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Nur wer frei ist, ist ein König

von

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Ein Meisterdieb stellt sich vor

Die Luft im Gasthaus war stickig und vor Qualm konnte man nur wenige Tische weit sehen. Im hinteren Teil des Gastraums stritten sich Männer, ein Glas zerbrach. Man unterhielt sich leise, winkte den Wirt herbei.

„Sollte der Dieb nicht schon da sein?“ Hidan, der vor einem Krug schalen Biers saß, schaute sich um. Sein helles Haar, sonst ordentlich zurückgekämmt, war feucht und stand ab. Der Weg hierher war lang gewesen und ein Schneesturm hatte sie überrascht.

„Ja.“ Kakuzu hatte seine Maske herunter gezogen. Durchnässt war sie lästig. Hidan nahm einen Schluck, statt zu antworten.

„Wenn wenigstens das Bier schmecken würde.“

Kakuzu gab ihm Recht. In diesem Reich konnten die Menschen weder Bier brauen noch ihre Häuser dämmen. Wind zog durch die Ritzen der Steinmauern, sodass es trotz der vielen Gäste und dem Kaminfeuer kühl war.

„Ihr hättet Met bestellen soll, warm, ansonsten kann man hier nichts trinken.“ Ohne, dass eines der Akatsukimitglieder es gemerkt hatte, war ein Mann an den Tisch gekommen. Er war schlank, klein und wahrscheinlich nicht älter als Mitte zwanzig. Seine schmalen, grünen Augen funkelten sie belustigt an. Kakuzu musterte ihn, ohne sich die Überraschung über sein plötzliches Auftauchen anmerken zu lassen.

„Du bist der Dieb?“

„Meisterdieb, wenn ich bitten darf. Tori Shouta, stets zu Diensten.“ Er zog sich einen Stuhl an den Tisch und ließ sich rittlings darauf fallen. Seine Arme baumelten über die Rückenlehne. Er grinste.

„Du bist zu spät“, warf Hidan ein.

„Und das tut mir sehr leid“, sagte der Dieb und klang nicht danach. Er hatte einen Tonbecher in der Hand, über dem Dampf aufstieg. Wahrscheinlich der warme Met, von dem er gesprochen hatte. Er trank, bevor er weitersprach: „Ihr seid also Akatsuki.“

„Ja“, sagte Kakuzu. Er kam nicht umhin, sich über Shoutas Auftreten zu wundern. Als ihnen erzählt wurde, man habe einen Dieb gefunden, der der Aufgabe gewachsen sei, hatte er sich jemand Beeindruckenderes vorgestellt.

Shouta winkte den Wirt herbei, einen alten Mann mit schütteren Haar.

„Noch zwei warme Met, und nimm' das Pisswasser mit. Das können wir unseren fremdländischen Freunden nicht antun.“ Er warf ihm bronzene Münzen zu.

Der Wirt tat wie geheißen und murmelte eine Beleidigung, die Shouta ignorierte. Er wandte sich Akatsuki zu. „Können wir zum geschäftlichen Teil kommen?“

„Hier?“, fragte Hidan.

Shouta zuckte mit den Schultern. „Wenn wir gehen, erregen wir mehr Aufmerksamkeit. Die Leute hier vertrauen niemanden, der offensichtlich Geheimnisse hat.“

„Wie lange brauchst du?“ Kakuzu verschränkte die Arme vor der Brust.

Shouta grinste. „Kommst gleich zum Punkt, was? Gefällt mir.“

Kakuzu starrte ihn an und Shouta starrte zurück. Der Blickkontakt hielt mehrere Sekunden, bis Shouta antwortete: „Etwa zwei Monate.“

„So lange?“ Kakuzu spürte, wie sein Geduldsfaden dünner wurde.

Shouta trank, bevor er antwortete: „Wir müssen eine Woche beobachten, vielleicht mehr. Und wir müssen in die Berge, das wird dauern. Wir können nur am Tag reisen, falls das Wetter es überhaupt zulässt. Wir sind nicht im flachen Mizu no Kuni, das Land ist rauer.“

„Großartig.“ Kakuzu schnaufte.

„Scheiße“, sagte Hidan.

Der Wirt kam zurück und knallte zwei weitere Becher auf dem Tisch. Die Flüssigkeit spritzte auf die Platte und lief in die Ritzen.
 

Shouta griff in eine seiner vielen Manteltaschen und klatschte eine Karte auf den Tisch. Er entfaltete sie und deutete auf einen Punkt mitten im nordöstlichen Gebirge. An acht seiner Finger trug er schlecht zusammenpassende Ringe. Einige von ihnen hatten tiefe Dellen, bei anderen war das Metall angelaufen und der Ring an Shoutas rechtem Daumen hatte eine dicke Lötnaht an der Seite.

„Dort müssen wir hin.“ Er deutete auf einen anderen Punkt. „Hier sind wir. Per Luftlinie ist es nicht weit, aber das nützt uns nichts.“

Er sah kurz auf. „Wir müssen den dreifachen Weg zurücklegen, mindestens. Kommt auf die Wetterbedingungen an. Wenn es schneit, können wir viele Wege nicht nutzen, werden sonst von Lawinen überrollt.“

Kakuzu wechselte einen Blick mit Hidan und rollte mit den Augen. Die nächste Zeit würde anstrengend werden. Kakuzu verfluchte sich dafür, dass er Akatsuki beigetreten war. Shouta wartete, bis Kakuzu ihn wieder ansah. „Darf ich weiterreden?“

„Ja“, knurrte Kakuzu, „aber mach's kurz.“

Shouta rollte seinerseits mit den Augen und erklärte die Route. Sie würden in Dörfern Zwischenhalte machen, ansonsten abseits von den Hauptstraßen bleiben. Schleichwege nutzen oder quer durch die Wildnis, weil die Straßen überwacht wurden. Der Weg führte vor allem durch die Berge, nur ein kurzes Stück würden sie durch ein flacheres Gebiet des Reiches reisen. Ōrora no Kuni war ein großes Reich, um einiges größer als Tsuchi no Kuni, größtenteils unbewohnbar. Und sie mussten von einem Ende des Reichs zum anderen. Kakuzu bezweifelte, dass die Mission innerhalb von zwei Monaten vom Tisch sein würde.

Als Shouta seinen Vortrag beendet hatte, trank er seinen Becher leer. Er behielt ihn in der Hand und drehte ihn hin und her. „Alles verstanden?“

Sie nickten.

„Dann können wir über die Bezahlung reden.“

„Bei dem bisschen Geld bist du so scharf drauf?“, fragte Hidan.

„Es geht um mehr als das Geld.“ Shouta wirbelte den Becher durch die Luft. „Bleibt es bei siebentausendfünfhundert im Voraus und siebentausendfünfhundert, wenn ich den Stein abgeliefert habe?“

„Ja“, sagte Kakuzu. Fünfzehntausend Ryo, soviel bekam man auch für eine D-Rang-Mission und das machte ihn stutzig.

„Wieso willst du so wenig?“

„Weil das Geld scheißegal ist, wenn ich den Stein habe.“ Shoutas Zähne blitzten auf.

„Du glaubst also dieses Märchen?“, fragte Hidan.

„Ihr glaubt auch daran, sonst wärt ihr nicht hier.“

„Die Chakra-Verstärkung ist geschichtlich bewiesen, alles andere nicht“, sagte Kakuzu schneidend.

Shouta hob seine Hände. „Ich wollte niemals euer Geschichtswissen infrage stellen.“

„Wenn du uns verraten willst, werden wir dich umbringen.“

Anstatt auf die Drohung zu reagieren, drehte Shouta den Becher auf dem Tisch und blickte Kakuzu desinteressiert an. „Nun, es wäre ziemlich doof, wenn ich meine Auftragsgeber verraten würde, findest du nicht?“

Am liebsten hätte Kakuzu ihm ins Gesicht geschlagen. Der Becher knarzte über das Holz. Kakuzu riss ihn Shouta aus der Hand. Shouta sah ihn empört an, war aber klug genug, nichts zu sagen und keine noch nervigere Tätigkeit zu beginnen.

„Es ist ziemlich doof seine Zunge nicht im Zaum halten zu können.“

Hidan lachte und Kakuzu sah Shouta an, dass er alle Mühe hatte, nichts zu erwidern. Nachdem Hidans Lachen verklungen war, wurde es am Tisch still. Shouta wirkte beleidigt. Seine rechte Hand zuckte.

„Ich habe noch eine Frage“, sagte Hidan.

„Die wäre?“ Unter dunklem Augenbrauen verengten sich Shoutas Augen.

„Wenn du diesen Stein unbedingt willst und ein Meisterdieb bist, wieso hast du ihn nicht selbst gestohlen?“ Das war eine gute Frage. Kakuzu richtete sich auf und musterte Shouta, der ein überhebliche Grinsen aufgesetzt hatte.

„Wenn das alleine möglich wäre, wäre der Stein längst verschwunden“, sagte Shouta. „Haben viele versucht. Sind alle gescheitert.“

„Das heißt?“, fragte Kakuzu.

„Ihr müsst Kanonenfutter spielen.“ Shouta sagte es mit absoluter Selbstverständlichkeit. Kakuzu war sich sicher, dass er entweder ausgesprochen mutig oder ausgesprochen dumm war.

„Was soll das heißen?“

„Hast du etwa Angst?“ Shouta zog eine Augenbraue hoch. "Ich dachte, ihr seid weit über die Ninjareiche hinaus gefürchtet."

„Genau deswegen solltest du uns respektieren.“

Hidan beugte sich über den Tisch und sagte ruhig: „Wir sollen also die Wachen töten.“

„Nicht alle“, sagte Shouta, "es reicht, wenn ihr genug ablenkt, dass ich durchkomme. Es sind viele, aber das dürfte für euch kein Problem sein, nicht wahr?"

„Nein“, sagte Hidan.

„Ist das alles?“, fragte Kakuzu. Ablenkung? Das reichte ihm?

„Ja.“ Shouta wirkte von der Frage überrascht. „Es wird im Inneren nicht einfach, aber macht euch keine Sorgen. Das ist kein Problem.“

„Und woher weißt du, wie es im Inneren aussieht?"“

Shouta lachte. „Die Pläne sind nicht halb so gut bewacht wie der Stein. Die zu bekommen war leicht.“

Sie mussten ihm glauben. „Gut“, sagte Kakuzu, „wann willst du aufbrechen?“

„Morgen früh“, antwortete Shouta, „nach Sonnenaufgang. Ihr habt passende Kleidung?“

Kakuzu nickte. Sie hatten die leichten Akatsuki-Mäntel gegen schwere, gefütterte Mäntel und die Ninja-Sandalen gegen Stiefel getauscht. Unsterblichkeit schützte nicht vor Erfrierungen.

„Ein Problem weniger.“ Shouta faltete die Karte schlampig zusammen und stopfte sie in die Tasche. „Habt ihr noch Fragen?“

Sie verneinten. Kakuzu hatte Fragen, aber keine, die er Shouta stellen würde. Seinen Nerven zuliebe.

„Dann treffen wir uns morgen früh hier.“ Shouta schwang sich vom Stuhl. „Lasst euch nicht von den Ratten beißen, die übertragen Krankheiten.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand.
 

Kakuzu griff nach seinem Becher und trank ihn leer. Der Met war nur noch lauwarm, schmeckte aber tatsächlich besser als das Bier. Irgendwie hasste er es, dass der Dieb damit Recht behielt.

Schneesturm

„Wir müssen uns beeilen“, sagte Shouta, „der Schneefall wird stärker und bis zur Hütte dauert es noch.“ Der Schnee hatte Shoutas dunkelgrauen Mantel mit weißen Punkten übersät und die Haare, die vorne aus seiner Kapuze schauten, hingen ihm gefroren ins Gesicht. Sie waren bei Sonnenaufgang aufgebrochen. Knapp zwei Stunden später hatte der Schneesturm eingesetzt, deshalb waren sie nicht weit gekommen.Sie konnten kaum die Umgebung erkennen und die Straße, die in den Sommermonaten als Handelsroute genutzt, war zugeschneit.

„Was soll das überhaupt für eine Hütte sein?“, fragte Hidan ungehalten.

„Eigentlich für Händler, über den Winter sind sie ungenutzt.“ Shouta lief voran. „Ich nutze die immer, wenn ich im Winter unterwegs bin. Sind ganz nett ausgestattet.“

„Du brichst ein“, stellte Hidan fest.

„Ja.“ Nun drehte sich Shouta zu ihnen und lief rückwärts. „Ganz einfach. Schlecht gesichert. Wenn ich gehe, versiegle ich die Hütten wieder. Niemand hat je bemerkt, dass ich da war.“ Er hatte sich den Schal über den Mund gezogen, aber Kakuzu wusste, dass er grinste. Dieses widerliche, überhebliche Grinsen ...

„Wer versiegelt überhaupt die Hütten? Ich dachte, ihr hättet hier keine Ninja“, fragte Hidan. Kakuzu horchte auf.

„Fuinjutsu haben wir hier auch, und genügend Söldner.“ Shouta drehte sich wieder um und lief über den Schnee. Kakuzu fiel auf, dass er keine Abdrücke hinterließ.

„Nukenin?“

„Sicher einige, aber nach denen fragt keiner. Eure Probleme sind nicht Ororas Sache.“

Hidan gab ein abfälliges Schnauben von sich. „Unsere Probleme?“

„Die der Ninja-Reiche, eure Kriege, eure Politik und eure Verbrecher. Die Leute hier wollen nicht wissen, was außerhalb der Grenzen geschieht.“

„Es sind nicht unsere Probleme. Was die Dörfer machen, ist mir egal.“

„Und trotzdem gehörst du zu einer Organisation, die die Dörfer terrorisiert.“

„Was soll das heißen?“, brauste Hidan auf.

„Dass du wortwörtlich Problem verursachst und somit ein Problem der Ninja-Reiche bist.“ Damit hatte Shouta zwar leider recht, aber das Hidan zu sagen, war eine schlechte Idee. „Aber wenn du hier als Söldner irgendwo anheuern willst, fragt keiner danach.“
 

Kakuzu knurrte: „Haltet die Klappe, alle beide.“

Eine Weile war es still. Der Wind wurde stärker und kälter und der Schneefall dichter. Mittlerweile liefen auch Kakuzu und Hidan auf dem Schnee, um nicht bis zu den Oberschenkeln zu versinken. Die Spuren, die sie hinterließen, waren innerhalb von Minuten verweht.

„Dieb!“, rief Kakuzu.

Shouta wartete, bis Kakuzu zu ihm aufgeschlossen hatte. „Meisterdieb“, verbesserte er zitternd.

„Du hast die Straße noch im Blick?“ Sie war nicht zu erkennen, und Shouta sah sich nicht um.

„Natürlich“, sagte er. „Keine Sorge, wir sind bald da.“

Kakuzu sah auf ihn herunter. Das bisschen Haut, das von Shoutas Gesicht zu sehen war, war gerötet und seine dunklen Wimpern waren gefroren. Er jämmerlicher Anblick. „Das ist für dich wichtiger als für mich.“

„Als ob dir die Kälte nichts ausmacht.“

„Sei still.“

Bevor Shouta etwas erwidern konnte, tauchte Hidan neben ihnen auf. „Was redet ihr?“

„Gar nichts“, schnitt Kakuzu das Gespräch ab, „lauft weiter.“

„Einen Scheißdreck muss ich auf dich hören“, gab Hidan zurück.

Kakuzu antwortete nicht, dass Hidan keine Wahl hatte, wenn er nicht in der Kälte zurück bleiben wollte. Shouta lief schweigend voran, schneller als zuvor.

„Es kotzt mich an, dass du immer auf Anführer machst.“ Hidan ließ das Gespräch nicht ruhen.

Kakuzu knurrte. „Wenn andere nicht so unfähig wären, müsste ich das nicht.“

„Was meinst du damit schon wieder?“

„Du hast mich verstanden.“

„Ich bring dich um.“ Hidan griff nach seiner Sense, zog sie aber nicht.

„Tu's“, sagte Kakuzu herablassend. Hidan hatte es häufig versucht, aber nie geschafft – ebenso wie Kakuzu versucht hatte, Hidan zu töten. Auf weitere Versuche hatte Kakuzu keine Lust.

„Warte nur ab.“

„Halt' die Klappe, Hidan.“ Kakuzuseufzte. Einen Augenblick dachte er, er hätte den Dieb aus den Augen verloren, aber Shouta stand nur einige Meter von ihnen entfernt, die Arme vor der Brust verschränkt, da.

„Kommt ihr?“

Sie folgten ihm einen flachen Hang hinab. Wenn es hier einen Weg gab, war er vom Schnee bedeckt. Als sie um einen Felsen liefen, fanden sie die Hütte. Sie war aus Holz gebaut, klein und unscheinbar.

Shouta stellte sich vor die Tür, den Rücken Akatsuki zugewandt und bewegte seine Hände. Es mussten Fingerzeichen sein, denn schließlich glomm die Tür und schwang knarzend auf. Shouta warf einen Blick zurück und grinste.

„Einfach, wenn man weiß, wie.“ Er betrat vor ihnen die Hütte.
 

Hier war es war trocken. Ein Kamin stand in einer Ecke, außerdem gab es einen Tisch mit vier Stühlen und einen Schrank. Decken und Kissen waren ordentlich in einer Ecke gestapelt. Eine Tür führte zu einem weiteren Zimmer. Shouta kniete sich vor den Kamin und entfachte ein Feuer.

„Dauert ein bisschen bis es warm wird“, sagte er, während er seinen Mantel auszog und ihn neben den Kamin hing. Die Stiefel stellte er daneben. Shouta setzte sich neben den Kamin und lehnte sich gegen die Wand. Er sah müde aus. Der Schnee in seinen Haaren begann zu schmelzen.

Kakuzu zog ebenfalls Mantel und Stiefel aus, und während er sich auf einen Stuhl setzte auch die Maske. Ein Klirren hinter Kakuzu Raumes verkündete, dass Hidan seine Sense abgestellt hatte.

„Ganz schön klein“, kommentierte er.

„Aber warm und isoliert. Manchmal gibt es sogar Vorräte.“ Shouta öffnete den Schrank und holte Konserven und eine Packung Trockenfleisch hervor. „Seht ihr?“

„Na klasse.“ Dennoch ließ sich Hidan das Trockenfleisch zuwerfen.

„Eintopf?“, fragte Shouta Kakuzu. „Nicht der beste, aber essbar.“

Kakuzu zuckte die Schultern, beobachtete Shouta, wie er ein Messer in die Dose rammte und sie mit einem schnellen Handgriff öffnete. Auf die gleiche Weise öffnete er eine zweite Dose. Beide schüttete er in einen Topf, den er über das prasselnde Feuer hing.

Shouta suchte Holzschüsseln heraus und setzte sich dann neben das Feuer auf den Boden. Er zitterte.

„Scheint der richtige Platz für dich zu sein.“

„Dir ist auch kalt. Es schneit, es ist kalt draußen.“ Er wischte sich das Schmelzwasser aus dem Gesicht.

„Du bist der einzige, der direkt am Feuer sitzt.“

Shouta schwieg beleidigt. Er schöpfte sich Eintopf in die Schüssel und aß. Kakuzu blieb nichts anders übrig, als sich selbst zu bedienen. Shouta sah nicht einmal auf, als er an ihm vorbei ging.

„Lass dir deine Schwäche nicht anmerken“, sagte Kakuzu nach einer Weile.

„Ach was.“ Shouta sah Kakuzu feindselig an.

Sie aßen schweigend. Der Eintopf schmeckte nicht, aber er war warm und sättigend.

Schließlich warf Shouta die Schüssel ins Feuer, wo sie knisternd verbrannte. Er machte sich an seinem Rucksack zu schaffen.

„Wir sollten schlafen, wir müssen das Tageslicht nutzen“, sagte er und setzte sich an den Tisch. „Ihr habt euch eine beschissene Zeit ausgesucht, um hierher zu kommen.“

„Dafür können wir nichts“, gab Hidan zurück, „das war der Boss.“

„Dann hat eben euer Boss sich eine beschissene Zeit ausgesucht“, sagte Shouta gleichgültig.

„Wie du meinst“, sagte Hidan und ging seinen Schlafsack holen. Zu Kakuzus Erstaunen verzog Shouta sich in eine Zimmerecke nahe am Fenster, statt am Kamin zu bleiben. Sie schwiegen.

Kakuzu ließ sich in einem anderen Teil der Hütte nieder, möglichst weit weg von Hidan und Shouta. Der Boden war kalt, und er bereute sofort, sich so weit weggelegt zu haben. Zurückgehen konnte er nicht. Er hatte Shouta gut genug kennen gelernt, um zu wissen, dass er ihn das nie vergessen ließe.
 

Kakuzu wurde von einem Knacken geweckt. Es war warm, das Feuer musste also einige Zeit brennen. Draußen heulte der Wind.

„Morgen“, kam es halblaut aus der anderen Ecke. Shouta saß neben dem Kamin, ein Buch in der Hand. „Ich habe mich ums Feuer gekümmert.“

„Kannst du nicht wenigstens am Morgen die Klappe halten?“, knurrte Kakuzu.

Shouta verdrehte die Augen. „Ein Danke hätte es auch getan.“

„Sei still.“ Kakuzu stand auf und blickte aus dem Fenster. Es schneite nicht mehr, doch der Wind blies kräftig und fegte den Schnee über die Berge.

„Es sind noch keine Wolken zu sehen, aber wir müssen uns beeilen. Das Wetter schlägt in den Bergen schnell um“, sagte Shouta.

„Dessen bin ich mir bewusst.“

Shouta grummelte. Kakuzus Hände zuckten, aber er verzichtete darauf, den Dieb zu schlagen. Er wandte sich zu Shouta um, der in sein Buch versunken war. Kakuzu kannte die Schriftzeichen auf dem Buchrücken nicht. Von oben nach unten geschrieben, weiche Rundungen, die miteinander verschlungen waren. Er hatte sie noch nie gesehen. Vielleicht würde er bei Gelegenheit nachfragen – wenn er sicher sein konnte, dass Shouta ihm nicht seine gesamte Lebensgeschichte erzählen würde.

Auch Hidan regte sich nun. Er gähnte, räumte schweigend seine Schlafsachen zusammen und kramte im Schrank nach Essen. Selbst Konserven waren besser als die Nahrungspillen und Riegel, die sie mitgenommen hatten. Nahrhaft war nicht gleich schmackhaft.

„Beeilt euch mit dem Frühstück“, sagte Shouta und deutete auf eine leere Konservendose neben sich, „ich bin schon fertig.“

„Seit wann bist'n wach?“ Hidan kaute Trockenfleisch.

„Etwa eine Stunde.“ Shouta zuckte mit den Schultern. „Vielleicht weniger.“

Kakuzu griff blindlings nach einer Konserve. Er öffnete sie mit einem Kunai und aß den Eintopf kalt.
 

Kaum hatten sie gefrühstückt, schulterte Shouta seinen Rucksack. „Dann los.“

Da Kakuzu nichts anderes übrig blieb, als zuzustimmen, nickte er. „Fällt es nicht auf, dass jemand hier war, wenn wir es so hinterlassen?“

„Habe ich gesagt, dass ich wieder hierher will? Sie erfahren es ohnehin erst im Frühjahr, dann haben wir euer Steinchen schon.“

Shouta öffnete die Tür und trat hinaus, ohne zurückzublicken. Sein Mantel wurde von einer Windbö erfasst und zur Seite gerissen. Einen Moment stand er da, seine Schultern hoben und senkten sich. Dann verschwand er aus Kakuzus Blickfeld.

Hidan kniff die Augen zusammen. „Was'n mit dem los?“

„Woher soll ich das wissen?“

Sie folgten Shouta ins Freie. Die Luft war kalt, aber klar, und nach der stickigen Hütte wohltuend. Kakuzu atmete tief ein und ließ seinen Blick über die Umgebung schweifen. Durch die Schneewehen war es schwer, zu erahnen, wo der Weg lag. Oder überhaupt irgendetwas. Shouta stand mehrere Meter von ihnen entfernt auf einer Anhöhe. Keine Fußspuren im Schnee vor ihm. Er grinste.

„Wag' es nicht, irgendetwas zu sagen“, knurrte Kakuzu.

Shoutas Grinsen erstarb. Er verdrehte die Augen und wandte sich ab.

Tanz der Nordlichter

Zwei weitere Nächte hatten sie in Hütten verbracht und einen den Großteil des Weges durch das Gebirge zurückgelegt. Den Weg hatten sie am vorherigen Tag hinter sich gelassen, weil sie an Wachposten vorbeiführte und sie nicht am Anfang der Reise Aufmerksamkeit erregen wollten.

Es war keine weite Strecke, unter anderen Umständen hätten sie sie an einem Tag erledigen können. Doch die Tage hier waren kurz, die Sonne schien nur wenige Stunden. Es war kalt. Das Gebirge war schwer zugänglich, Shouta schlug mehrere Male spontan andere Wege ein, weil Lawinen drohten oder sie Felsspalten umgehen mussten.

Auch wenn es Shouta nicht direkt sagte, machte er klar, dass er alleine schneller voran kommen würde. Ohne es zugeben zu wollen, kratze es an Kakuzus Ego. Denn er glaubte Shouta. Dieser hatte es sich zur Angewohnheit gemacht zwischendurch hinter einer Abbiegung zu verschwinden und plötzlich aufzutauchen. Mal hinter ihnen, mal auf einen Felsen über ihnen. Alles, ohne dass man ihm die geringste Mühe ansah. Es war zum verrückt werden.

Dieser Tag war schlimmer als die vorherigen. Es war zu kalt, um zu schneien und der Wind eisig. Shouta führte sie über einen schmalen Pfad. Mehrere hundert Meter unten ihnen lag die Baumgrenze – getrennt durch tiefe Klippen.

„Junge“, knurrte Kakuzu und durchbrach damit die Stille, die beinahe den ganzen Tag anhielt.

„Du kennst meinen Namen.“ Shouta, der voran gelaufen war, wartete, bis Kakuzu und Hidan zu ihm aufgeschlossen hatte.

Kakuzu überging ihn. „Wir entfernen uns von der ursprünglichen Route.“

„Ich weiß.“

Kakuzu gab ein Knurren von sich.

„Wir nehmen einen Umweg“, sagte mit solcher Selbstverständlichkeit, dass Kakuzu ihn am liebsten geschlagen hätte, „es gibt ein Weg durch das Tal, der angenehmer ist.“

„Also werden wir länger brauchen.“

„Vielleicht einen Tag. Bei dem Wetter brauchen wir das hier auch.“

Hidan erhob das Wort: „Und wann hattest du vor uns davon zu erzählen?“

„Ihr hättet noch davon erfahren.“ Shouta wandte sich ab. „Kann übrigens sein, dass wir für diese Nacht keine Hütte haben.“

„Was?“, fragte Hidan.

„Gibt Höhlen.“ Damit war Shouta fast aus ihrem Sichtfeld verschwunden und ihnen blieb nichts anderes über, als ihm zu folgen.

„Wer hat den überhaupt angeheuert?“

Kakuzu hob seine Schultern. Er wollte nicht darüber diskutieren. Sie mussten sich beeilen, um mit Shouta Schritt zu halten, der überwand einen Spalt mit einem mühelosen Sprung und lief einen Abhang herunter, wobei er dicht am Fels blieb. Kakuzu war sich nicht sicher, ob das wirklich einer der sicheren Wege war, die Shouta versprochen hatte, aber letztlich war es der Dieb, der am meisten gefährdet war.

Vom Abhang aus konnte man einen Teil des Tales sehen; tief unten begann das Krummholz, das sich nach zu nach zu einem Wald aus Nadelbäumen verdichtete. Kakuzu ließ seinen Blick schweifen, östlich von ihnen hob sich ein gewaltiger Berg von den anderen ab. Er war so steil, dass an der Seite, die zum Tal blickte, kaum Schnee liegen blieb und dunklen, schroffen Fels freigab. Zwei scharfe, kantige Gebirgsgrate wanden sich zur Spitze hoch.

Schnee löste sich unter Kakuzus Füßen und er wandte den Blick nach vorn, um den Halt trotz Chakrakontrolle nicht zu verlieren. Er wusste, dass weder Hidan, noch Shouta ihn das vergessen lassen würden.
 

Sie umrundeten einen Felssturz und Shouta führte sie durch eine schmale Schlucht. Die nächsten Stunden führten sie langsam Richtung Tal. Sie mussten häufig einige Höhenmeter gewinnen, nur um sie wieder hinab zu stiegen. Doch schließlich erreichten sie ein kleines Plateau, von dem aus man das Tal, das er vorhin gesehen hatte, sehen konnte. Sie hatten also kaum Weg zurück gelegt, doch von hier aus war es leichter, in der Tal zu gelangen. Der Berg fiel sanfter ab und es sah nicht danach aus, dass Lawinen auf diesem Weg drohten.

Shouta blieb stehen und drehte sich zu ihnen. „Wir bleiben hier, da vorne ist ein Höhle.“ Er nickte schwach in eine Richtung. „Ihr könnt nicht im Dunklen sehen, die nächste Hütte erreichen wir nicht vor Sonnenuntergang.“

Kakuzu runzelte über die seltsame Formulierung die Stirn und nickte als Antwort. Hidan lief schweigend an ihnen vorbei.

„Nach dir“, sagte Shouta mit einer ausladenden Geste. Er hatte Mund und Nase bedeckt, doch Kakuzu wusste, dass er grinste.

„Hm“, machte Kakuzu, folgte aber der Aufforderung. Er hatte keine Lust zu diskutieren. Nicht nach diesem Tag.

Shouta trat als letzter in die Höhle. Er war der einzige von ihnen, der dort aufrecht stehen konnte. Hidan und Kakuzu mussten ihre Köpfe einziehen. Es war eng, aber wenigstens trocken und windgeschützt.

Sie nahmen die Rucksäcke ab und Shouta befestigte eine Decke, die er aus seinem Rucksack zog, am Höhleneingang. Kakuzu schmiss die Schlafmatte auf den Boden, bevor er sich auf sie sinken ließ. Hidan tat es ihm gleich und nachdem Shouta Teelichter aus seinem Rucksack zog, auch er.

„Kein Lagerfeuer, aber besser als nichts“, murmelte Shouta und zündete sie an. Er zog sich den Schal vom Gesicht. Seine Haut war gerötet und an den Mundwinkeln eingerissen. Das Grinsen war verschwunden.

Für wenige, wunderbare Minuten, war es still. Bis Hidan sprach. Kakuzu verdrehte die Augen, noch bevor Hidan den Satz zu Ende gesprochen hatte. „Wie weit sind wir vom geplanten Weg abgekommen?“

So wichtig die Frage war, Kakuzu wollte Ruhe, doch keiner gönnte es ihm. Kakuzu schloss die Augen, in der Hoffnung, Ruhe zu bekommen.

„Ihr habt den Berggrat gesehen? Eigentlich wollte ich da lang, von dort aus wären wir auf eine andere Händlerroute geraten, aber ihr habt den ja gesehen.“

„Ziemlich ungeschützt da.“

„Ja, und verschneit.“ Rascheln neben Kakuzu. Vermutlich kramte Shouta nach etwas.

„Ist es hier immer so kalt?“

„Ihr habt einen besonders kalten Winter erwischt.“ Er hörte, wie Shouta ein Stück Trockenfleisch abbiss. „Und im Februar wird es noch kälter.“

„Scheiß Land.“

„Scheiß Jahreszeit um her zu kommen.“

Um sie von einem Streit abzuhalten, unterbrach Kakuzu sie: „Ruhe.“

Sie gehorchten, was Kakuzu überraschte. Sie waren wohl alle müde.
 

Irgendwann ging die Sonne unter und irgendwann schlief Kakuzu ein. Es war unbequem, Kakuzu war zu groß, um ausgestreckt liegen zu können, also blieb er in seiner Position gegen die Wand gelehnt. Steine drückten sich in seinen Rücken und er wachte immer wieder auf. Sein Nacken schmerzte.

Dieses Mal öffnete er seine Augen, blinzelte. Licht drang durch den Spalt, der die Decke freiließ. Kakuzu richtete sich auf. Ihm fiel etwas weiteres auf - Shouta war verschwunden. Er hatte neben ihn gelegen und nun war die Stelle leer. Nur Schlafsack, Matte und Rucksack lagen dort.

Er wandte sich aus dem Schlafsack, zog sich die Stiefel an und ging nach draußen. Er glaubte nicht, dass Shouta verschwunden war, er wollte dennoch sehen, was er draußen trieb. Diesem verdammten Dieb war alles zuzutrauen. Außerdem war er neugierig, was es mit dem Licht auf sich hatte.

Zumindest diese Frage wurde ihm sofort beantwortet. Polarlichter. Kakuzu hatte noch nie welche gesehen, jedoch von ihnen gehört. Er legte den Kopf in den Nacken. Helle, grüne Wellen zogen sich pulsierend über den Himmel. Kakuzu hatte nicht gewusst, das sie so gewaltig waren. Egal wo er hinsah, die Nordlichter tanzten über den Himmel und sie mussten viele Kilometer hoch sein. Der Schnee reflektierte das Licht und so schienen die Berge selbst zu strahlen. Kakuzu musste sich zusammenreißen, um seinen Blick von den Lichtern abzulösen. Er war für anderes hier heraus gekommen.

Er fand Shouta am Rande des Plateaus. „Was machst du hier draußen?“

Shouta zuckte zusammen und wirbelte herum und entspannte sich, als er Kakuzu erkannte. „Kann ich dich nicht das Selbe fragen?“

Kakuzu antwortete nicht. Shouta verstand: „Schon gut, ich konnte nicht schlafen. Du offenbar auch nicht.“

Kakuzu nickte und trat neben Shouta. Das Tal glimmte grün.

„Sie sind schön, nicht wahr?“, fragte Shouta.

Kakuzu gab einen zustimmenden Laut von sich. Sie waren mehr als das. Er hatte in beinahe neunzig nicht einmal Vergleichbares gesehen.

„Ich werde sie vermissen.“

Wieder eine komische Aussage Shoutas.

„Siehst du die Berggrate?“ Shouta deutete auf sie. „Die zwei dahinten.“

Kakuzu könnte Shouta sagen, er solle seinen Mund halten, aber er tat es nicht. „Ich bin nicht blind.“

„Es gibt Legenden über sie.“

„Aha.“

„Man sagt, es seien die Rücken von Drachen, die miteinander kämpften und hier starben. Sie waren Feinde. Sie starben im Kampf.“ Er hörte, wie sich Shouta neben ihn bewegte. „Muss ganz schön grausam sein.“

„Was?“, fragte Kakuzu.

„Auf Ewig bei seinem Feind liegen zu müssen“, antwortete Shouta und seine Stimme versagte, „an einem Ort an dem man nie sein wollte, eingesperrt sein.“

„Ja.“

Das Schweigen zwischen ihnen wurde unangenehm. Kakuzu wusste nicht mehr, was er sagen sollte und Shouta war in eine ungewohnte Stille verfallen. Hier oben war es still. Jetzt, wo sie nicht mehr miteinander sprachen, wurde es deutlich. Es gab keine Tiere, keine Bäume oder Gräser, die rascheln konnten und es war windstill geworden. Das Beständige Heulen des Windes, das sie bisher begleitet hatte, fehlte. Kakuzu hatte fast vergessen, wie still die Welt sein konnte. Und wie seltsam einsam.

Gerade wollte er sich umdrehen und zurück zur Höhle gehen, als Shouta etwas sagte: „Was passiert momentan in den Ninja-Reichen?“

„Woher willst du das wissen?“

„Ich bin in Kiri geboren und es kommen nicht oft Reisende hier her. Ich will wissen, was los ist.“

Das würde sich Kakuzu merken. „Konoha hat einen Kage, eine der Sannin.“

„Sannin?“, fragte Shouta.

Kakuzu seufzte tief. „Nicht wichtig, ihr Name ist Tsunade.“ Die Enkelin des ersten Hokages, eine Senju. Als hätte die Welt nicht genug von ihnen gesehen. „Suna hat aktuell keinen Kazekage, der letzte starb vor einiger Zeit.“

„Was ist mit Kiri?“, fragte Shouta ohne auf die vorherige Aussagen einzugehen. „Ich hörte, dass Yagura Karatachi kein Kage mehr ist.“

Kakuzu nickte. „Er ist tot. Mei Terumi ist nun Kage.“

Shouta schien nachzudenken, er brauchte einige Zeit, bis er etwas fragte. „Hat sie etwas geändert?“

„Sie hat die Geninprüfung geändert.“

„Aha“, sagte Shouta unbegeistert. „aber das interessiert mich nicht.“

„Im Grunde sind alle Dörfer gleich.“

Shouta lachte hohl. „Da hast du Recht. Danke, für die Information.“

Kakuzu nickte ihm zu. Jetzt verschwand er in der Höhle. Shouta folgte ihm.

Fichtennadeln

Kakuzu wurde von seinem schmerzenden Nacken geweckt. Mit einem leisen Stöhnen – er versicherte sich, dass weder Hidan noch Shouta wach waren – richtete er sich auf. Er legte seinen Kopf zu beiden Seiten, ein Knacken und ein befreiendes Gefühl folgte. Manchmal fühlte er sich zu alt, um auf den Boden zu schlafen. Nicht, dass das je wer erfahren würde...

Es raschelte neben ihm. Es war Shouta, der sich zusammenrollte. So sah er noch kleiner aus. Und er war herrlich still. Bedauerlich, dass er nicht noch länger schlafen würden. Durch den provisorischen Vorhang hindurch fiel rotes Licht, die Sonne ging auf. Sie würden bald aufbrechen müssen.

Im schlimmsten Fall würde er ihn und Hidan wecken müssen, was zur Folge haben würde, dass sie ihn noch mehr nerven würden.

„Hast du vor mich noch länger zu beobachten?“ Shouta hatte ein Auge geöffnet und er grinste.

„Halt deine Klappe.“

Shouta rappelte sich auf. Seine Haare waren durcheinander, unter seinen Augen zeichneten sich tiefe Ringe ab. „Ich sag, wie's ist.“ Er sah Kakuzu nicht an, sondern kämmte sich die Haare mit den Fingern durch und richtete sich das Haargummi, das sich gelöst hatte. „Oder willst du bestreiten, dass du mich angestarrt hast?“

„Ich habe zu dir gesehen“, sagte Kakuzu. Er merkte zu spät, dass er sich verteidigte. Der Junge würde das garantiert als Aufforderung aufnehmen.

Kakuzu widerstand dem Drang, seine Augen zu verdrehen, sobald Shouta seinen Mund öffnete. „Du gibst es zu.“

Kakuzu schwieg.

„Gefalle ich dir?“ Für einen Moment sahen sie sich in die Augen. Shoutas funkelten grün und mit einer Gewissheit, die ihn rasend machte.

„Du bist zu mickrig.“ Er hoffte, dass das die beste Antwort war, um Shouta zum Schweigen zu bringen.

War es natürlich nicht. „Du verletzt mich“, sagte Shouta und klang nicht danach. Dieser verdammter Dieb!

Kakuzu sah ihn einfach nur an. Shouta erwiderte den Blick. Kakuzu war es gewohnt, dass Leute seinen Blicken auswichen und die Leute, die es nicht taten waren Nukenins und keine kleinen Diebe. Kakuzu wusste nicht, ob er das mutig oder ausgesprochen dumm finden sollte.

„Du willst nicht, dass ich dich wirklich verletzte“, grollte Kakuzu.

Shouta lächelte müde. „Eine Drohung, die du nicht erfüllen kannst, ist keine sonderlich gute.“

„Keine Sorge, du würdest noch laufen können. Nur nicht mehr sprechen.“

„Wie spannend.“ Shouta wandte sich ab und schälte sich aus seinem Schlafsack, den er zusammenrollte. „Was du für Vorstellungen hast.“

„Hoffentlich die richtigen, damit du endlich still bist.“

Er wusste, dass Shouta im Begriff war, etwas zu erwidern, aber sie wurden von Hidan unterbrochen. „Was redet ihr da für einen Mist?“

Kakuzu seufzte schwer. „Nichts. Macht euch fertig, beide. Wir müssen weiter.“

Er erwartete Widerstand, doch es kam keiner. Hidan war vermutlich zu müde, um zu protestieren und der Dieb wusste, was gut für ihn war.
 

Im Tal wuchsen Nadelbäume, die sich je tiefer sie kamen, zu einem Wald verdichteten. Hier war es still. Schnee und Bäumen schluckten jegliche Geräusche, sogar ihre Schritte waren kaum zu hören.

Dennoch hatte der Dieb recht gehabt. Hier war es es angenehmer. Der Schneefall hatte wieder eingesetzt, doch die Bäume schützen davor und vor dem Wind.

Shouta blieb heute näher bei ihnen, was zur Folge hatte, dass Kakuzu nun wusste, dass es ein Fichtenwald war und dass man diesem Reich Fichtensprösslinge zu einem Getränk verarbeitete, weil es vitaminreich war. Er hatte das nie erfahren wollen und nun wusste er es. Und das, weil Shouta nicht in der Lage war, länger als zehn Minuten den Mund zu halten.

„Sie machen auch Öl aus den Nadeln, aber es ist teuer, weil es schwer herzustellen ist“, erzählte er nun. „Man braucht etwa eine halbe Tonne für-“

„Sei still“, knurrte Kakuzu, „und falls du das nicht kannst, erzähl' wenigstens etwas Interessantes.“

Shouta lachte. Er lief rückwärts und Kakuzu hatte die vergebliche Hoffnung, dass er über eine Wurzel stolperte und fiel. „Was willst du denn hören?“

„Nützliche Informationen“, antwortete Kakuzu, weil er wusste, dass Shouta nie schweigen würde, „über die Regierung, das Militär.“ Nicht über Bäume und Öl, das aus deren Nadeln hergestellt wird.

„Wir haben einen König und seinen Rat“, sagte Shouta, der sich auf einem Fuß herumdrehte, um geradeaus zu gehen. „Das wurde vor hundertfünfzig Jahren beschlossen. Für dieses Land ist das keine lange Zeit.“

Für die Ninjareiche war es das, dachte Kakuzu. Vor hundertfünfzig Jahren hatte es keinen großen Dörfer gegeben. Viele Ninjas waren Nomaden gewesen und er selbst nicht einmal geboren. Kakuzu wechselte einen Blick mit Hidan, der überrascht die Stirn runzelte.

„Orora no Kuni ist alt“, sagte Shouta als hätte er ihre Gedanken erraten, „und man ließ die Geschichte niederschreiben.“

„Aha.“ Kakuzu brauchte mehr Informationen als eine oberflächliche Geschichtsstunde, wenn er denn reden wollte.

„Früher gab es Jarls, jetzt verwalten sie nur noch ihre Grafschaften vergleichbar mit euren Feudalherren.“ Shouta warf einen Blick nach hinten. „Sie dienen oft als Spione für den König. Keine guten, will ich meinen, aber Spione bleiben Spione.“

Eine Zeit lang war es still. Kakuzu vermutete, dass Shouta vergeblich auf eine Reaktion wartete.

„Es gibt eine Armee, Soldaten. Und die besten von ihnen schlägt man zum Ritter.“

„Ritter?“, fragte Hidan nach. Kakuzu runzelte unter der Maske seine Stirn.

„Hm“, machte Shouta, „wie eure Jonins, vielleicht ein wenig besser. Und sie haben Vorzüge durch ihren Rang. Land, Geld, man drückt mal ein Auge bei ihnen zu, sie werden auf wichtige Feiern eingeladen und-“

„Informationen, Junge. Kein Klatsch“, unterbrach Kakuzu ihn.

„Das waren Informationen“, sagte Shouta trotzig.

Kakuzu zwang sich dazu, nicht die Augen zu verdrehen.

„Du kannst mir auch genauere Fragen stellen, wenn du eine bestimmte Antwort willst“, sagte Shouta bevor Kakuzu irgendetwas sagen konnte. Er gab Kakuzu keine Möglichkeit etwas zu fragen, sondern redete weiter: „Es gibt natürlich noch andere Ränge, die für Befehlshierarchien wichtig sind, die sagen nichts über ihre Kampfleistung aus.“

„Beherrschen sie Ninja-Techniken?“, fragte Kakuzu in der Zeit, in der Shouta endlich Luft holte.

„Nicht alle“, antwortete Shouta, „es ist ein Privileg zu lernen, wie man Jutsus anwendet oder sein Chakra über ein paar Grundsätze hinaus kontrolliert. Es gibt private Akademien und Lehrer, meistens unterrichten Ritter Kinder von anderen Rittern oder ihren Freunden. Ansonsten lernt man eine Waffe zu benutzen und Befehle zu befolgen.“

„Du hast in Kiri gelernt dein Chakra zu kontrollieren?“

Shouta konnte auf dem Schnee gehen, sogar besser als Kakuzu und Hidan. Irgendwo musste er es gelernt haben. Hidan schaute überrascht zu Kakuzu, doch Kakuzu wies ihn mit einem Kopfschütteln zum Schweigen an. Er wollte eine Antwort von dem Dieb.

„Ich kann dir doch nicht alles über mich erzählen.“ Shouta warf einen Blick zurück und grinste dabei.

Kakuzu wusste, dass es keinen Sinn hatte, zu diskutieren. Shouta war zu weit weg für einen schnellen Schlag in sein Gesicht und er wollte sich nicht die Mühe machen, ihn hinterherzujagen. Sollte er ihn nicht sofort erwischen, würde Shouta im Wald verschwinden und es würde mehr Stress machen. Er würde sich das merken und ihn bei Zeiten dazu befragen.

Dennoch schien Shouta zu merken, dass er sich zu viel heraus nahm. Er schwieg.

„Wie stark sind diese Ritter?“, fragte Hidan in die Stille heran, Spannung und eine seltsame Vorfreude in der Stimme.

„Für die Menschen hier“, sagte Shouta, „ja. Stark genug um Angst zu machen. Für euch wird es anders aussehen, glaube ich.“

„Glaubst du?“

Shouta zuckte mit den Schultern. „Ich habe euch nie kämpfen gesehen, ich weiß nur, dass in euren Reichen ihr Angst verbreitet.“

„Also werde ich es herausfinden müssen. Ich könnte eine Herausforderung gebrauchen.“

Kakuzu war froh, dass beide ein Thema zum Unterhalten gefunden hatten. Es war einfacher die anderen Männer zu ignorieren, wenn sie sich untereinander beschäftigten. Dass er seine Ruhe bekommen würde, hatte Kakuzu sowieso aufgegeben.

„Spätestens, wenn ich den Stein stehle, wirst du sie bekommen“, hörte er Shouta erzählen. „Er soll von den stärksten Kriegern des Reiches bewacht werden.“

„Erst dann?“

„Ich will vermeiden, dass man auf uns aufmerksam wird. Das würde alles verzögern.“ Kakuzu konnte nicht glauben, dass Shouta etwas Sinnvolles gesagt hatte. Sie konnten kämpfen, das war nicht das Problem. Würden sie verfolgt werden, wären sie länger unterwegs. Und auch sie konnten nicht eine blutige Schneise durch ein gesamtes Reich schlagen.

„Ich muss vorher kämpfen“, brauste Hidan auf.

Shouta warf einen verwirrten Blick zurück. „Wir treffen sicher Soldaten.“

„Das hoffe ich“, sagte Hidan.

Kakuzu wandte sich vom Gespräch ab und dem Wald zu. Was interessierte ihn dieses nervige Geplapper?
 

Sie kamen an diesem Tag und die beiden folgenden Tage schnell voran und konnten in den Nächte sogar in Hütten schlafen. An diesem Tag konnten sie von einer Erhöhung aus ein kleines Dorf sehen, falls man es als Dorf bezeichnen konnte. Es waren ein paar Häuser, samt Ställen und einer nicht befestigten Straße, die sich durch sie hindurch wand.

„Da gibt es kein Gasthaus, oder?“, fragte Hidan skeptisch nach, die Arme vor der Brust verschränkt.

„Nein“, antwortete Shouta und machte sich an den Abstieg, „Menschen, die Schulden bei mir haben. Das ist noch besser.“ Er warf ein Grinsen über seine Schulter.

Kakuzu folgte ihm. Er hasste es, aber mittlerweile war er daran gewöhnt, dass Shouta davon ausging, dass sie ihm folgten und sich nicht die Mühe machte, zu warten.

„Die Dörfer in den Bergen haben keine Namen“, erzählte Shouta, ohne dass man ihn fragte, „ich nenne es das Dorf am See, weil hinter den Felsen dort ein See liegt. So nahe liegt sonst kein Bergdorf an einem See.“

Er bekam keine Antwort.

„Es gibt nur wenige Dörfer in den Bergen, ist auch ziemlich kacke hier. Manche wollen das so. In diesem Gebirge sind es vier, soweit ich weiß. Wir gehen aber nur noch in eines von ihnen. Das am Wald, weil-“

„Weil es an einem Wald liegt“, unterbrach Kakuzu Shouta unwirsch.

„Nein“, sagte Shouta, „weil es auf dem Weg liegt, aber ich gebe dir Pluspunkte dafür, dass du das Prinzip verstanden hast.“ Er lief wieder rückwärts und wie im Wald tat er ihm nicht Gefallen, zu stolpern und zu stürzen. Wie schade.

„Pass auf, was du sagst.“

„Sonst?“

„Das habe ich dir bereits erklärt.“

Es war Hidan, der sie unterbrach: „Was soll das werden?“ Er lachte.

Shouta leckte sich über die Lippen und drehte sich um, ohne etwas zu erwidern.

„Du hast auch still zu sein“, knurrte Kakuzu Hidan an.
 

Sie erreichten das Dorf und wurden von misstrauischen Bauern begrüßt. Man hatte sie vom Weiten gesehen und kaum war der erste von ihnen draußen, folgten weitere. Ausschließlich Männer, die Mistgabeln und Hacken in den Händen hielten als könnten sie ihnen damit gefährlich werden.

„Ich wurde schon freundlicher von euch begrüßt“, sagte Shouta sobald sie in Hörweite haben.

Einer der Männer trat hervor. „Tori.“ Er klang genau so begeistert vom Dieb wie es Kakuzu war.

„Fuwa.“ Shouta schob die Hacke, die der Mann ihm entgegen hielt, lässig zur Seite. „Wir brauchen eine Unterkunft, eine Nacht, vielleicht zwei. Je nach Wetter.“

Fuwa ließ die Hacke nach oben schnellen, direkt unter Shoutas Kinn. Kakuzu beschloss nicht einzugreifen, er wollte sehen, wie Shouta das regelte. Der Dieb schlug die Hacke dieses Mal weg. „Du vergisst, dass du Schulden bei uns hast. Die Gilde vergisst nicht.“

Die Hacke landete vor Shoutas Füßen. „Schattenkriecher“, knurrte Fuwa, „das ist das letzte Mal, dass ich einen von euch hier übernachten lasse. Und wer sind die überhaupt?“ Er machte eine unwirsche Kopfbewegung Richtung Kakuzu und Hidan.

„Freunde“, antwortete Shouta. Er ging an den Männern vorbei, „ich nehme an das Knechtzimmer ist immer noch frei.“

Kakuzu und Hidan folgte ihm. Keiner der Männer hob eine ihrer Waffen oder sah sie auch nur an, während Shouta in eines der mickrigen Häuser trat.

Es roch nach Tier und Dreck, aber es war warm. Vom großen Innenraum, in dem sich die Küche und ein Tisch samt Stühle befand, führten drei Türen weg. Shouta führte sie durch die linke. Dieser Raum war kälter und deutlich kleiner. Links und rechts stand je ein Hochbett und eine Trennwand aus Holz verdeckte den Blick auf den restlichen Raum. Bettwäsche lag auf keinem der Betten.

Shouta schmiss seinen Rucksack auf das obere, rechte. „Die Einwohner hier haben seit Langem keine Knechte oder Mägde mehr, das können sie sich nicht leisten. Hier wächst ja auch nichts.“

„Können sie nicht Fichtennadeln zu Öl verarbeiten?“, fragte Hidan belustigt nach. Er ließ sich auf das linke Bett sinken.

„Haben sie früher gemacht, aber kauft keiner mehr. Ist zu teuer, lohnt sich nicht.“ Anstatt sich auch auf das Bett zu werfen, lief Shouta um die Trennwand herum und kam mit Holzscheiten in den Armen wieder. Er stopfte sie in den kleinen Ofen.

„Aha“, sagte Hidan. „Die mögen dich nicht sonderlich.“

Shouta schob Anzünder zwischen die Scheite und entzündete ein Feuer. „Kann man sagen und euch mögen sie auch nicht, sie mögen generell keine Fremden. Wahrscheinlich werden sie auch versuchen zu lauschen.“

„Wäre mir nie aufgefallen“, sagte Hidan trocken. Er legte sich auf den Rücken, die Arme unterm Kopf verschränkt.

Shouta verließ den Raum. Weder Hidan, noch Kakuzu, der sich auf dem übrig gebliebenen unterem Bett nieder ließ, schauten ihm nach. Kakuzu war müde. Die Matratze war nicht mehr als ein Brett über dem eine Decke lag, doch sie kam ihm dennoch sehr bequem vor. Vielleicht würde er schlafen. Die nächsten Tage der Reise würden nicht weniger anstrengend werden, Vorschlafen war keine schlechte Idee, fand Kakuzu. Außerdem würde er endlich mal seine Ruhe haben.

Dieses Mal kam Shouta mit einem Kessel voller Wasser wieder, den er auf den Ofen hievte. „Zum Waschen“, erklärte er. „Nachher werden wir unsere Vorräte auffüllen können, Fuwa wird nichts sagen, wenn ihr-“, Shouta stoppte abrupt, „habt ihr das gehört?“
 

Kakuzu hatte es gehört.

Narben

Rufe drangen von außen in das Zimmer. Die Tür wurde aufgerissen und Fuwa stürmte hinein. Sie starrten ihn an.

„Was gibt es?“, fragte Shouta.

„Soldaten sind auf dem Weg. Sie sind in dreißig Minuten hier.“

Shouta seufzte. „Könnt ihr sie nicht wegschicken?“

Fuwa kaufte auf seiner Unterlippe. „Ihr seid Kämpfer, oder?“ Er wandte sich an Hidan und Kakuzu. Shouta ignorierte er.

„Ja“, sagte Hidan und Kakuzu kannte seinen Gesichtsausdruck. Er war kampfbereit, alleine bei der Vorstellung.

„Wenn sie hier her kommen, werden sie Ärger machen. Und sie werden merken, dass Fremdländer hier sind. Es wird Gerüchte geben und-“

Fuwa wurde von Hidan unterbrochen. „Ich kann sie töten, es wird Zeit.“

Kakuzu sah, wie Shouta seine Augenbrauen hob. Er lehnte sich gegen die Wand neben dem Ofen. „Dann habt ihr das geklärt. Du kannst wieder gehen.“

Der Junge war klein und mickrig und Kakuzu fand nicht, dass er wirklich bedrohlich wirken konnte, doch zeigte sich etwas vages Raubtierhaftes in ihm. Seine Stimme war kühler geworden und das Grinsen erreichte seine Augen nicht, was es wie ein Zähnefletschen wirken ließ. In dem Moment konnte man ihm zutrauen, dass er zu mehr fähig war als eine große Klappe zu haben.

Fuwa warf Shouta einen abschätzigen Blick zu und sprach weiter mit Hidan: „Töten ist gut. Sie machen zu lange Ärger.“

Damit hatte sich die Sache für Kakuzu erledigt. Hidan musste opfern und es war Kakuzu recht, dass das geschah, bevor das Gejammer begann. Hidan war unerträglich, wenn er nicht zum Opfern kam. Jashin war kein gnädiger Gott und selbst sein treuster Diener – konnte man Hidan glauben – konnte nicht mit einer besseren Behandlung rechnen. Eine grausame Religion mit einem noch grausameren Gott.

„Ich kümmere ich darum. Es muss keiner mitkommen.“ Hidan packte seine Sense. „Ich will nicht, dass jemand mitkommt“, verbesserte er sich. Er drängte Fuwa zur Seite als er den Raum verließ.

„Es sind viele“, warf Fuwa ein. „Ist es nicht besser, zu zweit zu gehen?“

„Nein“, sagte Kakuzu.

„Auf keinen Fall“, sagte Hidan, „sie können mich nicht töten.“

Fuwa schaute zwischen den beiden hin und her, dann zu Shouta. „Fremdländer.“ Es war ein abwertendes Flüstern, das nur zu verstehen war, wenn man sich konzentrierte. Kakuzu zog die Augenbrauen zusammen, was Fuwa nicht mehr sah, da er sich umdrehte und Hidan folgte.

„Du magst ihn so sehr wie ich, was?“, fragte Shouta. Die Kälte war nicht vollständig verschwunden, aber sein Tonfall wurde lockerer und nahm die sarkastischen Züge annahm, die Kakuzu bereits kannte.

„Ja.“

Kakuzu beobachtete, wie sich Shouta von der Wand abstieß und das Wasser im Kessel prüfte, in dem er hinein fasste. Er verzog genervt das Gesicht. „Braucht noch.“

„Hm“, machte Kakuzu. Er verstand, dass Shouta warten wollte, bis das Wasser warm war. Nach der Kälte war ihm mehr nach heißem Wasser und dafür nahm er Warten in Kauf.

Zu seiner Überraschung schwieg Shouta für eine Weile, die Kakuzu genoss. Shouta stocherte im Feuer und wärmte sich die Hände. Kakuzu starrte gerade aus, dachte an Nichts.

Dadurch brauchte es, bis er auf Shouta reagierte. „Ich denke nicht, dass es klug ist, die Soldaten zu töten.“

„Hm“, machte Kakuzu erneut.

„Als ob sie nicht welche nachschicken würden, wenn keiner zurück kommt“, sagte Shouta. Er schnaubte und setzte sich vor den Ofen. Er zog die Beine an seinen Körper, faltete die Arme über den Knien und legte seinen Kopf auf ihnen ab. Er sah Kakuzu an.

„Du hast nichts gesagt“, stellte Kakuzu fest.

„Er hört nicht auf mich und es kann mir egal sein. Bis die sich hier hin gequält haben, sind wir weg. Vielleicht habe ich bis dahin schon den Stein.“

„Ich hätte auch nichts gesagt.“

Shouta grinste. „So viel haben wir also gemeinsam.“

„Übertreib‘ nicht, Junge.“

Es gab keine Antwort von Shouta, nur ein kurzes Verziehen seines Mundes. Kakuzus Gedanken schweiften ab. Er verstand nicht, was Fuwa mit dieser Aktion bezweckte. Vielleicht war es ein Racheakt, den man als Außenstehender nicht nachvollziehen konnte. Im Grunde war es nicht interessant. Falls Shouta recht behielt würde das erst Schwierigkeiten machen, wenn sie mit der Mission durch oder zumindest beinahe durch waren. Davon abgesehen ging Kakuzu nicht davon aus, dass ein paar Soldaten ihm Schwierigkeiten machen konnten.
 

„Na endlich.“ Shouta stand wieder, jetzt schien das Wasser die gewünschte Temperatur erreicht zu haben. Er zog sich das Oberteil über den Kopf und Kakuzu wurde überrascht. Das war das erste Mal, dass er ihn ohne Kleidung sah. Shouta war kleiner und schmaler gebaut als Kakuzu, aber als er seine Muskeln anspannte, traten sie unter der Haut hervor.

Und auf ihr zeichneten sich Narben ab. Schlecht verheilte, grobe Narben als wäre sich um die Wunden, denen sie zu Grunde lagen, nie gekümmert worden. Besonders Shoutas Rücken, dem er ihn zu drehte, war vernarbt. Sie verliefen in kurzen, queren Streifen.

Shouta schöpfte Wasser vom Kessel in eine Schüssel und drehte sich zu Kakuzu um.

„Du starrst wieder“, sagte Shouta.

„Du hast Narben”, erwiderte Kakuzu.

Shouta zuckte die Schultern. „Du auch.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, lief er um die Trennwand herum.

Kakuzu sah ihm nicht nach.

„Ich denke, die haben alle, die wie ich leben. Oder wie du.“ Shouta kam zurück, um in seinem Rucksack zu kramen. Er musste sich dazu auf die Zehenspitzen stellen, sodass Kakuzu direkt auf Shoutas flachen Bauch sah. Es raschelte und es dauerte, bis Shouta ein Bündel hervorgezog.

„Woher weißt du, wie ich lebe?“, fragte Kakuzu.

Shouta sank auf seine Fußsohlen. „Bist du immer paranoid?“, stellte er grinsend die Gegenfrage. Shouta wartete keine Antwort ab, sondern verschwand hinter der Trennwand. Kakuzu folgte ihm.

Er beobachtete, wie Shouta das Bündel auf ein Tischchen legte. Die Schüssel stellte er auf ein weiteres, unter einem angelaufenen Spiegel.

„Du bist Ninja, du bist gesuchter Verbrecher. Unsere Voraussetzungen sind nicht grundverschieden“, sagte Shouta. Er wusch sich das Gesicht und blickte über den Spiegel Kakuzu an.

„Du bist kein Ninja“, sagte er.

„Nein“, antwortete Shouta, „ich kämpfe und wer kämpft hat Narben.“ Er griff nach dem Rasierpinsel, schäumte sich das Gesicht ein. „Willst du mir wirklich sagen, dass es dir darum geht?“

Er sah ihn nicht an, sondern holte das Rasiermesser hervor und strich es über den Streichriemen. Es glänzte.

Kakuzu wusste nicht, was er darauf antworten sollte, also schwieg er, während sich Shouta rasierte. Gerade wollte er sich abwenden, doch Shouta sprach wieder.

„Deine Narben sind anders als meine. Zumindest die mit den Fäden.“

„Ja“, sagte Kakuzu.

„Ein Kin-Jutsu?“

„Das geht dich nichts an.“

Shouta lachte. „Das werte ich als ja.“ Er begann sich zu rasieren. „Du musst mir nichts erzählen, falls du nicht willst. Es ist nur, dass ich nicht glaube, dass es ein Kekkei Genkai ist oder ein Jutsu, das man an der Ninja-Akademie lernt.“

Kakuzu verschränkte die Arme vor der Brust. Shouta hatte recht damit und es war nicht zu leugnen, dass es keine normalen Narben waren. Es schmeckte ihm nicht, dass der Dieb recht hatte und es offen aussprach. Er hatte nicht das Gefühl, dass es ihm mehr Respekt einbrachte. Es brachte ihn noch weniger Respekt ein.

Shouta rasierte sich schnell und ohne sich zu verletzten, was Kakuzu bedauerte.

„Wie lange bist du in schon in Orora?“, fragte Kakuzu. Heute schien Shouta mehr über sich preisgeben zu wollen.

„Vierzehn Jahre“, bekam er die Antwort. Das Rasiermesser an seinem Hals. „Ich nehme an, du willst immer noch wissen, wie ich gelernt habe Chakra zu kontrollieren?“

„Ja.“

Shouta wusch sich das Gesicht und betrachtete es ihm Spiegel, um seine Arbeit zu kontrollieren. Die restlichen Stoppeln rasierte er ohne Seife fort. „Nicht nur Ritter bilden Kinder aus“, antwortete er, „und nicht jeder will für den König arbeiten.“

Kakuzu schluckte seine Ungeduld herunter.

„Du kannst raten, zu welcher Sorte Mensch ich gehöre?“

Kakuzu schnaubte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass du für irgendeinen Menschen gerne arbeitest.“

„Da liegst du nicht falsch.“ Shouta säuberte das Messer, hielt aber inne, um sich zu Kakuzu herumzudrehen. Die Arme vor der Brust verschränkt. Die Muskeln ein wenig mehr angespannt, als es nötig war. Kakuzu fiel das auf. „Du hast mich gut kennen gelernt.“

Shouta lächelte und Kakuzu verdrehte die Augen.

„Es ist nicht schwer, dich zu lesen.“

Jetzt lachte Shouta. „Ist das so?“

„Ja“, sagte Kakuzu, obwohl es nicht stimmte.

„Dann werde ich dir das glauben.“ Shouta legte das Rasiermesser bei Seite. „Ich will mich waschen, willst du mir dabei zuschauen oder dich brav umdrehen?“

„Du bist zu mickrig“, wiederholte Kakuzu und verließ ihn. Er legte sich auf das Bett.

Shouta lachte.

Kakuzu schloss die Augen, während er Wasser plätschern hörte. Was hatte er sich da nur eingebrockt? Der Dieb würde ihn in den Wahnsinn treiben und würden sie ihn nicht dringend brauchen, wäre er tot. Er hatte Glück, nützlich zu sein, aber das würde ihn nicht vor allem beschützen. Er sollte ihm eine Lektion erteilen, irgendwann, wann wer die Nerven dafür hatte.
 

Er musste eingeschlafen sein, denn das nächste, was Kakuzu mitbekam war das Klappern einer Tür. Kurz darauf stand Shouta vor ihm. Die Haare feucht und zurückgebunden. Das Oberteil hatte er sich nicht wieder angezogen.

„Ist dir nicht kalt?“, fragte Kakuzu, bevor Shouta etwas sagen konnte.

„Seit wann machst du dir Sorgen um mich?“

Kakuzu runzelte die Stirn. „Sorgen?“

„Offenbar sorgst du dich darum, dass mir kalt sein könnte.“

„Krank wärst du nerviger.“ Shouta grinste. Er zog sich am oberen Bett hoch. Es knarzte, dann gab es ein dumpfes Geräusch das verkündete, dass er nun lag. „Hidan war wild auf den Kampf.“

„Dir entgeht nichts.“

Shouta lachte, was das Bett erneut zum Knarzen brachte. Kakuzu würde es nicht tragen. Es wackelte unter dem Dieb genug. „Du weißt, wie man ein Gespräch am Laufen hält.“

In der Hoffnung, dass Shouta es gut sein lassen würde, antwortete Kakuzu nicht.

Natürlich wurde die Hoffnung zerschlagen. „Was meinte er damit, dass es Zeit wird?“

„Frag‘ ihn selbst.“

„Er ist nicht da.“

„Dann warte.“

„Warten ist langweilig.“

„Das ist dein Pech.“

„Autsch“, sagte Shouta trocken, „du bist so herzlos.“

Kakuzu stockte, bevor er ein kurzes Lachen ausstieß.

„Ich wusste nicht, dass du lachen kannst.“

„Solange kennst du mich nicht.“

„Ich dachte, wir kennen uns genug, um uns gegenseitig einschätzen zu können.“

Man konnte Shouta wirklich nichts erzählen, ohne, dass er sich das merkte und wieder hervor kramte. Kakuzu atmete tief durch, weil er keine Lust hatte, eine Diskussion zu beginnen.

Es wurde still. Kakuzu war erneut dabei einzuschlafen. Das Bett war nicht bequem, aber verglichen mit dem harten Boden der letzten Nächte war es eine Wohltat. Durch das Kaminfeuer war es wärmer und trockener.

„Hast du Hunger?“, fragte Shouta, „Fuwa wird weg sein, dann kann er nicht nerven, während ich Essen besorge.“

„Du meinst von ihm stehlen.“

„Tu nicht so als hättest du moralische Bedenken.“

„Ich will schlafen“, sagte Kakuzu, „aber bring was mit, wenn du so Angst vor Fuwa hast.“

Er konnte es nicht sehen, aber er war sich sicher, dass Shouta die Augen verdrehte. „Da will man einmal lieb zu dir sein“, murrte er, sprang aber vom Bett – jetzt mit Oberteil – und landete lautlos auf dem Boden.

Noch bevor der Dieb zurück kam, war Kakuzu eingeschlafen.

Zwei Wahrheiten und eine Lüge

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 7

Als er die Augen aufschlug, war da Dunkelheit und Kälte. Ein Drücken auf seiner Brust, so unerbittlich, dass es schmerzte. Träume von längst vergangenen Zeiten, Schmerz und Einsamkeit. Er brauchte Zeit, bis er das grüne Licht, das durch die Vorhänge drang, wahrnehmen konnte. Das waren Nordlichter. Und Nordlichter hießen, dass er weg war. Weit, weit weg von Taki.

Sein Herz pochte, das, das dortsaß, wo Herzen normalerweisesaßen und sein Kopf dröhnte. Er überlegte, aufzustehen. Er war sich nicht sicher, ob Shouta dadurch aufwachen würde und er wollte ihm keine Fragen beantworten. Er drehte sich um, zu Shouta, der nun mit dem Gesicht zu ihm lag,am Rande des Bettes.Ein paar Zentimeter zur Seit eund er würde hinausfallen, das konnte Kakuzu trotz der Dunkelheit erkennen. Er runzelte die Stirn. Noch vor wenigen Stunden hatte er sich an ihn geklammert als hinge sein Leben davon ab und wollte unbedingt in diesem Bett schlafen. Jetzt konnte er nicht weiter weg von Kakuzu rutschten.

Errichtete sich auf, Shouta bewegte sich nicht. Langsam gewöhnte sich Kakuzu an die Dunkelheit, die Nordlichter spendeten genügend Licht, um Shoutas Gesicht erkennen zu können. Er wirkte entspannter als das letzte Mal als er ihm beim Schlafen beobachtet hatte.

Kakuzu rutschte aus dem Bett, suchte sich seine Kleidung zusammen und zog sie sich über. Rascheln, Shouta schnappte nach Luft und sofort wirbelte Kakuzu herum. Shouta lag halb aufgerichtet im Bett und seine Augen … glühten? Sie sahen aus wie Nordlichter. Oder wie die Augen eines Tieres in der Nacht, wenn sie Licht reflektierten. Weder das Weiß, noch die Pupillen waren zu erkennen. Die Augen glimmten nur in diesem hellen Grün. Seltsam ausdruckslos.

Ein Kekkei Genkai, vermutlich. Kakuzu hatte keine Nerven, sich damit zu beschäftigen. Er würde Shouta wann anders darauf ansprechen, wenn er den Kopf dafür hatte.
 

Er verschwand aus dem Zimmer. In der Küche war es dunkler, die Fensterläden waren geschlossen und er brauchte ein wenig, bis er den Ofen gefunden und ein Feuer entfacht hatte. Er blieb neben ihm stehen, starrte in den Raum hinein. Sein Puls hatte sich beruhigt,die Kopfschmerzen waren noch da.

Es lag nicht am Alkohol, Kakuzu war zwar durchaus angetrunken gewesen,abernicht genug, um einen heftigen Kater zu bekommen. Der Alkohol war für die Träume verantwortlich. Er träumte oft schlecht, wenn er trank.

Kakuzu seufzte tief. Er sollte nicht mehr trinken, gar nicht mehr. Er traf dumme Entscheidungen. Shouta zu ficken war vielleicht eine davon und er war sich nicht mehr sicher, ob sie es wirklich wiederholen sollten. Shouta war attraktiv und ziemlich willig und Kakuzu konnte endlich Sex haben, aber er hatte gemerkt, wies ein Hirn sich ausgeschaltet hatte. Er hatte an nichts anderes als Shouta und dessen Körper denken können, hatte alle Deckung fallen lassen.

Wann sollten sie das überhaupt wiederholen? Sie würden weiterreisen und Kakuzu würde garantiert nicht vor Hidan vögeln.Vielleicht würde das etwas ändern .Shouta hatte die Gewissheit, dass Kakuzu ihnficken wollte und wie er Shouta kennengelernt hatte, würde er sich etwas darauf einbilden.

Anderseits, was sollte es? Sie würden die Mission zu Ende bringen, ein paar Mal miteinander schlafen und sich danach nie wiedersehen. Ja, verdammt. Shouta war mit seinem symmetrischen Gesicht, den harten Wangenknochen und dem schlanken Körper gutaussehend. Beim Sex war er auszuhalten. Keine Widerworte, kein nerviges Plappern. Und alleine die Vorstellung, Shouta noch einmal in die Matratze zu drücken, sein Stöhnen zu hören, seine heiße Haut auf seiner und…

„Scheiße“, sagte Kakuzu in die Stille.

Ein Krug Wasser stand neben der Spüle. Er goss sichesin einen Becher, trank ihn in einem Zug leer und goss nach. Überlegte und kam nicht zu einem Schluss. Er würde einfach schauen müssen, wie sich die Sache mit Shouta entwickelte und damit war es gut.

Sein Mantel war noch im Knechtzimmer und nur im Pullover was zu kalt, um raus zu gehen. Hidan konnte er nicht wecken. Er würde hierbleiben müssen. Noch ein Fehler, den er begangen hatte. Seine Sachen verstreut an einem fremden Ort zu lassen war dumm.

„Scheiße“, sagte er noch einmal.

Er stand lange einfach da, allein mit seinen Gedanken, die zu den Träumen abdrifteten. Darüber nachzudenken war schlimmer. Sehr viel schlimmer. Es war über fünfzig Jahre her, dass er den Ältesten Takis die Herzen herausgerissen hatte. In manchen Nächten war erin Taki. In seinem Gefängnis, in dem man ihn die Arme tätowiert hatte. Als Brandmarkung, damit man ihn überal lVerräter erkennen würde. Und dass er selbst den Verrat nie vergessen würde.

Manchmal kamen die Erinnerung und er konnte sie nicht aufhalten. Es war selten geworden. Er vergaß sogar oft, dass er sie hatte – aber sie kamen immer zurück.
 

Irgendwann in der Nacht hatte er sich zurück ins Zimmer begeben, um zu schlafen. Wenigstens für eine oder zwei Stunden liegen und hoffen, dass Shouta nicht aufwachte. Dieser tat ihm den Gefallenbis Sonnenaufgang.

Kakuzu lag mit dem Gesicht zu ihm und döste, eingeschlafen war er nicht mehr.Shouta rollte sich zusammen und gab einen unwilligen Laut von sich, zog die Decke eng um sich.Er blieb für einige Minuten liegen, bis er die Augen blinzelnd öffnete. Er sah Kakuzu an, ohne sein Gesicht zu regen. Kakuzu sah zurück.

„Du starrst“, sagte Kakuzu.

Shouta grinste. „Entschuldige.“ Er gähnte und richtete sich auf. Sein Haar stand ab und er versuchte es mit den Fingern zu bändigen, was ihm mittelmäßig gelang. Wie Kakuzu vermutet hatte, war die Seite von Shoutas Hals mit blauen Flecken übersät. Kakuzu mochte den Anblick.

Scheiße, dachte er.

Shouta warf die Decke bei Seite, sogar an seiner Hüfte fand sich ein blauer Fleckund lief um das Bett herum, um seine Kleidung aufzusammeln. Er lief ein wenig unsicher.

Erkramte noch nackt in seiner Hose und holte ein Haargummi heraus. Er stopfte seine Haare zu einem unordentlichen Dutt zusammen und zog sich erst dann an.Den Rücken zu Kakuzu gewandt.Er machte das mit Absicht. Hundertprozentig.

Shouta streckte sich und verzog das Gesicht. „Du meintest, dass ich gehen kann. So ganz stimmt das ja nicht, ne?“

Er wirkte nicht wütend oder beleidigt, sondern zufrieden.

„Ich habe das getan, was du wolltest“, antwortete Kakuzu trotzdem. Wehe, der Dieb würde jammern. Er hatte ihm die Zeit geben wollte, er hatte es nicht gewollt.

„Ich habe mich nicht beschwert“, stellte Shouta klar. „Im Gegenteil, ich finde, wir sollten das wiederholen.“

„Hm“, machte Kakuzu.

Shouta lachte auf die Weise, die Kakuzu befürchtet hatte. Er bildete sich etwas darauf ein. „Ich bin frühstücken.“Damit war er verschwunden.

Kakuzu blieb noch liegen.
 

Später fand er Shouta am Küchentisch vor. Hidan war nirgendwo zu sehen, vielleicht schlief er noch oder er mied sie nach der Nacht. Er hatte sie garantiert gehört und Kakuzu war sich nicht sicher, wie Hidan darauf reagierte.

„Ich weiß nicht, ob wir heute lossollten“, schwafelte Shouta ohne Umschweife. Zumindest daran hatte sich wirklich nichts geändert. Das war fast schade.

Kakuzu sagte nichts. Er setzte sich ihm schweigend gegenüber. Auf dem Tisch standen Brot, Wurst und Käse von gestern, Shouta hatte sich bereits an ihnen gütig getan.

„Mir gefallen die Wolken nicht sonderlich, das könnte einen Schneesturm geben und dann sind wir ziemlich gefickt“, sprach Shouta weiter, „na ja, vor allem ihr. Ich komme im Schneesturm gut zurecht, kenne mich aus und-“

„Sei still“, knurrte Kakuzu.

Shouta grinste und Kakuzu wusste, was er sagen wollte.

„Wag es nicht“, fügte erhinzu.

„Du weißt Bescheid.“

„Ja.“

Shouta schwang sich vom Stuhl, um ausdem Fenster zu schauen. Vermutlich war er beleidigt, Kakuzu sollte das Recht sein.

Es war herrlich lange still,bis Shouta sprach:„Wir können natürlich heute los, aber es wird unangenehm. Und wer weiß, wann wir wieder eine Nacht für uns haben?“

Kakuzu schnaubte. Er trat neben Shouta ans Fenster. Am Himmel zogen dicke, dunkle Wolken auf. Es sah nicht nach gutem Wetter aus und nach dem sie mehrfach durch Schneefall und Kälte gelaufen waren, konnte er auf den Schneefall verzichten. Sie würden sowieso kaum vorankommen, wenn sich das zu einem Schneesturm entwickeln würde.

Shouta sah zu ihm hoch. Bevor er was sagen konnte, flog die Tür vom Knechtzimmer auf und Hidan kam herein.

„Ihr wollt doch nicht vögeln?“ Er war angepisst.

„Eigentlich nicht“, sagte Shouta, „es sei denn, Kakuzu hat Lust?“

„Ruhe“, knurrte Kakuzu.

„Seid das nächste Mal leiser“, sagte Hidan. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und begann zu essen. Überrascht war er offensichtlich nicht davon, dass sie miteinander geschlafen hatten.

„Mal sehen.“ Shouta konnte seine gottverdammte Klappe nicht halten.

„Nein, ganz sicher, oder ich sorge dafür.“

Kakuzu wusste, dass Shouta kurz davor war, etwas sehr Dummes zu sagen und er wusste auch, dass Hidan darauf noch viel dümmer reagieren würde. „Schnauze“, fuhr Kakuzu beide an.

Shouta zuckte zusammen und starrte ihn mit einem Blick, den Kakuzu nicht deuten konnte, zu ihm auf. Hidan verdrehte nur die Augen.

„Seid ruhig.“ Kakuzu starrte Hidan an.

„Sag ich doch“, sagte Hidan.

Kakuzus Hand zuckte. „Beide.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und schaute aus dem Fenster. Es schneite. „Wir bleiben diese Nacht hier. Morgen gehen wir weiter.“

Hidan nickte kauend. Für ihn schien das Thema damit erledigt.
 

Drei Stunden später wütete ein Schneesturm. Es war kalt in der Stube, trotz des brennenden Ofens. Hidan saß in einer Ecke und schleifte die Klingen seiner Sense. Das regelmäßige Schleifen erfüllte gemeinsam mit dem Prasseln des Feuers die Stille. Draußen war niemand unterwegs und aus den anderen Hütten drangen keinerlei Geräusche.

Kakuzu und Shouta saßen am Tisch. Shouta hatte mehrere Karten vor sich ausgebreitet. Eine davon war die von Orora, eine andere musste das Gebiet um den Stein sein und die restlichen waren vermutlich Lagepläne, die Shouta selbst gezeichnet hatte. Sie waren deutlich unordentlicher und mit derselben Schrift, in der auch da Buch geschrieben war, beschriftet. Im flackernden Licht fiel Kakuzu auf, dass Shoutas Gesicht doch nicht symmetrisch war, wie er zuerst gedacht hatte. Dadurch, dass er durch die Kälte auf der Reise sein Gesicht mit einem Schal bedeckte und Kakuzu gestern andere Gedanken gehabt hatte, war es ihm nicht aufgefallen. Jetzt war es nicht mehr zu übersehen.Während die Wangenknochen, das Kinn und die Augenbrauen symmetrisch zueinander lagen, neigte sich die Nase nach rechts und hatte einen Buckel. Einst war sie sicher so symmetrisch wie der Rest. Man musste sie ihm mehrmals gebrochen haben.

Shouta sah von den Karten auf. „Was ist?“

„Was ist das für eine Schrift?“, fragte Kakuzu.

Shouta runzelte die Stirn. Wahrscheinlich glaubte er ihm nicht, dass es um die Schrift ging. „Es ist die Sprache meines Clans.“

„Ich habe noch nie von einem Tori-Clan gehört“, sagte Kakuzu. Es musste ein unbekannter Clan sein, trotz Kekkei Genkais.

Shouta zuckte die Schultern. Er hatte einen Ring von seinem Zeigefinger gelockert und drehte ihn mit Daumen um den Finger. „Es ist kein Ninja-Clan, ich bin kein Ninja und wäre es auch in meinem Clan nie geworden.“

„Was für ein Clan war es dann?“

Shouta lächelte. „Nomaden. Die Reiterclans aus dem Westen.“

Kakuzu musste in seinem Gedächtnis kramen. Er hatte vor Ewigkeiten von diesen Clans gehört, sich aber nie mit ihnen beschäftigt. Soweit er wusste, hielten sie sich fern von Ninjas und ihren Problemen.

„Hast du nicht gesagt, dass du aus Kiri kommst?“

„Ich bin dort geboren und aufgewachsen.“ Der Ring drehte sich weiter. Er glänzte mehr als die anderen. „Meine Mutter ist dort hin und nie zum Clan zurück.“

„Hm“, machte Kakuzu, weil er nicht wusste, was er darauf antworten sollte.

Shouta sah auf die Karten. „Sie brachte mir unsere Sprache und Schrift bei.“

Kakuzu beugte sich vor um die Schrift genauer zu betrachten. Sie war ganz anders als seine.

Shouta streifte sich den Ring wieder über den Finger. „Mir fällt es leichter in der Sprache zu schreiben, das geht auch schneller, finde ich.“

„Hm.“

„Und wahrscheinlich binich der Einzige in dem Reich, der das lesen kann. Selbst wenn die Karten mit abhanden kommen, sind sie für andere nutzlos.“

Kakuzu ließ seinen Blick über die Karten schweifen. Die große, die, die erkannte, war zerknittert und irgendwann war etwas darüber ausgelaufen. Vielleicht Met. Die anderen waren, so unordentlich gezeichnet und beschriftet sie waren, deutlich besser intakt.

„Hast du sie deswegen neugeschrieben?“, fragte Kakuzu nach. Immerhin hatte Shouta behauptet, dass er die Pläne besorgt hatte. Hidan sah abwartend von der Sense auf. Er hörte zu.

Shouta nickte. „Unter anderem“, sagte er. Der Ring wanderte zu seiner Fingerspitze. „Ich musste die Pläne dekodieren, also musste sowieso alles neu geschrieben werden.“

Er Ring drehte und drehte sich.

„Dekodieren?“

„Die lassen keine Blaupausen irgendwo herum liegen“,sagte Shouta gleichgültig, drehte weiter am Ring. „Sie waren verschlüsselt, Rätsel, Codes und sowas. Teilweise in einem alten Dialekt.“

„Du kannst das alles?“ Kakuzu hob seine Augenbrauen.

„Ich nenne mich nicht umsonst Meisterdieb.“ Shouta grinste, ließ den Ring weiter kreisen.

„Lass das.“

Shouta blickte ihn mit aufrichtiger Überraschung an.„Was?“

„Der Ring.“

„Oh“, sagte Shouta. Er räusperte sich, ballte seine Hand zur Faust. „Es gehört mehr dazu ein guter Dieb zu sein als keine Fußspuren zu hinterlassen oder Schlösser zu knacken.“

Seine Verlegenheit war schnell verflogen.Wie schade.

„Ihr müsst euch keine Gedanken darüber machen, wie ich das geschafft habe.“ Shouta grinste. Er faltete die Karten zusammen. Seine eigenen ordentlicher als die große, und stand auf. „Ich lege mich nochmal hin.“

Damit war Shouta aus dem Zimmer verschwunden.

„Er ist komisch“, warf Hidan nun ein.

„Der Dieb?“

„Wer denn sonst? Bekommst du Alzheimer?“

„Halt die Schnauze.“ Kakuzu starrte Hidan an.

Der stand auf. „Ich lege mich auch nochmal hin. Ich will nachher noch mal raus, schauen ob hier noch Soldaten sind.“

Kakuzu antwortete nicht. Wenn Hidan in einem Schneesturm herauswollte, würde er ihn nicht aufhalten. Vielleicht gab es ja wirklich einen Nachzug an Soldaten. Vielleicht würde Hidan einen Dorfbewohner opfern, Kakuzu würde dafür keine Hand ins Feuer legen.Und vielleicht wollte Hidan nur aus der Hütte raus.

Masken

Als Shouta die Augen aufschlug, sah er in eine weiße Fratze. Er musste sich die Hand auf den Mund pressen, um nicht zu schreien und musste den Drang, in Panik aus dem Zimmer zu stürzen, bekämpfen.

Augen schließen.

Durchatmen.

Bis zehn zählen.

Augen öffnen.

Es war Kakuzus Rücken, oder viel mehr, diese seltsamen Masken, die an diesem befestigt waren. Vorgestern hatte sie Shouta nicht richtig wahrgenommen. Er hatte sie angefasst, aber andere Dinge waren wichtiger gewesen. Am gestrigen Abend war es nicht anders. Da gab es nicht eine Chance, sie zu berühren. Und wenn man miteinander fickte, sprach man nicht viel.

Lautlos rollte sich Shouta auf den Rücken, drückte die Handballen auf seine Augen. Verdammt, was legte sich Kakuzu mit dem Rücken zu ihm? Warum musste er überhaupt solche dämlichen Masken am Rücken kleben haben? Was waren das überhaupt für Dinger?

Shouta ließ seine Hände sinken. Er zitterte und kam sich dabei furchtbar lächerlich vor. Es waren nur Masken. Langsam drehte er seinen Kopf, sodass er sie wieder ansah. Nur verdammte Masken. Sie sahen nicht mal wirklich schlimm aus. Unter anderen Umständen würde er sie sogar als niedlich bezeichnen. Es waren nur weiße Gesichter mit bunten Flecken. Zwei von ihnen zeigten die Zähne, die anderen zwei hatten Schnäbel. Es war verdammt harmlos. Aber das Zittern bekam er nicht unter Kontrolle.
 

„Scheiße“, murmelte Shouta halblaut. Vielleicht könnte er sie berühren? Es könnte ihn beruhigen. Würde er wissen, dass das nur verschissene Maske waren – die warum auch immer – an Kakuzus Rücken genäht waren, wäre alles gut. Bevor er sie berühren konnte, drehte sich Kakuzu auf den Rücken. Shouta zog seine Hand ruckartig zurück.

Kakuzu sah ihn in die Augen. Shouta sah wie ein verschrecktes Kaninchen zurück.

„Morgen“, brachte Shouta hervor. Er klang beinahe ruhig. Vielleicht würde Kakuzu es nicht merken.

Kakuzu antwortete ihm nicht. Stattdessen richtete er sich auf. „Was ist scheiße?“

Shoutas Ohren wurden heiß. „Nichts“, sagte er.

„Aha.“ Kakuzu stieg aus dem Bett. Er war nackt und hatte den Rücken zu ihm gedreht, während er seine Sachen zusammensuchte. Die Masken hoben sich hell von Kakuzus dunkler Haut ab. Sie bewegten sich mit seinen Muskeln als wären sie lebendig. Ein Schauer jagte über Shoutas Körper.

Shouta setzte sich auf. „Dachte immer, du trägst Masken nur im Gesicht.“

Kakuzu zog sich die Hose an, bevor er antwortete: „Offensichtlich nicht.“

„Es ist nicht normal, Masken auf dem Rücken zu haben.“

„Was du nicht sagst.“ Kakuzu wandte sich ab, zog sich sein Oberteil, einen dicken Pullover, an. Die Masken waren bedeckt und irgendwie beruhigte das Shouta.

„Sie haben mit deinen Narben zu tun, oder?“

„Wie kommst du da drauf?“ Kakuzu verschränkte die Arme vor der Brust.

Shouta zuckte die Schultern. „Sie sind an deinem Rücken festgenäht. Mit denselben Fäden, die du sonst überall hast.“

„Du bist zu neugierig.“ Er warf Shouta dessen Kleidung zu. „Du zitterst, zieh dir etwas an.“

Die Hitze aus Shoutas Ohren breitete sich auf seine Wangen aus. Er ballte die Hände zur Faust, öffnete sie.

„Danke“, sagte er steif und zog sich an. War schon nett von Kakuzu, dass er ihm die Kleidung gab. Tatsächlich half die Kleidung gegen das Zittern. Der Stoff war warm und weich und schützend.

Shouta atmete tief durch, bevor er sich an Kakuzu wandte. „Also sind die Masken wichtig.“

„Wie kommst du darauf?“ Kakuzu setzte sich zurück aufs Bett. Es gab knarzend nach.

„Wenn es normal für Ninjas wäre, Masken auf den Rücken zu tragen, hättest du das gesagt.“

„Und für das Reich ist es normal, sich seine Wunden selbst zu nähen?“

Shouta runzelte die Stirn. „Was meinst damit?“

„Die Narbe am Bein. Du kannst mir nicht erzählen, dass das jemand mit Ahnung genäht hat.“

„Dir ist das aufgefallen“, sagte Shouta mit einem schiefen Grinsen.

„Du bist zusammengezuckt, als ich sie angefasst habe. Scheint nicht gut verheilt zu sein, und sie ist hässlich.“ Kakuzus Blick ließ keinen Zweifel über, dass er ihn für absolut dämlich hielt.

Shouta lachte verlegen. „Es fühlt sich scheiße an, wenn man an sie kommt.“ Kakuzu hatte sie nach seinem Zusammenzucken nicht mehr angefasst, ebenso wie die Haare. Shouta hatte nicht damit gerechnet, dass Kakuzu so rücksichtsvoll war. Beim Sex kam man naturgemäß oft an die Innenseite der Unterschenkel. Kakuzu musste also aufpassen und sich dem die ganze Zeit über bewusst sein. Trotz Sex. Trotz der Tatsache, dass sie sich nicht mal lange kannten. Und Shouta war sich nicht mal sicher, ob Kakuzu ihn auf irgendeine Weise mochte…

Kakuzu riss Shouta aus seinen Gedanken: „Deswegen macht man sowas nicht selbst.“

„Hatte keine andere Wahl.“ Shouta zuckte die Schultern. Er musterte Kakuzu. „Was ist mit den Masken, lenk nicht ab.“

„Hm“, machte Kakuzu.

Shouta sah ihn abwartend an. Eine Antwort blieb aus. Er seufzte tief. „Ich kann raten.“

„Ich sagte doch, dass du zu neugierig bist.“

Shouta lachte. „Du machst es dir schwerer. Sag einfach, dass es ein Kinjutsu ist und die Sache hat sich.“ Er machte eine Pause, musterte Kakuzu schweigend. „Oder es ist doch ein Kekkei Genkai, ein sehr seltsames, bei dem dir Masken aus dem Rücken wachsen.“

Beharrliches Schweigen.

„Sagst du es mir, wenn ich dir von meinem Kekkei Genkai erzähle?“ Immerhin hatte es Kakuzu gesehen.

„Hm.“

„Das werte ich als ja.“ Shouta ließ Kakuzu keine Zeit mehr, um zu reagieren. Er aktivierte sein Kekkei Genkai und die Welt war klar und grell und scharf. „Es verbessert meine Wahrnehmung.“

Kakuzu zog die Augenbrauen zusammen. So minimal, dass sich Shouta sicher war, dass er es ohne Kekkei Genkai nicht erkannt hätte. „Das heißt?“

„Es ist schwer zu erklären, wenn man es nicht selbst erlebt“, sagte Shouta nachdenklich, „im Grunde nehme ich alles und intensiver wahr, was ich sonst unterbewusst wahrnehmen würde. Ich habe dich im Moment genau so im Fokus wie die Eisblumen am Fenster. Ich kann auf alles reagieren und ordnen. Schneller als andere Menschen.“

„Praktisch, für einen Dieb“, sagte Kakuzu trocken.

„Sollte das ein Lob oder eine Beleidigung sein?“

Kakuzu antwortete darauf nicht, er fragte stattdessen etwas: „Ist es verwandt mit dem Sharingan?“

„Verwandt mit was für einem Ding?“

„Vergiss es“, sagte Kakuzu. „Haben das alle in deinem Clan?“

Shouta zuckte die Schulten. „Ich bin da nicht aufgewachsen, ich glaube, die meistens haben es.“

Er deaktivierte das Kekkei Genkai und die Welt konzentrierte sich auf Kakuzu. Sie war stumpfer, aber es war angenehm. Wenn es nichts zu tun gab, wurde es schnell unangenehm. Zu viel und zu wenig. Kakuzu musste davon nicht erfahren, es gab keinen Grund, darüber zu sprechen.

„Hat es einen Namen?“

„Wer von uns ist jetzt neugierig?“, fragte Shouta nach und erntete dafür einen genervten Blick. „Schon gut, nein, nicht in eurer Sprache. Und übersetzt heißt es nur, dass es die Augen unseren Clans sind.“

Kakuzu schien nachzudenken. „Man weiß wenig über euch.“

„Beim Clan weiß man auch nichts über euch und hier auch nicht.“ Shouta konnte nicht vermeiden, dass ein verteidigender Ton sich in seine Stimme mischte. Dabei wusste er nicht mal, wieso. Natürlich wusste Kakuzu kaum etwas über den Clan. Es störte Shouta nur, dass er es ansprach.

„Das war kein Angriff“, sagte Kakuzu ruhig.

„Okay“, antwortete Shouta, weil er nicht wusste, was er darauf antworten sollte.

Sie schwiegen und Shouta wollte nach einigen Sekunden etwas sagen. Nur die Hoffnung, dass Kakuzu von den Masken erzählen würde, hielt ihn zurück.

Und seine Geduld wurde belohnt. Ein wenig zumindest. „Es ist ein Kinjutsu, ja.“

Shouta grinste. „Hab‘ ich doch gesagt.“

Kakuzu seufzte genervt. „Die Masken und die Narben hängen zusammen, mehr musst du nicht wissen.“

„Kann ich zumindest den Namen erfahren?“

Kakuzu atmete tief durch. „Jiongu.“ Erdhass.*

„Düsterer Name.“

„Es ist ein düsteres Jutsu.“

Offenbar hatte Kakuzu einen Hang zur Dramatik. „Was gibt es denn zu hassen?“

„Nervige Diebe.“

Shouta lachte. „Immernoch herzlos, was?“

Kakuzus Mundwinkel hoben sich für den Bruchteil einer Sekunde.

„Kann ich noch was fragen?“

„Was?“

„Beißen können die Masken nicht, oder?“

Kakuzu sah ihm direkt in die Augen. Dann stand er auf. „Pack deine Sachen, wir wollten los.“

„Heißt das nein?“

Kakuzu antwortete ihm nicht.

Alte Freunde

Die Luft war klar und kalt, die Berge leuchteten im Sonnenlicht und Shouta, der gut zehn Meter vor Kakuzu und Hidan lief, erstarrte in der Bewegung. Er hätte es fast übersehen: An einem der wenigen Bäume, die hier noch wuchsen, waren Zweige abgebrochen. Die Bruchstellen waren noch frisch.

Es ergab Sinn. Schon seit dem Aufbruch aus dem Dorf hatte Shouta das Gefühl gehabt, dass jemand sie beobachte. Die anderen schienen es nicht bemerkt zu haben, weswegen er sich fragte, ob er nicht bloß paranoid war. Aber das hier war ein Anzeichen.
 

Er warf einen Blick zu seinen Begleitern. „Ich muss was überprüfen. Geht weiter Richtung Nordwesten, ich komme nach.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, lief er los. Sie konnten ihm dankbar sein, dass er ihnen sein Verschwinden diesmal ankündigte.
 

Abgebrochene Äste brauchte man für Feuer und da er keinen Rauch sah, war es entweder noch nicht an, wieder aus oder ein Feuer der Diebe. Sie konnten als einzige Feuer machen, die nicht rauchten, und bisher war das Geheimnis darum nicht aus den Diebesreihen gedrungen. Es gab nur einen Ort hier, an dem man sich ausruhen konnte, weswegen sich Shouta gen Osten wandte und nach einigen Minuten fündig wurde.

Eine Kuhle in einer Schneewehe, die nicht von einem Tier stammen konnte. Tiere hinterließen Kot, Abdrücke von Pfoten, manchmal Haare oder Spuren von Sprüngen und Jagden. Shouta starrte in die Kuhle. Dunkelgraue Wollfasern hingen im Schnee. Wahrscheinlich von einem Umhang.

Shouta hob den Kopf und aktivierte sein Kekkei Genkai. Der Wind war eiskalt und schneidend, die Sonne blendete. Wenige Meter vor Shouta zeichneten sich Fußabdrücke im Schnee ab. Ganz leicht, vom Wind beinahe verweht, und kaum sichtbar. Nur zwei, beide vom rechten Fuß. Es waren sehr kleine Abdrücke und Shouta wusste, zu wem sie gehörten. Er kannte nur eine Person, die diesen Fehler machte und noch dazu so kleine Füße hatte.

Er lächelte und einen Moment später verwandelte sich sein Magen in einen schmerzenden Klumpen. Das Lächeln verschwand, weil er Gespräche erahnte, denen er schon seit Ewigkeiten auswich. Beim nächsten Mal, hatte er schon viele Male gesagt, doch er wusste, dass es nicht noch mehr Male gab.

Er könnte die Spuren einfach ignorieren und gehen. Niemand würde wissen, dass er hier gewesen war und Kakuzu und Hidan würden auch nicht nachfragen, was los war.

Aber er tat es nicht. Stattdessen setzte er sich in Bewegung, weil es sonst vielleicht kein nächstes Mal geben würde.

Hinter einer Klippe, nicht weit von ihm entfernt, gab es eine geschützte Stelle im Fels. Man konnte sogar dort übernachten, wenn man genug Vorkehrungen traf. Aber vor allem konnte man sich dort ausruhen, ohne dass man von den Wegen aus dem Blick Fremder ausgesetzt war.

Shouta fand schnell, was er suchte. Eine Ausbuchtung im Felsen, gerade tief genug, um vor den kalten Winden zu schützen. In dieser Ausbuchtung saß eine Person und am Boden prasselte ein rauchloses Feuer.

Die Person war gut einen Kopf kleiner als Shouta und sehr zierlich. Sie trug die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass Shouta nur dessen nachdenklichen Ausdruck erkennen konnte.

„Ára“, sagte Shouta.

Ára hob den Kopf. „Shouta“, sagte hen und zog sich die Kapuze vom Kopf. Struppiges schwarzes Haar und warm blickende, schwarze, glänzende Augen kamen zum Vorschein. Wie Shouta hatte hen Monolider. Unter dem Mantel trug hen die Kleidung der Rentiermenschen: Ein dunkelblaues Oberteil mit rotem Kragen und Schuhe und Hose aus Rentierleder.

„Wie hast du mich gefunden?“

„Die Äste“, antwortete Shouta. „Für’s Feuer, oder wolltest du auf dich aufmerksam machen?“

Ára lächelte. „Vor allem das Feuer, aber ich ging davon aus, dass es dir auffällt.“

„Hast du uns beobachtet?“ Shouta setzte sich hen gegenüber. Er deaktivierte sein Kekkei Genkai. Kein beißender Wind mehr, kein blendender Schnee. Er streckte seine Hände zum Feuer. Es tat gut.

„Dich habe ich nur einmal gesehen, deine Begleiter oft.“

„Seit wann?“

„Gestern, ich war über euch.“

Shouta sah ins Feuer. „Gegen Mittag, nicht wahr?“

„Ja.“ Ára seufzte. „Vor dir kann man wirklich nichts geheim halten.“

Shouta zuckte die Schultern. „Ich wusste bis eben nicht, dass du es bist.“

„Habe ich dich in deiner Ehre gekränkt?“, fragte Ára.

Shouta grinste. „Ein wenig.“

Ára lachte leise. „Wer sind deine Begleiter?“

„Kakuzu und Hidan sind Ninjas und ich erledige einen Auftrag für sie.“ Shouta überlegte, was er hen erzählen konnte. „Da wo sie herkommen, sind sie ‘ne richtig große Nummer.“

„Und eine richtig große Nummer braucht ausgerechnet deine Hilfe?“ Ára blickte Shouta skeptisch an.

„Du kannst richtig gemein sein“, sagte Shouta lächelnd. „Ich soll ihnen etwas besorgen, etwas Bedeutendes.“

Ára runzelte die Stirn. „Ich nehme an, es geht um die Schriften, die ich dir übersetzt habe.“

Shouta nickte. Eine Weile schwiegen sie.

„Du willst Orora danach verlassen, oder?“

„Ja.“

Ára setzte an, doch Shouta schnitt hen das Wort ab, obwohl er gewusst hatte, auf was er sich hier einließ. „Sprich nicht darüber.“

Er setzte seinen Rucksack ab und kramte eine Schnapsflasche aus der Seitentasche. Er öffnete sie und trank schweigend. Er wusste, dass Ára ihn ansah, aber er mied hens Blick.

„Ich brauche jede Hilfe, die ich bekommen kann und wenn du danach weg willst, ist das in Ordnung“, sagte Ára.

„Du hast ‘nen Plan?“

„Er ist noch nicht ausgereift, ich muss erst wissen, wer mit dabei ist“, murmelte hen. „Sollte ich alleine sein, muss ich anders vorgehen.“

Shouta reichte Ára den Schnaps. Hen nahm ihn an und trank. „Also hast du keinen.“

„Ich habe einen, nur-“ Ára rang nach Worten. „Er ist noch nicht perfekt. Aber wenn zumindest Maija und Sakari mir helfen, haben wir eine Chance.“

Shouta glaubte nicht, dass sie helfen würden. Er sah hen abwartend an.

„Wir kennen das Anwesen, wir kennen die Abläufe, wir kennen alles.“ Rote Flecken traten auf Áras Wangen.

„Tu dir einen Gefalle, wenn du das machst, töte ihn selbst“, sagte Shouta, ohne auf hens Wut einzugehen. Er schielte nach der Flasche in Áras Hand.

„Wen?“, fragte Ára.

„Du weißt genau, wen ich meine.“

Ára nahm einen tiefen Schluck, dann gab er Shouta die Flasche zurück. „Hätte es dir geholfen, Tadashi zu töten?“

„Als sein Liebling wäre es meine Aufgabe gewesen“, sagte Shouta abwesend. Er räusperte sich. „Warum bist du hier?“

„Das beantwortet meine Frage nicht.“

„Warum bist du hier, Ára?“

„Shouta.“

Er trank.

„Du hast mir die Frage nicht beantwortet.“

„Und du meine nicht.“ Er zuckte die Schultern, setzte die Flasche ab. Seine Kehle brannte. Seine Lippen waren kalt.

„Ich war bei meinen Leuten.“ Ára wirkte niedergeschlagen. „Habe ihnen Geld gebracht und ein paar Vorräte.“

„Wie geht es ihnen?“, fragte Shouta.

Áras Miene verfinsterte sich. „Sie brauchen das Geld diesen Winter. Immer weniger Rentiere, und man nimmt ihnen ihr Weideland.“

Das war zu erwarten. „Scheiße“, sagte er.

„Ja“, sagte Ára.

Shouta überließ Ára einige Zeit hens Gedanken und hing seinen eigenen nach. Was zum Teufel wollte hen mit diesem Plan erreichen? Es konnte sich nichts ändern, also gab es auch nichts, bei dem er helfen konnte. Sollten sie doch alle ihre Zeit vergeuden oder ihr Leben riskieren. Shouta würde einfach aus Orora verschwinden. Und wenn er erstmal hier weg war, würde er vielleicht seine Familie suchen. Oder einfach immer weiterlaufen.

Shouta spielte mit der Flasche, nahm ab und zu einen Schluck. Der Alkohol machte die Welt warm und schwammig und unwirklich.

„Arashi“, sagte Ára plötzlich.

„Was?“, fragte Shouta. Er hatte das Gefühl, zu spät zu reagieren, aber Ára sagte nichts. Das schätzte er an hen. Hen rieb es ihm nie unter der Nase, wenn er komisch war und er tat es nicht bei hen.

„Arashi, da muss ich hin. Wohin wollt ihr?“

„Arashi“, antwortete Shouta und brauchte peinlich lange, um zu verstehen, dass sie dasselbe Ziel hatten. „Willst du mitkommen?“

„Und deine neuen Freunde sind einverstanden?“

„Haben sie zu sein.“

Sie lachten, aber es fühlte sich unnatürlich an.

„Ich würde gerne mitkommen“, sagte Ára.
 

Trotz des Alkohols war der Rückweg leicht zu bewältigen. Sie liefen Akatsuki entgegen, denn Kakuzu war misstrauisch. Shouta wollte nicht riskieren, zu zweit einfach hinter ihm aufzutauchen. Bald konnte er Hidan und Kakuzu ausmachen. Vor dem Schnee waren ihre Mäntel leicht zu erkennen.

„Ich habe jemanden mitgebracht“, rief Shouta ihnen zu, sobald sie in Hörweite waren. Kakuzu schloss die Augen und Shouta vermutete, dass er etwas murmelte.
 

„Wer ist das?“, fragte Hidan, als sie sich näherten. Im Gegensatz zu Kakuzu wirkte er interessiert.

„Das ist Ára. Hen ist ein alter Freund von mir.“

Auf Hidans verwirrten Blick erklärte Shouta: „Ein neutrales Pronomen aus hens Sprache.“

„Und was will hen hier?“, fragte Hidan.

„Ich begleite euch bis zur nächsten Stadt“, antwortete Ára.

Kakuzu trat auf Ára zu. Er war größer als Shouta, aber Ára überragte er wie ein Berg einen Findling. „Und wieso?“

Ára legte den Kopf in den Nacken. „Wir haben den gleichen Weg. Keine Sorge, ich werde eure Mission nicht stören. Wenn ihr etwas zu besprechen habt, werde ich euch nicht belauschen.“

Shouta trat neben hen. „Wir können Ára vertrauen.“

„Hm“, machte Kakuzu. Dann ging er an beiden vorbei, ohne etwas zu sagen.

„War das ein Ja?“, fragte Ára, die Stirn in Falten gelegt.

„Wäre es ein Nein, wärst du tot“, sagte Hidan und lachte. Ára grinste schwach. Zu dritt folgten sie Kakuzu.
 

„Was für eine Sprache sprichst du?“, fragte Hidan Ára.

„Es ist eher ein starker Dialekt. Manche Wörter sind anders, andere Aussprache, aber man kann uns verstehen. Und wir haben nur ein Pronomen für alle Menschen. Reicht ja auch“, erklärte hen.

„Stimmt“, sagte Hidan und klang, als hätte er sich nie Gedanken darüber gemacht. „Aus was für einem Volk kommst du?“

„Wir nennen uns das Rentiervolk oder Sumpfleute und wir sind die ursprünglichen Bewohner dieses Reichs. Wir lebten schon Urzeiten vor den Rittern hier.“ Ára seufzte tief. „Sie haben uns zurückgedrängt. Die wenigstens von uns können Chakra kontrollieren. Wir sind kein kriegerisches Volk. Wenn gepanzerte und bewaffnete Leute uns angreifen, haben wir keine Chance.“

Hidan betrachtete Ára nachdenklich. „Das ist hart.“

Ára hob die Augenbrauen. „So kann man es nennen.“

„Was macht ihr, wenn ihr keine Kämpfer seid?“

„Wir sind Hirten. Wir folgen unseren Rentierherden durchs Land. Und wir sind Künstler.“

„Künstler?“ Hidan wirkte alles andere als begeistert.

„Ja.“ Ára zog ein Messer aus einer ledernen Scheide an seinem Gürtel. Der Griff war aus Rentierhorn und Birkenholz, glatt poliert. Die Klinge glänzte. „So etwas, unter anderem. Wir machen die schärfsten Klingen im Land.“

Nun interessiert, streckte Hidan eine Hand aus. „Kann ich es mir ansehen?“

„Klar.“ Ára reichte ihm das Messer. „Aber pass‘ auf. Du wärst nicht der Erste, der sich daran schneidet.“
 

Shouta ließ die beiden sich unterhalten und holte zu Kakuzu auf, der ihm einen raschen Blick zuwarf. Shouta schwieg. Ihm war schlecht. Der Schnaps, redete er sich ein. Kräuterschnaps auf leeren Magen war eine beschissene Idee. Es war nicht wegen Áras Plan. Es war ausgeschlossen, dass er half, also gab es nichts, um das er sich Gedanken machen musste. Rein gar nichts.

„Du bist still“, sagte Kakuzu.

Shouta sah überrascht zu ihm. Bis auf die Augen war Kakuzu vermummt und aus seinem Blick konnte Shouta nichts lesen. „Seit wann stört dich das?“

„Ich habe nicht gesagt, dass mich das stört.“

Wenn es ihn nicht störte, sollte er still sein, fand Shouta. Er glotzte stur geradeaus, ohne richtig nach vorne zu schauen.

„Du bist nicht bei der Sache und du hast getrunken. Das sieht man dir an.“

„Was geht dich das an, Kakuzu?“

„Die Mission geht mich etwas an.“

„Aha.“ Shouta sah Kakuzu nicht an.

Hidan und Ára unterhielten sich. Kakuzu beobachtete ihn. Und Shouta versuchte sich auf den Weg vor ihm zu konzentrieren.
 

In dieser Nacht schlief er nicht.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Saicke
2018-08-16T09:33:29+00:00 16.08.2018 11:33
Durch dein Wettbewerb bin ich auf diese FF gestoßen und bin schon sehr gespannt wie es weiter geht. :) Ich kann leider nicht so gut zeichnen, sonst hätte ich auch beim Wettbewerb mitgemacht xD
Und weil es ja ein Remake von dir ist, an dem du einige Sachen veränderst, bin ich gerade neugierig darauf, wie die Story sich entwickelt.
Dein Schreibstil gefällt mir und es geht zügig voran. Es gab jetzt wirklich kaum Stellen wo ich ins Stocken geriet.
Freue mich schon auf das nächste Kapitel ^^


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