Karasuno in einem Trainingsspiel gegenüber steht.
 

»Lasst uns so viel Spaß wie möglich haben!«, sagt Yuuji breit grinsend und sein Team jubelt. Fast vergessen ist die letzte Niederlage, sie haben viel trainiert seit sie Karasuno das letzte Mal gegenüber standen.
 

Tadashi gehört nicht zur Startaufstellung und Yuuji hatte noch nicht wirklich Gelegenheit mit ihm zu sprechen, aber er ist sich Tadashis Präsenz am Rand des Feldes übermäßig bewusst. Vielleicht empört es ihn ein wenig, dass Tadashi nicht ununterbrochen zu ihm herüber starrt, sondern stattdessen sein Team anfeuert. Besonders die blonde Bohnenstange mit dem gelangweiliten Gesichtsausdruck.
 

Vielleicht bildet Yuuji es sich nur ein, aber er könnte schwören, dass Nummer elf ihn besonders finster anstarrt. Erst, nachdem er Tadashi »Guter Aufschlag, Tsukki!« rufen hört, erinnert er sich an Tadashis Worte darüber, dass »Tsukki« immer derjenige ist, mit dem die Mädchen reden wollen.
 

Yuuji gibt meistens alles, wenn er Volleyball spielt, aber heute kommt er nicht umhin, sich besonders ins Zeug zu legen. Sein Stolz weigert sich zuzugeben, dass es daran liegt, dass Tadashi zusieht, aber eine kleine Stimme in seinem Kopf, die der von Runa nicht unähnlich klingt, sagt, dass dieser Stolz bescheuert ist.
 

Als der Pfiff, der eine Auswechselung ankündigt, ertönt, steht es im ersten Set 21:20 für Johzenji. Yuuji dreht den Kopf, um zu sehen, wer eingewechselt wird und da steht Tadashi am Rand, die Hände nervös zur Fäusten geballt, aber mit einem unverkennbaren Blick der Entschlossenheit auf dem sommersprossigen Gesicht.
 

Yuuji schluckt.
 

Pinch Server.
 

Tadashi hat sein Haar wieder nach hinten gebunden, aber zum Training seine Piercings entfernt. Als er vor seinem Aufschlag tief Luft holt, merkt Yuuji, dass er selbst die Luft angehalten hat.
 

Sei nicht bescheuert, denkt er sich und geht in die Knie.
 

Tadashis Aufschlag sieht unscheinbar aus, aber es dauert drei Versuche, bis Yuujis Mannschaft es schafft, einen Aufschlag von ihm anzunehmen. Yuuji würde sich gerne einen Bleistift ins Ohr rammen, als er darüber nachdenkt, dass der Aufschlag genauso ist wie Tadashi—unscheinbar auf den ersten Blick, aber überraschend interessant.
 

Irgendetwas mit seinem Gehirn ist nicht in Ordnung.
 

23:21 für Karasuno, bis Yuuji es endlich schafft, den Ball anzunehmen. Tadashis Grinsen von der anderen Seite des Netzes ist ansteckend und Yuuji grinst zurück. Er kann nicht anders und zwinkert.
 

Zu seiner grenzenlosen Freude läuft Tadashi knallrot an und kassiert beinahe einen Ball ins Gesicht, als Kazuma ihm einen gut platzierten Schmetterball entgegen schleudert.
 

Johzenji verliert 1:2, aber Yuuji fühlt sich seltsamerweise trotzdem wie ein Gewinner, als Tadashi ihn von der gegenüberliegenden Linie des Feldes anstrahlt wie ein Atomkraftwerk. Er ignoriert Kazumas und Takeharus Blicke und fährt sich durchs Haar. Sollte er mit Tadashi reden? Wahrscheinlich keine gute Idee.
 

Die Teams räumen gemeinsam die Halle auf. Yuuji entgeht nicht, dass der Glatzkopf und der Libero ihn die ganze Zeit finster beobachten und sich vor ihrer Managerin aufbauen. Yuuji hat fast vergessen, dass es sie gibt. Sie ist definitiv immer noch genauso hübsch wie das erste Mal, als er sie gesehen hat. Leider hatte sein Gehirn einen Kurzschluss und ist jetzt nur noch interessiert an sommersprossigen Pinch-Servern, die über Flamingobabies weinen und gerne Horrorfilme gucken, obwohl sie sich schrecklich dabei gruseln.
 

»Du wirkst besonders glücklich heute, Terushima-san«, sagt Runa leise neben ihm, während sie ihm hilft, ein paar der herumfliegenden Bälle in den Gitterkasten zu sortieren.
 

Yuuji blinzelt.
 

»Huh?«
 

Runa lächelt ihn schüchtern von der Seite an.
 

»Ich hab dich lange nicht mehr so viel Spaß haben sehen«, fügt sie hinzu. Yuuji starrt sie an und er kann nichts dagegen tun, dass seine Augen durch die Halle huschen und an dem Trikot mit der Nummer zwölf hängen bleiben. Tadashi spricht mit dem blonden Lulatsch und just als Yuuji zu ihm herüber sieht, treffen sich ihre Blicke.
 

Nummer elf legt den Kopf schief und verengt die Augen hinter der Brille zu Schlitzen. Entweder er findet Yuuji einfach so ausgesprochen scheiße—was nicht das erste Mal der Fall wäre, Yuuji hat ein Talent sich Feinde zu machen—oder er ist eifersüchtig, oder. Oder er denkt, Yuuji hat unlautere Absichten.
 

Nicht, dass das vollkommen falsch wäre. Aber das muss die blonde Miesmuschel ja nicht wissen.
 

»Als du mich nach Grenzen gefragt hast«, sagt Runa sehr leise und läuft rot an. Yuuji wirft ihr einen verwirrten Blick zu. »Hast du da von—von Karasunos Pinch Server gesprochen?«
 

Yuuji ist einen Augenblick lang ganz still, dann spürt er, wie ein altbekanntes Grinsen sich auf seinem Gesicht breit macht. Er stemmt die Hände in die Hüften, wirft den Kopf in den Nacken und lacht gut geübt und ausgelassen.
 

»Runa-chan, bist du etwa eifersüchtig?«, stichelt er und schaut belustigt zu, wie Runa noch dunkler anläuft den Blick senkt.
 

»Ich dachte nur... ich dachte, ihr hättet—vergiss, was ich gesagt habt, Terushima-san. Tut mir leid«, stammelt sie und dann ist sie von seiner Seite verschwunden und Yuuji sieht ihr mit einem schlechten Gewissen nach. Grenzen, ermahnt er sich. Er ist wirklich sehr schlecht mit Grenzen.
 

»Oi, Terushima«, sagt Kazuma laut. »Willst du noch ‘ne Wette für ‘ne verteilte Handynummer?«
 

Yuuji schnaubt und dreht sich um, einen Volleyball immer noch in der Hand, um Kazuma zu sagen, dass diese Art von Wette jetzt schon ziemlich alt geworden ist. Aber seine Augen bleiben an Tadashi hängen, der zwei Schritte hinter Kazuma steht und offensichtlich gerade auf dem Weg zu ihm war, als Kazuma—fuck.
 

Tadashi blinzelt einen Moment lang und Yuuji denkt, dass Tadashi ja vielleicht gar nicht versteht, was Kazuma meint. Es kann schließlich auch um irgendeine andere Wette irgendwann in der Vergangenheit gehen. Es kann alles heißen. Es kann—
 

Aber Tadashi ist ein Mensch mit einem ganzen Berg Unsicherheiten und Minderwertigkeitskomplexen. Natürlich kommt er in diesem Moment auf nur einen Gedanken.
 

Yuuji spürt, wie sein Gesicht einfriert und seine Brust sich zusammenzieht, als würde jemand eiskaltes Wasser in ihn hineingießen.
 

»Terushi—«
 

»Halt die Schnauze, Kazuma«, blafft Yuuji ihn an und Kazuma zuckt zurück. Fuck. Es ist nicht wirklich Kazumas schuld, denkt Yuuji sich als Tadashi sich auf dem Absatz umdreht und ohne ein weiteres Wort aus der Halle hastet, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her.
 

Yuuji hätte es erklären sollen. Er hätte nicht flirten und drängeln und sticheln sollen, er hätte sagen sollen »Hey, ich hab dir meine Nummer wegen einer Wette gegeben, aber ich würde mich trotzdem gerne weiter mit dir unterhalten«. Warum kann er nicht mit anderen Menschen umgehen, als wäre er kein emotionaler Mähdrescher?
 

Yuuji glaubt nicht, dass seine abgefuckte Familiensituation eine Entschuldigung dafür ist, dass er so ein elender Mistsack ist.
 

Er ringt mit sich und überlegt, ob er Tadashi nachlaufen soll, aber er kommt nicht sehr weit, denn plötzlich hat er eine Wand vor sich. Eine sehr große, wütend dreinschauende Wand aus schwarz gekleideten Volleyballspielern, die ihm den Weg versperren.
 

Der Glatzkopf und die Bohnenstange starren ihn an, als würden sie ihn gleich ermorden wollen.
 

»Was hast du mit unserem Pinch Server gemacht, du Bastard?«, dröhnt der Glatzkopf und greift nach Yuujis Kragen.
 

»Ah, Tanaka-san, vielleicht sollten wir mit der Gewaltausübung warten, bis wir draußen sind, damit Sawamura-san uns nicht erwischt.«
 

»Guter Gedanke, Tsukishima«, knurrt der Glatzkopf namens Tanaka-san.
 

»Hast du Yamaguchi-kun wirklich die ganze Zeit reingelegt?«, fragt eine sehr ängstliche Stimme von links hinter der Wand, die mittlerweile aus noch drei anderen Karasuno-Spielern besteht. Yuujis Augen huschen zu der neuen Managerin herüber. Ihre Augen sind geweitet aber entschlossen, als sie ihn anstarrt, als würde sie in seine Seele blicken wollen.
 

»Ich—«
 

»OI! WAS DENKT IHR, WAS IHR DA TREIBT?«, dröhnt die Stimme von Karasunos Captain zu ihnen herüber. Nummer elf und die blonde Managerin bleiben als einzige zurück.
 

»Terushima-san«, sagt eine kleine Stimme neben ihm. Er spürt einen leichten Druck auf seinem Rücken und einen Augenblick ist er verwirrt, bis ihm klar wird, dass Runa ihn dazu bringen will, sich zu entschuldigen.
 

Yuuji weigert sich, sich vor diesem Lulatsch zu verbeugen.
 

»Verzeihung, Terushima-san ist nicht gut damit, Grenzen einzuhalten. Er ist kein schlechter Kerl, ich bin sicher, er hat es nicht so gemeint! Auch wenn—auch wenn ich nicht wirklich weiß, worum es geht!«
 

Yuuji hat einen Flashback zu einer Szene, in der Hana sich vor ihn gestellt hat, um einige von den Karasuno-Jungs davon abzuhalten, ihm näher zu kommen—nachdem er sich zur Abwechslung mal wie ein Volltrottel benommen hat.
 

Nummer elf—Tsukki, Tadashis bester Freund, derjenige, mit dem er Dokus anschaut—macht einen Schritt auf ihn zu, aber die kleine Managerin streckt hastig ihren Arm aus.
 

»Tsukishima-kun! Ich glaube nicht, dass Yamaguchi-kun wollen würde, dass du jemandem die Nase für ihn brichst«, quietscht sie. Tsukishima hält inne und wirft ihr einen Blick zu. Dann macht er ein abwertendes »Tch«-Geräusch und wendet sich endlich ab. Yuuji sieht ihm nach, wie er die Halle verlässt.
 

Wahrscheinlich, um nach Tadashi zu suchen.
 

Tadashi.
 

Fuck.
 

Takeharu und Kazuma schleifen ihn in Richtung Umkleide und ausnahmsweise stichelt niemand. Kazuma fragt auch nicht, worum es geht. Vielleicht hat Takeharu ihn streng angesehen. Yuuji hat keine Ahnung, was er jetzt machen soll. Es ist schließlich nicht so, als könnte man Grenzen einfach so wiederherstellen, nachdem man sie übertreten hat.
 

Yuuji verflucht seine Mutter dafür, ihm nie beigebracht zu haben, wie man mit so einem elenden Mist umgeht.
 

*
 

Yuuhuuji; 09:49 pm: hey, sorry wegen heute, es war nicht so, wies sich angehört hat
 

Yuuhuuji; 11:32 pm: das mit der wette war ne dumme idee aber es is nicht so, als hätte ich mich deswegen weiter mit dir unterhalten
 

Yuuhuuji; 01:07 am: ich wollte eigentlich mit dir reden aber dein blonder bodyguard hätte mich wahrscheinlich in stücke gerissen
 

Yuuhuuji; 04:19 am: gute nacht tadashi (ᴗ˳ᴗ)
 

*
 

Yuuhuuji; 07:13 am: guten morgen tadashi

Yuuhuuji; 10:39 pm: schlaf gut
 

*
 

Vielleicht ist er beim Training noch leichtsinniger als sonst. Vielleicht baut er abends mit seinen Kumpanen noch mehr Scheiße als sonst. Vielleicht hat Tadashi ihm seit zwei Wochen nicht geschrieben und Yuuji versucht krampfhaft sich einzureden, dass es nun mal so ist und er daran auch nichts mehr ändern kann.
 

Es war ohnehin blöd. Sie passen kein bisschen zusammen. Und es ist auch nicht so, als hätte Yuuji Zeit für eine Beziehung. Oder Dating. Oder so einen bekloppten, romantischen Scheiß. Und selbst ohne das, wie hätte eine Freundschaft funktionieren sollen? Sie sind viel zu unterschiedlich und Yuuji hat keinerlei Interesse daran jedes Wochenende auf seinem Bett zu hocken und Dokus über Robbenbabys anzugucken.
 

Es ist egal, dass Tadashi ihm nicht mehr schreibt.
 

Yuuji hat genug Freunde.
 

Es ist nicht so, als wäre er auf Tadashi angewiesen.
 

*
 

»Terushima-san, ist das nicht die Managerin von Karasuno?«, fragt Yuna verunsichert, als sie nach dem Training gemeinsam in Richtung Schultor gehen.
 

»Huh?«
 

Yuuji sieht zuerst nicht, wen Runa meint, bis ihm eine Traube von Basketballern auffällt, die offensichtlich jemanden eingekreist haben. Vielleicht muss man so klein sein wie Runa, um unter ihren Ellbogen hindurch die Managerin von Karasuno zu erkennen.
 

»Oi«, ruft er und zwei der Kerle drehen sich zu ihm um. In der Tat, da steht die kleine blonde, stotternde Managerin, Augen so riesig wie Teller und ganz offensichtlich vollkommen verängstigt.
 

»Verpisst euch«, sagt Yuuji und schiebt gelassen die Hände in die Hosentaschen. Er denkt daran, wie er Karasunos andere Managerin wegen ihrer Telefonnummer belagert hat. Das hier ist nicht sein Problem. Es sollte ihn nicht kratzen.
 

Runa hat ihre Finger in seinem Ärmel verkrallt und versteckt sich halb hinter ihm.
 

»S—soll ich Bobata-san und Futamata-san holen?«, flüstert sie.
 

Yuuji zuckt mit den Schultern.
 

Vielleicht ist er zu leichtsinnig geworden. Vielleicht ist das Tadashis Schuld.
 

Wahrscheinlich ist es Yuujis eigene Schuld.
 

»Was willst du, Hupfdohle?«, fragt der eine. Yuuji legt den Kopf schief.
 

»Das ist meine Freundin, die ihr da anbaggert«, sagt Yuuji gedehnt. »Also verpisst euch.«
 

Karasunos Managerin läuft scharlachrot an.
 

Eine Stimme, die sehr nach Hana klingt, fragt ihn streng, ob er vorhat sich mit vier Basketballern zu prügeln. Yuuji wäre ein bisschen Ablenkung in Form einer Prügelei nicht unwillkommen, aber vier Basketballer, allesamt größer als er, sind vielleicht nicht die richtige Wahl für so eine Veranstaltung.
 

Er streckt eine Hand nach der Managerin aus und sie schluckt schwer, huscht zwischen den Basketballern hindurch und greift danach. Ihre Handinnenflächen sind ganz schwitzig. Yuuji denkt, dass er vielleicht noch vor wenigen Wochen eine große Sache daraus gemacht hätte, dass zwei Erstklässlerinnen an jeweils einem seiner Arme baumeln, als er sich auf den Weg die Straße hinunter macht, aber jetzt ist er seltsamerweise kein bisschen dazu in die Stimmung.
 

Als sie um die nächste Ecke verschwunden sind, lässt Yuuji die Hand los und hockt sich auf eine niedrige Mauer.
 

»Ah, ich hab vergessen, wie du heißt, Manager-chan«, sagt Yuuji mit einem Schulterzucken.
 

»Oh, ah! Entschuldigung! Ya—Yachi Hitoka!«, stammelt sie und verbeugt sich so tief, dass Yuuji im Sitzen auf ihren Hinterkopf schauen kann. Meine Güte. Sie scheint genauso ein nervöses Bündel zu sein wie Runa.
 

»Und was kann ich für dich tun, Hitoka-chan? Bist du den ganzen Weg für einen Liebesbri—«
 

»Terushima-san!«
 

»Ah, sorry. Alte Gewohnheiten sterben langsam«, sagt Yuuji mit einem Seufzen. Runa hat ihn selten so streng angesehen.
 

Yachi sieht aus, als würde sie gleich vor Verlegenheit in Ohnmacht fallen. Ihr Gesicht ist knallrot und sie hat die Hände ineinander verschlungen, als müsste sie sich dringend irgendwo festhalten.
 

»Es—es geht um—Ya—Yamaguchi-kun«, stammelt Yachi und sie ballt die Hände zu Fäusten, offenbar sehr entschlossen. Yuuji setzt sich bei der Erwähnung des Namens unweigerlich etwas gerader hin.
 

»Was ist mit ihm?«, fragt er bemüht unbeteiligt und sein Ton scheint Yachi zu entmutigen, denn sie sackt ein wenig in sich zusammen und zieht die Schultern hoch.
 

»Ähm. Ich—also. Yamaguchi-kun geht es wirklich nicht gut seit dem Übungsspiel—und. Und. Er ist ein Freund und ich möchte ni—nicht, dass es ihm schlecht geht. Und. Er—er hat mir von dir erzählt und von—von der Wette und... Tersuhima-kun!«
 

Bei der Nennung seines Namens wird ihre Stimme plötzlich lauter. Ein altes Ehepaar wirft ihnen im Vorbeigehen einen fragenden Blick zu. Yuuji schluckt und versucht, weiterhin keine Gefühlsregung zu zeigen, auch wenn sein Herz sich bei Yachis Worten anfühlt, als wäre es in einen hastigen Sprint geraten.
 

»Wenn du Yamaguchi-kun die ganze Zeit nur reingelegt hast, dann werde ich dir das definitiv nicht verzeihen! Aber—aber ich—ich glaube nicht, dass es so war und wenn das stimmt, dann—dann—bitte vertrag dich wieder mit Yamaguchi-kun!«
 

Yachi verbeugt sich schon wieder, nachdem sie ihre Bitte ausgesprochen hat und Yuuji kann sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, wieviel Überwindung es einen so schüchternen Menschen gekostet haben muss hierher zu kommen und dann auch noch solche Dinge zu sagen.
 

Yamaguchi-kun geht es wirklich nicht gut seit dem Übungsspiel.
 

Yuuji hat kein Interesse vor einer Fremden und seiner Managerin emotional die Hosen fallen zu lassen, aber er spürt, wie ihm Hitze in die Wangen kriecht und erhebt sich von seinem Platz auf der niedrigen Mauer, um sich möglichst lässig durch die Haare zu fahren. Yachi richtet sich wieder auf und schaut aus riesigen braunen Augen zu ihm auf.
 

Nicht, dass sie sein Typ wäre, aber vor mehreren Wochen hätte er sie sicherlich angebaggert. Einfach so, weil es geht. Und es hätte ihn amüsiert, wie rot sie geworden wäre und wie sehr sie gestottert hätte.
 

Ihm fallen ein paar ehrliche Dinge ein, die er sagen könnte.
 

Ich glaube nicht, dass er mit mir reden will. Ich hab keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich weiß nicht, wie dieser ganze Scheiß funktioniert. Ich weiß nicht mal, was dieser ganze Scheiß überhaupt ist.
 

»Und woher willst du wissen, dass ich ihn nicht nur verarscht habe? Ich bin kein besonders netter Mensch, Hitoka-chan«, sagt er mit einem Grinsen. Yachi sieht aus, als müsste sie sich gleich vor lauter Stress und Nervosität übergeben.
 

»V—vielleicht nicht. Aber. Ich hab gesehen, wie du Yamaguchi-kun angesehen hast und—und. Ich glaube nicht, dass Yamaguchi-kun je—jemanden mögen würde, der ein schlechter Mensch ist!«
 

Und mit diesen Worten dreht sie sich hastig um und rennt davon, als wäre sie von einem Schwarm Hornissen attackiert worden. Er sieht ihr nach und vergisst eine Weile lang, dass Runa noch da ist, während er darüber nachdenkt, was um alles in der Welt mit ihm schief gelaufen ist, wenn sein Magen sich anfühlt wie ein Klotz Beton, weil jemand ihm gesagt hat, dass Tadashi ihn mag.
 

Er denkt darüber nach, wie Tadashi ihm immer »Guten Morgen« und »Gute Nacht« gewünscht hat und wie jetzt Yuuji derjenige ist, der peinliche Nachrichten wie diese ins Leere schickt, weil Tadashi ihm nicht darauf antwortet. Wahrscheinlich hat er Yuujis Nummer längst blockiert. Das ist sicher das schlauste, denn auch wenn Yuuji ein lügender, manipulativer Bastard ist, hat er es doch absolut ernst gemeint, als er sagte, dass er kein netter Mensch ist.
 

Tadashi ist ein netter Mensch. Yuuji hingegen...
 

Ugh.
 

*
 

Yuuhuuji; 07:18 am: guten morgen

Yuuhuuji; 10:22 pm: schlaf gut (ᴗ˳ᴗ)
 

*
 

Yuuhuuji; 07:53 am: hana-chan warum hast du mir nie gesagt dass ich ein arschloch bin

HanaBi; 07:55 am: solltest du nicht im unterricht sein?

HanaBi; 07:55 am: und was ist das für eine frage, ich hab dir hundert mal gesagt, dass du ein trottel bist

Yuuhuuji; 07:59 am: ich schwänze geschichte

Yuuhuuji; 07:59 am: aus persönlichen gründen ¯_(ツ)_/¯

Yuuhuuji; 08:00 am: und ich hatte immer das gefühl du hast das wort trottel mit einer gesunden portion zuneigung verwendet!!!!

Yuuhuuji; 08:02 am: und überhaupt, warum bist DU nich im unterricht? ( ̄ε ̄)

HanaBi; 08:07 am: meine erste veranstaltung ist erst um zehn

HanaBi; 08:07 am: was für persönliche gründe sollen das sein? hast du eine erleuchtung über deine größten charakterschwächen gehabt?

Yuuhuuji; 08:10 am: ICH HAB DICH IMMER FÜR HERZLICH UND LIEB GEHALTEN

Yuuhuuji; 08:10 am: ICH FÜHLE MICH VERARSCHT

HanaBi; 08:16 am: ich bin immer noch dein senpai, pass auf, wie du dich ausdrückst

HanaBi; 08:16 am: willst du mir jetzt sagen, was eigentlich los ist?

Yuuhuuji; 08:23 am: ich hab scheiße gebaut und weiß nicht wie ich es wieder richten kann

HanaBi; 08:26 am: sollen wir skypen?

Yuuhuuji; 08:47 am: ok
 

*
 

Yuuji fragt sich, ob er vielleicht lebensmüde geworden ist, nachdem die Sache mit Tadashi in die Binsen gegangen ist. Hana hat zu ihm gesagt, dass er immer noch ein Trottel ist, aber vielleicht ein bisschen weniger als vor einigen Monaten, als sie noch seine Managerin war. Sie hat ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er sich ziemlich halbherzig entschuldigt und im nächsten Atemzug nichts als Ausreden von sich gegeben hat.
 

Yuuji hat Hana seine Nachrichten an Tadashi vorgelesen und musste ihr recht geben.
 

Ugh.
 

Wieso haben alle Mädchen um ihn herum immer recht?
 

Jetzt steht er vor der Turnhalle der Karasuno High School und hofft, dass Hana auch in diesem Fall recht hat, denn sonst ist er gleich ein toter Mann, wenn Tadashis Mannschaftskameraden ihn lebendig häuten und seine Überreste als Volleyballnetz verwenden.
 

Eine Weile lang lauscht er den Geräuschen von drinnen—dem Quietschen der Schuhe, den Rufen und dem Aufkommen des Balls auf den Hallenboden. Dann holt er tief Luft, stopft seine Hände in die Hosentaschen und stößt die Tür auf.
 

Im ersten Augenblick kann er Tadashi nicht entdecken. Sein Blick fällt zuerst auf die kleine Springfeder mit den orangenen Haaren, die ihn aus riesigen braunen Augen anstarrt, als wäre er ein Alien. Als nächstes erkennt er die blonde Bohnenstange, die ihn anschaut, als würde sie ihn gerne vierteilen.
 

»Terushima-kun!«, ertönt eine fiepsige Stimme von links und Yuuji dreht den Kopf.
 

Da steht Yachi mit einem Volleyball in der einen und einem Handtuch in der anderen Hand. Und direkt hinter ihr steht Tadashi, seine Augen sogar noch größer als die von der winzigen Springfeder als er ihn anstarrt. Sein Gesicht ist knallrot, seine Hände sind zu Fäusten geballt.
 

Yuuji weiß, dass er nicht lang Zeit hat, bevor sich wieder mehrere Mitglieder der Mannschaft schützend vor ihm aufstellen und er sieht aus dem Augenwinkel wie einer der Drittklässler die Bohnenstange davon abhält, zu ihm herüber zu stapfen, während der Captain die beiden Raufbolde des Teams am Kragen gepackt hält.
 

Yuuji ignoriert sein Herz, dass wie eine Dramaqueen in seinem Brustkorb hämmert, als hätte er fünf Sets Volleyball gespielt oder wäre gerade einer lebensbedrohlichen Situation entkommen. Sein Magen fühlt sich an, als hätte jemand einen ganzen Berg Brausetabletten hineingeworfen, die sich jetzt auflösen.
 

Er ruft sich Hanas Worte ins Gedächtnis.
 

»Du musst verstehen, dass er bisher derjenige war, der sich verletzlich gemacht hat. Sein Selbstbewusstsein hat jetzt wahrscheinlich einen noch größeren Knick als vorher, weil er dachte, du hast ihn die ganze Zeit veralbert und nur so getan, als würdest du ihn süß finden. Also musst du dich verletzlich machen. Und du musst unbedingt und unter allen Umständen die Wahrheit sagen! Keine Späßchen mehr! Oder ich komme von der Uni heim und versohle dir nachträglich doch noch den Hintern!«
 

Yuuji holt tief Luft und seine Augen huschen kurz zu Yachi hinüber, die ihn ermunternd ansieht und kaum merklich nickt, als wüsste sie, was er sagen will.
 

Yuuji ist nicht der Typ fürs Verbeugen. Aber für Tadashi kann er wohl eine Ausnahme machen.
 

Also strafft er die Schultern, verbeugt sich in seine Richtung und sagt so laut, dass es die ganze Halle hören kann:
 

»Tadashi! Geh mit mir aus!«
 

»Was zum Henker geht hier—«
 

»Ukai-kun! Nur ein Moment, bitte!«, sagt Yachi hastig und die Stimme des Coaches verstummt. Yuuji bleibt mit gebeugtem Rücken stehen und kommt sich ausgesprochen lächerlich vor. Er kann förmlich spüren wie alle Augen an ihm kleben, als wäre er doppelseitiges Klebeband. Normalerweise stört es ihn nicht, wenn alle ihn ansehen, aber in diesem Fall...
 

In diesem Fall hat er Hanas Ratschlag befolgt.
 

Verletzlich sein ist der letzte Scheiß und Yuuji hasst es wie die Pest.
 

»Yamaguchi! Zehn Minuten, dann will ich dich wieder aufschlagen sehen!«, dröhnt die Stimme des Coaches durch die Halle und Yuuji denkt, dass ihm wahrscheinlich gleich die Wirbelsäule einknickt weil er schon seit gefühlten hundert Jahren gebeugt hier steht wie der letzte Armleuchter.
 

Aber im nächsten Augenblick greift jemand nach seinem Handgelenk und zerrt ihn Richtung Tür.
 

»Was machst du denn hier?«, zischt Tadashi. Er sieht Yuuji nicht an, als sie draußen vor der Halle stehen und sein Gesicht ist knallrot, sodass seine zahllosen Sommersprossen beinahe verschwunden sind. Yuuji steckt wieder die Hände in die Hosentaschen—ein beunruhigendes Kribbeln dort, wo Tadashis Hand seine nackte Haut berührt hat—und wiegt seinen Kopf ein paar mal nach links und rechts, als würde er seinen Nacken dehnen wollen.
 

»Hab ich doch eben gesagt. Dich fragen, ob du mit mir ausgehen willst«, erklärt er und hofft, dass seine Stimme in Tadashis Ohren nicht so kratzig klingt wie in seinen eigenen.
 

Tadashi sagt nichts und beißt auf seiner Unterlippe herum, als hinge sein Leben davon ab. Seine Hände sind zu nervösen Fäusten geballt.
 

»Aber—«
 

»Es tut mir leid, ok? Es war super dumm und ich war ein Arschloch und ich hab den Moment verpasst, es zu erklären, weil ich—weil ich ein feiger Mistsack bin. Aber die letzten Wochen waren absolut kacke und ich will wieder Zeit mit dir verbringen.«
 

Tadashis Augen sind riesig. Yuuji hat keine Ahnung, ob er gerade schon wieder auf irgendwelche Grenzen zustolpert und Gefahr läuft, sie einzurennen, aber er hat immerhin die Hälfte seines Sermons vorgetragen, also schafft er die zweite Hälfte auch noch.
 

»Und—keine Ahnung, ob du Jungs überhaupt gut findest, du hast nie auf meine Frage geantwortet. Aber. Selbst wenn du Jungs nicht gut findest und nicht mit mir ausgehen willst, können wir vielleicht trotzdem Freun—«
 

»Ich mag... Jungs.«
 

Yuujis Stimme macht ein sehr merkwürdiges Geräusch, das er definitiv noch nie von sich selbst gehört hat und der Rest des Wortes »Freunde« bleibt ihm im Hals stecken.
 

»Hah?«
 

»Ich mag Jungs. Ich—ähm. Jungs. Und Mädchen.«
 

Tadashis Stimme klingt so wobbelig, als würde er gleich in nervöses Wimmern ausbrechen. Sein Gesicht hat sogar einen noch dunkleren Ton angenommen, was Yuuji für unmöglich gehalten hat.
 

»Oh. Ok. Gut«, sagt Yuuji wie der allerletzte Trottel. Er räuspert sich und versucht, seinen üblichen Charme wieder auszugraben, aber der scheint sich unter irgendeinem Stein verbuddelt zu haben.
 

»Ich—ich wusste es nach deinem komischen Ge—Gedankenexperiment«, krächzt Tadashi und starrt auf seine Füße, seine Fäuste weiterhin zu Fäusten geballt.
 

Der Arschloch-Part in ihm möchte Tadashi auf die Pelle rücken und ihn fragen, an welchen Jungen er gedacht hat. Dann fällt ihm ein, dass jegliche Antwort, die nicht Yuuji selbst beinhaltet, ihn wahrscheinlich wahnsinnig machen würde, also beißt er sich auf die Zunge. Aber natürlich hat er Tadashi wieder einmal unterschätzt.
 

»Und ich hab an dich gedacht und es war super peinlich und ich konnte es dir nicht sagen, weil du gebohrt hättest und ich—«
 

Yuuji beschließt, dass die Einhaltung von Grenzen in einem gewissen Maße garantiert sinnvoll ist. Aber in diesem Augenblick hat er nicht die Geduld, sich daran zu halten. Stattdessen macht er zwei große Schritte vorwärts, streckt seine Hände nach Tadashis Gesicht aus und presst seine Stirn gegen die von Tadashi.
 

»Tritt mir jetzt gegens Schienbein, wenn du nicht willst, dass ich dich küsse, Tadashi«, sagt er mit sehr rauer Stimme. Sein Herz hämmert irgendwo in der Gegend seines Adamsapfels.
 

»Ich hab noch nie jemanden geküsst«, sagt Tadashi und seine Stimme ist etwa zwei Oktaven höher als gewöhnlich. Yuujis Magen macht mehrere Saltos.
 

»Huh. Dann ist heute dein Glückstag. Dieser heiße Kerl, der dir dein sexuelles Erwachen beschert hat, hat zufällig Zeit und—«
 

»Ya—Yamaguchi-kun! Ukai-kun sagt du hast noch drei Minuten!«, ertönt Yachis Stimme aus Richtung der Tür. Yuuji spürt wie Tadashi sich anspannt und einen Wimpernschlag lang denkt Yuuji, dass er diesen Tritt gegens Schienbein doch noch bekommt, aber dann passiert etwas viel viel Besseres. Etwas geradezu Umwerfendes.
 

Tadashi legt seinen Kopf schief, sodass ihre Nasen nicht mehr im Weg sind und dann pressen sich warme, trockene Lippen auf Yuujis Mund. In den hintersten Ecken seines Gehirns ist Yuuji in der Lage zuzugeben, dass es sich anfühlt, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen.
 

Das hier sollte kein besonders aufregender Kuss sein. Aber aus unerfindlichen Gründen fühlt es sich an, als wäre sein Körper einen Marathon gelaufen als er Tadashi gegen die Wand der Halle presst und den Kuss erwidert, als hinge sein Leben davon ab. Tadashi macht ein Geräusch, dass in Yuuji ein Fallgefühl auslöst. Er hält Tadashis Gesicht immer noch in beiden Händen und küsst ihn. Und küsst ihn. Und küsst ihn, während Tadashis Finger sich in Yuujis Shirt krallen.
 

»Bist du noch sauer?«, fragt Yuuji gegen Tadashis feucht geküsste Lippen. Er könnte schwören, dass Tadashis Beine zittern.
 

»Ich war nicht sauer. Ich war... traurig. Und. Und hab mich sehr erniedrigt gefühlt«, flüstert Tadashi mit heiserer Stimme. Yuuji küsst ihn noch mal statt sich erneut zu entschuldigen.
 

»Ich muss wieder rein«, krächzt Tadashi, knallrot im Gesicht und vollkommen außer Atem. Seine Augen sind wieder so riesig wie Teller. Yuuji schenkt ihm ein schiefes Grinsen.
 

»Wenn ich dir meine Adresse gebe, tauchst du dann morgen Abend bei mir auf und guckst Folge drei mit mir?«, erkundigt er sich gespielt lässig. Er sieht Tadashi schlucken und es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, bevor er schließlich nickt. Dann wirft er Yuuji einen letzten, ziemlich glühenden Blick zu, der ihm durch Mark und Bein geht und rennt zurück in die Halle.
 

Yuuji steht noch ganze fünf Minuten vor der Halle und starrt auf die geschlossene Tür, als könnte er Tadashi durch die Kraft seiner Gedanken wieder herauslocken. Schließlich stopft er seine Finger in die Hosentaschen, dreht sich um und macht sich mit einem unaufhaltbaren Grinsen auf den Weg nach Hause.
 

Manche Grenzen lohnt es sich eben doch zu überschreiten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Junshin
2022-11-17T18:35:30+00:00 17.11.2022 19:35
Ich mag Yamaguchi und finde es etwas Schade, dass er meist in Tsukkis Schatten verschwindet… Deshalb gefällt mir die Story sehr. *.*
Von:  Schangia
2019-05-19T10:11:26+00:00 19.05.2019 12:11
Gut, dass Yuuji die Kurve gekriegt hat, sonst hätte Daichi sich eine dritte Hand wachsen lassen müssen, um mich auch noch zurückzuhalten 8D
Sehr schöner One Shot, ich liebe Tadashi hier total! Deine Stories sind so ziemlich das Einzige, das mich immer wieder zu Haikyuu!! zurückbringt, also kann ich's gar nicht erwarten, dass du wieder mehr Zeit zum Schreiben hast ;)
Antwort von:  Ur
19.05.2019 17:18
Ich freu mich über wachsendes-Selbstbewusstsein-Tadashi und ich hab zu viele Fanarts gesehen wie Uni-Tadashi Motorrad fährt und Lederjacke trägt, das macht mich einfach sehr zufrieden als Konzept :D Ich freu mich sehr, dass ich dich immer wieder zurück locken kann, dann bin ich wenigstens nicht ganz allein in meinem Trashpile hier :'D (Ich spiele auch schon sehr mit dem Gedanken das tatsächliche Kuroo/Yaku Date zu schreiben und ich gebe dir die Schuld dafür xD) Danke fürs Kommentieren <3
Antwort von:  Schangia
20.05.2019 22:00
Da kann ich nur zustimmen, das würd ich mir auch für Tadashi wünschen :3 Keine Sorge, wann immer du rufst, joine ich dir in deinem Trashpile xD (Wieso denn Schuld? Die beiden Deppen haben ein Date ohne allergischen Schock ja wohl verdient ;p) Gerne! <3
Von:  Hatschepueh
2019-05-19T09:34:40+00:00 19.05.2019 11:34
Ich muss zugeben das ich eigentlich kein Fan von Tadashi als Part eines Pairings bin und deswegen kurz gezögert habe dieses Kapitel zu lesen aber da ich gerade auf einen Termin warten musste hab ich es doch gelesen und jetzt bin ich sehr froh darüber. Du hast die beiden sehr genau getroffen auch wenn mich dir Vorstellung Tadashi mit Piercings oder Tatoos dann doch etwas überrascht hat und ich mir das so gar nicht vorstellen kann aber immerhin bekommt er ja immer mehr Selbstvertrauen also wer weiss...
Jedenfalls hat mir das Kapitel sehr gefallen.
Antwort von:  Ur
19.05.2019 17:06
Ich freu mich immer, wenn Leute sich zu mir verirren, die mit Pairings/Fandoms eigentlich nichts anfangen können :D Ich freu mich, dass es dir gefallen hat! (Ich bin großer Fan von Tadashi mit Piercings und später auch mit Lederjacke/Motorrad :D) Danke für den lieben Kommentar :)


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