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Ein unverhofftes Familientreffen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Das hier sollte ursprünglich ein Humor OS und in gewisser Weise eine Fortsetzung zu "Mephistos Kochkünste" werden und nicht so ernst genommen werden, jedoch wurde ich hier und auf einigen meiner anderen Accounts um eine Fortsetzung gebeten, daher geht es weiter. Ich empfehle vorher "Mephistos Kochkünste " zu lesen, denn auch wenn der OS ebenfalls eher humorvoll gemeint ist und Mephi etwas OOC ist, gibt es dort nochmal etwas Hintergundwissen. Für die die "Mephistos Kochkünste" nicht gelesen haben, erwähne ich nochmal extra: Mir ist erst nach dem Schreiben eingefallen, dass die Szene mit Mephistos Essen vor Amaimons Einführung kommt, darum spielt alles nach dem Camping Trip. Die anderen wissen also von Rins Herkunft. Die Geschichte enthält einige Spoiler für den Manga, jedoch nicht zu viele und hat später absolut nichts mehr mit dem Manga oder Anime zu tun. Dämonenkönige (mit Ausnahme von Amaimon und Samael) sind OC's und die Altersreihenfolge ist anders, weil ich irgendwie was verpennt habe. Lucifer führt wie im Manga die Illuminati an, doch ihr Ziel ist ein anderes und sie sind nicht so...skrupellos. Auch wissen weder die Exorzisten noch der Vatikan wer Mephisto wirklich ist. Nun ohne weiteres Vorgeplänkel wünsche ich viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, damit wird der ursprüngliche OS zur Geschichte. Nochmal danke an alle, die mich zu einer Fortsetzung ermutigt haben und ein besonders großer Dank an Ashura Akuma für die Beantwortung einiger Fragen und Ideen, die mir dank ihr gekommen sind. :D
Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Puh, die ganzen Ereignisse in Assiah haben wesentlich länger gedauert als erwartet...für die nächsten Kapitel bleiben wir dafür mehr in Gehenna, immerhin hat Rin immer noch keinen Schimmer was los ist. XD

Erklärung zu den erwähnten Kelpies: Sie sind schottische/britische Wassergeister, welche in fließenden Gewässern leben und meist die Gestalt eines Pferdes annehmen. Sie bieten sich als Reittier zur Überquerung ihres Gewässers an, wird dieses Angebot jedoch angenommen, versuchen sie ihren Reiter unter Wasser zu ziehen und zu fressen. Nette Wesen, nicht wahr?

Übrigens lege ich in den nächsten Tage eine Schreibpause ein. Am Freitag ist etwas passiert und ich möchte jetzt erst mal sehen wie es weitergeht bzw. wie meine Familie damit umgeht. Vielleicht werden das nur zwei Tage sein, vielleicht auch länger. Ich hoffe ihr versteht das :)

Los geht's! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und da bin ich wieder, zurück aus der Pause. Ich muss zugeben, ich bin froh, dass ich sie mir gegönnt habe. Die letzte Woche war teilweise anstrengend. Wie gesagt ist etwas privat vorgefallen, was uns alle sehr belastet hat, besonders meine Mutter also wollte ich für sie da sein. Es kann gut sein, dass es noch länger anhalten wird, wundert euch also nicht wenn ihr längere Zeit nichts von mir hört.
Sagt mir bitte wie immer wenn euch etwas nicht gefällt (oder gefällt ^^), denn dieses Kapitel fiel mir schwerer als erwartet, ich habe gefühlte 100 Mal alles abgeändert. Ich hoffe dadurch sind keine Fehler entstanden O.o

Zu einigen Begriffen:

Naga: Schlangenwesen bzw. Schlangengottheiten aus der Indischen Mythologie. Sie gelten als Wächter von Übergängen, Schwellen und Türen, besonders auch im symbolischen Sinn. Sie sind außerdem das Begleittier des Gottes Vishnu.

Alukah: Hebräischer Sukkubus/Vampir

Rakshasa: Dämonen aus der indischen Mythologie. Nächtliche Geister, die häufig als Tier erscheinen, wie Geier, Eule, Hund oder Tiger, können aber auch in Gestalt Furcht einflößender Menschen auftreten.

Tartaros: ist in der griechischen Mythologie ein personifizierter Teil der Unterwelt, der noch unter dem Hades (Unterwelt) liegt. Es ist ein Ort der Bestrafung. Der Titan Kronos ist dort beispielsweise. In der Bibel wird der Begriff Tartarus ebenfalls verwendet. Eine Bibelstelle bezieht sich auf den Ort, in den die gefallenen Engel, die Dämonen, von JHWH verbannt wurden und dort bis zum Gericht eingeschlossen sind.

Die in dem Buch erwähnten Wesen spielen vorerst keine Rolle, wenn überhaupt :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen!

Bevor es los geht will ich noch schnell etwas bezüglich des letzten Kapitels sagen. Mir ist ein kleines Missgeschick passiert -.- Naga existieren bereits in AnE und gehören zu Amaimon. Normalerweise schaue ich immer nach um sicherzustellen, dass ich hier nichts neu mache was es schon gibt, aber diesmal habe ich es vergessen. Ich habe mich jetzt so entschieden: Die von mir beschriebenen Naga sind hochrangig, während die Naga von Amaimon in die mittelere und untere Klasse gehören. Sie sind quasi Nachfahren der von mir erfundenen Naga. Sorry nochmal! Mir ist auch aufgefallen, dass ich beim letzten Mal die Erklärung für den Tartaros und die Rakshasa vergessen habe also wurde das jetzt nachgetragen.

Ansonsten möchte ich mich endlich mal (ich wollte es schon im letzten Kapitel machen, habe es dann aber eiskalt vergessen) für all die Unterstützung bedanken. Die lieben Kommentare und die Favoriten...ich habe es bereits mehrmals gesagt: Nie im Leben hätte ich damit gerechnet!
Also danke an euch alle, eure Unterstützung ist wirklich motivierend und ich freue mich, dass einige Spaß mit der Geschichte haben :) Ich hoffe ihr bleibt bis zum Schluss dabei!

Die Erklärung für dieses Kapitel:

Styx: ein Fluss in der griechischen Unterwelt und stellt die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und dem Totenreich. Die Seelen der Toten werden von Charon über diesen Fluss gebracht. Die Götter legten ihre heiligsten Eide darauf ab, brachen sie sie, konnte das schwere Folgen haben. Das Wasser ist giftig, kann aber auch unverwundbar machen, was sich der Held Achilles zu Nutze machte. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Erklären muss ich diesmal denke ich nichts, also geht es direkt los :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So ich habe mich schon auf dieses Kapitel gefreut, bin allerdings froh es endlich fertig zu haben! Da das letzte Kapitel ein gemeiner Cliffhanger war, ist es sogar etwas länger ;)
Übrigens werde ich wahrscheinlich den Namen der Geschichte ändern, denn ich glaube 'Ein unverhofftes Familientreffen', passt nicht mehr dazu. Ich bin furchtbar mit Namen, kann also dauern bis ich was habe XD
Erklärung:

Banshee: ein weiblicher Geist in der keltischen Mythologie und im Volksglauben Irlands. Die Erscheinung verkündet einen bevorstehenden Tod. In Schottland wäscht sie die blutverschmierten Kleider oder Rüstungen der sterbenden Kämpfer und ist somit die Vorbotin für deren baldigen Tod. Ihre Stimme ist ein Klagen oder Kreischen. In manchen Interpretationen wird jeder, der sie hört, sofort sterben oder wahnsinnig. Manchmal wird sie aber auch als sanft und tröstend beschrieben und heißt die Seelen am Übergang ins Totenreich willkommen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wieder ein eher ruhiges Kapitel, aber momentan möchte ich gerne den Schwerpunkt auf Rins Entwicklung und seine wachsende Bindung zu seinen Geschwistern und Satan legen bzw. Grundsteine für andere Charaktere und die weitere Geschicjte legen :)

Manaia: Stammt aus der Mythologie der Maori (den Ureinwohnern Neuseelands). Ein Mischwesen aus einem Seepferdchen und einer Eidechse, sie gelten seit jeher als Vermittler zwischen den Menschen und den Geistern, sowie als Wächter gegen das Böse. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Da der Anfang des Kapitels mal wieder länger geworden ist als geplant (ein Hoch auf meine Organisationsfähigkeiten), teile ich das Ganze in zwei Kapitel. Ich hoffe es ist nicht so störend, wenn es etwas schleppender vorangeht -.-

So kurze Nebeninfos/Erklärungen:

Phasensprünge sind in der Physik etwas ganz anderes, aber ich mochte den Begriff, also fertig :D

Ouija Bretter kennt sicher jeder. Es ist ein Brett mit Buchstaben und Zahlen und wird verwendet um Geister (oder eben Dämonen) zu kontaktieren. Also wie Gläserrücken, es soll ziemlich gefährlich sein.

Hitori Kakurenbo (Hide and Seek alone, also 'Alleine Verstecken spielen') ist ein Ritual, welches vor allem in Japan praktiziert wird. Man spielt mit einem Geist Verstecken, aber da er ein Gefäß benötigt, präpariert man zuvor eine Puppe dafür. Wenn er dich findet, bekommt er deinen Körper. Was du bekommst, wenn du gewinnst? Soweit ich weiß gar nichts, also lasst es besser sein, denn auch dieses Ritual soll sehr gefährlich sein.

Gehennisch klingt in meiner Vorstellung eher rau/hart, also habe ich mehrere Slawische Sprachen wie z.B. Russisch und Kroatisch zum Vorbild genommen. Außerdem sind einige Wort aus dem arabischen, hebräischen und lateinischen dabei. Natürlich habe ich die Worte noch verändert ^^ Nicht weiter wichtig, aber eine kleine Nebeninfo :D

Ich habe keine Ahnung von Poker, also habe ich verschiedene Seiten nach den Regeln durchforstet. Ich entschuldige mich im Voraus, wenn dort Fehler auftreten. Weist mich dann gerne darauf hin :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und damit wäre Teil 2 fertig. Ich denke, es gibt nicht wirklich viel zu erklären, allerdings möchte ich schnell noch 2 Dinge erwähnen.
Der Name der Hauptstadt 'Pandemonium' ist nicht von mir. Es ist ein Buch aus dem Epos 'Paradise Lost' vom englischen Dichter John Millton von 1667. Es wird als „Hauptstadt von Satan und seinen Kollegen“ beschrieben.
Außerdem ist mir im letzten Kapitel ein kleiner, aber peinlicher Fehler passiert, der aber schon behoben ist. Lucifer bezeichnet Lesaji an einer Stelle als Stihi. Das liegt daran, dass Stihi ursprünglich der Name eines anderen Charakters war, aber ich habe einige mehrmals umbenannt und die Liste, die ich verwendet habe, war veraltet. Ich habe im Tran dann also Stihi geschrieben. Tut mir Leid, wenn ich jemanden verwirrt habe. :D
Eine Lobotomie ist eine Operation bei der bestimmte Nervenbahnen im Gehirn durchtrennt werden. Ich erspare euch besser den Ablauf und sage nur, dass der Eispickel dafür ein Werkzeug war. Ursprünglich wurde es zur Schmerzausschaltung und bei extrem schweren Fällen psychischer Erkrankungen angewendet, wie bei Psychosen und Depressionen mit starker Unruhe. Als Folge trat jedoch eine Persönlichkeitsänderung mit Störung des Antriebs und der Emotionalität auf. Inzwischen ist es verboten.

Viel Spaß mit Runde 2 ^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich bin grad im Schreibflow, also geht's gleich weiter. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach einer äußerst nervigen/anstrengenden Woche ist es endlich fertig :D
Viel Spaß :)
Insomnie: Schlafstörung Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Süßes oder Saures, Happy Halloween oder was auch immer :D
Ich habe dieses Kapitel genutzt um ein wenig auf die Lebensweise und die Organisation Gehennas einzugehen, falls ihr also an mancher Stelle nicht mehr mitkommen solltet, ist das nicht schlimm. Manche Dinge werden vielleicht eine Rolle spielen, andere dagegen nicht. Der Aufbau Gehennas ist mehr oder weniger eine Mischung aus griechischer Mythologie, Dantes Inferno, der allgemeinen Vorstellung der Hölle und sogar etwas von Ägypten.

Erklärungen:

Kappas: Japanische Fabelwesen, welche mit Wasser in Verbindung gebracht wird.

Fuathan: Bösartige, gälische Wassergeister.

Rusalken: Weibliche Wassergeister niedrigen Ranges der slawischen Mythologie.

Nivashi: Dämonische Wassergeister, welche Menschen ertränken.

Sirenen: Frauen, welche mit ihrem Gesang Seefahrer ins Unglück locken. Sie kommen unter anderem in Homers Odyssee vor. Dort werden sie als Wesen mit menschlichen Gesichtern und Vogelkörpern dargestellt. Manchmal werden sie auch als Mischwesen von Menschen und Fischen dargestellt (also als Meerjungfrau).

Viel Spaß :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So endlich habe ich ein Problem hinter mir, welches jetzt schon seit mindestens zwei Monaten besteht. Ich liebe Ämter XD Auf jeden Fall gibt es zur Feier des Tages ein neues Kapitel ;)

Kleine Vorwarnung: es wird an einer Stelle etwas grafischer und einer der Dämonenkönige durchlebt ein Kindheitstrauma, aber ich denke es nicht zu extrem geworden, darum werde ich kein 'Adult' setzen.

Ohne weitere Umschweife geht es los :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Darf ich ganz ehrlich sein? Ich hasse dieses Kapitel XD Überall hatte ich Mini-Schreibblockaden und mein Laptop ist mir auch abgeschmiert. Mal wieder. Obwohl ich erst aufgeräumt habe. Läuft XD
Ich hoffe ihr habt mehr Spaß beim lesen als ich beim schreiben, also los geht's und leidet. Oder auch nicht XD Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey, diesmal konnte ich was schreiben ohne das mir irgendwas abschmiert, Juhu XD Ok, Spaß beiseite. Die letzten Kapitel waren ziemlich ruhig, ich werde jetzt versuchen wieder etwas mehr Action einzubauen und es werden wahrscheinlich ein paar Zeitsprünge kommen.
Also viel Spaß :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Weiter geht es. Wieder etwas kürzer, aber es kam mir wie eine gute Stelle zum aufhören vor.
Viel Spaß :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, da das jetzt hier erledigt ist, wird es ab dem nächsten Kapitel wohl einige Zeitsprünge geben, damit wir mal vorankommen. Mehr habe ich nicht wirklich zu sagen, also los geht's ^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Dass es mal etwas düsterer wird, ist sicher kein Geheimnis und ich behaupte jetzt mal ganz frech, dass Blue Exorcist wohl nicht wirklich was für Gläubige ist, dennoch spreche es einfach mal an. An einer Stelle im Kapitel reflektiert ein wenig über die verschiedenen Religionen. Es soll niemanden beleidigen, sondern dient einfach dazu Satans Einstellung dazu näher zu beleuchten. An einer Stelle wird außerdem kurz Sterbehilfe angesprochen. Ich bin nicht sicher, ob das eine Rolle für jemanden spielt, also erwähne ich es einfach. Nun da dies geklärt ist, geht es los und ich wünsche euch allen einen schönen ersten Advent.

Erklärungen:
Furien: die römische Bezeichnung der Erinnyen (griechisch). Weibliche Rachedämonen und Todesrichterinnen aus der griechischen Mythologie. Ihre Opfer sind Frevler und Kriminelle. Sie jagen diese und treiben sie in den Wahnsinn. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich bin unsicher, ob ich hiermit zufrieden bin oder nicht. Ich hatte ziemlich große Startschwierigkeiten und hing so ziemlich nach einer halben Seite wieder fest. Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem halbwegs. :D

Am Ende des Kapitels kommt noch eine Frage an euch, also bitte lesen :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wow und schon sind wir bei Kapitel 30. Am 24. schreibe ich dann schon genau ein halbes Jahr an dieser Geschichte. Die Zeit verfliegt wirklich. Das Kapitel ist 16 Seiten lang geworden, aber ich wollte es nicht teilen, also gibt es diesmal ein extra langes. :D Seht es als eine Art verfrühtes Weihnachtsgeschenk, weil ich keine Ahnung habe, ob ich bis Weihnachten ein Kapitel schaffe ^_^
Zu erklären gibt es nichts, der arme Rin muss leiden. ^^°

Viel Spaß und einen schönen dritten Advent :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, ich habe tatsächlich noch vor Weihnachten ein Kapitel zusammenbekommen und es ist wieder 16 Seiten lang. ^^ Es ist nochmal etwas ruhiger, aber ich hoffe, dass ab dem nächsten Kapitel wieder etwas mehr los ist. ^^° Übrigens habe ich bemerkt, dass ich seit gestern ein halbes Jahr an dieser Geschichte sitze. Danke an alle Leser und danke für die ganzen lieben Kommentare :3

Einen schönen vierten Advent euch allen und ein schönes Weihnachtsfest. Und natürlich einen guten Rutsch falls wir uns dieses Jahr nicht mehr lesen ;) Also, hier ist sozusagen euer Weihnachtsgeschenk :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Gesundes neues Jahr euch allen! :3

Endlich gibt es das nächste Kapitel. Ich hatte einiges zu tun und dann auch noch Schreibblockaden. Als ich dann versucht habe an den OS weiterzuschreiben, ging es teilweise auch nicht besser also habe ich dann ein paar Tage lang aufgegeben. >_<

Aber lange Rede kurzer Sinn, es geht weiter und ich hoffe, es war die Wartezeit wert. ^^°

Viel Spaß. :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und tatsächlich habe ich diese Woche noch ein Kapitel zusammenbekommen. :D Ich bin erneut nicht stolz auf den Titel. Ich war verzweifelt, ok?! XD

Viel Spaß. :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Heyho, ich lebe!
Das Kapitel sollte eigentlich schon am Wochenende kommen, aber ich hatte üble Zahnschmerzen über fast die gesamte Woche hinweg und da möchte man lieber still vor sich hin leiden, anstatt irgendwas zu tun. -_- Leider kann ich weiterhin keine so häufigen Updates wie früher versprechen, da ich noch einiges anderes zu tun habe. Vielleicht sind diese Sorgen auch vollkommen unbegründet, mal schauen.
Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach einigen Schreibblockaden geht es weiter. Ich bin wieder mal unsicher, wie zufrieden ich mit dem letzten Teil bin, aber ich wollte endlich das Kapitel fertig bekommen.

Erklärungen:

Hyaden: Regennymphen der griechischen Mythologie

Die Pariser Bluthochzeit: auch Bartholomäusnacht, war eine gewaltsam Ausschreitung an französischen Protestanten. Die Führer der Hugenotten wurden dabei ermordet. Sie waren anlässlich der (vermeintlich der Versöhnung dienenden) Hochzeit des Protestanten Heinrich von Navarra mit Margarete von Valois in Paris versammelt. In derselben Nacht wurden weitere Tausende Protestanten in Paris und in den Folgetagen frankreichweit ermordet.

Pompeji, die Kreuzzüge und die Pest sollten klar sein, denke ich (hoffe ich ^^°) :)

Viel Spaß. Und entschuldigt den Cliffhanger am Ende. XD Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Rin und die Dämonenkönige treffen auf die Exorzisten, Satan hat währenddessen in Gehenna einen richtig miesen Tag. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So und da ist das Kapitel tatsächlich heute noch fertig geworden. ^^

Ich wünsche viel Spaß. :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen.~

Wieder einmal habe ich hier ein Hasskapitel. Ich hatte große Probleme dabei Angel zu schreiben und hoffe, dass er nicht ganz OOC ist. ^^° Wenn jemand Tipps hat, wie man ihn gut schreiben kann, immer raus damit.

Viel Spaß. :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, es geht weiter. Zuvor möchte ich noch eine Sache klären, da ich dies manchmal gefragt werde. Ich werde diese Geschichte nicht abbrechen. Wenn länger keine Updates kommen, habe ich entweder eine Schreibblockade, nicht viel Zeit zum schreiben/bin mit anderen Dingen oder hatte vielleicht auch mal keine Lust. Vor einigen Monaten konnte ich teilweise mehrere Kapitel pro Woche rausbringen, aber inzwischen habe ich einfach nicht genug Zeit. Dafür versuche ich die Kapitel etwas länger zu machen, zuvor waren sie meist an die 10-12 Word Seiten. Sollte ich die Geschichte pausieren, werde ich das irgendwie versuchen anzukündigen. Also keine Panik, wenn mal länger keine Updates kommen. ;-)

Damit viel Spaß! :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und da sind wir schon bei Kapitel 40. Ich denke mal, die Geschichte wird mindestens 50 Kapitel haben, Wow. ^^°

Ich schätze, leichte Spoiler für Assassin's Creed? Na ja nicht wirklich, aber ich dachte, ich erwähne es mal.

Viel Spaß. :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey, ich hoffe ihr hattet bisher eine schöne Woche. Ich habe endlich meine Fahrerlaubnis und einige andere Dinge geregelt, also habe ich gute Laune und zur Feier der Woche gibt es ein neues Kapitel. :D

Bei der Initiation in einen Hexenzirkel habe ich mich etwas von "Chilling Adeventures of Sabrina" inspirieren lassen. Verzeiht bitte meinen Mangel an Kreativität. XD

Viel Spaß! :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und da bin ich wieder. Ich bereue es, dass ich so viele Charakter hab aufeinander treffen lassen. Man verliert so schnell den Überblick. XD Falls also mal was nichts passt, sagt das gerne. Ich habe mir zwar aufgeschrieben, wer in welcher Gruppe war, aber sicher bin ich trotzdem nicht. ^^°

Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, das ging hier tatsächlich schneller als erwartet. Ab hier ist der Punkt erreicht, wo ich mir nicht mehr ganz sicher bin, wie es genau weiter gehen wird bzw. wie ich meine Ideen genau umsetzen werde, also habt bitte Geduld mit mir. ^^°

Viel Spaß. :-) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Endlich ist es fertig. Ich habe hier mal eine Art Rückblende eingebaut. Normalerweise mag ich sowas eher weniger, aber ich wollte es einmal ausprobieren, also sagt gerne, wie ihr das findet. Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu, lange es ist her. Fast zwei Wochen, oder? ^^° Sorry, Reallife und so macht mir zur Zeit einen Strich durch die Rechnung. XD Auf jeden Fall wünsche ich euch schöne Ostern und viel Spaß. :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi Leute, ich bin noch da. Ich weiß, es dauert zur Zeit länger mit den Updates, aber das hat mehrere Gründe. Unter anderem kam ich hier kaum voran und hatte zeitweise sogar die Lust verloren dran zu schreiben. Nein, keine Sorge, das heißt nicht, dass ich keine Lust mehr auf die Geschichte habe, im Gegenteil. Ich sage noch etwas dazu, aber am Schluss. Bleibt also dran. ;-)

Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen. Diesmal sind es keine zwei Wochen Wartezeit. ^_^
Eine kleine Sache zum letzten Kapitel: Ich gebe zu, es war eher ein Filler. Ich hatte genug von dem Kapitel, wollte es einfach nur fertig bekommen und wieder mal was hochladen, darum wurde viel wiederholt oder nochmal zusammengefasst, was man eigentlich schon wusste. Persönlich fand ich es ziemlich langweilig und war eigentlich darauf eingestellt, dass es euch ähnlich gehen würde. Allerdings war nur eine Person dieser Meinung (und ja, sie hat mir das auch höflich mitgeteilt, also kein Problem ^^). Vielleicht bin ich zu selbstkritisch, aber ich wollte es trotzdem sagen: Wenn euch mal etwas nicht gefällt, sagt es ruhig. Ich bin da nicht böse und höre wegen sowas auch nicht mit schreiben auf. Solange ihr konstruktiv bleibt, ist alles in Butter. :-) Oder ich bin echt zu selbstkritisch, wer weiß. XD Den Text des Sirenenliedes habe ich übrigens selbst geschrieben, es war nur ein Experiment. Ich lag abends im Bett, konnte nicht schlafen und habe es dann einfach geschrieben. XD Sagt gerne, ob euch sowas gefällt oder eher weniger.
Los geht's! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hab's geschafft! Und ich hasse es immer noch Kämpfe zu schreiben. XD Hoffe es ist trotzdem gut geworden. ^^

Eine kleine Warnung vorneweg: Erwähnung/Andeutung von Kannibalismus.

Falls es jemand nicht mitbekommen haben sollte: Es sind die ersten beiden Kapitel von Fegefeuer raus. Kapitel drei kommt wahrscheinlich auch dieses Wochenende. Damit wünsche ich viel Spaß. :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo zusammen, es geht weiter. Leider habe ich es irgendwie nicht geschafft, den Angriff auf den Vatikan hier mit rein zu packen, aber im nächsten Kapitel wird es dann schon. :-) Bevor es los geht: Nächsten Monat bin ich für drei Wochen im Urlaub. Ich werde meinen Laptop mitnehmen und dort ist wohl auch Internet, aber da ich nicht weiß, ob ich wirklich Gelegenheit zum Schreiben haben werde bzw. man natürlich nie sagen kann, ob das Internet dort wirklich will. Nur damit sich keiner wundert, falls es nochmal länger mit Updates dauert. Kannibalismus Warnung gab's schon im letzen Kapitel und gilt hier wieder.

Außerdem läuft diese Geschichte jetzt seit über einem Jahr. Danke an alle, die hier mitlesen, kommentieren, favoritisieren und so weiter. Ich freue mich wirklich über die ganze Unterstützung. :3

Damit geht es direkt weiter. Viel Spaß. :-) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo, ich lebe noch. XD Ich hatte nachdem ich aus dem Urlaub kam noch einige Probleme mit meinem Laptop, also hoffe ich, dass es jetzt keinen weiteren Ärger geben wird. Übrigens dürft ihr dreimal raten, wer versucht hat, einen Kampf in der Vatikanstadt zu schreiben, nur um festzustellen, dass man null Ahnung hat wie es dort überhaupt aussieht, sich daraufhin eine Karte ausdruckt, sich über mehrere Gebäude schlau macht und anschließend markieren muss, wer wo ist und wo sie überhaupt hin wollen. Das nenne ich perfekte Planung. XD

Achtung, das Kapitel hat eine kurze Folterszene.

Damit viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach einem Monat geht es weiter und wie immer kann ich nur sagen, dass es mir leid tut. Es hat wieder länger gedauert, als gedacht, aber momentan geht es nicht anders. Ich hoffe, das Warten hat sich gelohnt. ^^° Fegefeuer ist noch in Arbeit, das nächste Kapitel kommt hoffentlich auch bald. Es ist etwas komplexer als gedacht, darum dauert es so lange. Nochmal Sorry. ^^°

Aber jetzt: Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey, hier ist endlich das neue Kapitel. Es besteht vorwiegend aus Erinnerungen aus Azazels Sicht, das meiste sind Ereignisse aus der bisherigen Geschichte. Damit es nicht zu langweilig wirkt bzw. eine komplette Neuerzählung ist, habe ich vieles gekürzt, zusammengefasst und manche Dinge wurden vollkommen übersprungen. Ich hoffe, dass ich das so ganz gut gelöst habe. Falls jemand bessere Methoden kennt, um sowas darzustellen, freue ich mich über Ratschläge. Nächstes Mal geht es dann auch mit Rin weiter. :-) Eigentlich sollte am Ende noch eine Sache kommen, aber ich bin schon bei 27 Seiten und ihr habt lange genug gewartet, also kommt das mit ins nächste Kapitel. Meine ganze Kapitelplanung ist ohnehin schon komplett über den Haufen, also egal. :D
Warnungen: Erwähnung von versuchtem Suizid, Alkoholmissbrauch sowie Beschreibung von Selbstverletzung und psychischer Instabilität. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen vierten Advent euch allen! :3
Ich hoffe, ihr habt schon alle Weihnachtsbesorgungen erledigt. :D Ich bin sehr glücklich, dass ich es doch noch geschafft habe, das Kapitel zu beenden. Dieses und das nächste werden sich wohl vorwiegend mit Rins Erholung befassen, aber ich denke, er hat sich ein wenig Ruhe verdient. Damit wünsche ich euch allen schöne Weihnachten und falls wir uns nicht nochmal lesen sollten, einen guten Rutsch ins neue Jahr!~
Viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Wie versprochen gibt es neues Kapitel, dieses Mal mit etwas mehr Fluff. Und Yukio ist mal halbwegs nett, yay!~ :3 Rin braucht noch Zeit, um sich erholen, also habt etwas Geduld. Im nächsten Kapitel wird sicherlich wieder etwas mehr los sein und man kommt endlich mal wieder aus dem Exorzisten Hauptquartier raus. ^^
So oder so wünsche ich viel Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hab’s endlich geschafft! ^^° Erneut kann ich mir nur für die lange Wartezeit entschuldigen, allerdings lag es dieses Mal zumindest teilweise außerhalb meiner Macht. Ich habe eine ganze Weile festgehangen und als ich endlich vorangekommen bin und es so langsam auf das Ende zuging, hat sich mein Laptop verabschiedet und ist nicht länger gestartet. q.q
Kurz zusammengefasst: Nach ewigen probieren, hat er zwar gestartet, aber alle Daten waren komplett weg und er hat sich jedes Mal aufgehangen. Glücklicherweise hatten wir noch einen alten Laptop, den keiner mehr nutzt, also konnte ich den so lange zum schreiben nehmen. Ich musste allerdings mein gesamtes Kapitel neu schreiben und meinen Laptop weggeben, aber glücklicherweise geht er wieder, ich muss ihn nur neu einrichten.
Ich bin zwar immer noch nicht 100% mit diesem Kapitel zufrieden, aber egal, es kann mich jetzt mal, ich hab echt genug, also update ich jetzt. XD Hoffe es gefällt euch trotzdem. :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, nun nachdem ich seit dem letzten Monat tatsächlich zwei Jahre an dieser Geschichte sitze, gibt es ein neues Kapitel. Ich weiß nicht, ob ich mich freue oder nicht, eigentlich sollte sie längst fertig sein. XD Na ja, ich denke, die meisten werden sich nicht beschweren. ^^*

Wir haben noch einige Kapitel vor uns (Ich würde sagen mindestens zwischen 5-10 Stück, aber da ich bisher immer schlecht im Einschätzen war, möchte ich keine Garantie geben), ich hoffe, ihr bleibt weiterhin dabei. ^^

Damit viel Spaß mit dem neuen Kapitel! :-) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ja, Überraschung, ich lebe noch und ich habe ein neues Kapitel für euch. Wie immer hatte ich mal wieder mehr Ideen für neue Geschichten und OS anstatt für das eigentliche Kapitel, aber zumindest habe ich dadurch einiges für später. Wahrscheinlich wird es echt lange dauern, bis endlich mal alles abgearbeitet ist. XD
Manche Stellen wurden hier mehrmals überarbeitet, daher kann es durchaus mal passieren, dass mir Fehler entgangen sind bzw. manche Formulierungen mal öfter vorkommen. Ich wollte es euch aber nicht länger vorenthalten, wenn ihr etwas findet, sagt gern Bescheid. ^^
Auf jeden Fall viel Spaß. :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich habe es tatsächlich geschafft, dieses Jahr noch ein Kapitel raus zu bringen, ein Hoch auf mich! XD Ok, ernsthaft, ich weiß, es hat sich wie so oft gezogen. Ich habe Anfang November mit dem Studium angefangen und vor allem die Anfangsphase ist noch etwas kritisch, zumal sich durch die momentane Situation einiges verkompliziert hat. Ich werde euch nicht mit Details langweilen, jetzt habt ihr jedenfalls was. Die Geschichte nährt sich ohnehin langsam dem Ende, daher hoffe ich, ihr bleibt weiterhin dabei und habt Freude dran. ^^

Übersetzung: Idiota…nunca aprende…moroyw… (Spanisch und Gehennisch) – Idiot…lernen es nie…Idioten.

In jedem Fall wünsche ich euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr und natürlich viel Spaß. :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich gebe auch wieder ein Lebenszeichen von mir, ja, Hallo. :D

Leider geht’s noch nicht nach Gehenna, dafür dann im nächsten Kapitel und am Ende von diesem hier gibt es drei kurze Omakes. Wie für die meisten Omakes typisch, bitte nicht allzu ernst nehmen ;D Viel Spaß!

Erklärung:

Tik-Tik: Aus der philippinischen Folklore. Eine Abwandlung des Aswang (vampirähnliches Wesen), welches sich bei Nacht in einen großen Vogel oder eine Fledermaus verwandelt. Verdankt seinem Namen dem Tik-Tik Laut das es von sich gibt. Es begleitet in manchen Erzählungen den Aswang und verwendet das tik-tik um die Opfer zu verwirren. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Gesundes neues Jahr euch allen! Ich hoffe, ihr seid alle gut reingerutscht!
Ich habe soeben mit Entsetzen festgestellt, dass 2021 gerade mal ein Kapitel kam. Ich kann mich leider nur erneut entschuldigen, es tut mir wirklich sehr leid. T_T
Neben dem Studium habe ich noch mit Schreibblockaden zu kämpfen, ich hoffe aber wirklich, dass es dieses Jahr besser werden wird. Nochmal, Entschuldigung. :(
Nun ja, ich wünsche dennoch viel Spaß! Falls jemand überhaupt noch mitliest. ._. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach ewiger Zeit (ich gebe es einfach auf mit den Entschuldigungen ^^*) geht es endlich weiter! Leider ist das Kapitel etwas kürzer als sonst, aber ich denke, das eine ganz gute Stelle, um Schluss zu machen, Irgendwie wird es auch immer schwerer je mehr man sich dem Ziel nährt. >_> Aber gut, es ist wie es ist.

Kleine Vorwarnung, ich habe absolut keinen Plan von Kriegsführung und wahrscheinlich ist die Strategie totaler Bullshit. Aber hey, das ist Fiktion + Anime, da geht alles.

Viel Spaß! :3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Endlich ein Update, das nicht über ein halbes Jahr braucht, YAY! XD

Ich gebe zu, ich hatte hier noch einige Szenen geplant, die aber leider aus verschiedenen Gründen einfach nicht reinpassen, daher habe ich sie schlussendlich gestrichen. Ist wahrscheinlich besser, als ewig an diesem Kapitel zu hängen, weil man sie unbedingt drin haben möchte und dann vielleicht noch die Handlung unnötig in die Länge zieht. Tatsächlich kann ich echt nicht einschätzen wie viele Kapitel dieser Kampf noch dauern wird, vielleicht ist es schon im nächsten vorbei, vielleicht auch erst im übernächsten, lassen wir uns überraschen! :D

Wie immer wünsche ich viel Spaß! ^^ Komplett anzeigen

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Planloser Vatikan

 Mephisto hatte hiermit nicht gerechnet. Nachdem es ihm nach mehreren Stunden gelungen war, seinen Vater zu überzeugen ihn nicht für sein kleines "Missgeschick" mit Rin knusprig zu grillen, wollte er einige Tage in Gehenna blieben, um Zeit mit seinen Brüdern zu verbringen, doch angesichts der Tatsache, dass Satan noch immer eine tickende Zeitbombe war, beschloss er vorerst nach Assiah zurückzukehren. Die Dämonenkönige hatten sich dafür heute in Assiah angekündigt und zu seinem Pech war ausgerechnet in dieser Woche ein Treffen der Exorzisten aus aller Welt in der Vatikanstadt. Diese Zusammenkünfte waren nicht nur wahnsinnig langweilig, sondern verhinderten diesmal auch, dass er seine Geschwister in Empfang nehmen konnte, also musste ein Kompromiss her. Der Zeitkönig sorgte für die üblichen Schwachstelle in der äußeren Barriere der Akademie, sodass sie in einem sicheren Bereich landen und dort auf ihn warten konnten. Da heute der letzte Versammlungstag war, sollte es keine weiteren Probleme geben. Soweit so gut, aber leider hatten sie die Rechnung ohne das Gehennator gemacht. Es zu öffnen war für Satan einfach, aber zu bestimmen wo es sich genau öffnen sollte, war scheinbar so eine Sache. Normalerweise gab es keine Schwierigkeiten, aber diesmal war etwas gehörig schief gegangen. Kurz gesagt: Mephisto war gerade mitten in einem Treffen mit den Grigori, als ein tiefes Rumpeln ertönte und sich das Gehennator mitten im Raum öffnete, ohne dass jemand wusste wie das möglich war. Die äußeren Barrieren, welche die Akademie umgaben, enthielten mehrere Schlupflöcher für Dämonen (namentlich die Dämonenkönige), während die inneren Barrieren und jene die das Vatikangebäude umgaben so gut wie undurchdringlich waren. Nur Mephisto konnte entscheiden ob Dämonen diese passieren konnten oder nicht, wobei Satan diese wohl auch zerstören könnte, wenn er körperlich in Assiah präsent wäre. Dennoch war das Tor aufgetaucht und alle befanden sich in einer mehr als unangenehmen Situation. Die Dämonenkönige standen mitten im Saal und starrten verwirrt die Grigori und ihren Bruder an, die Grigori starrten dafür die Dämonen an und Samael konnte spüren wie sein Auge irritiert zuckte. Natürlich konnte es nur ihm passieren, dass plötzlich sieben der mächtigsten Dämonen Gehennas ohne Vorankündigung mitten im vermaledeiten Ratssaal des Vatikans auf der Matte standen! Schlussendlich lief es darauf hinaus, dass man die Namen der Endringlinge verlangte, welche sie obendrein noch nannten. Wahrscheinlich wollten sie sehen wie die Anwesenden darauf reagierten, dass alle acht Dämonenkönige problemlos nach Assiah gekommen waren. Ja alle acht. Ob nun aus Verwirrtheit oder Provokation heraus, hatte Iblis Mephisto mit seinem Geburtsnamen angeredet und somit als einen der ihren entlarvt. Manchmal würde der König der Zeit am liebsten seinen jüngeren Brüdern den Hals umdrehen. Jedoch...

 

„Lucifer, Samael, Azazel, Beelzebub, Egyn, Iblis, Amaimon und Astaroth....das sind doch wohl nicht...”, sagte einer der Grigori langsam. ‚Was gibt es da zu überlegen?‘, dachte Mephisto -nun als Samael entlarvt- stirnrunzelnd. ‚Die Situation ist ja wohl eindeutig...‘ Er war nicht der Einzige der so dachte. „Das sind die acht Dämonenkönige!”, rief eine zufällige Person, welche an einem Freitagnachmittag seine Zeit als einer der normalerweise stummen Wächter fristen musste. Armer Kerl.  Er deutete anklagend auf Mephisto. „Und Sir Pheles ist Samael!”

 

‚Tja, das war es dann wohl. Bedauerlich, ich habe die Zeit hier in Assiah wirklich genossen und die Ereignisse haben sich in eine solch interessante Richtung bewegt. Andererseits musste mich nach über 1000 Jahren mein Glück wohl verlassen. Jetzt brauche ich ein neues Spielfeld und neue Spielfiguren.‘ , dachte der Zeitkönig ein wenig verärgert. ‚Und ich muss mir etwas wegen Rin überlegen, denn ihn bei den Exorzisten zu lassen steht wirklich außer Frage...‘ Was danach folgte ließ seine und die Kinnladen seiner Brüder beinahe aufklappen. „Papperlapapp”, erwiderte eines der Ratsmitglieder unwirsch und machte eine Handbewegung als wolle er eine Fliege verscheuchen. „Die Vorstellung, dass die Dämonenkönige einfach hier auftauchen könnten, ist vollkommen lächerlich und wenn Mephisto Samael wäre, hätten wir das längst bemerkt. Wahrscheinlich ist das eine Art schlechter Aprilscherz-”

 

„ES IST JUNI”, wurde er vom Wächter beinahe hysterisch unterbrochen. Nach und nach wurde der Streit immer lauter und Samael widerstand dem Drang sich seine flache Hand vor den Kopf zu schlagen. ‚Ich fasse es einfach nicht.‘, dachte der Dämon matt. ‚Der Beweis ist vor ihrer Nase und sie tun es in ihrem Hochmut als einen...Scherz ab?‘ Erschöpft schüttelte er den Kopf. Die Dummheit einiger Sterblicher schaffte es tatsächlich noch ihn sprachlos zu machen, dabei hatte er bereits so manches erlebt. Allein die frühere Vorstellung der Sterblichen, die Sonne würde sich um die Erde drehen war einfach lächerlich.  Nicht dass er sich über die Einfältigkeit seitens der Menschen beschweren würde, wenn es tatsächlich zu seinen Gunsten ausgehen sollte, aber ernsthaft? Es dauerte seine Zeit bis er sprachlos war, er hatte immer eine Antwort oder einen Spruch parat, jedoch stieß er diesmal an seine Grenzen. ‚Nun, immerhin ist es unterhaltsam.‘, stellte er fest  und wandte sich an seine ebenso verwirrt dreinschauenden Brüder. Während Lucifer einen ähnlichen Gesichtsausdruck hatte, starrten Azazel, Beelzebub und Amaimon die Exorzisten mit einem emotionslosen Gesichtsausdruck an, Egyn schaute mit großen Augen zwischen dem Wächter und dem Rat hin und her und versuchte festzustellen, ob sie es ernst meinten oder sich bewusst dumm stellten. Derweil sahen Astaroth und Iblis aus, als wären sie hin und her gerissen zwischen lautem loslachen und angreifen. Samael gesellte sich zu ihnen, noch immer ein wenig ratlos wie er sich verhalten sollte. Sie schwiegen kurz, bis schließlich Egyn das Wort ergriff: "Machen die das öfter?" Wie schon vor einigen Wochen als er die Verfolgungssaal zwischen seinem zweitältesten Bruder und seinem Vater beobachtet hatte, spielte er mit einer Haarsträhne, was seine Nervosität deutlich machte. Gleichzeitig lehnte er sich leicht nach außen um einen besseren Blick auf die Streitenden zu haben. Er war mit seinen 1,75 m der kleinste und zierlichste, weswegen er öfter von seinen Brüdern aufgezogen wurde. Samael massierte sich irritiert die Schläfen, immerhin waren die lauten Stimmen der Menschen wirklich nichts für Dämonenohren. „Ich fürchte ja. Das einzige was schlimmer ist, ist dieser Papierkram mit dem ich mich immer herumschlagen muss. Es ist manchmal fast wie schlimm wie Zuhause.” Amaimon lutschte inzwischen an einem Loli, offensichtlich hatte er jegliches Interesse an den Exorzisten verloren. Dafür sah Iblis ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wo hast du den wieder her?” So gesehen war die Frage überflüssig, immerhin schien Amaimon einen nicht endeten Vorrat zu haben, aber neugierig waren sie trotzdem. „Bei meinem letzten Besuch habe ich einige aus dem Kiosk in der Schulcafeteria geholt, ansonsten müsste ich Samaels Zeug essen.” Alle erschauderten, bis auf Samael der sie entnervt ansah, denn seit dem Zwischenfall mit Rin brachten sie das Thema immer wieder. Wie oft musste er noch sagen, dass es nicht seine Schuld war?! Die anderen ignorierten den Blick des Todes. „Können wir jetzt gehen? Die nerven mit ihrem Gezanke!”, meinte Astaroth unwirsch, woraufhin sie sich zum Ausgang begaben und da sie niemand aufhielt, verließen sie zügig den Saal und teleportierten sich nach Japan. Dank der Zeitverschiebung war es dort bereits Abend und die Sonne war am untergehen, sie mussten sich somit nicht allzu große Sorgen machen, von Schülern oder Exorzisten sofort gesehen zu werden. Sie erlaubten sich dennoch erst stehen zu bleiben, als sie auf einem der abgelegeneren Höfe der Heiligkreuz-Akademie standen. „Also...”, begann Beelzebub zögerlich. „Was ist da gerade passiert?” Samael funkelte seine Brüder wütend an. „Genau das wollte ich eben auch fragen. Was denkt ihr euch eigentlich dabei im Ratssaal der Grigori aufzutauchen?! Habt ihr eine Ahnung was das für uns Dämonen und vor allem für mich bedeuten könnte?!”

 

„Hey, es war nicht unsere Schuld und Vater hat es sicher nicht mit Absicht gemacht, Sammy!", konterte Iblis gereizt, woraufhin er einen irritierten Blick erhielt. Er wusste genau, dass er diesen Spitznamen hasste! „Wie ist das überhaupt möglich?”, fragte Astaroth stirnrunzelnd. „Wir wissen ja, dass einige Stellen in der Barriere absichtlich für ins geschwächt sind, aber die Gehennapforte taucht innerhalb des Vatikans auf? Dort sind die Barrieren doch normal!” Alle wandten sich wie auf Kommando Lucifer zu und blickten ihn fragend an. Obwohl sie selbst mehrere Jahrtausende alt waren, war der Lichtdämon immer noch der Älteste und nicht nur der Stärkste, sondern hatte auch eine Art Führungsposition inne. Somit wandten sie sich oft an ihn, wenn sie Rat benötigten und ihr Vater nicht zugegen war. Der König des Lichts rieb sich nachdenklich das Kinn. „Ich bin mir nicht sicher...ich glaube nicht, dass es so etwas schon einmal gab, aber ich müsste Zuhause die Aufzeichnungen in unseren Archiven überprüfen oder Vater direkt fragen.”

 

„Moment, Vater kann doch auch ein Portal in Samaels Büro öffnen? Das liegt ebenfalls innerhalb der inneren Barrieren, nicht wahr?", fragte Azazel, welcher bisher geschwiegen hatte, in seiner typischen monotonen Stimmlage. Es war überraschend, dass er sich überhaupt beteiligte, denn er redete nie viel und überließ lieber seinen Geschwistern das Reden. „Da hebe ich die Barrieren immer auf.”, erklärte der Zeitdämon knapp. Iblis, der zusammen mit Astaroth der Hitzkopf der Gruppe war, hatte die Geduld verloren. „Ist doch scheißegal wie das Portal da gelandet ist! Hauen wir ab bevor uns die Exorzisten am Arsch kleben!”

„Warum sollten wir?”, erwiderte Amaimon langsam. „Gegen uns alle gewinnen sie nie. Mir ist langweilig und es macht immer Spaß sie zu erledigen...”

 

„Ich bin für Amaimons Vorschlag.”, warf Astaroth mit einem sadistischen Grinsen ein. „Es ist schon zu lange her, dass ich Exorzisten umbringen konnte. Es gibt wirklich nichts Befriedigenderes, als zuzusehen wie sie krepieren!” Er lachte kurz auf und Iblis begann ebenfalls zu grinsen. „Wenn man es so betrachtet...”, begann der Feuerkönig, wurde allerdings von Egyn unterbrochen. „Ihr beiden seid wirklich unmöglich.”, meinte er kopfschüttelnd. „Je länger wir hier bleiben desto wahrscheinlicher ist es-”

 

„Aw, hat der Zwerg solche Angst vor den großen, bösen Exorzisten?”, grinste Iblis und Egyn funkelte ihn wütend an. Der Wasserdämon war älter als der Feuerdämon, er musste nicht so mit sich reden lassen! Das Temperament des jüngeren Dämons und seine streitsüchtige Art gingen ihm öfter auf die Nerven, jetzt reichte es! Er bereitete sich darauf vor seinen jüngeren Bruder mit einer Wasserwelle zu überschwemmen und Iblis darauf den Angriff abzuwehren, aber die älteren Dämonenkönige (außer Mephisto) griffen ein. „Das reicht jetzt!”, fuhr Lucifer dazwischen, während Azazel und Bezzlebub zwischen die beiden traten, ehe tatsächlich ein Kampf ausbrechen konnte. Das letze was sie jetzt gebrauchen konnten, war ein Streit, welcher ihre Umgebung in Schutt und Asche legte. „Und es wurde gerade interessant...”, murmelte Amaimon enttäuscht, während Samael mit dem Kopf schüttelte, jedoch leicht grinsen musste. Er würde es niemals laut sagen, aber er hatte seine Halbgeschwister vermisst, jedoch riss Beelzebubs Stimme ihn aus seinen Gedanken. „Also gut, vergessen wir fürs Erste die Gehennapforte. Viel wichtiger ist es unsere nächsten Schritte zu planen. Wir können nicht offen auf dem Schulgelände umherwandern.” Lucifer nickte. „Ich stimme zu. Am besten wir ziehen uns an einen Ort zurück, wo wir keinen Angriff zu befürchten haben. Außerdem müssen wir Vater eine Nachricht senden. Azazel würdest du das bitte übernehmen?” Azazel nickte langsam, schlurfte zu einer Stelle ein wenig abseits von der Gruppe und begann mit seinem Fuß ein Symbol in den Dreck zu ziehen. Gewöhnliche Sterbliche würden es als irgendein fiktives Symbol bezeichnen, ausschließlich Dämonen sowie einige Exorzisten wussten, was es wirklich war: Azazels Siegel. Da er und seine Untertanen mit Wind und Geistern in Verbindung standen, fiel es ihnen (neben Samael und seinem Gefolge) am leichtesten Botschaften zu verschicken, auch von Assiah nach Gehenna. Dafür war es jedoch nötig das jeweils zugehörige Siegel zu platzieren. Samael schaute zu wie Azazel einen seiner magischen Diener heraufbeschwor und die Nachricht auf Gehennisch -der Sprache der Dämonen- weitergab. Beelzebub hatte sich derweil unter einen Baum gekniet und musterte etwas mit großem Interesse, wahrscheinlich irgendwelche Käfer. Als König der Insekten hatte er (zum Leidwesen seiner Familie) großes Interesse an den Krabbeltieren, aber Spinnen und Skorpione faszinierten ihn ebenfalls. Die Tatsache, dass er diese Viecher selber züchtete machte es nicht besser. Auch wenn viele aus Assiah kamen und somit für Dämonen größtenteils ungefährlich waren, hatte er viele Exemplare, welche in Gehenna heimisch waren oder er selbst geschaffen hatte und wesentlich größer waren. Während die Sterblichen in Assiah menschenfressende Rieseninsekten und Riesenspinnen für Fiktion hielten, waren sie in Gehenna nichts ungewöhnliches und Samael hatte Respekt vor Dingen mit längeren Zähnen und giftigen Riesenstacheln. Er würde nie verstehen was Beelzebub in diesen Kreaturen sah, aber jedem das seine. Iblis und Astaroth hatten sich am Rande des Hofes positioniert und hielten Ausschau nach Exorzisten und anderen ungebetenen Gästen. Wahrscheinlich hofften sie sogar auf Ärger. Sie lagen vom Alter her nicht allzu weit auseinander (Iblis war der sechstälteste, Astaroth bis zu Rins Geburt der Jüngste) und hatten ähnliche Einstellungen, weswegen sie sehr gut auskamen. Amaimon knabberte an einem neuen Lutscher, neben ihm saß Egyn, welcher noch immer eingeschnappt wirkte, denn er warf Iblis öfter giftige Blicke zu. Er war Iblis komplettes Gegenteil: relativ ruhig, geduldig und er dachte nach bevor er handelte, zumindest meistens. Er hatte jedoch ein Problem: Dämonen hatten einen sehr stark ausgebildeten Beschützerinstinkt gegenüber Familie und Freunden, waren sie in Gefahr, handelten sie also sofort, aber Egyn tendierte dazu sich zu viele Sorgen zu machen Dinge zu dramatisieren. Es war anstrengend, aber verständlich, besonders wenn man bedachte, dass sie alle in der Vergangenheit einige mehr als unschöne Sachen erlebt hatten. Die Exorzisten würden es nicht glauben, aber entgegen der allgemeinen Vorstellung waren Dämonen sehr familienorientiert. Wer sich mit einem Familienmitglied anlegte, musste damit rechnen bald die restliche Verwandtschaft am Hals zu haben. Besonders bei jüngeren Familienmitglieder reagierte der Rest empfindlich. Erneut musste Samael grinsen. Rin würde sich auf einiges gefasst machen müssen, wenn er irgendwann in Gehenna ankam, immerhin würde er als jüngster und mit acht älteren Brüdern keine ruhige Minute haben. Da er auch noch ein Halbdämon war, galt er in ihren Augen nur als zusätzlich gefährdet und würde sich vor besorgten Brüdern (und Satan) kaum retten können. „Samael? Samael?! Hey, ich rede mit dir!” Lucifers Stimme riss ihn erneut aus seinen Gedanken. Er seufzte innerlich. Man wollte ihm einfach keine ruhige Minute gönnen, wie? Er wandte sich an den ältesten Dämonenkönig und hob eine Augenbraue. „Ja, was gibt es?” Lucifer wirkte etwas genervt, doch wiederholte die Frage. „Ich habe dich gefragt, ob es innerhalb der Akademie einen Ort gibt, an dem wir uns ungestört zurückziehen können.” Samael nickte. „Mein Büro dürfte ausreichen.” Azazel hatte sein Siegel inzwischen verscharrt, um die Exorzisten nicht misstrauisch zu machen und gesellte sich mit den restlichen Dämonenkönigen wieder zu ihnen. „Es wird noch eine Weile dauern. Laut Charon befindet sich Vater gerade in einem Treffen. Scheinbar drängen mehrere der Generäle darauf den Exorzisten den Krieg zu erklären und sie endgültig zu vernichten.” Die Anderen stöhnten auf. Warum gerade jetzt? „Das überrascht mich nicht. Besonders Cain und Alastor drängeln schon ewig.”, murmelte Amaimon. „Es überrascht niemanden. Ich habe erst vor einigen Tagen überhört wie sich Sariel und Halphas darüber unterhalten haben. Aber sie hätten sich ruhig einen besseren Zeitpunkt für Kriegsräte aussuchen können und dann machen sie das auch noch ohne uns!", rief Egyn verärgert. Beelzebub zuckte mit den Schultern. „Ich schätze mal, Vater wird nur damit beschäftigt sein, denen das auszureden, also verpassen wir nicht wirklich etwas, aber wie wollen wir uns jetzt die Zeit vertreiben?”

 

„Nun...”, begann Samael. „Ich hätte Anime und Instant Nudeln...” Astaroth verdrehte die Augen.. „Du weißt schon was das Zeug mit deinem Magen anstellt?”

 

„Wir könnten auch Rin suchen und ihn gleich nach Gehenna mitnehmen.” Wie immer sprach Azazel ziemlich leise, die anderen verstanden ihn dennoch und wandten sich ihrem Bruder überrascht zu. „Wir sind innerhalb der Barrieren, demzufolge wird uns keiner so leicht aufhalten. Außerdem hatte Vater nachdem die Exorzisten Wind von ihm bekommen haben, doch ohnehin vorgehabt ihn nach Hause zu holen. Die Chance, dass sie ihre Meinung ändern und Rin töten, ist nicht gering und früher oder später würde uns Vater sowieso schicken. Es ist weniger Stress, wenn wir es jetzt tun.” Die Dämonen sahen sich verblüfft an, doch Azazel hatte ein Argument. Satan hatte wirklich beschlossen, dass sein jüngster Sohn in Gehenna sicherer wäre und wollte demnächst einige von ihnen schicken, um ihn zu holen. Warum also die Sache nicht beschleunigen? Ein Grinsen stahl sich auf ihre Gesichter. „Bin dabei.”, verkündete Astaroth, die Vorfreude offensichtlich. „Versuche nur ihm diesmal keine glühenden Gegenstände ins Gesicht zu pressen, ja?”, warf Egyn bissig ein. Er hatte Astaroth diese Aktion wahrlich übel genommen. „Ja, ja...”, grummelte dieser nur genervt. Lucifer nickte daraufhin Samael kurz zu, um seine Zustimmung zu zeigen. Dieser grinste noch breiter und bedeutete den anderen mit einer Handbewegung ihm zu folgen. „Hier entlang, bitte .~”

 

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Rin ließ sich erschöpft auf sein Bett plumpsen. Endlich war der Tag vorbei! Er hatte nicht nur gefühlt jeden der drei heutigen Tests in den Sand gesetzt, sondern war zusätzlich noch von einem Überraschungstest in der Exorzistenklasse überrollt worden. Da er dank Mephisto einige Wochen nicht am Unterricht teilnehmen konnte, hatte er das Gefühl sogar noch schlechter als sonst abgeschnitten zu haben. Dieser Clown schien es sich wirklich in den Kopf gesetzt zu haben, ihn zu quälen. Hinzu kam noch eine extrem nervenaufreibende Sportstunde, denn einer der Reaper hatte sich losgerissen und die ganze Halle verwüstet. Das Ende vom Lied war, dass die Exwire ihn ewig durch die Gegend jagen mussten und vollkommen erschöpft waren, als sie ihn endlich eingefangen hatten. Unglücklicherweise hatte Professor Tsubaki diesen Zwischenfall als unbedeutend eingestuft und darauf bestanden den Unterricht normal fortzuführen. Gott sei Dank (nun ja, eigentlich seiner Frau sei Dank) hatte er es nach 15 Minuten endlich aufgegeben und sie entlassen, um sich schnellstmöglich auf dem Weg zu seinem "Kätzchen" zu machen. Trotz allem hatte Rin relativ gute Laune. Er war froh, dass seine Freunde ihn trotz seiner Herkunft akzeptiert und der Vatikan entschieden hatte, ihn zumindest vorerst leben zu lassen. Zumindest diesbezüglich war er dem Clown etwas schuldig. Der Nephilim hatte keine Ahnung was mit Amaimon geschehen war, dieser war nach dem Kampf im Wald spurlos verschwunden. Nicht dass er sich darüber beschweren würde, immerhin hatte der Brokkolikopf ihm wirklich einiges abgefordert und ein Problem nach dem anderen beschert., aber seltsam war es dennoch. Hoffentlich beschloss er nicht wieder aus heiterem Himmel aufzutauchen und sich zu rächen. Rins Handy vibrierte und ein kurzer Blick auf das Display verriet ihm, dass er eine Nachricht von Shiemi hatte. Er entsperrte den Bildschirm und öffnete seinen Nachrichten Ordner. „Wir sind in dreißig Minuten da. Wir freuen uns schon :D

 

‚Dreißig Minuten wie? Das trifft sich ganz gut, ich wollte eh noch duschen.‘, dachte Rin erleichtert. Sie hatten den Abend schon seit einer Weile geplant und er war froh ein wenig Dampf ablassen zu können. Yukio war für das Wochenende auf eine Mission gegangen, somit würde Rin die nächsten Tage das Wohnheim für sich haben und die Gesellschaft seiner Freunde war ihm also mehr als willkommen. ‚Und das Beste ist: keine weiteren Geheimnisse.‘ Zehn Minuten später verließ Rin die Dusche und zog sich in seinem Zimmer eine bequeme Jeans und seinen blauen Lieblingshoodie an, als er plötzlich meinte, eine Tür ins Schloss fallen zu hören. Er hielt inne, um zu lauschen, jedoch blieb alles ruhig. Schulterzuckend tat er es als Einbildung ab. Seine Ohren waren dank des dämonischen Blutes wesentlich schärfer, als die eines herkömmlichen Menschen, wahrscheinlich hatten sie irgendein Geräusch aufgenommen und ihm einen Streich gespielt. Er wollte gerade sein Handy greifen um nach der Uhrzeit zu schauen, als er ein lautes Poltern hörte. Rin zuckte zusammen. Es war also doch keine Einbildung! Aber wer war es? Yukio war längst aufgebrochen, also konnten es nur Ukobach oder Kuro sein. Allerdings...jetzt wo er darüber nachdachte, hatte er den Dämonenkoch den ganzen Tag noch nicht gesehen und Kuro war kurz nachdem Rin zurückgekehrt war, nach draußen gegangen, also konnte er es auch nicht gewesen sein. Abgesehen davon konnten Katzen keine Türen öffnen, Dämon hin oder her. ‚Ach was soll's...was kann schon schief gehen?‘, überlegte Rin, ohne zu realisieren, dass er soeben mal wieder das Schicksal herausgefordert hatte. Er stand auf, griff Kurikara und begab sich auf den Weg zur Wohnheimsküche. Es war stockfinster und er brauchte einige Sekunden bis er den Lichtschalter fand. Wie erwartet war der Raum leer, jedoch stimmte etwas nicht. Einige der Stühle waren umgeworfen als wäre jemand gegen sie gerannt, jedoch war sich Rin sicher, dass am Morgen noch alle standen. Er legte sein Schwert auf einem Tisch ab und sah sich um. Wer trieb sich um die Zeit hier rum? Yukios Fanclub? Nein, die dürften ihre Lektion gelernt haben. Offiziell war das Gebäude verlassen, Einbrecher waren also unwahrscheinlich und seine Freunde würden in erst in ungefähr zwanzig Minuten aufkreuzen. Er trat an ein Fenster und spähte nach draußen. ‚Nichts zu sehen...‘

 

„Hallo kleiner Bruder, kennst du mich noch?”, wurde er plötzlich angesprochen. Rin erbleichte und sein Blut gefror ihm in den Adern, während sich seine Haare (auch die an seinem Schweif, was ein extrem seltsames Gefühl war) aufstellten. Er kannte diese Stimme und obwohl er sie schon vor einer ganzen Weile gehört hatte, würde er sie nie vergessen. „Ein Menschen Barbecue! Ahahahaha! ‚Astaroth. Nein. Das kann nicht sein. Ich dachte die Barrieren vom Clown...‘ Langsam drehte sich der Halbdämon um und stellte fest dass nur einige Meter vor ihm acht Personen standen. ‚Verdaaaamt...‘ Er erkannte nur Mephisto und Amaimon, konnte sich jedoch leider bereits denken, wer die anderen waren. Die Person ganz außen war groß, hatte blasse Haut, blonde Haare und grüne Augen. Er wirkte ruhig, ließ Rin jedoch nicht aus den Augen. Er bildete einen starken Kontrast zu der Person neben ihm. Dieser Dämon (Rin hatte die spitzen Zähne und Ohren, aber auch ihre leicht geschlitzten Pupillen bemerkt, es gab also keine Zweifel) hatte schwarze Haare, welche ihm bis knapp unter die Schulterblätter reichten, seine Haut war kreidebleich und verdeckten das rechte seiner silbrig-weißen Augen. Sein Gesicht war frei von jeglicher Emotion, jedoch meinte Rin einen Funken Neugier in den geisterhaften Augen zu sehen. Der nächste hatte schulterlange, hellgrüne Haare mit braunen Spitzen und war ungefähr so groß wie der geisterhafte Dämon. Rin war allerdings eher auf dessen Augen fixiert. Die Pupillen waren wie bei allen Dämonen leicht geschlitzt, sein rechtes Auge war jedoch rot, das andere grün. Er erwiderte Rins Blick mit leicht zur Seite geneigtem Kopf, offensichtlich ebenfalls neugierig. An einem der Tische lehnte ein weiterer Dämon mit verschränkten Armen und sah Rin grinsend an. Er hatte im Gegensatz zu den anderen gebräunte Haut. Seine Haare erinnerten dank ihrer roten Farbe, den orange-gelben Spitzen und ihrer Form an Flammen. Der Halbdämon meinte außerdem einige goldene Ring Piercings an den Ohren zu erkennen. Piercings hatte auch der Dämon der auf dem Tisch saß, jedoch hatte er sie nicht nur Silberringe in den Ohren, sondern auch über seinen Augenbrauen. Seine kurzen Haare waren grau, seine Augen rot. Er grinste ebenfalls leicht hämisch. Der letzte Dämon war winzig im Vergleich zu den anderen und relativ zierlich, aber Rin wusste wie töricht es war, andere nach dem Körperbau einzuschätzen. Seine blauen Haare gingen ihm bis zur Hüfte, seine Augen waren ebenfalls blau. Er wirkte etwas angespannt, aber nicht feindselig. Genau genommen wirkte keiner feindseelig, sogar Amaimon von dem Rin erwartet hätte, dass er sofort angreifen würde, stand seelenruhig da. Mephisto grinste leicht, Rin hatte nur einen Gedanken. ‚Ich bin so am Arsch.‘

 

„Hey Mephisto...Amaimon...”, begann er zögerlich und versuchte seine Panik zu unterdrücken. "Wer sind denn eure Freunde.......?” Noch im selben Moment hätte er sich am liebsten selbst in den Hintern getreten. ‚Wow Okumura...wirklich super gelöst. Dumme Fragen stellen und wie ein Vollidiot dastehen. Perfekt.‘ Mephistos Grinsen wurde noch breiter. „Ich glaube, das weißt du schon.~” Aus dem Augenwinkel konnte Rin sehen wie der Flammenhaartyp nach etwas griff, aber er wagte es nicht seinen Blick von Mephisto abzuwenden. „Ach ja.”, fügte Mephisto hinzu als wäre ihm gerade ein Gedanke gekommen. „Da wir unter uns sind, würde ich es bevorzugen wenn du mich mit meinem richtigen Namen anreden würdest. Das wäre Samael falls du nicht bereits darauf gekommen bist. Ich schätze 'großer Bruder' funktioniert auch.~” Samael. Rin war wirklich nicht was man als fleißig bezeichnen würde, wenn es zur Schule kam, aber sogar er wusste inzwischen die Namen der acht Dämonenkönige. Zu Beginn hatte er große Probleme gehabt sich die Namen und Zuordnungen zu merken, was irgendwo peinlich war, denn auch wenn er es abstritt, waren diese Dämonen seine Halbbrüder. Nach der Begegnung mit Amaimon hatte er sich jedoch eingestanden, ernsthaft im Nachteil zu sein, wenn er nichts über die Wesen wusste, gegen die er früher oder später kämpfen würde. Er hatte versucht mehr über die anderen Söhne Satans in Erfahrung zu bringen und es tatsächlich geschafft sich die Namen und einige ihrer Fähigkeiten zu merken, doch im Angesicht der besagten Dämonen schien sein Kopf wie leergefegt zu sein. Samael war der zweitälteste und Dämonenkönig der...Geister? Nein, das war Azazel! Samael war der Dämonenkönig von Zeit und Raum! ‚Toll das Büffeln mit Yukio hat echt was gebracht...zu schade, dass er es wohl nie erfahren wird...oder mir gerade irgendwas bringt.‘, dachte Rin trocken und ließ seinen Blick möglichst unauffällig durch den Raum schweifen, in der Hoffnung Kurikura zu entdecken. Er musste es finden und vor ihnen erreichen! „Was ist los?", fragte Iblis feixend, zumindest glaubte Rin, dass es Iblis war. Wenn er sich richtig erinnerte, war dieser der Dämonenkönig des Feuers und von seinem Aussehen her, würde es auf jeden Fall zusammenpassen. „Suchst du zufällig das hier?”, fuhr er fort und Rin rutschte das Herz in die Hose, als er sah was der ältere Dämon hielt. Kurikara. ‚Wann hat er...?‘ Den Halbdämonen traf die Erkenntnis wie ein Schlag. Er hatte aus dem Augenwinkel gesehen wie der Kerl das Schwert gegriffen hatte! Warum war er auch so bescheuert gewesen und hatte das Schwert einfach auf einem Tisch liegen lassen, wenn er Eindringlinge im Gebäude vermutete?! „Sorry Kleiner, aber wir können nicht zulassen, dass du deine Kräfte entfesselt und damit Exorzisten auf den Plan rufen, die stören nur.”, meinte Iblis mit einem beinahe entschuldigendem Grinsen. „Vor allem nachdem du Amaimon so zugerichtet hast. Übrigens nicht schlecht für einen Anfänger.”

 

„Komm einfach mit. Das ist für alle einfacher, kleiner Bruder.”, ergänzte der Dämon mit den verschiedenen Augenfarben. Rin wusste nicht wer er war und es war ihm momentan auch vollkommen schnuppe. „Ihr seid also...”, begann er, brach jedoch ab. Es gab jetzt wichtigeres! Einen Ausweg finden zum Beispiel. Sein Blick huschte zum Eingang. Er könnte es schaffen hin zu sprinten, dann müsste er es nur noch zum Haupteingang schaffen und konnte dann zu seinen Freunden fliehen. Aber konnten sie ihm wirklich dabei helfen gegen alle Dämonenkönige zu kämpfen? Nie im Leben! Seine einzige Chance waren erfahrene Exorzisten wie Shura und Angel. Rin war nicht angetan davon Angel um Hilfe zu bitten bis ihm einfiel, dass er ohnehin in Italien war. Alles im allem musste er einsehen, dass es miserabel um seine Chancen stand. Vernünftige Personen hätten wohl aufgegeben, aber glücklicherweise war Rin sehr unvernünftig. Nach kurzem Abwägen entschied er sich etwas dummes zu tun. Mit einem letzen Blick auf sein Schwert sprintete er zur Tür und verschwand im Flur. Azazel seufzte leise. Also die harte Tour. Wie nervig. „Worauf wartet ihr?”, fragte Samael. „Holt ihn euch!”, kam die Bestätigung von Lucifer.

Familienbande

Rin lief durch die dunklen Flure des Wohnheims. Die Eingangstür war fast erreicht, aber das plötzliche Auftauchen von Azazel hatte ihn gezwungen umzukehren. Er hatte gehofft, sie abhängen zu können, da er gewissermaßen den Heimvorteil hatte, doch dann fiel ihm ein, dass Mephisto das Wohnheim wahrscheinlich noch besser kannte. ‚Tja eins zu null für Team Gehenna.‘, dachte er grimmig. Wenn er aus der Nummer heil rauskommen sollte, würde er dem Clown bei der nächsten Gelegenheit die Zähne ausschlagen und ihn danach extra knusprig grillen! Er sprintete um eine Ecke und wäre fast in Amaimon rein gerannt, doch glücklicherweise schaffte er es gerade noch die Richtung zu ändern und der Erdkönig griff ins Leere. Wo war der denn hergekommen?! Vom Speisesaal aus kam man nur über den Weg, den Rin genommen hatte zu diesem Flur, daher hätte Amaimon ihn überholen müssen, um zuerst anzukommen. ‚Moment mal...‘, dachte der Halbdämon und seine Augen weiteten sich. ‚Mephisto...Samael...ach egal! Der Clown kann sich doch teleportieren. Können die anderen das auch?!‘ Wäre dies der Fall, hätte er ein noch größeres Problem. Er hörte Schritte, die sich rasch von allen Seiten näherten, ihm blieb also nichts anderes übrig als die Treppen zu nehmen. Während er hinauf lief, musste er sich grimmig eingestehen, dass er den Dämonen soeben in die Hände gespielt hatte. Nach oben zu fliehen bedeutete alle möglichen Ausgänge hinter sich lassen. Er könnte vielleicht aus einem Fenster springen, aber wenn er Pech hatte, würde er sich nur die Beine oder sogar das Genick dabei brechen und dann war es das mit abhauen. Wobei, wenn letzteres eintrat, wäre ohnehin alles egal. Natürlich wusste er von den Regenerationsfähigkeiten der Dämonen, die solche Stürze zu keinem Problem machten, immerhin besaß er sie selbst, aber er hatte keine Ahnung wie er von diesen Fähigkeiten Gebrauch machen konnte. Er hatte einmal einen für Menschen unmöglichen Sprung geschafft (Warum hatte das eigentlich keiner hinterfragt?),um Bon vor dem Reaper zu retten und Verletzungen, die ihm zugefügt worden schnell geheilt, aber dies war alles reiner Instinkt gewesen. Es gab also keine Garantie, dass eine solche Aktion gut gehen würde. ‚Also entweder springe ich aus einem Fenster und riskiere es mir sämtliche Knochen zu brechen oder gar zu sterben oder ich lasse mich zu Satan bringen...‘ Rin erinnerte sich an die Nacht als er zum ersten Mal auf den Dämonenherrscher traf, sein irres Lachen und wie er verkündet hatte, er könne ihn auch "Papa" nennen. ‚Tja ich schätze ich suche mir ein Fenster.‘ Nie im Leben würde er sich auch nur in die Nähe dieses durchgeknallten Pyromanen begeben! Dummerwiese schien Samael seine Idee erwartet zu haben, denn so sehr Rin sich anstrengte, er konnte trotz übernatürlicher Stärke kein einziges Fenster öffnen. Plötzlich stellten sich erneut seine Nackenhaare auf und er sprang instinktiv beiseite, sodass ihn Astaroths Angriff knapp verfehlte. Der Nephilim wandte sich nach links, doch von dort kam Iblis, daher bleib nur rechts. Rin rannte los, die zwei Dämonen hetzten hinterher, griffen ihn aber zumindest nicht an. Stattdessen flogen ihm jede Menge Kohletierchen ins Gesicht. Während er versuchte sie zu verscheuchen, entdeckte er am Ende des Flures einen wackligen Stapel mit aufgeschichteten Möbeln wie kaputten Tischen, Stühlen und einer Kommode. Er erinnerte sich dunkel daran, dass das Bein des untersten Tisches wacklig war und bei einem starken Zusammenstoß der gesamte Stapel umkippen würde. Keine seiner besten Ideen, aber ihm gingen die Optionen aus! Er lief weiter und trat im vorbeirennen so hart gegen das Tischbein wie er konnte. Seine Idee funktionierte: Der Stapel war vollkommen aus dem Gleichgewicht, kippte um und das in genau dem Moment, als Iblis und Astaroth ihn erreichten. Rin konnte Astaroth „Nicht schon wieder!” rufen hören, während Iblis laut in einer ihm unbekannten Sprache fluchte. Ein lautes rumpeln und krachen ließ verlauten, dass die Dämonenkönige mit Voll Karacho in den Stapel gerannt waren. ‚Eins zu Eins‘, stellte er mit gewisser Genugtuung fest und musste ein Grinsen unterdrücken. Es wäre ihm jedoch ohnehin schnell vergangen, denn wie er feststellen musste, hatten die anderen aufgeholt. Immer wieder musste er auftauchenden Dämonen ausweichen, Iblis und Astaroth waren allerdings nicht dabei gewesen. Schlussendlich stand der Teenager schwer atmend vor einer Wand. ‚Oh Ver-‘

„So Endstation!", hörte er Astaroths Stimme hinter sich und Rin drehte sich widerwillig um. Dort standen Iblis, Astaroth, Egyn und Beelzebub. Zumindest hatte Rin sich zusammengereimt, dass es Egyn und Beelzebub waren. Im Gegensatz zu ihm, wirkten sie nicht mal ansatzweise erschöpft, aber dies war wohl zu erwarten gewesen. Astaroth stapfte auf ihn zu und mit einer gewissen Befriedigung bemerkte der Halbdämon, dass dessen Nase stark geblutet hatte. Um genau zu sein, sah sie aus als wäre sie gebrochen gewesen bis seine Regeneration eingetreten war. Der Baal teilte den Humor seines jüngeren Halbbruders nicht wirklich. Seine roten Augen schienen zu glühen und er wirkte mehr als angepisst. Hätte er Platz gehabt, wäre Rin einen Schritt zurückgetreten. „Jetzt ist Schluss mit lustig!”, knurrte der Dämonenkönig der Verwesung. „Meine Geduld hat Grenzen und ich habe genug von diesen Spielchen!” Wie um seinen Worten zusätzlichen Ausdruck zu verleihen, schlug er mit einer Faust in die Wand links von Rin, knapp neben seinem Gesicht und hinterließ einen tiefen Krater in der Steinmauer. ‚Oh, Oh. Ich bin tot.‘, stellte Rin resigniert fest. „Astaroth!”, rief Egyn entrüstet. „Es gibt keinen Grund für Drohungen! Jetzt beruhige dich, bevor du wieder die Kontrolle verlierst!” Iblis verdrehte nur die Augen und Beelzebub schüttelte den Kopf. „Du bist wirklich eine tickende Zeitbombe wie? Man sollte meinen dein letzter Aufenthalt in Assiah wäre dir eine Lehre gewesen. Reiß dich zusammen.” Astaroth wandte sich kurz dem König der Insekten zu und schien ihn anfahren zu wollen, überlegte es sich jedoch kurzfristig anders. „Na gut.”, murmelte er und trat einige Schritte zurück, woraufhin Rin erleichtert ausatmete. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er ihn angehalten hatte, denn tatsächlich war er zu beschäftigt damit sich zu fragen, ob die Dämonenkönige vielleicht bipolar waren oder sonstige psychische Probleme hatten. Wie konnte man so schnell die Stimmung wechseln?! Gerade eben noch schien Astaroth mehr als bereit ihn brutal zu massakrieren und jetzt stand er da, die Hände in den Taschen, als wäre nichts geschehen!? Es würde jedoch zumindest Mephistos Persönlichkeit erklären. „Da seid ihr also.” Lucifer bog um die Ecke, bei ihm waren die restlichen Brüder. „Na endlich...es ist so nervig rumzurennen.", grummelte Azazel und streckte sich. Rin hätte nie gedacht auf einen Dämonen (oder generell auf eine Person) zu treffen, welcher noch gelangweilter erscheinen konnte als Amaimon, aber der drittälteste Dämonenkönig heimste in dieser Kategorie eindeutig die Lorbeeren ein. „Wundervoll, du hast dich wirklich nicht verändert.”, murmelte Mephisto trocken und wandte sich Rin zu. „Und er ist zur Abwechslung unverletzt. Beeindruckend.” Der Spott in seiner Stimme war eindeutig, was Astaroth als verbalen Angriff gegen sich aufzufassen schien. „Ist das euer schieß Ernst?! Wollt ihr mir das jetzt wirklich die nächsten Jahrhunderte vorhalten?!”, fauchte er. „Abgesehen davon solltest du mal ruhig sein, immerhin warst du es, der ihm diesen Exorzisten und Amaimon auf den Hals gehetzt hat. Wenn wir schon dabei sind über "Zwischenfälle" zu reden, könnten wir uns ja mal darüber unterhalten wie Egyn und Amaimon einen deiner Phantomzüge in meinen Palast gedonnert haben!”

„Ach komm, wir haben uns tausendmal entschuldigt! Was willst du denn noch?! Blumen?!”, erwiderte Egyn schnippisch. „Stimmt aber schon...die waren wochenlang mit dem Wiederaufbau beschäftigt.”, meldete sich Beelzebub zu Wort. Egyn schaute ihn fassungslos an. „Dafür sind deine Insekten Viecher Amok gelaufen!” Rin blinzelte überrascht, denn mit sowas hatte er nicht gerechnet. Es ging allerdings weiter. „Aber er hat noch nie sein komplettes Gebiet durch eine Wette verloren...nicht wahr, Iblis?~”, merkte Samael mit Genugtuung an. Der Clown genoss diese Streitereien natürlich in vollen Zügen und konnte es nicht lassen noch mehr Benzin ins Feuer zu kippen. „Stimmt...ich erinnere mich. Vater hat fast den Thronsaal abgefackelt, als er davon erfahren hat...und Iblis gleich mit. Das war lustig.” Amaimon schien nicht der Einzige mit dieser Meinung zu sein, denn Egyn und Astaroth begannen ebenfalls zu grinsen, wobei sich der Wasserdämon immerhin Mühe gab, es zu verbergen. Lucifer versuchte seine Brüder wieder unter Kontrolle zu bringen , jedoch waren sie nun vollkommen in ihrem Element und die verschiedensten Vorfälle wurden ans Licht gebracht, von Amaimons versehentlichen Erdbeben bis hin zu Azazels Orkanen und Egyns Überschwemmungen. Während der Lichtkönig nach wie vor auf sie einredete, Samael das Ganze grinsend beobachtete und Azazel etwas murmelte, das verdächtig nach „Ich bin von Idioten umgeben...” klang, fühlte sich Rin immer mehr in die Enge getrieben. Unter anderen Umständen wäre es vielleicht ganz lustig gewesen zu erfahren, was die Dämonenkönige schon alles angestellt und wie Satan (noch weiter) in den Wahnsinn getrieben hatten, aber im Moment war sein einziger Gedanke die Flucht. Er wusste, dass er in der Falle saß, weigerte sich jedoch aufzugeben. Verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Die acht waren so mit sich selbst beschäftigt, da würde sich doch wohl eine Möglichkeit finden! Die Hoffnungen des Halbdämonen wurden ebenso schnell zerstört wie sie kamen. „Du suchst immer noch nach einem Fluchtweg? Du bist ziemlich optimistisch, das muss man dir lassen.” Großartig, scheinbar hatte zumindest Beelzebub noch auf ihn geachtet. „Schluss jetzt! Hört endlich auf mit dem Gezanke, ihr benehmt euch wie Kleinkinder!” Lucifer hatte es endlich geschafft die anderen zum Schweigen zu bringen und wandte sich nun an Rin. „Es gibt keinen Ausweg mehr, also gib auf. Komm einfach mit und niemand muss zu Schaden kommen.”

„Sonst was?”, fragte Rin angriffslustig. „Nun entweder du kommst freiwillig oder wir müssen dich zwingen. Und nein, Option drei steht diesmal nicht zur Debatte, sie war ohnehin nie ernst gemeint.” Samaels selbstzufriedene Stimme irritierte den Teenager mehr als alles andere. Dieser Clown hatte vielleicht Nerven! Er würde ihm zu gern wenigstens einen Schlag ins Gesicht verpassen! Leider würde er es nie schaffen nahe genug heranzukommen. „Wir würden dich nur ungern gewaltsam mitnehmen, aber wenn es nicht anders geht, tun wir es.” Der König des Lichts versuchte nun etwas diplomatischer vorzugehen, Rin schnaubte allerdings nur verächtlich. „Versucht es doch!”, rief er herausfordernd. Vielleicht war es das Adrenalin, das ihn zu solchem Wagemut trieb, wahrscheinlich war es schlicht und ergreifend seine manchmal etwas streitsüchtige Persönlichkeit oder gar sein Temperament. Es spielte keine Rolle, ihm war jetzt alles egal. Wenn er schon unterging, dann mit wehenden Fahnen! Die älteren Dämonen wechselten Blicke, einige hatten die Augenbrauen angehoben und eine Art stumme Kommunikation schien zwischen ihnen abzulaufen. Schließlich zuckte Iblis mit den Schultern. „Gut, wie du willst.” Er übergab Astaroth Kurikara und trat auf Rin zu. Dieser versuchte zurückzuweichen, aber die Wand verhinderte es. Er bereitete sich innerlich darauf vor zusammengeschlagen zu werden, doch was dann passierte, überrumpelte ihn vollkommen! „Hey, was zur-! Lass mich runter verdammt nochmal!” Iblis hatte ihn nicht angegriffen, sondern ihn ohne einfach hochgehoben und über seine Schulter geworfen. Nun hing der Halbdämon wie ein bockiges Kind, welches nicht auf seine Eltern hören wollte, über der besagten Schulter. In gewisser Weise war das gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Rin spürte wie er rot wurde. Als ob er nicht genug in seinem Leben gedemütigt worden war! „Lass. Mich. Runter!”, wiederholte er wütend und versuchte auf den Dämon einzuschlagen, doch diesen schien das nicht mal ansatzweise zu stören. Er lief einfach stur weiter. „Hör auf dich zu bewegen oder willst du lieber bewusstlos sein?” Mehr Reaktionen bekam er nicht. „Na, alles in Ordnung da oben, Kleiner?”, fragte Astaroth grinsend. Rin gab ihm einen Todesblick, welcher Yukio oder gar Satan alle Ehre gemacht hatte, aber weder antwortete er, noch wehrte er sich gegen Iblis, denn auf Bewusstlosigkeit konnte er verzichten. Schließlich kamen sie endlich draußen an und die warme Abendluft wehte dem Halbdämon ins Gesicht. Zu seinem Pech war leider Neumond, es war also stockfinster. Iblis hatte sich inzwischen erbarmt und ihn runtergelassen. Er hielt wieder Kurikara, aber noch bevor Rin irgendwas versuchen konnte, hielten Amaimon und Egyn ihn bereits fest. Hervorragend. Er versuchte erneut sich zu befreien, jedoch ohne Erfolg. Zwar bereiteten sie ihm keine Schmerzen, aber ihr Griff war unnachgiebig. ‚Ein Hoch auf Dämonenstärke.‘ Zynismus war ungewöhnlich für Rin, aber er hatte ja nicht mehr viel zu verlieren. Egyn schien seine Anspannung zu bemerken und seufzte leise. „Nun hör schon auf, dich zu wehren, es ist alles in Ordnung. Weder wir, noch Vater werden dich fressen.” Die einzige Antwort, die er erhielt, war der Blick mit dem der Exwire bereits Astaroth beglückt hatte. Amaimon schenkte ihm dagegen keine große Beachtung, er wandte sich mit seinem typischen gleichgültigem Gesichtsausdruck an Azazel. „Wie lange noch bis sich die Pforte öffnet?” Der Geisterkönig schaute kurz auf sein Handy. „Es müsste gleich so weit sein. Ich habe Vater gebeten, das Tor hier zu öffnen...ich hasse es herumzurennen...”

„Du sitzt doch eh fast den ganzen Tag in deinen komischen Hosen rum...”, murmelte Egyn. „Die nennen sich Shorts und sind vollkommen legitim!”, konterte der Geisterkönig, doch der Wasserkönig ließ nicht locker. „Die trägst du auch, wenn du schläfst.”

„Fangt gar nicht erst an.", fuhr Lucifer dazwischen. „Hatte ich nicht vor...” , sagte Azazel und zuckte mit den Schultern, während sich der Lichtkönig kopfschüttelnd an Samael wandte. „Kommst du mit nach Hause oder bleibst du in Assiah?” Dieser überlegte nicht lange. „Ich denke, ich bleibe bei euch, zumindest für eine Weile. Zugegebenermaßen habe ich Gehenna schon ein wenig vermisst und mein letzter Besuch ist ja recht kurz ausgefallen. Davon abgesehen könnte ich wirklich Zeit ohne Angel vertragen. Wie ein Idiot wie er die Position des Paladins erhalten hat, ist mir wirklich ein Rätsel. Shiro würde im Grabe rotieren...Na egal. Nach ein paar Wochen dürfte auch Gras über die Sache gewachsen sein.” Beelzebub legte den Kopf schief. „Werden die dir nicht nach den heutigen Ereignissen auf die Schliche kommen?” Nun war es der Schulleiter, der verächtlich schnaubte und eine wegwerfende Handbewegung vollzog. Seine Handschuhe hatte er ausgezogen, sodass Rin einen guten Blick auf seine langen, schwarzen Fingernägel (Krallen) hatte. „Diese Narren sind mir die letzten Jahrhunderte schon nicht auf die Spur gekommen. Ihr habt doch gesehen wie sie reagiert haben. Wahrscheinlich könnte ich mir ein Schild umhängen und sie würden es nicht hinterfragen. Sie realisieren nicht einmal, dass Vater sie schon längst vernichten, Assiah erobern und in Schutt und Asche legen hätte können, wenn er wirklich daran interessiert wäre. Das weckte das Interesse des Exorzisten in Training. „Aber ich dachte, das wäre sein Plan!?” Alle Augen richteten sich auf ihn. „Ist es nicht.”, murmelte Azazel. „Würde er Assiah vernichten wollen, könnte er auch einfach uns schicken. Er braucht keine Gefäße oder apokalyptische Reiter dafür. In Ägypten lief es damals ja nicht anders.” Rin war verwirrt. „Ägypten?” Iblis nickte. „Japp. Schon mal was von den zehn Plagen gehört? Dreimal darfst du raten, wer die verursacht hat. Das war nicht Gott und es waren auch keine Juden, die fliehen wollten. Der damalige Pharao war mit den Exorzisten verbündet oder besser gesagt ihre Marionette, auch wenn die Ritterschaft damals noch nicht existierte. Jedenfalls nicht in der heutigen Form. Sie hatten mehrere Halbdämonen gefangen genommen und als Sklaven gehalten, was damals für eine Menge Aufregung in Gehenna gesorgt hat.” Rin war sprachlos. Halbdämonen? Die zehn Plagen? Er hatte von Shiro einige Dinge zu den Religionen gelernt und Kindergottesdienste besucht, jedoch war er nie großartig interessiert gewesen. Er hatte stets einen gewissen Widerwillen empfunden und der Grund war wohl inzwischen mehr als offensichtlich. Allerdings meinte er sich dunkel an eine Geschichte mit 10 Plagen erinnern zu können. „Jedenfalls hat Vater mehrmals ihre Freilassung verlangt, aber er hat sich geweigert, also haben wir ihm gedroht und als das wieder nicht funktioniert hat, haben wir eben etwas Druck gemacht.”, sprang Astaroth ein. „Krankheiten, Finsternis, Insekten, Blut zu Wasser...hat echt Spaß gemacht. Die Exorzisten und generell alle Religionen haben gerne mal die Geschichten umgeschrieben, damit wir ja nie als Opfer oder als Helfer darstellen. Es gibt keinen Gott, es gibt keine Engel und es gab auch keinen Jesus und wie sie alle hießen. Das ist alles reines Hirngespinst und Propaganda.” Rin schwieg. ‚Der lügt doch, oder? Ich habe nie wirklich an Gott geglaubt, also schockt es mich nicht, dass er nicht existiert. Aber der Rest...hatten die Exorzisten diese Leute als Sklaven gehalten nur wegen ihrer Abstammung?‘ Falls dies wirklich stimmte, hatten die Exorzisten weit mehr Dreck am Stecken als er es sich je hätte vorstellen können. „Ich glaube wir haben ihn aus Versehen gebrochen...”, stellte Amaimon fest und wedelte mit seiner Hand vor Rins Gesicht. Dieser riss sich aus seiner Trance. „Behalte deine Pfoten bei dir!” Er wandte sich an Astaroth und Iblis. „Und euch glaube ich kein Wort!” Iblis verdrehte die Augen. „Wie konnte dieser Orden nochmal fortbestehen? Nein, besser gesagt: Warum hat Vater ihnen erlaubt weiter zu existieren?! Sie sind nichts weiter als ein Haufen Insekten...”

„Vater wird dir alles erklären Rin.”, mischte sich Lucifer ruhig ein, doch Rin sah das gar nicht ein. „Danke, aber kein Interesse. Jetzt lasst mich gehen!” Astaroth schnaubte. „Als ob. Hast du eine Ahnung wie wütend Vater war, als ich mit leeren Händen zurückgekehrt bin?! Von der Demütigung mal ganz abgesehen!” Rin schnaubte nur. „Du hast versucht, mir eine glühende Eisenstange ins Gesicht zu pressen, da hält sich mein Mitleid in Grenzen!” Anstatt wütend zu werden, wie Rin es erwartet hatte, kratzte sich Astaroth am Kopf. Er wirkte beinahe...verlegen? „Ja, tut mir leid. Ich bin manchmal etwas...übereifrig.”, grummelte er.

„Übereifrig?!”

„Manchmal?!”, rief Egyn im selben Moment, doch Astaroth ignorierte ihn. Rin versuchte es nun mit Drohungen. „Egal, jetzt lasst mich endlich gehen oder ich röste euch die Hintern!” Die anderen waren nicht beeindruckt. Iblis lachte nur und hielt Kurikara hoch. ‚So nah und doch so fern.‘, dachte Rin wehmütig. „Nicht ohne das hier. Du gehst nirgends hin!”

‚Team Gehenna zwei Punkte, Rin Okumura einen: Team Gehenna gewinnt.‘

„Ich glaube das Tor öffnet sich!”, kommentierte Lucifer plötzlich und in der Tat ertönte das schon bekannte Rumpeln. Eine teerartige Masse begann aus dem Boden zu quellen, woraufhin sich Rins Magen verkrampfte. Er hatte gehofft die Gehennapforte nie wieder sehen zu müssen, denn er hatte von jener Nacht noch immer Albträume. Am Ende wachte er stets schweißgebadet und/oder weinend auf. Beelzebub trat auf das Tor zu. „Dann nichts wie los, bevor die Exorzisten aufkreuzen.” Die Anderen nickten. „Vater wird erfreut sein.”, merkte Amaimon an. Mit diesen Worten zogen sie Rin Richtung Gehenna.

 

 

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„Sind wir jetzt endlich da?”, maulte Bon entnervt. Er und die anderen Adepten waren gerade auf dem Weg zum Wohnheim der Okumura Zwillinge, aber die Dunkelheit und die Tatsache, dass sie nur eine Taschenlampe hatten, erleichterten dieses Unterfangen nicht gerade. „He he, dauert es Bon Bon zu lange?”, lachte Shura. Bon warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Was, ist dir 'Gockel-Kopf' lieber?” Warum sie überhaupt hier war, wusste keiner so wirklich, alle dachten sie wäre beim Treffen in der Vatikanstadt. Allerdings hatte es die Exorzisten geschafft sich loszueisen, indem sie darauf bestanden hatte, als Wächterin hierzubleiben und auf Rin zu achten, denn immerhin könnte er eine Menge anstellen oder die Dämonen würden die Gunst der Stunde ausnutzen, auch wenn es höchst unwahrscheinlich war. Niemand machte ihr jedoch einen Vorwurf. Nach dem was sie gehört hatten, waren diese Versammlungen sterbenslangweilig. „Da ist es doch schon.”, rief Renzo fröhlich. „Endlich...warum ist das Wohnheim auch so weit weg? Er hätte einfach zu uns kommen können!”, beschwerte sich Izumo. Shiemi öffnete den Mund um etwas zu erwidern, lief dabei jedoch in Shura rein, die wie angewurzelt stehen geblieben war. „Shura-”

„Ruhe!”, zischte sie. Sämtliche Albernheiten waren verflogen. „Versteckt euch und schaltet die Lampe aus!” Sie kamen der Aufforderung ohne Fragen zu stellen nach. Sie hatten inzwischen gelernt sich auf die Exorzisten zu verlassen. „Autsch...”,murmelte Konekomaru, welcher von der Exorzistin ins Gebüsch gezogen worden war. „Was ist los-?”

„Ruhe habe ich gesagt!”, fauchte der Rotschopf leise. „Schaut hin!” Sie taten wie ihnen geheißen wurde und ein kalter Schauer lief ihnen über den Rücken. Am Fuße der Treppe vor Rins Wohnheim, standen zwei Gestalten und die hatten dort normalerweise nichts verloren. „Ist das...Herr Pheles?”, flüsterte Shiemi verwundert. „Was macht er denn hier?”

„Würde ich auch gerne wissen...und Amaimon ist bei ihm!”, zischte Bon. „Da kommen noch mehr.”, wies Shima sie hin und deutete auf die Treppe. Tatsächlich kamen mehrere Personen diese herunter. Eine Gestalt trug ein Schwert, welches ihnen allzu bekannt war und eine zweite trug eine weitere Person. „RIN?!”, entfuhr es Shiemi lauter als geplant. Renzo hielt ihr schnell den Mund zu, aber glücklicherweise hatte niemand etwas gehört. Rin stand inzwischen wieder auf seinen Füßen, wurde jedoch von Amaimon und einem weiteren Teenager festgehalten. „Wer sind die?”, flüsterte Konekomaru. „Und was machen sie mit Rin?”

„Streng doch mal deine grauen Zellen an, ich dachte du wärst so schlau!”, fauchte Izumo. „Es sind insgesamt acht Personen, einer von ihnen ist Amaimon, ein Dämonenkönig. Wer sind dann wohl die anderen?!” Die Augen der Jugendlichen weiteten sich. „Aber das würde ja bedeuten, dass Mephisto...ein Dämonenkönig ist?!”, stieß Bon hervor. „Scheint so.”, nickte Shura. „Verdammt nochmal!” Fluchend schlug sie mit der Faust auf die Erde. „Wie konnten wir das übersehen!? Es macht alles Sinn! Warum Amaimon so leicht innerhalb der Barriere auftauchen konnte, dass er nach dem Kampf mit Rin wie vom Erdboden verschluckt war...und nein, das war kein Wortwitz!” Der letzte Teil war an Shima gerichtet, welcher gerade seinen Mund geöffnet hatte. Inzwischen hatten die Dämonen begonnen auf Rin einzureden. Sie konnten sehen wie dieser versuchte sich zu befreien und lauthals fluchte. Shura lauschte angestrengt. „Könnt ihr hören, was sie sagen?” Alle schüttelten den Kopf. „Egal, wir müssen Rin helfen!”, flüsterte Shiemi verzweifelt und machte Anstalten aufzustehen, als sie von Izumo zurückgezogen wurde. „Bist du jetzt vollkommen bescheuert?! Du kannst nicht einfach so auf die Dämonkönige losgehen! Du kannst ja nicht mal kämpfen oder kennst ihre Todesverse!”

„Aber Rin-”

Bon unterbrach sie. „Hey, wir wollen ihm genauso helfen wie du, aber wenn wir jetzt da hin stürmen sind wir tot! Amaimon ist der zweitjüngste und trotzdem haben wir es nicht mal annähernd geschafft ihm zu schaden, da will ich seine älteren Brüder nicht kennenlernen!” Da hatte er Recht. Wäre Rin nicht gewesen, hätte Amaimon sie vernichtet oder Behemoth zum Fraß vorgeworfen. Theoretisch wäre Amaimon auch nicht aufgetaucht, wenn Rin nicht gewesen wäre, aber das war jetzt egal. Keiner wollte sich ausmalen wie der Rest der Familie drauf war. „Was sollen wir dann tun?”, fragte Konekomaru. „Die hochrangigen Exorzisten sind alle in Italien und selbst wenn wir es schaffen sie zu kontaktieren, werden die Dämonen längst über alle Berge sein.” Shura begann sich langsam nach hinten zu bewegen. „Wir haben keine Wahl. Alleine besiegen wir sie nie. Wir holen Verstärkung und dann-” Was auch immer sie hatte sagen wollen, wurde von einem lautem Geräusch unterbrochen und zu ihrem Entsetzten sahen sie, wie sich eine schwarze Flüssigkeit ansammelte und langsam eine große blubbernde Masse bildete. „Ist das...” Shima stockte. Das war übel. „Die Gehennapforte...”, flüsterte Izumo. Shura fluchte so laut es angesichts der Dämonen möglich war. Sie hatten keine Wahl als zuzusehen wie Rin von den Baal zum Tor geschliffen wurde und darin verschwand. Die übrigen Söhne Satans folgten. Nach einer Minute schloss sich das Tor bereits wieder und Stille herrschte. Hätten sie nicht alles mit eigenen Augen gesehen, könnte man meinen nichts wäre passiert. Shura sprang auf. „Los jetzt!”

 

 

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Unter anderen Umständen wäre ein Ausflug nach Italien der Höhepunkt des Jahres gewesen. Keiner der Exwire hatten Asien geschwiege denn Japan jemals verlassen. Nun waren sie im Herzen des Exorzistenordens, aber es blieb keine Zeit für Bewunderung. Gemeinsam sprinteten sie durch die Hallen des Vatikangebäudes. Einige Leute riefen ihnen etwas in verschiedensten Sprachen zu, aber sie ignorierten es. Shura schien zu wissen wo es lang ging. Plötzlich erschien vor ihnen eine Frau und versperrte den Weg. „Weg da!”, rief Shura unwirsch. „Lo siento, pero es no posible-”

„Ich spreche kein Spanisch verdammt!”, fauchte Shura frustriert. Die Frau schien dafür kein Japanisch zu sprechen, denn sie schaute die Gruppe verwirrt an. „Ähm...É una...emergency, por favor?!” Shuras verzweifelter Kommunikationsversuch war ein Kauderwelsch aus Italienisch, Spanisch, Englisch und schlechter Grammatik sowie schlechter Aussprache. Die Frau schien nun noch verwirrter als je zuvor, also ließ Shura sie einfach stehen und stürmte trotz lauter Proteste zur Tür. Die Adepten waren ihr dicht auf den Fersen. Endlich erreichten sie den Ratssaal des Vatikans, wo sie erneut auf ein Hindernis stießen. Dieses sprach Japanisch, war jedoch mindestens genauso nervig. „Halt!”, verlangte Angel gebieterisch. „Der Vatikan tagt gerade! Es ist eine Angelegenheit höchster Wichtigkeit!” Tatsächlich waren die Anwesenden nach wie vor damit beschäftigt sich mit dem Wächter über die Dämonenkönige zu streiten. Shura platzte nun endgültig der Kragen. Sie stieß Angel beiseite, trat nach vorn und schrie so laut sie konnte. „HEY, IHR OSTEREIER!!! RIN IST VON DEN DÄMONENKÖNIGEN NACH GEHENNA ENTFÜHRT WORDEN UND MEPHISTO IST EINER VON IHNEN!” Es herrschte absolute Stille im Saal. Alle Augen waren auf Shura gerichtet, manche voller Entsetzen, andere drückten einfach nur Verwirrung aus. Eine fallende Stecknadel wäre zu hören gewesen bis...

„ICH WUSSTE ES! Die Stimme des Wächters überschlag sich beinahe, als er den Zeigefinger anklagend auf alle Anwesenden richtete. „ICH HABE ES GESAGT, ABER AUF MICH HÖRT JA KEINER!

Willkommen in Gehenna

„...zazel? Azazel! Hey, wach auf!” Azazel kannte diese Stimme. Warum ging sie ihm so früh auf die Nerven? Er wollte einfach nur schlafen, war das denn wirklich zu viel verlangt? „Noch fünf Minuten...”, nuschelte er und drehte sich auf die Seite. „Nix da!”, widersprach die Nervensäge, welche er nun als Egyn erkannte und begann ihn zu rütteln. „Na los, bewege dein faules Hinterteil hoch!” Na gut, er kapitulierte. „So nervig...”, stöhnte der ältere Dämon und richtete sich langsam auf, doch merkte sofort, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Seit wann standen im Palast seines Vaters Bäume? „Wo sind wir?”, fragte er und sah sich um. Dabei erblickte er seine Brüder, welche teils auf dem Boden saßen, teils standen und ebenfalls verwirrt drein schauten. „Das ist nicht Vaters Palast.”, stellte Iblis trocken fest. „Oh und das hast du ganz alleine erkannt?”, erwiderte Samael augenrollend. „Irgendetwas ist schief gelaufen.”, sagte Lucifer, bevor Iblis eine schnippische Antwort geben konnte. „ Wir sind an der falschen Stelle rausgekommen, aber das ist Vater noch nie passiert und normalerweise wird man nicht bewusstlos. Es scheint fast so als hätte die Gehennapforte eine Art Eigenleben entwickelt, aber das ist, soweit ich weiß, unmöglich.” Samael grinste leicht. „Mein lieber Bruder, du solltest dir solche Äußerungen abgewöhnen. Wenn du immer alles für unmöglich erklärst, wirst du es eines Tages sehr bereuen.” Lucifer ignorierte ihn. „Geht es allen gut?” Bejahendes Murmeln erklang. „Wartet...”, meldete sich Amaimon zu Wort. „Waren wir nicht mal zu acht?” Sie sahen sich an und bemerkten, dass der Erdkönig recht hatte. Einer fehlte. „Stimmt, wo ist Asta-”, begann Beelzebub, aber bevor seinen Satz beenden konnte, fiel der vermisste Dämon von dem Baum, auf dem er gelandet war und begrub Samael unter sich. „Was zum-?! Sofort runter von mir!”, knurrte dieser, schubste seinen jüngeren Bruder von sich und richtete sich grummelnd auf. „Großartig, jetzt bin ich dreckig!”

 

„Bei den Klamotten habe ich dir 'nen Gefallen getan!”, erwiderte Astaroth ungerührt und rieb sich den Kopf. „Autsch, ich glaube da wird mir noch ein Horn wachsen.”

 

„Was in aller Welt hast du auf dem Baum getrieben?”, fragte Beelzebub, den Kopf schiefgelegt, woraufhin Astaroth die Augen verdrehte. „Tja, ich wollte eben schon immer mal von einem Baum springen und einen von euch platt machen.”

 

„Kein Grund für Sarkasmus.”

 

„Ich hab keine Ahnung, ok?! Das Letzte woran ich mich erinnere ist, dass wir durch die Pforte gegangen sind, danach ist alles weg.”, knurrte der Verwesungskönig. Lucifer schüttelte nur den Kopf. Jetzt ging das wieder los. Seufzend drehte er sich zu seinen jüngeren Geschwistern um. Dabei fiel ihm auf, dass noch jemand fehlte. „Jungs? Wo ist Rin?”, fragte er langsam und die anderen erstarrten. Erst jetzt fiel auch ihnen auf, dass ihr jüngster Bruder fehlte und nur Kurikara bei ihnen war. „Oh nein. Nein, nein, nein. Ganz blöd, ganz schlecht, gar nicht gut...”, murmelte Egyn und sah sich suchend um, jedoch ohne den Halbdämonen zu entdecken. Amaimons Blick wanderte nach oben.„Vielleicht ist er auch auf einem Baum gelandet?”, schlug er vor. Lucifer schüttelte düster den Kopf. „Er ist nicht hier, sonst würden wir ihn spüren.”

 

„Wir konnten ihn wegen des Schwertes kaum in Assiah spüren.”, gab Iblis zu bedenken. „Da wir nun in Gehenna sind, sollten wir es können. Wir spüren ihn nicht, demzufolge er ist nicht in der Nähe.”, erklärte Samael knapp. „Also ist er weg...”, stellte Amaimon nüchtern fest. Egyn stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. „Wollt ihr mir erzählen, dass unser jüngster Bruder mutterseelenallein umherirrt und nicht mal sein Schwert hat?!”, rief er hysterisch. „Oh Gehenna! Er könnte verletzt oder von anderen Dämonen gefressen werden oder-!” Weiter kam er mit seinem Geratter nicht, denn Azazel hielt ihm entnervt den Mund  zu. „So laut...kannst du nicht leiser durchdrehen? Ich bekomme wieder Kopfschmerzen...” Der Blauhaarige funkelte ihn wütend an und schlug seine Hand weg. „Ist es dir vollkommen egal, dass ihm etwas passierten könnte?!” Genervt verdrehte der Geisterkönig verdrehte die Augen. „Natürlich nicht. Keiner will, dass ihm etwas passiert, aber durchdrehen bringt uns nicht weiter.”

„Schon alleine, weil Vater Barbecue aus uns machen würde.”, warf Astaroth ein und Azazel nickte. „Das auch, aber vergiss nicht, dass er immer noch seine Flammen hat. Die meisten Dämonen werden das Weite suchen, wenn sie erkennen wer er ist.”

 

„Ja oder sie werden ihn fressen und versuchen an  seine Kräfte bekommen.”, steuerte Amaimon bei. Azazel gab ihm einen "Ist das jetzt dein verdammter Ernst, ich habe ihn gerade erst beruhigt - Blick", während Egyn einen Laut ausstieß, welcher klang wie ein Tier, das gerade überfahren wird. Lucifer holte tief Luft, um sich kurz zu sammeln und nickte. „Leider muss ich Amaimon zustimmen. Er mag seine Flammen haben, allerdings ist er zu unerfahren und das kann tödlich sein. Wir müssen ihn so schnell wie möglich finden.” Astaroth schnaubte. „Wir wissen ja nicht mal, in wessen Gebiet wir gelandet sind. Wenn wir ziellos durch die Gegend stürmen, wecken wir am Ende noch irgendwas auf, was uns an den Kragen will und das wäre nur ein Haufen Zeitverschwendung.” Samael sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an, grinste dann allerdings trotzdem. „Wer hätte gedacht, dass du an Dinge logisch herangehen kannst? Ich bin beeindruckt.” Astaroth stieß nur ein leises Knurren aus und murmelte etwas unverständliches. „Genug jetzt!”, verlangte Lucifer seine Stirn massierend. Seine Nerven lagen blanker als er zugeben wollte und nun meldete sich auch noch seine Migräne. Konnte er nicht mal einen ruhigen Tag mit seinen Geschwistern verbringen? „Wir sollten keine Zeit mehr verlieren.”

 

„Teilen wir uns auf?”, schlug Beelzebub vor. „Aufteilen? Ernsthaft?”, fragte Astaroth mit hochgezogener Augenbraue. „Was denn? Glaubst du gleich kommt ein irrer Axtmörder ums Eck?”, hielt der Insektenkönig dagegen. „Ich hätte euch diese Horrorfilme nicht mitbringen sollen.”, murmelte Samael. „Wo wir grad bei sind: kannst du mal welche mitbringen, wo die Dämonen gewinnen? Ist voll frustrierend, wenn sie jedes Mal gegen Priester verlieren, nur weil jemand irgendwelche Kreuze hochhalten und "Die Macht Christi bezwingt dich!" rufen.", warf Iblis ein, obwohl das momentan nun wirklich ihre geringste Sorge war. „Zur Kenntnis genommen.”, seufzte Samael. Lucifer wippte unterdessen ungeduldig mit dem Fuß. „Wenn ihr eure Filmauswahl jetzt geregelt habt, können wir ja los. Wir bleiben zusammen, sonst verlaufen wir uns und finden uns nicht wieder. Iblis, du nimmst das Schwert.” Mit diesen Worten wandte er sich um und begann vorauszulaufen. „Bist du sicher, dass du da lang willst?”, fragte Egyn, was ihm einen verwirrten Blick seitens des Lichtkönigs einbrachte. „Ja, warum nicht?”

 

„Dann ist dieser Weg hundertprozentig falsch.”, stellte Samael fest, weswegen Lucifer entnervt eine Augenbraue hob. „Und warum bitte schön?”, fragte er ein wenig giftig. „Weil du den Orientierungssinn eines Hobogoblins in einem Betonklotz hast. Du kannst ja nicht mal Karten lesen!”, erklärte Iblis, was der älteste Baal allerdings nicht einsehen wollte. „Das ist doch gar nicht wahr! Ich kann sehr wohl Karten lesen!” Samael lachte nur und grinste amüsiert. „Das hast du auch damals in Peru gesagt und am Ende sind wir in einem Tempel wütender Inka Krieger gelandet, die uns an ihre Götter opfern wollten!”, erinnerte er den Älteren. „Das war nicht meine Schuld! Die Karte war ungenau und diese Tempel sahen alle gleich aus!", verteidigte sich Lucifer, aber Samael feixte nur. „Das lag daran, dass du Karte falsch herum gehalten hast. Wir wollten eigentlich nach Norden.” Nun wurde der Lichtdämon knallrot und versuchte erfolglos sich herauszureden. „Das war...ich meine....wir-” Schließlich gab er auf und schüttelte frustriert den Kopf. „Egal jetzt! Wir haben wichtigeres zu tun! Finden wir einfach Rin, bevor er etwas dummes tut.” Mit diesen Worten drehte er sich um und stapfte davon, woraufhin seine Brüder ihm zögerlich folgten. „Wir sind so des Todes.”, murmelte Egyn.

 

 

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Das erste, was Rin bemerkte, war der Geruch von Laub, Holz und Erde. Er hörte unbekannte Tiergeräusche und wie der Wind durch Bäume wehte. Als nächstes spürte er, dass er auf dem Boden lag. Langsam setzte er sich auf und sah sich um. Er befand sich auf einer Waldlichtung, doch war sich nicht sicher wie er dorthin gekommen war. Gerade eben war er eindeutig noch im Wohnheim gewesen und hatte auf seine Freunde gewartet. Angestrengt versuchte er sich zu erinnern, was passiert war. Er hatte seltsame Geräusche gehört, war nachschauen gegangen und was dann? Nachdenklich schaute er gen Himmel, als würde er sich erhoffen dort die Antworten zu finden. ‚Moment mal...seit wann haben wir drei Monde?!‘, dachte er verwundert. Dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag: Er war nicht mehr in Assiah. Sofort sprang der Halbdämon auf die Füße, die innere Panik bekämpfend. ‚Nein...nein, das ist nicht echt. Das ist alles nur ein böser Traum und ich wache gleich auf oder Mephisto spielt mir irgendeinen üblen Streich und lacht mich gerade aus!‘, dachte er verzweifelt. Ein plötzliches Rascheln im Gebüsch ließ ihn zusammenschrecken. Daraus hervorgeschossen kam...ein Eichhörnchen? Zumindest sah es aus wie eins, jedoch war es grün, hatte kleine Hörner und rote Augen, welche Rin kritisch musterten. Es schnappte sich einige Beeren, die auf dem Boden lagen, fauchte Rin kurz an, als hätte er versucht dem Fellknäul das Futter streitig zu machen und kletterte auf einen Baum. Rin starrte dem Tier mit leicht offenen Mund hinterher. ‚Ich bin in Gehenna.‘, dachte er dumpf. Es überraschte ihn, dass er so ruhig blieb. Wahrscheinlich war die Erkenntnis noch nicht richtig angekommen, denn alles was er momentan verspürte, war eine Art Resignation. Er hatte sich die Welt der Dämonen allerdings ganz anders vorgestellt. Mal abgesehen von dem grünen Eichhörnchen, den drei Monden, den bunten Sternen und dem violetten Himmel, wirkte der Wald nicht anders als jene in Assiah. Allerdings war Gehenna eine Spiegelwelt, daher war es naheliegend, dass es nicht allzu viele Unterschiede zwischen den beiden Reichen gab. Noch wichtiger war jedoch die Frage, wo die Dämonenkönige waren. Rin war sich sicher, dass sie bei ihm gewesen waren. War er ihnen zuvor entkommen und dann bewusstlos geworden? Waren sie selber bewusstlos gewesen und er hatte die Chance ergriffen wegzulaufen oder waren sie einfach an einer anderen Stelle gelandet als er? Eine weitere Möglichkeit wäre wohl, dass sie ihn allein gelassen hatten und aus sicherer Entfernung zusahen, wie er versuchte abzuhauen. Er würde dem Clown diese Spielchen zutrauen, andererseits war das eher unwahrscheinlich. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Lucifer oder Satan derartige Verzögerungen dulden würden. Nein, wenn schon denn schon, erschienen ihm die ersten beiden Optionen wahrscheinlicher. Er musste also einen Ausweg finden und seinen älteren Psychobrüdern ausweichen. Klasse. Mit jedem Tag der verging, bekam Rin mehr und mehr das Gefühl irgendeine höhere Macht verärgert zu haben oder vielleicht gab es ja doch einen Gott und dieser hatte es sich in den Kopf gesetzt, dem jüngsten Sohn Satans das Leben zur Hölle zu machen. ‚So, ich sitze in Gehenna fest, habe die acht Dämonenkönige im Nacken und wenn ich erwischt werde, schleifen die mich zu Satan, der offensichtlich nicht mehr alle Nadeln an der Tanne hat und gerne Dinge anzündet. Wo ist eigentlich Yukio, wenn ich ihn mal brauche?‘, dachte Rin entnervt. ‚Na gut, genug rumgejammert. Jetzt brauche ich erst mal einen Plan.‘ Natürlich leichter gesagt als getan, denn Pläne waren leider nicht seine Stärke. Er überlegte gerade, ob er einfach auf gut Glück eine Richtung einschlagen sollte, als ihm ein lautes Klicken auf seiner rechten Seite die Entscheidung abnahm. ‚Ok, ich schätze das ist mein Stichwort abzuhauen.‘ Hastig lief er nach links und betete, dass was auch immer er gehört hatte, ihm nicht folgen würde. Nach einigen Stunden laufen und fluchen, hatte Rin leider noch immer keine nennenswerten Fortschritte gemacht. Alle Bäume und Wege sahen gleich aus, immer wieder hörte er Geräusche unbekannter Kreaturen und hatte durchgehend das Gefühl beobachtet zu werden. Erschöpft sank er gegen einen Baum. ‚Ich bin so am Arsch.', dachte er zum wievielten Mal auch immer. Er hatte keine Ahnung wo er war, wie er aus dem Wald finden sollte oder nach Hause kam. Seine Füße taten ihm weh und seine Erschöpfung machte sich immer bemerkbarer. Wie spät es wohl inzwischen war? Moment! Er hatte ein Handy! ‚Hoffentlich hat es den Weg überstanden!‘ Er griff in seine Tasche und tatsächlich war sein Telefon unbeschadet geblieben. Das Display zeigte 22:50 Uhr. ‚Ich bin schon seit fast vier Stunden hier?‘, dachte Rin entsetzt. Er hatte während des Laufens jegliches Zeitgefühl verloren. Allerdings war es möglich, dass er mehrere Stunden bewusstlos gewesen war, nachdem er angekommen war. Rin wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sein Handy klingelte. ‚Warte...es klingelt?!‘ Mit weit aufgerissenen Augen starrte Rin auf sein Handy. Tatsächlich: "Eingehender Anruf: Yukio"

 

‚Ich habe Handyempfang in Gehenna. Ich kann telefonieren, obwohl ich in der Hölle hocke. Klar, warum auch nicht.‘, dachte Rin kopfschüttelnd. Ihn überraschte inzwischen fast nichts mehr. ‚Wahrscheinlich haben die auch noch WLAN.‘ Egal, er würde nehmen, was er bekam. Vielleicht war das sein Ticket aus diesem Albtraum. Rin nahm den Anruf entgegen, hielt das Handy an sein Ohr und brüllte so laut, dass es fast Yukios Trommelfell zerriss. „HILFE!

 

 

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„In Ordnung Okumura, das war der Letzte.”, hörte Yukio einen der Exorzisten sagen. Er erkannte ihn als Masao Yamamoto, einen Aria zweiten Ranges. „Wirklich? Haben wir auch keinen übersehen?”, fragte er etwas zweifelnd. Sie waren vor einigen Tagen von einem Kloster kontaktiert worden, welches ein Geister Problem hatte. Es lag schwer zu erreichen in den Bergen, also war die Reise äußerst mühsam gewesen und die Exorzisten hatten eigentlich damit gerechnet, mehrere Tage für die Austreibungen zu benötigen. Yamamoto schüttelte den Kopf. „Scheinbar war das Problem bei weitem nicht so groß wie angenommen. Es ist alles erledigt. Die anderen platzieren noch ein paar Bannkreise, um ganz sicher zu gehen.”

 

„Verstehe.”, erwiderte Yukio. Wenn es wirklich so schnell erledigt war, dann umso besser. „Ich gehe und sage dem Prior Beschied, dass alles geregelt ist. Ich empfehle dir bald ins Bett zu gehen, wir kehren morgen in aller Frühe zur Heiligkreuz-Akademie zurück. Gute Nacht!” , verabschiedete sich der ältere Exorzist. „Gute Nacht.”, antwortete Yukio und verließ den Raum. Er beschloss, noch einmal Rin anzurufen, bevor er ins Bett ging. Nach einigem Suchen fand er den Klostergarten und hatte sogar das Glück Empfang zu haben, auch wenn es nur ein Balken war. ‚Egal, es wird sowieso nur ein kurzer Anruf.‘ Er wählte die Nummer seines Bruders und wartete darauf, dass er abnahm. Es dauerte einige Sekunden, doch als Rin endlich den Anruf entgegennahm, brüllte er so laut, dass Yukio vor Schreck beinahe sein Handy fallen ließ. „HILFE! Yukio hielt das Telefon schnell eine Armlänge von sich entfernt und rieb sich mit der anderen Hand sein Ohr. Was war jetzt wieder in seinen Bruder gefahren?! „Rin! Was sollte das-?”, fauchte er, wurde jedoch unterbrochen. „Halt den Mund und hör mir zu! Ich sitze echt tief in der Tinte, ich-”, begann Rin, aber wurde unterbrochen. „Warte! Was? Ich bin gerade mal einen Tag weg und du machst wieder Ärger!”, rief Yukio verärgert. Konnte er ihn denn keine fünf Minuten alleine lassen?! „Was hast du jetzt wieder angestellt?”

 

„Wenn du mich mal zu Wort kommen lassen würdest, könnte ich's dir sagen.”, knurrte der Nephilim. „Und es ist nicht meine Schuld, dass ich in Gehenna festsitze!” Yukio brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, was sein Bruder soeben gesagt hatte, wollte es allerdings nicht glauben. Konnte er jetzt nicht einmal mehr die Welten unterscheiden? „Rin. Das hier ist Assiah, nicht Gehenna. Das solltest sogar du wissen-”, setzte er an, aber diesmal wurde er unterbrochen. „Nein, ich meine es ernst! Ich bin nicht mehr in Assiah, sondern in Gehenna!” Der jüngere Zwilling spürte wie sämtliche Farbe aus seinem Gesicht wich. Nun war er es, der mit schreien begann. „Was zur Hölle dachtest du dir dabei?! Was machst du dort?! Du weißt, dass so ziemlich jeder Dämon hinter dir her ist und Satan dich benutzen will, um Assiah zu erobern und trotzdem-” Er stockte und blinzelte. „Warte mal, du hast Empfang in Gehenna?!” Rin ignorierte die letzte Frage. „Ach weißt du, Mephisto hat mir erzählt, Gehenna wäre um diese Jahreszeit besonders schön, also habe ich einfach - natürlich nicht! Das schiebt mir keiner in die Schuhe! Ich kann nichts dafür, wenn plötzlich die Dämonenkönige mitten im Wohnheim auftauchen! Ich meine, ich habe mich nur fertig gemacht und dann waren da diese Geräusche und ich dachte mir "Was kann das schlimmstenfalls sein?", also habe ich nachgeschaut. Da waren die plötzlich in der Küche und haben mich gejagt, dann ist der Stapel umgekippt und dann kam Ägypten und die Plagen und Mephisto ist Samael-” Ohne es zu bemerken hatte Yukio sein Telefon immer fester umklammert und inzwischen lief es Gefahr zerdrückt zu werden. Er hatte keine Ahnung, was Rin ihm versuchte zu erzählen. Er ratterte alles in Höchstgeschwindigkeit herunter, das meiste vollkommen zusammenhangslos. „Ok, ok, jetzt warte mal. Wenn du so mit mir redest, verstehe ich kein Wort, also hole nochmal tief Luft, beruhige dich und erkläre, was passiert ist.” Glücklicherweise leistete Rin seinen Anweisungen ausnahmsweise Folge und erzählte wie die Dämonenkönige aufgetaucht waren, Mephisto sich als Samael zu erkennen gegeben hatte, sie ihn verfolgt und gefangen hatten. Was Yukio jedoch mit am meisten schockierte war, dass in den letzten Jahrhunderten niemand Mephisto auf die Schliche gekommen war. Er selbst hatte dem Schulleiter nie über den Weg getraut und war oft von ihm genervt gewesen, aber dass er ein Dämonenkönig ist, hätte er nie zu träumen gewagt, auch wenn es im Nachhinein betrachtet, einiges erklärte. „Wenn sie mit dir durch das Portal gegangen sind, wo sind sie dann jetzt?”, hakte er nach. „Keine Ahnung, aber bin nicht scharf drauf, es rauszufinden.”, kam die Antwort, welche wohl verständlich war. Yukio seufzte leise. „Weißt du zumindest, wo du bist?”

 

„Stell dir vor, Gehenna ist nicht bei Google Maps aufgeführt. Sauerei, nicht wahr?”, antwortete Rin bissig. „Hätte ja sein können, dass du es weißt.”, erwiderte Yukio. „Also irgendwelche Vorschläge wie ich hier wegkomme?”, erkundigte sich der Halbdämon und ausnahmsweise wusste der Brillenträger nicht weiter. „Na ja, der einzige, der ein Tor zurück nach Assiah öffnen kann, ist Satan-”

„Oh ja super.”, redete Rin dazwischen. „Ich werde gleich mal zu ihm gehen, wenn ich ganz nett frage, öffnet er es bestimmt für mich! Wenn wir schon dabei sind, können wir ja gleich ein Familienessen mit den restlichen Verrückten veranstalten!”

„Hey, lass mich ausreden!”, erwiderte Yukio scharf. Er war selbst überrascht, dass es ihm so gut gelang, die Fassung zu bewahren. Vielleicht redete sich sein Verstand immer noch ein, alles wäre ein schlechter Scherz. „Erinnerst du dich noch, wie er damals die Pforte geöffnet hat?”

 

. „Ist schwer zu vergessen wenn man bedenkt, dass er dafür Blut benutzt.”, kam die gemurmelte Antwort. „Dann tu es.”, verlangte Yukio. „Bitte was?”, fragte Rin vollkommen überrumpelt, woraufhin Yukio mit erklären begann. „Du hast seine Flammen und damit seine Kräfte. Vielleicht bist du ebenfalls dazu in der Lage die Pforte zu öffnen.” Es war nur eine Theorie, doch etwas anderes fiel Yukio nicht ein und das frustrierte ihn. „Ich habe keine Ahnung was ich danach tun muss! Muss ich irgendwas aufsagen oder an einen bestimmten Ort denken? Wie kontrolliere ich überhaupt, wo ich rauskomme?! Bei meinem Glück lande ich irgendwo in Island!”, rief Rin, etwas hysterisch klingend. „Ich...Ich weiß es auch nicht. Keiner weiß wie es geht nicht mal Me-...ich meine Samael. Wenn er es wissen sollte, hat er es uns nie gesagt.” Rin schwieg, Yukio fuhr also ungehindert fort. „In Ordnung, versuche es so: du verwendest dein Blut und denkst dabei an den Ort zu dem du willst. Wer weiß, wenn du das Tor wirklich öffnen kannst, schaffst du es vielleicht sogar instinktiv.”

 

„Also keine Beschwörung oder so?”, hakte Rin nach.

 

„Wenn dir nichts einfällt, dann nein.”

 

„Wie wäre es mit: Ich bin so erledigt?!"

 

„Mit dieser Einstellung auf jeden Fall. Jetzt komm, versuche es!”

 

„Ok, ok.” Stille folgte. Yukio trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Was wenn es schief ging? Ihm fiel keine andere Möglichkeit ein, Rin zu retten. „Es bringt nichts.”, meldete Rin sich frustriert. Yukio rutschte das Herz in die Hose. „Bist du sicher, dass-?”, fragte er vorsichtig, aber der Nephilim schoss die Idee sofort ab. „Ja, ich hab alles durchprobiert. Nichts hat funktioniert, ich sitze hier fest.”, seufzte er resigniert. „Wage es ja nicht aufzugeben!”, knurrte der Jüngere entrüstet. „Wir kriegen dich da raus und wenn ich persönlich rüberkommen und dich zurückschleifen muss!”

 

„Aber......Gehenna....Dämo...............S....”

 

„Rin? Rin!”, rief Yukio, jedoch wurde die Stimme immer verzerrter und undeutlicher bis der Anruf plötzlich abbrach und nur noch das vertraute Tuten ertönte. Er blickte entgeistert auf sein Display, nur um festzustellen, dass sein Empfang weg war. Großartig. Sofort stürmte er zurück ins Gebäude und rannte dabei beinahe Yamamoto um. „Okumura? Was treibst du denn so spät noch hier?”, fragte er überrascht. „Keine Zeit für Erklärungen!”, sagte Yukio ernst. „Ich kehre zur Heiligkreuz-Akademie zurück. Noch heute.”

 

 

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„Vier Stunden. Ich sitze hier schon, ohne jegliche Kenntnis über den Verbleib meiner Söhne, seit vier Stunden. Würdest du mir sofort erklären, warum ich seit vier Stunden ohne Kenntnisse über den Verbleib meiner Söhne hier sitze?!” Der angesprochene Dämon zitterte, denn wenn Satan schlechte Laune hatte, war das für die Personen, die ihn umgaben nie gesundheitsförderlich. Der Herrscher Gehenna saß auf seinem Thron und nippte aus dem Weinglas in seiner Hand. Der Diener hatte keine Ahnung wie viele Gläser er schon getrunken hatte, jedoch hoffte er im Stillen, dass er nicht noch mehr trinken würde. Ihm beizubringen, dass der Weinkeller so gut wie leer war, wollte er sich wirklich ersparen. Andererseits war es verständlich, dass ihn die lange Abwesenheit seiner Kinder nervös machte. Jedes Mal wenn sie längere Zeit verschwunden waren, stellten sie irgendetwas an, was ihr Vater wieder gerade biegen musste. Er konnte sich nur zu gut an Satans (irgendwo gerechtfertigten) Ausraster erinnern, als Iblis sein Gebiet im Kartenspiel verwettet hatte. In letzter Zeit hatte es einige Zwischenfällen gegeben, was auch eine der Hauptursachen für den Zustand ihrer Weinvorräte war. „I-Ich weiß e-es nicht mein Lord.”, antwortete der Dämon mit zitternder Stimme, ohne zu wagen in die Augen des Dämonengottes zu sehen. „Wir haben die Nachricht erhalten, dass sie auf dem Weg sind, aber seitdem haben wir nichts mehr von ihnen gehört.” Er spürte den bohrenden Blick Satans und sah sich bereits als Häufchen Asche. Entsprechend war seine Erleichterung, als sich Satan zurücklehnte und nachdenklich in sein Glas starrte. „Ich hoffe um deinetwillen, dass du mich nicht anlügst.”

 

„Nein, niemals mein Lord!”, quiekte der Dämon und kniete noch tiefer. ‚Schleimer.‘, dachte Satan abfällig. „Nun gut, ich glaube dir. Jetzt gehe mir aus den Augen.”, sagte er mit einer unwirschen Handbewegung. Der Diener war sichtlich erleichtert. „Natürlich Majestät, sofort!” Auf seinem Weg nach draußen verbeugte er sich noch viele Male. Satan widerstand der Versuchung die Augen zu verdrehen oder etwas (vorzugsweise Flammen) nach ihm zu werfen. ‚Wenn er weiter so macht, rutscht er noch auf seiner Schleimspur aus', stellte er angeekelt fest. Er wollte zwar, dass seine Untertanen ihm Respekt entgegenbrachten, aber Kriecher verabscheute er. Sie waren nicht nur nervig, sondern auch in der Regel jene, die zu Verrätern wurden. „Jetzt verschwinde endlich, bevor ich dich als Zielübung benutze!” knurrte er bedrohlich, seine Geduld sichtbar schwindend. Der Dämon schluckte und lief schnell aus dem Saal. Der Dämonenherrscher erlaubte sich, aufzuatmen. Endlich war dieser Versager fort. Dummeweise waren Glas und Weinflasche leer. „Vaya!” Eine junge Dämonin kam in den Saal gewuselt und verneigte sich vor Satan. Sie gehörte Azazels Sippe an und hatte daher blasse Haut, weiße Augen und lange schwarze Haare, welche sie geflochten hatte und bis zu ihren Hüften reichten. „Ihr habt mich gerufen, mein Lord?”

 

„Ich brauche mehr Wein.”

 

„Oh...tut mir leid, unsere Weinvorräte sind erschöpft.” Ihre Entschuldigung klang aufrichtig, dennoch war der Dämonengott irritiert. Was war das denn für ein Saftladen hier?! Oh Moment, es war sein Saftladen. Mist. „Und warum ist das so?”, fragte er entnervt. „Na ja, Ihr habt in den letzten Wochen einiges getrunken...”, sagte Vaya langsam, während ihr Gesicht knallrot wurde.  „Also ich meine...”, setzte sie hastig nach, als sie bemerkte, wie die diese Aussage klang. „Ich meine damit natürlich nicht, dass Ihr ein Alkoholiker seid oder dass ich Euch Vorschriften machen will...also...ähm...” Irgendwie schaffte sie es noch röter zu werden. Satan seufzte innerlich. Er kannte Vaya und ihre Schwester seit sie Kinder waren, beide waren zuverlässig und hart arbeitend, aber wenn Vaya mit Vorgesetzten reden sollte, besonders mit Männern, war alles aus. Sie stolperte über ihre Wörter und brachte irgendwann keinen geraden Satz mehr zu Stande. Wahrlich das komplette Gegenteil ihrer Schwester. Manchmal war es kaum zu glauben, dass sie Zwillinge waren. Andererseits waren Rin und Yukio auch wie Tag und Nacht, das hatte zumindest Samael behauptet. Er beschloss sich zu erbarmen. „Also gut, du kannst gehen.”

 

„Mein Lord?”, fragte sie überrascht. „Sorge nur dafür, dass er wieder aufgefüllt ist, wenn ich wiederkomme.”, fuhr Satan fort und erhob sich von seinem Thron. „Natürlich. Ihr geht also aus?”, hakte sie nach.

„Gewissermaßen. Es wird Zeit die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.”

 

‚Wenn man will, dass es richtig gemacht wird, tut man es lieber selbst.‘

 

„Bezüglich des Weines oder Eurer Söhne?”, fragte Vaya verwirrt. „Beides.” Damit verließ er den Thronsaal und ließ das Mädchen allein zurück. Sie seufzte leise. ‚Hoffentlich geht das gut.‘

Gefunden!

Juhu, das ist schneller fertig geworden als gedacht! Ich hatte diese Woche viel Zeit, also werden die zukünftigen Kapitel vielleicht länger brauchen, vielleicht auch genauso lang. Ich kann nichts versprechen. Übrigens wird es ab jetzt stellenweise auch mal etwas ernster, auch wenn ich weiterhin Humor einbringen werde. Nur damit ihr Bescheid wisst ;) Außerdem ist das mein erstes Mal, dass ich mich an einem Kampf versucht habe, also wäre es wie immer nett wenn jemand Kritik/Verbesserungsvorschläge hat.
 

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"Kann es sein, dass wir an diesem Felsen schon mal vorbei sind?", fragte Beelzebub.

 

"Ja und diesen abgebrochenen Baum kenne ich auch...", erwiderte  Amaimon.

 

Lucifer runzelte die Stirn. "Das kann nicht sein, wir sind-"

 

"-im Kreis gelaufen.", unterbrach ihn Samael.

 

Astaroth schnaubte. "Warum haben wir auch auf den Typen gehört, der nicht mal Norden und Süden unterscheiden kann?!"

 

"Ich kann es sehr gut voneinander unterscheiden!", verteidigte sich Lucifer.

 

"Warum hast du dann damals die Karte falsch herum gehalten? Unten waren die Himmelsrichtungen sogar eingetragen!", antwortete Iblis bissig.

 

Samael verdrehte die Augen, Egyn und Azazel schwiegen.

 

Azazel fragte sich zum hundertsten Mal, warum er sich hat überreden lassen mit nach Assiah zu kommen. Er hätte einfach Zuhause in seinem Bett bleiben sollen, aber nein, seine Brüder mussten ihn mitschleifen. Manchmal wünschte er sich wirklich ein Einzelkind zu sein, zumindest für einige Tage.

 

Egyn drehte währenddessen weiter am Rad und malte sich die schlimmsten Horrorszenarien aus, in denen der vermisste Halbdämon gelandet sein könnte und wie Satan reagieren würde. Diesmal würden Köpfe rollen, wenn Rin nicht gefunden oder gar getötet wurde.

 

"Das bringt doch alles nichts!", brach es aus ihm heraus als die Frustration überhandnahm. "Wir wandern jetzt schon seit..." Er wandte sich an Samael.

 

 "Vier Stunden.", beantwortete dieser die stumme Frage.

 

"Seit vier Stunden hier herum, aber haben nicht eine Spur von Rin gefunden! Wahrscheinlich laufen wir in die komplett falsche Richtung! Ohne uns ist er verloren, also brauchen wir einen Plan und zwar jetzt!", schloss Egyn und warf die Hände in die Luft. Betretendes Schwiegen folgte.

 

"Jungs, ich hasse es das zu zugegeben, aber Egyn hat recht.", begann Beelzebub. Die anderen sahen ihn überrascht an. Beelzebub war immer sehr direkt, aber Egyns Pessimismus teilte er nie. "Wir werden hier keine Probleme bekommen, aber Rin sitzt auf dem Präsentierteller. Wenn uns nicht bald was einfällt, ist er erledigt."

 

"Kannst du nicht einfach das Siegel zerstören und seine Kräfte freisetzten? Dann könnten wir ihn immerhin spüren.", fragte Astaroth Samael.

 

Dieser schüttelte den Kopf. "Ich fürchte das ist eine ganz schlechte Idee. Hast du während deiner Lektüren nicht zugehört?"

 

Astaroth zuckte mit den Schultern. "Die waren totlangweilig. Das Meiste braucht man doch eh nie und das Grundlegende weiß ich!"

 

Samael spürte erneut wie sein Auge zuckte. War das sein Ernst? Eigentlich sollte er nicht überrascht sein.

 

Lucifer machte währenddessen eine mentale Notiz Phenex, dem Archivar in Satans Palast einen Besuch abzustatten. Scheinbar musste er mit seinem Bruder nochmal einige Bücher durchgehen.

 

Bevor Samael den Mund öffnen konnte, begann er zu erklären. "Samael hat sowohl Rins Kräfte versiegelt als auch sein Dämonenherz verbannt. Je älter er wurde, desto mehr nahm seine Stärke und die der Flammen zu, sodass sie fortwährend Druck auf das Siegel ausübten. Als damals seine Flammen hervor gezwungen wurden, ist es noch stärker beschädigt worden." Er machte eine Handbewegung zu dem Schwert, welches Iblis immer noch hielt. Tatsächlich war das Siegel angebrochen. Die anderen nickten. All das war nichts neues für sie.

 

Lucifer fuhr fort. "Nachdem er dann die Klinge gezogen hatte, wurde ein Teil seiner Kräfte entfesselt und weckte das Dämonenblut in ihm. Er war nicht länger ein Mensch."

 

"Das wissen wir, komm zum Punkt.", knurrte Iblis. Lucifer warf ihm einen strafenden Blick zu, ließ es jedoch auf sich beruhen. Eile war geboten.

 

"Um es kurz zu machen: die Dämonenenergie hat sich seit diesem Tag -nein eigentlich schon seit dem Tag der Versieglung- weiter angestaut und übt immer mehr Druck aus, jedoch ohne das Siegel überwinden zu können. Inzwischen hat sich eine gewaltige Kraft angesammelt, die wenn wir sie entfesseln unmöglich zu kontrollieren ist. Rin ist ein Halbdämon welcher den Großteil seines Leben als normaler Mensch verbracht hat. Wenn wir jetzt sein Dämonenherz befreien, werden Kräfte freigesetzt mit denen er vollkommen überfordert ist. Und ihr wisst was dann passiert.", schloss Lucifer.

 

"Seine Kräfte entwickeln ein Eigenleben und gewinnen die Oberhand, in anderen Worten: er läuft Amok oder stirbt daran.", grummelte Iblis.

 

"Scheiße...", murmelte Astaroth. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten war, dass Rin den Wald und damit auch sie selbst abfackelte.

 

"Warum ziehen wir nicht einfach das Schwert um ihn zu finden?", schaltete sich Azazel ein, welcher bis jetzt geschwiegen hatte. Die anderen sahen ihn verwirrt an bis Lucifer, Samael und Beelzebub die Erkenntnis eintraf.

 

"Das ist doch...", begann Samael, sich selbst verfluchend. Wie konnte ihm so ein Missgeschick passieren?!

 

"Wir sind solche Volltrottel.", meinte Lucifer kopfschüttelnd. "Wir hätten uns vier Stunden rumrennen sparen können!"

 

"Hättest du nicht eher darauf kommen können!", fragte Beelzebub entnervt.

 

Die restlichen vier sahen sich verständnislos an.

 

"Wollt ihr uns dann auch mal einweihen?", fragte Astaroth trocken.

 

"Wenn wir das Schwert ziehen, entfesseln wir seine Flammen.", antwortete Azazel.

 

Amaimon murmelte etwas davon, dass er das auch schon bemerkt hatte.

 

"In anderen Worten, es wird nicht nur einfacher sein ihn zu spüren, sondern er wird mit seinen Flammen wesentlich schwerer zu übersehen sein.", ergänzte Lucifer.

 

"Bei den ganzen Bäumen bringt das jetzt nicht so viel.", grummelte Egyn.

 

"Jemand könnte einfach auf einen Baum klettern und wir ziehen das Schwert. Immerhin kennen wir dann die grobe Richtung.", antwortete Azazel schulterzuckend.

 

Samael strich über seinen Kinnbart. "Das könnte durchaus funktionieren..."

 

"In Ordnung, wer klettert?", fragte Amaimon.

 

Beelzebub betrachtete die Bäume nachdenklich. "Die oberen Äste sind ziemlich dünn. Wir bräuchten jemand leichten der da hoch klettert..." Wie auf Kommando wandten sich alle Egyn zu. Dieser erbleichte. "Oh nein, kommt nicht in die Tüte. Ich habe Höhenangst!"

 

"Ach komm, verarsch uns nicht.", knurrte Iblis. "Mit den Palasttürmen und Balkons hattest du auch nie ein Problem!"

"Da sitze ich ja auch nicht auf dünnen Ästen!", protestiere Egyn.

 

Lucifer seufzte. "Also schön, auf drei sagt jeder wen er für geeignet hält und wer die meisten Stimmen hat, muss hoch. Eins...zwei...drei!"

 

"Egyn." kam es von allen sieben gleichzeitig.

 

"Ich verlange eine Nachzählung!"

 

"Jetzt geh schon.", seufzte Beelzebub.

 

Grummelnd begann der Wasserdämon einen der Bäume hochzuklettern. 'Bloß nicht nach unten sehen...'

 

"Wenn ich falle und mir alles breche, seid ihr schuld!", rief er den anderen zu.

 

Astaroth verdrehte die Augen. "Du könntest ein Messer im Magen stecken haben und würdest dich dennoch heilen, also hör auf dich zu beschweren!"

 

Nach einigen Minuten hatte der Dämonenkönig endlich den höchsten Punkt erreicht und setzte sich auf einen halbwegs stabil wirkenden Ast. Dieser knarzte dennoch bedrohlich unter seinem Gewicht. 'Oh, mein Gehenna...'

 

"Wir ziehen jetzt das Schwert!", rief Lucifer und Iblis zog die Klinge aus der Scheide. Sofort war sie mit den ihnen so vertrauten Flammen umhüllt.

 

"Ok, das ist ziemlich cool.", gab Astaroth grinsend zu. Normalerweise schmolzen diese Flammen jegliches Metall, doch der Dämonenabschlachter hielt stand.

 

"Wie sieht's aus Egyn? Siehst du was?", rief Iblis.

 

Egyn blickte sich suchend um und entdeckte tatsächlich ein blaues Leuchten in der Ferne. Zum Glück war es gerade Nacht, was das Unterfangen sehr erleichterte.

 

"Ja, ich sehe etwas in dieser Richtung.", antwortete er und deutete auf das Leuchten. Die anderen verglichen die Position der zwei Monde mit der gezeigten Richtung und erkannten, dass sie nach Westen mussten.

 

"Endlich mal eine Spur...", meinte Beelzebub erleichtert. "Verlieren wir keine Zeit!"

 

"Ähm Jungs?" Sie schauten zu Egyn hoch. "Habt ihr ne Idee wie ich hier wieder runter komme?"

 

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Nun war es verdammt nochmal offiziell. Das Universum hatte sich gegen Rin verschworen und beschlossen ihm das Leben zu vermiesen. Gerade als er gehofft hatte endlich jemanden zu haben, der ihm beistand -in diesem Fall Yukio- brach natürlich die vermaledeite Verbindung ab. Warum musste er auch in diesem Kloster sein?!

 

Wütend starrte Rin sein Handy an und widerstand dem Drang es gegen den nächstbesten Baum zu werfen. Andererseits war sein Akku fast alle, daher konnte er eh niemanden anrufen, was es vollkommen nutzlos machte. Selbst wenn er ein Ladekabel dabei gehabt hätte, war er immer noch im Wald und er bezweifelte, dass er hier Steckdosen gab. Falls es in Gehenna sowas überhaupt gab. Seine letzte Option war einen seiner Freunde eine Nachricht zu schreiben, aber was sollte das bringen? Sie hatten sicherlich längst gemerkt, dass er verschwunden war und allerspätestens Yukio würde ihnen sagen was los ist.

 

Während er gedankenverloren seine Kontakte durchblätterte, stellte er fest, dass er auch Mephistos Nummer hatte. Dies verwirrte Rin bis ihm einfiel, dass es der Schulleiter war, der ihm das Handy besorgt und bei der Gelegenheit wohl auch gleich seine Nummer eingespeichert hatte. Sein vorheriges Telefon hatte er verloren, wahrscheinlich als er mit Shiro auf der Flucht vor Astaroths Dämonen gewesen war. Es hatte ihn natürlich extrem überrascht, dass sein Vormund mit der Hochsicherheitsbrieftasche ihm freiwillig ein Handy besorgen wollte. Hatte er die Situation in der er jetzt steckte, damals vorausgesehen? Er war der König der Zeit, also konnte er doch sicher in die Zukunft schauen?!

 

Rin schob diesen Gedanke beiseite. Nie im Leben würde er den Clown anrufen und um Hilfe bitten!

 

Schnaubend stopfte er das Handy in seine Tasche und stapfte weiter. Inzwischen war er an einem Abhang angekommen. Er hatte keine Ahnung ob er sich dem Waldrand näherte, meinte jedoch, dass sich die Bäume allmählich lichteten. Er beschloss den Abhang hinunter zu steigen und es sich einmal näher anzusehen, jedoch war dieser äußert schlammig und bot kaum Halt. Schlussendlich kam es wie es kommen musste. Rin rutschte aus, landete im Schlamm und kullerte den Hügel herab. Klasse.

 

Missmutig rappelte er sich auf. Er sah aus, als wäre er in ein Moor gefallen!

 

'Na egal, ich habe jetzt andere Probleme.' Noch während er das dachte, schien sich jemand genötigt zu fühlen, dieser Aussage zusätzlichen Ausdruck zu verleihen.

 

Plötzlich spürte er, wie sein gesamter Körper von Energie durchströmt wurde. Seine Ohren und Zähne wuchsen und wurden spitzer, während sein gesamter Körper von der Wärme der blauen Flammen eingehüllt wurde. 'Was zur-?! Haben die acht etwa das Schwert gezogen?! Warum?!'

 

Nervös schaute er sich um, überzeugt davon sie zu entdecken. Doch dann endete alles so schnell wie es begonnen hatte und die Flammen erloschen. Hatten sie ihn gefunden?

 

Entschlossen sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, lief er weiter bis er eine Art Lichtung erreichte. Dabei achtete er allerdings nicht wo er hinlief und fand sich plötzlich in einer weißen, stark klebenden Substanz wieder. Nein, es war keine Substanz, es war ein...Spinnennetz? Fluchend trat Rin einige Schritte zurück und versuchte die klebrigen Fäden abzustreifen. 'Warum ist hier so ein großes Spinnennetz?!'

 

Was er als nächstes hörte, ließ seinen Herz einen Aussetzer machen. Über ihm klickte es. Es war genau dasselbe Klicken, welches er auf der Lichtung vorhin gehört hatte. Mit zugeschnürter Kehle schaute er langsam nach oben, wo acht schwarze Augen seinen Blick erwiderten.

 

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"Hey, schaut mal was wir gefunden haben!", rief Beelzebub seinen Brüdern zu. Neben ihm kniete Amaimon an einem Abhang. Als sie näher traten, konnten sie den aufgewühlten Boden sehen.

 

"Alles was ich sehe ist ein Haufen Schlamm.", beschwerte sich Astaroth.

 

Azazel verdrehte die Augen. "Es geht höchstwahrscheinlich um die Spuren." Astaroth öffnete und schloss seinen Mund. Peinlich.

 

"Wie auch immer...", murmelte Amaimon. "Hier ist vor kurzem etwas auf zwei Beinen vorbei gekommen und den Abhang runtergerutscht. Wahrscheinlich unser kleiner Bruder."

 

"Wie lang ist das her?", fragte Egyn hoffnungsvoll. Amaimon betrachte noch einmal prüfend die Spuren. "Ich würde sagen einige Minuten."

 

Die anderen erlaubten sich einen kurzen Moment der Hoffnung.

 

"Also da runter?", grummelte Azazel und warf dem Abhang einen abwertenden Blick zu. "Da runter.", bestätigte Beelzebub. "Passt aber auf, der Boden sieht rutschig aus."

 

"Ja, ja.", grummelte Iblis und begann den Hang hinunter zu klettern. Lucifer tat es ihm nach, gefolgt von Astaroth, Beelzebub und Samael. Samael kam zuerst unten an, überraschenderweise ohne Schlamm abzubekommen. Dafür verlor Egyn seinen Halt und rutschte herunter. Dabei brachte er auch seine Brüder zu Fall, sodass sie unten als zappelnder Haufen ankamen. Lucifer hatte das Pech gehabt ganz unten zu landen, während Samael und Amaimon rechtzeitig zur Seite getreten waren und Azazel noch immer am Abhang stand. "Ich bin wirklich von Idioten umgeben.", murmelte er kopfschüttelnd.

 

Lucifer ignorierte ihn und starrte dafür Samael böse an. "Ein wenig Hilfe?!"

 

Samael grinste nur. "Nein, das ist eindeutig zu unterhaltsam.~"

 

Nach zwei Minuten voller Flüche und versehentlichem gegenseitigem treten, war das Knäul endlich gelöst. Azazel hatte es inzwischen ebenfalls nach unten geschafft, natürlich ohne einen Klumpen Dreck abzubekommen. Das Leben konnte so unfair sein.

 

"Tschuldigung.", murmelte Egyn während er den Schlamm aus seinen Haaren strich.

 

"Nicht angenommen!", fauchte Iblis, welcher gerade versuchte den schlimmsten Dreck aus seiner Kleidung zu bekommen.

"Die Spuren gehen dort weiter.", schaltete sich Amaimon ein und deutete in die Richtung einiger Bäume.

 

"Der Wald scheint sich zu lichten.", stellte Beelzebub fest. Dann runzelte er die Stirn. "Wartet mal, diese Gegend kommt mir bekannt vor-"

 

Bevor er seinen Gedanken beenden konnte, wurde er vor einem markerschütterndem Kreischen unterbrochen, welches nicht menschlich klang. Was jedoch ihre Sorge auslöste, waren die blauen Flammen, die nicht weit entfernt zu lodern begonnen hatten.

 

Die acht Brüder schauten sich eine Sekunde lang an und sprinteten dann ohne ein Wort los.

 

Sie erreichten eine Lichtung, wo sich ihnen ein Anblick bot, welcher ihnen sämtliche Farbe aus den Gesichtern treib. Die gute Nachricht: sie hatten Rin gefunden und es war noch alles dran. Die schlechte Nachricht: über ihm hockte eine gewaltige, offensichtlich angepisste schwarze Riesenspinne welche gerade ausholte um ihm ihre Giftzähne in seinen Körper zu bohren.

 

'Oh, nicht doch...', dachte Beelzebub. Nun, immerhin wussten sie jetzt, dass sie in seinem Gebiet gelandet waren.

 

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Riesenspinnen. Natürlich. Von allen Dingen auf die Rin hätte treffen können, war es eine riesige schwarze Spinne mit langen haarigen Beinen und riesigen Giftzähnen! Die meisten an seiner Stelle hätten wohl geschrien oder versucht wegzurennen, Rin jedoch war wie gelähmt. Nicht einmal schreien schien möglich. Stattdessen schossen seine Flammen hervor, welche das Tier jedoch nicht abzuschrecken schienen. Sie (Oder war es ein "er"? Egal!) schien eher daran interessiert den Eindringling zu fressen, welcher die Dreistigkeit besaß ihr Heim zu zerstören. Die Kreatur ging in Angriffsstellung und Rin musste zu seiner Schande zugeben, dass er nur die Augen schließen konnte. Er sah sein Leben an sich vorbei ziehen, dachte an seine Freunde, an Yukio und den alten Mann. Shiro...wenn es doch ein Leben nach dem Tod gab, würde er ihn immerhin wieder sehen. Er wartete, jedoch kam der Todesstoß nicht. Stattdessen hörte er eine ihm allzu bekannte Stimme, welche etwas auf Deutsch rief.

 

"Eins, zwei, drei!"

 

Rin riss die Augen auf. Das klang doch nach...! Er sah nach oben. Die Spinne bewegte sich nicht länger, sondern war starr wie eine Statue. Rin wirbelte herum und schaute in die Richtung aus der die Stimme gekommen war. Dort stand, zusammen mit den anderen Dämonenkönigen, Mephisto (Nein, Samael!). Er hatte einen Arm nach vorn ausgestreckt und deutete damit auf die Spinne, ein Ausdruck höchster Konzentration lag auf seinem Gesicht. In dem Halbdämonen machte sich Erleichterung breit. Warte...Erleichterung? Warum war Rin erleichtert die Dämonenkönige zu sehen?! Sie waren doch an diesem Schlamassel schuld! Wenn sie nicht wären, säße er in seinem Wohnheim in Assiah und würde mit seinen Freunden eine tolle Zeit verbringen. Stattdessen war er in Gehenna, wo riesige Spinnen, gruslige Eichhörnchen und ein pyromanischer Teufel lauerten!

 

"Wartest du noch auf nen roten Teppich?! Mach das du da weg kommst!", rief Astaroth ihm zu. Normalerweise wäre Rin nicht im Traum eingefallen auf irgendwelche Dämonen zu hören, besonders wenn der besagte Dämon ihn in der Vergangenheit ohne zu zögern, beinahe gefoltert hätte. Im Angesicht der Umstände entschloss er sich jedoch eine Ausnahme zu machen. So schnell er konnte sprintete er zu seinen Halbbrüdern. Er wusste nicht, warum er ausgerechnet zu ihnen lief und das auch noch freiwillig. War das irgendeine Dämoneninstinktkiste?

 

"Geht es dir gut?", erkundigte sich Lucifer besorgt.

 

"Abgesehen von der entstandenen Spinnenphobie und dem Trauma...klar.", murmelte der Halbdämon. Inzwischen waren sogar seine Flammen wieder verschwunden.

 

Egyn brabbelte jedoch drauf los. "Und es geht dir wirklich gut?! Niemand hat versucht dich zu fressen?! Alles ist noch dran?! Oh mein Gehenna-!" Diesmal hielten ihm Azazel und Iblis den Mund gleichzeitig zu. "Jetzt sei doch mal still, ihm geht's gut!", knurrte Azazel entnervt.

 

Samael hatte inzwischen das Zeitfeld aufgehoben, Rins neue "Freundin" war wieder im Rennen.

 

"Es sieht wütend aus...", stellte Amaimon fest. "Spielen wir damit?" Tatsächlich richtete die Spinne sich auf und präsentierte ihre Giftzähne. Dabei stieß sie dasselbe Kreischen aus, was sie bereits vorhin gehört hatten.

 

"Ich lehne dankend ab.", erwiderte Samael.

 

"Hauen wir ab, bevor ihre Freunde kommen!", bestätigte Astaroth.

 

Daraus wurde nichts. Sie drehten sich um, nur um festzustellen, dass sich von hinten zwei weitere Exemplare nährten. Daraufhin zogen sie Rin in ihre Mitte und begannen langsam zurückzuweichen.

 

"Ich nehme an, dass ihr keine Waffen dabei habt?", fragte Samael.

 

"Nein. Schätze mal, wir regeln das auf die altmodische Art.", erwiderte Iblis und ließ eine Flamme in seiner Hand auflodern. Bei ihm sah das so einfach aus, Rin hatte nicht einmal genug Kontrolle um eine Kerze anzuzünden ohne den Raum mit abzufackeln!

"Von den Seiten kommen sie auch, wir sind umzingelt!", knurrte Azazel. Er hätte wirklich zu Hause bleiben sollen.

 

Entsetzt stellten die anderen fest, dass er recht hatte. Von allen Seiten nährten sich Spinnen, groß und klein (Klein bedeutete in etwa Ponygröße, also immer noch zu groß!), ihre Greifer klickten bedrohlich, beinahe so als würden sie sich auf ihre Mahlzeit freuen.

 

"Eingekreist von einem Haufen Käfer. Wie erniedrigend.", seufzte Samael theatralisch.

 

"Das sind keine Käfer sondern Arachnoiden und sie gehören zur Familie der Gliederfüßer! Käfer haben außerdem nur sechs Beine-"

 

"Beel, spar dir den Vortrag und pfeif deine Schoßtiere zurück!", rief Astaroth.

 

"Das versuche ich die ganze Zeit schon, aber sie hören nicht auf mich!"

 

"Ich dachte, du hättest sie gezüchtet!", rief Egyn beinahe hysterisch.

 

"Du züchtest sowas in deiner Freizeit?!", fragte Rin entsetzt. Ok, Beelzebub war der König der Insekten, aber das war einfach nur gruslig.

 

"Glaube mir, hier in Gehenna gibt es einige Kreaturen die wesentlich schlimmer sind.", konterte der Insektenkönig.

 

"Ach echt? Also mir reicht's!", erwiderte Rin bissig.

 

"Ich schließe mich an.", bestätigte Iblis. "Aber Taten sprechen lauter als Worte! Zeigen wir den Mistviechern, was wir können!"

 

Daraufhin schickte er einen konzentrierten Flammenstoß auf den nächstbesten Gegner. Erneut ertönte ein lautes Kreischen und der Gestank von Chitin lag in der Luft, jedoch...

 

"Es lebt noch!?", rief Iblis entgeistert und zum ersten Mal hatte Rin das Gefühl, dass auch Dämonenkönige ins Schwitzen kommen konnten.

 

"Na ja...", begann Beelzebub. "Ich habe in den letzten Jahren viel experimentiert und versucht Wesen zu schaffen, die über eine größere Umweltresistenz verfügen. Dabei sind diese Exemplare entstanden. Die meisten Attacken sind nutzlos gegen sie..."

Seine Brüder starrten ihn entsetzt an.

 

"Willst du uns jetzt ernsthaft erzählen, dass du Monster geschaffen hast, die gegen unsere Kräfte immun sind?!", rief Lucifer. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten war in seiner Stimme ein Anflug von Besorgnis zu hören. Wer konnte es ihm schon verübeln? Sie waren nach Satan die stärksten Dämonen Gehennas und mussten sich so gut wie nie Sorgen darum machen in ernsthafter Gefahr zu schweben. Der Gedanke, dass sie ausgerechnet in diesen Viechern ihre Meister finden sollten, war folglich mehr als blamabel. Außerdem war da immer noch Rin, welcher momentan in weitaus größeren Schwierigkeiten steckte, da er sich weder heilen noch kämpfen konnte.

 

"Nicht direkt. Ihre Unterseite ist nach wie vor sehr empfindlich und sie richten sich vor einem Angriff meist auf."

 

"Damit können wir schon eher arbeiten.", antwortete Lucifer. "Drängt sie zurück und lasst sie nicht an Rin ran! Samael und ich versuchen sie zu verlangsamen, der Rest greift an! Azazel du bleibst bei Rin!" Die anderen nickten. "Gut dann los!"

 

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Im Nachhinein betrachtet musste Rin zugeben, dass sie eine Menge Glück hatten. Gut er würde sich für den Rest seines Lebens keiner Spinne mehr auf zehn Meter nähern können, aber zumindest wurde niemand gefressen und er hatte zum ersten Mal die Gelegenheit die acht Dämonenkönige in Aktion zu sehen. Dabei wurde ihm zum ersten Mal bewusst, wie sehr sich Amaimon bei ihren Kämpfen zurückgehalten hatte. Sie waren nicht nur stark und wussten mit ihren Kräften umzugehen, sondern auch wahnsinnig schnell. Es schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, sie alle im Blick zu behalten. Das Einzige, was ihn noch mehr beeindruckte, war wie gut sie zusammenarbeiteten. Man sollte doch eigentlich meinen, dass es bei sieben Personen und den Spinnen die sie umgaben, es zumindest einige Zusammenstöße geben und sie sich hin und wieder gegenseitig im Weg stehen würden. Stattdessen deckten sie sich gegenseitig und führten koordinierte Angriffe aus ohne auch ein Wort miteinander zu reden. Es war mehr als offensichtlich, dass sie bereits öfter zusammen gekämpft hatten und somit ihre gegenseitigen Stärken und Schwächen kannten.

 

Sie brachten eine Riesenspinne nach der anderen zu Fall, besonders die kleineren waren relativ schnell erledigt. Dennoch schienen sie einfach kein Ende zu nehmen.

 

Rin hörte wie sich Egyn beschwerte."Das gibt's doch nicht! Warum rennen hier immer noch so viele rum?"

 

"Hier muss ein Nest sein!", rief Iblis und sprang zur Seite um nicht aufgespießt zu werden. "Die Viecher sind wie die Karnickel, jedes Mal wenn ich mich umdrehe, stehen zwei neue da!"

 

"Weniger beschweren, mehr angreifen!", konterte Beelzebub.

 

Unterdessen schlich sich eine kleinere Spinne an Rin und Azazel heran. Dieser bemerkte sie jedoch rechtzeitig. Er stieß Rin aus dem Weg und sprang nach hinten, sodass die Spinne beide verfehlte. Leider hockte sie nun zwischen den beiden Halbbrüdern und begann in Rins Richtung zu krabbeln.

 

'Rückblickend: keine meiner besten Ideen...', stellte der Dämonenkönig missmutig fest. Er ließ eine starke Orkanböe los, welche einen der Bäume entwurzelte und das Monster unter sich begrub. Danach stieß er sich vom Boden ab, sprang über das tote Tier und landete neben Rin. "Alles noch dran?" Der Halbdämon nickte nur und schaute mit aufgerissenen Augen auf den Kadaver.

 

"Ihr scheint sowas öfter zu machen?", fragte er unsicher.

 

 Azazel zuckte mit den Schultern. "Kämpfen und töten? Klar. Gegen Riesenspinnen? Das ist das erste Mal. Beel kann sich nachher auf was gefasst machen. Achtung."

 

Das 'Achtung' kam in einer Stimmlage als würde er über das Wetter reden, weswegen Rin nicht sofort den Sinn begriff. Daraufhin packte Azazel ihn kurz entschlossen am Arm und sprang einige Meter nach hinten.

 

"Sieht so aus als hätten wir ihre Aufmerksamkeit.", stellte er monoton fest.

 

Diese Spinne war größer als die bisherigen und sah sogar noch gemeiner aus als die anderen, was Rin nicht für möglich gehalten hätte. "Hey, ich glaube wir haben die Anführerin gefunden!", rief Azazel den anderen zu.

 

"Sorry, wir sind grad ein bisschen beschäftigt!", knurrte Astaroth. Er und Amaimon waren von einer größeren Gruppe eingekreist worden und vollkommen damit beschäftigt nicht gefressen zu werden und Angriffe auszuteilen. Auch an den anderen Fronten sah es nicht allzu rosig aus. Iblis und Egyn hatten sich mit mehreren größeren Exemplaren angelegt und versuchten sie davon abzuhalten Beelzebub zu fressen. Dieser lockte die Anführerin von Rin und Azazel weg und versuchte nebenbei immer wieder den Spinnen seinen Willen aufzuzwingen. Nach wie vor funktionierte es nicht.

 

"Ich verstehe es einfach nicht!", rief er frustriert. "Es ist fast so als hätten sie jegliches Urteilsvermögen verloren!"

 

"Vielleicht liegt es daran, dass Käfer generell kein Urteilsvermögen haben?!", brüllte Iblis zurück.

 

"Es sind keine Käfer!", fauchte der Insektenkönig frustriert.

 

"Seid ihr noch bei Trost?! Hört auf euch im Kampf zu streiten!" Wahrscheinlich hatte Lucifer mehr sagen wollen, jedoch musste er sich ducken um nicht enthauptet zu werden. "Samael! Du solltest mich doch decken!"

 

"Ich bin leider selbst beschäftigt, liebster Bruder!", kam die leicht verbissene Antwort. Er hatte sich ebenfalls mit zwei Gegnern angelegt. Rin hasste es das zuzugeben, aber er beneidete Samael dafür, dass er keinerlei Besorgnis oder Angst verspürte oder es zumindest nicht zeigte.

 

Inzwischen war Iblis mit seiner Grillparty wieder voll im Gange. Mehr und mehr Spinnen wurden unter lautem Gekreische zu einem Häuflein Asche reduziert. Rin hatte sogar ein wenig Mitleid mit ihnen, denn es waren trotz allem Lebewesen und Tod durch Verbrennen stellte er sich furchtbar vor. Allerdings war die Alternative von ihnen gefressen zu werden, also war er ausnahmsweise willens nichts zu sagen. Außerdem hatte er etwas weitaus interessanteres entdeckt. Iblis hatte auf seinem Rücken Kurikura geschnallt. Wenn er es nur erreichen könnte, dann könnte er die Spinnen selbst erledigen und vielleicht sogar abhauen.

 

"Denk nicht mal dran.", sagte Azazel.

 

"Was?"

 

"Es heißt 'Wie bitte'. Und ich meine, dass du gar nicht daran denken sollst dir das Schwert zu holen und mitzukämpfen."

 

"Aber warum?", fragte Rin frustriert. "Soll ich einfach rumsitzen und nichts tun?!"

 

'Und meine Chance zur Flucht ignorieren?', fügte er stumm hinzu.

 

"Du hast zu wenig Kontrolle. Am Ende fackelst du die Lichtung und noch wichtiger uns mit ab. Also halt dich raus, sie schaffen das."

 

Rin wollte protestieren, wurde jedoch von einer weiteren Spinne unterbrochen. Diese griff Azazel an. Er versuchte auszuweichen, jedoch erwischten ihn die Beine und er wurde gegen einen Baum geschleudert. Rin hatte keine Zeit nachzusehen wie es ihm ging, denn nun kam die Spinne mit voller Geschwindigkeit auf ihn zu. Er sah sich bereits zwischen den Greifern des Biestes als erneut ein lautes Kreischen ertönte. Die Spinne hielt inne und Rin nutzte dies aus um möglichst weit weg von ihr zu kommen. Plötzlich wurde das Biest weggeschleudert. Er drehte sich zu Azazel um und stellte fest, dass dieser sich aufgerappelt hatte. Er sah Rin nicht an, sondern schaute zu der Anführerin. Rin folgte seinem Blick und ein eisiges Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Überall auf der Lichtung brannte Feuer. Blaues Feuer.

 

Die Stimme eines Mannes rief etwas in einer Rin unbekannten Sprache, woraufhin sich die Dämonenkönige schnell zurückzogen. Die Monster hatten keine Chance. Sobald sie einmal von den blauen Flammen erwischt waren, gab es für sie kein Entrinnen mehr. Dummerwiese schien die Spinne von vorhin clever genug gewesen zu sein sich am Rand aufzuhalten. Erneut schlich sie sich an den ahnungslosen Halbdämonen an. Die Einzigen, die es mitbekamen waren Samael und Azazel. Sie riefen Rin eine Warnung zu, woraufhin er versuchte beiseite zu springen. Er schaffte es zwar dem Schlimmsten zu entgehen, jedoch spürte er wie die Zähne Schulter und Hüfte erwischten. Sofort begannen beide Wunden zu brennen wie Feuer. Er lag zitternd am Boden, zu schwach um aufzustehen, über ihm eine sehr glückliche Spinne. Sie bekam jedoch nie die Gelegenheit mehr zu tun, denn sofort war sie ebenfalls von blauen Flammen umschlossen. Rin hörte die Stimme von vorhin laut fluchen, kurz darauf schien sie Befehle zu erteilen, denn die acht griffen erneut die verbliebenden Spinnen an und begannen sie auszumerzen.

 

Rin lag weiterhin nur um Boden. Sämtliche Kraft hatte seinen Körper verlassen, seine Sicht war verschwommen und das Atmen fiel ihm schwer. Fühlte sich so sterben an? Er spürte nur am Rande wie jemand neben ihm kniete.

 

"Hey Balg, ich hoffe du hast jetzt nicht vor hier draufzugehen. ", hörte er eine Stimme sagen. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor... aber nein das konnte nicht sein.

 

"Junge?", er wurde leicht gerüttelt. "Komm schon, sag mir das ich nicht umsonst durch diesen spinnenverseuchten Wald gerannt bin!"

 

"...leb...noch...", war alles was Rin hervorbringen konnte.

 

"Na, immerhin bist du ansprechbar.", stellte der Fremde fest. Er hob Rin vorsichtig an, sodass sich dieser an den Mann lehnen konnte. Der Halbdämon war zu schwach um zu protestieren.

 

"Ich schwöre es, einer von euch wird mich noch ins Grab bringen. Immer mit den Kopf voran in den Ärger...", murmelte der ältere Dämon vor sich hin und berührte die Wunde an Rins Schulter. Dieser sog scharf die Luft ein.

 

"Mh...das sollte eigentlich heilen...scheint als hätten dich die Zähne doch gut erwischt. Offensichtlich war ich zu langsam.", fuhr er ein wenig verärgert fort.

 

"Vielleicht...würde es heilen wenn du aufhören würdest...daran herum zu grapschen...", stieß Rin hervor.

 

Der Mann lachte leise. "Du bist wirklich temperamentvoll und das sogar unter Schmerzen, wie? Nun es war zu erwarten, aber nach unserer letzten Begegnung hätte ich gedacht du wärst nervöser...oder bist du einfach nicht vollkommen bei dir?"

 

Bevor Rin antworten konnte, bekam er einen Hustenanfall. Er spürte wie er etwas flüssiges hervor hustete. Es schmeckte metallisch und war relativ dickflüssig. Er begann noch heftig zu zittern und auch seine Atmung wurde unregelmäßig. Der Mann half ihm sich aufrechter hinzusetzen und strich über seinen Rücken um das Husten und die Atmung zu erleichtern.

 

"Schon gut, es ist alles in Ordnung. Lass einfach alles raus.", redete er beruhigend auf den Halbdämonen ein. Er schien außerdem etwas um ihn zu wickeln. Ein Umhang vielleicht? Rin wusste es nicht, jedoch waren die Stimme und die Handlungen des Mannes seltsam beruhigend. Er hatte keine Ahnung warum, aber er fühlte sich sicher bei ihm. Warum? Der Kerl war ein Fremder!

 

"Lass...mich los...", flüsterte Rin mit heiserer Stimme als er wieder normal Luft bekam. Erneut lachte der Fremde leise. Diesmal war sich Rin sicher. Er kannte dieses Lachen und diese Stimme. "Warum sollte ich das tun? Immerhin habe ich dich endlich."

 

Der Teenager bekam nun Panik. Er versuchte sich zu befreien, den Dämon wegzustoßen jedoch hätte er in seinem Zustand nicht mal Kuro wegschieben können. Erneut durchzog der Schmerz seinen gesamten Körper. Warum musste das passieren?

 

"Jetzt beruhige dich und hör auf rumzappeln! Du reißt nur deine Wunden weiter auf!", merkte der Mann tadelnd an. Rin wollte ihm sagen, dass es ihm egal war und dass er sich von ihm fernhalten sollte, jedoch bekam er kein Wort mehr heraus.

 

"Vater!" Er hörte Schritte die sich hastig nährten.

 

"Wie schlimm ist es?", fragte Egyn ein wenig panisch. Zumindest glaubte Rin, dass es Egyn war, er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.

 

"Er wird es überleben, braucht aber einen Heiler. Was habt ihr euch dabei gedacht hier mit ihm herumzuwandern? Habt ihr Idioten eine Vorstellung davon was hätte passieren-"

 

Erneut bekam Rin einen Hustenanfall und wieder hatte er diesen scheußlichen metallischen Geschmack im Mund.

 

"Oh, oh...", murmelte Amaimon.

 

"Gut, das hier kann warten. Wir müssen ihn zu einem Heiler bringen, sonst wird er sterben." Der Mann stand auf und hob Rin vorsichtig hoch. Dieser versuchte sich nicht mehr zu wehren. Wie denn auch? Das Schlimmste was er tun konnte war ihn mit Blut anzuhusten.

 

"Glaubt aber nicht, dass ihr einfach davon kommt. Ich will nachher eine Erklärung, damit ich entscheiden kann ob ich euch grille oder nicht!"

 

Den Rest bekam Rin nicht mehr mit. Er war müde, verletzt und konnte keinen geordneten Gedanken mehr fassen. Noch bevor sich die Gruppe auf den Weg machte, hatte er bereits das Bewusstsein verloren.

Erwachen

Hallo! Diesmal nicht allzu viel Action, aber für den weiteren Verlauf relativ wichtig, zumindest die erste Passage :P Ich glaube ich hatte bereits erwähnt, dass es teilweise etwas düsterer werden wird, aber ich lasse das Rating vorerst auf 12. Ich bin mir nicht sicher ob ich es schon erwähnt habe: die Dämonen OC's existierten wirklich, einige haben sogar Charaktereigenschaften vom Original übernommen. Ich habe ihnen teilweise neue Fähigkeiten, Hintergründe usw. zugewiesen, also nicht wundern falls sich wer mit Dämonologie auskennt, ist alles Absicht :P Weiter geht's!

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Rin hatte keine Ahnung wo er war. Gerade eben lag er noch auf dem Waldboden und wäre beinahe als Snack einer riesigen Monsterspinne geendet. Nun war er jedoch von trister Leere umgeben. Er konnte nichts erkennen, es herrschte vollkommene Finsternis und die Stille drückte auf seine Ohren. War er tot? Hatte das Gift ihm endgültig den Garaus gemacht oder war er in einer Art Koma? Er hatte schon einmal etwas von einem Wachkoma gehört, aber das war sicher nicht was gemeint war, oder?

 

Er sah sich weiter um, darauf hoffend einen Lichtstrahl zu entdecken. Tatsächlich entdeckte er einen kleinen Punkt in der Ferne. Seine Instinkte schrien ihn an sich fernzuhalten, aber er wollte aus dieser Dunkelheit raus. Sich vorsichtig vorantastend, begann er auf das Licht zuzugehen. Nach einigen Minuten hatte er es endlich erreicht. Er war an einer steinernen Wendeltreppe angelangt, welche in die Tiefe führte. Fackeln mit blauem Feuer waren die einzige Lichtquelle. Ohne anderen Ausweg begann der Halbdämon die Wendeltreppe hinabzusteigen.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit betrat er eine riesige runde Höhle. Die Decke war kaum zu erkennen und wurde von schwarzen Säulen gestützt. An den Wänden waren kryptische Zeichen, Bilder und Texte. Jedoch erregte etwas anderes Rins Aufmerksamkeit. In der Mitte des Raums war ein riesiger achtzackiger Stern, welcher von einem Kreis umrandet wurde. Er schien mit Kreide auf den Boden gezeichnet worden zu sein. Neugierig trat er näher. Dabei erkannte er, dass sich in jeder Zacke und in der Mitte ein Siegel befand, jedoch schienen einige von ihnen leichte Risse zu haben. In den Zwischenräumen waren weitere verschiedene Symbole zu erkennen, jedoch auch Schrift.

 

Es schien sich um Schriftzeichen aus aller Welt zu handeln. Er erkannte lateinische Schrift, arabische und griechische, aber auch Runen waren vorhanden. Nach einigem Suchen erkannte er sogar japanische Schriftzeichen, jedoch war es größtenteils Siegelschrift welche für ihn keinen Sinn ergab.

 

"Vorsicht Kind, du könntest verletzt werden, wenn du zu nah heran gehst.", ertönte plötzlich ohne Vorwarnung eine Frauenstimme. Rin welcher sich gerade eines der Siegel näher ansehen wollte, stolperte erschrocken rückwärts und landete unsanft auf seinem Hinterteil.

 

Die Stimme kicherte leise, aber vergnügt. "Verzeih mir, ich wollte dich nicht erschrecken, sondern dich nur davor bewahren, verletzt zu werden. Ich hätte mich eher bemerkbar machen sollen."

 

Sie klang freundlich und sanft, doch Rin war mehr als misstrauisch. Nach mehrmaligen Umschauen hatte er festgestellt, woher die Stimme kam. Sie war in seinem Kopf. Das konnte nicht gut sein.

 

"Wer bist du und was machst du in meinem Kopf?!", fragte er alarmiert. Erneut kicherte die Frau.

 

"Da ist aber jemand ziemlich schreckhaft, nicht wahr? Nun gut, es ist nicht überraschend nach deiner Begegnung mit den Skorpionen, nicht wahr?"

 

Rin war verwirrt. Skorpione? Wovon redete sie?

 

"Ah Moment, ich meine natürlich den Spinnen. Verzeih mir bitte erneut! Ich fürchte mein Japanisch ist ziemlich eingerostet. Wirklich schade, sie gehört zu meinen Lieblingssprachen und ich war schon immer von Japan fasziniert. Nun gut, nach all den Jahrtausenden kommt man dann wohl doch aus der Übung..."

 

Rin verstand nun überhaupt nichts mehr. Erst wachte er in vollkommener Dunkelheit auf, dann fand er eine Höhle, welche aussah als wäre sie das Hauptquartier eines Kultes und nun erklärte ihm eine körperlose Frauenstimme, dass sie Japan mochte. Und woher wusste sie von den Spinnen?! Hatte Shima ihm irgendetwas ins Trinken gemischt und alles bisher erlebte war Einbildung?! Wenn dem so sein sollte, würde er ihn bei der nächsten Gelegenheit anbraten.

 

"Wer zur Hölle bist du?", war die einzige Frage, welche er momentan irgendwie zu Stande brachte.

 

"Ts, ts, ts. Hat man dir nicht beigebracht, dass es sich nicht gehört so zu reden? Ich dachte immer, ihr Japaner legt so großen Wert auf Höflichkeit und Respekt?", tadelte die Frau ihn und seufzte. "Allerdings kann ich deine Verwirrtheit verstehen. Wenn du unbedingt darauf bestehst, kannst du mich Eva nennen."

 

"Eva...", murmelte Rin. "Du bist aber nicht die aus der Bibel, oder?"

 

Erneut lachte die Frau. Was war denn bitte so komisch?!

 

"Du bist wirklich niedlich...ich denke ich habe die richtige Wahl getroffen als ich beschloss dich herzubringen." Niedlich?!

 

"Moment. Bist du etwa dafür verantwortlich, dass ich Gehenna gelandet bin?", rief Rin wütend.

 

"Wie bitte? Oh nein, nein, nein. Da habe ich mich schlecht ausgedrückt. Ich habe dich nur in diese Traumwelt gezogen!"

 

"Ich...träume?", hakte Rin nach.

 

"Ja und nein. Du befindest dich tief in deinem Unterbewusstsein, jedoch habe ich diesen Raum geschaffen. Es war die einzige Möglichkeit mit dir in Kontakt zu treten und ich wollte unbedingt mit dir reden! Ich brauche deine Hilfe."

 

"Hey, jetzt warte mal!", unterbrach Rin sie. "Ich kenne dich nicht, warum sollte ich dir helfen? Nach allem was ich weiß, könntest du auch einfach nur auf meine Seele scharf sein oder willst mich umbringen! Ich habe keinen Grund dir zu vertrauen!"

 

Eva seufzte. "Dann gib mir bitte die Gelegenheit mich zu erklären. Ich habe einen guten Grund warum du mir trauen kannst: wir haben gemeinsame Feinde." Rin schwieg, was sie als Aufforderung fortzufahren, deutete.

 

"Alles begann vor vielen Jahrtausenden. Ich lebte in Gehenna-"

 

"Du bist eine Dämonin!?", rief Rin überrascht.

 

"Ja das bin ich, aber du musst dir keine Sorgen machen. Wie ich bereits sagte, lebte ich in der Hauptstadt Gehennas. Wie so viele andere, war ich unzufrieden mit Satan. Er war ein grausamer Herrscher, welche nur sein eigenes Interesse im Sinn hatte. Auch seinen Söhne war, nachdem sie ihr eigenes Gebiet bekamen, das gemeine Volk egal. Während sie und die Adelsfamilien alles hatten, verhungerten wir. Wir mussten uns auf der Straße unser Essen zusammensuchen, was wir selbst anbauten oder fingen mussten wir an die königliche Familie abgeben. In der Hauptstadt hielt es sich noch in Grenzen, aber in den Randbereichen herrschten Krankheiten, Hunger und Elend. Wer sich auflehnte, widersprach oder sich auch nur den kleinsten Fehltritt erlaubte, wurde eingesperrt, gefoltert und hingerichtet. Manchmal sogar mit ihren Familien."

 

"Das klingt ja nach dem tiefsten Mittelalter.", murmelte Rin.

 

"Das ist wahr, allerdings existierten wir schon wesentlich länger als die Menschen und waren auch viel fortschrittlicher, doch davon hatte die Arbeiterklasse nichts. Irgendwann war es zu viel. Ich schloss mich mit anderen unzufriedenen Bewohnern zusammen und begann eine Rebellion. Wir wollten Satan und die Baal vom Thron stoßen, einer von ihnen hatte uns sogar seine Hilfe zugesichert."

 

Sie lachte bitter auf. "Natürlich verriet er uns. Ich hätte es kommen sehen sollen, aber ich war zu naiv. Wir wurden gefangen, gefoltert und schlussendlich versiegelt."

 

Rins Magen hatte sich während ihrer Erzählungen immer weiter zusammengezogen. Jedoch war er immer noch misstrauisch. "Warum hat er euch nicht getötet?

"

Eva schnaubte. "Das wäre zu schnell gegangen. Er wollte, dass wir leiden. Natürlich wäre Folter bis zum Tode auch eine Möglichkeit gewesen, aber das war ihm wohl zu langweilig. Stattdessen wurden wir versiegelt. Wir gehören weder zum Reich der Lebenden noch in das der Toten, sondern sind irgendwo dazwischen gefangen, dazu verdammt auf ewig ruhelos umherzuwandern."

 

Autsch. Das klang wirklich unschön.

 

"Also seid ihr Geister?", hakte Rin nach.

 

"Nein. Wir leben, sind jedoch im Nichts gefangen. Du bist der Einzige der uns helfen kann-"

 

Sie hielt inne. "Verflucht, er ist dabei mir auf die Schliche zu kommen! Bitte Rin, du musst uns helfen! Nur du kannst uns befreien und die königliche Familie vom Thron stoßen! Als Gegenleistung helfe ich dir nach Assiah zurückzukehren!"

 

Das war wirklich ein gutes Angebot, aber warum sollte er der Einzige sein der helfen konnte? Wie sollte er bitteschön die neun mächtigsten Dämonen Gehennas besiegen?! Er war ja schon mit der Riesenspinne überfordert gewesen! Außerdem vertraute er ihr nicht. Sie behauptete seit Jahrtausenden eingesperrt zu sein, warum wusste sie dann wer er war? Warum kontaktierte sie ihn ausgerechnet jetzt? Vielleicht konnte sie nur mit ihm reden solange er in Gehenna war, aber woher wusste sie dass er hier war? Er öffnete den Mund um sie weiter zu befragen als der Raum begann zu verschwimmen. 

 

"Was passiert hier? Eva?!" Keine Antwort.

 

Der Raum löste sich auf und erneut wurde alles dunkel.

 

 

......................................................................................

 

 

Rins Kopf dröhnte. Erneut hatte er keine Ahnung wo er war, jedoch schien er zumindest nicht mehr in dieser Höhle zu sein. Er schien zu liegen...in einem Bett. Langsam öffnete er die Augen und sah eine schwarze Zimmerdecke über sich. Er versuchte sich aufzusetzen, doch ein stechender Schmerz schoss durch seinen gesamten Körper und mit einem leisem Stöhnen gab er es auf.

"Du bist also wach... schade eigentlich. Babysitten ist so viel einfacher wenn niemand versucht abzuhauen...", ertönte plötzlich eine bekannte gelangweilte Stimme.

 

Rin zuckte zusammen und richtete sich blitzschnell auf, seinen protestierenden Körper ignorierend. Auf einem Sofa in der Zimmerecke, saß Azazel mit einem Buch und schaute Rin tadelnd an. "Du solltest dich nicht so schnell bewegen, du reißt nur deine Wunden wieder auf."

 

Rin antwortete nicht, sondern schaute den Dämonenkönig völlig baff an. "Was machst du denn hier?", rief er überrascht.

Azazel hob eine Augenbraue. "Ich wohne hier? Na ja zumindest gelegentlich, ich habe auch einen eigenen Palast."

 

Rin spürte wie sich sein Herz verkrampfte. "Und wo ist 'hier'?!", fragte er, die Antwort bereits erahnend.

 

"Vaters Palast.", kam die trockene Antwort. Gut, die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

Ohne es zu bemerken begann der Halbdämon zu zittern. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Welche allmächtigen Wesen hatte er denn bitte verärgert um solches Pech zu haben?!

 

"Wer ist Eva?", fragte Azazel plötzlich. Rin sah ihn entsetzt an. Woher wusste er davon?!

 

"Du redest im Schlaf.", beantwortete Azazel die stumme Frage. "Samael hat nie erwähnt, dass du eine Freundin hast."

 

Rin wurde rot. "Sie ist nicht meine Freundin!", rief er. "Sie ist...eine Klassenkameradin an der Heiligkreuz-Akademie."

 

Wow. Das war die schlechteste Lüge, die Rin je erzählt hat. Na gut, die Lüge die er Shiro erzählt hatte um seine blutende Nase zu rechtfertigen, toppte es noch. Azazel runzelte die Stirn, offensichtlich nicht überzeugt, beließ es jedoch dabei.

 

"Egal, ich schätze es geht mich ohnehin nichts an." Er betrachtete Rin prüfend. "Wie geht es dir?"

 

Diese Frage erwischte ihn im Kalten. Er wollte gerade antworten, dass es ihn doch wahrscheinlich ohnehin nicht interessiert, hielt jedoch inne als er tatsächlich einen Anflug von Sorge in den Augen des älteren Dämonen sah, auch wenn sein Gesichtsausdruck nichts verriet.

 

"Ich fühle mich als hätte Behemoth mich als Trampolin benutzt.", antwortete er matt.

 

Azazel lachte leise. Rin war überrascht. Der Kerl konnte lachen?!

 

"Glaub mir, wenn das der Fall wäre, wärst du noch um einiges platter und zwar in vielerlei Hinsicht . Erinnerst du dich daran was passiert ist?"

 

"In etwa...da waren diese Riesenspinnen und...warte was ist mit den Anderen?" Warum kümmerte ihn das? Das Leben wäre sogar einfacher wenn die Spinnen sie erwischt hätten!

 

"Ihnen geht es gut. Beel ist nicht allzu begeistert, dass Vater seine Schoßtiere eingeäschert hat, aber in ein paar Wochen hat er eh die nächsten Viecher und alles ist wieder vergessen.", grummelte Azazel augenrollend.

 

 Richtig. Satan war aufgekreuzt und hatte eingegriffen, andernfalls wäre Rin getötet worden. Er hob seine Decke an um sich seine Verletzungen anzusehen. Sein Oberkörper, die rechte Schulter und Hüfte waren bandagiert.

 

"Du hattest wirklich Glück im Unglück.", fuhr Azazel fort. "Wärst du ein Dämon niederen Ranges oder gar ein Mensch gewesen, hättest du es nicht überlebt. Shax und Agares haben dich gut zusammengeflickt."

 

Glück? In Satans Palast festzusitzen war jetzt nicht wirklich seine Definition von Glück, aber er hielt vorerst den Mund. Erst mal wollte er herausfinden was hier genau ablief.

 

 "Wer sind Shax und Agares?"

 

"Unsere besten Heiler. Du kannst dich bei Gelegenheit gleich bedanken, immerhin haben sie sich in den letzten drei Tagen Tag und Nacht um dich gekümmert..."

 

"Drei Tage?!", unterbrach Rin ihn entgeistert. Er war drei Tage lang bewusstlos gewesen!?

 

Azazel nickte. "Japp. Du hast uns echt nen ziemlichen Schrecken eingejagt. Egyn hat dich schon halb unter der Erde gesehen und Vater war äußert...gereizt. Ich glaube diesmal wären im wahrsten Sinne des Wortes Köpfe gerollt wenn du gestorben wärst. Oder es hätte Barbecue gegeben."

 

Bevor Rin weitere Fragen stellen konnte, klopfte es an der Tür und eine Dämonin, welche ein Tablett trug,  betrat den Raum. Sie schien überrascht zu sein, dass er wach war.

 

Azazel sprach sie an, allerdings war es schon wieder diese Sprache, welche Rin nicht verstand. Das Mädchen nickte nur, stellte das Tablett auf einem Tisch neben Rins Bett ab, verneigte sich vor ihnen und huschte wieder aus dem Raum, jedoch nicht ohne dem Halbdämonen vorher einen nervösen aber neugierigen Blick zuzuwerfen.

 

"Wer war das und was ist diese Sprache?"

 

"Das war Vaya, sie hat dir dein Essen gebracht und diese Sprache ist Gehennisch, unsere Sprache."

 

"Irgendwie hätte ich gedacht, dass ihr Arabisch, Latein oder Hebräisch sprecht.", murmelte Rin.

 

Azazels Mundwinkel zuckten leicht. "Wir haben lange vor den Menschen existiert, Gehennisch ist somit die älteste Sprache. All die Sprachen sind später entstanden und wir haben viele im Laufe der Jahrhunderte gelernt." Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Aber genug davon, ich habe keine Lust das alles zu erklären. Frag die Anderen."

 

Rin schwieg. Es hatte ganz sicher nicht vor den Rest der Familie zu treffen. Sobald Azazel endlich ging, würde er sowas von abhauen! Ein lautes Knurren unterbrach seine Gedanken. Sein Magen grummelte.

 

'Na gut, vielleicht kann Flucht auch erst mal warten.'

 

Er sah Azazel erwartungsvoll an.

 

"Was denn? Keine Sorge, Samaels Zeug ist kein Standard. Ich glaube nicht mal der Erzdämon der Völlerei könnte das runter bekommen.", kommentierte der König der Geister erschauernd.

 

"Das ist es nicht...willst du mich wirklich beim Essen beobachten? " Nochmal: Wow. Davon wird er bestimmt nicht misstrauisch.

Azazel antwortete nicht, sondern stand auf und setzte sich auf Rins Bettrand.

 

 

Oh oh.

 

Er lehnte sich nach vorn bis sein Gesicht nur noch einige Zentimeter von Rins entfernt war. Seine weißen Augen waren verengt und ein seltsames Leuchten schien in ihnen zu liegen. Zusätzlich schien eine seltsame, bedrückende Aura von ihm auszugehen. Rin schluckte. Das war viel zu nah. Offensichtlich hatte er den Dämonenkönig irgendwie verärgert und musste zugeben, dass sich Azazel momentan auf Platz zwei seiner 'Gruslige-Leute-in-deren-Nähe-man-besser-nicht-kommen-sollte-Liste' befand. Ja, er hatte eine Liste und seitdem er von Dämonen erfahren hatte, änderte sie sich ständig. Nur Satan durfte seinen ersten Platz bisher durchgehend behalten.

 

"Ich muss hier bleiben bis Shax und Agares kommen. Du musst dir schon eine bessere Gelegenheit zum abhauen suchen.", flüstere der Dämonenkönig und lachte leise als er Rins Gesichtsausdruck bemerkte. "Was, hältst du mich wirklich für so dumm?" Er lehnte sich sogar noch näher an heran.

 

"Glaube es oder nicht, ich kann verstehen, dass dich in deiner momentanen Position nicht wohl fühlst, aber..." Erneut trat ein gefährliches Funkeln in seine Augen. "Aber wenn du glaubst mit deiner Sturheit bei uns weit zu kommen, liegst du ganz daneben. Ich werde dir nicht weh tun, aber ich werde dich auch nicht auf meiner Nase rumtanzen lassen. Du hast jetzt also zwei Optionen: entweder du machst was man dir sagt oder ich bin gezwungen zu härteren Methoden zu greifen."

 

Rins Herz pochte inzwischen wie verrückt. Azazel hatte von allen stets am entspanntesten und ruhigsten gewirkt, doch inzwischen wären ihm Iblis oder Astaroth lieber. Zur Hölle nochmal, selbst der Clown wäre ihm gerade lieber, der hing ihm wenigstens nicht im Gesicht.

 

Er zwang sich Azazel in die Augen zu sehen. Es war nicht einfach. "Und das heißt?", fragte er herausfordernd. Er klang wesentlich mutiger als er sich fühlte.

 

Azazel hob eine Augenbraue, während sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen stahl. "Wenn du unbedingt darauf bestehst, kann ich dich gern ans Bett ketten und mich drauf setzen. Ich habe sogar meinen iPod und meine Kopfhörer, dann muss ich mir nicht mal dein Geschimpfe anhören..."

 

Rin starrte ihn an. "Das würdest du nicht tun..."

 

"Und ob ich das tun würde.", antwortete Azazel. "Also, wie sieht's aus?"

 

"...Ok, hast gewonnen.", grummelte Rin. Er hatte wirklich keine Lust einen Dämonenkönig auf sich sitzen zu haben. Allein der Gedanke, das jemand herein kommen könnte, ließ ihn innerlich zusammenzucken.

 

Azazel, sichtlich zufrieden mit sich, trat wieder zurück. "Gute Entscheidung."

 

Mehr sagte er nicht, sondern stapfte zurück zum Sofa, setzte sich und griff nach seinem Buch. "Jetzt iss schon, bevor es kalt wird." Seine Stimme war nun wieder von der gewohnt gleichgültigen Trägheit erfüllt.

 

'Ok, es ist amtlich. Die sind hier alle vollkommen durchgeknallt!', dachte Rin kopfschüttelnd.

 

Er wandte sich seinem Teller zu. Das einzige was er erkannte war Reis, den Rest hatte er noch nie gesehen. War das was Dämonen hier aßen oder etwas aus Assiah? Und noch viel wichtiger: was war das für Fleisch?!

 

Azazel bemerkte sein Zögern. "Das kannst du ruhig essen, es ist Selkie Fleisch. Menschen haben wir schon seit Jahrtausenden nicht mehr gegessen."

 

Rin welcher gerade etwas von dem Reis probiert hatte, verschluckte sich bei diesen Worten. Ein wenig entnervt stand Azazel auf und klopfte auf Rins Rücken, was ihn davor bewahrte sein Leben auf ziemlich unwürdige Weise zu verlieren.

 

"Ihr habt Menschen gegessen?!", hustete er hervor.

 

Azazel zuckte mit den Schultern. "Das ist ewig her, damals als die Rebellion von-"

 

Er stockte. Offensichtlich war ihm der letzte Teil herausgerutscht. Rin war hellhörig geworden. Sprach er von der Rebellion an der Eva beteiligt gewesen war? Hatte sie wirklich die Wahrheit gesagt?

 

Azazel räusperte sich um seinen Ausrutscher zu überspielen. "Wir hatten damals große Nahrungsknappheit, also hat der Kriegsrat erlaubt, Menschen als Beute zu jagen. Kinder, Schwangere und so weiter waren natürlich vollkommen tabu, aber es gehört auf jeden Fall zu den dunkleren Kapiteln unserer Geschichte...na ja, besser als die Alternative die noch vorgeschlagen wurde. Inzwischen ist das strikt verboten, wer sich nicht dran hält, verliert seinen Kopf und zwar buchstäblich. "

 

Er wandte sich wieder seinem Buch zu als hätten sie sich gerade über das Wetter unterhalten. Rin dagegen hatte den Appetit verloren, zwang sich dennoch weiter zu essen. Nach drei Tagen Bewusstlosigkeit brauchte er seine Kraft. Tatsächlich schmeckte alles ziemlich gut, auch wenn er dem Selkie Fleisch einige kritische Blicke zuwarf. Er wusste nicht genau was Selkie waren, aber dem Geschmack zufolge konnte es irgendein Meerestier sein.

 

Rin stellte seinen leeren Teller beiseite und versuchte aufzustehen. Erneut protestierte sein Körper, aber er biss die Zähne zusammen und versuchte seine Beine über die Bettkante zu schwingen. Das war, wenn man bedachte wie riesig es war, keine leichte Aufgabe.

 

"Was soll das werden?"

 

"Wonach sieht es denn aus? Ich versuche aufzustehen und mich anzuziehen!"

 

"Das kannst du gleich wieder vergessen. Du sollst im Bett bleiben!"

 

"Aber ich-"

 

"Kein aber! Du bleibst liegen und damit basta!"

 

"Du bist nicht mein Boss!"

 

"Aber dein älterer Bruder!"

 

"Für mich nicht!"

 

Dies schien Azazel die Sprache zu verschlagen. Für einen Moment glaubte Rin zu weit gegangen zu sein und Schuldgefühle machten sich breit.

 

'Warum habe ich Schuldgefühle!?', dachte er frustriert. 'Es ist ihre Schuld, dass ich in der Tine sitze. Sie sollten mir nichts bedeuten, also warum wünsche ich mir gerade das letzte nicht gesagt zu haben?'

 

Azazel riss ihn aus seinen Gedanken. Der Dämonenkönig seufzte (es tat das scheinbar gern) und fuhr sich durch die Haare.

"Na gut, ich glaube das hier ist ein wenig außer Kontrolle geraten. Ich hätte nicht erwarten sollen, dass du dein altes Leben so bereitwillig aufgibst." Er sah Rin an. "Schlussendlich haben dir wir wohl keinen Grund gegeben uns zu vertrauen...warum mussten sich diese Exorzisten auch einmischen und euch beide entführen...?"

 

"Ihr wart es doch, die mich gegen meinen Willen her geschliffen haben!", zischte Rin.

 

"Falsch. Du bist zwar in Assiah geboren worden, aber deine Mutter war damit einverstanden dich in Gehenna aufzuziehen. Hätten sich die Exorzisten rausgehalten, wäre das alles nicht passiert."

 

"Shiro hat mich nicht entführt, sondern gerettet!", widersprach Rin.

 

"Rettung ist die Abwendung einer Gefahr. Entführung ist es wenn eine Person unter kriminellem Zwang an einen unfreiwilligen Aufenthaltsort verschleppt beziehungsweise dort festgehalten wird. "

 

"Sagt wer?!", fauchte Rin.

 

"Wikipedia.", erwiderte Azazel ungerührt und verschlug damit seinem jüngeren Bruder die Sprache. Damit wäre wohl die WLAN-Frage geklärt. Moment, warum hatte er überhaupt 'Entführung' und 'Rettung' gegoogelt?! Azazel ergriff die Gelegenheit weiter zu sprechen.

 

"Als Säugling wusstest du natürlich nicht was los war, aber wärst du älter gewesen, wärst du sicher nicht damit einverstanden gewesen dich von ihm mitnehmen zu lassen. Willst du immer noch behaupten, dass es keine Entführung war?"

 

Rin hasste es, das zuzugeben, jedoch hatte der ältere Dämon ein Argument. Bevor er sich jedoch eine Antwort einfallen lassen konnte, klopfte es erneut an der Tür.

 

"Na endlich.", murmelte Azazel. "Die haben sich echt Zeit gelassen...kommt rein!"

 

Die Tür öffnete sich und zwei Dämonen betraten den Raum, ein Mann und eine Frau. Der Mann war genauso blass wie Azazel und hatte lange silberne Haare, seine Augen waren grau-silbrig.

 

Die Frau war einige Zentimeter kleiner als Egyn und hatte weiße Haare mit hellblauen Strähnen, welche bis zu ihrem Becken reichten. Sie war ebenfalls relativ blass und hatte hellblaue Augen. Sie lächelte Rin warm an.

 

"Ich hoffe wir stören nicht?", fragte sie mit sanfter Stimme.

 

"Wurde auch Zeit.", grummelte Azazel. "Ich habe für heute genug vom babysitten."

 

Der Mann schmunzelte. "So wie ich dich kenne, hast du sowieso nur auf dem Sofa gehockt um dein Buch zu lesen und wenn er nicht gespurt hat, hast du ihm angedroht ihn fest zu ketten und dich drauf zu setzen."

 

Azazel zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Hat bei all meinen jüngeren Geschwistern geklappt."

 

Moment, er hatte das schon öfter gemacht?!

 

"Entschuldigung, wir sind ziemlich unhöflich, nicht wahr?", richtete die Dämonin das Wort an Rin und verneigte sich leicht. "Ich heiße Agares und bin Egyns rechte Hand, sowie seine Archivarin und Generalin seiner Armee. Außerdem kümmere ich mich als Heilerin um die königliche Familie."

 

"Und ich bin Shax.", ergänzte der Mann, ebenfalls mit einer leichten Verbeugung. Ich bin Azazels rechte Hand und sein Archivar. Früher war ich auch General, aber ich bin zu alt und dem Kämpfen überdrüssig also habe ich diesen Posten weiter gegeben."

Er lächelte leicht. "Dafür bin ich ebenfalls als Heiler für die königliche Familie zuständig."

 

Rin hatte keine Ahnung, wie er reagieren sollte also antwortete er mit einem (un)elegantem "Ähm...Hallo?"

 

'Wow Rin. Du kennst sie noch nicht mal eine Minute und hast dich schon blamiert.'

 

Agares lachte, jedoch schien sie es nicht böse zu meinen. "Du bist wirklich niedlich. Oh...stört es dich wenn wir dich duzen? Samael meinte, dass du das wohl bevorzugen würdest?"

 

"Klar, kein Problem...", murmelte Rin tonlos. Warum waren sie so nett zu ihm? Sie waren Dämonen, müssten die in ihrer Freizeit nicht kleine Küken in den Teich schmeißen?! Und hatte sie ihn gerade niedlich genannt?! Erst Eva und jetzt auch noch sie, was war ihr Problem!?

 

"So da ihr ja alles unter Kontrolle habt, bin ich weg.", sagte Azazel zufrieden und verließ den Raum.

 

"Denke daran, dein Vater will dich nachher sehen!", rief Shax ihm nach.

 

"Ja, ja..."

 

Shax seufzte. "Es ist immer wieder erstaunlich wie schnell er sich unter bestimmten Umständen bewegen kann..."

 

"Wem sagst du das?", erwiderte Agares augenrollend, lächelte jedoch.

 

Sie wandten sich nun Rin zu, dieser zuckte unbewusst zusammen. 'Und der Spaß beginnt...'

 

"Also, wie geht es dir?", begann Shax. "Hast du irgendwelche Schmerzen, Schüttelfrost oder ist dir übel?"

 

"Nein...", begann Rin zögerlich. "Meine Schulter und meine Hüfte schmerzen ein wenig, besonders wenn ich mich bewege...und mein Kopf fühlt sich an als läge er unter einem Presslufthammer."

 

Agares legte den Kopf schief. "Was ist ein Presslufthammer?", fragte sie neugierig.

 

Gut, mit der Frage hatte er nicht gerechnet. "Na ja, das ist...ein Werkzeug. Ich schätze das ist so ne Art automatische Spitzhacke...?", erklärte Rin unsicher. Ok, es war nicht die beste Erklärung, aber er wirklich sich darauf vorberietet gewesen einem Dämon moderne Werkzeuge zu erklären. Agares Augen schienen zu leuchten. Sie holte Luft um weitere Fragen zu stellen, doch Shax hielt sie auf.

 

"Agares konzentriere dich bitte, du kannst ihm immer noch Fragen stellen wenn er gesund ist und natürlich wenn er sie auch beantworten will."

 

Agares errötete und schien ein wenig enttäuscht, nickte jedoch. "Entschuldige bitte.", sagte sie mit einem schwachen Lächeln. "Ich bin in Assiah geboren worden, aber wir wurden kurz nach meiner Geburt vertrieben, also wollte ich schon immer dorthin. Ich schätze die Begeisterung ist einfach mit mir durchgegangen."

 

"Kein Problem.", antwortete Rin und lächelte sogar zaghaft zurück. Was stimmte nicht mit ihm?

 

"Warte...warum bist du in Assiah geboren?"

 

"Ich bin eine Halbdämonin."

 

Rin schaute sie mit weit aufgerissenen Augen an. Es lebten Halbdämonen in Gehenna? So betrachtet eigentlich nicht überraschend, jedoch hatte noch nie darüber nachgedacht. Ob sie wohl auch mit Vorurteilen und Spott zu kämpfen hatten?

Shax räusperte sich. "Ihr könnt euch nachher gerne weiter unterhalten, aber erst wenn wir fertig sind. Lege dich bitte auf den Rücken."

 

Rin zögerte zunächst, kam dann aber zu dem Schluss dass sie ihn längst hätten verletzten können, wenn sie es gewollt hätten. Er tat also, wie ihm geheißen wurde, auch wenn er noch immer verwirrt war.

 

"Wir nehmen dir jetzt die Verbände ab um uns die Wunden anzusehen.", erklärte Agares. "Halte bitte still, und hebe deinen Körper nur an, wenn wir es sagen."

 

Sie begannen die Bandagen von Rins Schulter und Hüfte zu entfernen. Einige Male zuckte der vertraute Schmerz durch seinen Körper, jedoch biss er die Zähne zusammen.

 

"Das sieht schon ziemlich gut aus.", merkte Shax zufrieden an. "Du dürftest bald wieder auf den Beinen sein." Rin schaute auf seine Schulter und stellte fest, dass er Recht hatte. Zwar konnte er immer noch die Umrisse der Wunde sehen (Verdammt, diese Spinne hatte Riesenhauer gehabt!) und der Bereich war noch ziemlich geröttet und leicht geschwollen, aber das Fleisch hatte sich bereits so gut wie vollständig regeneriert.

 

"Hier ist noch etwas.", meldete sich Agares. Rin wunderte es, dass sie weiterhin Japanisch sprach, obwohl es an Shax gerichtet war. Vielleicht wollten sie höfflich sein, indem sie ihn alles mitbekommen lassen?

 

"In Ordnung, setze dich bitte langsam in eine aufrechte Position. Du kannst dich gerne an die Kissen lehnen."

 

Erneut kam Rin der Aufforderung stumm nach. Shax beugte sich über seine Hüfte und sah sich die Stelle an auf die Agares zeigte.

 

"Nekrose. Scheinbar haben wir etwas von dem betroffenem Gewebe übersehen.", stellte sie fest.

 

Shax nickte. "Entferne es bitte, ich gehe schnell und hole die Paste." Er verließ den Raum.

 

"Was ist Nekrose?", fragte Rin.

 

"Nekrose ist der Gewebstod, also Gewebe welches nicht mehr durchblutet wird und abstirbt.", erklärte sie ruhig und deutete auf die Stelle.

 

Rin folgte ihrem Finger und sah zu seinem Entsetzen eine schwarze Stelle an seiner Hüfte. Auch das Gewebe rund herum hatte eine seltsame Farbe angenommen. Lecker.

 

"Wenn das Gewebe tot ist, heißt das dann, dass ihr mir etwas amputieren müsst?", fragte er ein wenig panisch.

 

"Nein, nein keine Sorge, das ist nicht nötig!", versicherte ihm die Heilerin hastig.

 

"Wenn bei einem Menschen beispielsweise der Fuß betroffen wäre, müsste der ab, aber bei uns Dämonen ist das glücklicherweise nicht so extrem. Wobei die Körperteile ohnehin nachwachsen würden, aber egal. Es reicht vollkommen aus, das betroffene Gewebe zu entfernen, die Regeneration übernimmt den Rest."

 

"Ich habe keine Ahnung, wie ich die benutze.", gab Rin zu.

 

"Das ist kein Problem, das passiert in solchen Fällen instinktiv.", versicherte ihm Agares und begann etwas auf die Stelle zu reiben. Sofort breitete sich dort eine stärke Kälte aus, die schon bald in Taubheit überging. "Damit du keine Schmerzen fühlst.", erklärte sie. "Lehne dich einfach zurück, ich mache den Rest."

 

Tatsächlich war sie nach einer Viertelstunde fertig, Rin spürte davon nichts. Sie reinigte gerade die entstandene Wunde als Shax zurückkehrte, eine Dose in der Hand haltend. Als er sie öffnete, schlug Rin der intensive Geruch von Kräutern entgegen. Sie begannen die Paste auf seine Schulter und Hüfte aufzutragen und bandagierten sie anschließend mit frischen Verbänden.

"Das war's", verkündete Shax. "Ich werde Vaya bitten dir ein paar Eisbeutel zum kühlen zu bringen. Die Schwellungen dürften dann ganz schnell verschwinden."

 

Rin nickte, dann fiel ihm ein, was Azazel gesagt hatte. 'Du kannst dich bei Gelegenheit gleich bedanken, immerhin haben sie sich in den letzten drei Tagen Tag und Nacht um dich gekümmert...'

 

Vielleicht war es dumm von ihm. Sie waren Dämonen und dienten Satan, er war ein angehender Exorzist und somit ihr Feind. Dennoch wussten sie offensichtlich wer er war und wenn sie wirklich die Stellvertreter von Azazel und Egyn waren, wussten sie sicherlich, dass er geschworen hatte Exorzist zu werden um sie zu besiegen. Dennoch hatten sie sich um ihn gekümmert. Gut, wenn nicht, hätte Satan ihnen sicher buchstäblich die Hölle heiß gemacht, aber sie hatten sich ihm gegenüber dennoch freundlich verhalten und das war sicher kein Muss gewesen.

 

"Danke.", murmelte er. Shax und Agares sahen sich erstaunt an, lächelten dann allerdings.

 

"Kein Problem, wir machen nur unseren Job.", erwiderte Agares fröhlich.

 

"Und du ruhst dich besser aus.", ergänzte Shax. "Das heißt Bettruhe." Er griff nach einem Becher, füllte ihn mit einer weißen Substanz und hielt ihn Rin hin. "Trink das, bitte."

 

"Was ist das?", fragte Rin misstrauisch. Das Essen mag in Ordnung gewesen sein, aber nach dem Vorfall mit Mephistos Suppe würde er keine unbekannten Nahrungsmittel oder Flüssigkeiten von Dämonen annehmen! Ok, das klang gerade einfach nur seltsam.

 

"Es ist ein Schlafmittel.", erwiderte Shax ruhig. Rin schnaubte.

 

"Was, habt ihr solche Angst, dass ich abhauen würde?", fragte er bissig.

 

Shax lächelte matt. "Ich gebe zu, dass das einer der Vorteile ist. Samael hat erwähnt, dass du gerne Ärger machst und wohl notfalls versuchen würdest dich außen mit deiner Bettdecke abzuseilen..."

 

"Gar nicht wahr!", protestierte der Halbdämon. Doch wahr. Blöder Clown.

 

"Der Hauptgrund sind aber die Schmerzen.", fuhr Agares fort, Rins Ausruf ignorierend. "Die Paste, die wir aufgetragen haben ist sehr wirkungsvoll, aber es reagiert relativ aggressiv auf eventuelle Rückstände des Giftes. Irgendwann beginnt es extrem stark zu brennen und glaube mir, allerspätestens dann wirst du dir wünschen nicht bei Bewusstsein zu sein. Außerdem wird dir der Schlaf gut tun. Natürlich liegt die Wahl bei dir, wir werden dich nicht zwingen es zu trinken, aber empfehlen es."

 

Rin schwieg. Er hatte nicht wirklich Lust irgendwelche Schlafmittel einzunehmen, wer wusste schon was man mit ihm anstellen würde während er bewusstlos war. Andererseits hätten sie die dafür die letzten drei Tage die Gelegenheit gehabt und die Schmerzen klangen auch nicht erstrebenswert. Hinzu kam noch, dass er sich kaum bewegen konnte. Allein das Bewegen gerade eben war extrem anstrengend gewesen. Ausgeschlossen, dass er in diesem Zustand überhaupt das Ende des Flures erreichen konnte. Ausruhen war also keine allzu schlechte Idee.

 

"Na gut, her damit.", knurrte er verbissen. Shax reichte ihm den Becher und Rin trank ihn zögerlich aus. Es war süßlich und ein wenig dickflüssiger als Wasser. Schon als er das Gefäß abstellte, spürte er die Benommenheit und er musste sich anzustrengen damit seine Augen offen blieben.

 

'Verdammt, das Zeug ist stark...'

 

"Wir sehen zwischendurch nochmal nach dir und wechseln deine Verbände. Ruh dich gut aus.", sagte Shax.

 

"Bis morgen, ich hoffe es geht dir dann besser!", verabschiedete sich Agares.

 

Mehr bekam Rin nicht mehr mit, noch bevor die beiden die Tür erreicht hatten, war er bereits eingeschlafen.

Verräter?

Diesmal etwas kürzer als sonst, ich versuche immer mindestens 10 Word Seiten zu schreiben, aber der Absatz den ich geschrieben hatte um die Seiten noch voll zu kriegen wirkte fehl am Platz. Ich hoffe es gefällt euch trotzdem!

Für die die nicht wissen was das erwähnete Stockholm Syndrom ist: es ist ein psychologisches Phänomen bei dem Geiseln oder auch Entführungsopfer positve Gefühle gegenüber ihrem Entführer/Geiselnehmer entwickeln. Sie empfinden dann Sympathie, Mitleid und in manchen Fällen sogar Liebe. Das ist natürlich nur eine Art Abwehrmechanismus um halbwegs mit dem Trauma klar zu kommen.

Los geht's!
 

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Satan hatte schlechte Laune. Zwar hatte er endlich Rin, doch die jüngsten Ereignisse hatten ihm die Laune gewaltig verhagelt. Er saß auf seinem Thron und tippte ungeduldig mit den Fingern auf die Armlehne. Seine Söhne waren am Fuße des Podestes, nur Azazel und Beelzebub fehlten. Azazels Verspätung war entschuldbar, da er momentan auf Rin aufpasste, jedoch sollte er inzwischen abgelöst worden sein. Er hatte außerdem keine Ahnung was sein viertältester Sohn trieb. Sie waren schon eine halbe Stunde zu spät.
 

Missmutig trank der Dämonengott einen Schluck aus seinem Weinglas. Tatsächlich hatte Vaya es während seiner Abwesenheit geschafft den Weinkeller mehr oder weniger komplett aufzufüllen. Vielleicht sollte er der Kleinen wirklich eine Beförderung oder Gehaltserhöhung geben. Die Schattenseite: dieser ganze Stress in den letzten Monaten würde ihn noch zum Alkoholiker machen! Eventuell wäre es doch besser gewesen keinen Nachschub zu besorgen. Entnervt ließ er seinen Blick durch den Thronsaal schweifen. Während Lucifer sich in einem Buch vertieft hatte, unterhielt sich Samael flüsternd mit Amaimon. Egyn, Iblis  und Astaroth schienen sich (was für eine Überraschung) über etwas leise zu streiten, jedoch ignorierte er es vorerst. Solange sie sich nicht gegenseitig mit ihren Kräften angriffen und seinen Thronsaal zerlegten, war es ihm schnuppe.
 

Schließlich beschloss er sein Schweigen zu brechen. "Wo sind Azazel und Beelzebub? Ihr habt ihnen gesagt, dass ich euch alle sehen wollte, richtig?"
 

Seine Söhne unterbrachen, was sie gerade taten und sahen überrascht auf. Sie konnten seine schlechte Laune spüren, also hatten sie lieber den Mund gehalten. Lucifer und Samael wechselten kurz einen vielsagenden Blick bevor sich der König des Lichts seinem Vater zuwandte.
 

"Azazel ist bei Rin, allerdings sollten Shax und Agares inzwischen bei ihnen sein. Er müsste also bald kommen. Und was Beelzebub betrifft, habe ich leider keine Ahnung."
 

"Da fällt mir ein: ich habe ihn vorhin mit Valefor gesehen. Ich glaube die haben über diese Spinnenviecher geredet. Vielleicht ist er nochmal zu dieser Lichtung?", steuerte Iblis bei.
 

Satan warf ihm einen strafenden Blick zu, woraufhin der Feuerdämon ein wenig zusammen sackte.
 

"Und das konntest du mir nicht vor einer halben Stunde sagen?!"
 

Iblis trat nervös von einem Fuß auf den anderen, während sich Egyn und Astaroth langsam von ihm wegbewegten. Sollte Satan mit seinen Flammen loslegen, wollten sie nicht in der Schusslinie stehen. Den Zwischenfall mit Samael hatten sie noch allzu gut im Gedächtnis.
 

Satan grummelte genervt vor sich und Iblis schluckte nervös, wurde jedoch von den aufschwingenden Saaltüren gerettet. Herein geschlurft kam Azazel, welcher mal wieder aussah als wäre er soeben aus dem Bett gekrochen, was wahrscheinlich der Fall war.
 

Iblis atmete erleichtert auf. Jetzt würde es immerhin Azazel treffen und nicht ihn.
 

"Du bist zu spät.", knurrte Satan, bemüht ruhig zu sprechen. "Wo warst du?!"
 

"Sorry...", murmelte Azazel. "Hab verschlafen."
 

Satan gab alles um nicht zu explodieren, während sich Egyn die flache Hand vor die Stirn schlug und Samael (ziemlich schlecht) versuchte ein Lachen zu unterdrücken.
 

"Solltest du nicht bei Rin sein anstatt zu schlafen?", presste der Dämonengott hervor. Eine Woche in der er nicht das Verlangen hatte einen seiner Söhne abzufackeln. War das wirklich zu viel verlangt?!
 

"War ich auch...", erwiderte Azazel gähnend. "Er ist sogar wach geworden, also musste ich bei ihm bleiben bis Shax und Agares kamen..."
 

Satan verengte seine Augen zu Schlitzen. "Warum wurde ich davon nicht in Kenntnis gesetzt?"
 

Azazel zuckte mit den Schultern. "Jetzt weißt du es ja...wäre ohnehin nicht die beste Idee da jetzt reinzuplatzen. Er ist nicht allzu scharf drauf hier zu sein, geschweig denn dich zu sehen..."
 

Autsch. Wohl irgendwo nachvollziehbar, aber Autsch.
 

"Wie war er denn drauf?", erkundigte sich Lucifer.
 

"Anfangs noch etwas desorientiert, aber er hat sich dann allmählich daran erinnert, was passiert ist. Übrigens ist es den Exorzisten nicht gelungen all seine Verbindungen zu uns zu trennen.", erwiderte Azazel.
 

"Was meinst du?", hakte Egyn nach.
 

"Seine Grundinstinkte bleiben, damit auch das unbewusste Vertrauen zu uns und dass er sich in unserer Nähe sicher fühlt.", er hielt kurz inne. "Na ja, vielleicht hat er auch einfach nur das Stockholm Syndrom, aber ist ja erst mal egal.
 

"Was hat Schweden damit zu tun?", murmelte Iblis verwirrt.
 

Azazel verdrehte die Augen. "Notfalls ist Wikipedia dein bester Freund." Die entnervten Blicke ignorierend (Warum wollten sie nicht einsehen, dass Wikipedia ne klasse Erfindung ist?!), wandte er sich an wieder an Satan.
 

"Auf jeden Fall ist unbewusstes Vertrauen vorhanden."
 

Lucifer nickte. "Das habe ich mir schon fast gedacht. Als wir ihn auf der Lichtung gefunden haben, ist er sofort zu uns gekommen."
 

"Das ist nicht alles.", fuhr Azazel fort. "Das erste was er gefragt hat, nachdem er sich halbwegs an alles erinnern konnte, war 'wie es den anderen geht'-"
 

"Wirklich? Wie rührend!~",unterbrach Samael ihn mit einem genugtuendem Grinsen. Wahrscheinlich würde er Rin später damit aufziehen.
 

"Außerdem hat er später etwas bereut, was er mir an den Kopf geworfen hat.", fuhr Azazel fort als wäre nichts gewesen. "Er ist offensichtlich verwirrt deswegen und weiß nicht wo diese Gedanken und Gefühle herkommen, aber sie sind auf jeden Fall da. Das konnten die Exorzisten nicht zerstören."
 

"Also den Eindruck hatte ich nicht als er versucht hat mich umzubringen!", quengelte Amaimon.
 

Egyn verdrehte die Augen. "Du hast ihn gereizt und fast seine Freunde getötet! Was hast du erwartet?!"
 

"Ich wollte nur spielen!", nörgelte Amaimon weiter.
 

"Hat er irgendwelchen Ärger gemacht?", fragte Satan. Sein Tonfall machte deutlich, dass sie besser still sein sollten. Glücklicherweise verstanden die beiden es und waren augenblicklich still.
 

"Nein. Er hat gehofft, dass ich bald gehe, damit er versuchen kann abzuhauen, aber ich konnte es ihm ausreden."
 

"In anderen Worten bist du ihm auf die Pelle gerückt, hast ihm irgendein Psychogrinsen verpasst und ihm angedroht ihn anzuketten und dich drauf zu setzen, nicht wahr?", fragte Lucifer seufzend.
 

Azazel zuckte mit den Schultern. "Es hat funktioniert."
 

Seine jüngeren Geschwister stöhnten allesamt auf. Das war eine seiner schlimmsten Angewohnheiten.
 

"Du solltest auf ihn aufpassen und ihn nicht traumatisieren!", rief Egyn empört.
 

"Ganz genau. Das hat Vater schon zur Genüge erledigt!~", erinnerte Samael sie mit diesem nervigem Grinsen.
 

Nochmal Autsch.
 

Gut er hatte es wohl ein wenig übertrieben als er versucht hatte Rin nach Hause zu bringen, aber er hatte fünfzehn Jahre (Was wenn man bedenkt, dass er unsterblich war nicht viel ist, aber es ging ums Prinzip!) gewartet. Außerdem hatte er an diesem Tag ohnehin schon schlechte Laune gehabt. Nicht nur wegen Astaroths Versagen, sondern auch weil seine restlichen Söhne ihn mal wieder halb in den Wahnsinn getrieben hatten! Rückblickend betrachtet, hatte er seine Frustration dann wohl an Rin ausgelassen, welcher eigentlich nichts dafür konnte...na ja, nicht jeder ist perfekt.
 

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen als sich die Türen erneut öffneten und Beelzebub hereingestürmt kam.
 

"Tut mir leid, dass ich zu spät bin...", keuchte er, während er sich die Seite heilt. "In einem meiner Dörfer sind einige Riesenspinnen Amok gelaufen, wahrscheinlich Überlebende von der Kolonie, der wir begegnet sind...ich musste sie erledigen."
 

"Warum hast du uns nicht Bescheid gesagt?", fragte Iblis entnervt.
 

Beelzebub starrte ihn wütend an. "Es waren keine Boten verfügbar und keiner von euch hat auf meine Anrufe oder Nachrichten reagiert!"
 

Iblis schnaubte und zog sein Handy hervor. "Wir haben keine einzige-"
 

Er stockte als er auf das Display schaute. Auch die anderen hatten ihre Telefone hervorgeholt und starrten verdattert den Bildschirm an. Hoppla.
 

"Also das ist....", begann Lucifer peinlich berührt.
 

"Dumm gelaufen, wie?", murmelte Astaroth.
 

Satan massierte sich die Stirn. Er könnte sie mal wieder...
 

"Egal jetzt!", fuhr er dazwischen. Er wandte sich an Azazel. "Du schuldest mir immer noch eine Erklärung."
 

Nachdem sie Beelzebub schnell darüber aufgeklärt hatten, was Azazel ihnen erzählt hatte und der Insektenkönig von dem Angriff berichtete (glücklicherweise gab es keine Toten und nur fünf Verletzte, die es jedoch überstehen würden), fuhr Azazel mit seiner Erklärung fort.
 

"Ich wollte noch eine Runde vor dem Treffen schlafen, aber ich bin zu spät aufgewacht und hab dann ewig nicht meine Klamotten gefunden..."
 

"Bei deiner Müllhalde kein Wunder.", kommentierte Egyn.
 

"Mein Zimmer ist keine Müllhalde!", konterte Azazel.
 

"Dort liegen Chipstüten von neunzehnhundert noch was rum! Das kann nicht gesund sein!"
 

"Mein Zimmer ist vollkommen in Ordnung!"
 

"Genau genommen ist dein Zimmer die größte Bedrohung für Gesundheit seit dem schwarzen Tod.", meinte Samael grinsend.
 

"Du übertreibst."
 

"Nein.", mischte sich nun auch Beelzebub ein. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass in dieser einen Tüte etwas lebendiges heranwächst."
 

"Hey, lass Taka da raus!"
 

"Du hast diesem Ding einen Namen gegeben?!"
 

Während die Brüder ihre Zankerei fortführten, stöhnte Satan innerlich auf. Mal wieder hatte er das Gefühl, dass seine Söhne es sich zum Ziel gemacht hatten ihn in den Wahnsinn zu treiben. Status der Mission? Man nährt sich langsam, aber stetig.
 

Warum hatte er nicht zumindest ein paar Töchter haben können?! Ihm wurde öfter erzählt, dass die viel einfacher waren. Andererseits würden sie sich bei seinem Glück um irgendwelche Klamotten und Schuhe prügeln, berühmte Typen in Assiah anhimmeln oder am schlimmsten: ihre Zimmer pink streichen! Kein Zimmer in seinem Palast würde jemals diese abscheuliche Farbe haben, nur über seine Leiche!
 

So gesehen waren Söhne vielleicht doch die bessere Alternative. Dennoch hätte er nichts dagegen gehabt ein wenig Hilfe bei ihrer Erziehung zu haben. Einige seiner früheren Frauen waren sogar eine Weile dabei gewesen, jedoch waren sie inzwischen alle tot. Nur Iblis und Samaels Mütter waren noch am Leben, jedoch nicht an ihren Kindern interessiert. Vielleicht war es auch besser so.
 

Indra war beispielsweise nicht wirklich der mütterliche Typ. Sie hatte Samael gleich am Tag seiner Geburt bei Satan abgegeben, weil sie 'keine Zeit hat sich um irgendwelche Gören zu kümmern'. Sie hatte sogar deutlich gemacht, dass sie ihn notfalls irgendwo auf der Straße oder im Wald aussetzten würde. Scheinbar war sie um ihren Ruf besorgt gewesen, immerhin stammte sie aus einer einflussreichen Adelsfamilie. Das hatte damals sogar Satan sprachlos gemacht. Wäre sie jetzt hier, würde sie nur versuchen weiter Benzin ins Feuer zu kippen und das Chaos genießen. Welch Ironie das Samael ausgerechnet diese markante Eigenschaft geerbt hatte.
 

Aeshma wäre ebenfalls keine große Hilfe. Kurz nach Iblis Geburt hatte sie zugegeben, dass sie bereits einen Mann und drei Kinder hatte. Es war bei Dämonen nicht ungewöhnlich die Partner zu wechseln, immerhin waren sie unsterblich, was dem Spruch 'bis dass der Tod euch scheidet' ganz neue Tragweite verleiht. War der andere Partner einverstanden, konnte man sogar mehrere Partner gleichzeitig haben. In diesem Fall hatte ihr Mann jedoch nichts gewusst und somit das Recht gehabt sie rauszuwerfen. Also hatte sie Iblis abgeschoben und so getan als wäre nie etwas passiert. Wahrscheinlich wusste der Typ bis heute nichts von dem Seitensprung.
 

Es musste wohl nicht erwähnt werden, dass weder Samael noch Iblis besonders gut auf sie zu sprechen waren.
 

Er riss sich schnell aus seinen Gedanken. An seine Ex-Frauen zu denken, würde nur alte Wunden aufreißen. Er hatte nach dem Tod von Astarte (Astaroths Mutter) beschlossen, keine Frau mehr zu nehmen. Dann kam Yuri und somit zwei weitere Kinder. Dumm gelaufen.
 

Die Dämonenkönige waren immer noch am streiten, Satans Geduldsfaden riss nun endgültig.
 

"HALTET JETZT VERDAMMT NOCHMAL DIE KLAPPE!", brüllte er und einige seiner Flammen begannen aufzulodern. Die Baal wichen einige Schritte zurück. Wenn ihr Vater wütend war, war er unberechenbar. Er warf öfter mit Flammen um sich und das auch noch ohne es zu bemerken.
 

Es herrschte nun absolute Stille, eine fallende Stecknadel wäre zu hören gewesen. Herrliche Ruhe. Geht doch! Seine Flammen beruhigten sich wieder.
 

"Gut da das nun geklärt ist, können wir ja weiter machen.", merkte Satan zufrieden an, die erschrockenen Gesichter in vollem Maße genießend.
 

"Ich habe Nachforschungen bezüglich der Gehennapforte und der letzten...Zwischenfälle betrieben." Sie verkrampften augenblicklich. Sie hatten ihm erzählt wie das Gehennator scheinbar ein Eigenleben entwickelt hatte. Er war relativ misstrauisch gewesen, denn so etwas war noch nie geschehen. Nun würden sie erfahren ob sie bestraft wurden oder nicht.
 

"Ich habe noch keine definitive Bestätigung, aber es deutet momentan alles darauf hin, dass sie dahintersteckt."
 

Stille folgte, diesmal noch bedrückender als zuvor.
 

Dann begann Astaroth zu lachen. Die anderen sahen ihn an als hätte er nun endgültig den Verstand verloren. Auch Satan runzelte die Stirn. Das war wirklich nicht die erwartete Reaktion.
 

"Sie soll dahinter stecken?", begann Astaroth als er sich beruhigt hatte. "Ok, du hast uns erwischt, was ist wirklich los?"
 

"Das war mein Ernst." Astaroths Kinnlade klappte auf.
 

"Aber das ist unmöglich!", schaltete sich nun Beelzebub ein. "Wir haben sie vor Jahrtausenden versiegelt! Nie im Leben kann sie sich selbst befreien-"
 

"Sie befreit sich auch nicht selbst.", unterbrach Satan ihn. "Jemand ist in den Tempel eingedrungen und hat die Siegel beschädigt. Sie sind größtenteils angebrochen."
 

Iblis runzelte die Stirn. "Warte, dort kommen doch ausschließlich Mitglieder des Rates rein. Das würde ja bedeuten es war einer unserer Stellvertreter, einer der Generäle oder auch der Familienoberhäupter..."
 

"Oder einer von uns.", beendete Beelzebub den Gedankengang.
 

"Wow, danke für das Vertrauen.", murmelte Amaimon.
 

Der Insektenkönig zuckte mit den Schultern. "Ich versuche nur jede Möglichkeit durchzugehen."
 

"Also glaubst du, es war einer von uns?", fragte Egyn Satan nervös.
 

Dieser verneinte. "Sie hasst euch von allen Dämonen Gehennas am meisten-"
 

"Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit.", murmelte Samael.
 

"Demzufolge...", fuhr Satan unbeirrt fort. "Ist es wohl kaum einer von euch. Abgesehen davon vertraue ich euch, auch wenn ihr ein Haufen Nervensägen seid."
 

"Den meisten im Rat vertraust du auch...", merkte Azazel an worauf Iblis ihm auf den Fuß trat.
 

"Willst du unbedingt, dass wir als Verräter verdächtigt werden?"
 

"Du hast dich auf 'letzte Zwischenfälle' bezogen.", wandte Lucifer das Wort an seinen Vater um einen erneuten Streit abzuwürgen. Samael merkte ebenfalls auf. Da er und Lucifer viel Zeit in Assiah verbrachten, bekamen sie nicht immer mit was gerade in Gehenna vorging.
 

"Seit einigen Monaten gab es immer wieder ungewöhnliche Zwischenfälle. Anfangs waren sie relativ vereinzelt und unbedeutend. Mittlerweile häufen sie sich fast täglich. Wir haben tote Dämonen gefunden, die vollkommen blutleer waren. Manche schienen an zwei Orten gleichzeitig zu sein. Während eine Frau einkaufte, behauptete eine Nachbarin zeitgleich sie hätte gesehen wie sie versucht hat irgendwo einzubrechen. Kinder sind verschwunden, Leute wurden vergiftet und einige Adlige hatten seltsame Unfälle. Hinzu kommen Überschwemmungen, Feuer und dergleichen, die offensichtlich absichtlich ausgelöst wurden. Und natürlich: Tiere und andere Kreaturen, die sich seltsam verhalten. Sie haben Besitzer, Trainer, Dorfbewohner und so weiter scheinbar grundlos angegriffen, niemand konnte sie beruhigen."
 

"Die Riesenspinnen...", murmelte Amaimon.
 

Satan nickte. "Ganz genau." Er wandte sich an Lucifer und Samael. "Ich nehme an, ihr habt die seltsamen Morde in Japan mitbekommen?"
 

"Natürlich.", nickte Mephisto. Überall waren die Nachrichten voll mit diesen geheimnisvollen Toden gewesen. Niemand hatte etwas gesehen, denn entweder war keiner dabei oder Zeugen wurden gleich mit erledigt. Die Opfer wiesen Verletzungen auf, welche nicht von Menschen zugefügt werden konnten, auch schien sich die Opfergruppe (von getöteten Zeugen abgesehen) im Altersbereich von 16 bis 19 Jahren zu befinden. Er selbst hatte bereits vermutet, dass Dämonen dahintersteckten, jedoch hatte es ihn nicht weiter interessiert. Wegen einer nutzlosen Presskonferenz war einer seiner Lieblingsanime ausgefallen!
 

"Es geschieht nicht nur in Japan, sondern überall auf der Welt und es werden mit jedem Tag mehr.", fuhr Satan fort. Sein Gesicht verdüsterte sich als er den nächsten Satz aussprach. "Ich habe vorhin die Bestätigung erhalten, dass die Opfer Nephilim sind."
 

Die Dämonenkönige tauschten bestürzte (Gut, Azazel und Mephisto nicht, aber sie waren genauso überrumpelt) Blicke. Nephilim war in Gehenna die gängige Bezeichnung für Halbdämonen, was bedeuten würde...
 

"Diese Drecksschweine veranstalten eine Blutjagd!", grollte Astaroth und sprach damit die Gedanken aller Anwesenden aus.
 

"Unmöglich!", zischte Iblis. "Das haben wir vor Jahrtausenden unter Todesstrafe verboten!"
 

"Für viele sind Regeln da um gebrochen zu werden.", merkte Samael an. Zur Abwechslung wirkte er relativ ernst.
 

Die Blutjagd gehörte zu den schwersten Verbrechen, die ein Dämon begehen konnte. Sie suchten sich dabei einen menschlichen Partner um ein Kind zu zeugen, egal ob sie es wollten oder nicht. Sobald es geboren war, wurden die sterblichen Frauen getötet, Männer sogar noch früher. Wenn die Kinder dann 16 bis 18 Jahre alt waren, eröffnete der Dämon, welcher sie gezeugt beziehungsweise ausgetragen hatte, die Blutjagd. Sie wurden aufgespürt, gejagt und getötet. Viele Dämonen machten sich noch einen Spaß daraus zuvor das Leben ihrer Opfer zu zerstören, indem sie ihm alles nahmen und nahestehende Personen töteten. Je länger es dauerte bis sie ihr Opfer erwischten, desto größer war der "Spaß". Für sie war alles ein Spiel, nur in vereinzelten Fällen waren die Nephilim entkommen oder hatten ihren Jäger töten können. Ursprünglich waren Blutjagden äußert selten, sodass weder Satan noch seine Söhne oder der Rat etwas davon mitbekamen bis sich nach einigen Jahren die Leichen häuften. Daraufhin wurde diese Tat unter Todesstrafe gestellt.
 

"Wenn jetzt die Jagd ist, würde das bedeuten, dass sie schon vor über 16 Jahren damit angefangen haben. Wie konnten wir das übersehen?!", rief Egyn frustriert.
 

"Aber woher wissen wir, dass wirklich sie dahinter steckt?", fragte Amaimon.
 

"Wir haben es geschafft einen der Täter aufzuspüren. Er wurde im Kampf getötet, aber er hatte ihr Siegel in den Unterarm tätowiert.", knurrte Satan. "Sie und ihre Anhänger haben sich schon immer offen für die Blutjagd ausgesprochen."
 

"Was ist dann mit der Gehennapforte?", hakte Samael nach.
 

"Ich bin der einzige der das Tor öffnen kann, aber sehr starke Dämonen sind durchaus dazu in der Lage es bis zu einem gewissen Grad zu manipulieren und wenn man dann noch bedenkt wie lange sie hier gelebt hat..." Satan musste den Satz nicht beenden.
 

"Also kann sie bereits ihre Umwelt beeinflussen...", überlegte Samael langsam.
 

"Ich habe in den letzten Tagen öfter ihre Präsenz gespürt, besonders in der Nacht. Ich hatte gehofft mich zu täuschen, aber die Beweise sind eindeutig. Wahrscheinlich verwendet sie Träume um ihren Anhängern Befehle zu geben.", grollte Satan.
 

"Wartet mal...", sagte Azazel langsam. "Rin hat im Schlaf von einer 'Eva' gesprochen."
 

Die anderen wandten sich ihm überrascht zu.
 

"Warum hast du das nicht früher gesagt?!", explodierte Egyn.
 

"Ich hab mir nichts dabei gedacht! Er hat behauptet, es wäre eine Klassenkameradin, ich habe ihm das zwar nicht geglaubt, aber mit sowas kann doch keiner rechnen!"
 

"Tja, wenn sie das wirklich ist, hat sie auf jeden Fall Sinn für Ironie.", bemerkte Amaimon trocken. "Ich meine, sie hat so viele Namen zur Auswahl und sie nimmt Eva?"
 

Azazel zuckte mit den Schultern.
 

"Also versucht sie ihn wahrscheinlich gegen uns aufzuhetzen und dazu zu bringen die Drecksarbeit zu machen!", fauchte Astaroth.
 

"Ich fürchte es ist fast noch schlimmer.", erwiderte Satan bitter. "Rin und ich sind die einzigen die die Siegel brechen und sie befreien können."
 

"Na, er wird doch sicher nicht so naiv sein und darauf rein fallen!...Richtig?", sagte Iblis, den letzten Teil beinahe flehend an Samael gerichtet. Dessen Blick beantwortete alles.
 

"Nach dem was ich gehört habe, war er nicht mal nachtragend gegenüber diesem Lehrer, der ihn umbringen wollte....", steuerte Amaimon bei.
 

"Warum?!", rief Astaroth frustriert. "Der Kerl wollte ihn umbringen, nicht das Mittagessen klauen!"
 

"Vor allem sollte man meinen, dass er uns dann auch mal vergeben würde.", fügte Iblis verärgert hinzu.
 

"Wir haben echt ein Problem.", murmelte Azazel.
 

"Darum wird auch einer bei ihm bleiben solange er schläft. Das letzte was ich brauche ist, dass dieses Miststück ihm den Kopf verdreht!"
 

"Ich weiß ja nicht so recht. Ich glaube nicht, dass er einfach so einer Fremden traut, vor allem wenn es eine Dämonin ist. Er wird doch wohl nicht einfach tun, was sie sagt...", überlegte Beelzebub
 

Satan schnaubte. "Diese Frau wusste schon immer mit Worten umzugehen. Sie könnte wahrscheinlich sogar Alastor sein Schwert abschwatzen. Ich habe zudem die Befürchtung, dass sie die Heiligkreuz-Akademie hat infiltrieren lassen."
 

Samael öffnete den Mund um zu protestieren, doch Satan unterbrach ihn.
 

"Ich kann es mir nur so erklären, dass sie Rins Aufenthaltsort kannte. Niemand im Rat wusste, dass er trainiert um Exorzist zu werden. Die einzigen die es wissen sind Agares und Shax und das auch erst seit seiner Ankunft vor einigen Tagen."
 

"Meinst du wirklich das sie wusste, dass er Exorzist werden will?", fragte Beelzebub zweifelnd.
 

"Warum hätte sie sonst die Pforte manipulieren sollen als ihr nach Assiah aufgebrochen seid? "
 

"Da fällt mir ein...vielleicht weiß sie es sogar schon seit Jahren.", sagte Samael nachdenklich.
 

"Erinnert ihr euch an Malpahs? Er hat ihm damals auf dem Nachhauseweg aufgelauert und versucht ihn zu entführen. Wir wussten nie warum, aber jetzt dürfte es ja klar sein.~", fuhr der König der Zeit mit einem selbstgefälligen, wenn auch bitterem Grinsen fort.
 

"Dann ist es beschlossen. Vier von euch gehen nach Assiah und schauen sich um.", beschloss Satan.
 

"Die werden in Alarmbereitschaft sein...", gab Azazel zu bedenken.
 

"Darum schicke ich euch auch nicht mit der Pforte rüber sondern ihr sucht euch einen Wirtskörper." Er wandte sich an Astaroth. "Du hattest doch erwähnt, dass dein Wirt, den du bei deinem letzten Besuch in Assiah benutzt hast, auf diese Schule geht?"
 

"Jaaaaa.....?", antwortete er, darauf hoffend, dass es ihn nicht treffen würde. Ha denkste, sagt das Karma!
 

"Beelzebub, Egyn, Iblis und Astaroth. ihr geht nach Assiah."
 

Kollektives aufstöhnen ertönte.
 

"Ach, hört auf zu jammern!," fuhr Satan sie an. "Jetzt geht schon und passt auf, dass euch niemand auf die Schliche kommt! Wenn ihr die Exorzisten erledigt, gebt ihr noch weitere Angriffspunkte und sie werden ihr erst recht aus der Hand fressen."
 

"Moment, was wenn wir auf Yukio treffen?", fragte Egyn.
 

Satan überlegte kurz und seufzte.
 

"So sehr ich es hasse, das zu sagen: lasst ihn wo er ist. Er ist momentan in Assiah sicherer und in Gehenna würde er als Mensch eh nicht lange überleben."
 

"Alles klar."
 

"Und denkt daran: erzählt niemanden, was wir gerade besprochen haben. Wir können niemanden trauen."
 

Sie nickten und die vier verließen den Saal.
 

Satan wandte sich an seine restlichen Söhne. "Ihr seid vorerst entlassen."
 

Wortlos folgten sie ihren Brüdern, Satan lehnte sich in seinem Thron zurück.
 

'Glaube ja nicht, dass du mir damit davon kommst, du Miststück. Diesmal bring ich dich um, wenn du dich nochmal an meinen Söhnen vergreifst.'

Schulspaß in Assiah

So ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie ich das so schnell hinbekommen habe. Ich war irgendwie voll drin :D  Also viel Spaß ^^
 

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"Warum ist diese Schule so verdammt groß?! Ein paar Wegweiser hätten sicher nicht geschadet!", quengelte Egyn ungehalten. Beelzebub seufzte. Womit hatte er das nur verdient?
 

"Wahrscheinlich denken sich das auch die Meisten, wenn sie einen unserer Paläste betreten."
 

"Dort laufen sie aber nicht Gefahr in irgendwelche Exorzisten zu rennen!", argumentierte der jüngere Dämon.
 

"Jetzt sei mal still, die Sterblichen starren uns schon an und tuscheln." Tatsächlich standen einige Schülergruppen herum, welche sich leise unterhielten und den beiden Dämonenkönigen immer wieder seltsame Blicke zu warfen. So viel zum Thema keine Aufmerksamkeit erregen.
 

Sie hatten erst vor knapp fünfzehn Minuten ihre Wirtskörper eingenommen und wurden jetzt schon komisch angesehen, weil sie vollkommen verloren in einem der zahllosen Korridore herumstanden.
 

Da sich ihre geeigneten Gefäße wahrscheinlich an verschiedenen Orten befinden würden, hatten sie sich zuvor einen Treffpunkt ausgemacht. Samael hatte ihnen versucht halbwegs zu erklären wo alles war, jedoch war das Gebäude ein einziges Labyrinth. Zum Glück war Lucifer nicht bei ihnen, sonst wären sie wahrscheinlich bereits im Keller gelandet. Sie hatten keine Ahnung wo Iblis und Astaroth steckten und ob sie bereits am Treffpunkt waren. Zu allem Überfluss hatte Egyn auch noch schlechte Laune, da sich sein passendes Gefäß als ein Mädchen herausgestellt hatte.
 

Immerhin gehörten ihre Wirte nicht zu den "Beliebten" der Schule. Das Letzte was sie jetzt gebrauchen konnten, war ein Haufen Mädchen und Jungen, die sie anbaggerten, davon hatten sie in Gehenna schon genug. Abgesehen davon zogen sie dann hoffentlich weniger Aufmerksamkeit auf sich.
 

"Gehen wir jetzt erst mal in irgendeine Richtung, am besten wo nicht so viele Leute sind. Wenn das weiter so geht, wird hier noch wer misstrauisch.", entschied Beelzebub und zog seinen jüngeren Brüder in einen weniger bevölkerten Gang. Plötzlich spürten beide die vertrauten Präsenzen ihrer jüngeren Geschwister.
 

"Sie sind in der Nähe.", stellte der Insektenkönig fest. "Halte die Augen offen."
 

Sie liefen weiter bis sie um eine Ecke bogen und Egyn beinahe von zwei anderen Schülern umgerannt wurde. Nein, es waren keine Schüler.
 

"Da seid ihr ja.", stellte Iblis erleichtert fest. "Wir haben uns komplett verlaufen!"
 

"Ebenfalls. Nächstes Mal soll Samael einen Lageplan rausrücken.", grummelte Egyn.
 

Iblis und Astaroth starrten ihn an und blinzelten.
 

Einmal.
 

Zweimal.
 

Dreimal...und lachten schallend los.
 

"Du...bist...ein Mädchen?!", prustete Astaroth hervor.
 

"Oh Gehenna, ich wünschte wir hätten ne Kamera bei!", lachte Iblis hysterisch und stütze sich auf Astaroth um nicht umzukippen.
 

"Ihr verdammten-", zischte Egyn.
 

Iblis hob abwehrend die Hände. "Hey, vorsichtig bevor du dir noch nen Nagel abbrichst oder das Make-up verschmiert!" Erneut brachen sie in Gelächter aus und auch Beelzebub presste inzwischen eine Hand auf den Mund.
 

"Ich hasse euch alle!", grollte Egyn entnervt.
 

"Sorry, aber du musst schon zugeben, dass es irgendwo lustig ist.", grinste Beelzebub.
 

"Und schlecht aussehen tust du auch nicht.", merkte Iblis an. "Wer hätte vor allem gedacht, dass du noch kleiner werden könntest."
 

Egyn bleckte die Zähne, doch Astaroths Kommentar brachte das Fass zum überlaufen. "Immerhin bist du dafür oben herum mal groß."
 

Egyn sprang ihm ohne Vorwarnung an den Hals und begann ihn zu würgen. "Du verdammter, perverser-!"
 

"Egyn, hast du den Verstand verloren!?", rief Beelzebub erschrocken und zog  ihn zusammen mit Iblis von Astaroth weg. Ein Glück kam niemand vorbei, denn Beelzebub war nicht sicher ob die "Oh Entschuldige, er hat mal wieder ihren Jahrestag vergessen!" Entschuldigung funktionieren würde. Wer wusste schon, was in Mädchen vorging?
 

Er wandte sich an Iblis und Astaroth, die sich inzwischen wieder beruhigt hatten.
 

"Hattet ihr irgendwelche Probleme?", erkundigte sich Beelzebub.
 

"Nö.", erwiderte Astaroth gelassen. "Samael meinte, die hätten dem Typen hier irgendein Siegel verpasst, aber ich hatte keine Probleme ihn zu übernehmen."
 

Iblis schnaubte. "Die haben doch schon immer schlampig gearbeitet."
 

"Also was nun?", fragte Egyn, noch immer sehr angesäuert. "Ich glaube sich aufzuteilen ist bei der Größe des Geländes eine schlechte Idee."
 

"Wir müssen uns nur beeilen, ich will kein Mathe machen.", merkte Astaroth an.
 

"Beschwer dich mal nicht, ich habe Klassische Literatur Japans. Ich kann mit Hängen und Würgen Hiragana und ein wenig Katakana lesen, bei Kanji hört's auf.", entgegnete Iblis schnippisch.
 

Egyn und Beelzebub tauschten verwirrte Blicke aus.
 

"Wovon sprecht ihr?", fragte Egyn verdattert.
 

Astaroth verdrehte die Augen. "Und ihr tut immer so als wärt ihr schlauer als wir. Das ist ne Schule, das heißt es gibt Unterricht. Grad ist Mittagspause und die geht nur eine Stunde. Wenn wir bis dahin nicht fertig sind, müssen wir uns in den Unterricht setzen, ansonsten gibt's Ärger. Die Japaner waren doch ziemlich streng bei sowas, oder?"
 

"In einer Stunde schaffen wir es doch nie im Leben die Schule und das Gelände zu durchsuchen!", rief Egyn verzweifelt.
 

"Woher kennt ihr überhaupt die Stundenpläne?", fragte Beelzebub.
 

Iblis hielt den Rucksack hoch, den er gerade abgesetzt hatte. "Sind hier drin. Wir haben auch noch was interessantes gefunden." Mit einem leichten Grinsen zogen er und Astaroth jeweils ein Grabenmesser aus der Tasche.
 

"Ich bin zwar weder Japaner, noch weiß ich wie die Schulen in Assiah geregelt sind, aber ich glaube nicht, dass sowas erlaubt ist.", merkte Egyn verdutzt an.
 

Astaroth zuckte mir den Schultern und ließ die Messer wieder in der Tasche verschwinden. "Könnten trotzdem nützlich sein. Würde mich aber mal interessieren warum die sowas mit sich rumtragen. Ich glaube nicht, dass diese reichen Gören damit umgehen können."
 

"Wen interessiert's?", grummelte Iblis.
 

"Passt nur auf, dass die keiner entdeckt. Die Teile gelten als Waffen und das ist hier streng verboten.", schärfte ihnen Beelzebub ein.
 

"Ja, ja.", murmelte Iblis.
 

Egyn hatte in der Zwischenzeit die Stundenpläne herausgeholt. "Unsere Wirte haben beide Geschichte. Ist also noch auffälliger wenn wir beide fehlen.", stellte er seufzend fest.
 

"Notfalls setzen wir uns eben in den Unterricht, das ist nur eine Stunde.", beschloss Beelzebub.
 

"Vergiss es!", schnaubte Iblis. "Niemand bringt mich dazu mir alte asiatische Texte durchzulesen!"
 

Astaroth wollte ebenfalls protestieren, erstarrte jedoch. Sein Blick war auf etwas hinter ihnen fixiert.
 

"Exorzisten?", fragte Egyn alarmiert.
 

"Japp, vom Alter her Exwire.", antwortete der König der Fäulnis.
 

Egyn und Beelzebub drehten sich langsam um und taten so als würden sie eine der Informationstafeln (Juhu, an einer klebte doch tatsächlich eine Karte der Schule!) lesen.
 

Sie erkannten fünf Teenager, drei Jungen und zwei Mädchen. Der größte der Jungen hatte braune Haare mit einem blonden Mittelstreifen, braune Augen und einige Piercings in den Ohren. Der nächste hatte pinke Haare und braune Augen. Der kleinste und zierlichste hatte kurz rasierte Haare, ebenfalls braune Augen und trug eine Brille. Die Mädchen waren in etwa gleich groß. Eine hatte violette Zöpfe und rote Augen, die andere war blond und hatte grüne Augen.
 

"Sicher, dass es Exorzisten sind?", hakte Beelzebub nach.
 

"Die sehen für mich wie normale Schüler aus.", bestätigte Iblis.
 

Astaroth schüttelte den Kopf, seine Augen waren verengt. "Ich kenne die irgendwo her..." Er hielt inne und dachte nach, als sich seine Augen plötzlich weiteten. "Das sind Rins Freunde!", zischte er.
 

Beelzebub runzelte die Stirn. "Woher weißt du das nun schon wieder?"
 

"Na ja...", begann Astaroth langsam. "Ich schätze, ich habe mir die Kontakte in seinem Telefon angesehen und da waren Fotos dabei?"
 

Die anderen starrten ihn an.
 

"Hey, es ist ja nicht so dass ich alles durchgesehen habe! Von seinen Fotos, Nachrichten und Chatverläufen habe ich die Finger gelassen!", verteidigte sich Astaroth schnell.
 

Egyn schüttelte den Kopf. "Stalker."
 

"Ich bin kein Stalker!", rief Astaroth wütend woraufhin einige vorbeigehende Schüler ihn mit einer Mischung aus Neugier, Entrüstung und Entsetzen ansahen. Wow, sie waren echt grottig bei verdeckten Aktionen.
 

"Wirst du wohl still sein?", zischte Beelzebub irritiert. "Langsam glaube ich, du willst entdeckt werden."
 

"Die Gören gehen irgendwo hin.", meldete Iblis. "Folgen wir ihnen?"
 

Beelzebub nickte. "Wenn sie tatsächlich Spione her geschickt hat, werden die sich in der Nähe der Exorzisten rumtreiben. Also hinterher und Augen offen halten."
 

"Und mich nennt ihr Stalker...", grummelte Astaroth.
 

Sie folgten der Gruppe unauffällig und versuchten etwas ungewöhnliches zu entdecken, jedoch blieb alles ruhig. Dafür nutzten sie die Zeit den angehenden Exorzisten einige Streiche zu spielen. Da sie in der Öffentlichkeit waren, mussten sie sich stark zurückhalten, aber das war es wert. Samael hatte ihnen erzählt wie Rin von ihnen behandelt worden war als sie seine Herkunft erfahren hatten. Angeblich hatten sie es inzwischen akzeptiert, aber das entschuldigte nicht ihr Verhalten. Niemand legte sich mit ihren jüngeren Geschwistern an, ohne dafür zu zahlen! Abgesehen davon wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen bis sie ihn erneut im Stich gelassen hätten. So waren die Menschen schon immer gewesen und sie würden keine Ausnahme sein. Sie alle waren Heuchler die sich einredeten die Welt vor den Dämonen zu beschützen. Wenn es aber tatsächlich mal Dämonen gab, die in Assiah Amok liefen, waren es stets andere Dämonen die es wieder gerade biegen mussten. Sie selbst zählten schon gar nicht mehr, wie oft ihre freien Tage und Wochenenden von solchen Einsätzen schon ruiniert worden waren.
 

Es fühlte sich demzufolge umso erfüllender an, den Exwire den Tag so richtig zu vermiesen. Sie packten ihre Bentos aus nur um festzustellen, dass diese vollkommen verrottet waren. Egyn sorgte dafür, dass der Glatzkopf und die Göre mit den Zöpfen im Springbrunnen landeten und klatschnass abzogen um sich umzuziehen. Wie sich herausstellte, waren Iblis und Astaroths Gefäße die Anführer von so ziemlich jedem Schläger an der Schule, es brauchte also nur ein paar kleine Lügen und Anschuldigungen und schon stürzten sie sich auf den Exorzisten mit den Piercings. Während sie sich prügelten standen sie lachend daneben, während Egyn nur den Kopf schüttelte und Beelzebub sie für die große Aufruhr zurecht wies. Ein eintreffender Lehrer wollte den Exwire und die Schläger daraufhin zum Schulleiter schicken bis ihm einfiel, dass dieser nicht da war. Offensichtlich hatte man noch keinen Ersatz gefunden. Das Highlight war jedoch als Beelzebub den Teenagern einige Insekten auf den Hals hetzte. Sie waren allesamt harmlos, doch der Typ mit den pinken Haaren erstarrte bis er begann mit Insektenmittel um sich zu sprühen und dabei laut: "Nehmt sie weg von mir!" zu brüllen und anschließend noch in Ohnmacht fiel. Die vier Dämonenkönige starrten ihn wie vom Donner gerührt an, während Gockelkopf und Blondie versuchten ihn aufzuwecken. Mit so einer Reaktion hatten sie wirklich nicht gerechnet, aber unterhaltsam war es gewesen. Sie schauten sich weiter um, in der Hoffnung, dass ihre Präsenz eventuelle Dämonen hervorlocken würden, doch noch immer nichts.
 

Ehe sie sich versahen, war die Stunde auch schon rum.
 

"Verdammte Scheiße!", grollte Astaroth als die erste Klingel ertönte. "Ich will kein Mathe machen!"
 

"Wir können nicht zurück solange wir uns sicher sind, dass hier alles in Ordnung ist. Kommt schon, es ist die letzte Stunde!"
 

Leise vor sich hin fluchend zogen sie ihre Stundenpläne hervor um die Raumnummern zu erfahren. Glücklicherweise lagen die Klassenzimmer relativ dicht beieinander.
 

"Woher sollen wir überhaupt wissen, wo wir sitzen?", fragte Egyn unsicher.
 

"Wir gehen einfach als letztes rein und da wo frei ist, setzen wir uns.", erwiderte Beelzebub.
 

"Das wird doch nie was...", stöhnte Iblis.
 

"Wir treffen uns nachher wieder hier. Tut nichts unüberlegtes!", flüstere Egyn ihnen zu und verschwand mit Beelzebub in seinem Klassenzimmer.
 

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Iblis sollte Recht behalten. Der Unterricht war für ihn eine Katastrophe. Sie sollten alte chinesische Texte lesen und es mit einem Text im altem Japanischen vergleichen. Iblis dankte der Menschheit für Google Übersetzer. Zu seinem Glück hatte sein Wirt ein Smartphone und so lange er sich nicht erwischen ließ, sollte alles gut sein. Das Letzte was er jetzt dem Lehrer erklären wollte war, warum er für seine eigene Sprache (oder besser gesagt die seines Gefäßes) einen Übersetzer brauchte. Warum hatten die überhaupt so viele Alphabete?! Gut, bei der lateinischen Schrift gab es Druckbuchstaben und Schreibschrift, aber die war wenigstens nachvollziehbar, während man im Japanischen Hiragana, Katakana und Kanji in einen Satz stopfte! Was hatten überhaupt chinesische Schriftzeichen dort verloren?! Frustriert versuchte er den Satz in den Übersetzer einzugeben, nur um festzustellen, dass vollkommener Mist raus kam. Oder es ging in dem Text wirklich um ein Fahrrad fahrendes Pferd, welches auch noch der Kaiser war, aber er bezweifelte das ziemlich. Nur eine Stunde. Wenn er Beelzebub in die Finger bekommen würde, würde ihm nicht mal mehr seine Unsterblichkeit den Arsch retten!
 

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Es musste wohl nicht erwähnt werden, dass auch Astaroth inzwischen Mordgedanken hegte. Er starrte er die Aufgabe an, als wäre sie ein seitenlanges mathematisches Problem, welche eine alchemistische Transmutation und ein Hasenplüschtier enthielt. 'Was ist das für ein Scheiß?!'
 

Er konnte addieren, subtrahieren, multiplizieren und dividieren. Aber was sollten diese Klammern, hochgestellten Zahlen und Buchstaben?! Das war Mathe, also warum sind da Buchstaben drin?!
 

Auch aus den Zeichnungen und Diagrammen wurde er nicht schlau. Mit Logistik kam er eigentlich ganz gut klar, Prozentrechnung war meist ebenfalls kein Problem, er hatte immer wieder einen Haufen Papierkram damit auf seinem Schreibtisch liegen. Diese Statistiken ergaben jedoch für ihn keinen Sinn. Was sollte er überhaupt tun? Es war doch schon alles eingetragen! Resigniert ließ der Dämonenkönig seinen Kopf auf den Tisch knallen, was ihm einige entnervte Blicke einbrachte, jedoch schien es niemand zu hinterfragen. Scheinbar war dieser Shiratori keine Matheleuchte, also fiel es immerhin nicht so sehr auf, dass er hier nicht hingehörte. Er schaute irritiert nach vorne, wo sich der Lehrer an seinen Tisch gesetzt und in ein Buch vertieft hatte. Er hatte am Beginn der Stunde nur einen kurzen Vortrag gehalten, dann die Arbeitsblätter ausgeteilt und sie ihrem Schicksal überlassen.
 

'Vielen Dank, Arschloch-sensei!'
 

Fast wünschte er sich, er hätte Moralwissenschaften gehabt. Das war jetzt vielleicht nicht so seine Stärke, aber solange er im Hinterkopf behielt, dass töten, verstümmeln und fluchen in die Kategorie 'Unerwünscht' gehörte, hätte er das schon irgendwie hinbekommen. Hoffentlich war es bald vorüber.
 

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Egyn und Beelzebub hatten mehr oder weniger Glück gehabt. Nichts was die Lehrerin ihnen erzählte war neu für sie, immerhin waren sie bei vielen Ereignissen dabei oder involviert gewesen. Es brauchte nur viel Beherrschung nicht dazwischen zu reden, wenn sie etwas falsches erzählte. Über die Jahre war einiges verloren gegangen oder verändert worden was man wohl dem Spruch: "Die Sieger schreiben die Geschichte!" zuordnen konnte.  Elisabeth Báthory, besser bekannt als "Die Blutgräfin", war ein hervorragendes Beispiel. Gut, sie hatte Blut gerunken, aber sie hatte nie darin gebadet geschweige denn unschuldige Frauen getötet. Irgendwelche Exorzisten hatten dann rausbekommen, dass sie kein Mensch war und ihr die Verbrechen angedichtet. Applaus, eine weitere Unschuldige, die im Namen des Ordens starb. Zurück zum Thema.
 

Alles im allem lief der Unterricht relativ entspannt ab, doch dann stellte sich eine Hürde ein. Heute wurde ein Test geschrieben. Das Wissen hatten sie, allerdings gab es ein großes Problem, welches die Dämonenkönige nicht bedacht hatten als sie sich in den Unterricht gesetzt hatten. Ihre Handschrift.
 

Sie konnten die japanische Schrift zwar besser als Astaroth und Iblis, aber sie hatten keine Ahnung wie sie erklären sollten, dass ihre Gefäße plötzlich eine andere Handschrift hatten. Wenn das einem der Exorzisten an die Ohren kam, konnte das unangenehme Fragen mit sich bringen. Diese Sorgen klangen vielleicht seltsam, aber in ihrem Leben hatten sie schon so einiges erlebt.
 

"Was machen wir jetzt? Einfach nichts schreiben?", flüsterte Egyn seinem Bruder zu. Es machte einiges einfacher, dass sie nebeneinander saßen.
 

"Bloß nicht.", flüsterte Beelzebub. "Ich habe mal in die Notenhefte in den Tasche geschaut. Überall gute Noten. Wenn wir das jetzt verhauen, gibt's Ärger. Ich habe aber eine Idee."
 

Er zog zwei Zettel hervor. Einen schob er Egyn möglichst unauffällig hinüber, den anderen behielt er. "Das haben unsere Gefäße geschrieben. Wir versuchen ihre Schrift einfach so gut es geht nachzumachen. Nicht die beste Idee, aber besser als nichts und denke dran: die Sterblichen kennen teilweise andere Versionen als wir, also schreibe es auch so hin!"
 

Egyn seufzte. "Wird schon schief gehen...", murmelte er und begann zu schreiben.
 

Beelzebub folgte seinem Beispiel und betete (ja, Dämonen können beten wenn auch nicht zu Gott), dass das funktionierte.
 

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Als endlich die Glocke läutete machte sich in allen vieren eine Erleichterung breit, die sie nicht für möglich gehalten hätten! Sie schnappten sich ihre Taschen und flohen beinahe aus den Klassenzimmern.
 

"Nie wieder mach ich bei sowas mit!", grollte Astaroth als sie aufeinandertrafen."Nur eine Stunde! Wer's glaubt! Wären wir grad nicht mitten auf dem Gang, würde ich dich erwürgen, Beelzebub!"
 

"Warum tun wir's nicht trotzdem?!", knurrte Iblis.
 

"Wartet!", unterbrach sie Egyn. "Da sind wieder diese Exwire. Folgen wir ihnen?"
 

Beelzebub nickte. "Sie sind unsere beste Spur."
 

Während sie los liefen, konnte er Iblis und Astaroth vor sich hin grollen hören, aber damit würde er sich später befassen. Mal sehen was sie finden würden.
 

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Yukio legte seufzend den Papierstapel beiseite. Er saß in einem leeren Klassenzimmer und versuchte einige Tests zu korrigieren. Betonung auf 'versuchen'. Er hatte jetzt schon elf Mal dieselbe Zeile gelesen, ohne die Bedeutung dahinter zu begreifen. Eigentlich müssten die Tests längst fertig sein, aber seit Rins Verschwinden konnte er sich nicht konzentrieren. Er war im Unterricht oft mit den Gedanken woanders, beantwortete Fragen falsch, vergaß Hausaufgaben und hatte sogar zwei Tests in den Sand gesetzt. Seine Lehrer waren natürlich besorgt, aber was sollte er ihnen denn sagen?
 

'Entschuldigen Sie bitte, dass ich unkonzentriert bin, aber mein Bruder wurden von acht Dämonenkönigen entführt und nach Gehenna verschleppt, dort ist übrigens auch Satan, unser biologischer Vater!'
 

Man würde ihn in eine psychiatrische Klinik einweisen bevor er 'Exorzist' sagen konnte. Vorerst hatte er Rins Abwesenheit mit Krankheit entschuldigt, aber irgendwann würde jemand misstrauisch werden. Leider hatte der Orden auch noch keinen neuen Schulleiter gefunden. Sie sprangen ohnehin im Dreieck, denn ohne Mephistos Barrieren konnte jeder Dämon einfach rein spaziert kommen. Sie hatten daher Bannkreise um die Schule platziert, was aber nur eine Notlösung war. Neben Mephisto war auch Ukobach verschwunden. Zu schade, er hätte diesem kleinen Verräter nur zu gern den Hals umgedreht. Kuro war noch immer da, aber leider verstand Yukio ihn ja nicht.
 

Der Vatikan war von allen die geringste Hilfe. Nachdem sie nach gefühlten Stunden endlich darüber hinweg gekommen waren, dass sie alle acht Dämonenkönige im Ratssaal gehabt hatten, begannen sie die nächsten Schritte zu diskutieren. Leider war Rins Rettung nicht auf ihrer Prioritätenliste.
 

Für sie war er gestorben. Er war in ihren Augen ohnehin nur eine Waffe gewesen und ihr größte Sorge war, dass Satan ihn gegen sie verwenden konnte. Aus diesem Grund hatten alle Exorzisten den Befehl Rin umgehend zu töten, sollte er Assiah jemals wieder betreten. Somit würde ihm die Flucht aus Gehenna nichts bringen. Er würde über die ganze Welt gejagt werden. Teilweise hofften sie, dass Satan ihn so sehr überstrapazieren würde, dass er es nicht überlebte. Yukio hätte sie am liebsten der Reihe nach erschossen. Wie konnten sie seinen Bruder im Stich lassen?! Andererseits hatte er ihm damals selbst gesagt, dass er verrecken sollte. Noch nie hatte er diese Worte so sehr bereut wie jetzt. Es stimmte, man sollte immer vorsichtig sein mit dem, was man sich wünschte. Jedoch hatte er sich ein Ziel gesetzt: Er würde die Dämonen dafür bezahlen lassen, allen voraus die Dämonenkönige und Satan. Sie hatten ihm alles genommen, Vergebung war unmöglich. Zudem hatte er sich geschworen nichts unversucht zu lassen um Rin zu retten, auch wenn es Jahre dauern würde. Er fürchtete nur, dass das was er dann vorfinden könnte, nicht länger sein Bruder sein würde.
 

'Nein.', dachte er entschlossen. 'So darf ich nicht denken. Rin ist stark, er wird das schaffen. Wahrscheinlich treibt er sie gerade alle mit seiner Sturheit in den Wahnsinn.'
 

Bei diesem Gedanken musste er tatsächlich ein wenig lächeln, jedoch war es genauso schnell wieder verschwunden. Er zog sein Handy hervor und starrte gedankenverloren auf den Bildschirm. Er wünschte sich so sehr, dass Rin ihn wieder anrufen oder zumindest eine Nachricht schreiben würde. Er hatte es bereits selbst probiert, Rins sein Handy schien entweder ausgeschaltet oder leer zu sein.
 

'Verdammt Rin. Wehe du stirbst mir weg.'
 

Ein Klopfen an der Tür holte ihn in die Realität zurück.
 

"Ja?"
 

Die Tür öffnete sich und Shiemi betrat das Klassenzimmer, gefolgt von den restlichen Exwire.
 

"Hallo Yuki-chan! Wie geht es dir?", fragte Shiemi fröhlich, jedoch konnte Yukio sehen, wie sehr sie sich dazu zwang. Von all seinen Schülern, hatte Rins Verschwinden ihr wohl am meisten zugesetzt.
 

"Hallo Shiemi.", antwortete er, während er sich zu einem Lächeln zwang. "Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Allerdings würde ich den Unterricht heute gerne ausfallen lassen. Es tut mir leid, aber ich habe heute einfach nicht die Nerven. Morgen bin ich sicher wieder fit."
 

Seine Schüler wechselten vielsagende Blicke.
 

"Wir haben von der Entscheidung des Vatikans gehört...", begann Miwa nervös. "Lassen sie Rin wirklich im Stich?"
 

Stille folgte, alle sahen ihren Lehrer erwartungsvoll an.
 

Yukio seufzte. Es sollte ihn nicht überraschen, dass sie Antworten wollen, immerhin waren sie Freunde seines Bruders.
 

"Es stimmt.", antwortete er niedergeschlagen.
 

"Ernsthaft?!", knurrte Bon. "Nach allem was passiert ist und er sich endlich beweisen konnte, wollen sie ihn abschieben?!"
 

"So wie ich Sie kenne, lassen Sie das nicht auf sich sitzen?", fragte Izumo.
 

"Nein.", gab Yukio zu. "Ich werde tun, was nötig ist um meinen Bruder zu retten und wenn ich gegen Satan persönlich kämpfen muss."
 

"Gut, dann sind wir dabei!", erwiderte Shima fröhlich.
 

Yukio blinzelte. "Bitte was?"
 

"Wir wollen dir helfen!", rief Shiemi entschlossen. "Rin ist unser Freund und wir werden nicht zulassen, dass ihm etwas passiert!"
 

"Was sie gesagt hat.", grummelte Bon. "Okumura ist so ein Vollidiot, ohne uns ist der doch total aufgeschmissen!"
 

"He he, er ist dir wohl wirklich wichtig, wie?", grinste Shima.
 

"Ach, halt den Mund."
 

Yukio schüttelte entschieden den Kopf. "Das geht nicht, es ist viel zu gefährlich. Wahrscheinlich bekomme ich es mit Satan und den Baal zu tun, da werde ich-"
 

"So viel Unterstützung brauchen, wie Sie kriegen können.", unterbrach Izumo ihn hartnäckig.
 

"Ihr habt doch noch nicht mal die Prüfung abgelegt!"
 

"Das ist egal!", antwortete Miwa. Er wirkte nicht zurückhaltend wie sonst, sondern entschlossen. "Wir schulden es ihm, immerhin hat er uns auch das Leben gerettet. Hätte er nicht eingegriffen, wären wir von Amaimon umgebracht worden. Abgesehen davon, haben wir ihn später so schlecht behandelt und es nie richtig wieder gut machen können."
 

"Ich helfe auch mit, sonst werden diese ganzen Trottel hier, es noch vergeigen.", verkündete Izumo.
 

Yukio war einen Moment lang sprachlos, fing sich dann aber wieder. "Ich verstehe euch ja, aber trotzdem ist das ein Himmelsfahrtkommando und ich habe noch keine Ahnung wie ich ihn da rausholen soll! Abgesehen davon...", er schluckte und zwang sich mit ruhiger Stimme weiterzusprechen. "Abgesehen davon, ist es durchaus möglich, dass Rin nicht mehr lebt."
 

"Pah.", erwiderte Bon. "Er ist so dämlich, dass er vergessen würde zu sterben wenn ihn jemand tötet. Ich wette er hockt dort und treibt die Dämonen inklusive Satan und Dämonenkönige noch weiter in den Wahnsinn! Es ist unsere Entscheidung ihm zu helfen und wir werden uns zusammen verdammt noch mal einen Plan überlegen!"
 

Die anderen nickten zustimmend.
 

Yukio rieb sich überrumpelt die Stirn. "Aber..."
 

"Wir machen uns auch Sorgen um dich Yuki-chan!", sagte Shiemi und trat einen Schritt nach vorne. "Ich weiß, wie schwer es ist. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mich gefühlt habe als ich meine Großmutter verloren habe. Vielleicht brauchst du erst mal eine Ablenkung!"
 

"Eine Ablenkung?", fragte Yukio verwirrt.
 

Shiemi nickte aufgeregt. "Wie wäre es wenn wir zusammen in die Stadt gehen? Dort können wir alle ein wenig runter kommen und wir haben schon ein paar Ideen wie wir Rin helfen können! Komm schon, es wird dir gut tun!"
 

"Aber Rin-"
 

"Ist zäh.", fuhr Izumo dazwischen. "Und wenn ich es mal sagen darf, Sie sehen aus als hätten sie die Pause bitter nötig."
 

Yukio kaute nervös auf seiner Unterlippe. Er wollte Rin nicht einfach hängen lassen oder seine Schüler in Gefahr bringen, aber solange er noch keinen genauen Plan hatte, war Ablenkung eventuell keine schlechte Idee. Er hasste es auch das zuzugeben, aber er würde wirklich jede Hilfe brauchen die er kriegen konnte.
 

Er seufzte. "Also schön, ihr habt gewonnen.", sagte er mit einem matten Lächeln.
 

Shiemis Augen funkelten. "Ich bin so froh!", rief sie und umarmte Yukio fest.
 

"Ok, ok, schon gut!", stieß dieser hervor.
 

Shiemi ließ ihn schnell los, noch immer grinsend. "Tut mir leid, tut mir leid."
 

"Also wollen wir?", fragte Shima.
 

Yukio nickte. "Klar, aber wir sollten vorher die Schuluniformen ausziehen und uns was bequemeres anziehen. Geht schon mal raus und wartet auf dem Gang, ich komme gleich."
 

Sie nickten und verließen das Klassenzimmer.
 

'Ich habe dich nicht vergessen, Rin. Halte durch!', bat Yukio im Stillen. Er legte die Tests in einen Umschlag, welcher er in seine Tasche steckte. Er würde sie später im Wohnheim durchgehen. Er trat auf den Gang, wo seine Schüler bereits auf ihn warteten. Außer ihnen lungerten noch vier weitere Schüler an einem Fenster am Ende des Ganges herum. Es waren drei Jungen und ein Mädchen.
 

"Seltsam...", hörte er Izumo murmeln. "Die waren schon als wir reingegangen sind dort..."
 

"Gibt es ein Problem?", erkundete sich Yukio.
 

"Wahrscheinlich nicht.", antwortete Miwa. "Wir finden nur diese Typen dort hinten ein wenig seltsam."
 

"Warum denn das?"
 

"Die sind schon die ganze Zeit in unserer Nähe. Seit wir aus dem Unterricht gekommen sind, habe ich sie immer irgendwo gesehen.", erklärte Shima. "Als wir vorhin reingekommen sind, hatten sie gerade den Gang betreten und jetzt lungern die hier immer noch rum..."
 

"Glaubt ihr, sie folgen uns?", fragte Shiemi nervös.
 

"Warum sollten sie?", antwortete Miwa schulterzuckend. "Aber ich muss zugeben, dass sie mir irgendwie einen Schauer über den Rücken jagen."
 

Yukio schaute nachdenklich zu der Gruppe hinüber. Er kannte sie vom sehen her, bis auf einen. Dieser war Reiji Shiratori, der Bandenanführer welcher von Astaroth besessen war um Rin zu entführen. Er selbst war ihm noch wie begegnet, jedoch hatte Rin ihn gut beschrieben, sodass kein Zweifel bestand.
 

Shiratori schien seinen Blick zu bemerken, denn er wandte sich ihm zu. Ihre Blicke trafen sich und Yukio starrte in seine roten Augen. Warte. Rote Augen?! Rin hatte nichts von roten Augen gesagt, erst als...
 

Yukio erstarrte und sämtliche Farbe verschwand aus seinem Gesicht. Nein. Unmöglich. Sie hatten ein Siegel auf ihm platziert, er konnte nicht besessen sein!
 

"Okumura-sensei?", fragte Miwa verwirrt.
 

"Weg hier.", flüstere Yukio.
 

"Wie bitte?"
 

Yukio fuhr herum und begann sich von der Gruppe zu entfernen. "Kommt schon!" zischte er.
 

Die Exwire waren offensichtlich verwirrt, vertrauten ihrem Lehrer jedoch und folgten ihm. Dabei fiel ihnen am Rande auf, dass sich die vier Schüler ebenfalls in Bewegung gesetzt hatten. Oh oh.
 

"Yuki-chan, was ist denn los?", fragte Shiemi ängstlich.
 

"Ich kenne diesen einen Typen. Shiratori Reiji."
 

"Und?", hakte Bon nach.
 

"Ich glaube, dass er besessen ist, womöglich sogar von Astaroth."
 

"Astaroth?! Wie in der König der Fäulnis?!"
 

Yukio nickte. "Er hat damals schon mal von Shiratori Besitz ergriffen um an Rin ranzukommen. Er hat ihn überrascht und sein Flammen hervor gezwungen. Er wollte ihn nach Gehenna mitnehmen, aber Shiro konnte ihn exorzieren. Kurz darauf hat er ihn allerdings wieder übernommen und das Kloster angegriffen in dem wir lebten. Er war am gewinnen, aber Rins plötzliche Einmischung in den Kampf hat ihn wohl überrumpelt und er konnte erneut verbannt werden. Es wurde dann ein Siegel auf Shiratori platziert und seitdem war Ruhe. Bis jetzt."
 

"Aber woher wissen Sie, dass er besessen ist?", fragte Miwa nervös.
 

"Shiratoris Augen sind nicht rot. Astaroths schon, zumindest hat Rin das erzählt."
 

"Und was will er?"
 

"Ich weiß es nicht.", gab Yukio zu. "Aber es kann nichts Gutes sein. Die anderen drei könnten ebenfalls besessen sein, also bleibt dicht zusammen!"
 

"Könnte es sein, dass sie es auf dich abgesehen haben?", fragte Shiemi verängstigt.
 

"Ich bin vollkommen menschlich, was würde Satan schon mit mir anfangen?"
 

"Als Druckmittel gegen Rin verwenden.", antwortete Izumo unverblümt.
 

"Was auch immer es ist, wir brauchen Hilfe." Yukio zog sein Handy aus der Tasche und gab Shuras Nummer ein. Er ließ es ewig klingeln, jedoch nahm keiner ab.
 

"Verdammt nochmal Shura!", knurrte er und schrieb ihr eine schnelle Nachricht. Hoffentlich würde bald auf ihr Handy schauen.
 

"Hier runter.", sagte er und deutete auf eine Treppe.
 

"In den Keller?", fragte Shima verblüfft. "Werden sie in der Dunkelheit keinen Vorteil haben?"
 

"Wir müssen sie unbedingt von Menschenmengen weglocken. Dort unten ist niemand und es besteht kein Riskiko, dass jemand reingeplatzt kommt, also los!", drängte Yukio. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend stiegen sie die Treppe herunter.
 

Es war stockduster und die Gänge waren sehr verwinkelt, jedoch kannte sich Yukio aus. Keiner seiner Schüler hinterfragte es.
 

"Hier rein.", er schob eine schwere Metalltür auf. Dahinter befand sich eine Art Lagerraum.
 

"Gemütlich.", murmelte Izumo. Schnell huschten sie ins Innere.
 

"Glaubt ihr, wir haben sie abgehängt?", fragte Konekomaru völlig außer Atem.
 

"Wir warten jetzt erst mal ab. Shura dürfte hoffentlich bald kommen und hier unten ist alles voller Bannkreise. Mit etwas Glück geben sie auf."
 

Natürlich hatten sie kein Glück. Die Tür fiel mit einem lautem Knallen ins Schloss.
 

"Sorry, aber so leicht wirst du uns nicht los, kleiner Bruder.", ertönte eine hämische Stimme. Mist.
 

Sie drehten sich um und erkannten die vier Schüler von vorhin.  
 

Der Dämon welcher Shiratori übernommen hatte, grinste gemein. Es war eines dieser typischen 'Klasse-noch-mehr-Leute-zum-foltern-Grinsen'. Yukio erkannte nun auch die Augenfarben der anderen drei. Das Mädchen hatte blau-türkise Augen, welche jedoch so intensiv waren, dass es nicht menschlich sein konnte. Der Schüler (Dämon) welchen Yukio als einen Freund Shiratoris erkannte, hatte orange-rote Augen und der Letzte hatte ein rotes und ein grünes.
 

"Macht keine Dummheiten, dann passiert euch auch nichts.", sagte das Mädchen ruhig.
 

"Also bitte...tut was dummes!", ergänzte der Dämon mit den orange-roten Augen und zog ein Messer hervor.
 

Irgendetwas sagte Yukio, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen würden.

Aufeinandertreffen

So, Rin ist zwar immer noch k.o, aber wir haben etwas Fluff, yay :3
 

Ich fürchte ich habe mal wieder furchtbare Cliffhanger eingebaut, aber ich glaube ich kann aufhören wie ich will, irgendwie wird es wohl immer unpassend sein :D Na ja, viel Spaß! Dieses Kapitel war irgendwie stellenweise nicht einfach :D
 

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'Er ist nicht allzu scharf drauf hier zu sein, geschweige denn dich zu sehen...'
 

Azazels Worte echoten in Satans Gedächtnis, aber er ignorierte sie. Rin war jetzt schon seit knapp vier Tagen hier, jedoch hatte er noch keine wirkliche Gelegenheit gehabt, selbst nach seinem Sohn zu sehen. Er war dabei gewesen als sie ihn bei Shax und Agares abgeliefert hatten und war im Raum geblieben während sie sich um ihn kümmerten. Danach hatte er allerdings kaum eine ruhige Minute gehabt. All diese seltsamen Zwischenfälle hatten ihn stets auf Trab gehalten. Eventuell war dies sogar besser gewesen, denn wäre der Halbdämon zwischendurch aufgewacht und hätte Satan gesehen, wäre er vermutlich durchgedreht und hätte seine Verletzungen wieder aufgerissen.
 

Da er allerdings laut Shax das Schlafmittel getrunken hatte, dürfte hoffentlich nichts dergleichen passieren. Er stand inzwischen vor Rins Zimmertür. Nach kurzem Zögern klopfte er an. Der Junge würde es zwar nicht mitbekommen, aber seitdem er einmal ohne zu klopfen in das eigentlich leere Zimmer Samaels gegangen war, ging er kein Risiko mehr ein. Vaya war damals am sauber machen gewesen, erschrak sich also fürchterlich als Satan plötzlich hinter ihr stand und hatte alles, was sie gerade in den Händen hielt, fallen gelassen. Natürlich war dabei auch noch irgendein Artefakt kaputt gegangen. Was es genau war, wusste Satan bis heute nicht. Es wusste nur, dass es irgendwelcher Plunder war, welcher erheblichen Einfluss auf Zeit und Raum nehmen konnte. Um es kurz zusammenzufassen: es ging einiges drunter und drüber, sodass er schlussendlich seinen zweitältesten aus Assiah herbestellen musste.
 

Auch in den Zimmern seiner restlichen Söhne lagen allerhand interessante Gegenstände herum. Solange diese jedoch keine Probleme bereiteten (zum Beispiel schon wieder seinen Palast anzuzünden), war es ihm gleich. Abgesehen davon waren manche Zwischenfälle durchaus amüsant. Er würde nie vergessen wie damals Egyn und Iblis die Körper getauscht hatten. Es war das erste Mal, dass Azazel und Amaimon einen ordentlichen Lachanfall bekamen. Auch Astaroth hatte die Sprüche nicht stecken lassen können, sodass Egyn und Iblis für eine Weile aufhörten sich gegenseitig die Schuld zu geben und stattdessen ihren (damals noch) jüngsten Bruder durch den Palast jagten.
 

Einmal waren sogar alle acht betroffen gewesen. In diesem Fall hatten sie sich nicht von der Artefaktsammlung ihre Vaters fern halten können und schon hatten sie den Salat. Jeder hatte seine Kräfte verloren und sie hatten keine Ahnung wie man es rückgängig machen konnte. Irgendwann konnten sie zwar die Kräfte zurückholen, jedoch hatte jeder das falsche Element und war mit den unbekannten Fähigkeiten komplett überfordert gewesen. Satan war am überlegen dies vorerst nicht rückgängig zu machen, damit sich seine Söhne in Zukunft auch wirklich von verbotenen Räumen fernhielten, aber als sie Gefahr liefen sein Schloss versehentlich zu zerlegen, ließ er sich dann doch erweichen.
 

Auf sein Klopfen erfolgte keinerlei Reaktion. Er öffnete die Tür und stellt fest, dass sich niemand außer Rin im Raum befand. Er trat ein und schloss leise die Tür hinter sich. Der Jugendliche würde zwar vorerst nicht aufwachen, aber man musste es ja nicht provozieren. Schweigend setzte sich der König Gehennas auf den Rand des Bettes und betrachtete seinen zweitjüngsten. Dieser zitterte und sein Atem ging schwer. Außerdem war sein Gesicht gerötet und der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Leise vor sich hin grummelnd , wimmernd und stöhnend, warf sich der Halbdämon unruhig von einer Seite auf die Andere. Es war offensichtlich, dass er Fieber hatte und von Albträumen geplagt wurde.
 

Seufzend streckte Satan eine Hand aus und versuchte Rin zu beruhigen indem er ihm vorsichtig über Kopf und Stirn strich. Dabei ließ er einige seiner Flammen auflodern. Da beide diese besaßen, konnte er dem Jungen ganz einfach neue Energie zukommen lassen und stärkte damit auch automatisch ihre Verbindung. Inzwischen war diese so stabil geworden, dass er Rin nicht nur von überall in seinem Palast spüren konnte, sondern auch stets wusste ob er wach war oder schlief. Theoretisch könnte er die Verbindung sogar so weit aufbauen, dass er die Gedanken des Nephilim erkennen oder gar in seine Träume und seinen Verstand eindringen könnte, aber er wollte Rin seine Privatsphäre lassen. Dank ihrer Blutsverbindung war er zumindest in der Lage seine Gefühle zu spüren, dies reichte vollkommen aus.
 

Unwillkürlich überlegte er außerdem, wie lange es schon her war, dass er einen seiner Söhne auf solche Weise hatte beruhigen müssen. Es war einige Jahrtausende her, wahrscheinlich als Astaroth noch ein Kind war. Glücklicherweise zeigten seine Handlungen fast sofort Wirkung. Rin hörte auf sich umher zu wälzen und auch das Zittern nahm ab, während sich seine Atmung normalisierte. Er entspannte sich sichtlich unter der Berührung, was Satan zugegebenermaßen beruhigte.
 

'Scheinbar hatte Azazel recht. Sein Unterbewusstsein begreift, dass er sicher ist und zu uns gehört. Schade, dass er das verleugnen wird sobald er wach ist.', dachte er frustriert.
 

Erneut seufzte er. "Und ich dachte, du und Yukio würden mir zur Abwechslung keinen Ärger bereiten, aber nein ich bekomme den Ärger natürlich im Doppelpack.", murmelte er. "Andererseits wisst ihr es wohl nicht besser nicht..."
 

Es klopfte an der Tür.
 

"Herein."
 

Die Tür öffnete sich. "Ich dachte mir schon, dass  ich Euch hier finden würde."
 

Satan musste sich nicht umdrehen um zu wissen wer es war. "Shax. Wir waren schon befreundet, da hatte ich noch nicht mal meine erste Ehefrau und du siezt mich immer noch?"
 

"Ich schätze es ist einfach Gewohnheit. Außerdem ist es eine Sache des Respekts."
 

Satan seufzte. "Gut, wenn es dich glücklich macht..." Er hörte wie Shax leise lachte.
 

"Es tut mir leid Euch zu unterbrechen, aber ich muss die Verbände wechseln."
 

Satan nickte und stand auf, erstarrte jedoch als er seine Hand wegnahm, denn Rin stieß sofort ein leises Wimmern aus. Er wandte sich mit einem fragenden Gesichtsausdruck an Shax.
 

"Wenn ich es mir recht überlege: bleibt am besten neben ihm sitzen, dann ist er wenigstens ruhiger.", sagte dieser mit einem leichten Lächeln.
 

Satan setzte sich also wieder auf die Bettkante und legte seine Hand erneut auf Rins Kopf. Seine Anspannung verschwand augenblicklich und er rückte sogar etwas näher an ihn heran, was sein Vater kopfschüttelnd beobachtete.
 

'Wäre er bei Bewusstsein, hätte er wahrscheinlich einen Schreikrampf...oder würde sich so weit weg bewegen wie möglich anstatt zu mir zu kommen.'
 

Shax fiel sein Gesichtsausdruck sofort auf und deutete ihn richtig. "Es ist immer wieder erstaunlich, was eine Blutsverbindung ausmachen kann, nicht wahr? Ein gewisses Grundvertrauen besteht immer. Nun ja, nach allem was er durchgemacht hat, kann er etwas Zuwendung durchaus gebrauchen."
 

Satan knirschte mit den Zähnen. "Schon gut, immer drauf. Ich hab ja kapiert, dass es meine eigene verdammte Schuld ist!", grollte er irritiert.
 

"Es war kein Vorwurf.", entgegnete Shax. "Ich versuche nur beide Seiten zu betrachten."
 

Der Dämonengott antwortete nicht, sondern sah schweigend zu wie der Heiler gekonnt den Verband wechselte.
 

"Seine Wunden sind alle gut abgeheilt.", teilte der silberhaarige Dämon zufrieden mit. "Er ist wirklich zäh. Ich muss zugeben, dass ich nicht viel Hoffnung hatte als er ankam."
 

"Stur und zäh auf jeden Fall. Aber auch viel zu vergebend und gutgläubig. Genau wie seine Mutter.", murmelte Satan.
 

Shax lächelte ihn traurig an. "Ihr vermisst sie wirklich, nicht wahr?"
 

Satan antwortete nicht, er musste es auch nicht, denn es war ohnehin eine rhetorische Frage.
 

"Allerdings...", fuhr Shax mit einem leichten Grinsen fort. "Nachdem was ich so gehört habe, hat er auf jeden Fall auch einiges von Eurem Genpool abbekommen. Sturheit, immer wieder in Streitereien geraten, hitzköpfig und ungeduldig...."
 

"Vorsicht....", warnte Satan, jedoch schwang Belustigung in seiner Stimme mit.
 

Shax hob abwehrend die Hände. "Na gut, na gut!" Er griff seine Tasche, welche er auf einem Stuhl abgestellt hatte.
 

"Ich lasse Euch dann wieder allein...soll ich Amaimon sagen, dass er heute nicht auf Rin aufpassen muss oder geht Ihr bald wieder?"
 

"Ich bleibe vorerst hier. Sollte ich ihn brauchen, schicke ich einen der Diener."
 

"In Ordnung.", bestätigte Shax nickend.
 

Er verließ den Raum und schloss leise die Tür, sodass Vater und Sohn endlich wieder allein waren.
 

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Das war wirklich nicht Yukios Woche. Erst wurde sein Bruder entführt, während er unterwegs war, dann litten seinen schulischen Leistungen darunter und jetzt saß er mit seinen Schülern und vier Dämonenkönigen in einem Kellerlagerraum fest. Er war davon überzeugt gewesen, dass sie ihnen nicht hier runter folgen würden, immerhin war alles voll mit Bannkreisen und Dämonenfallen.
 

"Stellt euch hinter mich.", zischte er seinen Schülern zu.
 

"Aber...", begann Shiemi.
 

"JETZT!"
 

Sie zuckten beim Klang seiner lauten Stimme zusammen, taten jedoch was er ihnen befahl. Yukio zog derweil seine Pistolen hervor.
 

"Ein Dragoon, wie? Stimmt, Samael hatte es am Rande erwähnt.", kommentierte Astaroth.
 

"Toll. Zusammen mit den Aria und Knights sind die mit am nervigsten.", grummelte der Dämon welcher das Messer hielt, augenrollend.
 

"Und da wir grad bei sind...", fuhr er mit einem gehässigen Grinsen fort. "Wer hier anfängt irgendwelche fatalen Ferse oder sonstigen biblischen Mist aufzusagen, der verliert seine Zunge! Klar soweit?"
 

Die Exwire antworteten nicht, sondern starrten ihn nur entsetzt an. "Was denn, hat's euch die Sprache schon verschlagen? Zu Schade, ich wollte gerne etwas Dampf ablassen."
 

Das Mädchen verdrehte genervt die Augen. "Das kannst du gleich wieder vergessen Iblis. Vater hat verboten Hand an die Exorzisten zu legen."
 

'Iblis? Bitte, sag mir nicht, dass das alles Dämonenkönige sind!', betete Yukio im Stillen. Gleichzeitig fragte er sich, warum Satan ihnen verbieten sollte, Exorzisten zu töten.
 

"Weißt du Egyn, wir könnten dich wesentlich ernster nehmen, wenn du keinen Rock tragen würdest.", feixte der Feuerkönig.
 

Egyn wurde knallrot. "Du-"
 

"Stopp! Noch ein Wort und ich erzähle Vater von eurer Aktion mit den Fenriswölfen!"
 

Astaroth und Iblis sahen ihn entsetzt an. "Das würdest du nicht tun!", rief Iblis.
 

"Vater würde uns grillen und häuten!", ergänzte Astaroth.
 

"Und ob ich es ernst meine! Also reißt euch gefälligst zusammen!"
 

Während sie sich zankten, überlegte Yukio fieberhaft wie sie aus dieser Nummer herauskommen sollten. Er wusste noch nicht wer der vierte Dämon war, aber wenn man bedachte, wie er mit den anderen umging und scheinbar die Anführerrolle inne hatte, lag die Vermutung nahe, dass er der Älteste der Gruppe war. Lucifer und Samael konnten es nicht sein, sie hatten eine andere Augenfarbe und eine andere Persönlichkeit (das sagten zumindest die paar Informationen, welche die Exorzisten über den ältesten Dämonenkönig sammeln konnten). Blieben also nur Azazel und Beelzebub. Er beschloss weiter Zeit zu schinden mit der Hoffnung, dass Shura bald mit Verstärkung eintreffen würde. Abgesehen davon wollte er endlich ein paar Antworten!
 

Der ihm noch unbekannte Dämon wandte sich ihnen erneut zu. Yukio ließ ihn nicht aus den Augen und entsicherte seine Waffen.
 

"Es gibt keinen Grund für Gewalt, also leg die beiseite.", sagte der Dämon ruhig.
 

"Ja klar.", erwiderte Bon bissig. "Erst wollen wir wissen, wer zur Hölle ihr seid!"
 

Beelzebub ignorierte ihn. Um genau zu sein, würdigte er die Exwire keines Blickes, sondern konzentrierte sich ausschließlich auf Yukio.
 

"Ich bin Beelzebub, König der Insekten. Diese beiden Trottel dort-"
 

"Hey!"
 

"-sind Iblis und Astaroth und das ist Egyn. Was wir hier wollen? Glaubt es oder nicht, aber wir sind nur hier um Informationen zu sammeln."
 

"Warum seid ihr uns dann bitte gefolgt!?", fauchte Yukio.
 

"Vorhin, weil wir gehofft hatten etwas nützliches zu entdecken. Jetzt um zu verhindern, dass ihr den Exorzisten von unserer Anwesenheit erzählt. Übrigens nicht schlecht, dass du es so schnell bemerkt hast. Vielleicht sind doch ein paar Grundinstinkte da, obwohl du ein Mensch bist..." Den letzen Teil murmelte Beelzebub vor sich hin dennoch konnte Yukio ihn gut verstehen. "Na sei's drum, wahrscheinlich habt ihr sie längst benachrichtigt, nicht wahr? Also müssen wir uns unsere Antworten wohl von euch holen."
 

"Wir sagen euch nichts!", knurrte Bon.
 

Beelzebub verdrehte die Augen. "Es ist nichts was euch schaden könnte, also beantwortet einfach unsere Fragen und ihr seid uns los."
 

"Träum weiter.", antwortete Yukio kühl und richtete eine seiner Pistolen auf Beelzebubs Gesicht, die andere hielt er in Iblis und Astaroths Richtung. "Wo ist mein Bruder?! Was habt ihr mit ihm gemacht?!"
 

Iblis lachte nur. Keinen schien es zu stören, dass sie mit Schusswaffen bedroht wurden.
 

"Komm, du willst deine eigenen Brüder erschießen? Ziemlich krank, meinst du nicht?"
 

Yukio antwortete nicht. Er weigerte sich jegliche Verbindung zu diesen Monster anzuerkennen! Sie wären böse Kreaturen der Hölle, welche die Welt ins Chaos stürzen wollten. Also warum zögerte er so sehr?! Woher kam dieser Widerwille abzudrücken?!
 

"Ich wusste es.", grinste Iblis.
 

"Halt den Mund. Ihr seid gar nichts für mich, außer Feinde.", flüstere Yukio gefährlich. "Wo. Ist. Mein. Bruder?"
 

"Glaubst du wirklich, dass du grad bedrohlich wirkst?", höhnte Astaroth. "Nie im Leben drückst du ab. Jetzt leg die Knarren endlich beiseite, bevor deine kleinen Freunde noch verletzt werden."
 

"Ähm...Okumura-sensei?", meldete sich Miwa kleinlaut zu Wort. "Vielleicht sollten wir erst einmal tun, was sie sagen."
 

Yukio wollte ihm einen strengen Blick zuwerfen, wagte jedoch nicht die Baal auch nur für einen Moment aus den Augen zu lassen, somit musste er sich also mit einer wütenden Stimme begnügen.
 

"Dämonen kann man nicht vertrauen. Sie sind verdorbene Wesen, die nur an sich selbst denken und Leid verursachen."
 

"Autsch.", kommentierte Egyn. "Worte können auch weh tun, weißt du?"
 

"Vielleicht hat Konekomaru recht.", unterstützte Shima seinen Freund. "Bis jetzt haben sie uns noch nicht angegriffen, dabei hatten sie so viele Gelegenheiten."
 

Astaroth applaudierte spöttelnd. "Wow, Pinkie und Brillenzwerg haben ja tatsächlich was im Kopf! Ich dachte immer der Schädel von euch Exorzisten wäre mit Holzwolle-" Weiter kam er nicht, denn in diesem Moment drückte Yukio ab. Nur seinen übermenschlichen Reflexen hatte Astaroth zu verdanken, dass er keine Kugel im Kopf hatte.
 

"What the fuck?!", knurrte er wütend und warf Yukio einen Blick zu, welcher zwischen kalter Wut und Fassungslosigkeit schwankte. Yukio wusste, wie dumm es war sie Hals über Kopf anzugreifen, aber er konnte nicht mehr klar denken. Er hatte noch nie so viel Hass und Wut empfunden. Diese Dämonen hatten ihm seinen Bruder genommen, einer hatte ihn sogar zuvor bedroht und angegriffen! Er wollte sie einfach nur noch tot sehen.
 

Er machte sich bereit erneut zu schießen, doch Iblis wusste es zu verhindern.
 

"Das kannst du vergessen!", grollte er und schnippte mit den Fingern. Sofort breitete sich eine unerträgliche Hitze in Yukios Pistolen aus, sodass er keine andere Wahl hatte als sie fallen zu lassen.
 

Noch bevor er sie wieder aufheben konnte, vollführte Iblis eine knappe Handbewegung und die Pistolen waren nur noch ein Klumpen geschmolzenes Metall.
 

Jeder andere Exorzist wäre wohl nun am Durchdrehen gewesen und Yukio konnte hören wie einige seiner Schüler erschrocken zusammenfuhren. Dies holte ihn in die Realität zurück. Was tat er da!? Er brachte seine Schüler nur in Gefahr! Er versuchte durchzuatmen bis seine Wut allmählich abflaute.
 

"Bist du dann fertig?", fragte Beelzebub. Weder seine Stimme noch sein Gesicht verrieten was er dachte. "Sagt uns was wir wissen wollen, dann kommt keiner zu Schaden. Darauf habt ihr mein Wort."
 

"Und was ist das Wort eines Dämons wert?", erwiderte Yukio bissig.
 

"Einiges."
 

"Ihr habt es also nicht auf Okumura-sensei abgesehen?", hakte Izumo nach.
 

"Er würde in Gehenna nicht lange überleben also bleibt er hier. Vorerst."
 

Yukio zögerte, sah jedoch ein, dass ihm keine große Wahl blieb. Es gefiel ihm nicht, jedoch hatte er das Gefühl den Dämonenkönigen diesbezüglich vertrauen zu können.
 

'Hoffentlich bereue ich das nicht...'
 

"Zuerst will ich wissen, was ihr mit Rin gemacht habt.", antwortete er entschlossen.
 

Er erwartete, dass sie ablehnen würden, doch zu seiner Überraschung sahen sie sich gegenseitig an und zuckten schließlich mit den Schultern.
 

"Gut, ich schätze das ist fair.", antwortete Egyn.
 

"Ihr seid einverstanden?", fragte Yukio misstrauisch.
 

"Warum nicht? Er ist auch dein Bruder, also hast du wohl das Recht es zu wissen.", antwortete Iblis augenrollend.
 

Yukio beschloss das 'auch' zu ignorieren.
 

"Na ja, er wurde fast von einer meiner Riesenspinne gefressen, aber Vater hat eingegriffen und ihn gerettet. Er wurde allerdings vergiftet und ist wohl fast gestorben, aber inzwischen geht es ihm besser. Er wird's überleben.", erklärte Beelzebub im Plauderton.
 

Yukio und die Exwire starrten ihn sprachlos an.
 

Egyn seufzte. "Weißt du, Direktheit ist ja schön und gut, aber du solltest wirklich lernen etwas taktvoller zu sein."
 

Beelzebub verdrehte die Augen. "Wie auch immer. Jetzt schuldest ihr uns-" Er stockte und fuhr herum. Auch die anderen schienen zu bemerken was auch immer der Insektenkönig gespürt hatte. Sie sprangen von der Tür weg, was ihren Gefäßen wohl das Leben rettete, denn die schwere Tür wurde plötzlich aus den Angeln gerissen.
 

In dem Korridor herrschte absolute Finsternis, jedoch konnte Yukio ein manisches Kichern hören. Es schien einem Mädchen zu gehören.
 

Iblis grollte etwas in einer anderen Sprache, wahrscheinlich Gehennisch.
 

"Ihr könnt euch die Fragen sparen.", kicherte die Stimme. "Es ist sowieso alles zu spät."
 

Ein Mädchen kam langsam in den Raum geschritten, ein irres Grinsen war in ihrem Gesicht. Sie war offensichtlich eine Schülein, denn sie trug die Uniform ihrer Schule. Was jedoch Yukios Aufmerksamkeit erregte, war das Blut. Es klebte an ihrer Uniform, in ihren schwarzen langen Haaren und ihrem Gesicht. Ihre Augen hatte eine goldenen Farbe, die Pupillen waren beinahe Schlitze. Sie war ohne jeden Zweifel von einem Dämon besessen.
 

Noch immer grinsend legte sie den Kopf schief und sah die vier Dämonenkönige belustigt an.
 

"Das wird Spaß machen! Wollen wir beginnen?"
 

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'Und ich hatte so sehr gehofft, Azazels Zimmer für die nächsten Jahrtausende nicht betreten zu müssen.', dachte Lucifer grimmig.
 

Er war gerade aus seinem Gebiet zurückgekommen und stand nun vor der Zimmertür seines jüngeren Bruders. Er war nicht besonders scharf darauf dort rein zu gehen, aber er wollte wissen ob Azazel etwas in Erfahrung bringen konnte. Widerwillig klopfte er an, öffnete die Tür und flog beinahe über einen Haufen nicht identifizierbaren Krimskrams.
 

Das Zimmer des jüngeren Dämons sah noch schlimmer aus als das letze Mal. Überall lagen Klamotten, leere Getränkedosen und Essensverpackungen rum. Er entdeckte leere Pizzakartons, Instant Nudeln, Cipstüten, Cola  Flaschen und Energydrinks. Wie konnte er da so schlank sein?! Bücher und Notizen lagen überall verstreut. Lucifer wagte gar nicht daran zu denken wie alt und wichtig manche der Bücher waren. Die Archivare würden Azazel lynchen, wenn sie sehen könnten, wie er damit umging.
 

Es war mehr als verständlich, dass die Dienerschaft einen großen Bogen um das Zimmer machten. Zum einen wegen der Artefakte (welche teilweise offen herumlagen und über verschiedene Müllhaufen herrschten), zum anderen weil der Boden nicht mehr sichtbar war. Lucifer war sich nicht einmal sicher welche Farbe der Boden hatte. Die einzige Stelle welche halbwegs frei war, war befleckt mit....was in Satans Namen das auch immer sein mag.
 

"Du kommst gerade richtig.", murmelte Azazel welcher es sich auf seinem (ungemachten) Bett gemütlich gemacht hatte und auf seiner Laptoptastatur in einem irren Tempo tippte. Neben ihm saß im Schneidersitz Amaimon und ließ sich einen Lutscher schmecken. Lucifer bewegte sich vorsichtig in Richtung des Bettes, sorgsam darauf bedacht nichts zu berühren oder zu stören. Er wollte sich wirklich nicht mit irgendeinem seltsamen Wesen, welches in einer Chipstüte lebte und Taka hieß, anlegen. Nach einer gefüllten Ewigkeit (dummerweise hatten alle Baal sehr große Zimmer) kam er endlich an.
 

"Solltest du nicht auf Rin aufpassen?", fragte er Amaimon.
 

"Vater ist bei ihm.", erwiderte dieser gelangweilt.
 

Na immerhin etwas.
 

Er wandte sich an Azazel. "Du hast etwas herausgefunden?"
 

Der Geisterkönig nickte ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen. "Japp. Hab mich gerade in das System des Vatikans gehackt. Diese Trottel benutzen schon seit Jahren das gleiche Passwort....ich habe hier mehrere Anfragen von Exorzisten aus aller Welt. Sie bitten um größere Geldsummen und sie kommen alle aus der Gegend, wo tote Nephilim gefunden wurden."
 

Lucifer runzelte die Stirn. "Exorzisten gibt es weltweit, da ist es keine Überraschung wenn sie auch in diesen Gegenden vertreten sind."
 

"Normalerweise ja.", fuhr Azazel fort. "Aber ich bin noch nicht fertig. Sie alle haben um mehr Unterstützung in dem Zeitraum gebeten als die Nephilim getötet wurden. Ansonsten sind sie mit den Ausgaben immer hingekommen. Teilweise wirken auch die Begründungen wofür sie den Zuschuss brauchen ziemlich seltsam. Ich vermute daher, dass sie von Dämonen auf Blutjagd besessen waren und sie das Geld dafür verwendet haben."
 

"Das klingt wahrscheinlich, aber ist noch kein direkter Beweis, dass sie den Orden infiltriert haben. Gibt es sonst noch was?", hakte Lucifer nach.
 

"Moment, ich hatte vorhin noch einen seltsamen Ordner gefunden, aber der ist passwortgeschützt...hab's gleich...", murmelte Azazel. Nach nicht mal einer Minute war er auch schon im Ordner. Er zog ein Blatt von einem der Papierstapel (zumindest schien er halbwegs zu wissen wo sein Zeug war) und verglich den Inhalt mit dem Bildschirm.  
 

Plötzlich verdüsterte sich sein Gesicht.
 

"Ich schätze, damit wäre es geklärt." Er rutschte beiseite damit Amaimon und Lucifer einen besseren Blick auf den Bildschirm hatten. Er hielt das Blatt hoch, welches sich nun als eine Liste entpuppte.
 

"Das hier sind die Namen der getöteten Nephilim, sowie der Ort wo sie gestorben sind, wie sie getötet wurden und so weiter. Und das hier...", er deutete auf den Bildschirm seines PCs. "...ist eine Liste mit Schülernamen, welche an die Heiligkreuz-Akademie und andere Schulen unter Kontrolle der Exorzisten gegangen sind. Fällt euch was auf?"
 

Lucifer und Amaimon verglichen die beiden Listen.
 

"Die sind alle auf eine dieser Schulen gegangen...", stellte Amaimon fest. Wie immer verzog er keine Miene, jedoch konnten seine Geschwister ihn gut lesen und erkannten, dass auch er nervös war.
 

Tatsächlich waren alle Namen der Opfer vorhanden. Dort stand ihr Name, wo sie lebten, Hintergrundinformationen und der Missionsstatus.
 

Hinter den Toten stand 'Erfolg'. Einige hatten den Status 'In Bearbeitung', andere 'Exekution angesetzt'. Nur zwei waren mit 'Fehlschlag' markiert.
 

"Der Exorzisten wissen von der Blutjagd?", fragte Amaimon verwirrt.
 

Lucifer schüttelte den Kopf. "Ich denke eher, dass ihnen irgendeine Lügengeschichte aufgetischt wurde zum Beispiel, dass diese Schüler den Orden von innen heraus zerstören wollen. Also wurde diese Liste erstellt und nun wird systematische Selektion betrieben. Sie merken gar nicht, dass sie von innen heraus manipuliert werden. Die Blutjäger nehmen sich einen Wirt und diejenigen die den Orden infiltriert haben, stellen sicher, dass niemand diese Tode hinterfragt oder genauer untersucht."
 

"Hey, unser jüngster Bruder ist doch ein Mensch, oder?", fragte Amaimon.
 

"Ja, warum?", fragte Lucifer.
 

Amaimon deutete auf den Bildschirm. "Sein Name steht auf der Liste und der Status ist 'Exekution angesetzt'."
 

Azazel und Lucifer lasen die Liste erneut durch und stellten fest, dass der Erdkönig recht hatte.
 

"Oh, scheiße...", murmelte Azazel während der König des Lichts aufsprang. "Zieh die Liste runter, das müssen wir sofort Vater zeigen und wir müssen eine Nachricht nach Assiah schicken. Die Anderen müssen Yukio helfen!"
 

Azazel nickte und wollte gerade beginnen als die Tür aufflog, ein Diener hereingestürmt kam und im hohen Bogen über den Haufen fiel, welchem Lucifer vorhin so geschickt ausgewichen war.
 

"Hast du noch nie was von klopfen gehört?!", fuhr Azazel den Mann an. "Und du hast alles durcheinander gebracht..."
 

"Azazel, hier gibt es nichts mehr durcheinander zu bringen.", merkte Lucifer seufzend an und wandte sich an den Diener, welcher sich wieder aufgerappelt hatte, aber nicht wagte näher zu treten. Das Zimmer war viel zu riesig und vollgemüllt um das zu riskieren.
 

"Bitte verzeiht mir, aber es ist ein Notfall!", erwiderte der Mann keuchend.
 

Azazel verdrehte die Augen. "Brennt es schon wieder im Palast?"
 

"Nein!", rief der Dämon, scheinbar kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Wahrscheinlich würde ihm Urlaub ganz gut tun.
 

"Euer Vater will euch sofort sehen. Es gab einen Attentat auf mehrere Ratsmitglieder, einige sind gestorben!"
 

"Unmöglich!", zischte Lucifer. "Das ist schon seit Jahrtausenden nicht mehr passiert!"
 

"Ich lüge euch nicht an, bitte!", wimmerte der Bote verängstigt. Offensichtlich hatte er nie viel direkten Kontakt zur Königsfamilie, denn er zitterte am ganzen Körper.
 

"Schon gut, du kannst gehen.", entließ Lucifer ihn.
 

Der Mann verneigte sich schnell und huschte nach draußen.
 

"Azazel, du kümmerst dich noch schnell um die Liste. Amaimon und ich suchen Vater."
 

Zügig aber vorsichtig verließen sie das Zimmer, während sich Azazel wieder seinem Laptop zuwandte.
 

"So viel Stress...", grummelte er missbilligend. "Ich hätte einfach im Bett bleiben sollen."

Blutjagd

Wow, bin ich froh, dass das Kapitel fertig ist. Ich habe gefühlte hundertmal Textstellen verändert, neu geschrieben oder ganz raus gestrichen. Irgendwie wirkte nichts flüssig. Na ja, ich hatte wieder viel Zeit also bin ich wieder relativ schnell fertig. Da ich jedoch am Montag mit der Fahrschule angefangen habe, könnte es sein, dass vielleicht zukünftig länger mit Updates dauert. Ich setzte mal wieder falsche Prioritäten und schreibe anstatt zu lernen <.< Egal, ich plapper grad sinnlos.
 

Fragt nicht warum, aber dieses Kapitel ist wieder mal ziemlich düster. Unter anderem haben wir Blut (wobei ich mir große Mühe gebe, es nicht grafisch zu machen), Rassismus und Mobbing.
 

An dieser Stelle möchte ich betonen, dass ich nicht für Mobbing bin! Der betreffende Charakter äußert sich zwar positiv dazu, aber sie ist auch ganz offensichtlich nicht mehr knusper im Kopf! Sie stellt es also nur um der Geschichte willen als positiv dar. Ehrlich gesagt, war ich selbst angewidert als ich den Abschnitt gelesen habe, aber ich schätze sowas macht die Antagonisten wohl aus. Mobbing ist auf jeden Fall sche*ße! (Verzeiht den Ausdruck, aber anders kann ich es nicht beschreiben!) Solltet ihr mitbekommen, dass jemanden so etwas passiert, handelt bitte! Und wer selbst betroffen ist: sucht euch bitte Hilfe!
 

So ich denke das ist alles an Warnungen.
 

Kleine Zusatzinfo: Aello ist eine Harpyie aus der griechischen Mythologie und ist hier die Anführerin der Harpyien. So ich hoffe es gefällt euch, auch wenn es düster wird!
 

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'Eine Woche in der es keine Katastrophen gibt. Ist das wirklich zu viel verlangt?', dachte Lucifer missmutig während er und Amaimon durch den Palast liefen, auf der Suche nach ihrem Vater.
 

Sie waren gerade auf dem Weg zur Treppe als sie einige Stimmen hörten, darunter auch die Satans. Sie folgten diesen und fanden ihn in einem Korridor, der zu den Osttürmen führte. Bei ihm waren Shax und Agares. Die Dämonin entdeckte sie zuerst. "Da seid ihr ja!", sagte sie angespannt.
 

"Wen hat's erwischt?", fragte Amaimon gerade heraus.
 

"Valefor, Moloch und Bael.", antwortete Satan grimmig.
 

Bevor die Baal antworteten konnten, beteiligte sich eine weitere Person an ihrem Gespräch.
 

"Valefor ist tot?" Sie drehten sich um und entdeckten Ankou, die Generalin von Azazels Armee. Als Vayas eineiiger Zwilling war sie ihr komplettes Ebenbild, mit dem Unterschied, dass sie ihre Haare hocksteckte und meist eine Lederrüstung trug. Dafür waren ihre Persönlichkeiten das vollkommene Gegenteil. "Weiß Beelzebub schon davon? Immerhin ist....war Valefor sein Stellvertreter."
 

"Noch nicht, er hat zusammen mit Egyn, Iblis und Astaroth einen Auftrag. Solltest du nicht in dem Trainingslager sein? Wie hast du so schnell von dem Attentat erfahren?", fragte Satan scharf.
 

"Ich musste mich mit Aello treffen, einige Harpyien haben in den Städten für Ärger gesorgt und ihr wisst ja wie die sind. Die tratschen fast noch mehr als die Kohletierchen und natürlich wussten sie von dem Angriff. Ich habe mitbekommen wie sich einige von ihnen darüber unterhalten haben also bin ich sofort hergekommen."
 

"Moment, die Harpyien stiften Unruhe?", hakte Agares nach. "Sie sind doch eigentlich sehr friedliebend, warum greifen sie an?"
 

"Setze es auf die Liste der mysteriösen Vorfälle! Abgesehen davon ist es nicht das erste Mal, wie du dich vielleicht erinnern wirst. Frag Azazel,wenn du es nicht mehr weißt.", antwortete Ankou grimmig. Aber zurück zum Thema: was ist hier passier?! Es gab schon seit Jahrtausende keine erfolgreichen Attentate auf den Rat und jetzt sterben aus heiterem Himmel gleich drei? Da ist doch was faul!"
 

"Wir haben uns die Leichen schon kurz angesehen. Sie weisen keine sichtbaren Verletzungen auf, momentan würde ich auf Gift tippen.", erklärte Shax bitter.
 

"Gift, wie?", schnaubte Ankou. "Was für Feiglinge!"
 

"Wie geht es jetzt weiter?", fragte Lucifer seinen Vater.
 

"Vorerst habe ich eine Krisensitzung einberufen, aber ich habe die Befürchtung, dass es nicht viel bringen wird. Die meisten werden sich wahrscheinlich nur Anschuldigungen an den Kopf werfen.", antwortete Satan seufzend. "Wo steckt überhaupt Samael?"
 

"Er wollte in seinem Gebiet nach dem Rechten sehen, keine Ahnung wann er wieder kommt.", murmelte Amaimon.
 

"Dann geh und hole ihn...bring auch Berith mit."
 

Amaimon nickte und verschwand.
 

"Vergebt mir Majestät, aber müssen wir unbedingt Berith holen?", grummelte Ankou genervt. "Der Kerl inspiriert meine innere Serienmörderin!"
 

"Er ist Samaels Stellvertreter und hat damit einen Sitz im Rat.", erwiderte Satan knapp. Es war kein Geheimnis, dass auch er nicht viel von Berith hielt, jedoch hatte er seinen Söhnen bei der Wahl ihrer Stellvertreter freie Hand gelassen.
 

Er wandte sich an Lucifer. "Du kommst mit mir, der Rest von euch geht schon mal vor. Das Treffen beginnt in zwei Stunden." Die drei Dämonen nickten und verschwanden ebenfalls.
 

Satan führte seinen ältesten wortlos durch die Gänge bis sie schließlich seine Gemächer betraten, wo Azazel bereits auf sie wartete.
 

Der Dämonengott verschwendete keine Zeit. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, begann er auch schon zu sprechen. "Habt ihr etwas zur Blutjagd in Erfahrung bringen können?"
 

"Ja und es wird dir nicht gefallen.", erwiderte Azazel und übergab ihm die beiden Listen. "Wir müssen den anderen eine Nachricht schicken oder wir können Yukio im Leichensack abholen."
 

Satan überflog die Listen und sein Gesicht verdüsterte sich. "Diese verdammte Hure..."
 

"Warum will sie Yukio überhaupt tot sehen?", murmelte Azazel. "Er ist doch keine Bedrohung."
 

"Sie hasst jeden meiner Nachkommen. Euch hat sie damals erst versucht zu töten als ihr euch geweigert habt sie zu unterstützen. Damit wart ihr nutzlos für sie. Für Yukio hat sie überhaupt keine Verwendung also ist er momentan ganz oben auf ihrer Abschussliste.", erwiderte Satan grimmig.
 

Er wandte sich an seine Söhne."Ihr geht nach Assiah und beschützt Yukio."
 

"Sollen wir ihn etwa herholen? Hier würde er nie und nimmer überleben.", gab Lucifer zu bedenken.
 

"In Assiah ist es momentan auch nicht besser!", hielt Azazel dagegen.
 

Beide sahen ihren Vater erwartungsvoll an, welcher zugeben musste, dass sie in einer ziemlichen Zwickmühle steckten. Er könnte Yukio zwar herholen lassen, aber ein Mensch hielt es nie lange in Gehenna aus. Es war schon relativ riskant Rin herzubringen, denn er war nicht nur Satans Erbe sondern auch ein Nephilim und auf so ein Ziel würden sich seine Gegner nur zu gern stürzen. Yukio zu sich zu holen wäre jedoch als würde man ein Stück rohes Fleisch mitten in ein Rudel ausgehungerter Fenriswölfe werfen. Hinzu kamen noch diese Attentate.
 

Warum musste immer alles so kompliziert sein?! Gut, er hatte in der Vergangenheit einige unschöne Dinge getan und war mehr oder weniger mit Schuld am größten Teil der Kriege in Assiah, aber das war ja keine Absicht gewesen! Musste er da wirklich so bestraft werden?!
 

Seufzend rieb er sich die Stirn. "Nein. Er säße hier auf dem Präsentierteller. Ich werde Vorkehrungen treffen um seinen Schutz in Zukunft zu gewährleisten, aber vorerst muss ich mich um diesen Mist hier kümmern. Kümmert euch so schnell es geht um diese Angelegenheit und kehrt dann zurück. Ich werde in der Zwischenzeit einige Vorbereitungen in die Wege leiten."
 

"Verstanden.", nickte Lucifer.
 

"......Also kann ich nicht schlafen bis es Zeit für das Treffen ist?", fragte Azazel.
 

Satan verpasste ihm einen Blick, welcher Assiahs gesamter Hundewelpenpopulation den Garaus gemacht hätte.
 

Lucifer schüttelte nur mit den Kopf. "Und ich dachte wir hätten den Erzdämon der Trägheit versiegelt..."
 

"War ja nur ne Frage...", nuschelte Azazel ein wenig kleinlaut. Wenn sein Vater einen von ihnen diesen Blick gab, war das Brett ganz schmal.
 

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Beelzebub hatte langsam, aber sicher die Schnauze voll. Nur ein paar Stunden allein mit seinen Brüdern und er würde sich am liebsten die Augen auskratzen. Wie schaffte es Lucifer diesen Haufen bei Laune zu halten!? Und noch wichtiger, wie blieb er da bei Verstand!? Wenn es ihm so ging, wie gerade Beelzebub, müsste er sich eigentlich den lieben langen Tag eine Aspirin nach der anderen reinpfeifen! Auf jeden Fall hatte er den ewig währenden Respekt des Insektenkönigs verdient.
 

Sein jüngster Bruder und die angehenden Exorzisten machten es ihm auch nicht einfacher. Gut, es war irgendwo verständlich, dass sie sich so verhielten, immerhin wussten sie es nicht besser. Er verstand auch Yukios Wut, ihm wurden die Exorzistengrundsätze schon von klein auf eigetrichtert. Dennoch zögerte dieser abzudrücken ob nun aus Sorge um seine Schüler oder wegen des Blutsbandes, was er scheinbar ebenfalls hatte obwohl er ein Mensch war. Dass er jedoch tatsächlich schießen würde, damit hätten weder Beelzebub noch seine Brüder gerechnet. Der einzige Grund, dass Astaroth ihm dafür nicht den Hals umdrehte war, dass er Familie ist.
 

Nachdem Iblis die Waffen zerstört und Yukio sich doch noch bereit erklärt hatte zuzuhören, erlaubte sich der Insektenkönig wieder einen Funken Hoffnung. Es war keine Lüge gewesen als er sagte, dass es keinen Grund zur Gewalt gab. Die Schüler waren zwar allesamt Exorzisten im Training, aber immer noch unbewaffnete Kinder und entgegen der allgemeinen Vorstellung töteten Dämonen nicht einfach aus Lust an der Laune. Zumindest meistens.
 

Als er dann jedoch diese neue Präsenz spürte, wusste er, dass sich ein Kampf nicht länger vermeiden ließ.
 

Seine Brüder fühlten es ebenfalls und nur knapp konnten sie der schweren Metalltür ausweichen. Im Gegensatz zu den Sterblichen konnten sie relativ gut im Dunkeln sehen und erkannten die Silhouette eines Mädchens, wahrscheinlich einer Schülerin. Sie rochen außerdem Blut. Viel Blut.
 

"Blutjägerin." , grollte Iblis in Gehennisch.
 

Ihre Vermutung bestätigte sich als sie den Raum betrat. Sie sah mit ihren schwarzen Haaren, ihrer kleinen Statur und ihrer Schuluniform aus, wie eine typische japanische Schülerin, wären da nicht die Augen, das Blut und das irre Grinsen gewesen.
 

Interessanterweise wies ihre Präsenz auf einen relativ hochrangigen Dämonen hin, vielleicht aus einer Aristokratenfamilie. Wieso hatten sie sie nicht eher gespürt? Waren sie einfach zu abgelenkt gewesen oder war sie nur sehr begabt darin ihre Präsenz zu verschleiern? So oder so war klar, was sie war.
 

Das besessene Mädchen kicherte. "Ihr könnt euch die Fragen sparen. Es ist sowieso alles zu spät."
 

Obwohl sie zu wissen schien, dass sie es mit Dämonenkönigen zu tun hatte, wirkte sie vollkommen entspannt. Sie legte beinahe verspielt den Kopf schief und sah die Baal direkt an.
 

"Das wird Spaß machen!", verkündete sie ausgelassen. "Wollen wir beginnen?"
 

"Wer bist du und wie kannst du es wagen uns herausfordern?", wechselte Astaroth ins Gehennnische.
 

Das Grinsen des Mädchens weitete sich noch mehr, was Beelzebub nicht für möglich gehalten hätte.
 

"Mein Name ist unwichtig." Sie blieb bei Japanisch, vielleicht um die Exwire zusätzlich zu verstören. "Ich bin ursprünglich hergekommen um meine Beute zu erlegen. Anfangs war das ganz unterhaltsam, aber es war viel zu einfach. Total langweilig. Es brauchte nur ein paar Gerüchte, aus dem Kontext gerissene Bilder und Textnachrichten, schon galt sie bei allen als Hure. Einige Mitschüler haben sogar ein paar nette Nachrichten wie 'Tu allen einen Gefallen und spring vom Dach!' dagelassen." Sie lachte als wäre alles ein toller Witz. Die Baal empfanden nur Abscheu.
 

"Toll, du hast ein unschuldiges Mädchen fast in den Suizid getrieben. Willst du dafür jetzt ein Lob?", fragte Egyn verächtlich. Er blieb ebenfalls im Japanischen damit die Exwire auch wirklich begriffen, dass sie mit dieser Durchgeknallten nicht im Bunde waren.
 

Erneut lachte die Dämonin. Allmählich ging ihnen dieses Lachen gehörig auf den Zeiger.
 

"Oh, aber das Beste kommt doch noch!", rief sie vergnügt. "Nachdem sie von all ihren Freunden sitzen gelassen wurde, hatte sie nur noch ihre beste Freundin, der sie vollkommen vertraut hat. Also habe ich mal etwas neues ausprobiert, von ihrer kleinen Freundin Besitz ergriffen und die Göre hier runter gelockt. Ihr Gesichtsausdruck als sie scheinbar von ihrer besten Freundin erstochen wurde, die dann auch noch verkündet hat, dass sie sie immer gehasst hat, war einfach großartig! Wer weiß, was passieren wird wenn ich diesen Körper verlasse, immerhin sind am Messer ihre Fingerabdrücke. Ich wette sie tötet sich gleich mit wenn sie erfährt, dass sie Schuld am Tod ihrer Freundin ist!" Erneut lachte sie, die Baal und die Exorzisten starrten sie einfach nur an.
 

Die Dämonenkönige waren einiges gewohnt und gegenüber vielen Grausamkeiten abgehärtet, aber was in diesen Blutjägern vorging, machte sogar sie sprachlos. Wie konnte eine Person so gleichgültig ihr eigenes Kind ermorden und obendrein zuvor noch deren Leben zerstören? Dämonen waren bekanntermaßen sehr familienorientiert, was diese Taten fast noch schlimmer machten.
 

"Warum bist du dann noch hier?", knurrte Iblis. "Du weißt schon, dass du dafür sterben wirst?"
 

"Weil ich ein neues Ziel gefunden habe.", antwortete sie, den letzten Teil ignorierend. "Dieses Mädchen war viel zu langweilig, aber glücklicherweise habe ich eine weitere Exekution bekommen, obwohl es eigentlich nicht mein Blut ist. Natürlich habe ich angenommen. Er mag zwar nur ein Mensch sein, aber wie oft bekommt man schon die Gelegenheit einen Bastard Satans umzubringen?"
 

Damit bestätigte sich die Befürchtung der Baal.
 

Bevor irgendjemand etwas sagen oder tun konnte, stürzte sich die Besessene auch schon auf Yukio, welcher ihr ohne seine Waffen hilflos ausgeliefert war. Glücklicherweise hatten seine Halbgeschwister damit gerechnet und handelten. Sie sprangen zwischen die Exorzistengruppe und der Dämonin und wehrten den Angriff mit Leichtigkeit ab. Sie wich nach hinten aus, jedoch schickte ihr Iblis einen Flammenstoß hinterher, welcher sie aus dem Gleichgewicht brachte. Bevor sie sich erholen konnte, war Astaroth schon bei ihr, packte sie am Hals und schleuderte sie in eine Wand, wo sie einen Krater hinterließ und mit einem leisen Stöhnen zu Boden sank. Leider hatte sie das Bewusstsein nicht verloren und rappelte sich wieder auf. Trotz des fehlgeschlagenen Angriffs wirkte sie noch immer zuversichtlich und das machte Beelzebub misstrauisch. Zwar mussten sie sich zurückhalten um den Raum nicht in Schutt und Asche zu legen oder noch schlimmer, aus Versehen Yukio zu verletzen, aber sie waren ihr dennoch haushoch überlegen. Warum war sie so ruhig? War sie wirklich so wahnsinnig, dass sie keine Angst oder Sorge verspürte? Verbarg sie ihre Gefühle sehr gut und wollte sie damit verunsichern?
 

Egyn hatte inzwischen einige Rohre zerbersten lassen und zog das Wasser heraus. Sobald er genug hatte, ließ er es zu Eiszapfen erstarren, welche er der Dämonin entgegenschleuderte. Sie alle wussten, dass sie dem Angriff wahrscheinlich ausweichen oder ihn gar blocken würde, aber sie mussten erfahren zu welcher Art Dämon sie gehörte. Die Antwort war offensichtlich. Bevor die Dämonin von den Eiszapfen durchbohrt wurde, schickte sie eine Flamme los, welche das Eis schmolz. Sie war nicht so stark wie die von Iblis, aber stark genug um zu beweisen, dass ihre Gegnerin relativ hochrangig war.
 

"Du gehörst also zu mir, wie?", fragte Iblis und grinste. "Na umso besser, dann werde ich es sein der dich tötet."
 

Sie antwortete nicht sondern täuschte einen Angriff auf Astaroth vor, schickte den Flammenstoß jedoch in letzten Sekunde in Richtung Exorzisten. Egyn errichtete sofort eine Eiswand.
 

"Könntet ihr bitte endlich aus der Schusslinie gehen!?" rief er der Teenagergruppe zu, welche bis jetzt gebannt den Kampf beobachtet hatten.
 

"Du hast uns gar nichts zu-", begann der Junge mit dem blonden Mittelstreifen und wäre fast von ihrer weiteren Flamme erwischt worden, hätte ihn das Mädchen mit den Zöpfen nicht aus dem Weg gezogen.
 

"Vielleicht sollten wir eine Ausnahme machen und auf ihn hören.", stellte sein pinkhaariger Freund fest. Der Insektenkönig hörte, wie Yukio widerwillig zustimmte.
 

Er und Astaroth hatten begonnen die Blutjägerin anzugreifen, jedoch war sie ziemlich flink und konnte vielen Angriffen mehr oder weniger ausweichen. Iblis und Egyn wehrten währenddessen alle Angriffe ab die gegen die Exorzisten (eigentlich nur Yukio, aber die Exwire standen nun mal um ihn herum) gerichtet waren.
 

"Hätte ich gewusst, dass dieser Auftrag Exorzisten babysitten beinhalten würde....", knurrte Iblis.
 

"Weniger meckern, mehr blocken.", erwiderte Egyn.
 

'Solange Yukio im Raum ist, müssen wir uns zu sehr zurückhalten. Wir müssen ihn hier raus schaffen, aber er wird nie ohne seine Schüler gehen...es hilft nichts, wir müssen sie mit schützen.', dachte Beelzebub seufzend.
 

"Iblis, übernimm für mich!", rief er dem Feuerdämon zu. Innerhalb von weniger als einer Sekunde hatten sie die Positionen getauscht, sodass nun Iblis angriff.
 

"Egyn, du wehrst weiter ab!"
 

"Was glaubst du, was ich hier tu?! Wassertropfen zählen?!", kam die schnippische Antwort.
 

Beelzebub ignorierte ihn und wandte sich an Yukio, welcher offensichtlich nicht glücklich über die körperliche Nähe zwischen ihnen war.
 

"Also gut, du magst uns nicht und wir sind auch nicht so begeistert, dass du Exorzist bist, aber das ist jetzt egal. Wie du sicherlich bemerkt hast, hat sie es auf dich abgesehen und solange du und deine Schüler hier sind, müssen wir uns zu sehr zurückhalten. Wenn ich es sage, rennt ihr aus dem Raum. Wir werden auf dem Weg allen Deckung geben, das verspreche ich. Verschwindet aus diesem Keller und überlasst uns den Rest."
 

"Warum sollten wir euch vertrauen? Ihr seid doch nur an Okumura-sensei interessiert!", antwortete der Junge mit den Piercings.
 

"Mag sein, aber da er ohne euch nicht geht, haben wir keine große Wahl. Andererseits könnte einer von uns ihn wohl auch einfach rausschleifen..."
 

"Gut, abgemacht. Wir glauben euch.", erwiderte Yukio schnell. Es missfiel ihm offensichtlich sein Vertrauen in sie zu setzen, sah aber ein, dass er keine Wahl hatte.
 

Beelzebub nickte. "Wir werden sie in Schach halten und wenn ich sage 'Lauft', dann lauft ihr. Verstanden?"
 

Die Exorzisten stimmten grummelnd zu. Was blieb ihnen auch sonst übrig?
 

"Danach schuldet ihr uns aber einige Erklärungen!", verlangte Yukio.
 

"Meinetwegen, macht nur dass ihr hier raus kommt."
 

Beelzebub sprang wieder nach vorne und schickte seiner Gegenerin einen Schwarm Insekten (Shima stieß daraufhin ein seltsames Geräusch aus, was sie so gut es ging, ignorierten) entgegen, während Astaroth ihr einen Haufen Kohletierchen auf den Hals hetzte und ihr somit die Sicht nahm. Egyn nutzte diese Ablenkung aus um sie mit einer Wasserwelle an die Wand zu pinnen. Kaum hatte sie diese berührt, erstarrte das Wasser zu Eis, sodass sie sich nicht länger bewegen konnte.
 

"Jetzt!", rief Beelzebub und die Jugendlichen sprinteten los als wäre ihnen Satan persönlich auf den Fersen. Mit einem wütenden Aufschrei, schaffte es die gefangene Dämonin tatsächlich eine Hand zu befreien und schickte ihnen eine Flamme hinterher. Zu ihrer Erleichterung hielten sich die Dämonenkönige jedoch an ihr Versprechen und schützten nicht nur Yukio sondern auch den Rest.
 

'So weit so gut.', dachte Beelzebub erleichtert und wandte sich an die Besessene. 'Jetzt ist es vorbei mit der Zurückhaltung.'
 


 

..........................................................
 


 

Yukio hatte keine Ahnung wo sie waren. Es war stockfinster und keiner der Gänge kam ihn auch nur ansatzweise bekannt vor. Mittlerweile gab es keinen Zweifel daran, dass sie sich verlaufen hatten. Wie zur Hölle sollte er hier den Ausgang finden? Sie hatten nicht mal Licht. Außerdem lag da dieser seltsame Geruch in der Luft.
 

"Autsch!", ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm, gefolgt von einem lautem Scheppern. Es war Izumo.
 

"Welcher Volltrottel hat diese Kiste da hin gestellt?!", fluchte sie. "Wann wurde hier eigentlich das letzte Mal sauber gemacht?! Der Boden klebt total und jetzt ist es auch noch an meinen Händen....Igitt was ist das denn hier, das ist ja warm!"
 

"Alles in Ordnung?", fragte Shiemi besorgt.
 

"Natürlich nicht!", kam die geknurrte Antwort. "Irgendeine verrückte Dämonin ist uns auf den Fersen und vier Dämonenkönige sind hier! Ist das deine Auffassung von 'In Ordnung'!? Suchen wir lieber den Ausgang!"
 

"Ich sehe hier nicht mal die Hand vor Augen. Wie sollen wir hier den Ausgang finden?", fragte Shima besorgt.
 

"Hat vielleicht jemand eine Taschenlampe?", erkundigte sich Miwa.
 

"Moment, ich habe mein Handy dabei...", murmelte Bon und suchte seine Hosentaschen ab.
 

"Und das fällt dir ein nachdem ich über diese Kiste geflogen bin?!", beschwerte sich Izumo.
 

"Ach, sei still.", grummelte der Exwire. "Ich hab's."
 

Er aktivierte die Lampe und den Jugendlichen wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht als sie erkannten worauf sie da liefen beziehungsweise worin Izumo gelandet war. Der Boden war voller Blut. Mit einem Aufschrei des Entsetzens sprang die angehende Exorzistin auf und versuchte das Blut an der Wand abzuwischen. Auch die anderen starrten entgeistert die blutige Spur an.
 

"Das kann doch nicht...woher kommt dieses ganze Blut?" fragte Shiemi, dem Klang ihrer Stimme nach den Tränen nah.
 

"Dieses Mädchen was die Dämonin erwähnt hatte...", flüsterte Konekomaru. "Sie muss sie verletzt und dann hier entlang geschliffen haben." Er sah aus als würde er sich jeden Moment übergeben. Auch Bon und Shima konnten nur entsetzt auf den Boden starren. Vermutlich hätte man dem pinkhaarigen Jungen eine Insektenkolonie vor die Nase halten können, er hätte es nicht mehr gemerkt.
 

"Sollen...sollen wir der Spur folgen?", brachte Shima hervor.
 

"Spinnst du jetzt vollkommen?!", zischte Izumo. "Wie kannst du auch nur für eine Sekunde glauben, dass es eine gute Idee ist der Blutspur zu folgen?! Willst du dich vielleicht noch aufteilen? Oder laut aus Dämonenbeschwörungsbüchern lesen? Fünf mörderische Dämonen reichen ja nicht aus!"
 

"Das ist hier kein Horrorfilm.", entgegnete Bon, welcher sich wieder halbwegs gefangen hatte.
 

"Es fühlt sich auf jeden Fall an wie einer!", konterte Izumo. "Von einem blutüberströmten besessenen Mädchen mit Psychogrinsen durch einen dunklen Keller gejagt zu werden, klingt für mich nicht nach einer Komödie!"
 

"Genug jetzt!", fuhr Yukio dazwischen. Er hatte inzwischen eine Stelle entdeckt, welche ihm bekannt vorkam. Wenn sie jetzt dem Gang weiter folgten, müssten sie die Treppe bald erreichen. Leider war dies die Richtung, in die die Blutspur führte.
 

'Natürlich, es wäre ja auch viel zu einfach und langweilig wenn es weg von der Gefahr führen würde.', dachte Yukio bitter. Die Aussicht eine Leiche zu finden, bereitete ihm mehr Unbehagen als er zugeben wollte. Er mochte zwar schon seit einigen Jahren dabei sein, aber er hatte noch nie zusehen müssen, wie jemand starb oder gar einen toten Körper gesehen. Es wäre auch schlimm, wenn es anders wäre, er war erst 15 Jahre alt, verdammt!
 

"Gehen wir weiter.", sagte er und versuchte jegliche Emotion aus seiner Stimme zu verbannen. Es gelang ihm mehr oder weniger.
 

"Der Blutspur hinter her?", fragte Izumo entsetzt.
 

"In dieser Richtung ist die Treppe."
 

Die angehenden Exorzisten schwiegen also drehte sich Yukio einfach rum und ging voraus.
 

Keiner sprach während sie dem Korridor folgten, doch dann begann Bon zu fluchen.
 

"Mein Akku ist gleich leer!"
 

"Natürlich ist er das...", seufzte Shima.
 

Vielleicht brauchen wir es gar nicht mehr. Dort hinten ist Licht!", merkte Shiemi an und deutete nach vorne. Tatsächlich war ein schwaches Licht zu erkennen. Plötzlich hörten sie ein lautes Kreischen hinter sich. Zwar war es weit weg, jedoch jagte es ihnen einen Schauer über den Rücken.
 

"Das klang nicht menschlich.", flüsterte Miwa verängstigt.
 

"Haben die Baal dieses Mädchen getötet?", fragte Shiemi niedergeschlagen.
 

Es würde Yukio nicht überrasche, wenn dem so wäre. Die Dämonin selbst konnten sie nicht töten, nur nach Gehenna zurückschicken. Das Gefäß zu zerstören, wäre der schnellste Weg dies zu erledigen. Er entschied sich schlussendlich zu schweigen. Der Gedanke, dass heute zwei unschuldige Mädchen von Dämonen ermordet worden waren, erfüllte ihn mit Entsetzen, aber auch Wut.
 

'Ich werde die Dämonen auslöschen und wenn es das Letzte ist, was ich tun werde!' schwor sich Yukio entschlossen.
 

Der Flur war inzwischen spärlich beleuchtet, sodass Bon seine Lampe ausschalten konnte. Sie standen nun vor einer weiteren Metalltür. Sie mussten dort hindurch, jedoch empfand Yukio einen Widerwillen, wie er ihn noch nie zuvor erlebt hatte. Die Tatsache, dass die Blutspur sich unter der Tür weiterzog, hatte daran einen nicht unbeachtlichen Anteil.
 

Zögerlich öffnete er die Tür obwohl ihn sein Instinkt anschrie, es nicht zu tun. Er bereute seine Entscheidung augenblicklich. In der Mitte des Raumes lag der Körper der armen Schülerin.
 

'So viel Blut...'
 

Die Mädchen stießen einen gedämpften Schrei aus, die Jungen starrten entsetzt den Körper an.
 

Yukio gewann als erstes die Fassung zurück.
 

"Raus hier!", zischte er seinen Schülern zu. Stumm und mit verstörten Gesichtsausdrücken machten sie sich auf dem Weg zur gegenüberliegenden Tür, welche glücklicherweise offen stand. Dahinter war die Treppe und würde sie endlich aus diesem Albtraum entkommen. Natürlich hatte das Schicksal mal wieder andere Pläne.
 

"Und wo genau gedenkt ihr hinzugehen?", ertönte eine männliche Stimme.
 

'Ach komm, echt jetzt?!', dachte sich Yukio und fuhr herum.
 

Aus den Schatten trat eine weitere Person hervor. Auf dem ersten Blick hätte man ihn für einen normalen Schüler halten können, doch diese unnatürlichen gelben Augen bewiesen das Gegenteil.
 

"Nicht schon wieder...", murmelte Izumo.
 

"Endlich begegnen wir uns.", sagte der Dämon mit einem hämischen Grinsen. Wie auch die Dämonin von vorhin und die Baal, würdigte er die Exwire keines Blickes."Ich warte schon seit 15 Jahren darauf Satans Bastarde sterben zu sehen und nun kann ich einen tatsächlich selbst töten. Zu dumm, dass dein Zwilling nicht hier ist, ich hätte zu gern sein Gesicht gesehen, wenn du stirbst!"
 

Er lachte grausam, Yukio dagegen hatte genug davon nicht zu wissen, was hier vor sich ging! Wenn ein Haufen Dämonen ihn schon umbringen wollen, können sie ihm wenigstens mal ein paar Antworten liefern!
 

"Wer bist du und warum wollen du und dieses Mädchen mich tot sehen?", fragte er angespannt. Dank Iblis hatte er seine Pistolen nicht mehr und ehe sie den fatalen Vers des Dämons herausgefunden hatten, wären sie längst tot. Er betete, dass der Dämon genauso gern redete wie seine Kollegin von vorhin.
 

"Ah, du bist Stihi also bereits begegnet, wie? Es überrascht mich, dass du noch lebst. Normalerweise hätte ich nur noch deine Einzelteile finden sollen...na egal, wenn meine Schwester versagt hat, übernehme ich das eben. Übrigens heiße ich Aym. Merke es dir gut, immerhin sollst du den Namen deines Scharfrichters kennen!" Er grinste boshaft.
 

"Und warum wir dich tot sehen wollen? Dafür gibt es mehrere Gründe! Erstens: Solche Missgeburten wie du, gehören verboten! Der Gedanke, dass sich Satan mit einem Menschen eingelassen hat..."
 

Der Dämon schüttelte angewidert den Kopf. "Das er diese Blutschande begangen hat, zeigt nur dass er nicht als Herrscher taugt. Wir haben beim letzten Mal versagt, doch diesmal werden er und der Rest seiner Familie untergehen. Zweitens: Satan soll leiden. Wenn wir schon nicht an die Baal rankommen und meine Meisterin dieses dämliche Halbblut braucht, können wir immerhin dich erledigen. Und drittens: Meine Gebieterin hasst jeden Nachkommen Satans. Dein Bruder mag vorerst sicher sein, aber du und die Baal werden brennen."
 

Yukio war nun noch verwirrter als zuvor. Tausende von Fragen schwirrten in seinem Kopf. Warum sollte es Satan kümmern, wenn er starb? Wer war diese Frau, die der Dämon diente? Was wollte sie mit Rin?
 

"Wir werden nicht zulassen, dass du Yuki-chan etwas antust!", rief Shiemi entschlossen.
 

"Ganz genau!", knurrte Bon. "Wenn du Okumura-sensei etwas antun willst, musst du erst an uns vorbei!" Die anderen nickten zustimmend, Entschlossenheit stand in ihren Gesichtern.
 

"Nein, wie süß! Du hast ja einen niedlichen Haufen kleiner Freunde, man will gleich brechen...Aber gut, dann sterben sie eben zuerst!"
 

Er hob die Hand, kam jedoch nie dazu auch nur einen Angriff zu tätigen. Ohne Vorwarnung kam etwas in den Raum geflogen und fiel zu den Füßen des Dämonen. Es war eine Granate, welche sofort explodierte. Der Dämon heulte auf als das Weihwasser seine Haut berührte.
 

"Nicht wenn ich ein Wörtchen mitzureden habe!", knurrte eine Stimme, diesmal weiblich. Die Jugendlichen erkannten sie sofort.
 

"Shura!", rief Yukio erleichtert.
 

"Hey, Yukio. Dich kann man aber auch nicht allein lassen.", merkte die Exorzisten kopfschüttelnd an, während sie den Raum betrat. Hinter ihr standen fünf weitere Exorzisten, bereit den Dämonen nach Gehenna zu verbannen.
 

"Ihr dämlichen Exorzisten!", kreischte der Dämon. "Wie könnt ihr es wagen euch einzumischen!?"
 

"Ja, ja", murmelte Shura und wandte sich an die Exorzisten in Ausbildung. "Geht es allen gut? Sind es wirklich die Dämonenkönige?", fragte sie mit einem Anflug von Besorgnis in der Stimme.
 

"Es ist noch alles dran, aber hier sind außer vier Dämonenkönigen noch zwei weitere Dämonen. Sie haben..." Yukio brach ab, nicht dazu in der Lage den Satz zu beenden. Es war jedoch nicht nötig, denn die Exorzisten hatte die Leiche entdeckt.
 

Bevor jedoch irgendjemand etwas sagen konnten, ertönte erneut dieses unmenschliche Kreischen, diesmal allerdings ganz in der Nähe.
 

Nur wenige Sekunden darauf, wurde die Dämonin von vorhin in den Raum geschleudert und krachte gegen eine Wand. Sie sah ziemlich mitgenommen aus. An ihrem Körper klebte noch mehr Blut als zuvor und sie hatte überall Schrammen und Blutergüsse. Ihre Kleidung wies Risse und Brandlöcher auf. Trotz allem war sie noch immer bei Bewusstsein und rappelte sich erneut auf.
 

"Komm nur her du Miststück, wir sind noch nicht fertig mit dir!", hörte Yukio jemanden rufen. Die Stimme gehörte Iblis, welcher nun in den Raum gerannt kam, dicht gefolgt von seinen Brüdern.
 

Als sie die Exorzisten entdeckten legten sie jedoch eine Vollbremsung ein und starrten diese eher genervt als wütend an.
 

"Ernsthaft?", knurrte Astaroth. "Hat euch schon mal jemand gesagt, dass euer Timing echt scheiße ist?"
 

Die Exorzisten antworteten nicht, sondern begaben sich in Kampfstellung.
 

Aym, welcher sich inzwischen erholt hatte, lachte.
 

"Sieht so aus als wäre diese Jagd gerade noch interessanter geworden!"

Satan

Ok, kleine Planänderung. Ursprünglich wollte ich erst die Sache in Assiah beenden und dann sollte dieses Kapitel kommen, aber da ich das mit Rin ziemlich habe schleifen lassen, kommt sein Treffen mit Satan doch zuerst. Übrigens war das irgendwie fast noch schlimmer als Samael zu schreiben. Ich habe gefühlt 10 mal den Großteil neu geschrieben und nun ganz schlimme Ohrwürmer von den Liedern die ich in Dauerschleife gehört habe XD Also los geht's!
 

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Rin hatte eigentlich darauf gehofft zur Abwechslung in aller Ruhe durchschlafen zu können, ohne irgendwelche Albträume und Begegnungen mit seltsamen Dämonen. Natürlich wurde ihm dieser Wunsch nicht gewährt. Zwar träumte er nicht von jener Nacht, in der Shiro starb oder hatte eine weitere Begegnung mit Eva, jedoch war es mindestens genauso verwirrend.
 

Er stand in einem runden Raum, welcher ihm nur allzu bekannt war. Es war die Höhle in welcher er Eva begegnet...nun ja, ihre Stimmt gehört hatte. Dennoch war etwas anders. Die Wände wiesen nur vereinzelte Zeichen und Texte auf, von den Bildern war jedoch keine Spur. In der Mitte befand sich der achtzackige Stern, aber er war unvollendet. Die Zacken waren leer, auch von den Siegeln war nichts zu sehen.
 

"Eva?"
 

Keine Antwort. Dafür hörte er Schritte, welche sich schnell näherten. Rin sah sich panisch um. Irgendwo musste er sich doch verstecken können! Bevor er jedoch eine Entscheidung fällen konnte, kamen drei Personen in den Raum gestürmt. Alle schienen ziemlich außer Atem und waren für den Kampf gerüstet, jedoch konnte Rin ihre Gesichter nicht sehen, da sie Kapuzen aufhatten. Dennoch konnte er erkennen, dass es alles Männer waren. Einer trug eine schwarz silberne Rüstung, einer eine schwarz rote und der dritte eine schwarz dunkelblaue. Beim näheren Hinsehen bemerkte Rin außerdem, dass daran Blut und Dreck klebten. Offensichtlich waren sie gerade aus einem Kampf gekommen.
 

Nun fiel ihm auch auf, dass alle Waffen hatten. Der Kerl in der schwarzen Rüstung hatte einen Bogen und einen Köcher mit einigen Pfeilen, der in der blauen hatte einen Speer und der dritte einige Wurfmesser.
 

'Super, jetzt werde ich auch noch als Eindringling hier unten abgemetzelt.', dachte Rin bitter und wartete darauf, dass sie ihn entdeckten und angriffen, aber nichts geschah.
 

"Das war verdammt nochmal zu knapp!", keuchte der Mann in rot. Er hielt sich die Seite, dunkles Blut quoll unter seinen Fingern hervor und tropfte auf den Boden.
 

Dem Nephilim klappte die Kinnlade auf. Der Krieger hatte Gehennisch gesprochen, trotzdem hatte der Halbdämon keine Probleme gehabt ihn zu verstehen! Wie war sowas möglich?! Was Rin jedoch endgültig an seinem Verstand Zweifeln ließ, war die Stimme.
 

'Der Typ klingt eins zu eins wie Astaroth. Das kann doch nicht-'
 

Sämtliche Zweifel wurden beseitigt als der Dämon seine Kapuze absetzte. Es war tatsächlich der König der Fäulnis, allerdings wirkte er...jünger. Gut, die Baal sahen alle aus als wären sie 17-21 Jahre alt, aber das war etwas anderes. Seine Haare waren kürzer und die Piercings fehlten.
 

"Dieses verdammte Naga Mistvieh hat mich beinahe gebissen!", knurrte Astaroth weiter und fuhr sich über den Hals, welcher mehrere Kratzer aufwies. Gleichzeitig starrte er auf seine Wunde an der Seite. "Dafür hat's mich hier erwischt..."
 

Der Mann in blau setzte ebenfalls seine Kapuze ab. Es war Egyn, auch er wirkte jünger. Seine Haare reichten ihm erst bis knapp unter die Schultern. Er sah Astaroth besorgt an. "Vielleicht sollte ich mir das mal ansehen. Wenn sie dich vergiftet haben-."
 

"Hast du überhaupt noch genug Energiereserven zum heilen?"
 

Egyn schwieg.
 

"Dachte ich es mir doch. Heb dir deine Kraftreserven lieber für was wichtiges auf!"
 

"Egyn hat Recht. Zeig ihm die Kratzer und kümmert euch auch um das an deiner Hüfte. Wenn es nicht bald heilt, scheidest du aus dem Kampf aus. Helft mir hier wenn ihr fertig seid. Uns läuft die Zeit davon!", unterbrach der dritte Dämon, welchen Rin vollkommen vergessen hatte. Scheinbar hatte er die ganze Zeit neben dem Stern gekniet und Symbole eingezeichnet. Der Halbdämon war sich zunächst nicht sicher, wer es war doch als er die Stimme erkannte, war er mehr als überrascht.
 

'Azazel? Er klingt so ernst und überhaupt nicht verschlafen!'
 

Azazel setzte seine Kapuze ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Unterschied zu dem Dämon, den Rin kennen gelernt hatte, war extrem.
 

Seine Haare hatte er locker zusammengebunden und reichten ihm fast bis zur Hüfte. Beide Augen waren sichtbar, in ihnen lag Entschlossenheit, aber auch Hetze und Sorge.
 

'Was geht hier nur vor?'
 

Zögerlich trat Rin neben den Dämonenkönig, welcher vollkommen in seine Arbeit vertieft war. Er schluckte, hob die Hand und wedelte mit ihr vor dem Gesicht seines Halbbruders. Dieser zuckte nicht mal mit der Wimper. Er erkannte nun zudem, was er mit Kreide dort zeichnete. Es war eines dieser Siegel, welcher er in der Höhle gesehen hatte! Langsam glaubte der angehende Exorzist zu begreifen, was hier los war.
 

'Das ist nicht die Gegenwart sondern die Vergangenheit! Höchstwahrscheinlich stehen sie kurz davor Eva zu versiegeln.'
 

Egyn hatte sich inzwischen um Astaroth gekümmert und die Verletzung verschlossen. Er schien kein Gift gefunden zu haben, denn sie zogen nun ebenfalls Kreide hervor und begannen Azazel zu helfen.
 

"Was wenn das hier schief geht oder wir einen Fehler machen?", fragte Egyn nervös. "So ein starkes und kompliziertes Siegel haben wir noch nie geschaffen!"
 

"Dann werden wir jämmerlich krepieren.", prophezeite Astaroth düster.
 

"Na danke, du machst echt Mut."
 

"Er hat Recht", bestätigte Azazel. "Wenn sie gewinnt, sind Gehenna und Assiah am Ende. Uns wird sie töten und Vater...ehrlich gesagt, will ich da nicht drüber nachdenken."
 

"Ich mache mir Sorgen um Samael.", fuhr Egyn fort. "Wenn sein Plan nach hinten los geht und sie herausfindet, dass er uns nicht verraten hat..."
 

"Denk nicht so. Wenn sie einer über den Tisch ziehen kann, ist es Sammy.", widersprach Astaroth.
 

"Er würde dich an deinem Schwanz in einem der Verliese aufhängen, wenn er gehört hätte, dass du ihn 'Sammy' nennst.", merkte Egyn mit einem leichten Grinsen an.
 

Azazel ging nicht darauf ein. "Hoffentlich kreuzen die anderen bald auf, sonst werden wir nie fertig-"
 

Ein lauter Knall unterbrach ihn, gefolgt von einem Beben welches die Höhle zum erzittern brachte.
 

"Sieht so aus als hätte sie den Thronsaal erreicht.", murmelte Azazel missmutig.
 

Rin erfuhr leider nicht wie es weiterging. Wie schon bei seinem letzten Besuch in der Höhle, begann seine Umgebung zu verschwimmen, bis sich alles ganz auflöste und Dunkelheit hereinbrach.
 

............................................................
 

Rin fuhr aus dem Bett hoch. Sein Atem ging schwer und kam stoßweise hervor als hätten Bon und er sich ein weiteres Reaper Rennen geliefert.
 

"Na sieh mal einer an, wer da wach geworden ist! Hat ja auch lange genug gedauert!~"
 

Im Nachhinein betrachtet, war seine Reaktion darauf mehr als peinlich. Andererseits musste man zu Rins Verteidigung sagen, dass er sich in einer fremden Umgebung befand, von lauter Dämonen umgeben war, die ihn sicherlich nur zu gern massakrieren würden wenn sie wüssten, dass er angehender Exorzist war und soeben aus einer seltsamen Vision erwacht war. Wie auch immer, seine Reaktion bestand darin erschrocken zusammenzufahren und sich mit einem lautem keuchen (es war eigentlich eher ein Schrei, aber das würde er nie zugeben) möglichst weit weg zu bewegen. Dummerweise bedachte er dabei nicht, dass das Bett trotz seiner beachtlichen Größe auch irgendwann zu Ende war.
 

"Das solltest du-" Zu spät. Ein dumpfer Aufprall ließ verlauten, dass der Halbdämon aus dem Bett gefallen war.
 

"-sein lassen." Beendete die Stimme ihren Satz seufzend. "Sei bitte vorsichtiger. Wenn du dich wieder verletzt, machen mich Vater und die Heiler einen Kopf kürzer und das wollen wir doch nicht.~"
 

Rin hatte sich von seinem Schock erholt und Scham wich der Wut. Er kannte diese Stimme nur allzu gut. Es war Samael alias Mephisto Pheles alias momentan größtes Arschloch beider Welten.
 

"Du verdammter Clown! Ich bring dich um!", fauchte er und sprang auf. Da er leider immer noch seine Verbände hatte, einen guten Kopf kleiner als der Dämonenkönig und sein Schwert nirgends zu sehen war, wirkte er allerdings nicht besonders eindrucksvoll.
 

Samael hob amüsiert eine Augenbraue. "Es ist nicht meine Schuld wenn du aus dem Bett fällst.~", erwiderte er mit diesem herablassenden Grinsen, welches Rin so sehr hasste. "Dennoch äußerst beeindruckend, dass du es geschafft hast aus einem Doppelbett zu fallen..."
 

"Ich rede nicht von diesem verdammten Bett!"
 

Der König der Zeit schüttelte missbilligend den Kopf. "Ts ts ts. Shiro hätte dir wirklich ein paar Manieren beibringen sollen. Redet man so etwa mit seinen älteren Geschwistern? Und dieses ganze Fluchen..."
 

"Wage es ja nicht den alten Mann da mit reinzubringen.", knurrte Rin, nun noch wütender als zuvor. Es überraschte ihn, dass sich seine Flammen noch nicht gemeldet hatten. "Du hast kein Recht darauf!" Shiro hatte Mephisto vertraut, er war davon ausgegangen, dass sich der ehemalige Schulleiter um Rin kümmern würde, stattdessen hatte er ihn ohne zu zögern an Satan ausgeliefert. "Abgesehen davon seid ihr nicht meine Brüder! Ihr seid mir egal! "
 

"Ach wirklich?", fragte der ältere Dämon belustigt. "Wie kommt es dann, dass du auf dieser Lichtung gleich zu uns gekommen bist? Warum hast du Azazel gefragt wie es uns geht? Es war einer deiner ersten Fragen, nicht wahr?"
 

Der Halbdämon spürte wie ihm das Blut ins Gesicht schoss.
 

"Du dreckiger Bastard...", murmelte er, jedoch fiel ihm nichts ein, was er sonst sagen könnte.
 

Erneut seufzte Samael. "Kein Grund für Feindseligkeiten."
 

"Ach nein?", erwiderte Rin bissig. "Stimmt, ihr habt mich ja auch nur gegen meinen Willen in die Hölle verschleppt. Keine große Sache."
 

Samael vollführte eine abwertende Handbewegung.
 

"Also bittschön, glaubst du wirklich an diesen Unsinn mit Himmel und Hölle? Na egal." Er setzte sich in einen der Sessel und sah Rin mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Und bevor du auf die Idee kommen solltest mich anzugreifen: ich habe kein Problem damit dich für eine Weile in ein Zeitfeld zu sperren also überlege es dir gut."
 

Rin warf ihm einen giftigen Blick zu, setzte sich jedoch im Schneidersitz und mit verschränkten Armen auf das Bett.
 

"Na, geht doch.~", merkte Samael zufrieden an. "Nun weiter im Text. Streng genommen war es Shiro, der dich uns damals weggenommen hat. Wir haben uns nur zurückgeholt, was uns gehört."
 

Erneut stieg Wut in Rin auf. "Ich gehöre niemanden! Abgesehen davon warst du es doch, der damals diese Wette mit ihm geschlossen hat!"
 

"Das ist wahr, jedoch war dies unter besonderen Umständen. Auf jeden Fall waren weder Vater noch der Rest unserer Brüder-"
 

"Deiner Brüder!", korrigierte der Nephilim scharf, doch Mephisto ignorierte ihn und fuhr fort als wäre er nie unterbrochen wurden.
 

"-besonders begeistert. Für uns Dämonen ist die Familie sehr wichtig, weißt du? Wer sich mit einem Familienmitglied anlegt, vor allem wenn es jünger als der Rest ist, wird es schnell bereuen." Er grinste. "Es muss wohl nicht erwähnt werden, dass die anderen deinen Klassenkameraden zu gerne einen Besuch abgestattet hätten, nachdem sie erfahren haben, wie sie dich nach deinem kleinen Streit mit Amaimon behandelt haben."
 

Rin schnaubte. "Ja klar. Darum wollte Astaroth mir eine glühende Stange in die Augen pressen, Amaimon hat versucht mich umzubringen und du hast in aller Ruhe zugesehen als ich ihn fast abgefackelt habe. Ich bin vielleicht nicht so schlau wie Yukio, aber so eine miese Lüge erkenne ich!"
 

Samael verdrehte die Augen. "Das aber auch alle das schlimmste von mir erwarten, das ist verletzend, weißt du? ~" Er seufzte theatralisch und hielt sich die Brust als wäre er verletzt.
 

Er bekam nur weitere böse Blicke als Antwort, woraufhin er abwehrend die Hände hob.
 

"Schon gut. Astaroth war noch nie der hellste Stern am Himmel, ihm ist wohl einfach nichts besseres eingefallen. Vater hat ihn dafür hart bestraft, das kann ich dir versichern. Amaimon hatte nie vor dich zu töten. Hätte er es gewollt, würdest du hier nicht sitzen." Rin sah ihn misstrauisch an, worauf er kurz auflachte.
 

"Sei doch mal ehrlich, bildest du dir wirklich ein, dass ein Dämonenkönig keinen unerfahrenen Halbdämonen besiegen kann? Hätte er sich nicht zurückgehalten, wäre der 'Kampf' schon nach weniger als einer halben Minute beendet gewesen. Das war alles nur ein Spiel. Solche Spiele sind bei uns Dämonen vollkommen normal, das haben wir schon gemacht als wir noch Kinder waren. Was deinen letzten Vorwurf betrifft, ich hatte weniger damit gerechnet, das du dein Schwert ziehen oder gewinnen würdest, aber als du es getan hast, war es zu unterhaltsam um sich einzumischen. Außerdem wirst du dich vielleicht erinnern, dass ich letztendlich eingegriffen und Amaimon gerettet habe."
 

Rin schwieg. Er musste zugeben, dass der Dämon nicht ganz falsch lag, aber natürlich würde er das nie laut aussprechen. Stattdessen sah er sich in dem Zimmer um, denn dies war seine erste wirkliche Möglichkeit dazu. Er war groß, viel größer als das Zimmer, welches er sich mit Yukio geteilt hatte. Alles war in Schwarz, Silber, Weiß und Blautönen gehalten. Neben dem Doppelbett, gab es einen großen Esstisch, einen Couchtisch, einen Kamin, mehrere Stühle, Sofas und Sessel sowie Regale. Einige waren leer, andere mit Büchern gefüllt. Die Fenster waren allesamt im Gotik Stil (dies war der einzige westliche Stil welchen Rin sich merken konnte), eines schien auf einem Balkon zu führen. Er entdeckte zudem zwei Türen. Langsam rappelte er sich auf.
 

"Und was soll das werden wenn es fertig ist?"
 

"Ich möchte mich anziehen. Es ist kalt.", antwortete Rin knapp.
 

"Verstehe. Deine Kleider liegen dort drüben."
 

Tatsächlich lagen auf einem Stuhl die Klamotten, welche er bei seiner Ankunft getragen hatte und sie sahen sogar aus wie neu.
 

"Wir dachten uns, dass du dich in deinen eigenen Sachen wohler fühlen würdest also habe ich einige Diener gebeten sich darum zu kümmern. Außerdem habe ich Ukobach angewiesen deine restliche Kleidung und Besitztümer herzubringen. Den Kleiderschrank findest du übrigens dort drüben, das Badezimmer ist die rechte Tür."
 

Rin war mehr als überrascht. Warum machten sich der Clown und der Rest solche Mühe?
 

"Und was willst du im Gegenzug?"
 

"Gar nichts."
 

"Gar nichts?!"
 

"Gar nichts.", bestätigte Samael. Rin griff seine Klamotten, warf dem Clown einen letzen misstrauischen Blick zu und betrat das Badezimmer, welches nicht nur luxuriös (War das eine Wanne oder ein Schwimmbecken?!) sondern sogar ziemlich modern war wenn man davon absah, dass es keine Steckdosen oder elektrische Geräte gab. Es schien nicht einmal Lampen zu geben. Stattdessen stand ein kleiner Kristall auf dem Waschbecken, ein größerer hing an der Decke. Rin trat an den kleinen Kristall heran und streckte zögerlich die Hand aus. Kaum hatte er ihn berührt, begann der Kristall zu leuchten und tauchte das Zimmer in ein blaues Licht.
 

'Das ist dieselbe Farbe, die auch Satans Flammen haben...', dachte Rin nachdenklich, aber ließ es auf sich beruhen. Er hatte grad echt andere Sorgen!
 

Der Halbdämon hätte nur zu gern eine Dusche genommen, aber mit den Verbänden ging dies schlecht. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er vollkommen sauber war, obwohl er in dem Wald einige Schlammpfützen mitgenommen hatte.
 

'Bitte sag mir nicht, dass mich jemand gewaschen hat während ich bewusstlos war.', flehte Rin stumm mit hochrotem Kopf. Der Gedanke, dass ihn Fremde nackt gesehen haben könnten...
 

Er schüttelte sich. 'Nein, denk nicht drüber nach.'
 

Er zog sich rasch an, zu seiner Erleichterung verspürte er keine Schmerzen mehr. Nach einigem Überlegen beschloss er seinen Schwanz nicht unter seinem Hoodie zu verstecken. Es war viel angenehmer wenn er frei war und es gab niemanden vor dem er ihn hätte verstecken müssen.
 

'Tja, zurück zum Clown.', dachte er grimmig.
 

Samael saß noch immer in dem Sessel und las in einem Buch. Leider konnte er die Buchstaben des Covers nicht lesen.
 

Als er die Tür schloss, blickte der Dämonenkönig auf. "Willst du wirklich deinen Schwanz zeigen?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. "Ein Dämon deines Ranges sollte ihn stets versteckt halten, immerhin ist es eine Schwachstelle."
 

"Es ist bequemer so und hier sind keine Menschen.", erwiderte Rin bissig.
 

"Gut wie du meinst.~"
 

"So, wie komme ich hier raus? Ich schätze durch diese Tür?"
 

"Nein.", erwiderte er sofort.
 

"Wie nein?"
 

"Du würdest nur versuchen zu verschwinden, was dir zwar nicht gelingen, aber nervig sein würde. Außerdem fängt in knapp einer Stunde ein Ratstreffen an, da können wir dich nicht gebrauchen. Du bleibst also schön hier, kleiner Bruder~!"
 

"Sagt wer?!", fauchte Rin.
 

"Ich.", ertönte eine neue Stimme. Rin erkannte sie sofort. Es war dieselbe Stimme, welche er seit jener schicksalhaften Nacht in seinem Albträumen und vor kurzem im Wald gehört hatte.
 

'Scheiße. Bitte alles nur das nicht. Bitte nein...', flehte er.
 

Langsam drehte sich der Nephlim um. Am Türrahmen lehnte ein Mann. Er war so groß wie Samael, vielleicht sogar ein paar Zentimeter größer. Seine Haare waren schneeweiß und ungefähr so lang wie Azazels. Nur die vorderen Haarsträhnen waren etwas länger. Wie auch die Dämonenkönige hatte er blasse Haut, seine verschränkten Arme boten einen guten Blick auf seine langen dunkelblauen Fingernägel (oder Krallen). Was jedoch Rins Aufmerksamkeit auf sich lenkte, waren die Augen. Es war dasselbe intensive Blau, welche auch seine hatten.
 

Der Dämon wandte sich an Samael. "Du bist hiermit entlassen."
 

"Wie du willst, Vater~! Versucht euch nicht gegenseitig zu zerfetzen, ja? Immerhin haben sie ihn erst zusammengeflickt.", merkte Samael ein wenig spöttelnd an.
 

Satan warf ihm einen genervten Blick zu, woraufhin der Dämonenkönig nur mit den Schultern zuckte und das Zimmer verließ. Rin wäre es wirklich lieber gewesen wenn er geblieben wäre.
 

Als die Tür ins Schloss fiel, herrschte für einige Sekunden unangenehme Stille. Schließlich war es Satan, der sie durchbrach.
 

"Wie ich sehe, geht es dir besser. Du solltest wirklich lernen dich aus Ärger rauszuhalten. Du und deine Brüder verpassen mir eine Herzattacke nach der anderen."
 

Rin war sich nicht sicher warum, doch diese Stimme zu hören, riss ihn aus seiner Starre. Sein rationales Denken verabschiedete sich in diesem Moment vollkommen. Unbändiger Hass und rasende Wut stieg in ihm hoch. Ihm war alles egal. Das Ziel seines Zornes zu vernichten war sein einziges Interesse.
 

"DU VERDAMMTER HURENSOHN!" Mit diesen Worten stürzte er sich auf seinen leiblichen Vater. Er hatte noch nie jemanden eine derartige Beleidigung entgegen geschleudert, doch momentan war alles bedeutungslos für ihn. Es war ihm gleich, dass er dafür wahrscheinlich sterben würde, solange Satan mit ihm unterging. Jedoch kam es nie dazu.
 

Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und übermenschlichen Reflexen wich Satan aus und eh sich Rin versah war er auch schon in dessen Griff, seine Arme waren auf dem Rücken verdreht, was zwar nicht weh tat, jedoch jegliche Chance auf einen erfolgreichen Angriff zunichtemachte. Nun erwartete er, dass der Dämonengott ihn in irgendeiner Weise bestrafen würde, stattdessen seufzte dieser nur.
 

"Hast du das wirklich für eine gute Idee gehalten? Du solltest dich nie mit jemanden anlegen, den du nicht besiegen kannst." Rin antwortete nicht sondern versuchte sich fluchend aus seinem Griff zu winden. Dabei warf er ihm einige seiner handerlesensten Schimpfwörter und Beleidigungen an den Kopf, welche Shiro veranlasst hätten ihm den Mund mit Seife auszuwaschen. Satan ignorierte dies, begann ihn durch den Raum zu schleifen und warf ihn auf das Bett.
 

"Jetzt beruhige dich endlich und höre auf dich wie eine aus der Kontrolle geratene Wunderkerze aufzuführen! Ich habe die Schnauze voll davon, dass ständig jemand mein Zuhause anzündet!"
 

Noch immer klang er eher genervt als wütend. Auch fiel Rin erst jetzt auf, dass seine Flammen hervorgeschossen waren. Zu dumm, dass die gegen den älteren Dämonen nichts ausrichten würden.
 

"Halt die Klappe!", fauchte Rin. Er versuchte aufzuspringen nur um festzustellen, dass er sich keinen Millimeter bewegen konnte. Es schien fast so als würde in eine unsichtbare Hand festhalten. Wie machte Satan das?! Er bewegte sich nicht einmal!
 

'Was zur...?!'
 

"Lass mich los, verdammt!", rief er wütend und versuchte sich zu befreien, doch es war vergebens.
 

"Ich werde dich loslassen wenn du dich beruhigst. Und höre endlich auf zu fluchen, es gibt keinen Grund."
 

"Oh nein, natürlich nicht!", erwiderte Rin sarkastisch. "Ich hocke ja auch nur mit dem verdammten Teufel in der Hölle. Keine große Sache."
 

Satan verdrehte die Augen und vollführte eine wegwerfende Handbewegung. "Jetzt sei nicht so melodramatisch, das steht dir nicht."
 

"Du Psycho hast mein Leben ruiniert!"
 

"Psycho? Ernsthaft? Du tust ja gerade so als würde ich kleine Kinder fressen."
 

"Du hast Shiro getötet!"
 

"Falsch, der Narr hat Suizid begangen. Glaube es oder nicht, aber ich hatte vor ihn leben zu lassen. Immerhin hat er sich einem direkten Befehl des Vatikans widersetzt und euch beiden das Leben gerettet. Ich sage es noch einmal: beruhige dich endlich oder ich lasse dich betäuben."
 

Rin warf ihm einen weiteren hasserfüllten Blick zu, gab den Kampf jedoch vorerst auf. Er war momentan machtlos, alles was ihm blieb war den richtigen Moment abzuwarten. Seine Flammen beruhigten sich langsam bis sie vollkommen verschwunden waren.
 

"Na geht doch.", kommentierte Satan. Eine knappe Handbewegung und das Gefühl kehrte in Rins Glieder zurück. Er sprang vom Bett und versuchte möglichst viel Distanz zwischen sich und Satan zu bringen. Dies schien ihn nicht zu stören, auch wenn er die Augenbrauen hob.
 

Am liebsten hätte Rin irgendetwas nach ihm geworfen, aber es gab nichts in seiner Reichweite außer die Kissen.
 

'Tja, solange er keine geheime Kissenphobie hat, wird das nicht viel bringen.', dachte Rin grimmig.
 

"Was willst du?", fauchte er.
 

"Ich habe was ich will, außer natürlich Yukio..."
 

"Wage es ja nicht! Halte dich bloß fern von ihm oder ich werde-"
 

"Wirst du was?", fragte Satan mit hochgezogenen Augenbrauen. "Du bist nun wirklich nicht in der Position Drohungen auszusprechen, nicht wahr?"
 

Rin bleckte irritiert die Zähne. Er hätte es nie für möglich gehalten jemanden zu begegnen, der ihn noch schneller auf die Palme bekam als Samael, doch Satan hatte ihn soeben vom Thron gestoßen.
 

"Ich werde jedenfalls nicht kampflos aufgeben. Du wirst meinen Körper nicht bekommen!", rief Rin entschlossen.
 

Satan schaute ihn verwirrt an. Rin fiel außerdem auf, dass er seinen Kopf leicht schief legte, was auch Beelzebub immer gemacht hatte wenn er neugierig oder verwirrt war.
 

"Was soll das heißen?", fragte Satan scharf.
 

"Das ist es doch, warum ich hier bin!", antwortete Rin gereizt, allerdings kamen ihm allmählich Zweifel. "Du willst mich als Gefäß benutzen um Assiah zu erobern!"
 

Für einige Sekunden herrschte erneut Stille, dann begann Satan zu lachen. Es war nicht dieses wahnsinnige Lachen von damals. Eigentlich klang es ziemlich normal, dennoch jagte es Rin einen Schauer über den Rücken.
 

"Ist es das, was die Exorzisten denken?", fragte Satan nachdem er sich beruhigt hatte. "Ernsthaft? Als ob ich das nötig hätte! Würde ich die Exorzisten vernichten wollen, hätten sie nicht einmal das Mittelalter erlebt!"
 

"Aber...du kannst nicht nach Assiah! Niemand außer mir hält deine Macht aus-"
 

"Das stimmt. Keiner der Sterblichen kann meine Macht ertragen. Nicht einmal deine Brüder würden das überleben. Ich habe jedoch keine Interesse an einem Gefäß. Ich brauche nämlich keins um nach Assiah zu gelangen."
 

"Du lügst.", zischte Rin. Das konnte nicht sein, es würde das Ende der Menschheit bedeuten.
 

"Ach wirklich? Warum glaubst du haben diese Volltrottel zwei Weltkriege in Kauf genommen? Woher kommen all diese Bürgerkriege, Revolutionen, Aufstände und Naturkatastrophen? Ganz genau. Meine Präsenz kann unangenehme Folgen für Assiah haben. Es bringt das Schlimmste in den Menschen hervor und auch die Natur bleibt nicht unverschont. Es ist lästig, aber manchmal lässt es sich einfach nicht vermeiden nach Assiah zu kommen."
 

"Warum hast du dann nicht längst den Orden angegriffen?", fragte Rin. Er wusste wie dumm es war, doch aus irgendeinem Grund glaubte er Satan, auch wenn er es besser wissen sollte als jemanden welcher als 'Vater der Lügen' bekannt war, zu vertrauen.
 

"Warum sollte ich mich um einem Haufen Insekten scheren? Sie waren schon immer nichts weiter als ein kleines Ärgernis. Zumindest bis sie dich und Yukio entführt haben-"
 

"Shiro hat mich nicht entführt!"
 

"Hattest du diese Diskussion nicht schon mit Azazel? Ich wette er hat dir sogar den passenden Wikipedia Artikel unter die Nase gehalten...na ja schätze mal, das ist immer noch besser als Beelzebub damals diese Insektenseite auf Instagram gefunden hat..." Den letzten Teil schien Satan vor sich hin zu murmeln also beschloss Rin nicht darauf einzugehen.
 

"Wie auch immer.", fuhr der Dämonengott fort. "Ich habe kein Interesse an Assiah. Ich will nur erreichen, dass mein Volk wieder dort existieren darf. Die Menschen haben uns damals vertrieben, aber ich habe inzwischen eingesehen, dass Gewalt nicht viel bringen wird."
 

"Es ist mir egal, was du willst!", knurrte Rin. "Das entschuldigt nicht, dass ihr mich gegen meinen Willen hergebracht habt!"
 

"Das ist dein Zuhause. Die Exorzisten haben deinen Geist vergiftet. Vielleicht hätte ich Shiro doch nicht so einfach davon kommen lassen sollen..."
 

Erneut stieg Wut in Rin auf.
 

"Er war ein besserer Vater als du es jemals sein könntest!", fauchte er. Satan verengte die Augen. "Vorsicht, du bist auf ganz dünnem Eis."
 

"Na und?! Dann töte mich doch! Alles ist besser als hier zu hocken. Wie kannst du es überhaupt wagen-"
 

"Wie ich es wagen kann?! Wie ich es wagen kann?!", fauchte Satan. Er war so schnell auf 180, dass es eigentlich schon beeindruckend war. Kalter Zorn stand ihm nun ins Gesicht geschrieben.
 

'Oh, oh. Ganz schlechte Wortwahl.'
 

Innerhalb einer Sekunde hatte Satan den Raum durchquert. Rin stand an die Wand gepresst, während der Dämonenherrscher seine Hände links und rechts von ihm platziert hatte.
 

'Hat der Kerl noch nie was von persönlichen Freiraum gehört?! Das ist viel zu nah!', wäre es wohl gewesen, was Rin unter normalen Umständen gedacht hätte. Da er jedoch einen offensichtlich angepissten Dämonengott vor sich hatte, war alles was er denken konnte: 'Ich bin so am Arsch.'
 

Sämtliche Wut und Frustration waren Angst und Panik gewichen. Zum ersten Mal wurde ihm richtig klar, was sein Schwur Satan ordentlich in den Arsch zu treten, bedeutete. Er war vollkommen gelähmt, ob nun aus Angst oder ob es Satans Schuld war, wusste er nicht. Sein Schwanz hatte sich automatisch zusammengerollt als würde er sich davon größeren Schutz versprechen.
 

"Du fragst mich ernsthaft, wie ich es wagen kann!? Wie können es die Exorzisten wagen mir zwei meiner Söhne wegzunehmen und sie gegen mich zu wenden?! Wie konnten sie es wagen euch und eure Mutter töten zu wollen?! Warum glaubst du, gibt es in Assiah so wenige Halbblüter, huh? Ganz einfach, weil sie den Großteil umgebracht haben! Diese Hexenverbrennungen damals sind nur ein Beispiel von vielen! Und dich haben sie ebenfalls verraten..."
 

Rin wagte es nicht zu antworten oder seinem Vater in die Augen zu sehen. Die Aura, die von ihm ausging, war einfach zu viel für ihn. Trotzdem schaffte er es nach kurzem zögern zu antworten.
 

"Sie haben mich nicht verraten-"
 

Satan lachte kurz kalt auf. Der Halbdämon hätte gut Lust zu versuchen ihm eine reinzuhauen oder sich irgendwie zu befreien, aber dass Satan mindestens einen Kopf größer als er war, demoralisierte ihn dann doch ziemlich. Der König Gehennas schien genug davon zu haben, dass Rin nur auf den Boden starrte. Ohne Vorwarnung griff er sein Kinn und zwang den Halbdämonen ihm ins Gesicht zu sehen.
 

Mit viel Überwindung schaffte er es sogar seinem Vater in die Augen zu sehen. Er hätte schwören können darin Feuer brennen zu sehen.
 

"Den meisten Menschen kann man nicht vertrauen, besonders wenn es Exorzisten sind. Der Vatikan hat den Befehl gegeben, dass du getötet werden sollst wenn du Assiah jemals wieder betrittst. Du kannst nicht zurück."
 

Satan sprach mittlerweile ruhiger (scheinbar lag Bipolarität in der Familie), doch jeder Satz war für Rin wie ein Messerstich. Hatte man ihn wirklich im Stich gelassen? Was der Vatikan und Angel dachten, war ihm herzlich egal, aber...
 

"Meine Freunde würden mich nie im Stich lassen!", antwortete Rin entschlossen und erwiderte Satans Blick störrisch. Er ignorierte die Tatsache, dass er am ganzen Körper zitterte. Vielleicht hatte der Orden ihn aufgegeben, aber Yukio und seine Freunde würden zu ihm halten! Richtig?
 

Satan zögerte bevor er antwortete. "Vielleicht, vielleicht auch nicht. Du wärst leider nicht der erste Halbdämon, der von seinen 'Freunden' hintergangen wird."
 

Endlich ließ er Rin los und trat einige Schritte zurück. Für einen Moment glaubte der Nephilim eine neue Emotion in seinen Augen zu sehen, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde. War es Reue?
 

'Ja klar. Als ob er Reue empfinden könnte.", dachte Rin bitter.
 

Was es auch immer es war, sein Gesicht verriet nichts mehr.
 

"Ich habe gleich ein Ratstreffen. Ich schicke niemanden her, aber du solltest wissen, dass überall Wachen sind. Versuche also nichts dummes." Er murmelte noch etwas in Gehennisch, leider konnte Rin ihn nicht länger verstehen. Warum hatte es in der Vision geklappt?
 

"Was auch immer.", murmelte Rin. Er wollte nur noch allein sein. Satan schien noch etwas sagen zu wollen, überlegte es sich dann jedoch anders. Wortlos wandte er sich um und verließ den Raum.
 

Kaum war die Tür geschlossen, warf sich Rin auf das Bett, schnappte sich das nächstbeste Kissen und schrie all seine Frustration hinein.

Antworten und noch mehr Fragen

Satans Laune hatte nun offiziell den Tiefpunkt erreicht. Während er wütend durch die Gänge seines Palastes stapfte, war er beinahe versucht, einige seiner ehemaligen schlechten Angewohnheiten wieder aufleben zu lassen, wie zum Beispiel seine Frustration abzubauen indem er einige Diener einäscherte. Schlussendlich gewann jedoch die Vernunft die Oberhand. Er hatte sich damals geschworen ein besserer Herrscher zu sein und das schloss kein wahlloses Anzünden ahnungsloser Palastbewohner mit ein.
 

Wenn es jemand verdient hatte zu brennen, war es dieser vermaledeite Exorzistenorden! Allerdings gab es eine Person auf die er noch wütender war und das war er selbst. Wie hatte er nur so die Kontrolle verlieren können?!
 

Er hatte gewusst, dass Rin es ihm nicht leicht machen würde und sich größte Mühe gegeben sämtliche Beleidigungen hinzunehmen und geduldig zu sein, immerhin handelte der Nephilim nur so, weil er es nicht besser wusste. Dann kam der Vergleich mit Shiro. Satan hatte durchaus Respekt vor dem verstorbenen Paladin gehabt. Er war einer der wenigen Exorzisten gewesen, der es in den Schädel bekommen hatte, dass nicht alle Dämonen schlecht waren. Bis zu einem gewissen Grad war er sogar gewissermaßen erleichtert gewesen als er Rin und Yukio aufgenommen hatte, dennoch hatte er kein Recht darauf gehabt ihm seine Söhne vorzuenthalten! Nach einigem Abwägen hatte er sich entschieden Shiro mit einem blauen Auge vorerst davonkommen zu lassen, aber dann hatte dieser verdammte Narr vor Rin Suizid begangen! Was sollte das überhaupt!? Das Tor war längst geöffnet worden, nur Rins Entschluss das Schwert zu ziehen, hatte alles ruiniert! Auf jeden Fall trieb es den Keil zwischen ihm und seinen jüngsten noch tiefer.
 

Er war ein besserer Vater als du es jemals sein könntest!
 

Dieser einfacher Satz und das darauffolgende 'wie er es wagen kann' hatte ihn anschließend die Beherrschung verlieren lassen und dem Jungen höchstwahrscheinlich das nächste Trauma verpasst. Gut, weder hatte er Hand an ihn gelegt noch seine Kräfte eingesetzt um ihm seinen Willen aufzuzwingen oder ihm weh zu tun. Er hatte ihn nur einmal paralysiert damit er nichts dummes tat und sich selbst verletzte. Aber wie er ihn gegen die Wand gepresst und angeschrien hatte...zwar konnte er sich noch halbwegs fangen, aber es war klar gewesen, wie sehr er seinen Sohn verängstigt hatte. Er hatte versuchst es zu verbergen, doch Satan war das Zittern und sein eingerollter Schwanz aufgefallen. Verdammt nochmal, er hatte sich ja nicht einmal getraut ihn anzusehen geschweige denn zu sprechen!
 

Es war offensichtlich, dass die Exorzisten ihn manipuliert hatten, jedoch musste der Dämonengott zugeben, dass er auch nicht unschuldig war. Rin hatte bei ihrer ersten Begegnung genau den Eindruck von ihm bekommen, denn die Exorzisten und Religionen predigten.
 

'Tja, ich schätze, das nennen die Sterblichen 'Karma'.', dachte Satan frustriert.
 

Er hätte gut Lust den Vatikan und diese verdammte Schule niederzubrennen, doch was würde ihm das bringen? Es würde ihn wieder als den Bösen hinstellen, dabei war nichts von dem, was er Rin erzählt hatte, gelogen gewesen. Er war nicht an Krieg mit den Exorzisten interessiert oder wollte über Assiah herrschen. Gehenna war schon anstrengend genug!
 

So oder so konnte er es jetzt nicht ändern. Alles was er tun konnte, war abzuwarten bis Rin sich halbwegs beruhigt hatte und dann noch einmal mit ihm zu reden. Vorerst musste er das Ratstreffen hinter sich bringen. Hoffentlich würde dies halbwegs gut laufen sonst würden doch noch ein paar Dämonen brennen.
 

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Iblis war sauer. Das war natürlich nichts neues, immerhin waren Feuerdämonen für ihre aufbrausende und leicht reizbare Natur bekannt. Selbst kleine Zwischenfälle konnten zu Wutausbrüchen und Kämpfen führen. Diesmal jedoch hatte er einen mehr als triftigen Grund angepisst zu sein. Zunächst hatte er seine Zeit in 'Klassische Literatur Japans' verplempern müssen. Danach musste er feststellen, dass eine Blutjägerin Yukio massakrieren wollte und nun blieb das Miststück einfach nicht am Boden!
 

Er musste sich widerwillig eingestehen, dass ihre Ausdauer durchaus beeindruckend war. Die meisten Dämonen, ob nun hochrangig oder nicht, hätten schon nach wenigen Minuten zu ihren Füßen gelegen. Sie schaffte es allerdings dem Großteil der Angriffe auszuweichen. Normalerweise hätte Iblis ihr einen ordentlichen Flammenstoß verpasst, damit der Wirtskörper zu Asche verbrannte und die darin lauernde Dämonin zurück nach Gehenna gezwungen wurde. Dort müssten sie sie nur noch aufspüren und die Sache wäre gegessen. Leider war es nicht ganz so einfach. Satan hatte ihnen verboten Exorzisten zu töten, aber Iblis war sich ziemlich sicher, dass dieses Verbot auch die anderen Sterblichen betraf. Abgesehen davon hatte er nicht wirklich Lust ein Mädchen, welches das Pech gehabt hatte zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, einfach so zu verbrennen. Menschen kümmerten ihn nicht wirklich, er hatte in der Vergangenheit nur eine Handvoll getroffen für die er wirklich Sympathien hegte. Dennoch war er nicht so ruchlos Sterbliche umzubringen, welche noch halbe Kinder waren. Er würde es tun wenn es nötig sein würde, aber vorerst versuchten sie die Dämonin zu vertreiben ohne das Gefäß zu stark in Mitleidenschaft zu ziehen.
 

Es war nicht einfach einen Dämonen zu zwingen einen besessenen Gegenstand oder Körper zu verlassen, besonders wenn man selbst ein Gefäß nutzte. Tatsächlich wusste Iblis nur von Satan, seinen Brüdern und sich selbst, die diese Fähigkeit besaßen. Bei Satan spielte es keine Rolle, welcher Art der Dämon angehörte. Er konnte sie vertreiben, aber ihnen auch bis zu einem bestimmten Grad seinen Willen aufzuzwingen. Nur Rang und Willensstärke des Individuums konnten eventuell Einfluss darauf nehmen. Die Baal dagegen konnten nur ihnen zugehörige Dämonen zwingen nach Gehenna zurückzukehren. Dämonen niederen und mittleren Ranges konnten sie teilweise ebenfalls ihren Willen aufzwingen. Sie mussten einfach nur in die Nähe des Opfers gelangen. Daran scheiterte es jedoch.
 

Jedes Mal wenn sich der Feuerkönig versuchte ihr zu näheren, brachte sie Abstand zwischen ihnen. Es war offensichtlich, dass sie dem direkten Kampf auswich und Yukio folgen wollte, aber das wussten sie zu verhindern. Allerdings fiel Iblis ein weiteres Detail auf, welches später helfen könnte sie in Gehenna aufzuspüren. Ihr Kampfstil entsprach dem der Dämonen, welche sich um Tiere in den Kampfgruben kümmerten beziehungsweise sie trainierten. Unter anderem fielen in seinem Reich Chimären, Feuersalamander, Drachen, Phönixe und Nachtmahre in diese Kategorie. Dieser Beruf galt nicht nur als gefährlich, sondern man benötigte eine Vielzahl von Fähigkeiten. Beispielsweise mussten sie absolute Ruhe beherrschen also auch Gefühle verbergen können, schnell, beweglich und ausdauernd sein und hervorragende Reflexe besitzen. All diese Kriterien traf auf sie zu.
 

'Wenn ich jetzt noch ihren Namen herausbekommen könnte, ist es für sie gelaufen...', überlegte Iblis, wusste jedoch, dass sie nie so töricht sein würde ihren Namen zu verraten.
 

"Meine Fresse, muss ich dir erst sämtliche Knochen brechen bevor du am Boden bleibst?!", grollte Astaroth genervt. Sie antwortete nicht.
 

"Gib's einfach auf, es ist vorbei!", rief Egyn.
 

"Ich höre nicht auf bevor ich den Willen meiner Gebieterin erfüllt habe!", erwiderte die Dämonin herablassend.
 

"Oh, keine Sorge. Sobald wir dich erledigt haben, wird dir die Schlampe bald folgen.", knurrte Iblis.
 

"Wage es nicht sie zu beleidigen. Abgesehen davon solltest du mal ganz ruhig sein. Nach dem was ich gehört habe, ist deine Mutter selber eine-"
 

"Spar's dir, es interessiert mich nicht.", erwiderte Iblis gelangweilt. Ihm war seine Mutter gleichgültig, immerhin hatte sie einfach abgeschoben.
 

Erneut setzte er zum Angriff an, doch was dann geschah erwischte ihn im Kalten. Zwar schaffte er es ihr einige oberflächliche Verletzungen zuzufügen, aber im selben Moment hatte er das Gefühl, dass sein Gesicht zerfressen wurde. Er brauchte einige Sekunden um zu registrieren, was soeben geschehen war. Scheinbar hatte diese verdammte Jägerin eine Flasche hochkonzentriertes Weihwasser bei sich gehabt und dem Dämonenkönig damit bespritzt. Leider hatte diese kurze Ablenkung ausgereicht um an ihn vorbei zu schlüpfen. Iblis verfluchte sich selbst. Blutjäger hatten so gut wie immer heiliges Wasser dabei. Wie konnte er das nur vergessen!?
 

"Iblis, alles in Ordnung?", rief Egyn ihm zu.
 

"Nein! Ich wurde einer dahergelaufenen Blutjägerin hereingelegt!", grollte Iblis.
 

"So sehr überrascht mich das jetzt nicht.", murmelte Beelzebub.
 

"Was soll das schon wieder heißen?!
 

Der Insektenkönig ging darauf nicht weiter ein. "Hinterher, sie darf nicht entkommen."
 

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Glücklicherweise war es nur eine Frage weniger Minuten bis sie sie einholten. Sie alle konnten zudem das Blut riechen. Hinzu kam noch der leichte Geruch von Verwesung. Die Leiche des Mädchens musste in der Nähe sein. Schließlich hatten sie endlich aufgeholt. Die Blutjägerin lief auf eine Tür zu, dahinter vermutete Iblis den toten Körper, denn die Gerüche wurden immer stärker.
 

Ihr vereinter Angriff schien gesessen zu haben, denn sie stieß ein lautes Kreischen aus eh sie von der Wucht in den nächsten Raum geschleudert wurde. Sie hörten ein lautes Krachen, wahrscheinlich war sie in die Wand gekracht, aber sie würde sich wohl wieder aufrappeln.
 

"Komm nur her du Miststück, wir sind noch nicht fertig mit dir!", brüllte der Feuerkönig ihr hinterher und stürmte in den Raum, seine Brüder dicht auf den Fersen. Was sie jedoch darin vorfanden, ließ sie eine Vollbremsung hinlegen. Exorzisten. Iblis hätte nicht gedacht, dass er noch genervter werden könnte.
 

"Ernsthaft?", knurrte Astaroth. "Hat euch schon mal jemand gesagt, dass euer Timing echt scheiße ist?"
 

Die Exorzisten antworteten nicht sondern gingen in Kampfstellung.
 

'Oh bitte, bilden die sich wirklich ein, dass sie gewinnen können? So langsam glaube ich Exorzisten hegen Todeswünsche.'
 

Ein Lachen lenkte ihre Aufmerksamkeit von den Exorzisten. Es war ein besessener Schüler. Seine gelben Augen funkelten gefährlich.
 

Offensichtlich hatte die Blutjägerin einen Gefährten.
 

"Sieht so aus als wäre diese Jagd gerade noch interessanter geworden!" Er wandte sich an seine Komplizin.
 

"Also wirklich, seit wann lässt du denn bitte deine Beute entkommen? Vater wäre enttäuscht von dir, kleine Schwester.~"
 

"Halt den Mund!", erwiderte sie gelangweilt. "Ich habe dir so viel Zeit verschafft, du hättest diese dreckige Missgeburt zehnmal töten können und hast es vergeigt!"
 

"Ich unterbreche eure Geschwisterliebe ungern, aber ich will euch endlich tot sehen.", knurrte Astaroth und zog nun ebenfalls sein Messer hervor. "Und was euch angeht..." Er wandte sich an die Exorzisten. "Seht zu, dass ihr Land gewinnt. Es sein denn natürlich ihr wollt euch dem Mädchen da drüben anschließen."
 

"Ach ja? Sagt wer?", antwortete die einzige Exorzistin in der Gruppe herausfordernd. Zumindest nahm Iblis an, dass sie Exorzistin war. Weder ihre Kleidung noch diese Tätowierung deuteten darauf hin. Seit wann zeigten Exorzistinnen so viel Haut?!
 

Astaroth schien ähnliche Gedanken zu haben, denn er pfiff leise durch die Zähne. "Wow, mit dem Oberteil haben die dich in ihren kostbaren Orden gelassen? Im Mittelalter wärst du als Hexe auf dem nächsten Scheiterhaufen gelandet." Er lachte und auch Iblis konnte sich nicht zurückhalten.
 

Die Frau schien unbeeindruckt. Bevor sie jedoch etwas antworten konnte, schritt Beelzebub ein.
 

"Das reicht, Astaroth. Iblis, reiß dich zusammen. Wir kümmern uns später um die Exorzisten." Er wandte sich an die Blutjäger. "Zuerst ist dieser Abschaum dran."
 

Die beiden Geschwister grinsten. "Dann wollen wir doch mal sehen ob eure Stellung verdient ist!"
 

Damit brach der Kampf von neuem aus.
 


 

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Als Shura Yukios Nachricht gelesen hatte, war sie zunächst von einem üblen Scherz ausgegangen. Was sollten die Dämonenkönige hier wollen? Sie hatten Rin, sie hatten Kurikura und Mephisto  konnte ihnen jede Information liefern, die sie benötigten. Andererseits war Yukio nun wirklich der letzte, der über so etwas Scherze machen würde. Abgesehen davon machte er sowieso nie Scherze. Also hatte sie sich fünf erfahrene Exorzisten geschnappt und sich auf den Weg in den Keller gemacht.
 

Dort war dann die Hölle ausgebrochen. Sie hatten eine Leiche, ein paar verschreckte Exorzisten in Ausbildung, Yukio und sechs Dämonen vorgefunden. Und sie dachte dieser Tag würde langweilig sein. Laut Yukio waren vier von ihnen Dämonenkönige, die anderen zwei...Moment er hatte nie etwas von denen gesagt! Jedoch schienen sie keine Freunde zu sein, denn die Baal ignorierten die Exorzisten vollkommen und stürzten sich stattdessen auf ihre Artgenossen. Warum griffen sie sich gegenseitig an? Egal. Wahrscheinlich hatten sie irgendwelche Befehle nicht befolgt.
 

Wichtiger war ihre nächste Entscheidung. Flucht oder Kampf? Flucht war am nahe liegensten. Nur Volltrottel würden glauben es mit vier Dämonenkönigen aufnehmen zu könnten. Beim Kampf mit Amaimon waren sie mit mehreren blauen Augen davongekommen und er war der zweitjüngste! Keiner hatte da so wirklich Lust den Rest der Verwandtschaft kennen zu lernen. Sogar Shura musste zugeben, dass sie den anderen Geschwistern nur ungern begegnen würden. Solange sie mit diesen zwei Dämonen beschäftigt waren (was wohl nicht lange dauern würde), konnten sie ungesehen entkommen. Aber konnten sie es wirklich verantworten, die Dämonenkönig frei umherlaufen zu lassen?
 

Sie wandte sich an Yukio. Ein paar zusätzliche Infos konnten nie schaden. "Also, habt ihr eine Ahnung, was das hier alles genau soll? Warum greifen die vier ihre eigenen Leute an? Warum haben sie dieses arme Mädchen ermordet?"
 

Yukio schüttelte den Kopf. "Sie gehören nicht zusammen. Scheinbar operieren diese beiden Dämonen unabhängig und sind hier um....mich zu töten. Ich hasse es, dass zuzugeben, aber ohne die Baal wären wir tot."
 

Shura hob die Augenbrauen. Das hatte sie nicht erwartet. "Weißt du wer die vier sind?"
 

"Der mit den lavendelfarbigen Haaren ist Astaroth. Sein Gefäß ist Reiji Shiratori, er hat ihn schon mal benutzt als er Rin entführen wollte. Beelzebub ist der mit den verschiedenfarbige Augen. Der dritte Junge ist Iblis und das Mädchen ist Egyn."
 

"Warte mal.", unterbrach ihn Shura. "Ich dachte die Dämonenkönige wären alle männlich?!"
 

Egyn hatte sie gehört und warf ihr einen vernichtenden Blick zu.
 

"Scheinbar war das Gefäß passend.", antwortete Yukio schulterzuckend.
 

Na gut, warum auch nicht?
 

Yukio erzählte im Schnelldurchlauf, was passiert war. Als er fertig war, schüttelte Shura nur den Kopf.
 

"Ich weiß ja nicht so recht...meint ihr wirklich, dass das kein Trick ist?"
 

"Ich vertraue ihnen genauso wenig.", gab der junge Exorzist zu.
 

"Aber sie schienen aufrichtig abgestoßen von dem was Stihi mit dem Mädchen gemacht hat...", warf Shiemi ein.
 

Bon schnaubte . "Das sind Dämonen. Lügen liegt in ihrer Natur."
 

"Aber warum sollten sie lügen?", hakte Izumo nach. "Wären sie hinter Okumura-sensei her-"
 

"Sie sagten doch, sie wären auf Informationen aus. Wahrscheinlich wollten sie euer Vertrauen gewinnen um Antworten zu bekommen.", erklärte  Shura düster. Zwar war sie froh, dass es Rin (angeblich) gut ging, denn er war ihr schon irgendwie ans Herz gewachsen, jedoch war sie sich noch immer nicht sicher was sie von allem halten sollte. Der Kampf nahm immer mehr an Geschwindigkeit und Brutalität zu, keiner schonte den anderen.
 

'Scheiße, Amaimon hat sich echt zurückgehalten, wie? Ich kann kaum ihren Bewegungen folgen.', gab Shura zähneknirschend zu. Ihre Entscheidung war gefallen. Es war schade um die beiden Schüler, aber sie mussten verschwinden und Verstärkung holen!
 

Doch gerade als sie sich umdrehte um ihren Begleitern und den Jugendlichen den Rückzug zu befehlen, sanken zwei der Exorzisten mit einem Aufschrei zu Boden. Beide hatten ihre Köpfe umklammert und schienen unter Schmerzen zu stehen.
 

'Noch mehr Dämonen?!'
 

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Auch den Baal waren die Aufschreie nicht entgangen. Sie schleuderten ihre beiden Gegner in die nächstbeste Wand und nutzten die Atempause um einen flüchtigen Blick zur Exorzistengruppe zu werfen. Zwei von ihnen waren auf dem Knien und versuchten der Übernahme zu entgehen, natürlich erfolglos. Ebenso schnell wie es begonnen hatte, endeten die Schreie und die besessenen Menschen richteten sich wieder auf. Nun erkannten sie auch die Präsenz der Neuankömmlinge.
 

'Lucifer und Azazel? Was wollen die denn hier?', dachte Iblis verwirrt.
 

Azazel streckte sich. "Oh Mann, warum müssen sich Exorzisten immer so vehement wehren? Bringt doch am Ende eh nichts...Wartet mal, warum ist Egyn ein Mädchen?"
 

"ARGH! ICH SCHWÖRE, DER NÄCHSTE DER EINEN KOMMENTAR DAZU MACHT, VERFÜTTERE ICH AN MEINE KELPIES!"
 

Die Exorzisten zuckten zusammen, die Baal ignorierten ihn eiskalt.
 

"Was treibt ihr hier?!", fragte Astaroth verwirrt.
 

"Witzig, ich wollte euch gerade das gleiche fragen!", antwortete Lucifer, offensichtlich verärgert und sah sich düster im Raum um. "Ernsthaft, ihr hattet nur eine einzige Aufgabe! Beelzebub, ich hätte mehr von dir erwartet-"
 

"Oh nein, du gibst mir verdammt nochmal nicht die Schuld!", unterbrach ihn der Insektenkönig fast schon hysterisch. Lucifer blinzelte überrascht und auch die anderen waren überrumpelt. Beelzebub fluchte nur selten und es dauerte eine Weile bis er die Nerven verlor.
 

"Diese drei-", Beelzebub deutete auf seine jüngeren Geschwister. "haben mich beinahe in den Wahnsinn getrieben! Wie halten Vater und du das überhaupt aus?! Nein egal, das war eine rhetorische Frage! Und was diesen restlichen Mist angeht: wir hatten alles unter Kontrolle bis diese Blutjäger dazwischengefunkt haben! Wir versuchen schon die ganze Zeit sie aus ihren Wirten zu vertreiben und sie davon abzubringen Yukio umzubringen also behaupte nicht, dass wir das vergeigt haben!"
 

Nun entdeckten auch die beiden Baal die besessenen Schüler.
 

"Also wisst ihr es schon, wie? Toll, dann hätte ich ja doch zuhause bleiben können...", murmelte Azazel.
 

Währenddessen bemerkte Iblis, wie sich die Exorzisten verwirrt ansahen und versuchten aus der Sache schlau zu werden. Da die ganze Konversation in Gehennisch ablief, hatten sie noch immer keine Ahnung was genau los war, aber ihren angespannten Gesichtern konnte der Feuerkönig entnehmen, dass sie die Identitäten der Neunankömmlinge kannten. Außerdem hatten sich die Blutjäger erneut aufgerappelt. Inzwischen sahen sie überhaupt nicht mehr ruhig, sondern stinksauer aus.
 

"Ihr verdammten Hurensöhne! Es wird Spaß machen euch brennen zu sehen!", kreischte das Mädchen.
 

Lucifer warf ihnen einen unbeeindruckten Blick zu, bevor er sich wieder an Beelzebubs Gruppe wandte.
 

"Könntet ihr sie bitte endlich erledigen? Wir müssen schleunigst zurück nach Gehenna! Vater hat eine Krisensitzung einberufen."
 

"Aber es werden weitere Blutjäger kommen-", begann Egyn, wurde jedoch von Lucifer unterbrochen.
 

"Vater kümmert sich darum. Jetzt erledigt endlich diesen Abschaum. Das Treffen fängt bald an!"
 

"Mit Vergnügen.", grinste Iblis, fuhr herum und stürzte sich auf das Geschwisterpaar, welches noch immer von dem Zusammenprall benommen war. Die anderen taten es ihm nach. Das darauffolgende geschah innerhalb eines Wimpernschlags. Zusammen brachten die Baal die beiden Blutjäger zu Boden während Iblis seine Hände auf ihren Köpfen platzierte und seine Energie sammelte um sie aus den Gefäßen zu vertreiben. Zwar leisteten sie erbitterten Widerstand, doch letztendlich hatten sie der Macht ihres Herrschers nichts entgegenzusetzen. Beide stießen ein lautes Kreischen aus bevor sie die Körper endgültig verließen.
 

Die beiden Schüler waren bewusstlos und würden sich wahrscheinlich bald erholen.
 

"Na endlich.", knurrte Astaroth. "Mir stand ihre Lache schon bis sonst wohin."
 

Iblis hörte in diesem Moment wie Pistolen entsichert wurden. Auch seine Geschwister hatten es gehört, sprangen beiseite und entkamen damit der Kugelsalve.
 

Genervt drehten sie sich um. Zwei der Exorzisten hatten scheinbar beschlossen auf einige Faust zu handeln und waren nun vor Schreck erstarrt. Offensichtlich hatte sie nicht erwartet, dass die Baal ausweichen würden.
 

'Erbärmliche Volltrottel.'
 

Die rothaarige Exorzistin fluchte leise vor sich hin.
 

"Also wie hingebungsvoll sind wir gegenüber dieser 'Tötet keine Exorzisten Kiste'?", erkundigte sich Astaroth. Lucifer ignorierte ihn und betrachtete stattdessen die Dragoon mit hochgezogenen Augenbrauen.
 

"Das war euer Plan? Ihr solltet wirklich lernen wann es besser ist aufzugeben."
 

Das riss die Dragoon aus ihrer Starre. Erneut hoben sie ihre Waffen.
 

'Manche lernen's nie.'
 

"Vergesst es!", knurrte der Feuerkönig und schnipste mit den Fingern. Wie schon Yukio, ließen sie ihre Waffen fluchend fallen und konnten nur zusehen wie sie zu einem Klumpen Metall einschmolzen.
 

"Verdammte Höllenbrut!", knurrte einer von ihnen, die Baal ignorierten es.
 

'Man sollte doch meinen, dass die sich seit der Antike ein paar neue Beleidigungen für uns haben einfallen lassen...'
 

"Genug davon!", knurrte Yukio und trat nach vorne. Die Frau versuchte ihn zurückzuhalten, aber er schüttelte sie einfach. "Nicht jetzt Shura! Ich will jetzt endlich Antworten!" Er wandte sich wieder an die Baal.
 

'Wow, sein Blick macht gerade fast Vater Konkurrenz...'. stellte Iblis ein wenig amüsiert fest.
 

"Ich will jetzt wissen, was zur Hölle hier los ist! Warum wollten mich diese Dämonen umbringen?"
 

Die Baal wechselten Blicke. Ihre Aufgabe war erfüllt und sie hatten es eilig, Erklärungen mussten jetzt warten.
 

"Tut mir leid, aber das müssen ein andermal erklären, wir sind in Eile.", erwiderte Lucifer.
 

Yukio wandte sich wütend an Beelzebub. "Ich hätte wissen sollen, dass das Wort eines Dämons nichts wert ist. Eigentlich bin ich nicht überrascht."
 

Lucifer wandte sich stirnrunzelnd an den Insektenkönig. "Beel, was hast du ihm gesagt?"
 

"Ich schätze ich habe ihm gesagt, dass ich ihm einige Antworten gebe?"
 

Der König des Lichts fuhr sich irritiert durch die Haare. Wenn sie jetzt einfach abhauten, würde Yukio ihnen nie vertrauen, aber das Ratstreffen fing bald an.
 

"Machen wir doch einen Kompromiss.", murmelte Azazel."Sag ihm wie viel Fragen er stellen kann, beantworte die schnell und dann verschwinden wir."
 

Die Idee war gar nicht dumm, auch wenn Iblis nicht damit einverstanden war, dass die Exorzisten mithörten.
 

"Na gut." Lucifer sah Yukio an. "Wir beantworten dir drei Fragen. Dann sind wir weg."
 


 

..............................................................
 


 

Yukio hätte nie damit gerechnet, dass sie ihr Wort halten würden. Er war davon ausgegangen, dass kein Exorzist diesen Raum lebend verlassen würde. Es bestand keinerlei Garantie, dass sie die Wahrheit sagen würden, aber solange die Chance bestand das Geschehene irgendwie zu verstehen, würde er sie ergreifen.
 

'Drei Fragen wie? Das würde eher passen wenn sie noch ein paar Nullen dranhängen würden...' Er hatte natürlich tausende Fragen, jedoch musste er sich vorerst auf die wichtigen beschränken. Leider überstiegen seine wichtigsten Fragen die Vorgabe bei weitem...
 

"Wer waren diese Dämonen und warum wollten sie mich töten?" Gut, technisch gesehen waren das zwei Fragen in einem Satz, aber wie heiß es so schön? Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
 

"Das waren Blutjäger. Dämonen, welche sich einen menschlichen Partner suchen und Nachwuchs zeugen um sie zu töten, wenn sie das sechtzehnte bis achtzehnte Lebensjahr erreichen. Das sterbliche Elternteil wird getötet sobald es nicht mehr gebraucht wird. Manche machen sich auch noch einen Spaß draus ihren Opfern das Leben zur Hölle zu machen oder in den Suizid zu treiben. Wir haben allerdings keine Ahnung wer die beiden waren."
 

"Sie sagten sie wären Geschwister und dass ihre Namen Stihi und Aym sind.", antwortete Yukio in der Hoffnung mehr Informationen zu bekommen. Die bekam er leider nicht, dafür flammte in Iblis Gesicht Triumph auf. Offensichtlich konnte er mit den Namen etwas anfangen.
 

"Gut, dann können wir sie immerhin dafür hinrichten lassen." Der älteste Baal wandte sich erneut an Yukio. "Sie hatten viele Gründe dich töten zu wollen. Zunächst einmal sehen sie Nephilim als Ungeziefer an-"
 

"Nephilim?", unterbrach Shima ihn verwirrt. Es war das erste Mal, dass einer der Exwire wagte sich einzumischen und er kassierte auch gleich einige tödliche Blicke.
 

"Was ist eigentlich heutzutage mit allen los, dass sie einen immer unterbrechen müssen?", grummelte Lucifer irritiert.
 

"Ähm...Tschuldige?"
 

"Wie auch immer...", fuhr der Lichtkönig kopfschüttelnd fort."Sie hassen Nephilim. Warum ist jetzt egal, wir haben keine Zeit für eine Geschichtsstunde! Dann wäre da noch der 'Spaß', die ihnen die Jagd bringt und der Hauptgrund ist, dass sie und ihre Meisterin uns hassen."
 

"Uns.", hakte Yukio nach.
 

"Alle Nachkommen Satans."
 

'Klasse. Satan hat also sogar unter den Dämonen eine Fangemeinde, wie?'
 

Nach kurzem Überlegen, entschied er sich für seine zweite Frage. "Wer ist diese Meisterin?"
 

"Eine Dämonin, welche die größte Rebellion gegen uns angezettelt hat, die es jemals gab.", übernahm Beelzebub. "Sie wollte Gehennas Thron besteigen, Vater brechen und uns töten. Sie wollte zusätzlich Assiah erobern und die Menschheit versklaven. Das hat ihr damals einen Haufen Anhänger eingebracht. Wir waren leider ziemlich unvorbereitet und haben viele Verluste eingesteckt. Schlussendlich konnten wir sie und ihr Gefolge versiegeln."
 

"In anderen Worten wollte die genau das tun, was auch Satan plant!", knurrte Bon. Die Baal sahen ihn abschätzig an.
 

"Vielleicht sollte ein Kind, welches keine Ahnung hat, lieber die Schnauze halten.", knurrte Astaroth.
 

"Astaroth.", sagte Lucifer mahnend. Er sah inzwischen ziemlich gestresst aus.
 

'Muss er immer den Vermittler spielen? Bei diesem Haufen sicher kein Spaß...', stellte Yukio fest, schob jedoch den Gedanken sofort wieder beiseite. Was interessierte es ihn?
 

"Deine letzte Frage?", hakte Azazel nach. Zumindest vermutete er, dass es Azazel war. Mephisto und Amaimon waren es sicher nicht also blieb nur er.
 

Er überlegte fieberhaft, was er fragen sollte. Bisher hatte er seltsamerweise keinen Zweifel, dass sie die Wahrheit sagten. Dennoch hatten diese Informationen wieder einmal mehr Fragen als Antworten aufgeworfen. Sie hatten den Namen der Dämonin nicht genannt, was Satans genaue Absichten waren, was sie mit Rin wollten...Verdammt!
 

Am Ende hatte er die Wahl getroffen. Es waren eigentlich wieder zwei Fragen, allerdings hatten sie es auch beim ersten Mal durchgehen lassen und Dreistheit siegt!
 

"Was hat Satan vor und was will er mit Rin?" Sein Herz klopfte wie verrückt, sich vor der Antwort fürchtend. Was wenn Satan Rin foltern würde um ihn gefügig zu machen? Wenn er ihn wirklich als Gefäß nutzen wollte, musste er nur darauf achten seinen Körper nicht zu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen, sein Verstand war egal. Erneut sahen sich die Baal an, nur für wenige Sekunden doch für Yukio fühlte es sich wie ein paar sehr lang gezogene Stunden an. Ein Teil von ihm wollte sich die Ohren zuhalten und es nicht hören, der andere Teil rügte ihn und sagte, dass er sich gefälligst zusammen nehmen sollte. Es war immerhin Rin, welcher schon seit seiner Geburt in der Tinte saß und trotzdem hatte er nie aufgegeben. In solchen Momenten bewunderte er seinen Bruder immens.
 

Ich werde dich übertreffen!
 

'Das hat Rin mir damals gesagt... dabei ist es eigentlich meine Zeile.'
 

Endlich begann Lucifer zu sprechen. "Wahrscheinlich verschwenden wir unsere Zeit damit es euch zu erklären, aber Assiah zu erobern war nie Vaters Ziel. Dämonen und Menschen haben früher friedlich zusammen gelebt, es war uns erlaubt problemlos zwischen den Welten hin und her zu reisen. Ich weiß nicht genau, was der Auslöser war, ich war noch nicht geboren, aber einige Menschen begannen die Dämonen zu fürchten und schlecht zu machen. Wir wurden als seelenfressende Monster dargestellt, die allen nur schaden wollten." Er seufzte. "Man glaubte ihnen. Dämonen und alle anderen nicht menschliche Wesen wurden aus Assiah vertrieben. Für manche war das fatal, den sie waren nicht dafür ausgelegt immer nur in Gehenna zu leben und manche hatten mit Menschen Familien gegründet. Das war übrigens auch der Grund weswegen später so viele gegen uns rebelliert haben, denn wir wollten keinen Krieg mit Assiah. Jene die uns die Vorwürfe gemacht hatten, wurden zu den ersten Exorzisten und mit der Entstehung der Religionen kam auch der Exorzisten Orden ins Leben."
 

"Das beantwortet nicht meine Frage.", erwiderte Yukio knapp.
 

Azazel verdrehte die Augen. "Dann lass ihn doch einfach ausreden..."
 

"Vaters Ziel ist es unter anderem Assiah und Gehenna zu versöhnen, sodass wir uns wieder frei zwischen den Welten bewegen können. In einem Krieg würde der Großteil sterben und die jeweilige Welt an den Rande des Ruins treiben. Er hatte nie vor Rin als Gefäß zu benutzen, er wollte nur zurück, was ihm gestohlen wurde."
 

Einige Sekunden lang herrschte unangenehmes Schweigen bis einer der Exorzisten das Wort ergriff.
 

"Lächerlich. Diese ganz Geschichte ist doch nur erstunken und erlogen! Ihr stellt euch als Opfer hin, dabei ist Satan der Feind der Menschheit-"
 

"Ach ja? Sagt wer? Euer komisches Buch?" Iblis lachte auf. "Bildet ihr euch tatsächlich ein, dass es euch zu verdanken ist, dass Assiah nicht längst im Chaos versunken ist? Es gibt mehr als genug Dämonen, die sich über die Regeln hinwegsetzen und Assiah terrorisieren um euch die Vertreibung heimzuzahlen. Dreimal dürft ihr raten, wer sich darum kümmert? Ganz genau, wir und nicht ihr. Die meisten Dämonenangriffe bekommt ihr ja nicht mal mit! Wir waren jetzt schon mehrmals auf diesem Gelände und keiner von euch Armleuchtern hat's mitbekommen! Ohne uns wäre hier schon die Apokalypse ausgebrochen!"
 

"Das ändert trotzdem nicht, dass ihr meinen Bruder entführt habt!"
 

"Wir haben ihn nur zurückgeholt, Fujimoto musste euch beide ja unbedingt entführen-"
 

"Er hat uns nicht entführt sondern gerettet!"
 

Azazel öffnete den Mund, doch Egyn ließ ihn nicht zu Wort bleiben. "Komm ihm jetzt lieber nicht mit Wikipedia, sonst dreht er ganz durch..."
 

"Wikipedia?", murmelte Miwa verwirrt. Azazel hörte ihn natürlich und zuckte mit den Schultern.
 

"Wikipedia ist praktisch."
 

Die Exorzisten beschlossen, das besser nicht zu hinterfragen.
 

"Genug jetzt!", seufzte Lucifer. "Wir haben eure Fragen beantwortet also verschwinden wir jetzt."
 

"Endlich...nie wieder Mathe...", seufzte Astaroth erleichtert.
 

"Wartet!", fuhr Yukio dazwischen, Er hatte keine Ahnung ob es stimmte, was sie erzählt hatten. Etwas sagte ihm, dass sie nicht logen, aber das würde ja bedeuten, dass der gesamte Orden eine Lüge war. Das war unmöglich! Oder? Yukio beschloss, dass es nicht die Wahrheit sein konnte. Es waren Dämonen, lügen war für sie wie atmen. Jedoch klang zumindest die Sache mit der Dämonin plausibel.
 

Beelzebub legte den Kopf schief. "Du hattest deine drei Fragen, tut mir leid."
 

"Diese Dämonin, die ihr erwähnt habt...wer ist sie? Wie heißt sie?"
 

Wenn sie wirklich so mächtig war, dass sie eine Rebellion gegen Satan aufgebaut hatte, musste sie doch in einigen Texten zumindest erwähnt worden sein, richtig? Wenn es stimmte, dass sie alle Nachkommen Satans hasste (Yukio zuckte bei dem Gedanken sich als Nachkommen Satans zu bezeichnen, zusammen), würde sie wahrscheinlich erneut angreifen und auch Rin wäre in Gefahr! Er musste also so viel über sie ihn Erfahrung bringen, wie es irgendwie möglich war. Egal wie, er würde ihn beschützen und nach Hause bringen!
 

Beelzebub und Lucifer wechselten einen flüchtigen Blick bevor der König des Lichtes antwortete. "Ihr Name ist Lilith."
 

Damit verließen die Baal ihre Wirte, welche allesamt bewusstlos zusammenbrachen. In Yukios Kopf begann es zu arbeiten. Lilith. Er kannte diesen Namen...
 

Entgegen dem was viele dachten, war nicht Eva Adams erste Frau gewesen sondern Lilith. Sie war aus demselben Lehm wie Adam geschaffen worden, weigerte sich jedoch sich ihm zu unterwerfen woraufhin sie verstoßen wurde.
 

Angeblich war sie eine der Frauen Satans, in anderen Versionen war sie die Geliebte Samaels und herrschte mit ihm (jedoch wurde er ohnehin oft mit Satan gleichgestellt) oder war mit Asmodäus verheiratet. Heutzutage galt sie oftmals als Königin der Dämonen oder auch als Mutter der Dämonen, Vampire und Hexen. Er selbst hatte diesen Legenden nie viel Beachtung geschenkt. Keiner der Exorzisten ist je mit einer Dämonin namens Lilith in Kontakt gekommen und er bezweifelte, dass Samael jemals verheiratet war. Nun schien jedoch etwas dran zu sein.
 

'In was sind wir da nur hineingeraten?'

Warum keiner Ratstreffen mag

 "Also nur um das nochmal klarzustellen. Liliths Anhänger haben den Exorzisten Orden genau unter Samaels Nase infiltriert, Gelder gestohlen um sich die Jagd zu erleichtern und es gibt eine Liste mit allen für die Blutjagd gezeugten Nephilim inklusive Aufenthaltsort, Hintergrund und Missionsstatus in einem Ordner auf dem Hauptserver des Vatikans?!"
 

Azazel seufzte. "Zum dritten Mal Egyn, ja!"
 

"Aber wie-"
 

"Schluss jetzt, wir reden nachher weiter. Mitten im Ratssaal ist nun wirklich der letzte Ort, wo ihr sowas besprechen solltet!", flüsterte Lucifer. Gut, flüstern war eine Übertreibung, es war eher gedämpftes lautes Reden. Wenn es so etwas überhaupt gab. Sie hatten vor wenigen Minuten den Ratssaal betreten, welcher bereits rammelvoll war. Je nach Anlass des Treffens kam es durchaus vor, dass mehrere Ratsmitglieder nicht kamen, doch diesmal war jeder hier. Die jeweiligen Stellvertreter der Baal (bis auf Valefor natürlich) waren anwesend, sowie sämtliche Vertreter der Adelsfamilien und die Generäle der Armeen. Sie alle tuschelten miteinander, manche redeten in normaler Laustärke während andere einfach nur stumm auf ihren Plätzen saßen oder an Wänden lehnten. Die Anspannung und Paranoia waren praktisch greifbar. Das letzte Mal, dass eine solche Stimmung geherrscht hatte, war als Liliths Rebellion ausbrach. Hoffentlich würde dieses Treffen nicht auch so sehr außer Kontrolle geraten wie damals.
 

Lucifer sah sich weiter gedankenverloren im Raum um. Wo steckten Samael und Amaimon?
 

Andras, Oriax, Ipes, Leraje....' Er stockte als er eine junge Frau bemerkte.
 

Ihre Kleidung verrieten ihren Status als Aristokratin. Sie hatte lange dunkelviolette Haare, welche einen gewissen Kontrast zu ihrer blassen Haut bildeten und grüne Augen in denen eher Amüsement als Sorge lag. Sie unterhielt sich mit Ose ohne der angespannten Stimmung irgendwelche Achtung zu schenken. Stattdessen zierte ein selbstgefälliges Lächeln ihre Lippen als wüsste sie etwas, was sonst keiner ahnte. Lucifer kannte dieses Lächeln (oder auch in Grinsen) nur allzu gut, wenn auch nicht von ihr...
 

"Oh. Oh.", murmelte er unbewusst.
 

"Was?", fragte Iblis.
 

Der Dämonenkönig antwortete nicht sondern nickte in die Richtung der Dämonen.
 

"Oh. Oh.", echoten auch seine Brüder als sie seinem Blick folgten.
 

"Samael wird durchdrehen.", kommentierte Astaroth kopfschüttelnd.
 

"Was bei allen Erzdämonen treibt Indra hier?!", fragte Iblis überrumpelt und betrachtete die Mutter seines älteren Halbbruders entgeistert.
 

"Habt ihr es nicht gehört?", fragte Beelzebub verwundet. "Sie wird das neue Oberhaupt ihres Hauses."
 

"Ich dachte, ihr Bruder sollte zum Erben erklärt und sie verheiratet werden?", antwortete Egyn verwundert.
 

"Ursprünglich ja, aber sie konnte ihren Vater wohl doch noch umstimmen. Scheinbar hat ihr Bruder irgendwas vergeigt und sich damit in Misskredit gebracht. Sie selbst hat ja schon einiges an Einfluss und Macht mit ihrer letzten Heirat gewonnen."
 

"Ja, vor allem wenn man bedenkt, dass ihr Mann praktischerweise ganz schnell das Zeitliche gesegnet hat, sodass sie alles übernehmen konnte. Vergiftet, nicht wahr? Und sie wissen bis heute nicht wer es war.", grummelte Egyn düster.
 

"Du glaubst, dass es Indra war."
 

"Wer denn sonst?! Ich würde es ihr zutrauen!"
 

Lucifer seufzte. "Es bringt nichts Anschuldigungen ohne Beweise zu erheben, also lass es gut sein. Nur weil sie jetzt hier ist, muss das nicht gleich Probleme bedeuten."
 

Astaroth schnaubte. "Bis sie auf Samael trifft, dann fliegen wieder die Fetzen."
 

"Tu doch nicht so als ob dich das stören würde.", lachte Iblis.
 

"Willst du mit Samael in einem Gebäude leben wenn er schlechte Laune hat?!"
 

"....Auch wieder wahr."
 

Glücklicherweise beendeten die beiden Dämonen ihr Gespräch und Indra verschwand in der Menge. Nur wenige Minuten verstrichen als endlich Samael, Amaimon und Berith den Raum betraten.
 

Berith sah aus wie ein typischer Arschloch-Adliger. Er war mindestens zehn Zentimeter kleiner als Samael, hatte violette Augen und schulterlange dunkelblaue Haare welche er meist zusammenband. Er hatte außerdem einen Henriequatrebart.
 

Die Baal wussten nicht allzu viel über seine Vergangenheit außer, dass er der Anführer einer der erfolgreichsten Diebesbanden des Reiches gewesen war. Er und seine Bande hatte den Einwohnern in Samaels Reich allerhand Kopfschmerzen bereitet und schienen nicht zu fassen zu sein bis sie eines Tages doch das Glück verließ.
 

Samael sollte ihr Schicksal entscheiden, doch anstatt sie zu bestrafen, bot er ihnen an für ihn zu arbeiten. Er war beeindruckt von den Fähigkeiten der Gruppe gewesen, insbesondere Berith. Seine Unterweltkontakte waren äußert wertvoll und schon bald wurde er zu Samaels rechte Hand und zum Spionagemeister des Rates. Seine Bande jedoch war bei einer Mission ums Leben gekommen.
 

So oder so, Berith war nicht sonderlich beliebt im Rat. Er teilte mit Samael eine gewisse Vorliebe für Wetten und 'Unterhaltung', jedoch war er wesentlich ruchloser. Sicher, der König der Zeit hatte mit seinen Machenschaften auch schon einiges angestellt, aber es hatte nie einen bleibenden Schaden für seine Familie oder Gehenna hinterlassen. Berith dagegen handelte ohne Rücksicht auf Verluste. Er sah oft auf andere Ratsmitglieder herab und stellte sie bloß, auch ließ er meist andere seine Drecksarbeit erledigen oder schob seine Fehler auf andere. Lucifer selbst sah ihn als Gefahr. Es war kein Geheimnis, dass Berith wahnsinnig ehrgeizig war und stets versuchte Vorteile aus momentanen Situationen zu ziehen. Er würde es dem ehemaligen Dieb durchaus zutrauen sie im Schlaf zu ermorden. Hoffentlich war sich Samael bewusst, was für ein Risiko er einging.
 

Zu ihrer Erleichterung schien Berith nicht daran interessiert sich mit ihnen zu unterhalten (oder besser gesagt sie zu nerven), sondern er verschwand in der Menge. Amaimon und Samael gesellten sich währenddessen zu ihnen.
 

"Na endlich.", murmelte Iblis. "Man sollte doch meinen, du wärst als König der Zeit pünktlicher."
 

"Hallo auch an dich~. Ich war noch bei Rin wenn du es unbedingt wissen willst. Abgesehen davon hat das Treffen noch nicht einmal angefangen."
 

"Wo steckt Vater überhaupt?", fragte Iblis.
 

"Er ist bei unserem kleinen Bruder~."
 

"Ernsthaft? Hält er das wirklich für eine gute Idee?", fragte Astaroth stirnrunzelnd.
 

"Früher oder später muss er mit ihm reden. Er kann ihm nicht ewig ausweichen.", gab Beelzebub zu bedenken.
 

"Na ja, dann ist es diesmal immerhin nicht meine Schuld wenn mal wieder was brennt...", murmelte Iblis.
 

Amaimon wechselte schnell das Thema. "Wir haben gehört, was in Assiah passiert ist....Habt ihr diese Blutjäger gefunden?"
 

Iblis nickte. "Japp und momentan hocken sie im Tartaros. Sie werden bereits...befragt, aber ich schätze ich nehme das nach der Versammlung selbst in die Hand."
 

"Und wenn sie nicht nachgeben?", fragte Azazel, die Antwort bereits erahnend.
 

Ein grausames Grinsen stahl sich auf Iblis Gesicht. "Dann übergebe ich sie an Alastor und stelle ihm frei alles mit ihnen zu tun was er will.~"
 

"Autsch.", kommentierte Beelzebub. "Wären sie keine Blutjäger könnten sie einem fast leidtun."
 

Lucifer stimmte im Stillen zu und sein Blick huschte zu Alastor, welcher in einer stillen Ecke an der Wand lehnte. Keiner wagte es ihn anzusprechen und das aus gutem Grund. Er war nicht nur Satans rechte Hand sondern zusätzlich sein oberster Vollstrecker.
 

Allein sein Auftreten schreckte viele ab. Er war zwei Meter groß, muskulös und von Narben übersät. Seine schwarzen Haare hatte er sich überwiegend kurz geschoren, der Rest bildete einen kurzen Pferdeschwanz. Wie viele Dämonen aus Iblis Reich, hatte er gebräunte Haut, auf der Stirn prangte eine rot-schwarze Tätowierung und in seinen roten Augen schien Höllenfeuer zu brennen. Wie immer trug er seine schwarze Rüstung und sein Langschwert.
 

Nur eine Sache war noch furchteinflößender und zwar sein Charakter. Tatsächlich war er einer der wenigen Vertreter bei denen die Dämonologie der Menschen ziemlich präzise war. Von allen Dämonen in der höllischen Grube war Alastor wohl der grausamste von allen, besonders in seinem Sadismus. Je mehr Schmerz er verursachen konnte, desto glücklicher war er, jedoch arbeitete er nicht nur mit physischem Schmerz; er war auch sehr effektiv bei mentaler Tortur und Stress. Er sah Folter als eine exquisite Kunst an und genoss es geduldig zu sein und die Momente in denen er seine Opfer leiden ließ, auszukosten. Er hatte sogar seine eigene Gruppe geformt, bekannt als der "Malebranche", bestehend aus 12 Elitedämonen, welche seinen Geschmack an sadistischer Qual teilen.
 

In anderen Worten: die meisten machten einfach einen großen Bogen um ihn. Viele der Gefangenen brachen einfach zusammen und gestanden alles wenn ihnen mit Alastor gedroht wurde. Satan war wohl der einzige, der noch größere Angst verbreiten konnte. Es war also nur eine Frage der Zeit bis Stihi und Aym gestehen würden. Dieser Gedanke beruhigte den ältesten Baal sehr.
 

Einige weitere Minuten vergingen, dann schwang die Doppeltür erneut auf und Satan betrat den Raum. Beinahe sofort verstummten sämtliche Gespräche im Raum. Es bedurfte keines Genies um festzustellen, dass der Herrscher Gehennas schlecht drauf war. Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass einer der Baal wieder mal etwas angestellt hatte oder das Treffen mit Rin nicht sonderlich gut verlaufen war. Lucifer tippte auf letzteres und warf seinem Vater einen fragenden Blick zu, welchen er gekonnt ignorierte.
 

"Es sind also alle da?", unterbrach er die Stille. Niemand antwortete, einige besonders Mutige nickten jedoch. Sie wussten es besser als den Dämonengott unnötig zu reizen. "Gut, dann fangen wir an."
 

Größtenteils wortlos nahmen die Ratsmitglieder ihren Platz ein, einige tuschelten untereinander, verstummten jedoch als Satan erneut zu sprechen begann.
 

"Ich denke ich muss niemanden erklären warum ich diese Krisensitzung einberufen habe. Selbst jene, die nicht regelmäßig an unseren Versammlungen teilnehmen...." Er hielt kurz inne und warf den Betreffenden einen strafenden Blick zu, woraufhin sie schluckten. "....dürften die Ereignisse in den letzten Monaten nicht entgangen sein. Es gab Attentate auf Adlige, Zivilisten sind verschwunden darunter auch viele Kinder oder wurden tot aufgefunden. Manche waren vollkommen blutleer. Hinzu kommen noch die Angriffe verschiedenster Kreaturen und Völker auch wenn sie normalerweise friedfertig sind und die Naturkatastrophen."
 

Er hielt kurz inne als zustimmendes Murmeln erklang, dann fuhr er fort. "Der neueste Zwischenfall ist ein erfolgreiches Attentat auf drei Ratsmitglieder: Valefor, Moloch und Bael."
 

Nun erhoben sich einige Stimmen und begannen durcheinander zu reden. Sie wussten zwar von dem Attentat, aber kannten nicht die Identitäten der Opfer. Nun waren ausgerechnet drei mächtige Dämonen getötet worden, einer von ihnen war sogar der Stellvertreter eines Dämonenkönigs. Lucifer warf einen kurzen Blick zu Beelzebub. Der Insektenkönig verzog zwar keine Miene, aber seine Brüder wussten, dass ihn Valefors Tod durchaus getroffen hatte. Sie selbst hatten ihn nicht besonders gut gekannt, da er es stets bevorzugte allein zu sein oder seine Zeit in den Insektengruben verbrachte. Gerüchten zufolge hatte er früher seine Kreationen an die Unterwelt verkauft und somit immer neue verrücktere und gefährlichere Arten gezüchtet. Schlussendlich waren Lucifer diese Gerüchte egal. Beelzebub hatte Valefor vertraut und er hatte seinen Job stets gewissenhaft und sorgfältig erledigt.
 

Er zwang sich in die Realität zurück als sein Vater erneut anfing zu sprechen, diesmal verstummte das Getuschel nicht vollkommen. Das würde eine laaaaange Sitzung werden.
 

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Satan ignorierte das Geflüster um ihn herum. Er hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet und er bezweifelte, dass sich die Dinge im Verlaufe der Versammlung bessern würden. Also half nur: Augen zu und durch. Möglichst ohne Ratsmitglieder einzuäschern. Das würde nicht leicht sein. Scheiße.
 

Er wandte sich an Shax und Agares, welche seinen Monolog bisher stumm verfolgt hatten. "Ihr habt euch die Leichen angesehen. Konntet ihr die Todesursache feststellen?"
 

Die Heiler nickten und erhoben sich. Alle Augen richteten sich auf sie.
 

"Unsere Vermutung hat sich bestätigt. Alle drei wurden vergiftet.", verkündete Shax düster. Satan stellte schnell die nächste Frage bevor das Getuschel richtig Fahrt aufnehmen konnte. "War es euch möglich die Art des Giftes festzustellen?"
 

Agares nickte. "In der Tat. Es handelt sich um Naga-Gift." Das war mehr als ungewöhnlich. Naga waren Schlangendämonen welche zwischen ihrer Schlangen- und Menschengestalt (meist wählten sie ein Mittelding, also einen menschlichen Oberkörper und statt Beine einen Schlangenschwanz) beliebig hin und her wechseln konnten. Was jedoch noch bemerkenswerter war, war ihre Tödlichkeit. Ihr Blut, ihre Krallen, Zähne und damit ihr Speichel (angeblich auch ihre Haare) enthielten das tödlichste Gift, was es gab. Ein kleiner Kratzer verursachte furchtbare Schmerzen und konnte sogar töten. Naga selbst waren natürlich gegenüber jeglichem Gift immun. Sie gehörten zu den Schöpfungen Liliths, weswegen sie sich damals dummerweise auf ihre Seite gestellt hatten.
 

"Aber das würde das Aufspüren des Täters doch wesentlich einfacher machen.", mischte sich ein Dämon ein. Satan sah nicht wer es war, aber von der Stimme her, konnte es nur Orobas sein.
 

"Es gibt nur noch wenige Naga, eine Handvoll arbeitet im Palast. Der oder die Schuldige dürfte sich dann schnell finden!"
 

"Das dachten wir ebenfalls.", seufzte Shax. "Wir haben sie alle befragt, aber von ihnen kann es keiner gewesen sein-"
 

"Das ist unmöglich!", unterbrach ihn eine Dämonin, namens Namrael. "Ihr müsst einen Fehler gemacht haben! Abgesehen davon kann man den Naga nicht vertrauen!"
 

"Warum gab es dann noch nie zuvor Zwischenfälle?", mischte sich nun eine Erddämonin ein. "Sie haben sich alle der Situation angepasst und nie Probleme bereitet!"
 

"Wer hat dich denn gefragt?!"
 

"Wir sind alle Möglichkeiten durchgegangen.", erklärte Agares. "Keiner von ihnen befand sich in der Nähe oder hatte die Zeit das Attentat auszuführen."
 

"Dann hatten sie eben Hilfe!"
 

Satan wollte sie soeben abwürgen als eine Frau ihm zuvorkam.
 

"Die Naga sind unschuldig. Höchstwahrscheinlich versucht man sie zum Sündenbock machen."
 

Überrascht wandten sich die Streitenden an die Sprecherin auch Satan, jedoch hatte er die Stimme längst erkennt. Indra. Was machte bitte einer seiner Exfrauen hier? Aeshma war doch wohl hoffentlich nicht auch hier! Aus dem Augenwinkel bemerkte er , wie sich Samaels Gesicht verdüsterte, jedoch überspielte er es bevor es jemand merkte.
 

Satan fing sich ebenfalls schnell wieder und schaffte es seine Stimme neutral klingen zu lassen. "Und wie kommst du darauf Indra?"
 

Sie lächelte (es war eher ein Grinsen), scheinbar die Aufmerksamkeit genießend. "Bei allem Respekt, aber glaubt Ihr wirklich die Naga sind so töricht etwas zu verwenden, was wir mit ihnen in Verbindung bringen würden?"
 

"Ach ja? Wer steckt dann dahinter und wo haben sie das Gift her?", frage Namrael bissig.
 

"Es stimmt zwar, dass es nicht einfach ist Naga-Gift zu beschaffen, jedoch gibt es mehrere kleine Vorräte, welche zu Forschungszwecken verwendet werden. Ich nehme an hier im Palast gibt es ebenfalls  einige?", fragte Indra die beiden Heiler mit einem leisem selbstzufriedenen Grinsen. Natürlich war dies nur eine rhetorische Frage, sie kannte die Antwort. Offiziell war sie jedoch nie mit Satan zusammen gewesen und hatte nie Kinder gehabt. Es gab zwar Gerüchte, dass sie Samaels Mutter war, doch ihre und Satans Familien schwieg diesbezüglich. Demzufolge musste sie diese Frage stellen um nicht selbst verdächtig zu wirken, immerhin war es nicht selbstverständlich derartiges Gift vorrätig zu haben.
 

Andras schien es dennoch misstrauisch zu machen. "Interessant, dass Ihr über so etwas Bescheid wisst. Ihr scheint generell viel von Giften zu verstehen, nicht wahr? Seltsamerweise konntet Ihr jedoch nichts für Euren verstorbenen Mann tun."
 

Jeder verstand was er implizierte. Indra lächelte nur herablassend. "Wollt Ihr mir wirklich Mord anhängen? Nur weil ich mich mit Giften auskenne? Beschuldigt Ihr etwa auch Schmiede des Totschlages, weil sie Waffen herstellen?" Sie lachte. "Ihr solltet wirklich niemanden ohne Beweise beschuldigen. Außerdem habe ich keinen Grund Ratsmitglieder zu töten."
 

Sie schaute in die Runde. "Was die Täter betrifft....es ist offensichtlich, nicht wahr?"
 

Andras schnaubte. "Dann spuckt es endlich aus!"
 

Indra ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. "Die meisten in diesem Raum vermuten es doch bereits, die Anzeichen sind eindeutig. Die blutleeren Toten? Höchstwahrscheinlich Alukah. Die Leute die scheinbar an zwei Orten gleichzeitig sind? Dahinter könnten nur Gestaltwandler stecken also ist dies das Werk der Rakshasa. Das Gleichgewicht der Flora und Fauna ist vollkommen durcheinander. Alles deutet auf Liliths Anhänger hin."
 

Nun hatte sie endlich das ausgesprochen, was die meisten bereits befürchteten und die Ratsmitglieder begannen nervös zu tuscheln. Satan schwieg für eine Sekunden bis sie sich wieder beruhigt hatten, dann begann er zu sprechen.
 

"Indras Vermutung ist korrekt. Liliths Gefolgschaft arbeitet an ihrer Rückkehr. Sie haben teilweise sogar in Assiah Fuß gefasst und veranstalten Blutjagden." Die Infiltrierung der Exorzisten ließ er vorerst aus, sie würden sonst nur wieder Krieg verlangen. "Außerdem sind bereits mehrere Siegel beschädigt. Wir haben also einen oder mehrere Verräter im Rat."
 

"Dann tippe ich auf Indra!", rief Namrael. "Sie wusste ja offensichtlich von dem Gift!"
 

'Und schon geht es los mit den Anschuldigungen...' Satan fiel erst jetzt ein, dass ihr Haus und Indras Haus Rivalen waren.
 

Indra schnaubte. "Hast du wirklich nichts besseres zu tun als Beleidigungen und sinnlose Anschuldigungen um dich zu werfen? Das steht dir nicht, meine Liebe!"
 

"Ach ja? Sowas billiges wie du-"
 

"Ich bin also billig? Süße, du bist gratis."
 

Einige begannen zu lachen, andere begannen ebenfalls Anschuldigungen auszusprechen oder sich mit anderen zu streiten während der Rest stumm dahockte und sich weit weg wünschte.
 

'Ganz ruhig Satan, denke an deinen Blutdruck...', redete sich der Dämonengott ein. Ach, scheiß drauf.
 

"RUHE!", donnerte er. Sofort war absolute Stille im Raum, man hätte eine Feder fallen hören können.
 

"Ich habe euch nicht herbestellt damit ihr euch gegenseitig beschuldigt oder wie ein Haufen Kinder streitet!"
 

Zustimmendes und entschuldigendes Murmeln erklang. Schließlich durchbrach Oriax die Stille.
 

"Warum ausgerechnet jetzt? Sie wird doch wohl kaum so lange gebraucht haben um sich erholen. Worauf hat sie gewartet? Was hat sich geändert?"
 

"Wenn einer von euch 'Hochgeborenen' einmal seinen Schädel verwenden würde um nachzudenken anstatt sich Stolpersteine für seine Rivalen zu überlegen, würden wir zur Abwechslung mal mit diesen Diskussionen was erreichen!", knurrte Alastor plötzlich, sichtbar gereizt.
 

Alle wandten ihre Aufmerksamkeit ihm zu. Normalerweise hockte er stumm in seiner Ecke und wirkte bedrohlich. Es war kein Geheimnis, dass er extrem wenig von Adligen hielt, da diese mit allen Privilegien geboren worden waren, anstatt es sich zu erarbeiten oder gar zu erkämpfen. Die so ziemlich einzige Person im Raum auf die er hörte und respektierte, war Satan. Er nahm nicht mal von den Baal Befehle entgegen, was einerseits daran lag, dass sie ihre Stellung durch ihre Geburt erhalten hatten, andererseits weil er fast so alt wie Satan war und es nicht akzeptierte Befehle von 'Welpen' zu befolgen. Bis zu einem gewissen Grad tolerierte Satan dies, doch nur wenn er sich nicht öffentlich widersetzte.
 

"Und was ist dieser Grund? Erleuchtet uns doch bitte~!", antwortete Berith hämisch.
 

Alastor warf ihm einen abschätzigen Blick zu bevor er antwortete. "Sie schlägt jetzt zu, weil Satan nicht mehr der einzige ist, der sie befreien kann. Sie ist auf seinen Halbblut-Bastard aus und wenn man bedenkt, dass er mit den Exorzisten im Bunde steht, wird er nicht lange überlegen!"
 

Stille herrschte, noch bedrückender als zuvor. Viele warfen Satan und den Baal nervöse Blicke zu, andere entwickelten plötzliches reges Interesse an der Architektur des Raumes.
 

War. Das. Sein. Verdammter. ERNST?! Äußerlich zeigte Satan keine Regung, innerlich tobte er. Dass Rin früher oder später Bestandteil der Diskussion sein würde, war nur zu erwarten gewesen, aber ihn direkt als Feind hinstellen?! Was dachte er sich dabei?!
 

Ankou war die erste, die sprach. "Ihr sprecht da einiges an Behauptungen aus, Lord Alastor. Ihr beschuldigt ein Mitglied der Königsfamilie des Verrates, dabei beruht das meiste nur auf Gerüchten."
 

"Wenn es aber stimmen sollte was er sagt....", murmelte Ose.
 

Satan erkannte, dass ihm keine Wahl bleib. Er musste das jetzt klären oder es würde gefährlich für Rin werden. Zwar konnte der Rat nicht über ihn entscheiden, doch wenn sie ihn als Gefahr ansahen, könnten sie stets versuchen ihn heimlich zu beseitigen.
 

"Es ist wahr, dass mein zweitjüngster Sohn meine Flammen geerbt und bevor jemand fragt: ja ich habe noch einen weiteren Sohn, aber er ist vollkommen menschlich also bleibt er außen vor."
 

"Und die Gerüchte, dass er sich den Exorzisten angeschlossen hat?", hakte ein Wasserdämon nach.
 

'Und los geht der Spaß...'
 

"Die stimmen ebenfalls."
 

Chaos brach aus. Alle redeten durcheinander, riefen Fragen oder Drohungen und ließen sich nicht beruhigen.
 

"Ein Nephilim hat die Flammen geerbt? Lächerlich!"
 

"So etwas wie er könnte eh nie herrschen!"
 

"Warum haben die Exorzisten ihn nicht umgebracht?!"
 

"Verdammter Verräter...traue niemals einem Halbblut!"
 

"Was soll das jetzt schon wieder heißen?!"
 

"Töten wir ihn!"
 

"Hast du sie noch alle?!"
 

Wie er Ratstreffen verabscheute. Das einzige was ihn noch mehr nervte, waren öffentliche Ferien an denen er sich leider nicht immer vorbei mogeln konnte. Musste er sie denn wirklich immer daran erinnern, dass er das Sagen hatte?
 

"HALTET JETZT ENDLICH DIE KLAPPE!" Gut, das war nicht die eleganteste Art, aber immerhin war jeder still. Die hervorschießenden Flammen machten es auch nochmal um einiges einfacher.
 

"Normalerweise würde ich euch zustimmen. Es ist Verrat wenn ein Dämon den Exorzisten hilft. Jedoch liegen hier....besondere Umstände vor."
 

Er konnte die Ungeduld auf ihren Gesichtern sehen, doch keiner wagte zu sprechen. Als Aschehaufe enden wollte niemand. Schlussendlich wagte es Agares dennoch eine Frage zu stellen.
 

"Versteht diese Frage bitte nicht als Angriff, Sire....warum wurde er nicht getötet? Der Vatikan hat immerhin auch seine Mutter..." Sie stockte, wohl wissend dass sie sich auf gefährlichen Terrain bewegte.
 

"Es stimmt, dass der Vatikan alle drei tot sehen wollte." , beteiligte sich nun Samael. Er wandte sich an Satan. "Wenn du erlaubst, Vater...?"
 

"Sicher." Wahrscheinlich sollte er die Erklärungen diesbezüglich wirklich seinem zweitältesten Sohn überlassen. Er selbst wählte meist einen Mittelweg, also ein paar Lügen gemischt mit der Wahrheit, während Samael die Kunst einen Schimmer Wahrheit mit einem Haufen Lügen glaubwürdig klingen zu lassen und auch noch damit durchzukommen, perfektioniert hatte. Normalerweise ging ihm diese Angewohnheiten tierisch auf die Nerven auch wenn er die meisten Lügen erkannte. Diesmal würde es allerdings ein Vorteil sein.
 

Samael wandte sich dem restlichen Rat zu. "Als der Vatikan von der Schwangerschaft erfuhr, sollte sie mit ihren Kindern getötet werden. Ich wurde zusammen mit Shiro Fujimoto los geschickt um sie mit Kurikura zu beseitigen. Eigentlich wollte ich die beiden nach Gehenna bringen und notfalls Shiro töten, aber es gab Probleme. Der jüngere von beiden - Yukio - war ein Mensch, er würde also nicht lange in Gehenna überlegen. Rin dagegen hatte die Flammen, aber ihre Macht war zu viel für ihn, er wäre in kürzester Zeit gestorben. Ich hatte also keine andere Wahl als sein Dämonenherz zu versiegeln und ihn menschlich zu machen. Natürlich konnte ich es nicht verantworten einen versiegelten Halbdämon nach Gehenna zu bringen, er wäre gestorben also musste ich ihn leider in Assiah lassen."
 

'Wow, was für einen Haufen Mist, den er da auftischt und auch noch mit ernstem Gesicht. Man könnte wirklich meinen, dass das der Grund war." , dachte Satan grimmig. Widerwillig musste er zugeben, dass er durchaus beeindruckt war. Er selbst konnte genauso gut lügen, aber Samael war wesentlich jünger und bekam es trotzdem hin. Sollte ihm das Sorgen bereiten? Eventuell.
 

"Und Fujimoto hat das einfach so hingenommen?", hakte Ankou nach.
 

"Glaubt es oder nicht: er war es, der sich weigerte sie zu töten. Scheinbar konnte er sich nicht dazu bringen Neugeborene zu töten, zumal er auch noch mit deren Mutter befreundet war. Ich habe also die Chance genutzt, ihm eine kleine Wette vorgeschlagen und schon hatte ich jemanden der sich um sie kümmert. Ich selbst konnte das nicht übernehmen, weil der Vatikan hellhörig geworden wäre wenn ich mich freiwillig um zwei Kinder kümmere."
 

"Das klingt...einleuchtend.", murmelte jemand und die meisten stimmten zögerlich zu. Alastor und einige andere Dämonen sahen nicht überzeugt aus, waren jedoch nicht so dumm es auszusprechen.
 

Schließlich meldete sich Belial zu Wort, welcher den Tartaros leitete.
 

"Das ist ja alles schön und gut, aber das bedeutet auch, dass der Paladin ihn jahrelang-"
 

"Und genau da wird es interessant.", unterbrach ihn Samael mit seinem typischen Grinsen. "Shiro hat Rin nie etwas gesagt. Bis vor kurzem hatte er keine Ahnung von seiner Herkunft oder Gehenna. Er ist in vielerlei Hinsicht vollkommen ahnungslos."
 

"Er hat also all die Jahre trivial als Mensch gelebt?", fragte Indra nachdenklich. "Wie...prekär."
 

"Ihr wollt uns wirklich weismachen, dass der Paladin auf die Gelegenheit verzichtet hat sich eine Waffe gegen uns zu sichern? Für wie dumm haltet ihr uns?!" knurrte eine Feuerdämonin deren Name Satan grad nicht einfallen wollte. Na egal.
 

"Shiro war nicht wie die anderen Exorzisten.", mischte sich Azazel ein. "Er vertrat die Ansicht, dass Vergängliche und Dämonen zusammen leben können."
 

"Warum hat er sich dann schlussendlich den Exorzisten angeschlossen?", fragte Leraje.
 

"Weil wir Rin nach Hause holen wollten und Fujimoto dabei getötet wurde.", antwortete Satan ruhig. "Besser gesagt, hat er Suizid begannen als ich von ihm Besitz ergriff."
 

"Er hat sich töten können obwohl er von Euch übernommen war?", fragte Ankou mit einem Hauch von Anerkennung in der Stimme.
 

"Ja und dummerweise hat Rin alles gesehen. Er hält die Dämonen nur für das Problem, weil er es nicht besser weiß."
 

"Und wie wollt Ihr ihm das Gegenteil beweisen?", fragte Indra.
 

"Der Vatikan weiß inzwischen wer er ist und haben ihn nur am Leben gelassen, weil sie ihn als Waffe einsetzten wollten also habe ich ihn hergeholt."
 

"Ihr habt ihn hergebracht?!", entfuhr es Nybbas. Satans Blick durchbohrte ihn. "Muss ich mich jetzt seit neuesten vor euch rechtfertigen?"
 

"N-natürlich nicht, S-Sire...ich meinte nur....", er brach ab, Satans Blick nicht länger ertragend.
 

"Er wird früher oder später begreifen, dass wir nicht die Feinde sind. Außerdem ist er nach wie vor versiegelt, er stellt keine Gefahr dar."
 

"Und was wenn doch? Er könnte sowohl Gehenna als auch Assiah ins Verderben stürzen-"
 

Iblis schnaubte. "Hah! Der ist doch noch ein Kind! Wenn der sowas zustande bringt, dann küsse ich Egyn!"
 

Der Blick des Wasserkönigs verriet, dass er die Einstellung seines Bruders nicht teilte, blieb jedoch still.
 

"Abgesehen davon weiß er gar nicht was er mit seinen Kräften alles anstellen kann, geschweige denn wie er sie nutzen soll.", steuerte Beelzebub bei. "Er stand hier unter ständiger Beobachtung und es ist mehr als offensichtlich geworden, dass er keine Ahnung hat was ihn ihm steckt."
 

"Wie alt ist er überhaupt?", fragte eine Dämonin.
 

"Er wird dieses Jahr 16.", antwortete Samael.
 

"16?!"
 

Samael zuckte mit den Schultern. "Menschen leben nicht mal ein Jahrhundert. Als Halbblut altert er bis er sein unsterbliches Alter erreicht, vollkommen normal."
 

Alastor verschränkte seine Arme, sagte jedoch nichts. Auch die restlichen Dämonen schwiegen.
 

"Wenn wir das geklärt haben, können wir ja weiter machen.", sagte Satan.
 

Zumindest eine Sache die halbwegs gut verlaufen ist.
 

........................................................
 


 

Rin lag auf seinem Bett und starrte die Decke an. Seit Satans Besuch hatte er seine Ruhe gehabt. Scheinbar waren wirklich alle Mitglieder der Königsfamilie bei diesem Ratstreffen. Er hatte eigentlich geglaubt erleichtert darüber zu sein, doch inzwischen musste er sich eingestehen, dass ihm stinklangweilig war. Er hatte sich vorgestellt in Gehenna in ständiger Angst zu leben, nur Schmerz, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zu verspüren doch nun sehnte er sich beinahe nach Gesellschaft. Vorhin war Agares kurz vorbei gekommen und hatte ihm endgültig die Verbände abgenommen, sodass er endlich duschen gehen konnte. Danach hatte er sich wieder auf das Bett geworfen.
 

'Ich frage mich worum es in dieser Versammlung geht...", überlegte er. 'Was ist das überhaupt für ein Rat? Ich dachte immer Satan und die Baal herrschen absolut über Gehenna...zumindest glaube ich, dass es absolut war, ich habe in Geschichte nie wirklich aufgepasst. Andererseits weiß der Orden so gut wie gar nichts über Gehenna. Waren überhaupt schon mal Menschen hier?'
 

Er erschauderte als ihm Azazels Worte einfielen. Falls sich Menschen ob nun Exorzist oder nicht jemals her verirrt und auf der Speisekarte der Dämonen geendet waren....
 

Er schob den Gedanken schnell beiseite. Jetzt sollte er wirklich nicht über so etwas nachdenken! Seufzend setzte er sich auf. Er wünschte sich fast, dass einer Baal oder Shax und Agares vorbeikamen.
 

'Eigentlich schienen sie ganz in Ordnung zu sein und es würde die Langeweile vertreiben-'
 

Moment...wo kam das bitte her?! Kopfschüttelnd stand er auf. Dieses ganze Grübeln brachte ihm gar nichts, seine Gedanken drehten sich nur im Kreis. Er dachte an das, was Satan ihm gesagt hatte. Wenn er nicht gelogen hatte -und leider hatte Rin das Gefühl, dass er die Wahrheit gesprochen hatte- konnte er nie nach Assiah zurückkehren außer er würde sich erschießen, verbrennen, kreuzigen oder wie auch immer man laut Regelbuch den Sohn Satans hinzurichten hatte, lassen wollen.
 

Er dachte erneut an Yukio, seine Freunde und an Kuro. Er vermisste sie wahnsinnig. Vermissten sie ihn auch so sehr oder waren sie froh ihn los zu sein? Yukios Worte kamen ihm in den Sinn. Er hatte das nur im Eifer des Gefechts gesagt, richtig? Er vermisste ihn doch bestimmt auch? Rin beschloss, dass es so sein musste. Sie waren Zwillinge, sie hatten sich immer nahe gestanden! Warum fühlte es sich dann so an als würde er sich das einreden?
 

'Schluss jetzt!', rügte er sich. 'Ich sollte nicht so schwarz sehen. Ich lebe noch, werde hoffentlich nicht so schnell den Löffel abgeben und vielleicht kann ich doch irgendwie nach Hause ohne gleich umgebracht zu werden.
 

'Aber du bist doch längst zuhause...du hast endlich eine Familie, wirst nie wieder für deine Herkunft diskriminiert...warum willst du zurück?', schien ihm eine Stimme zuzuflüstern. Rin ignorierte sie. Er wusste nicht wo diese Gedanken herkamen, es war ihm ohnehin egal. Er brauchte jetzt wirklich eine Beschäftigung sonst würde er noch durchdrehen!
 

Zögerlich begann er sich im Raum umzusehen. In den Bücherregalen waren (Wer hätte es gedacht?) verschiedenste Bücher mit einer großen Reichweite an Themen. Er erkannte Geschichtsbücher, Bücher über Dämonen, Assiah und über verschiedene Kreaturen. Einige waren auf Japanisch, er erkannte aber auch Englisch, Russisch, Latein und andere Sprachen aus Assiah. Viele Bücher enthielten jedoch Schrift, welche er noch nie zuvor gesehen hatte, aber dennoch ein Gefühl von Vertrautheit auslöste. 'Das muss Gehennisch sein. Ich hoffe, die erwarten von mir nicht, dass ich das lesen kann?!'
 

Er stellte das Buch zurück ins Regal, griff ein weiteres mit rotem Einband und schlug es auf. Es war scheinbar über verschiedene Kreaturen, welche in Gehenna lebten.
 

Sylvani..Basilisk...Harpyie...Baobhan-Sith (Die hatten doch sicher nichts mit Star Wars zu tun, oder?)...Larvae...Aswang...
 

Er überflog einige Texte. Zwar war er kein großer Bücherfreund, aber er musste zugeben, dass einige von diesen Viechern ziemlich interessant aussahen. Vielleicht würde er sich das später mal genauer ansehen...oder auch nicht. Er legte das Buch beiseite und sah sich weiter um. Viel konnte er in dem Zimmer nicht tun, elektrische Geräte gab es nicht also beschloss er sich seine Sachen näher anzusehen. Er öffnete die Taschen und begann darin zu kramen.
 

'Hoffentlich haben sie mir nichts weggenommen!'
 

Dies schien jedoch nicht der Fall zu sein. All seine Klamotten und persönlichen Besitztümer waren da, inklusive seiner Manga und Coolness Liste, nur Kurikura fehlte. Er weigerte sich allerdings auszupacken, denn das würde bedeuten er hätte seine momentane Lage akzeptiert! Schließlich zog er das heraus, was er inzwischen als seinen wichtigsten Besitz neben dem Kurikura ansah: ein Fotoalbum. Er, Yukio, Shiro und die Mönche im Kloster hatten es vor Jahren angefangen. Insgesamt gab es drei, eins für Shiro, eins für Yukio und eins für Rin. Die Bilder darin waren seine schönsten Erinnerungen. Wie er zusammen mit Yukio im Hof oder dem Spielplatz spielte, ihre Einschulung, Ausflüge ins Schwimmbad, Trips zu verschiedenen Schreinen, Rin und Shiro beim Kochen und viele mehr. Es war alles was ihm von den alten Mann und nun auch von Yukio und den anderen Klosterbewohnern geblieben war.
 

Gedankenverloren begann er darin zu blättern als plötzlich 2 Fotos herausrutschten. Hatten sie sich gelöst? Er bückte sich, hob die Fotos hoch und betrachtete das oben liegende. Zu seiner Überraschung war darauf eine ihm unbekannte Frau zu sehen. Sie hatte lange braune wellige Haare, türkise Augen und einige Muttermale im Gesicht. Sie saß auf einer Blumenwiese, umgeben von...Dämonen? Dennoch schien sie keine Angst zu haben, im Gegenteil. Sie lachte und genoss die Gesellschaft.
 

'Sie sieht aus wie...Wo kommt das her?!' Seine Hände zitterten als er das zweite Foto betrachtete. Wieder war die Frau darauf zu sehen, doch diesmal war sie nicht allein. Sie hielt zwei Babys in den Armen, welche in Decken gehüllt waren. Sie wirkte erschöpft, aber glücklich. Rin starrte das Bild an. Das linke Baby war von blauen Flammen umgeben. Es traf ihn wie ein Schlag. Das waren er und Yukio, was bedeuten würde, dass diese Frau...
 

Noch immer mit zitternden Händen drehte er das Bild herum und bemerkte, dass jemand etwas auf die Rückseite geschrieben hatte. Es war ein Datum, gefolgt von einer kurzen Nachricht.
 

Yuri, Rin & Yukio - 24. Dezember 2002    Das sind die einzigen Bilder eurer Mutter, welche noch existieren. Ich habe sie aufbewahrt und dachte mir, dass du sie wahrscheinlich haben möchtest. Euer Großvater hat alle anderen vernichten lassen. Passe also gut darauf auf~!
 

P . S: Sehr reizende Kindheitsfotos! Ich erkenne ganz neue Seiten an dir~! (=∩_∩=)
 

Rin erkannte die Handschrift nach kurzem Überlegen. Meph- nein, Samael. Normalerweise wäre er vor Scham gestorben, denn manche der Bilder waren mehr als peinlich, aber alles was er tun konnte, war die Nachricht, dann die Fotos und dann wieder die Nachricht anzustarren. Seine Mutter. Er spürte wie seine Augen zu brennen begannen, doch er wischte energisch mit dem Ärmel darüber und betrachtete weiterhin die Fotos. Der Alte hatte gelegentlich von ihr erzählt, jedoch waren seine Auskünfte stets äußert vage gewesen. Auch hatten sie nie ihr Grab besucht oder von irgendwelchen anderen Verwandten gehört. Wenn es um ihren Vater gegangen war, war Shiro noch mehr in die Defensive gegangen, was im Nachhinein betrachtet nachvollziehbar war. Irgendwann hatten weder Rin noch Yukio nach ihren Eltern gefragt auch wenn Rin immer neugierig geblieben war.
 

Seufzend schob er die Bilder vorsichtig zurück in das Album und packte es zurück in seine Tasche. Er durchstöberte sie weiter, fand jedoch nichts besonderes außer seinen Wecker, den er eh nie benutzte. Er zeigte 18:30 Uhr an. War es wirklich schon Abend? Ein wenig zögerlich stand er auf und ging zu einem der Fenster. Die Scheiben waren geschwärzt, weswegen er relativ nahe heran treten musste um etwas zu erkennen. Tatsächlich erkannte er, dass die zwei Sonnen (ja Gehenna hatte zwei Sonnen und drei Monde) so gut wie untergegangen waren.
 

Allerdings verspürte er keinerlei Müdigkeit, sein Schlafrhythmus war inzwischen sowieso komplett durcheinander. Entweder konnte er hier also weiter rumsitzen oder er könnte sich einmal draußen umsehen. Dort würden zwar überall Wachen sein, aber immerhin konnte er sich dadurch ein genaueres Bild von seiner Umgebung schaffen, was ihm bei seiner späteren Flucht helfen könnte. Er versteckte seinen Schwanz unter seinem Hoodie, öffnete vorsichtig die Tür und trat auf den Gang.
 

Es herrschte Totenstille. Der Boden bestand aus einem dunkelblau-schwarzem Gestein, darauf lag ein noch dunklerer Teppich. Die Wände waren mit schwarzem Holz verkleidet. Mehrere Fenster, identisch mit denen in seinem Zimmer, zogen sich an der Wand entlang, davor waren dunkelblaue Vorhänge. Um das 'gruslige-Dämonenschloss-direkt-aus-dem-Horrorfilm-Thema' zu vervollständigen, standen mehrere dunkle Rüstungen zwischen den Fenstern, an den Wänden hingen Spiegel mit dunklen und silbernen Rahmen sowie Bilder, welche ihm nicht ganz verständliche Darstellungen boten. Unbekannte Pflanzen standen herum, einige schienen sich sogar zu bewegen. Das Ganze wurden von Kristallen an der gewölbten Decke und Fackeln in der Wand in ein blaues Licht getaucht. Inzwischen schien auch das Mondlicht herein und machte alles noch unheimlicher. Super.
 

Zögerlich wandte er sich nach rechts und begann langsam dem Gang zu folgen. Irgendetwas fühlte sich komisch an. Hatte Satan nicht gesagt, dass Wachen in der Nähe postiert waren? Die hatten ja wohl kaum eine spontane Pause eingelegt! Zu seiner linken war die Wand mit den ganzen Fenstern, zu seiner rechten waren dunkle Türen. Sollte er sich vielleicht in den Räumen umsehen? Die Türen lagen sehr weit auseinander, demzufolge musste der Raum dahinter relativ groß sein und wenn man bedenkt, dass Rins Zimmer auf diesem Flur lag...
 

'Sind das die Zimmer der Dämonenkönige?' Es war das einzige was Sinn machte, immerhin lagen die Schlafzimmer in einem Schloss nah beinander. So war das zumindest im Film.
 

'Was soll schon passieren?' Er trat an eine Tür und versuchte sie zu öffnen, nur um festzustellen, dass sie verschlossen war. Er probierte die anderen Türen aus, ebenfalls erfolglos.
 

'So viel dazu...'
 

Seufzend wollte er weitergehen als er plötzlich von hinten gegriffen wurde. Er wollte schreien, doch sein Angreifer hielt ihm den Mund zu. Rin versuchte sich aus dem Griff zu befreien, doch es gelang ihm nicht. Er erkannte seinen Angreifer als einen Mann, denn er beugte sich hinunter und flüsterte ihm leise etwas ins Ohr.
 

"Ganz ruhig, wir wollen doch keine Wachen alarmieren, oder?" Er lachte auf. "Andererseits sind die meisten ohnehin tot."
 

Warum wollte man ihm einfach keine Pause gönnen?

Schon wieder entführt

'Warum bin ich nicht in diesem verdammten Zimmer geblieben?!', verfluchte Rin sich im Stillen. Er hatte sich nur kurz umsehen wollen, dabei großspurig behauptet, dass nichts passierten könnte und nun hatte er den Salat. Hinter ihm stand ein Fremder, der offensichtlich dafür gesorgt hatte, dass manche Wachen bereut hatten zur Arbeit gekommen zu sein und hielt den Halbdämonen mehr oder weniger im Würgegriff, während er ihm zusätzlich den Mund zuhielt. Inzwischen war er so oft in lebensgefährliche Situationen geraten, dass er fast schon Resignation verspürte, aber auch nur fast. Verzweifelt wehrte er sich gegen seinen Angreifer, doch dieser drückte nur noch fester zu. Rin versuchte seine Flammen heraufzubeschwören, doch der Mangel an Sauerstoff machte es ihm schwer sich zu konzentrierten. Inzwischen sah er bereits schwarze Punkte vor seinen Augen.
 

"Jetzt höre endlich auf mit diesem sinnlosen Gerangel!", fauchte der Unbekannte. "Ich will dir nicht schaden."
 

'Oh klar natürlich, darum erwürgst du mich auch gerade!', wollte Rin am liebsten rufen, doch er war vollkommen damit beschäftigt nicht das Bewusstsein zu verlieren. Er spürte wie sein Körper langsam erschlaffte.
 

"Da ich jetzt deine Aufmerksamkeit zu haben scheine...", fuhr der Mann fort. "Wenn du aufhörst herumzuzappeln, lasse ich dich los. Wenn nicht... nun ich wollte sowieso mal ausprobieren wie lange ihr Nephilim ohne Sauerstoff durchhaltet." Rin wollte schreien, fluchen, diesem verdammten Bastard mit seinen Flammen eine Lektion erteilen, musste jedoch einsehen, dass er keine Chance hatte. Er beschloss vorerst zu kooperieren. Sicherlich würde sich noch eine Gelegenheit zur Flucht bieten.
 

Er hörte auf sich zu winden und versuchte seinen Körper so gut es ging zu entspannen. Es war nicht leicht. Der Mann lachte als er spürte wie seine Gegenwehr nachließ.
 

'Dieser Kerl genießt das richtig...', dachte Rin angewidert. Immerhin lockerte er den Griff um seinen Hals, aber noch immer hatte der Jugendliche Schwierigkeiten Luft zu holen. Nebenbei bemerkte er jedoch etwas seltsames. Roch der Psycho an ihm?!
 

'In was bin ich hier hinein geraten...'
 

"Na, also geht doch." Wieder flüstere der Fremde ihm ins Ohr und jagte ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Was war sein Problem?!
 

"Ich werde jetzt meine Hand wegnehmen und dich loslassen. Du wirst weder schreien noch versuchen wegzulaufen oder deine Kräfte einzusetzen. Haben wir uns verstanden?"
 

Rin antwortete nicht sofort woraufhin der Mann, offensichtlich die Geduld verlierend, nicht nur seinen Mund sondern auch die Nase zuhielt und ihm somit erneut die Sauerstoffzufuhr abschnitt.
 

"Ich habe gefragt ob wir uns verstanden haben.", zischte er gefährlich.
 

Rin, welcher kein Wort sagen konnte, brachte irgendwie ein leichtes Wimmern hervor, was sein Peiniger als 'ja' deutete.
 

Er lachte leise. "Ich wusste doch, wir würden uns verstehen."
 

Damit ließ er den ehemaligen Exwire ohne Vorwarnung los. Dieser konnte sein eigenes Gewicht kaum halten, sodass er zu Boden sank und sich auf seine Hände und Knie stützten musste, um nicht mit dem Gesicht voran auf den Boden zu knallen. Er schnappte nach Luft und hustete, das Gefühl des Sauerstoffs, welcher wieder in seine Lungen gelangen konnte, genießend. Der Fremde baute sich nun vor ihm auf und blickte auf ihn herab. Rin sah ihm zwar nicht ins Gesicht, aber irgendwie wusste er, dass dieser Mistkerl vor sich hin lächelnd die Show genoss.
 

Schließlich ließ der Hustenreiz nach und er konnte wieder regelmäßig atmen. Langsam rappelte er sich auf und bekam seinen ersten guten Blick auf den geheimnisvollen Angreifer. Es war sein blasser Mann, mit kurzen schwarzen Haaren, einem Dreitagebart und leicht spitzen Ohren. Seine Kleidung war komplett schwarz, was seine Haut noch blasser wirken ließ. Am beunruhigsten waren allerdings die Augen. Die Iris war blutrot, während die Hornhaut pechschwarz war. Die Pupillen waren ebenfalls schwarz und leicht geschlitzt, jedoch nicht so wie bei den Dämonen, denen Rin bisher begegnet war, sondern...anders. Es war schwer zu beschreiben.
 

'Was ist er?'
 

"Wer...oder was bist?", krächzte Rin und zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen. Und der Fremde hatte sich wirklich Sorgen gemacht, dass er noch schreien könnte?!
 

"Mein Name ist Aulak. Freut mich sehr Eure Bekanntschaft zu machen, junger Prinz." Spott lag in seiner Stimme und auch die nachfolgende Verbeugung zeugte von reinem Hohn.
 

"Na wenigstens einer.", knurrte Rin. "Was zur Hölle willst du von mir?!"
 

Aulak schnaubte. "Intelligenz ist wohl keine deiner Stärken, wie? Na ja, du bist immerhin nur ein impertinentes Kind."
 

"Wenn du mich schon beleidigst, dann verwende wenigstens Worte, die ich verstehe.", antwortete Rin gereizt. Aulak lachte kurz auf, wurde dann allerdings wieder ernst.
 

"Meine Meisterin schickt mich.", erklärte er.
 

"Meisterin?", wurde er von Rin unterbrochen. Wer könnte-? Dann kam die Erkenntnis. "Du meinst Eva."
 

"Eva...? Ah, sie hat dir also nicht ihren echten Namen verraten. Na meinetwegen, spielt keine Rolle."
 

Er trat einen Schritt auf Rin zu, dieser machte drei Schritte rückwärts. "Was willst du von mir?!", wiederholte er, das Gefühl der aufsteigenden Angst ignorierend.
 

"Ich bin hier um dich zu ihr zu bringen. Sie hat dich um Hilfe gebeten, nicht wahr?"
 

"Ich habe nie gesagt, dass ich ihr helfe!"
 

Erneut lachte der...Dämon? Nein, er war etwas anderes.
 

"Und du denkst wirklich, dass du eine Wahl hast?" Er schüttelte den Kopf. "Wie naiv. Kein Wunder, dass Satan dich versteckt. Du bist eine Schande für alle Dämonen. Gut, das sind er und seine Söhne ebenfalls, aber sie sind immerhin nicht schwach."
 

"Ich habe nie darum gebeten ein Dämon und erst Recht nicht der Sohn von diesem Arschloch zu sein!", knurrte Rin.
 

"Wie auch immer...", fuhr Aulak fort. "Entweder du kommst freiwillig mit oder ich schleife dich hin. Mir ist es gleich, wenn ich dir ein paar Knochen brechen muss."
 

'Der hat sie nicht mehr alle...', stellte Rin entsetzt fest. Sämtliche Alarmglocken, sowohl menschliche als auch dämonische, drehten durch und schrien ihn quasi an, abzuhauen. Seltsam, weder bei Satan noch den Baal hatte er so etwas je gespürt. Im Gegenteil. Rückblickend betrachtet hatten sie ihm ein Gefühl von Sicherheit gegeben. Entsetzt stellte Rin fest, dass nicht nur der Gedanke von diesem Kerl irgendwo hin verschleppt zu werden, ihm Angst bereitete. Auch die Vorstellung von seinem Vater und seinen Halbbrüdern getrennt zu sein, erfüllte ihn mit Panik. Er beschloss sich später darum zu sorgen. Zuerst musste er mit diesem Typen fertig werden und seine Antwort war klar.
 

"Fick dich!", knurrte er.
 

"Falsche Antwort.", erwiderte Aulak und seine Augen schienen aufzuleuchten. Er sprang nach vorne um Rin zu packen, doch dieser hatte damit gerechnet und sprang beiseite. Sein Angreifer ließ jedoch nicht locker, umrundete ihn und griff ihn erneut von hinten. Der Nephilim tat das erste, was ihm in den Sinn kam: mit voller Kraft in Aulaks Hand beißen. Seine Zähne waren zwar nicht ganz so scharf und spitz wie die eines vollblütigen Dämonen, aber schmerzhaft genug. Laut fluchend ließ der Ältere ihn los und heilt seine Hand, welche stark blutete. Rin spuckte währenddessen angewidert das Blut aus. Es war ziemlich dunkel, fast schon schwarz und schmeckte irgendwie...faulig?!
 

'Denk nicht drüber nach...'
 

"Du dreckiges Halbblut!", fauchte Aulak. Die Wunde an seiner Hand schloss sich bereits. Seine Augen waren inzwischen komplett schwarz und wenn Rin eines aus Manga und Anime gelernt hatte, dann das sowas nie ein gutes Zeichen war. Erneut setzte sein Gegner zum Angriff an, diesmal schaffte der Jugendlich es nicht auszuweichen und bekam das Knie in den Magen. Er schnappt nach Luft, doch bevor er sich wieder fangen konnte, verpasste ihm Aulak eine heftige Ohrfeige. Die Wucht war stark genug um ihn zu Boden zu werfen. Als er aufkam, schmeckte er Blut. Er wollte aufstehen, doch da war der angepisste Mann auch schon bei ihm, packte ihn am Hals und presste ihn gegen die Wand.
 

"Dafür wirst du bezahlen.", zischte er. Rin versuchte etwas zu sagen, doch Aulauk verstärkte seinen Griff und begann ihn zu würgen. Er spürte wie sich sein Schwanz um seine Beine wand.
 

'Nein...nicht......so, bitte...', flehte Rin verzweifelt. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass jemand anderes antwortete, mehrere verschiedene Stimmen um genau zu sein. Sie schienen ihn zu rufen, aber er war zu verängstigt um dem Beachtung zu schenken.
 

"Wenn meine Gebieterin mit dir fertig ist, bitte ich sie darum, dass ich dich töten darf. Keine Sorge, ich schicke deinem Vater und deinen Brüdern dann deine Asche, immerhin sollen sie auch etwas von haben!", lachte Aulak.
 

Rin bekam seine Worte kaum mit. Eine Art Nebel schien seine Gedanken zu verschleiern. Es fühlte sich jedoch anders an als vorhin. War es wirklich nur der Sauerstoffmangel? Langsam wurde die Panik durch Verwirrung ersetzt. Was tat er hier? Er war so in Gedanken zu versunken, dass er gar nicht merkte als sein Peiniger seinen Hals losließ. Rin fiel beinahe vorneüber, hätte Aulak ihn nicht aufgefangen.
 

Er grinste. "Du bist zwar stur, aber dein Geist ist genauso leicht zu manipulieren wie der eines herkömmlichen Vergänglichen, nicht wahr?"
 

Rin antwortete nicht. Er registrierte nicht einmal Aulaks Worte oder verstand den Sinn dahinter. Verwirrung herrschte in seinem Kopf. Wo war er? Was passierte hier? Wer war er überhaupt?!
 

Er bemerkte am Rande, dass ihn jemand grob am Oberarm packte und ihn mit sich zerrte, doch er wehrte sich nicht. Es gab keinen Grund, es gab ja nichts zu befürchten, richtig?
 

Ein kleiner Teil seines Unterbewusstseins wusste jedoch, dass etwas nicht stimmte und versuchte sich zu wehren.
 

'Nein, das ist nicht richtig! Lass mich los! Bitte...irgendjemand...Hilfe...'
 

......................................................................
 

Zu Rins Glück und zum Pech seines Entführers blieben diese mentalen Hilferufe nicht unbemerkt. Satan hatte zum achten Mal (ja, Lucifer hatte mitgezählt) die Ruhe im Ratssaal wiederhergestellt und erneut zu reden begonnen, als der König des Lichts eine leise Stimme in seinem Kopf hörte.
 

"Nein...nicht......so, bitte..."
 

'Rin?!' Keine Antwort. Er schaute unauffällig zu seinen Brüdern. Diese waren ebenfalls angespannt und schauten sich verwirrt an.
 

"Habt ihr...das auch gerade gehört?", flüsterte Egyn.
 

"Diese Stimme? Das klang nach Rin, oder?", flüsterte Beelzebub zurück.
 

Lucifer schaute zu ihrem Vater rüber. Dieser schien es ebenfalls gehört zu haben, ihre Blicke trafen sich. Es konnte also keine Einbildung gewesen sein...plötzlich hörte er erneut seinen jüngsten Bruder, jedoch klang er merklich schwächer.
 

"Nein, das ist nicht richtig! Lass mich los! Bitte...irgendjemand...Hilfe..."
 

'Scheisse.'
 

Er sprang auf, seine Brüder folgten ebenso wie Satan.
 

"Lucifer, ihr übernehmt!", zischte er, stürzte aus dem Raum und verschwand in einer Säule aus blauen Flammen.
 

'Als ob!' Er wechselte einen kurzen Blick mit den anderen Baal und sie kamen zu einer stummen Übereinkunft. Sie würden hier ganz bestimmt nicht herumsitzen während ihr kleiner Bruder in Schwierigkeiten war! Schon wieder.
 

Bevor die Ratsmitglieder wussten was los war, folgten sie ihrem Vater.
 

"Was beim Styx ist jetzt schon wieder los?!", knurrte Alastor. Samael welcher sich noch im Raum befand, wandte sich ihm zu und grinste.
 

"Ich fürchte es ist etwas dazwischen gekommen, du kannst doch sicherlich die Leitung übernehmen? Ich kann mir diese Show unter keinen Umständen entgehen lassen! Also gehabt euch wohl!~ Eins, zwei, drei!~" Damit verschwand er in seiner typischen pinken Rauchwolke.
 

Einige Sekunden herrschte Stille im Ratssaal bis Amon, Astaroths rechte Hand, sich zu Wort meldete. "Wenn ich einen Tag Urlaub für jedes Mal, dass sie einen von uns sitzen lassen, bekommen würde, wäre ich längst im Ruhestand.", murmelte er.
 

Alastor verdrehte nur die Augen.
 

"Also...", begann Tap, Amaimons Stellvertreter. "Machen wir Pause?"
 

Bevor Alastor antworten konnte, mischte sich Indra ein. "Ich bin dafür, ich brauche jetzt wirklich einen Latte. Oder einen Mocha. Man sieht sich.~" Damit verschwand sie in einer violetten Rauchwolke.
 

Alastor fragte sich ob er wohl Ärger mit Satan bekommen würde, wenn er eine seiner Exfrauen den Hals umdrehen würde, aber schlussendlich ließ er es lieber auf sich beruhen.
 

"Gut, das Treffen ist beendet. Jetzt raus hier!", knurrte er. Das musste er nicht zweimal sagen. Die Dämonen erhoben sich und machten, dass sie rauskamen.
 

Amon schnappte sich Halphas, Iblis rechte Hand, wahrscheinlich um sich in die nächste Kneipe zu verkrümeln.
 

Alastor blieb allein zurück. "Manchmal hasse ich meinen Job."
 

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'Kann man den Jungen denn wirklich nicht alleine lassen?! Wie kann man mit 15 Jahren so viel Ärger machen?!, dachte Satan frustriert. Sie waren soeben ins Zimmer ihres jüngsten Familienmitgliedes gestürmt, nur um festzustellen, dass es leer war. Warum hatten die Wachen ihn nicht aufgehalten?! Auf mentale Rufe reagierte der Nephilim nicht, auch war seine Präsenz wahnsinnig schwach und...instabil geworden. Inzwischen hatte er keinen Zweifel mehr, dass Rin gegen seinen Willen verschleppt wurde.
 

"Jetzt geht das wieder los...", grummelte Azazel. "Ich wusste doch, dass ich ihn hätte festketten sollen..."
 

"Wo waren die Wachen?!", rief Egyn frustriert.
 

"Sie sind tot.", antwortete Beelzebub. "Alle. Wer auch immer es auf Rin abgesehen hat, muss Hilfe von innen gehabt haben." Satan hatte sich getäuscht. Tatsächlich hatte seine schlechte Laune soeben einen neuen Tiefpunkt erreicht.
 

"Wir teilen uns auf. Lucifer und Samael, ihr kommt mit mir. Azazel, du gehst mit Astaroth und Amaimon. Beelzebub, du mit Egyn und Iblis."
 

Die Baal nickten und verschwanden.
 

'Wer auch immer dahinter steckt, wird sich wünschen tot zu sein, wenn ich ihn in die Finger bekomme.'
 

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Rin hatte jeglichen Orientierungssinn verloren. Weder wusste er wo er war, noch was er hier wollte. Er konnte sich nicht einmal an seinen eigenen Namen erinnern, geschweige denn was er überhaupt war. Alles in seinem Kopf war vollkommen durcheinander, nichts wollte wirklich zusammen passen. Er sah Silhouetten verschiedener Personen und seltsame Schatten. Stimmenfetzen waren zu hören, doch sie wirkten seltsam verzerrt. Nur am Rande registrierte er, dass jemand bei ihm war und ihn durch die Gegend zog. Sie durchquerten einen Flur...
 

Erneut hörte er Stimmen, die nach ihm riefen. Nebenbei schien auch eine Stimme in seinem Inneren ihm etwas zu sagen zu wollen, aber sie war viel zu leise.
 

Sein Begleiter bleib plötzlich stehen und zerrte ihn zur Seite. Dort verharrten sie. Er hörte weitere Stimmen, sie klangen angespannt, aber kamen ihm nicht bekannt vor. Trotz seiner verschwommenen Sicht bemerkte er wie der Mann etwas hervorzog. Ein Messer? Die Stimmen kamen immer näher bis sie fast neben ihnen waren. Ohne Vorwarnung machte Aulak einen Satz nach vorne und Rin hörte einige Gurgelgeräusche und roch außerdem...Blut?! Auf einmal war er wieder hellwach als hätte man einen Eimer Eiswasser über ihm entleert. Entsetzt schaute er auf das Bild, welches sich ihm bot. Auf dem Boden lagen zwei tote Dämonen, über ihnen stand Aulak mit einem blutigen Dolch in der Hand. Seine Instinkte schrien ihn erneut an zu verschwinden, doch Aulak drehte sich bereits um. Er war sichtlich überrascht als er ihn ansah.
 

"Du hast es geschafft dich zu befreien? Vielleicht habe ich dich doch unterschätzt..."
 

Erneut wurde der Nephilim gegen die Wand gepresst und alles um ihn begann zu verschwimmen. Wie machte er das?!
 

"Ich habe echt die Schnauze voll von dir. Wenn du nicht kooperieren willst, sorge ich eben dafür, dass du dich nicht nochmal so schnell aus meinem Einfluss befreist.", sagte Aulak langsam und begann zu grinsen. Dabei erhaschte der verwirrte Halbdämon einen Blick auf seine Zähne, welche nicht wie die eines gewöhnlichen Dämonen aussahen. Waren seine Eckzähne grad gewachsen?! Sein Entführer leckte sich die Lippen.
 

"Halt einfach still und bleib locker, dann wird das auch nicht weh tun. Manche genießen das Gefühl sogar." Rin hatte die Befürchtung, dass er nicht in die Rubrik gehören würde, doch erneut schien ihm sein Körper nicht gehorchen zu wollen als sich Aulak näherte und seinen Duft einsog.
 

"Ich bin mir sicher, sie wird nichts dagegen haben, wenn ich mir einen Schluck gönne. Ich wette du schmeckst wunderbar.", grinste er und näherte sich langsam, als würde er die Angst seiner Beute auskosten wollen, mit geöffneten Mund und ausgefahrenen Reißzähnen Rins Halsschlagader.
 

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Zum ersten Mal seit der Errichtung seines Palastes verfluchte Satan dessen Größe. Zwar konnten sie innerhalb weniger Sekunden auftauchen wo sie wollten, aber wenn man nicht wusste, wohin man muss, brachte das gar nichts. Sie hielten untereinander Kontakt via Telepathie, aber keiner hatte etwas gefunden. Scheinbar war der Entführer kein Dämon, denn dann hätte er sich einfach raus teleportiert.
 

Plötzlich spürte er wie Rins Präsenz aufflammte. Es war nur für einige Sekunden, aber es reichte aus um seine Position zu bestimmen. Die angespannte Körperhaltung seiner Söhne verriet ihm, dass auch sie es gespürt hatten. Sie sahen ihn fragend an, Satan nickte nur.
 

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Als sie endlich angekommen waren, bot sich ihnen einen Anblick, welcher ihnen mal wieder eine Herzattacke bescherte. Rin wurde von einem Mann an die Wand gepresst, jedoch wehrte er sich nicht sondern war vollkommen schlaff. Der Mann dagegen hatte sich über ihn gebeugt und als Satan erkannte, was er da vorhatte, reagierte er sofort.
 

Wissend, dass seine Flammen Rin nicht verletzen würden, schleuderte er dem verdammten Alukah eine Flammenwand entgegen. Dieser schien damit absolut nicht gerechnet zu haben, er war zu sehr in seinem Rausch. Die Flammen erfassten ihn und schleuderten ihn durch den Raum. Dort traf er auf den harten Steinboden und stand nicht wieder auf. Er war nicht tot, das wäre Satan zu schnell gegangen. Er würde sich später um dieses Insekt kümmern, sein Sohn war jetzt wichtiger. Auch die anderen Baal waren inzwischen angekommen. Iblis und Astaroth machten sich daran den bewusstlosen Eindringling zu fesseln. Satan erkannte ihn sofort. Aulak war einer von Liliths mächtigsten Anhängern gewesen, leider war er der Versieglung entgangen. Er war seitdem einer der meistgesuchtesten Verbrecher Gehennas. Jetzt konnten sie ihn endlich für seine Vergehen bestrafen. Er wandte sich von ihm ab und sah zu seinen anderen Söhnen hinüber.
 

Lucifer kniete neben Rin während Egyn sein ganzes 'Ich-mache-mir-Sorgen-Sprachrepertoire' durchratterte. Als Satan die Baal erreichte, sah Lucifer auf.
 

"Ihm geht es gut, er ist nur bewusstlos. Aber es scheint als wäre er geschlagen worden. Und er hat Würgemale am Hals" Sowohl Satans Blick als auch die der Baal versprachen Aulak Folter und Tod, aber das musste jetzt warten.
 

"Iblis, Astaroth. Ihr schafft den Kerl ins Verlies. Schickt danach Alastor zu mir. Egyn, hol Agares und Shax, sie sollen sich Rin nochmal ansehen. Der Rest von euch ruft die Wachen zusammen. Sagt euren Stellvertretern sie sollen die Familien der Getöteten benachrichtigen."
 

"Und was sollen wir ihnen erzählen?", hakte Amaimon nach.
 

Satan überlegte eine Sekunde. "Sagt ihnen, dass wir einen Eindringling hatten, er die Wachen getötet hat und momentan befragt wird."
 

Sie nickten und verschwanden um ihre ihnen zugeteilten Aufgaben zu erledigen. Satan hob Rin derweil vorsichtig hoch. Hoffentlich war das das letzte Mal, dass er ihn aus einer solchen Situation retten musste.
 

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Rins Schädel dröhnte. Ihm war übel, schwindlig und er fühlte sich wie gerädert. Außerdem war da dieser furchtbare Durst. Grummelnd zog er seine Decke über den Kopf um sich vor dem einfallenden Licht zu schützen.
 

'Kann mal jemand die Sonnen ausschalten?!'
 

Nach einigen Minuten herumliegen, musste er einsehen, dass er nicht mehr einschlafen konnte und die Sonnen nun mal leider nicht verschwinden würden. Warum waren die überhaupt da? War es nicht erst Abend gewesen?
 

Er kroch unter seiner Decke hervor und setzte sich auf. Aus irgendeinem Grund war das für ihn anstrengender als gedacht. Warum fühlte er sich so? War er schon wieder von Riesenspinnen angegriffen worden?!
 

Während er dasaß und vor sich hin grübelte, öffnete sich die Tür und Iblis betrat den Raum.
 

"Hey, du bist also wach. Ein Glück, dann hält Egyn endlich wieder die Klappe."
 

Verwirrt wollte Rin fragen, was passiert war, allerdings bekam er kein Wort heraus.
 

"Achso, du kannst nicht wirklich reden, oder? Hier." Iblis hielt ihm eine Flasche hin. Er konnte die Schrift darauf nicht lesen, doch es schien Wasser zu sein. Er zögerte zunächst es anzunehmen, doch dann siegte der Durst und er trank die Flasche leer.
 

"Danke.", murmelte er.
 

"Kein Ding." Iblis musterte seinen jüngeren Bruder eindringlich. "Wie geht es dir? Kannst du dich an irgendwas erinnern?"
 

Also war tatsächlich etwas vorgefallen. Bevor er jedoch antworten konnte, öffnete sich die Tür erneut. Diesmal betraten Astaroth und Egyn den Raum. Letzterer begann sofort zu brabbeln als er sah, dass Rin wach war.
 

"Rin! Oh mein Gehenna! Geht es dir gut?! Wir haben uns Sorgen gemacht!"
 

"Du hast dir Sorgen gemacht.", unterbrach ihn Astaroth.
 

"Du bist genauso aus dem Saal gestürmt!"
 

"Was auch immer. Gut, dass es dir besser geht, Kleiner."
 

Rin war überrumpelt. Seit dem Wald hatte er immer nur mit einem der Baal gesprochen, gleich drei waren etwas überwältigend. Und wen nannte Astaroth hier klein?! Gut, er war der Kleinste von all seinen Brüdern, aber er konnte nichts dafür, dass seine Mutter Japanerin war! Er war so in Gedanken versunken, dass ihm gar nicht auffiel, dass er die Dämonenkönige soeben im Stillen als seine Brüder bezeichnet hatte.
 

"Was ist passiert?", fragte er und zuckte beim Klang seiner Stimme ein wenig zusammen. Sie war leiser als sonst und krächzte etwas.
 

Die Baal wechselten einen Blick.
 

"Du kannst dich an nichts erinnern?", hakte Egyn nach.
 

Rin runzelte angestrengt die Stirn. "Ich war auf dem Flur, weil mir langweilig war und ich mich umsehen wollte...und dann...", er überlegte weiter, dann kam ihm in den Sinn was Aulak gerade tun wollte bevor er das Bewusstsein verlor. Sofort fuhren seine Hände an den Hals und tasteten nach Biss-Spuren. Zu seiner Erleichterung fand er keine.
 

"Keine Sorge, Vater hat eingegriffen bevor er dich beißen konnte. Warum finden wir dich eigentlich immer dann, wenn dich was fressen will?", fragte Astaroth.
 

"Das ist nicht witzig, Astaroth!", rief Egyn.
 

"Was denn? Ist doch so!"
 

"Was ist denn jetzt nun passiert?", drängelte Rin. Er wollte doch nur Antworten! Im Moment war es ihm sogar egal, dass er von einem Haufen Dämonen umgeben war, obwohl er vor kurzem noch deswegen durchgedreht wäre. Begann er vielleicht wirklich sie als Familie zu akzeptieren?
 

"Was war dieser Typ?!"
 

"Sein Name ist Aulak. Er ist ein Alukah, die Menschen würden ihn wohl als Vampir bezeichnen.", antwortete Egyn.
 

Gut, das erklärte zumindest einiges.
 

"Ihr wollt mir also erzählen, dass Vampire auch existieren?" Eigentlich überraschte es ihn nicht wirklich. Es gab ja auch Dämonenzüge, Geister und Riesenspinnen, also warum nicht?
 

"Na ja, er trinkt Blut, aber der Rest ist Quatsch.", begann Iblis. "Knoblauch? Vollkommen wertlos. Kreuze? Das kann man sich sonst wohin stecken. Sie brauchen keine Erlaubnis um Häuser zu betreten, können sich nicht in Fledermäuse verwandeln und sie schlafen nicht in Särgen. Oh, und sie glitzern auch nicht in der Sonne. Wer auch immer sich das ausgedacht hat...na egal."
 

Rin schwieg für einen Moment und versuchte alles zu verdauen.
 

"Und warum fühle ich mich als hätte mich ein Phantomzug überrollt?"
 

"Keine Sorge, klingt bald ab.", beruhigte ihn Astaroth. "Das sind nur die Nachwirkungen von seinem Einfluss. Ist so ähnlich wie ein..." Er hielt inne und wandte sich an die älteren Baal. "Wie nennen die Menschen das nochmal? Irgendwas mit hängen..."
 

"Hangover?", bot Egyn an.
 

"Das war's."
 

"Was für ein Einfluss?", hakte Rin vorsichtig nach. Er konnte sich schemenhaft erinnern von ihm an eine Wand gepresst worden zu sein. Mehrmals sogar. Alles danach erschien ihm jedoch wie ein böser Traum.
 

Iblis übernahm die Erklärung. "Alukah können ihre Opfer in gewisser Weise betäuben beziehungsweise ihren Verstand lahm legen. Sie vergessen dann so ziemlich alles über sich und um sie herum, sodass die Alukah dann mit ihnen machen können, was sie wollen. In der Regel verwenden sie es um zu verhindern, dass ihr Essen abhaut. Da du sehr hochrangig bist, hätte er eigentlich keinen Einfluss auf dich haben können, aber die Exorzisten haben dir ja nie das mentale Training gegeben." Er grinste. "Aber deine Sturheit hat dir den Arsch gerettet. Du konntest dich zumindest kurz von seiner Kontrolle befreien und wir konnten dich dadurch finden."
 

Rin schluckte. Ihm war noch übler als zuvor. "Warum wollte er mich beißen? Wollte er mich...töten?"
 

Astaroth schüttelte den Kopf. "Wenn sie das Blut von jemanden trinken, haben ihre Kräfte größere Auswirkung auf denjenigen. Schätze mal, er wollte einfach verhindern, dass du ihm noch mehr Ärger machst."
 

Super. Er musste verängstigt oder verstört ausgesehen haben, denn Egyn versuchte ihn hastig zu beruhigen. "Keine Sorge, er ist im Verlies und wird bald befragt. Er wird nicht nochmal in deine Nähe kommen."
 

Wie war er überhaupt reingekommen? Rin schob diese Frage beiseite und konzentrierte sich auf etwas wichtigeres.
 

"Er hat etwas von einer Meisterin erzählt. Wer ist das?" Er ließ vorsichtshalber aus, dass er ihr bereits im Traum begegnet war.
 

Egyn begann mit einer Haarsträhne zu spielen "Ich denke das sollte dir am besten Vater erklären-"
 

"Keine Chance!", fauchte Rin. "Der Bastard kann mich mal kreuzweise!"
 

Iblis massierte sich die Schläfen. Ob er sich das von Lucifer abgeschaut hatte? "Sieh mal, wir verstehen ja, dass ihr zwei in der Vergangenheit Probleme hattet-"
 

"Das ist die dreisteste Untertreibung des Jahrhunderts!" Gab es 'dreisteste' überhaupt? Egal, wenn nicht hatte Rin es soeben erfunden.
 

Der Feuerkönig wandte sich hilfesuchend an den Wasserkönig.
 

"Egyn, überzeuge du ihn!"
 

"Warum ich?!"
 

"Weil wir beschissen darin sind andere zu beruhigen! Du bist...einfühlsamer, schätze ich?"
 

"Ernsthaft!?"
 

Es klopfte an der Tür und Astaroth stand auf um sie zu öffnen, während Egyn und Iblis munter weiter zankten.
 

Rin hörte wie sich Astaroth leise mit jemanden unterhielt, doch bevor er hören konnte, warum es ging, kam plötzlich etwas durch die Tür gestürmt und ehe er sich versah, hatte er eine schwarze flauschige Kugel in seinem Gesicht kleben.
 

"RIN!", ertönte eine nur allzu vertraute Stimme in seinem Kopf.
 

"Kuro?!"

Eine Chance

Rin war seit seiner Ankunft in Gehenna davon ausgegangen, dass ihn nichts mehr überraschen würde. Es gab grüne Killer-Eichhörnchen, Riesenspinnen, menschenfressende Dämonen, Handyempfang und Wikipedia. Ehrlich gesagt würde es ihn nicht einmal mehr umhauen, wenn jeden Moment ein sprechendes geflügeltes Einhorn mit glitzernder Regenbogenmähne durch das Fenster krachen und die Titelmelodie von 'My little Pony' oder ein beliebiges Disney Lied singen würde.
 

Jedoch hätte er nie im Leben damit gerechnet je wieder ein vertrautes Gesicht aus Assiah zu sehen. Eigentlich war es naheliegend gewesen, immerhin war Kuro noch immer ein Dämon und stammte somit aus Gehenna. Nach Shiros Tod und Rins Verschwinden hatte er in der Menschenwelt niemanden mehr, weswegen es nur logisch wäre in seine eigene Welt zurückzukehren. Oder wie damals nach Shiros Tod Amok zu laufen und exorziert zu werden. Moment, das war doch hoffentlich nicht der Fall?!
 

"Rin, e-es tut mir so leid!", weinte Kuro. "W-wenn i-ich bei dir gewesen wäre, dann..." Seine Stimme brach ab und Schluchzer waren zu hören, während die Cait Sith laut weinend und klagend ihr Leid verkündete. Rin löste vorsichtig die Pfoten, welche seinen Kopf umschlungen hatten und umarmte das zitternde  Fellknäul. Er bemerkte kaum, dass Astaroth den Mund öffnete um etwas zu sagen, bevor Egyn ihm mit mehr Kraft als seine Körpergröße vermuten ließ, auf den Fuß trat und ihm einen eindeutigen 'Halt-jetzt-mal-die-Klappe-und-gönn-ihnen-die-paar -Minuten-Blick' zuwarf.
 

"Hey, es ist alles ok. Es war nicht deine Schuld." Der Halbdämon presste sein Gesicht in das schwarze Fell. Es wirkte irgendwie surreal. Er hatte seinen Freund sehr vermisst und jetzt war er plötzlich da. Irgendwo musste es bei diesem Glück doch einen Hacken geben! Während er jedoch mit Kuro knuddelte, beschloss er, dass ihn das vorerst nicht stören sollte. Er hat endlich einen Freund wieder, wenn nicht sogar seinen besten Freund also würde er diesen Moment verdammt nochmal genießen. Langsam schien sich Kuro zu beruhigen.
 

"Ich habe dich so vermisst.", murmelte er. "Ich bin froh wieder bei dir zu sein...und dass es dir gut geht!"
 

"Ebenfalls.", antwortete Rin leise und begann ihn hinter seinen kleinen Hörnern zu kraulen, was ihm ein zufriedenes Schnurren entlockte.
 

Der Nephilim sah auf und blickte die Baal fragend an. "Wie habt ihr ihn gefunden?"
 

Astaroth verdrehte die Augen. "Wie konnten wir ihn nicht finden? Er hat einen großen Teil des Marktplatzes zerlegt und einigen der Wachen ein Katzen-Trauma verpasst. Und ich dachte immer diese Phantomzüge wären übel..."
 

Kuro rollte sich schuldbewusst auf Rins Schoß zusammen. "Ich habe versucht dich zu finden..."
 

"Ich glaube wir geben euch beiden ein wenig Freiraum.", bot Egyn an. "Ihr habt sicherlich einiges aufzuholen."
 

"Aber-", setzte Iblis zum Prostest an.
 

"Nichts aber!", legte Egyn bestimmt fest, griff seine beiden Geschwister und begann sie aus dem Raum zu schleifen. Diese waren alles andere als begeistert und grummelten etwas in Gehennisch, ließen sich jedoch raus bugsieren. "Wir warten auf dem Flur, sag Bescheid wenn ihr soweit seid.", rief der Wasserkönig über seine Schulter und schloss die Tür.
 

Für vielleicht eine weitere Minute hielt Rin den kleinen Dämon einfach nur fest und umarmte ihn still. Er konnte sich nicht mal erinnern wann ihn das letzte mal jemand umarmt hatte. Ihm fiel nur dieses eine Mal mit Shiemi ein als er die Kontrolle verloren hatte, aber das wirkte fast schon bedeutungslos, so undankbar es vielleicht auch klang. Er konnte sich auch nicht erinnern wann ihn das letzte Mal jemand getröstet hatte, dieser Moment war folglich besonders für ihn. Er hatte den Verdacht eventuell etwas zu fest zuzudrücken, doch Kuro beschwerte sich nicht, sondern schmiegte sich an ihn. War es so offensichtlich, dass Rin das gerade brauchte? Wahrscheinlich.
 

Schließlich ließ er die Cait Sith wieder los, woraufhin dieser es sich erneut auf seinem Schoß bequem machte. "Wie hast du mich gefunden? Woher wusstest du überhaupt, wo ich war?", fragte Rin.
 

"Naja, als ich am Abend zurückgekommen bin, habe ich dich nirgends gefunden und überall war alles total durcheinander. Draußen und im Haus waren aber ganz große Energiespuren, die auf extrem mächtige Dämonen hingewiesen haben also dachte ich, dass bestimmt die Baal hier waren und draußen roch es nach Gehenna-"
 

"Warte, es roch nach Gehenna?", unterbrach Rin ihn verwirrt. Kuro nickte.
 

"Je mächtiger ein Dämon ist, umso mehr Spuren hinterlässt er. Die Gehennapforte hinterlässt noch mehr Energie, sodass wir immer spüren, wenn sich ein Portal in der Nähe öffnet oder dort eins war. Dort spürt und riecht man Gehenna."
 

Rin war sich immer noch nicht sicher, was Kuro genau mit 'riechen' meinte. Früher hätte er darauf getippt, dass es in der Hölle nach Schwefel und Feuer roch, aber dieses Klischee hatte sich als falsch herausgestellt. Er hatte bereits bei seiner Ankunft festgestellt, dass Gehenna sich anders anfühlte als Assiah, aber ein komplett anderer Geruch? Gut, es gab ein paar neue Düfte wie zum Beispiel von Pflanzen, welche in Assiah nicht existieren. Meinte er das? Er zuckte mit den Schultern. Es war eigentlich egal und Kuro interpretierte die Geste als Bitte fortzufahren.
 

"Am nächsten Tag ist dann auch Ukobach weg gewesen und hat all deine Sachen mitgenommen. Ich hatte keinen Grund mehr in Assiah zu bleiben und ich hätte es bestimmt gespürt, wenn du tot wärst also bin ich her gekommen um dich zu suchen." Er hielt kurz inne um sich eine neue Liegeposition zu suchen eh er fortfuhr.
 

"Ich dachte, dass wenn dich die Könige mitgenommen haben, du bestimmt hier sein musst, aber wenn man so unbedeutend wie ich bin, kommt man hier momentan kaum rein. Ich nicht mal in die Nähe des Palastes gekommen, aber ich konnte doch nicht aufgeben! Also habe...ich mich verwandelt und..." Kuro brach ab. "Ich wollte ja niemanden weh tun, aber ich musste dich finden und dann ist irgendwie alles immer schlimmer geworden." Er ließ beschämt den Kopf hängen. Rin wusste, dass der Cait Sith Unschuldigen niemals bewusst verletzen würde. Sein Verhalten zeigte nur, dass er sich sorgte.
 

"Schon in Ordnung.", beruhigte er ihn. "Ich bin nur froh, dass es dir gut geht. Warum haben sie dich dann doch rein gelassen?"
 

"Sie haben Lord Azazel geschickt. Den habe ich noch nie gesehen! Wir Cait Sith gehören zu seinem Gefolge, weißt du? Er nimmt sich übrigens auch immer für uns Zeit, wenn wir ein Problem haben und das obwohl wir eigentlich gar nicht wichtig sind! Und weißt du was?! Er hat mir sogar später den Kopf gestreichelt!" Rin konnte sein Grinsen nicht unterdrücken. So wie Kuro über Azazel redete, schien er eine Art Idol für ihn darzustellen. Andererseits war es wohl wirklich etwas besonderes, wenn man mal den Typen, der über einen herrschte persönlich traf. Nun, ihm sollte es recht sein. Azazel war eigentlich ganz in Ordnung. Wenn man mal die Drohung mit dem Anketten und seine offensichtliche Wikipedia-Obsession außen vor ließ. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder an seinen kleinen Freund.
 

"Lord Samael war auch bei ihm.", fuhr dieser fort. "Er hat mich erkannt und mir gesagt, dass es dir gut geht. Sie haben mir angeboten mich zu dir zu bringen. Ich wäre ja früher dagewesen, aber ich habe seit Tagen nichts mehr gegessen und es gab Katzenminze-Wein..."
 

Rin lachte. "Verstehe schon, mach dir keinen Kopf."
 

Kuro sah ihn neugierig an. "Erzählst du mir jetzt was alles bei dir passiert ist? Lord Astaroth hat erwähnt, dass du angegriffen wurdest..."
 

Rin nickte und erzählte seinem Freund die Ereignisse der letzten Tage. Wie ihn die Baal verschleppt hatten, von der Begegnung mit den Riesenspinnen sowie der Rettung durch seine Halbbrüder und Satan. Er ließ seine Begegnung mit Satan vorerst aus, da er sich gerade wirklich nicht daran erinnern wollte. Dafür erzählte er ihm so gut es ging von der Entführung und seiner erneuten Rettung. Kuro hörte aufmerksam zu bis Rin am Ende angekommen war.
 

"Ehrlich gesagt weiß ich immer noch nicht, was ich von all dem halten soll.", gab der Nephilim zu. "Vielleicht war diese Entführung auch nur ein Trick damit ich ihnen vertraue."
 

Kuro schüttelte daraufhin vehement den Kopf. "Nein! Aulak ist ein Verbrecher, der wurde schon gesucht, da war ich noch nicht mal geboren!"
 

"Du kennst ihn?"
 

"Vom hören. Er ist einer der schlimmsten Verbrecher Gehennas! Die meisten seiner Opfer sind Frauen und Kinder. Ich weiß nicht genau, was er sonst noch so gemacht hat, aber auf ihn ist sogar ein Kopfgeld ausgesetzt und ihn erwartet die Todesstrafe."
 

Großartig. Rin hatte mal irgendwo gehört, dass man ihn seinem Leben mehreren Psychopathen, Mördern und anderen Verbrechern begegnete ohne es zu wissen, aber er hatte die Statistik eindeutig weit überholt. Und er wusste, dass es Psychos waren, was es nicht unbedingt besser machte.
 

Wann war sein Leben so kompliziert geworden?! An Tagen wie diesen vermisste er sein Leben als er von diesem ganzen Dämonenkram noch nichts wusste. Shiro wäre am Leben, seine Beziehung mit Yukio wäre besser und er müsste sich keinen Kopf um verrückte Dämonen, chaotische Halbgeschwister und pyromanische Väter machen. Warum hatte er sich auch damals von Astaroth aus dem Kloster locken lassen? Andererseits hätte das wahrscheinlich nichts geändert, wenn er auf Shiro gehört hätte. Er bezweifelte, dass der Dämonenkönig aufgegeben hätte. Notfalls wäre er wahrscheinlich mit einem LKW durch die Wand gekracht, damit hatte er ja später kein Problem gehabt. Jetzt wo Rin so darüber nachdachte, fragte er sich, woher Astaroth überhaupt wusste, wie man Auto fährt. Wobei...die Dämonenkönige waren Jahrtausende alt, da hatten sie das sicher irgendwo aufgeschnappt. Es spielte ohnehin keine Rolle mehr.
 

"Rin?", fragte Kuro besorgt.
 

"Tut mir leid, ich war...", murmelte Rin als ihm ein Gedanke kam.
 

"Sag mal Kuro, was hältst du eigentlich von den Exorzisten?"
 

Der Cait Sith legte zwar den Kopf schief, antwortete jedoch. "Naja, ich mag sie nicht besonders. Welcher Dämon tut das schon? Sie sind immer so gemein zu dir und zu anderen Dämonen, auch wenn sie gar nicht böses wollen. Ich bin nur wegen Shiro und später wegen dir geblieben."
 

Rin musste widerwillig zugeben, dass Kuro nicht Unrecht hatte. Den Exorzisten war es schnuppe ob Dämonen friedlich waren oder nicht. Sie griffen alles an, was aus Gehenna kam.
 

"Und was denkst du über Satan und die Dämonenkönige?"
 

"Warum möchtest du das wissen?", fragte Kuro verwirrt.
 

Rin kaute nervös auf seiner Unterlippe. Konnte er das Kuro wirklich erklären? Schlussendlich beschloss er, es zu versuchen. Er erzählte von seinen erwachten Instinkten, welche darauf bestanden seine 'Familie' zu akzeptierten und sich ihnen scheinbar zugehörig fühlten. Er berichtete diesmal auch von seinem Treffen mit Satan und dass die Baal nun allen Ernstes verlangten, dass er sich von ihm alles erklären lassen sollte.
 

"Ich weiß, wie dämlich das klingen muss.", schloss er. "Aber ich habe keine Ahnung, wie zum Teufel ich mich verhalten soll. Ein Teil von mir sagt, dass ich mich bloß nicht auf sie einlassen soll, der andere sagt, dass ich ihnen eine Chance geben soll. Wie soll ich ihnen denn nach allem, was passiert ist, vertrauen?!"
 

"Warum solltest du das nicht?", fragte Kuro. Rin starrte ihn an. Bitte was?
 

"Sie haben dich vor den Riesenspinnen und Aulak gerettet. Keiner von ihnen hat jemals versucht dir weh zu tun, das kann man von den Exorzisten nicht behaupten. Sie akzeptieren dich, obwohl du Exorzist werden wolltest und ein Nephilim bist und das können nicht alle von sich behaupten. Viele aus den Adelsfamilien sehen auf Halbdämonen herab und sehen sie als Schande, weißt du?"
 

Rin dachte daran, wie sie ihm Wald vor den Spinnen beschützt hatten und Egyn jedes Mal durchdrehte wenn er in Schwierigkeiten war. Bei ihrem Besuch schienen auch Azazel, Iblis und Astaroth um ihn besorgt zu sein beziehungsweise waren erleichtert, dass es ihm gut ging.
 

Gedankenverloren wanderte sein Blick zu seiner Tasche, in welcher sich das Fotoalbum befand. Samael hatte die Bilder seiner Mutter jahrelang aufgehoben und sie ihm nun übergeben. Er konnte daraus keinen Nutzen ziehen, außer vielleicht zu versuchen sein Vertrauen zu erregen, aber er hatte das Gefühl, dass dem nicht so war. Klar, Samael war alles andere als perfekt. Er trieb Rin regelmäßig auf die Palme und er hätte ihn schon öfter allzu gern mit seinen Flammen bearbeitet. Dennoch hatte er ihm einiges zu verdanken. Er hatte ihn aufgenommen (und wenn man seiner Aussage Glauben schenken konnte, hatte er nie vor Rin zu töten) und ihn vor der Hinrichtung gerettet. Sicher, er könnte es einfach nur seiner Unterhaltung wegen getan haben, aber wenn jeder Dämon über diese Familieninstinkte verfügte, war das wohl nicht der einzige Grund gewesen.
 

Hach, verdammt sollten diese Impulse sein! Er wusste, dass die Pubertät nerven würde, aber die Hormone waren ein Scheißdreck gegen diese vermaledeiten Instinkte!
 

"Aber Satan hat Shiro getötet...wenn auch indirekt.", sagte er leise. Kuro war Shiros Begleiter gewesen, da würde ihn das doch wohl nicht kalt lassen!
 

"Ja, das stimmt.", erwiderte Kuro etwas niedergeschlagen. "Aber...ich verstehe warum er es getan hat." Rin starrte den Katzendämon an, wie damals seinen Mathelehrer als dieser von ihm verlangt hatte, die Eigenschaften von Vektoren aufzuzählen.
 

"Familie ist wichtig, wer will schon allein sein-"
 

"Aber Satan hat schon acht Söhne und die scheinen seinen Palast so oft anzuzünden, dass es inzwischen eine Art Running Gag geworden ist!", unterbrach Rin ihn frustriert.
 

"Du bist ihm aber genauso wichtig! Ich sage nicht, dass du dich sofort mit ihnen verstehen musst, aber gib ihnen wenigstens eine Chance. Ich habe keine Familie mehr außer dir. Du konntest deine Familie nie kennen lernen, also nutze die Gelegenheit! Ich würde alles geben um meine zurückzubekommen und....ich will dich nicht unglücklich sehen."
 

Kuro hatte keine Familie? Rin hatte nie wirklich darüber nachgedacht, ob er Verwandte hatte. Was wohl mit ihnen passiert war?
 

Es klopfte erneut an der Tür. "Ähm, ja...?"
 

Egyn betrat den Raum. "Tut mir leid euch zu stören, aber wir sollten langsam los. Du kannst - Kuro war es?- gerne mitnehmen, wenn du dich dann wohler fühlst."
 

Rin wusste nicht, was er sagen sollte und schwieg. Egyn seufzte. "Du bist dir immer noch unsicher, oder?"
 

Ehe der Jugendliche sich versah, hatte der ältere Dämon auch schon den Raum durchquert und setzte sich neben ihm auf das Bett. Rin spielte für eine Sekunde mit dem Gedanken, von ihm wegzurutschen doch sein Körper blieb wo er war. Na gut, dann halt nicht.
 

"Was ist los? Ist es wegen Vater?"
 

Das riss ihn aus seiner Stummheit. "Nein...ich meine ja...auch mit, aber das ist nicht alles...ARGH!" Irritiert fuhr er sich mit der Hand durch seine Haare und verbarg das Gesicht in den Händen. Ihm war nach heulen zumute, diese verdammte Frustration und Wut war überwältigend, aber er würde ganz bestimmt nicht vor einem der mächtigsten Dämonen Gehennas anfangen zu flennen! Er spürte wie Kuro ihn mit seiner Nase vorsichtig anstupste, aber er reagierte nicht. Dafür zuckte er zusammen als ihm der Dämonenkönig eine Hand auf die Schulter legte.
 

"Hey, es ist okay. Rede einfach mit mir."
 

"Was kümmert es dich?!"
 

"Haben wir nicht inzwischen deutlich gemacht, dass du uns wichtig bist?"
 

Rin schwieg erst, schnaubte dann jedoch. "Klar, sag das nochmal Amaimon und Samael, dann haben sie was zu lachen."
 

"Gut, ich gebe zu, die beiden sind schwer zu durchzuschauen. Sie sorgen sich allerdings genauso um dich, sie haben nur eine ungewöhnliche Art es zu zeigen."
 

"Das ist nett formuliert.", knurrte Rin. Er bemerkte, dass Egyns Hand noch immer auf seiner Schulter lag, aber er schob sie nicht beiseite. Es beruhigte irgendwie.
 

"Ich verstehe, dass das alles ziemlich überwältigend ist. Du weißt erst seit einigen Monaten von deiner Herkunft, musstest zusehen wie dein Ziehvater sich das Leben genommen hat, wurdest beinahe vom Vatikan getötet und ich schätze, wir haben dich überrumpelt und nach Gehenna geschliffen.", fuhr Egyn fort. "Aber ich verspreche, wenn du uns und Vater eine Chance gibst, werden wir dir dabei helfen deine Dämonenhälfte in den Griff zu bekommen und alles zu verstehen. Nur der Rat weiß momentan, dass du hier und ehemaliger Exorzisten-Adept bist, du musst dich also nicht gleich den Massen stellen." Er stand auf und hielt Rin die Hand hin. "Also was sagst du?"
 

Der Halbdämon zögerte. Seine Hand zu nehmen, bedeutete alles bisher geschehene zurückzulassen und sich nicht nur auf Dämonen sondern auch auf den Gott der Dämonen, Satan selbst einzulassen. Der Alte würde im Grabe rotieren, wenn er davon wüsste. Er dachte daran, was Kuro gesagt hatte.
 

'Es tut mir leid, aber...ich will endlich die Wahrheit wissen.' Damit ergriff er die Hand seines älteren Halbbruders, welcher ihn auf seine Füße zog und anlächelte. "Schön dich hier zu haben, kleiner Bruder."  
 

Dieser nickte nur und drehte sich zu Kuro um. "Kommst du mit?"
 

Kuro sprang auf seine Schulter. Das war wohl ein ja.
 

"Gehen wir. Lucifer dreht durch, wenn wir seinen Zeitplan durcheinander bringen."
 

Draußen warteten noch immer Astaroth und Iblis, offensichtlich ziemlich gelangweilt. Astaroth lehnte an der Wand mit einen Dolch in der Hand und rieb ihn mit irgendetwas ein. Iblis saß am Boden, ein Messer -wesentlich kleiner als Astaroths Dolch- haltend und schliff es.
 

Sie sahen auf als Rin und Egyn auf den Flur traten.
 

"Müsst ihr sowas immer auf dem Flur machen?", fragte Egyn ein wenig erschöpft klingend. "Die Diener denken immer, ihr wollt sie gleich abstechen."
 

"Ich habe die Klinge grad poliert also Nein, Danke.", antwortete Astaroth trocken.
 

"Gehen wir einfach.", seufzte Egyn. Astaroth ließ den Dolch in seinem rechten Ärmel verschwinden, während Iblis sein Messer in seinen linken Stiefel schob.
 

Der König der Fäulnis bemerkte Rins verwirrten Blick und schob den Ärmel hoch. Dort entdeckte der Halbdämon ein Unterarmholster.
 

"Wir haben immer mindestens eine Waffe griffbereit. Wir verstecken sie aber, damit nicht gleich jeder weiß wie viele und wo sie sind."
 

"Ist das wirklich nötig?", fragte Rin vorsichtig.
 

"Tja, du weißt nie wann und wo dich wer umbringen will, also klar.", antwortete Iblis und stand auf.
 

Sehr beruhigend.  
 

Iblis Blick fiel auf Kuro. "Du nimmst den Flohsack also mit?"
 

"Flohsack?!"
 

Rin starrte den Feuerkönig wütend an, dieser zuckte mit den Schultern. "Wäre es nach mir gegangen hätten wir ihn am Spieß-"
 

"Okay, wir sollten jetzt wirklich los.", fuhr Egyn schneidend dazwischen und schob Rin vorwärts.
 

Hoffentlich würde er seine Entscheidung nicht bereuen.
 

..............................................................
 

'Wie groß ist dieser Palast denn bitte?', fragte sich Rin kopfschüttelnd. 'Die Bude ist riesig...'
 

Sie waren jetzt schon mindestens zehn Minuten unterwegs, er selbst hatte den Überblick schon nach den ersten drei verloren. Überall waren Gänge, Abzweigungen, Treppen und Türen. Die True Cross-Akademie war schon riesig gewesen, wirkte allerdings im Vergleich zu Satans Zuhause fast wie eine Hundehütte. Die Baal schienen jedoch zu wissen, wo sie hingingen. Ohne sie würde Rin nicht einmal mehr den Weg zu seinem Zimmer finden. Da er diesmal klar bei Verstand war und sich um keinen Psycho-Vampir (Er hatte schon wieder vergessen, wie die in Gehenna hießen. Irgendwas mit einem 'A', oder?) Sorgen machen musste, nutzte er die Gelegenheit um sich in Ruhe umzusehen. Während die Gänge in der letzten Nacht leer waren, herrschte tagsüber reger Betrieb. Überall liefen Bedienstete und Wachen umher. Ihm fiel auf, dass auch mehrere Frauen darunter waren. Manche von ihnen sahen relativ zierlich aus, aber er etwas sagte ihm, dass das für sie kein Problem darstellte.
 

Die Bediensteten ließen sich davon nicht stören und gingen ihrer Arbeit nach, während sie miteinander plauderten und gelegentlich lachten. Rin war überrascht wie humanoid die meisten aussahen. Gut, einige hatten etwas schuppigere Haut als normal oder Hörner und ein Mädchen hatte einen Schlangenschwanz statt Beine, aber es war nichts was einem Albträume bereitete. Eine Dämonin welche sich mit einer der Wächterinnen unterhielt, zuckte zusammen als sie die Dämonenkönige entdeckte und fuhr hastig damit fort den Boden zu schrubben bevor sie ihre zweifelslos nicht gestattete Pause mitbekamen. Rin musste ein Grinsen unterdrücken. Vielleicht waren Menschen und Dämonen wirklich nicht so unterschiedlich, wie er immer geglaubt hatte.
 

Dennoch fühlte er sich irgendwie nicht wohl in seiner Haut. Die Dämonen verneigten sich vor den Baal, wenn sie vorbei gingen, aber er spürte stets ihre teilweise neugierigen, teilweise misstrauischen Blicke. Egyn hatte gesagt, dass sie nicht wussten wer er war, für wen hielten sie ihn also? Wahrscheinlich fiel es sofort auf, dass er hier neu war. Leider konnte er ihr Getuschel nicht verstehen. Er bekam allmählich das ungute Gefühl Gehennisch lernen zu müssen, wenn er nicht alles verpassen wollte. Mist. Englisch war schon schlimm genug! Seine Englischlehrerin war schon am verzweifeln gewesen...
 

Nachdem endlich Treppe Nummer zwölf, welche 68 Stufen hatte, (Ja, Rin hatte mitgezählt. Es war es nicht wert gewesen.) hinter ihnen lang und sie einen weiteren Gang betraten, schienen sie endlich an ihrem Ziel angekommen zu sein. Sie standen vor einer schwarzen Doppeltür.
 

"Scheint als wäre Vater noch nicht hier.", stellte Iblis fest.
 

"Woher weißt du das?", fragte Rin.
 

"Familienmitglieder haben eine Verbindung untereinander, darum können wir uns gegenseitig aufspüren. So haben wir dich auch gefunden als dich Aulak entführen wollte. Normale Dämonen können es auch spüren wenn wir oder Vater in der Nähe sind, aber wir können unsere Präsenzen auch vor ihnen verstecken.", antwortete Egyn.
 

Toll. Noch mehr zum lernen.
 

"Übrigens sind unsere Brüder nicht die Einzigen hier, also halte dich erst mal zurück. Besonders wenn es um die Exorzisten geht.", fügte Astaroth hinzu. Bitte was?! Bevor Rin fragen konnte, wen er meinte, stieß der Fäulniskönig bereits die Tür auf.
 

Der Raum dahinter war riesig und schien eine Art Speisesaal zu sein. Die dunkelblauen bodenlangen Vorhänge waren zugezogen, sodass ein Kamin als die einzige Lichtquelle diente. Dieser war groß genug, dass Samael darin problemlos stehen könnte. Blaues Feuer brannte darin. An den Wänden hingen weitere Bild und verschiedene Banner mit je neun verschiedenen Symbolen. Er erkannte diese als die Symbole in dem Bannkreis aus seinem Traum wieder. Er musste wirklich fragen, was es damit auf sich hatte. Eine lange schwarze Tafel stand in der Mitte des Raums, darum herum schwarze Hochlehner-Stühle. Dort saßen die restlichen Baal, Shax, Agares und fünf weitere ihm unbekannte Personen. Bis auf Azazel sahen sie alle auf, er selbst starrte weiterhin auf seinen Laptop.
 

Rin wäre am liebsten umgekehrt, doch freundlich wie Astaroth war, schob er ihn einfach ins Zimmer bevor er den Rückzug antreten konnte.
 

"Wow, so viele Ratsmitglieder auf einem Haufen, habe ich ja noch nie gesehen!", kommentierte Kuro. Rin hoffte, dass nur er das hörte, denn er spürte ihre bohrenden Blicke.
 

'Warum habe ich das nochmal für eine gute Idee gehalten?'
 

Schlussendlich war es Lucifer, welcher diese äußerst unangenehme Stille durchbrach.
 

"Schön, dass ihr da seid. Vater ist noch unterwegs, es gab...Komplikationen. Er kümmert sich bereits darum-"
 

"Ich spüre ein 'aber' in der Größe eines Höllenhundes.", unterbrach Iblis ihn scharf.
 

Erneut herrschte schweigen, bis Amaimon ungerührt antwortete: "Aulak ist abgehauen."
 

"WAS!?", grollten Astaroth und Iblis gleichzeitig.
 

"Wie ist das denn passiert?! Wir haben ihn verdammt nochmal angekettet!", fauchte Astaroth.
 

"Jemand hat ihn befreit. Die Wachen wissen von nichts, Vater dürfte die grad rund erneuern.", murmelte Azazel, noch immer ohne aufzusehen.
 

"Klasse. Als wäre diese Woche nicht beschissen genug gewesen!", knurrte Iblis.
 

Rin konnte da nur aus ganzem Herzen zustimmen. Der Gedanke, dass dieser Psycho auf freiem Fuß war, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.
 

"Ich bin sicher, dass wir ihn bald fassen werden.", mischte sich Agares ruhig ein. "Weit wird er nicht kommen, überall sind die Wachen verdoppelt."
 

Die anderen wirkten nicht überzeugt, doch Lucifer wechselte schnell das Thema und wandte sich an Rin.
 

"Tut mir leid, wir haben dich ziemlich übergangen, oder? Shax und Agares kennst du ja bereits." Er nickte zu den beiden Heilern hinüber, die Rin aufmunternd zulächelten.
 

Lucifer deutete auf den Mann ihm Gegenüber. "Das ist Paymon. Er ist meine rechte Hand."
 

"Freut mich sehr Euch kennen zu lernen, junger Prinz.", sagte dieser mit einem freundlichen Lächeln.
 

Er war ungefähr so groß wie Lucifer und hatte lange blond Haare sowie goldene Augen. Auf den ersten Blick, wäre er nie als Dämon durchgegangen. Er erinnerte eher an einen Elben aus 'Herr der Ringe', von den Reißzähnen mal abgesehen.
 

"Ähm...freut mich auch.", erwiderte Rin etwas zurückhaltend. "Aber 'Rin' und 'du' reicht." Für ihn war es nach wie vor merkwürdig mit einem solchen Titel angesprochen zu werden. Es war schon seltsam gewesen bei Vorstellungsgesprächen gesiezt zu werden. Adelstitel waren da noch unangenehmer.
 

"Na gut.", lachte Paymon. "Aber dann duze mich bitte ebenfalls."
 

"Deal."
 

"Gut, dann haben wir als nächstes Berith. Er ist Samaels rechte Hand und mehr oder weniger für Spionage und verdeckte Aktionen verantwortlich. ", fuhr Lucifer fort.
 

"Sehr erfreut.", grinste dieser.
 

"Ebenfalls..." Das war eine Lüge. Irgendwas an Berith beunruhigte Rin immens. Er war von Samael einiges gewohnt, doch dieser Kerl brachte 'nicht vertrauensaussehend' auf ein ganz neues Level. Er beschloss lieber Abstand zu halten.
 

"Als nächstes haben wir...wo ist sie denn überhaupt?"
 

"Hier.", antwortete eine Frauenstimme und eine Dämonin trat aus den Schatten. Rin riss die Augen auf als er sie erkannte.
 

"Vaya?!"
 

Die Dämonin hob eine Augenbraue. "Mein Name ist Ankou, Vaya ist meine kleine Schwester. Ich bin die Generalin von Lord Azazels Armee."
 

Hoppla. Ob sie ihm die Verwechslung übel nahm?
 

"Entschuldigung..."
 

Ankou winkte ab. "Schon in Ordnung, du konntest es nicht wissen." Sie ließ sich zwischen Shax und Agares nieder. Rin fiel auf, dass der Sitz zwischen ihr und Agares leer bleib. Wahrscheinlich saß dort Beelzebubs rechte Hand. Moment...es waren nur noch drei weitere Personen im Zimmer, es war einer zu wenig oder verbarg sich noch jemand in den Schatten?
 

Er spürte, wie ihn Ankou weiterhin beobachtete. Es lag keine Feindseligkeit darin, eher Vorsicht. Wahrscheinlich weil er ehemaliger Exorzisten-Anwärter war. Na gut, das war verständlich.
 

"Als nächstes kommt Halphas.", merkte Lucifer an. "Er gehört zu Iblis. Daneben haben wir Tap, Amaimons Stellvertreter."
 

Halphas war groß, gut durchtrainiert und hatte gebräunte Haut. Seine orange-roten Haare waren kurz, seine Augen golden. Besonders markant war die Narbe über seinem Auge, welche aussah als wäre sie von Krallen verursacht worden und eine rote Drachen-Tätowierung am Hals. Er trug eine schwarz-goldene Rüstung und sah Rin mit einer Mischung aus Misstrauen, Zweifel und Abneigung an. Tap dagegen wirkte eher neugierig. Seine Haare waren grün und kurz, seine Augen braun.
 

Rin wusste nicht wirklich wie er reagieren sollte, also nickte er ihnen einfach zu.
 

"Und zum Schluss haben wir Amon, er gehört zu Astaroth.", schloss Lucifer.
 

Amon verpasste Rin den selben Blick, welchen er bereits von Halphas bekommen hatte. Seine Haare waren ebenfalls kurz und hellgrau mit dunkelgrauen Spitzen. Auch seine Augen waren grau, über dem linken verlief eine schwarze Tätowierung. Er trug eine Rüstung, welche stark an Astaroths Rüstung aus seiner Vision erinnerte. Er nickte Rin kurz, aber dennoch hatte er das Gefühl, dass Halphas und er ihm die grausamsten Tode an den Hals wünschten.
 

"Hat Beelzebub keine rechte Hand?", fragte er vorsichtig. Er bemerkte zu spät, dass Egyn eine abschneidende Geste über den Hals machte, die ihm sagte lieber still zu sein, aber es war zu spät.
 

Das Gesicht des Insektenkönig verriet keine Emotionen, aber Rin meinte seine Hände leicht zittern zu sehen. "Er ist durch ein Giftattentat kurz nach deiner Ankunft gestorben."
 

Oh. Super Rin. Von allen Fragen die du hättest stellen können...
 

"Kommt Alastor eigentlich auch?", fragte Egyn um es zu überspielen.
 

Halphas wandte sich von Rin ab und schüttelte den Kopf. "Er ist zurück zum Tartaros. Er wollte noch diese Blutjäger befragen."
 

"Na, immerhin etwas.", murmelte Samael, welcher untypischerweise bisher geschwiegen hatte. Hatte er schlechte Laune? Rin hätte nicht gedacht, das je zu erleben.
 

"Ist wohl besser so. Satan war ziemlich sauer auf ihn wegen seiner Kommentare während des Ratstreffen.", warf Shax ein.
 

"Mich wundert es, dass er die Fassung bewahrt hat...", murmelte Ankou.
 

"Was soll er denn tun? Alles abfackeln?", fragte Azazel.
 

"Hätte ich an seiner Stelle längst getan. Könnt ihr euch das vorstellen? Nie wieder Ratstreffen!", grinste Iblis.
 

"Und ein Haufen wütender Adliger.", gab Beelzebub zu bedenken.
 

"Oh bitte, die könnte er gleich mit einäschern, wenn er wollte.", schnaubte Amon.
 

Rin hatte keine Ahnung mehr worum es ging, aber eine Sache interessierte ihn besonders. "Wer ist Alastor?"
 

"Jemand um den du einen großen Bogen machen solltest.", antwortete Paymon. "Er ist Satans rechte Hand, sein oberster Vollstrecker und nicht gut auf dich zu sprechen."
 

"Da ist er nicht der Einzige.", murmelte Amon in Gehennisch, woraufhin ihm Tab unter dem Tisch einen unauffälligen Tritt verpasste.
 

Bevor irgendjemand etwas hinzufügen konnte, öffneten sich erneut die Türen und Satan betrat den Raum.
 

'Und los geht der Spaß.'

 

Geschichtsstunde

Rin hatte sich geirrt. Er konnte noch immer überrascht werden. Er wusste ja, dass er Zeit mit Satan verbringen musste, wenn er seiner Familie eine Chance geben und Antworten haben wollte. Dennoch reichte sein bloßer Anblick aus, um ihn in Schockstarre zu versetzen.
 

'Vielleicht war das doch eine miese Idee...ob es schon zu spät ist abzuhauen?', überlegte Rin ein wenig verzweifelt. Andererseits warteten Halphas und Amon wohl auf eine solche Gelegenheit und er würde ein Messer im Rücken haben bevor er die Tür erreichte. Noch eh er darüber debattieren konnte, ob es das Risiko wert war oder nicht, standen die Dämonenkönige und ihre Vertreter auf. Da er mit dem Rücken zu ihnen stand, konnte er nicht sehen, ob sie stehen blieben, sich verneigten oder gar niederknieten. In Japan würde man sich wohl verbeugen, aber er konnte kaum japanische Gepflogenheiten mit den Bräuchen in Gehenna vergleichen. Abgesehen davon war er nie gut mit formellen Zeug gewesen.
 

Falls Satan überrascht war, dass er sich im Raum befand oder sauer, weil er nicht entsprechend reagierte, ließ er es sich nicht anmerken. Er nickte den Dämonen kurz zu. Also schienen sie entweder zu stehen oder sich zu verneigen. Wären sie niederkniet, hätte er ihnen sicher mit einer Handbewegung bedeutet wieder aufzustehen. Richtig?! Woher sollte er das bitte wissen?!
 

Der Dämonengott sagte etwas in Gehennisch, woraufhin Paymon und seine Kollegen eine kurze Antwort gaben. Scheinbar hatte er sie entlassen, denn sie verließen den Raum und gaben der königlichen Familie (plus Kuro) Privatsphäre.
 

Als endlich die schweren Türen zufielen, wandte sich Satan an Rin. Schluck. Solange die Dämonenkönige im Raum waren, würde er doch nicht wieder an eine Wand gepresst werden, richtig?
 

"Ich hätte ehrlich gesagt nicht damit gerechnet dich so schnell wieder zu sehen.", begann der Dämonenherrscher ruhig.
 

'Dafür, dass einer der meistgesuchtesten Verbrecher Gehennas abgehauen ist, ist er ziemlich gefasst. Na mir soll's recht sein.'
 

Er verschränkte die Arme. "Ich bin bereit euch allen eine Chance zu geben und mir anzuhören, was ihr zu sagen habt. Ich bin aber noch nicht bereit alles zu verzeihen.", antwortete er mit fester Stimme, jedoch klang er mutiger als er sich fühlte. Im Moment erschien er wie ein kleines Kind, welches sich vor einem Haufen Erwachsener rechtfertigen musste.
 

"Ich schätze das ist fair.", erwiderte Satan. Er nickte in die Richtung der Tafel. "Setze dich am besten. Es gibt einiges zu bereden."
 

Etwas zögerlich wandte sich Rin um und ging auf den Tisch zu. Die Dämonenkönige wechselten bereits die Position. Auf beiden Seiten standen je zehn Stühle, an den jeweiligen Kopfenden einer.
 

Lucifer stellte sich vor den Stuhl rechts vom Kopfende, neben ihm stand Samael, dann Azazel und Beelzebub. Links stand Egyn gefolgt von Iblis (war es wirklich eine gute Idee die zwei nebeneinander zu setzen?), Amaimon und Astaroth. Rin war sich etwas unschlüssig, wo er sich setzen sollte. Es schien nach dem Alter sortiert zu sein, aber er war sich nicht hundertprozentig sicher. Glücklicherweise bemerkten die Dämonenkönige seinen fragenden Blick woraufhin Astaroth eine knappe Kopfbewegung zum Stuhl neben ihm machte. Also tatsächlich nach dem Alter. Rin stellte sich vor den Stuhl und wartete, es hatte ja bestimmt einen Grund, dass sich seine Halbbrüder nicht hinsetzten. Das stellte sich als richtig heraus. Erst als sich Satan am Kopfende niederließ, folgten seine Söhne dem Beispiel.
 

'Na immerhin eine Sache, die ich nicht vergeigt habe. Andererseits dürften sie ja wissen, dass ich von diesem Kram keine Ahnung habe, also würden sie wohl über Fehler hinwegsehen. Hoffe ich.' Kuro ließ sich derweil auf Rins Schoß nieder und schmiegte sich an ihn. Seine Anwesenheit war auf jeden Fall beruhigend.
 

"Gut, wenn Azazel sich endlich vom Bildschirm losreißen würde, könnten wir ja beginnen.", merkte Satan scharf an. Der Geisterkönig sah auf. Anscheinend hatte er sich sofort nach dem hinsetzen wieder seinem Laptop zugewandt.
 

"Du wolltest doch, dass ich die Liste lösche und die Konten sperre..."
 

"Aber nicht jetzt."
 

Azazel grummelte etwas vor sich hin, klappte den Laptop jedoch zu und lehnte sich mit verschränkten Armen im Stuhl zurück.
 

"Also...", begann Rin etwas unsicher. "Erklärt mir jetzt mal wer, warum ich fast von einem Vampir-"
 

"Alukah.", korrigierte ihn Beelzebub.
 

"Und wenn es ein Zombie wäre, egal! Was wollte er von mir?!"
 

"Deine Flammen.", antwortete Satan. Er hielt kurz inne bevor er eine von Rin unerwartete Frage stellte: "Sagt dir der Name 'Lilith' etwas?"
 

Rin dachte angestrengt nach, er hatte diesen Namen schon mal in Assiah gehört, aber wenn er sich nicht täuschte immer im Zusammenhang mit irgendwelchen Filmen, Serien oder Videospielen. Die war sicher nicht gemeint?
 

"...Nicht wirklich....?", antwortete er zögerlich. "Ich kenne sie als Fantasiefigur, aber sonst..."
 

"Fantasie ist sie leider nicht, sie existiert.", seufzte der Dämonengott. "Im alten Orient war sie eine Göttin. Im Christentum wird sie soweit ich weiß kaum erwähnt, aber dafür im Judentum. Sie galt als erste Frau Adams, wollte sich ihm allerdings nicht unterwerfen und floh bis sie auf Samael traf und so weiter und so fort. Ich spare es mir einfach, denn das ist mehr oder weniger kompletter Schwachsinn. Heutzutage gilt sie als Mutter der Vampire, Hexen, Dämonen und so weiter. Sie ist doch inzwischen ziemlich beliebt bei den Sterblichen, oder?" Die Frage war an Samael und Lucifer gerichtet.
 

Lucifer nickte. "Mehr oder weniger. Sie verwenden sie oft in den Medien und sie sind immer noch der hartnäckigen Überzeugung, sie und Samael wären Liebhaber gewesen."
 

Samael verzog das Gesicht. "Erinnere mich nicht daran..."
 

Die anderen Dämonenkönige grinsten, offensichtlich fanden sie es mehr als komisch.
 

"Wie auch immer. Liliths Darstellungen sind nicht korrekt, aber eine Sache trifft zu: sie war die erste Frau, nicht für die Menschen sondern die Dämonen. Man könnte sie sozusagen als eine Dämonengöttin bezeichnen, in gewisser Weise mein Gegenstück, aber sie ist bei weitem nicht so mächtig und besitzt auch die Flammen nicht, welche nun einmal nötig sind um Gehenna zu regieren und überhaupt am Leben zu erhalten."
 

"Am Leben erhalten?", fragte Rin verwirrt. Dass Satans Flammen mächtiger waren als alles andere wusste er, aber was hatte das mit Gehenna zu tun?
 

"Gib ihm bitte einfach die Kurzfassung, sonst sitzen wir hier noch ne Woche rum.", nuschelte Azazel und gähnte. War er etwa schon wieder müde?!
 

Satan warf ihm einen strafenden Blick zu, eher er sich an wieder an den Nephilim wandte. "Wie du vielleicht weißt, ist Gehenna in neun Herrschaftsgebiete unterteilt. Acht für deine Brüder auch wenn ich jederzeit eingreifen kann, wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin. Ich selbst regiere den mittleren und ältesten Teil, die Hauptstadt. Mein Palast ist das Herz Gehennas oder besser gesagt, das was darunter ist."
 

Rin nickte. Das klang logisch. Irgendwie.
 

"Als ich damals entstanden bin, gab es nur das Gebiet, welches später zur Hauptstadt wurde und einen tiefen Abgrund. Wir nennen ihn 'Helheimr'. Dort brannten die ersten blauen Flammen aus denen ich geboren wurde. Diese brennen bis heute. Gehenna selbst ist nicht einfach nur unsere Heimat, sondern gewissermaßen lebendig. Es wächst, es braucht Energie und diese Energie zieht es aus den Flammen. Ich bin damit verbunden, solange ich also lebe, brennen sie. Wenn ich sterbe, werden die Flammen allerdings erlöschen und Gehenna wird eingehen."
 

"Die Flammen halten ganz Gehenna am Leben?", hakte Rin nach. Dieser Gedanke war mehr als befremdlich.
 

"Nicht nur das. Ohne diese Flammen, hätte ich nie die Dämonen schaffen können. Auch sie zerren ihre Kräfte daraus. Vielleicht sind dir schon die blauen Leuchtkristalle in den Zimmern aufgefallen. Sie ziehen ihre Energie ebenfalls daraus. Ich schätze du kannst es dir so ähnlich wie bei der Elektrizität in Assiah vorstellen."
 

"Also sind diese Flammen eine Energiequelle für das komplette Leben in Gehenna?"
 

"Genau."
 

Rin saß für einige Sekunden schweigend an und versuchte das Gehörte zu verarbeiten. Gut, es war verständlich, dass die Dämonen ihre Kräfte von irgendwo her beziehen mussten, aber dass es ausgerechnet von den Flammen war...wobei es Sinn machte.
 

"Und wo genau ist dieser Abgrund?"
 

"Unter uns. Es gab damals ein starkes Beben, welches ihn teilweise hat einstürzen lassen. Inzwischen ist es eine Höhle, in die nur wir oder Ratsmitglieder reinkommen. Ich habe nach dem Erdbeben den Palast direkt darüber errichten lassen um zu verhindern, dass jeder Volltrottel versucht dorthin zu gelangen. Aber zurück zu Lilith."
 

Oh richtig. Rin hatte sie vollkommen vergessen. Wenn er weiterhin den Faden verlor, würde das noch lustig werden. Andererseits waren das ein Haufen neuer Informationen, die ihm da vorgesetzt wurden. Das war als würde man ihm ein Geschichtsbuch an den Kopf werfen und vom ihm verlangen, über Nacht alles komplett auswendig zu lernen.
 

"Wie bereits erwähnt, war Lilith die erste Dämonin. Während ich die Dämonen erschuf, wollte auch sie ihre eigene Rasse kreieren. Das funktionierte natürlich nicht, also war sie gezwungen sich meine Dämonen zum Vorbild zu nehmen und ich musste ihr etwas unter die Arme greifen. Sie schuf vier verschiedene Rassen: die Rakshasa, die Naga, die Alukah und die Moroi. Die Alukah kennst du ja bereits."
 

Rin erschauderte. "Ja und ich bin nicht scharf auf ein zweites Treffen."
 

"Tja...", begann Beelzebub. "Das wird sich kaum vermeiden- Autsch!" Er zuckte zusammen und griff sich ans Bein. "Wer war das?!" Sein Blick fiel auf Egyn, welcher ihn mit Unschuldsmiene ansah. Saß er nicht viel zu weit weg um in Frage zu kommen?
 

Satan verdrehte nur die Augen eh er fortfuhr. "Rakshasa sind Gestaltwandler und können sich in jede Person verwandeln, die sie wünschen sowie deren Stimme kopieren. In der Regel suchen sie sich allerdings nur eine oder eine Handvoll Personen."
 

"Warum denn das?"
 

"Weil sie sich viel Zeit zum beobachten nehmen.", antwortete Lucifer. "Wenn man die Identität einer Person annehmen will, reicht es nicht das Aussehen und die Stimme zu kopieren. Man muss wissen wie sich die Person verhält, wie sie spricht, was für eine Beziehung sie mit anderen hat...sogar Körperhaltung und die Art wie man geht, können wichtig sein."
 

"Oder du hast das Glück ganz clevere Typen zu erwischen, die sich in die Personen verwandeln, die du hast sterben sehen. Sie gucken dann immer ganz doof, wenn man sie durchschaut.", lachte Astaroth.
 

"Bezüglich Intelligenz solltest du dich vielleicht zurückhalten Astaroth.~", warf Samael ein wenig gehässig ein.
 

"Das hast du gerade nicht gesagt!"
 

"Und ob.~", kam die selbstgefällige Antwort. "Du kannst nicht leugnen, dass es stimmt.~"
 

"Denkt. Nicht. Mal. Dran.", knurte Satan gefährlich. Astaroth schnaubte nur und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück, zwischendurch warf er dem Zeitkönig mörderische Blicke zu. Dieser erwiderte seinen Blick mit einem herablassenden Grinsen.
 

'Was ist denn mit Samael los?', fragte sich Rin verwundert. Er zog zwar gerne über andere her und verspottete sie, aber das gerade eben wirkte irgendwie anders. Hatte er vielleicht wirklich schlechte Laune? Er fragte lieber nicht nach. Er hatte Ankou und Beelzebub schon ungewollt vor den Kopf gestoßen, da musste er das nicht nochmal machen.
 

Da kein neuer Streit auszubrechen schien, wandte sich sein Vater (es war seltsam ihn so zu nennen) wieder an seine Erklärung. "Moroi sind ebenfalls Gestaltwandler, können sich jedoch nur in Tiere verwandeln, was recht schmerzhaft ist. Sie sind übrigens der Hauptgrund für diese ganzen Werwolf-Geschichten in Assiah."
 

Alles klar, nette Nebeninfo. Aber eine Frage brannte dem ehemaligen Adepten nun doch auf der Zunge.
 

"Du hattest Naga erwähnt. Ich dachte die gehören zu Amaimon?" Der Dämonengott nickte.
 

'Ha! Von wegen ich passe nie auf! Nimm das Bon!' In dem Moment zog sich sein Magen zusammen. Er hatte zwar beschlossen seiner Familie eine Chance zu geben, aber er vermisste noch immer seine Freunde und er bezweifelte, dass man ihm erlauben würde sie zu besuchen.
 

"Naga gehören zu Amaimon, jedoch sind sie keiner meiner Schöpfungen. Lilith hat sie damals aus Erde geschaffen. Sie sind Schlangendämonen und können zwischen einer humanoiden und Schlangenform wechseln oder etwas dazwischen wählen." Rin dachte sofort an die Dämonin, welche er vorhin gesehen hatte. Sie war also eine Naga gewesen, aber warum war sie dann in Satans Palast?
 

'Egal, er wird es schon erklären...'
 

"Naga sind außerdem sehr giftig. Ihr Gift kann innerhalb von Sekunden töten. Die Naga, die die Exorzisten kennen, sind aber nur niedrigen oder bestenfalls mittleren Ranges. Sie sind zwar Nachkommen von Liliths Schöpfungen, aber sie haben sich mit meinen Dämonen vermischt, sodass sie inzwischen mehr zu uns als zu ihr gehören. Liliths Naga sind alle hochrangig und äußerst intelligent. Meistens."
 

Erneut hielt der Herrscher Gehennas inne. "Das waren schon alle, nicht wahr? Gut, dann weiter. Nachdem wir fertig mit unseren Schöpfungen waren, begann Gehenna weiter zu wachsen. Ich ließ den Palast errichten und herrschte für einige Jahrhunderte ohne irgendwelche Probleme zu bekommen. Lilith gehörte zu meinen engsten Vertrauten, ihr Wort hatte also Gewicht." Er seufzte. "Dann beging ich den größten Fehler meines Lebens. "
 

"Lass mich raten? Du hast ihr blind vertraut und sie hat versucht dich umzubringen."
 

Satan schnaubte. "Schön wär's. Ich habe sie in eine Position gebracht, welche ihr noch mehr Macht verlieh und es ihr einfacher machte mich beeinflussen."
 

"Du hast sie zu deiner rechten Hand gemacht.", tippte der Halbdämon.
 

Der Dämonengott lächelte grimmig. "Rin...Lilith war meine erste Frau und damit die erste Königin von Gehenna."
 

Stillte trat ein, nur das Knistern des Feuers war zu hören. Rin starrte Satan und die Dämonenkönige abwechselnd mit leicht geöffnetem Mund an. Eigentlich sollte ihn das nicht überraschen, wenn Satan Kinder hatte, musste er ja ein paar Frauen gehabt haben, aber...Moment mal! Wenn Lilith Satans erste Frau war, dann...
 

Sein Blick wanderte zu Lucifer. Dieser schüttelte vehement den Kopf als ihm klar wurde, was Rin dachte. "Lilith ist nicht meine Mutter. Sie kam viel später."
 

Satan nickte. "Ich hatte nie Kinder mit Lilith, weil ich zu sie dem Zeitpunkt einfach nur als Belästigung gesehen habe."
 

"Na danke.", grummelte Azazel, doch wurde ignoriert.
 

"Aber wenn Lilith deine Frau war...warum hast du sie versiegelt?"
 

"Und woher weißt du, dass Vater sie versiegelt hat?", fragte Amaimon, welcher sich bisher nur auf seinen Süßkram konzentriert hatte.
 

Hoppla.
 

"Naja ich..." Wie sollte er das erklären.
 

"Schon in Ordnung.", seufzte Satan. "Wir wissen, dass sie dich in deinem Traum kontaktiert hat."
 

Rin spürte, wie sich Erleichterung in ihm breit machte. Da sie ihn weder anschrien noch etwas nach ihm warfen, nahmen sie ihm es wohl nicht übel, dass er es für sich behalten hatte.
 

"Als ich Lilith heiratete, hat das einiges an Protest ausgelöst. Sie war nicht sonderlich beliebt bei den anderen Palastbewohnern. Viele sahen sie als manipulative Hexe, die mich nur geheiratet hat um Königin zu werden und ihren Einfluss zu vergrößern. Alastor und Shax sind selten einer Meinung, aber sie haben beide tatsächlich versucht, mich dazu zu bringen Lilith los zu werden, aber ich wollte nicht wahr haben, wie schlecht sie für alle war. Ich war damals um einiges grausamer als heute, teilweise habe ich Dämonen eingeäschert, wenn mir langweilig war oder sie mich auch nur falsch anschauten. Lilith hat das natürlich ermutigt, besonders bei jemanden, der etwas gegen sie gesagt hatte. Sie hat das Schlechteste in mir hervorgebracht und ich bin nicht stolz auf diese Zeit." Scheinbar in Gedanken verloren sah er aus dem Fenster.
 

"Es war natürlich auch meine Schuld, aber sie hat es auf die Spitze getrieben. Shax habe ich nur nicht getötet, weil ich mit ihm befreundet war und zwar lange bevor ich sie geheiratet habe. Was Alastor angeht...ich schätze es wäre nur noch eine Frage der Zeit gewesen bis ich ihn vernichtet hätte."
 

Er wandte sich wieder an seinen Jüngsten, welcher ein wenig nervös auf dem Stuhl herumrutschte. Kuro kuschelte sich an ihn um ihn zu beruhigen.
 

"Erst viel später erkannte ich, wie toxisch sie war. Sie war nicht nur hinterhältig und manipulierend, sondern auch besitzergreifend, obsessiv, eifersüchtig und kontrollierend. Hinzu kam noch ihr geistiger Zustand. Es nicht ungewöhnlich, dass Dämonen sadistische oder machthungrige Züge aufweisen, aber sie hat es auf eine ganz neue Stufe gebracht. Lilith war eine absolute Psychopathin. Sie stellte sich immer als Opfer hin und hatte extreme Stimmungsschwankungen. Andere waren immer nur Spielfiguren und wurden weggeworfen, wenn sie keinen Verwendungszweck mehr hatten. Wenn sie ihren Willen nicht bekommen hat, hat sie ein riesiges Theater gemacht. Sie sah sich stets als überlegen an."
 

"Was hast du dann in ihr gesehen?", fragte Rin verwirrt. Lief er grad mit Anlauf in ein Minenfeld? Definitiv, aber irgendwas musste ihn ja dazu gebracht haben sie zur Frau zu nehmen.
 

"Lilith hatte mehr als genug Eigenschaften, die sie attraktiv machten. Intelligenz, Selbstbewusstsein und Charisma. Sie war stets bereit zu kämpfen und ihre Überzeugungen zu verteidigen. Außerdem war sie leidenschaftlich, eine geborene Anführerin und hat gerne Herausforderungen angenommen Von anderen hat sie sich nie einschüchtern lassen."
 

"Und dass sie eine der schönsten Dämonen Gehennas war, hat sicher auch nicht geschadet.", warf Iblis ein.    
 

Satan starrte ihn böse an. "Was? Ich hasse sie genauso wie jeder hier, aber du musst zugeben, dass sie verdammt heiß war.", meinte der Feuerkönig schulterzuckend.
 

"Iblis...sie ist viel zu alt für dich.", wies Egyn ihn hin.
 

"Ich will sie doch gar nicht!"
 

"Zu spät...das Kopfkino ist da. Vielen Dank auch.", grummelte Astaroth und massierte sich die Schläfen.
 

".....Das klingt....falsch....", murmelte Amaimon, lutschte jedoch weiter ungestört an seinem Lollipop.
 

"Seid ihr jetzt fertig?!", fauchte Iblis frustriert. Rin hätte schwören können, dass sich die Lufttemperatur erhöhte. Samael schien sich zusammenreißen zu müssen um nicht laut loszulachen, während Lucifer scheinbar Astaroths Gedanken teilte und sich die Stirn rieb.
 

"Wenn ihr dann fertig seid, die beiden gedanklich zu verkuppeln, können wir ja weiter machen.", knurrte Satan. Rin kannte ihn zwar nicht lange, aber auch er verstand den Unterton: Seid still oder es setzt was!
 

Die Baal verstanden es ebenfalls und die Gespräche erstarben.  
 

"Also wo war ich...?", murmelte Satan. "Ach ja! Wie gesagt war sie sehr besitzergreifend und von mir besessen. Sie hat es immer gehasst wenn ich jemand anderen Aufmerksamkeit gegeben habe statt ihr. Sie wollte immer wissen, wo ich war und wer bei mir war. Die Dienerinnen mit denen ich häufig Kontakt hatte, haben plötzlich einen großen Bogen um mich gemacht. Anfangs habe ich mir nichts dabei gedacht, bis ich eines Tages hier rein gekommen bin und gesehen habe, wie Lilith eines der Mädchen an den Haaren gepackt hatte und ihr Gesicht in den angezündeten Kamin pressen wollte. Dabei hat sie sie angeschrien, dass sie sie 'gewarnt hat' und nicht zulässt, dass 'jemand zwischen uns kommt' und so weiter. Als sie mich gesehen hat, hat sie sofort losgelassen und versucht sich herauszureden, aber das war der letzte Strang. Ich habe mich von ihr getrennt."
 

Rin, welcher schweigend zugehört hatte bemerkte erst jetzt, dass er eine Gänsehaut hatte.
 

"Rin, geht es dir gut? Du bist ganz blass!", fragte Kuro besorgt.
 

Der Halbdämon antwortete nicht sofort. Ihm war speiübel. Als er Lilith im Traum begegnet war, hatte sie so freundlich gewirkt, doch nun war er einfach nur angewidert.
 

'Man trifft im Leben wirklich auf Psychopathen ohne es zu wissen.'
 

"Vielleicht hätten wir das nicht erzählen sollen...", stellte Amaimon nüchtern fest.
 

Rin schüttele den Kopf. "Mir geht's gut.", murmelte er. Er wandte sich an seinen Vater. "Was ist dann passiert? Ich schätze, sie war nicht begeistert?"
 

Satan lachte kalt. "Sagen wir es mal so: mit Teller werfen war es nicht getan. Bei ihrem Rumgekreische hätte sogar eine Banshee den Schwanz eingezogen. Sie meinte 'ich würde das bereuen' und dass 'wenn sie mich nicht haben kann, dann soll mich keiner haben' und was bei allen Gehennapforten sonst noch. Ich habe ihrem Gekeife keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt."
 

Autsch. Rin hatte schon öfter gehört, dass Scheidungen unschön waren, aber das klang wesentlich übler.
 

"Danach hatte sie noch einigen Einfluss, auch wenn sie nicht länger Königin war. Dann ging die nächste Katastrophe los. Dir wurde sicherlich erzählt, dass Assiah und Gehenna zwei voneinander getrennte Welten sind, welche eigentlich nicht miteinander interagieren sollen, korrekt?"
 

Rin nickte. Das war das Erste gewesen, was Shiro ihm erzählt hatte.
 

"Das ist eine Lüge. Früher war die Grenze zwischen Gehenna und Assiah nur schwach ausgeprägt, sodass sie sehr häufig in Berührung kamen. Wie ich bereits erwähnte, lebt Gehenna und wächst. Daher haben sich sogar öfter Gehennapforten ohne mein Zutun geöffnet. Dämonen konnten problemlos nach Assiah, einige gründeten dort sogar Familien. Aus dieser Verbindung entstanden auch die ersten Nephilim."
 

"Und das hat funktioniert?", fragte Rin verblüfft.
 

"Natürlich hat es das.", erwiderte Satan augenrollend. "Gut, es gab immer ein paar Dämonen, welche sich daneben benommen haben, aber um die haben wir uns gekümmert und gut war. Doch dann begannen uns die Menschen plötzlich zu fürchten. Mit der Entstehung der Religionen wurde es noch schlimmer. Wir wurden plötzlich als böse Geister dargestellt, welche die Vergänglichen zur Sünde verführten, sodass ihre Seele für ewige Qualen in die Hölle kamen." Er schnaubte.
 

"Na, immerhin waren sie kreativ. Man muss wohl nicht erwähnen, dass Konflikte nun an der Tagesordnung standen. Irgendwann eskalierte es und es kam zu offenen Angriffen. Mir blieb schlussendlich nichts anderes übrig als alle Dämonen zurückzurufen und die Grenze zwischen Gehenna und Assiah zu verstärken, sodass sich keine zufälligen Verbindungen mehr öffneten. Doch der Schaden war bereits angerichtet. Die wenigen Dämonen, welche in Assiah geblieben waren, wurden aufgespürt und vernichtet. Die Wut auf die Sterblichen war groß und viele wollten offenen Krieg mit Assiah. Nephilim wurden für ihre Verbindungen zu den Menschen geächtet. In den Augen vieler hatten sie ihren Wert verloren. Später wurden sogar Blutjagden ausgerufen. Dabei wurden die Nephilim gejagt und getötet, danach wurde es aber noch weiter getrieben. Dämonen zeugten zusammen mit Menschen Nachkommen, töteten sie dann und warteten bis das Kind das entsprechende Alter erreicht hatte. Sie wurden dann aufgespürt und getötet. Leider erfuhren wir davon erst viel später."
 

Rin erinnerte sich daran was Kuro gesagt hatte.
 

'Sie akzeptieren dich, obwohl du Exorzist werden wolltest und ein Nephilim bist und das können nicht alle von sich behaupten. Viele aus den Adelsfamilien sehen auf Halbdämonen herab und sehen sie als Schande, weißt du?'
 

Das hatte er also gemeint. Hatten ihn Halphas und Amon deswegen so angesehen oder nur weil er ehemaliger Exorzist war? Er zuckte innerlich zusammen. Wann hatte er überhaupt festgelegt kein Exorzist mehr zu sein?
 

Satan nahm Rins Schweigen als Zeichen fortzufahren.
 

"Lilith unterstütze die Idee Krieg mit Assiah zu führen, was ihr in meinem Volk Unterstützung brachte. Einige Jahrhunderte vergingen und ich begegnete Lucifers Mutter Uriel. Als Lilith jedoch erfuhr, dass wir geheiratet hatten und ein Kind erwarteten, drehte sie durch. Sie kam rein gestürmt und begann uns anzuschreien. Sie warf ihr alle möglichen Beleidigungen an den Kopf und verfluchte uns, schlussendlich mussten die Wachen sie raus schleifen."
 

Rin schaute unauffällig zu Lucifer. Er zeigte keine Emotion, sondern starrte einfach nur auf den Tisch, scheinbar in Gedanken.
 

"Nach diesem Vorfall verließ sie den Palast und zog sich in das unerforschte Gebiert zurück."
 

"Unerforschtes Gebiet?"
 

"Das Land rund außerhalb unserer Gebiete. Da Gehenna immer weiter wächst, gibt es viel unerforschtes und unbesiedeltes Gebiet.", erklärte Egyn.
 

"Verstehe..." Rin zögerte. Die Dämonenkönige hatten ihre Mütter nie erwähnt (wobei sie nicht viel Zeit miteinander verbracht hatten), also konnte er davon ausgehen, dass wohl etwas vorgefallen war.
 

Lucifer seufzte. "Schon gut, erzähl es ihm ruhig.", sagte er bitter.
 

Satan nickte. "Als Uriel hochschwanger war, brach die nächste Katastrophe herein. Sie wurde von einer unbekannten Angreiferin schwer im Bauchraum verletzt. Sie lag im Sterben. Die Heiler konnten entweder sie oder Lucifer retten. Sie hat sich zum Sterben entschieden, damit er leben konnte."
 

Scheiße. Der Nephilim öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Was sollte er auch sagen?
 

Lucifer hob seine Hand. "Schon gut, du brauchst nichts zu sagen. Ich hatte meine Zeit damit fertig zu werden."
 

Das machte es nicht besser. Auch die Dämonenkönige schwiegen. Rin konnte nicht anders als sich zu fragen ob sie wohl alle ohne Mutter aufgewachsen waren.
 

"Steckte Lilith dahinter?", presste er irgendwie hervor.
 

"Wissen wir nicht.", antwortete Satan düster. "Sie hatte einige Feinde...wahrscheinlich werden wir es niemals wissen. Bis auf Indra und Aeshma, verstarben alle meine Frauen. Bei einigen könnten es Unfälle gewesen sein, aber bei einigen ist es eindeutiger Mord. Ein paar Jahrhunderte nach Astaroths Geburt spitzte sich die Lage erneut zu. Es brach eine Seuche aus. Viele starben daran. Astarte war eine der ersten die daran starb. Daraufhin folgten Überschwemmungen, Brände, Erdbeben und weitere Krankheiten. Viele der Tiere drehten durch und fielen jeden an. Das zog sich dann eine ganze Weile fort bis schließlich Liliths Rebellion ausbrach. Natürlich hatte sie dahinter gesteckt. Sie hatte all ihre Schöpfungen hinter sich, nur ein paar weigerten sich ihr zu folgen. Denjenigen wurde es auch erlaubt hier normal weiter zu leben. Sie wollte sich den Thron zurückholen und wohl auch mich wieder haben. Zusätzlich wollte sie Assiah erobern und die Menschen versklaven. Dadurch gewann sie noch mehr Anhänger. Sie sprach sich sogar offen für Blutjagden aus."
 

"Du hast das Beste vergessen.", mischte sich Iblis ein. "Sie hat versucht uns auf ihre Seite zu ziehen und als wir uns geweigert haben, wollte sie uns umbringen. Allerdings hat sie uns schon immer gehasst, da ist das nicht überraschend."
 

"Warum?"
 

"Sie hasst jeden meiner Nachkommen, weil sie alle von anderen Frauen sind und nicht von ihr.", antwortete Satan.
 

"Aber du bist der Gott Gehennas und ihr seid die mächtigsten Dämonen eures Elements. Sie hätte doch wissen müssen, dass sie nie gewinnen würde!" Allein Satan konnte Leute anzünden indem er sie einfach ansah. Sie hatte doch von Anfang an keine Chance gehabt!
 

"Unter normalen Umständen hätten wir den Boden mit ihr aufgewischt, aber sie musste ja ganz dreist schummeln.", murmelte Azazel.
 

"Heißt?"
 

Satan rieb sich die Nasenwurzel, was gruseligerweise auch Yukio oft tat, wenn er unter Stress stand. "Sie hat die Rebellion nur deswegen so spät begonnen, weil sie an einem Artefakt gearbeitet hatte, welches ihr einen gewaltigen Vorteil gab." Er legte ein dickes Buch auf den Tisch (Rin hätte schwören können, dass er das gerade eben noch nicht in der Hand gehalten hatte!), öffnete es und schob es über den Tisch. Rin beugte sich zögerlich nach vorne und schaute auf die aufgeschlagenen Seiten. Er konnte die Schrift zwar nicht lesen, jedoch war dort auch eine Abbildung.
 

"Ihre Geheimwaffe war eine Kette?", fragte er verwirrt.
 

"Amulett.", korrigierte Lucifer scharf.
 

"Scheiß drauf, man hängt sich beides um den Hals.", grummelte Iblis und verdrehte die Augen.
 

"Es hat aber-"
 

"Spars dir Luci.", seufzte Astaroth.
 

"Wie hast du mich genannt?!"
 

Rin hörte ihnen nicht zu, sondern betrachtete die Abbildung, welche er nun als Zeichnung erkannte. Es zeigte eine Goldkette (Gab es in Gehenna Gold? Wenn nicht war es dann eben eine Kette goldener Farbe.) mit einer runden roten Kristall(?)scheibe als Anhänger. Darauf war ein goldener achtzackiger Stern eingraviert. Es war derselbe Stern aus seiner Vision, allerdings fehlte das Geschriebene in den Zwischenräumen. Stattdessen waren darin andere seltsame Symbole und in den Spitzen, wie gewohnt die Siegel. Nur in der Mitte war ein anderes Zeichen. Wenn er etwas kreativ war, konnte er darin tatsächlich ein 'L' erkennen. War es vielleicht Liliths Siegel? Er sah auf und verglich die Zeichen auf den Bannern mit denen auf der Kette. Es waren die gleichen Symbole.
 

"Was bedeuten diese Symbole?", fragte er auch wenn er bereits eine Ahnung hatte.
 

"Das sind unsere Siegel, das in der Mitte ist Liliths.", erklärte Amaimon. Also stimmte seine Vermutung.
 

"Und was tut diese Kette-" Er bemerkte Lucifers Blick. "Dieses Amulett nun? Ihr könnt doch nicht einfach mit Schmuck besiegt werden?!"
 

"Reib's uns ruhig noch unter die Nase. Ist ja nicht so, dass es schon frustrierend genug ist, wenn man von Wasser, Worten und ein paar Linien am Boden aufgehalten werden kann.", murmelte Beelzebub.
 

"Tschuldigung..."
 

"Ich weiß es klingt seltsam, aber dieser Anhänger verfügte über große Macht.", erklärte Satan ruhig. "Er ermöglichte ihr die Kräfte ihrer Gegner zu blockieren, sogar meine Flammen. Die einzige Schwachstelle war, dass er ziemlich viel Energie benötigte und sie ihn deshalb nur einmal im Kampf verwenden konnte. Danach musste er für einige Stunden aufgeladen werden. Trotzdem war das oft genug um einen Kampf zu ihren Gunsten enden zu lassen. Zusätzlich erschuf sie außerdem noch die Aveira. Sagen dir die sieben Todsünden etwas?"
 

Rin schüttele den Kopf. Er war zwar offiziell katholisch, hatte von diesem Kram jedoch keinen blassen Schimmer.
 

"Die sieben Todsünden sind schlechte Charaktereigenschaften oder auch schwerwiegende Sünden, welche ein Mensch begehen kann und damit willentlich die Gemeinschaft Gottes verlässt also später in der Hölle landet. Das ist zwar Quatsch, aber dennoch haben diese Eigenschaften großen Einfluss und große Macht. Lilith erschuf damals die sieben Aveira in Anlehnung daran. Ich weiß nicht genau, warum sie sich dazu entschied, es ist auch egal. Sie begann mit ihrer dominantesten Eigenschaft: ihrem Hochmut - Superbia. Danach folgte die Wollust - Luxuria, ihre zweitstärkste Eigenschaft und so ging es immer weiter. Neid - Invidia, Habsucht - Avaritia, Zorn - Ira, Völlerei - Gula und zum Schluss die Trägheit - Acedia. Aveira ist übrigens hebräisch und bedeutet 'Sünde'. Menschen haben es damals von dem Gehennischen Wort für Sünde 'Aswerak' abgeleitet. Wie auch immer...der Aufstand entwickelte sich schon bald zum Krieg, wir hatten unzählige Todesopfer und waren schon von den Strapazen zuvor geschwächt. Wir standen kurz davor zu verlieren also haben wir eine letzte Verzweiflungstat ausprobiert: Samael täuschte Verrat an uns vor und lief über. Es funktionierte. Das brachte uns einiges an Vorteilen und wir begannen mit unserem nächsten Schritt: Lilith und ihre Anhänger zu versiegeln."
 

"Ich bin überrascht, dass ihr sie nicht töten wolltet.", warf Rin ein.
 

"Oh, wir hätten sie zu gern getötet, aber sie wurde immer stärker und wir immer schwächer. Also begannen wir damit ihre Anhänger anzugreifen. Wir versiegelten zuerst jede der Aveira und die ihnen unterstehenden Truppen. Schlussendlich gelang es uns, Lilith nach Helheimr zu locken und sie dort zu versiegeln. Es war zugegebenermaßen äußerst knapp, aber mit Hängen und Würgen hatten wir den Krieg gewonnen. Leider war ihr Amulett unauffindbar. Es wurde keinesfalls mit ihr verseigelt, sie hatte es während des Kampfes verloren. Wahrscheinlich hat einer ihrer Leute es gefunden und versteckt. Natürlich entkamen auch einige ihrer anderen Anhänger. Manche zogen sich in die äußeren Gebiete zurück, andere tauchten hier unter."
 

"Und jetzt sind sie wieder da und versuchen Lilith zu befreien?", vermutete Rin.
 

"Korrekt.", antwortete Samael grimmig. "Und sie ist nicht gerade gut auf uns zu sprechen."
 

"Aber warum jetzt?"
 

"Wegen dir.", antwortete Egyn seufzend. "Du bist neben Vater der Einzige, der die Siegel brechen kann. Alle Siegel bilden zusammen ein riesiges Geflecht, was sie zusätzlich verstärkt, aber sie auch schwächen kann. Kannst du dir denken weswegen? Ein Tipp: es ist ein ähnliches Konzept wie mit Bannkreisen."
 

Rin dachte angestrengt nach. Damals hatten die Priester mehrere Bannkreise um das Kloster platziert um Astaroth und sein Gefolge abzuwehren, jedoch war dieser wie ein Kartenhaus zusammen gefallen als er mit dem LKW durch gebrettert war...
 

"Wenn einer beschädigt wird, hat das auch Einfluss auf die anderen?", fragte er vorsichtig.
 

Samael grinste. "Na sieh mal einer an. Du hast ja manchmal tatsächlich zugehört.~"
 

Bevor Rin dem Clown die Meinung geigen konnte, fuhr Lucifer dazwischen. "Wenn eines der Siegel beschädigt wird, werden die anderen ebenfalls geschwächt. Das Siegel, welches Lilith zurückhält, ist allerdings wesentlich stärker und liegt genau im Zentrum, es ist also sozusagen das Herz der Konstruktion. Wenn ihr Siegel vernichtet wird, werden sich die anderen ebenfalls in Wohlgefallen auflösen. Vielleicht sofort, vielleicht dauert es ein paar Tage, wir wissen es nicht. Auf jeden Fall ist sie hinter dir her, will dass du sie befreist und sie wird nicht nett fragen. Sie hat all die Jahre Kontakt zu ihren Anhängern über Träume gehalten. Dadurch hat sie auch von deiner Geburt erfahren."
 

Rin starrte erst ihn, dann Satan an. "Du willst mir also erzählen, dass eine durchgeknallte Dämonengöttin, welche auch noch deine Ex ist, uns allen, Gehenna und Assiah an den Kragen will und es sogar durchziehen könnte?!"
 

"Japp. Was wäre das Leben auch ohne eine rachsüchtige, Psycho-Sadisten-Hardcore-Yandere-Ex-Freundin, die einen umbringen will?", antwortete Iblis sarkastisch.
 

"Einen Moment kleiner Bruder, woher weißt du was eine Yandere ist? Ich dachte du kannst Anime nicht leiden?", fuhr Samael sofort dazwischen.
 

"Ähm...kann ich auch nicht....ich habe nur....also....", stammelte der Feuerkönig. Sein Gesichtsausdruck verriet alles.
 

"Ich wusste es!", verkündete der König der Zeit triumphierend.
 

Satan runzelte die Stirn. "Was ist bitte eine Yandere?"
 

Zur Überraschung aller, war es Amaimon der antwortete. "Jemand der von jemanden besessen ist und alle umbringt die demjenigen zu nah kommen."
 

Als er nur Starren erhielt, zuckte er mit den Schultern. "Samael schaut ständig diese Anime, da ist einiges hängen geblieben."
 

Rin musste ein Lachen unterdrücken. Er wusste zwar, dass der ehemalige Ehrenritter ein kompletter Otaku war, aber die Vorstellung wie Amaimon still leidend neben ihm saß und gezwungen war sich das mit anzusehen, war einfach zu gut. Er wurde aber schnell wieder ernst.
 

"Was ist dann mit Yukio? Sie wird ihn doch sicher auch angreifen."
 

Die Baal wechselten Blicke.
 

"Das hat sie längst.", erwiderte Beelzebub unverblümt.
 

"WAS?!", explodierte Rin. "Warum habt ihr mir nichts gesagt?!"
 

"Wow, er guckt grad genauso wie Vater, wenn er sauer ist...", kommentierte Amaimon.
 

"Wir hatten bisher keine Gelegenheit, aber keine Sorge. Die Blutjäger sitzen grad im Tartaros. Das ist ein riesiges Gefängnis aus dem noch keiner entkommen ist.", beruhigte Lucifer ihn. Es funktionierte nicht wirklich.
 

"Ich wette von euren Schlossverliesen habt ihr dasselbe gedacht.", merkte Rin säuerlich an.
 

"Keiner ist so dumm sich mit Alastor anzulegen oder er landet gleich mit auf der Folterbank.", kam Astaroths abfällige Antwort.
 

Rin bettete, dass das nur eine Metapher war.
 

"Ich habe bereits Vorkehrungen getroffen, dass sowas nicht erneut passiert. Sie hat es bereits geschafft den Orden zu infiltrieren, aber ich wir arbeiten bereits dran." Satan klang plötzlich ziemlich erschöpft und stand auf. "Ich denke wir haben vorerst alles erklärt, was wichtig ist. Ich muss mich leider noch um andere Dinge kümmern."
 

"Aber-", begann Rin. Er hatte noch viele Fragen!
 

"Wir reden heute Abend weiter.", versprach Satan. "Du hast eine Menge erfahren, nimm dir Zeit es zu verarbeiten." Er wandte sich an seine anderen Söhne. "Amaimon, du bringst Rin zurück zu seinem Zimmer. Beantworte meinetwegen seine Fragen. Der Rest von euch geht zurück an die Arbeit. Lucifer ich öffne dir ein Tor nach Assiah. Ich will, dass du einige Befehle an die Illuminati weitergibst. Iblis, Alastor wartet auf dich am Tartaros. Er hat die Blutjäger noch nicht selbst befragt. Mir ist es egal, wie du sie zum reden bringst, aber sorge dafür, dass sie noch am Leben und halbwegs bei Verstand sind, wenn ich ankomme. Ihr anderen wisst ja was ihr zu tun habt." Damit drehte er sich um und verließ zusammen mit Lucifer den Saal. "Bis nachher.", verabschiedete sich der Lichtkönig.
 

"Tja, ich schätze ich mache mich auch mal in die Spur.", grummelte Iblis, stand auf und streckte sich. "Man sieht sich." Damit verschwand auch er. Azazel klappte seinen Laptop ab und tippte drauf los.
 

"Komm schon kleiner Bruder, gehen wir." Rin zuckte zusammen. Amaimon stand neben ihn, jedoch hatte er gar nicht mitbekommen, dass sich der Dämonenkönig bewegt hatte.
 

"Bis nachher...", verabschiedete er sich von den Anderen, stand etwas widerwillig und verließ mit Amaimon den Raum. Er konnte dabei die ganze Zeit die Blicke seiner Halbbrüder im Rücken spüren.

Tartaros und Geschwisterliebe...irgendwie

Es war eine Weile her seit Iblis im Tartaros gewesen war. Das Gebäude lag auf der Grenze zwischen seinem Gebiet und dem seines Vaters. Der obere Teil stand am Rande eines inaktiven Vulkans und wirkte eher klein. Das lag jedoch nur daran, dass das eigentliche Gefängnis unter der Erde lag. Tief nach unten erstreckte sich ein riesiges Höhlensystem, Helheimr nicht unähnlich. Flucht war noch keinem gelungen. Alles war ein riesiges Labyrinth aus Räumen, Gängen, Grotten, Gruben, Treppen und Brücken. Teilweise musste man aufpassen wohin man trat, sonst konnte man in Tiefe stürzen. Überall lauerten Wächter und verschiedene Bestien wie Drachen (Natürlich nur junge Drachen, sie mussten in die Gänge passen), Mantikore und Chimären.

 

Er selbst war kein großer Fan des Tartaros. Jedes Mal verlief er sich und kam an irgendeinem Lavasee oder einer Grube raus. Hinzu kamen noch diese unmöglichen Temperaturen. In manchen Bereichen war die Temperatur moderat, in anderen dagegen war es warm oder so heiß, dass nur Feuerdämonen es dort aushielten. Das machte ihm demzufolge absolut nichts aus, er konnte durch Feuer laufen oder Lava schwimmen und empfand es lediglich als angenehm warm. Doch dann gab es noch jene Bereiche, in denen man sich den Hintern abfror. Er war gegenüber Kälte leider recht empfindlich. Auch die Luft wechselte oft zwischen schwül und mild, was gehörig nerven konnte.

 

Momentan war das jedoch nicht sein Problem, sondern die vermaledeite Organisation!

 

"Mal sehen...der Gang dort führt zu der Treppe, die ich runtergekommen bin, da war auch diese Chimäre. Der rechte müsste dann ja eigentlich zur Brücke in der Lavagrotte führen.", murmelte er nachdenklich

.

"Andererseits...diese  Tür dort drüben hat eine 148 und das liegt doch eigentlich ganz woanders...hier kommt dann irgendwo das Zuchthaus....oder war's doch die Küche?! Ach Scheiße!", frustriert schlug er auf die Höhlenwand ein, vergaß dabei jedoch, dass das Gestein nicht nachgeben würde. Fluchend rieb er seine blutende Hand, welche bereits heilte.

 

"Würde die es umbringen mir nen Lageplan zu geben?! Oder mal 'n paar Wegweiser aufhängen! Andererseits würden dann auch die Häftlinge den Weg raus finden...und es würde wohl irgendwie die 'Horror-Gefängnis' Atmosphäre ruinieren.", irritiert knirschte er mit den Zähnen. Hier sah alles gleich aus! Schwarze und graue Wände und Böden, ein paar Fackeln sowie Metalltüren. Dann noch Geysire oder Lavaflüsse,  hin und wieder Knurren oder das Rasseln von Ketten und natürlich die gelegentlichen Schreie der Gefangenen.

 

"Klappe, ich muss nachdenken....", grummelte der Feuerkönig genervt. Er hatte kein Mitleid mit den Insassen, sie waren selbst schuld an ihrer Situation. Die Vergänglichen nannten es Karma, nicht wahr?

 

Als er zum ersten Mal hier gewesen war, war er noch ein Kind. Bei den Sterblichen wären es so acht bis neun Jahre. Er war mit seinem Vater auf den Weg zu Alastor, aber durch Unachtsamkeit von ihm getrennt worden. Ursprünglich sollten sie nur im Verwaltungsbereich bleiben, wo es sicher war und Satan hatte ihm mehrmals eingeschärft dicht bei ihm zu bleiben.  Der kleine Dämon hatte nicht gehört. Daraufhin war er vollkommen verloren in den Gängen umhergewandert und schlussendlich auf einer Art Gefängnishof gelandet. Dummerweise waren mehrere Gefangene dort gewesen und hatten ihn entdeckt. Die Wärter waren mit einer Prügelei beschäftigt, sie bekamen es also nicht mit als das Dämonenkind von ihnen eingekreist wurde. Er wusste bis heute nicht, was sie mit ihm vor hatten und er wollte auch nicht darüber nachdenken. Ihr unheimliches Grinsen und das Lippen lecken hatten ihm damals genug Albträume bereitet. Er wusste nur noch, dass er heulend nach seinem Vater gerufen hatte und dieser gerade noch rechtzeitig eintraf. Als die Wächter erkannten was los war, wollten sie ebenfalls helfen, aber Satan hatte mit den Verbrechern bereits kurzen Prozess gemacht. Die Gefangenen, welche nur beobachtet hatten, rannten daraufhin freiwillig zurück in ihre Zellen. Iblis war davon ausgegangen, dass Satan ihn nun anschreien und bestrafen würde. Stattdessen hatte er sich hingekniet, ihn umarmt und beruhigend über Kopf und Rücken gestreichelt. Dabei hatte er ihm gut zugeredet bis sein Schluchzen endlich vorbei war. Als sie wieder im Palast waren, hatten es sich seine Geschwister zur Aufgabe gemacht ihn aufzumuntern, also hatten sie ganzen Tag miteinander gespielt auch wenn sie eigentlich zum Unterricht mussten. Im Anbetracht der Umstände hatte Satan da ein Auge zugedrückt und sogar bei ein paar Spielen mitgemacht.

 

Erst als er älter war, kam er erneut gelegentlich mit (schon allein weil er seine Angst vor diesem Ort überwinden musste) und inzwischen ließ ihn fast alles, was hier geschah mehr oder weniger kalt.

 

Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken. Er sah auf und entdeckt eine Wächterin. 'Na also!'

 

"Endlich finde ich jemanden in diesem scheiß Saftladen! Du weißt nicht zufällig wo Alastor ist?", fragte er.

 

Sie sah ihn mit ausdruckslosem Gesicht an. Ihre grauen Augen waren kalt und leer. Nicht überraschend, wenn man hier arbeitete, musste man abgebrüht sein.

 

"Folgt dem rechten Gang, über die Brücke, dann die Treppe runter und links. Dort ist ein Kontrollpunkt, danach einfach weiter geradeaus und Ihr seht einige Zelltüren. Folgt einfach den Schreien, dann findet Ihr ihn.", antwortete sie in einer monotonen Stimmlage.

 

"Danke.", antwortete Iblis erleichtert. Sie nickte nur und schlurfte weiter.

 

'Wow, im Gegensatz zu ihr ist Azazel fast hyperaktiv...'

 

Er folgte den Anweisungen und erreichte den Kontrollpunkt. Da er ein Mitglied der Königsfamilie war, durfte er seine Waffen behalten. Er folgte dem Gang und entdeckte die Türen.

 

'Endlich. Hoffentlich dauert das nicht lang, ich will endlich ne Pause machen...'

 

Seit der unfreiwilligen Waldexpedition waren die Dämonenkönige ständig auf Achse gewesen. Geschlafen hatten sie nur für ein paar Stunden und sich dann auch schon wieder auf den Weg gemacht. Samael schien es am besten wegzustecken, aber er schlief ja auch kaum. Iblis fühlte sich dagegen wie gerädert.

 

Es war ihm ein Rätsel, wie Azazel überhaupt noch laufen konnte, wenn man bedachte, wie viel er normalerweise rumlag. Allerdings hatten er und seine Brüder eine Vermutung, warum der Geisterkönig so viel schlief. Er beschäftigte sich jeden Tag mit einem Haufen Seelen, entweder jenen, die gewaltsam aus dem Leben gerissen wurden, wie zum Beispiel durch Mord, Suizid, Unfällen und so weiter oder jenen, die in ihrem Leben echt Scheiße gebaut hatten. Jeden Tag starben Millionen und er musste sich um alle kümmern. Gut, er hatte Shax und Ankou sowie viele andere hochrangige Mitglieder seines Gefolges, die ihm unter die Arme griffen, aber schlussendlich hatte er das Sagen. Ankou hatte bestätigt, dass es ein äußerst anstrengender Prozess war und sowohl Körper als auch Psyche und Geist stark gefordert wurden. Abgesehen davon konnte es einfach nicht gesund sein, sich den ganzen Tag mit Geistern zu umgeben. Manche verfielen deswegen sogar in Depressionen! Es war ja auch nicht so als gäbe es feste Arbeitszeiten. Wie denn auch? Sollte sich Azazel hinstellen und sagen: "Also Leute, passt mal auf. Ihr sterbt bitte erst ab neun Uhr morgens und so gegen acht Uhr abends hört ihr damit auf. An Sonntag braucht ihr gar nicht erst zu denken, da habe ich frei!"

 

Nein, das ging wirklich nicht.

 

Dennoch würde eine Pause sicher nicht schaden. Wer weiß, vielleicht könnte Iblis seine Geschwister dazu überreden mal wieder irgendwo hinzugehen. Es gab eine Bar, in welche sie fast regelmäßig gingen. Die Arbeiter kannten sie alle und es war relativ abgelegen also würden sie auch Ruhe vor Adligen haben.

 

'Andererseits....ich würde mich mies dabei fühlen, Rin alleine Zuhause zu lassen. Vielleicht erlaubt Vater, dass er mitkommt? Aber ist er überhaupt alt genug? Na egal, wir lassen uns was einfallen. Man muss ihn ja nicht gleich abfüllen. Auch wenn es sicher lustig wäre.'

 

Er war inzwischen fast am Ende angekommen, wo er bereits von Belial erwartet wurde.

 

"Ah, Lord Iblis.", begrüßter er ihn. Sie hatten sich darauf geeignet diesen ganzen Majestäts-Kram sein zu lassen. "Ich hoffe Ihr habt gut hergefunden?"

 

"Kommt drauf an ob Ihr den Tartaros an sich meint oder den Weg hier her.", grummelte er.

 

Belial grinste kurz eh er wieder ernst wurde. "Wo seid ihr denn diesmal rausgekommen?"

 

"Sehr witzig. Wo ist Alastor?"

 

Wie auf Kommando flog eine der Türen auf und der gesuchte Dämon stapfte auf den Gang, scheinbar sehr zufrieden mit sich. Offensichtlich hockte ein weiterer Dämon, der um Gnade winselte in der Zelle. Falls er noch über die mentale Kapazität verfügte um Laute von sich zu geben.

 

"Iblis. Schön, dass du dir Zeit für uns Unterlegene nehmen konntest.", merkte er spöttisch an. Es war ein absolutes Tabu, ein Mitglied der Königsfamilie oder des Adels zu duzen außer sie erlaubten es. Iblis war das jedoch schnuppe und machte keinen Hehl aus ihrer gegenseitigen Abneigung.

 

"Ich schulde zwei Gefangenen noch ein paar gebrochene Knochen. Du weißt schon, die beiden Blutjäger? Oder warst du zu sehr mit deinen Spielzeugen beschäftigt um das Wichtige mitzubekommen? Wäre ja nicht das erste Mal.", antwortete er herausfordernd und dreckig grinsend.

 

Alastor knirschte mit den Zähnen. Das saß.

 

"Wir haben ihre Familie näher untersucht.", mischte sich Belial ein. "Sie stammen aus einem mächtigen Adelshaus, aber sie sind nur adoptiert. Ihre Adoptiveltern sind der Lord und die Lady des Hauses, über ihre richtigen Eltern liegt uns nichts vor. Von diesem Haus sind auch keine Verbindungen zu Lilith bekannt. Tatsächlich haben sie uns damals gegen sie tatkräftig unterstützt."

 

"Wie haben sie reagiert als sie erfahren haben, dass ihre "Kinder" Blutjäger sind?", erkundigte sich Iblis.

 

"Mit Entsetzen. Ihre Adoptivmutter ist sogar in Tränen ausgebrochen. Sie können sich nicht erklären, wie das passieren konnte."

 

"Natürlich nicht.", knurrte Alastor. "Sie waren ja auch zu sehr mit ihrem Ruf und den Festen beschäftigt."

 

"Das bezweifle ich. Nach Aussagen der Bediensteten haben sie den Beiden viel Aufmerksamkeit geschenkt."

 

"Aber dann hätten sie doch merken müssen, dass was faul ist.", sagte Iblis misstrauisch.

 

Belial zuckte mit den Schultern. "Momentan haben wir keine Beweise gegen sie gefunden, aber wir arbeiten daran. Sie haben außerdem darum gebeten mit ihnen sprechen zu dürfen-"

 

"Nein.", antwortete Iblis bestimmt. "Ob sie nun unter einer Decke stecken oder nicht, sie wären nicht die ersten, die derartige Besuche nutzen um sie zu befreien oder Beweise zu vernichten. Stihi und Aym werden normal befragt, notfalls auch unter Schmerzen. Mir ist's egal ob sie's überleben, ihre Schuld ist schon bewiesen. Wir brauchen Antworten."

 

"Scheint als wären wir mal einer Meinung.", murmelte Alastor.

 

"Was erzähle ich-"

 

"Meine Fresse, ist nun mal Gesetz. Sie sind alt genug um 'rangezogen zu werden. Wenn die sich beschweren wollen, dann nicht bei mir.", antwortete Iblis gereizt. Er hatte nicht die Nerven Seelsorger zu spielen, er war sowieso grottig, wenn es darum ging, einfühlsam zu sein oder andere zu trösten.

"Also wo sind die Beiden?"

 

Seufzend beschrieb Belial den Weg. Beide befanden sich in einer Befragung, allerdings in verschiedenen Räumen. Er entschied sich für den Raum, in dem Stihi war.

 

Der Dämonenkönig macht sich auf den Weg und stand schlussendlich vor einer schwarzen Doppeltür, welche er aufstieß.

 

Der Raum dahinter war duster, nur in der Mitte war es relativ hell. In den Schatten standen die Wachen, denen Iblis allerdings keine Beachtung schenkte. Stattdessen schaute er in den Mittelpunkt des Raumes, wo Stihi hockte. Um ihre Hand- und Fußgelenke lagen schwere Ketten, welche ihre Kräfte blockierten. Ihr Kopf war gesenkt und der Befrager hatte seine Hand in ihren Haaren vergraben. Alle sahen auf als Iblis den Raum betrat, wodurch er einen ersten genauen Blick auf die Blutjägerin bekam. Sie war wesentlich kleiner als Egyn und hatte zerzauste, lange, blonde Haare, die Spitzen liefen langsam in Orange über. Ihr Gesicht war schmutzig und hatte einige Schnitte und blaue Flecken, ihre goldenen Augen starrten ihn hasserfüllt an.

 

"Lord Iblis-", begann einer der Wächter.

 

"Schafft ihren Bruder her.", unterbrach er diesen scharf. "Jetzt."

 

Zwei der Wachen liefen los um den Befehl auszuführen, der Befrager trat einige Schritte zurück.

 

Nicht mal eine Minute später kehrten die Wachen mit Aym, zurück. Er war in einem ähnlichen Zustand wie Stihi. Seine blonden Haare waren kurz und hatten ebenfalls orange Spitzen, dafür waren seine Augen gelb. Die Wachen schliffen ihn in die Mitte und ketteten ihn wie seine Schwester an den Boden. Auch er warf dem Feuerkönig mörderische Blicke zu.

 

"Lasst uns allein.", befahl dieser mit überraschend ruhiger Stimme.

 

Die übrigen Dämonen stellten keine Fragen, verneigten sich und verließen den Raum.

 

"Also bist du hier um uns zu foltern oder zu töten? Na los, mach schon!", fauchte Stihi. "Oder willst du lieber unsere Demütigung genießen!?"

 

"Jetzt heulst du auch noch rum deswegen? Es ist eure Schuld, dass ihr hier seid."

 

"Die einzigen die hier Schuld sind, sind Satan, du und deine Hurensöhnen von Brüdern-" Weiter kam Stihi nicht, denn Iblis verpasste ihr eine Ohrfeige, deren Wucht sie tatsächlich umriss.

 

'Ich schlage ja eigentlich keine Mädchen, aber ich mache heute eine Ausnahme. War auch irgendwie befriedigend.'

 

"Du-", begann Stihi.

 

"Rede weiter und ich scheuere dir noch eine, bis du die Schnauze hältst.", warnte er. "Mich scheren eure Gründe einen Dreck. Niemand legt sich mit meiner Familie an, kapiert?"

 

"Typisch.", fauchte Aym. "Wie immer denkt ihr alle nur an euch!"

 

"Da solltest du mal ganz still sein. Wollt ihr mir erzählen, dass ihr bei eurer Aktion immer an andere gedacht habt? Abgesehen davon wäre Gehenna ohne uns am Ende.", antwortete Iblis kalt.

 

"Wen interessiert es überhaupt?!", knurrte Stihi. "Wir haben ein paar Menschen umgebracht, na und?! Die sind doch sowieso alle nur Dreck! Es ist ihre Schuld, dass wir so tief gesunken ist und ihr beschützt sie! Ihr seid allesamt Verräter!"

 

"Ja, ja. Wir sind eine Schande für alle Dämonen, wir gehören nicht an die Spitze und bla bla. Kenne ich schon, habe ich schon gehört, interessiert mich nicht." Er begann damit Ayms Ketten vom Boden zu lösen und ihn zum Rand zu ziehen.

 

"Hey, was-!"

 

"Klappe." Der Feuerkönig bückte sich und kettete den Blutjäger erneut fest. "Ich bearbeite euch nacheinander und fange mit deiner Schwester an. Vielleicht lernt sie dann mal still zu sein. Ich will alles wissen. Was Lilith genau plant, wie ihr euch ihr angeschlossen habt und die Namen eurer Komplizen."

 

"Träum weiter!", kreischte Stihi.

 

Iblis zuckte mit den Schultern. "Na gut, wie du willst. Dann die harte Tour, aber glaube nicht, dass ich mich auf Zusammenschlagen beschränke."

 

Stihi schüttelte den Kopf. "Du hast wirklich keine Ahnung, oder? Du hast keinen Schimmer was ihr uns angetan habt. Ihr lebt in eurem Palast und ignoriert alles, was euch Probleme bereiten könnte. Ihr nehmt was und wen ihr wollt und werft es weg, wenn es uninteressant geworden ist. Ihr seid widerlich..."

 

Der Baal hielt kurz inne, schüttelte es dann aber ab. Sie würde wohl alles sagen um ihn zu verunsichern.

 

'Also los geht's.'

 

 

............................................................

 

 

'Ok...das ist einfach nur unangenehm.', beschloss Rin. Er war zusammen mit Kuro und Amaimon auf den Weg zurück zu seinem Zimmer und es herrschte peinlich berührte Stille. Was sollte man denn dem Dämonen, welcher ihn und seine Freunde terrorisiert hatte, sagen? Amaimon schien ebenfalls etwas überfordert von der Situation zu sein, denn er warf dem Nephilim öfter Seitenblicke zu und Rin hatte einmal sogar den Eindruck, dass der Erdkönig etwas sagen wollte, bevor er es sich anders überlegte. Kuro saß auf seiner Schulter, blieb jedoch ebenfalls still.

 

Nach einigen Minuten, welche ihm jedoch wie Stunden vorkamen, erreichten sie endlich den Flur, in denen die Schlafzimmer lagen. Es hatte sich herausgestellt, dass die Königsfamilie tatsächlich all ihre Zimmer auf einem Flur hatten.

 

"Wir sind da...", murmelte Amaimon.

 

"Ja..."

 

Erneut herrschte Stille. Unangenehm. Langsam fragte sich Rin, ob Satan absichtlich Amaimon geschickt hatte, damit sie ihre Differenzen irgendwie begleichen konnten.

 

"Also...", durchbrach Amaimon die Stille. "Ich geh dann mal..."

 

Er drehte sich um und lief in die Richtung aus der sie soeben gekommen waren.

 

"Warte!", rief Rin. Er war sich selbst nicht sicher warum. Vielleicht wollte er einfach nicht alleine in seinem Zimmer hocken.

Amaimon blinzelte ihn verwirrt an und fragte sich, ob er wohl etwas vergessen hatte.

 

 

"Wo gehst du hin?", fragte der Nephilim.

".....In mein Zimmer. Da liegt ein Haufen Papierkram und Vater wird sauer, wenn wir das schleifen lassen." Er wirkte ungefähr so motiviert wie Rin, wenn er an einem Sonntag vor seinen Hausaufgaben saß, weil er sie mal wieder komplett vergessen hatte.

"Kann ich mitkommen?", fragte der jüngere Dämon, bevor ihm klar wurde, was er da überhaupt tat.

 

Amaimon blinzelte einige Male und Rin meinte Überraschung und Verwirrtheit zu erkennen. Seltsam, zuvor hatte er nie gewusst, was ihn ihm vorging.

 

"Öhm...ja?", antwortete der Grünhaarige unsicher bevor er sich erneut umwandte und loslief. Rin sollte ihm wohl folgen.

"Kann ich auch mit?",fragte Kuro vorsichtig. Der Dämonenkönig brummte zustimmend.

 

Amaimons Zimmer war nicht weit weg. Satans Gemächer waren die erste Tür auf dem Flur (sie schienen auch wesentlich größer als die der Baal und Rin zu sein, aber der Herrscher über alles zu sein, hatte wohl seine Vorzüge), danach folgten die Zimmer der Dämonenkönige nach dem Alter.

 

Der Erdkönig griff in eine seiner Taschen und holte einen (natürlich grünen) Schlüssel hervor und schloss damit die Doppeltüren auf. Danach machte er eine seltsame Handbewegung und schnippte mit den Fingern. Erst dann öffnete er die Tür. Hatte er vielleicht irgendeine Barriere oder eine Art Alarmsystem auf die Tür gelegt?

 

Als Rin das Zimmer des Älteren betrat, blieb er erstaunt in der Tür stehen. Er wusste nicht, was er vom Zimmer eines Dämonen erwarten sollte und was er sah, überraschte ihn. Das Zimmer war so groß wie seins, jedoch hatte er das Gefühl einen Wald betreten zu haben. An den Wänden zogen sich Bäume und verschiedene Kletterpflanzen entlang, auch die Decke war nicht verschont worden.  Es erinnerte ihn sehr stark an 'Mein Nachbar Totoro' , einen Film, den er als Kind oft mit Yukio und dem Alten geschaut hatte. Der Boden war aus Holz, nur in der Mitte war eine runde Grasfläche, sodass er damit rechnete jeden Moment noch mehr grüne Eichhörnchen oder einige dämonische Hasen zu sehen. Die Innenausstattung war der in Rins Zimmer ähnlich, allerdings war es in Grün- und Brauntönen gehalten. Besonders fehl am Platz wirkte der Fernseher. In Gehenna gab es doch keinen Strom! Andererseits hatte Azazel einen Laptop und der musste sicher auch mal geladen werden.

 

Amaimon trottete zu einem Regal und begann etwas zu suchen. Es raschelte plötzlich und als Rin sich umdrehte, wurde er von etwas schwerem angesprungen.

 

"Was zur-?!" Er landete glücklicherweise relativ weich auf der Weise, neben ihm lag ein benommener Kuro.

 

"Behemoth, du sollst doch niemanden anspringen.", hörte er Amaimon sagen, jedoch konnte er ihn nicht sehen, denn sein gesamtes Sichtfeld wurde von dem Hobgoblin eingenommen. Dieser schnüffelte an ihm und begann dann ihm über das Gesicht zu lecken.

 

"H-hey..."

 

"Das heißt, er mag dich.", informierte Amaimon ihn nüchtern.

 

"Freut mich, aber könntest du ihn bitte runter holen? Ich bekomme keine Luft.", presste Rin hervor.

 

"Oh..." Er sagte etwas auf Gehennisch woraufhin der Goblin endlich von dem Halbdämonen kletterte und er wieder atmen konnte. Kuro war auf einen Schrank geflohen und sah ihn besorgt an.

 

"Geht es dir gut?"

 

Rin nickte.

 

Amaimon bückte sich derweil und begann seinen Begleiter hinter den Hörnern zu kraulen. "'Tschuldige, er ist wohl aufgeregt, weil ich lange nicht hier war..." Er richtete sich auf und bot Rin unsicher eine Hand an. Dieser zögerte zunächst, griff dann jedoch die Hand des Älteren, welcher ihn auf die Füße zog.

 

"Kein Problem....und danke." Amaimons  Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, aber er nickte zumindest. Behemoth lief aufgeregt um die Beiden herum, bis Rin sich bückte und ihn hinter den Hörnern kraulte, wie es sein älterer Bruder getan hatte. Besagter Bruder kramte erneut in dem Regal und in einigen Schubfächern. Endlich schien er alles zusammen gesucht zu haben, was er benötigte, denn er ging nun auf seinen Schreibtisch (welcher fast von komplett Ranken überwachsen war) zu und legte alles ab. Eine einfache Handbewegung genügte und die Ranken zogen sich zurück.

 

'Ok, das ist irgendwie cool.', gab Rin gedanklich zu.

 

Seine Gedanken wurden vom Geräusch einer zerreißender Verpackung unterbrochen.  Amaimon hatte eine Tüte Pocky in der Hand.

 

"Auch welche?", bot er dem Jüngeren an.

 

"Ja, danke." Er nahm sich einige und ließ sich auf einem grünen (glücklicherweise rankenfreien) Sofa nieder und begann daran zu knabbern. Es war lange her, dass er welche hatte. Shiro hatte sie früher benutzt um ihn dazu zu bringen seine Hausarbeit zu erledigen und das äußerst erfolgreich.

 

Amaimon knabberte ebenfalls gedankenverloren an seiner Portion herum, während er auf die Papiere vor sich starrte. Er hatte zwei Stapel da liegen, einen ziemlich großen und einen kleinen.

 

"Wie weit bist du schon?", fragte Rin, noch immer nicht so richtig sicher, wie er sich verhalten sollte. Ohne Aufzusehen deutete der Erddämon auf den wesentlich kleineren Papierstapel. Oh. Das würde dauern. Kuro war inzwischen vom Schrank geklettert und hatte sich auf Rins Schoß zusammen gerollt während Behemoth neben ihm saß und weitere Streicheleinheiten verlangte.

 

Nach einigen Minuten Schweigen hielt Rin es nicht mehr aus. Er starrte den Dämonenkönig an, welcher es bemerkte und aufsah um sein Starren zu erwidern. "Hm?"

 

Der Nephilim biss sich auf die Unterlippe, unsicher wie er es sagen sollte und entschied sich für Direktheit. "Warum bist du so nett zu mir?" Amaimon legte den Kopf schief und blickte ihn fragend an.

 

"Also ich meine...bei den letzten Malen warst du so scharf auf einen Kampf und konntest es ja offensichtlich nicht abwarten mich in den Asphalt zu donnern.", fuhr Rin fort.

 

"...Das war doch nur spielen. Mir war langweilig. Jetzt bist du hier und....naja....", er wurde still, offensichtlich selbst etwas nervös.

 

"Hasst du mich?", fragte er plötzlich.

 

Rin hielt inne. Er war immer davon ausgegangen. Er war damals bereit gewesen den Dämon zu töten und seine Wut für das, was er seinen Freunden angetan hatte, war groß gewesen. Nun stellte er allerdings fest, dass jegliche Rachegedanken verflogen waren. Er war wütend, aber nicht genug um ihn zu hassen.

 

"Nein.", antworte er mit fester Stimme. Wieder zeigte Amaimon Gesicht keine Regung, dafür weiteten sich seine Augen leicht. Scheinbar konnte man doch halbwegs erkennen, was er dachte, wenn man sich die Mühe machte, genauer hinzusehen.

 

"Ich bin immer noch sauer, weil du meine Freunde in Gefahr gebracht hast, aber ich schätze nachtragend zu sein, bringt nichts. Wir haben größere Probleme, oder?"

 

Amaimon blinzelte überrumpelt bis er tatsächlich anfing zu grinsen.

 

"Freut mich, kleiner Bruder!"

 

Es war seltsam so genannt zu werden, aber irgendwie fühlte es sich richtig an.

 

 

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Iblis verpasste dem Blutjäger einen weiteren Tritt in den Magen, woraufhin dieser einknickte und Blut hervor hustete.

 

"Wie oft noch, bis du's endlich begreifst? Je schneller ihr nachgebt, desto schneller hört's auf. Wir werden euch erst sterben lassen, wenn ihr uns erzählt, war wir wissen wollen.", sagte er beinahe gelangweilt. Er kickte Aym brutal in Gesicht und spürte, wie dessen Nase brach. Dennoch war sein Blick entschlossen.

 

"Ha....träum weiter du Bastard....", krächzte er hervor und wurde mit einem weiteren Tritt belohnt.

 

Stihi lag bewusstlos am Rand, nur ihr sich hebender und senkender Brustkorb verriet, dass sie noch lebte. Sie war übel zugerichtet und dass die Ketten ihre Heilungsfähigkeiten schwächten, machte es nicht besser.

 

Iblis schnaubte nur. Warum mussten sie so verdammt stur sein?! Er hatte schon vieles durchprobiert, vom Zusammenschlagen bis zu Verbrennungen (er war neben Satan als einziger dazu in der Lage, Feuerdämonen mit Feuer zu verletzen) und extremeren Methoden, doch sie verrieten nichts!

 

Er beschloss eine kurze Pause zu machen. Wortlos wandte er sich um und verließ den Raum. Den Wachen, welche vor der Tür standen, befahl er auf die Geschwister zu achten. Sie waren zwar angekettet, aber er würde kein Risiko eingehen.

Während er den Gang entlang lief spürte er vertraute Präsenz.

 

"Du bist früher hier als ich dachte.", begrüßte er seinen Vater.

 

"Ich habe einige Sachen verschoben. Ich habe heute wirklich nicht die Nerven mir das Gejammer irgendwelcher Aristokraten anzuhören.", erwiderte dieser. "Ich nehme an, sie weigern sich etwas zu sagen?"

 

"Japp. Hab einiges durchprobiert, aber sie erzählen nur Scheiße."

 

Satan nickte langsam. "Das war zu erwarten. Egal, die Zeit drängt also befasse ich mich mit ihnen, du kehrst zum Palast zurück. Es warten einige Dokumente."

 

"Jippie.", grummelte der Feuerkönig.

 

"Hör auf dich zu beschweren, ich bekomme ganze Wagenladungen mit den Teilen.", maßregelte Satan ihn augenrollend.

 

"Ja, ja...Wir sehen uns beim Abendessen.", verabschiedete sich Iblis seufzend. Satan nickte und sie gingen ihrer Wege.

 

Nach einigen Minuten befand sich Iblis bereits außerhalb des Zellenbereichs. 'So Zeit für mein Bett......'

 

Er hielt inne und sah sich suchend um. 'Muss ich jetzt eigentlich den rechten oder den linken Gang nehmen?'

 

Abendessen

Hätte man Rin vor einer Woche erzählt, dass er einmal mit dem Erdkönig in Gehenna sitzen und sie zusammen Pocky futtern würden, hätte er denjenigen für verrückt erklärt. Doch hier saß er nun auf einem grünen Sofa im Zimmer eines Dämonenkönigs, neben ihm ein kuschelbedürftiger Hobgoblin und ein paar Meter von ihm entfernt der Brokkolikopf, welchen er bis vor kurzem noch verbrennen wollte. Schon seltsam, was sich innerhalb weniger Tage ändern konnte.
 

Er nutzte die Gelegenheit um dem Erdkönig Fragen über die Situation in Assiah, die Blutjäger, der Infiltration der Exorzisten und natürlich dem Angriff auf Yukio zu stellen. Zwar bekam er seine Antworten, jedoch war der grünhaarige Dämon furchtbar einsilbig. Wie immer. Er hatte sich auch wegen Samaels seltsamen Verhalten erkundigt, aber der Erddämon war der Frage ausgewichen.
 

Sie hatten gerade die dritte Packung Pockys vernichtet als Amaimon seinen Stapel Papiere beiseiteschob.
 

Rin sah auf. "Fertig?"
 

"In einer Woche vielleicht.", kam die gegrummelte Antwort. Obwohl sein Halbbruder das Gesicht nicht verzog, schaffte er es dem unbearbeiteten Papierstapel einen strafenden Blick zuzuwerfen.
 

"Ist aber Zeit fürs Abendessen."
 

"Jetzt schon?", entfuhr es Rin verwundert und sah aus dem Fenster. Er hatte offensichtlich jegliches Zeitgefühl verloren, denn die Sonnen begannen bereits unterzugehen. Wie auf Kommando begann sein Magen zu knurren. Zwar hatte ein Bediensteter ihm vorhin Essen vorbeigebracht (dank Aulak hatte er ja sowohl das Frühstück als auch das Mittagessen verpasst), aber inzwischen war der Hunger wieder da. 'Man sollte meinen, dass drei Packungen Süßkram reichen würden.'
 

Amaimon stand auf und streckte sich. "Also gehen wir." Rin nickte und erhob sich ebenfalls.
 

Behemoth und Kuro waren beide eingeschlafen, also ließen sie die Beiden wo sie waren und gingen leise aus dem Zimmer. Auf ihrem Weg zum Esszimmer (oder besser gesagt Saal) sah Rin diesmal relativ wenige Dämonen, aber einige Wachen. Wahrscheinlich war für die meisten Bediensteten bald Feierabend. Sie waren fast angekommen als Amaimon wie angewurzelt stehen blieb.
 

"Da fällt mir ein...ich sollte das ja mitnehmen und Vater geben....", murmelte er.
 

"Was mitnehmen?"
 

"Nur ein paar Papiere...bin gleich wieder da. Warte hier, es sind überall Wachen, da wird nichts passieren."
 

Bevor Rin protestieren könnte war der Erdkönig auch schon verschwunden. Damit wäre die Frage, ob sich die anderen Dämonenkönige ebenfalls teleportieren können wohl geklärt.
 

Seufzend lehnte sich Rin an eine Wand. 'Wenn mich schon wieder jemand versucht zu entführen, erzähl ich dem Brokkolikopf was.', dachte er düster. Im selben Moment hörte er Stimmen, die sich langsam näherten. 'Ich und meine große Klappe.'
 

Um die Ecke kamen zwar keine Entführer, aber dafür potenzieller Ärger. Es waren Amon und Halphas, sowie ein dritter Mann, welchen Rin nicht kannte. Allerdings hatte er das ungute Gefühl, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen war.
 

Zu allem Überfluss entdeckten sie ihn. Halphas murmelte dem Dämonen etwas zu.
 

'Kommt schon, geht einfach weiter.', flehte Rin. 'Ich lehne hier nur an der Wand. Völlig allein. Gar nicht verdächtig.'
 

Natürlich kamen sie auf ihn zu. Toll.
 

Der unbekannte Dämon baute sich vor ihm auf (Warum waren viele Dämonen auch so groß und hatten offensichtlich nie etwas von persönlicher Distanz gehört?!) und starrte ihn wütend an. Schluck.
 

'Amaimon? Jederzeit!', dachte er ein wenig verzweifelt.
 

"Du bist also Lord Satans Bastard, huh? Und ich dachte nach Egyn könnte es keine größere Enttäuschung mehr geben." Er begann zu grinsen. "Oder eher kleiner."
 

Wow. Wie einfallsreich.
 

"Und d-...Ihr seid?" Rin war es zuwider höflich zu bleiben, denn der Typ war offensichtlich ein Arsch. Jedoch hatte er dessen Schwert, welches fast so lang wie Rin selbst war, entdeckt und beschloss es lieber nicht darauf ankommen zu lassen. Wenn er sich die Narben im Gesicht so ansah, konnte er davon ausgehen, dass dieser Kerl schon einige Kämpfe miterlebt hatte und den Boden mit ihm aufwischen würde. Jetzt wo er darüber nachdachte...wo zur Hölle (oder zu Gehenna?) war eigentlich Kurikura abgebleiben?! Shura und Yukio würden ihn umbringen, wenn sie wüssten, dass er es aus den Augen verloren hatte und Shiro würde im Grabe rotieren.
 

"Alastor. Bin Lord Satans Hand und General der Armee sowie sein oberster Vollstrecker." Sein Grinsen weitete sich, reiner Sadismus spiegelte sich darin. "Außerdem kümmere ich mich um die...stureren Insassen des Tartarus."
 

Irgendetwas sagte Rin, dass er ihnen keine Sozialstunden aufbrummte.
 

"Und was hat das mit mir zu tun?", fragte er, bemüht möglichst ruhig zu klingen.
 

Alastor schnaubte. "Hör mal gut zu, du Göre. Es ist mir scheißegal, was Lord Satan sagt. Du bist schwach, verweichlicht und gehörst ganz sicher nicht hier her. Du bist ein Verräter und hast dich schon einmal für die Exorzisten entschieden, da kann mir keiner erzählen, dass du deine Meinung geändert hast. Wäre es nach mir gegangen, wärst du längst tot. Im Moment hält Lord Satan seine Hand über dich, aber solltest du aus der Reihe tanzen, wirst du dafür bezahlen." Er lehnte sich ein Stück nach vorne. "Dann werde ich dir sämtliche Knochen brechen, Haut und Fleisch abschälen und sobald du dich geheilt hast, fange ich von vorne an. Ich verspreche dir, wenn ich mit dir fertig bin, wirst du dich nicht einmal mehr an deinen Namen erinnern."
 

'Tja. Fuck.'
 

Bevor Rin antworten konnte, mischte sich eine weitere Stimme ein. Das war wohl besser so, denn er hatte die Vermutung, dass seine Stimme einige Oktaven höher gewesen wäre als es angebracht war.
 

"Alastor, Halphas, Amon. Was glaubt ihr, was ihr da tut?!" Er erkannte die Stimme, konnte sie allerdings auf Anhieb nicht zuordnen. Erst als sie näher kam, erkannte er sie. Es war Ankou.
 

Ihre weißen Augen waren zu Schlitzen verengt. "Habt ihr wirklich nichts besseres zu tun als Kinder zu bedrohen?! Bei Alastor überrascht es mich nicht, aber von euch beiden hätte ich besseres erwartet. Wie enttäuschend." Amon und Halphas sahen für einen Moment tatsächlich so aus als würden sie sich ein wenig schämen, Alastor stieß ein leises Knurren aus.
 

"Halt dich da raus, Weibsstück."
 

"Eure Antwort ist Sexismus? Na, irgendwie müssen Männer sich ja wichtig fühlen.", kam die spöttische Antwort. "Und ich halte mich da nicht raus. Lasst ihn in Ruhe oder ich jage Euch einen Pfeil ins Herz."
 

"Du drohst mir?", Alastor lachte. "Sieht so aus als müsste da jemand seinen Platz lernen."
 

"Alastor-", begann Amon, doch wurde unterbrochen. "Ruhe!", fauchte Alastor und wandte sich wieder an die Dämonin. Diese schien nicht unbeeindruckt. Amon und Halphas schienen allerdings nicht von Alastors Verhalten angetan zu sein. Sie schienen sich sogar darauf vorzubereiten, dass er handgreiflich wurde.
 

Ankou war dagegen das Musterbeispiel an Gelassenheit. "Ihr wisst, was Lord Satan gesagt hat. Wenn Ihr Hand an ihn legt, werdet Ihr sterben. Ist das Euren Stolz wert?"
 

Der Dämon bleckte die Zähne und ging auf sie, jedoch zuckte sie nicht einmal mit der Wimper, dabei war sie vielleicht grad mal zehn Zentimeter größer als Koneko und er war ein Riese.
 

"Du willst mir also erzählen, dass du ihm vertraust? Dann bist du so naiv wie deine Schwester und nicht für deinen Posten geeignet."
 

"Ich vertraue ihm nicht hundertprozentig, aber ich bin bereit ihm eine Chance zu geben. Solange wir wachsam bleiben, gibt es keinen Grund sich Sorgen wegen ihm zu machen.", erwiderte sie ruhig. "Darum finde ich es auch sehr interessant, dass Ihr ihn so sehr fürchtet. Habt Ihr vielleicht einfach Angst?"
 

'Jetzt reicht's...sie bekommt sowas von einen Platz auf meiner Coolness-Liste.', legte Rin fest.
 

Alastor lachte auf. "Du hältst dich wirklich für so clever, wie? Na egal, ich habe hier genug Zeit verschwendet." Er wandte sich ein letztes Mal an Rin. "Denk an meine Worte, Nephilim. Lord Satan mag eine Schwäche für seine Söhne haben, aber er kann dir nicht immer den Arsch retten. Das Gleiche gilt für deine unnützen Brüder und Leuten wie sie." Er nickte in Richtung Ankou, welche ihn mit verschränkten Armen und steinerner Miene beobachtete. Damit wandte sich der Vollstrecker um und ging. Amon und Halphas folgten ihm nach kurzem Zögern und warfen ihr entschuldigende Blicke zu.
 

Erst als sie außer Sichtweite waren, erlaubte sich Rin aufzuatmen.
 

"Tut mir Leid, dass dir das passieren musste. Alastor ist bei sowas leider unmöglich.", sprach ihn seine Retterin an.
 

"Kein Problem, ich bin inzwischen an Dämonen, die mich umbringen wollen, gewöhnt.", antwortete er noch immer etwas angespannt. "Schätze mal, Paymons Warnung war begründet."
 

Er meinte den Anflug eines Lächeln zu sehen, auch wenn es sofort wieder verschwand. Scheinbar war sie keine komplette Eisprinzessin. "Stimmt, du scheinst ein Talent darin zu haben, Ärger anzuziehen. Keine Sorge, deine Brüder haben das längst zum Volkssport gemacht." Sie seufzte. "Apropos, warum stehst du hier rum, wie bestellt und nicht abgeholt? Haben sie dich allen Ernstes alleine durch den Palast irren lassen oder bist du ausgerückt?"
 

"Ich war mit Amaimon unterwegs, aber er wollte irgendwas holen, dass er liegen gelassen hat.", erklärte Rin.
 

Die Wind- und Geisterdämonin verdrehte die Augen. "Typisch. Das einzige, was er nie vergisst, ist sein Süßkram."
 

Rin zögerte kurz, doch er wollte wissen, was gerade passiert war. "Was sollte das eben? Was ist Alastors Problem?"
 

Sie seufzte. "Mach dir nichts draus. Er, Halphas und Amon vertrauen dir nicht, weil sie glauben, dass du uns an die Exorzisten verraten willst. Halphas und Amon sind eigentlich vollkommen in Ordnung, sie machen sich nur Sorgen, weil sie sehr eng mit Iblis und Astaroth befreundet sind. Amon hat außerdem Frau und Kinder, da ist es kein Wunder, dass er besonders misstrauisch ist. Gib ihnen etwas Zeit und sie akzeptieren dich sicher. Was Alastor angeht..." Erneut seufzte sie.
 

"Er hat nie besonders viel von deinen Brüdern oder Lord Satans Entscheidung keinen Krieg mit den Exorzisten zu beginnen, gehalten."
 

"Was hat er denn gegen die Dämonenkönige?", fragte Rin verwirrt.
 

"Er hat kann Aristokraten nicht ausstehen. Er hat früh seine Eltern verloren und auf der Straße gelebt. Die meisten Adligen haben nicht viel für 'Straßenratten' oder das gemeine Volk übrig, also haben sie ihm so oft sie konnten Probleme bereitet. Ein Schmied hat ihn später aufgenommen, wurde aber bei einem Konflikt zwischen zwei Adelshäusern getötet kurz nachdem Alastor der Armee beigetreten ist. Er musste sich immer alles erkämpfen und hart arbeiten, während die Reichen alles auf dem Silbertablett bekommen."
 

"Das klingt zwar übel, aber ist keine Entschuldigung!", rief der Nephilim. "Und mit Satan kommt er klar?!" Er konnte sich noch nicht dazu bringen Satan als 'Vater' zu bezeichnen. Ankou sprach ihn glücklicherweise nicht darauf an.
 

"Ich weiß. Was seine Beziehung mit Lord Satan angeht...es ist...kompliziert. Sagen wir es mal so: Lord Satan ist in gewisser Weise ein Freund, aber auch ein Rivale. Es gibt auch mehrere hartnäckige Gerüchte, dass Alastor einen Groll gegen ihn hegt, aber ich denke, dass solltest du deinen Vater selbst fragen. Wie auch immer. Streite die Vorwürfe nicht einfach ab, sondern zeige uns, dass wir dir vertrauen können. Es wäre wirklich schade, wenn ich dich töten müsste." Sehr beruhigend.
 

Sie sah sich um. "Sollte Amaimon nicht langsam wieder kommen?"
 

Rin öffnete den Mund, als der Erdkönig auch schon neben ihm auftauchte. "'Tschuldige, bin in Namrael rein gerannt und sie hat mich ewig bequatscht.", murmelte er und blinzelte als er Ankou entdeckte. "Was machst du denn hier?"
 

"Deinen Job. Alastor ist ihm auf die Pelle gerückt.", kam die leicht verärgerte Antwort.
 

"Oh...'Tschuldigung?"
 

Rin und Ankou stießen gleichzeitig einen Seufzer aus.
 

"Schon gut, aber wenn ich wegen sowas mal sterben sollte, werde ich dich als Geist heimsuchen!", grollte Rin.
 

"....Na gut.", antwortete Amaimon.
 

"Das ist nicht wie es funktioniert, aber gut.", seufzte Ankou. "Ich bin weg. Pass auf dich auf, Rin."
 

"Danke für deine Hilfe."
 

Sie nickte. "Kein Problem, aber lasse es besser nicht zur Gewohnheit werden." Damit verschwand sie in einer schwarzen Rauchwolke.
 

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Je länger Satan die Blutjäger folterte, desto mehr musste er zugeben, dass sie ihn durchaus beeindruckten. Sie waren von den Befragern zusammengeschlagen und von Iblis auf verschiedene Art und Weise gequält worden. Nun standen sie dem Teufel selbst gegenüber und dennoch schafften sie es sich zusammenreißen. Bemerkenswert für ihr Alter. Es gab weitaus ältere Dämonen, die inzwischen zu seinen Füßen liegen und um Gnade flehen würden.
 

Für ihn wäre es ein leichtes ihren Geist zu zerschmettern, aber dann wären auch seine Antworten verloren, also musste er Acht geben, es nicht zu übertreiben. Mittlerweile hatte er sogar einige bekommen, zumindest mehr oder weniger. Scheinbar hatten bereits ihre biologischen Eltern Lilith unterstützt und waren in der Rebellion ums Leben gekommen. Daraufhin wollte sie Rache. Als sie dann adoptiert wurden, nutzten sie ihre Möglichkeiten aus so gut sie konnten. Es war nicht einfach gewesen ihre Adoptiveltern zu täuschen, aber sie bereuten nichts. In die Blutjagd waren sie vor knapp 25 Jahren eingestiegen. Allerdings hatte Satan das Gefühl, dass sie an manchen Stellen logen oder gar die Wahrheit zurückhielten. Außerdem hatte er ein seltsames Gefühl, was sie betraf. Irgendwoher kannte er sie, aber diesmal ließ ihn sein normalerweise recht gutes Gedächtnis im Stich. Aym und Stihi waren inzwischen in Ohnmacht gefallen, also befahl er den Wachen sie zurück zu ihren Zellen zu schleifen. Morgen würde er sich die restlichen Antworten holen.
 

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Als Rin und Amaimon endlich ankamen, waren einige der Dämonenkönige bereits eingetroffen. Astaroth saß auf seinem Platz, seine Füße lagen auf dem Tisch und in der Hand hielt er wieder seinen Dolch, welchen er diesmal schliff.
 

Azazel starrte auf seinen Laptop, Egyn warf Astaroth einige missbilligende Blicke zu und Beelzebub las in einem Buch.
 

Sie (außer Azazel) sahen auf als Amaimon und Rin eintraten.
 

"Ihr seid beide noch in einem Stück?", fragte Astaroth verwirrt. "Scheiße, jetzt schulde ich Iblis 'nen Kasten Bier."
 

"Ihr habt gewettet?", fragte Rin verblüfft.
 

"Klar."
 

Amaimon schlurfte zu seinem Stuhl und ließ sich hinein plumpsen, scheinbar nicht überrascht.
 

Erneut öffnete sich die Tür, diesmal betraten Lucifer und Samael den Raum.
 

Lucifer warf dem Fäulniskönig einen strengen Blick zu. "Astaroth, Füße vom Tisch."
 

"Die machen den nachher eh sauber..."
 

"Jetzt."
 

Astaroth grummelte etwas vor sich hin, hörte allerdings auf den Lichtkönig. Samael setzte sich ebenfalls. Noch immer wirkte er ein wenig schlecht gelaunt, aber das hielt ihn nicht davon ab Rin dreckig anzugrinsen. "Schön, dass Amaimon und du euch vertragen könnt. Es wäre schade gewesen, wenn ich die nächste Runde verpasst hätte!~"
 

Rin starrte den Clown nur an, ließ sich dann lieber wortlos neben Astaroth nieder.
 

"Kein Kommentar?", stichelte der Zeitkönig.
 

"Klar. Warum hast du so schlechte Laune?", antwortete Rin unschuldig.
 

Samael erwischte die Frage im kalten, doch er ließ es sich nicht anmerken.
 

"Ich habe leider keine Ahnung, wovon du sprichst, kleiner Bruder!~"
 

Rin ließ nicht locker. "Warum bist du dann nicht so nervtötend wie sonst?"
 

Der Zeitkönig wurde von den aufschwingenden Saaltüren geöffnet. Herein gestapft kam Iblis, welcher äußerst säuerlich drein schaute.
 

"Ich. Hasse. Den. Tartaros.", fauchte er.
 

"Hast du dich wieder verlaufen?~", frohlockte Egyn.
 

"Klappe Iggy!"
 

"Hey! Es ist nicht meine Schuld, wenn du dich nach all den Jahrtausenden noch immer nicht dort auskennst, Ibi!"
 

"Iggy? Ibi?", echote Rin verwirrt.
 

Astaroth öffnete den Mund, doch wurde von Iblis unterbrochen. "Denk nicht mal dran, Rothy!"
 

"ARGH, ERNSTHAFT?!"
 

'Rothy. Was. Zum. Obst?!'
 

Lucifer seufzte. "Amaimon konnte als Kind nicht Egyns Namen aussprechen, also hat er ihn immer 'Iggy' genannt. Iblis hat ihn dann damit aufgezogen, woraufhin Egyn ihm 'Ibi' verpasst hat, um es ihm heimzuzahlen. Als Astaroth das rausgefunden hat, hat er sie dann damit aufgezogen und sie haben ihn 'Rothy' genannt. "
 

Rin machte einen gedanklichen Vermerk, keinen der Dämonenkönige je bei einem Spitznamen zu nennen oder ihnen gar selbst einen zu verpassen. Wenn es möglich war, die Namen von drei der mächtigsten Dämonen Gehennas, derartig lächerlich zu machen, wollte er nicht wissen, was sie ihm als Spitznamen geben würden.
 

"Hast du die ganze Zeit damit verbracht den Weg raus zu finden, Iblis?", fragte Beelzebub.
 

"Ne, hab' jemanden getroffen, der mir den Weg erklärt hat. Haben die ja schon am Kontrollpunkt versucht, aber nach der vierten Brücke hatte ich den Faden verloren. Hab' mich bis grad eben um ein paar Drachen gekümmert. Die haben mich zwar zweimal fast gefressen, aber zumindest drehen die nicht länger durch."
 

'Drachen? Ach, was soll's, mich wundert's nicht mehr.', dachte Rin resigniert.
 

"Also hast du keine Ahnung wo Vater steckt?", erkundigte sich Lucifer.
 

"Nein, aber ich schätze er wird die Blutjäger Alastor überlassen."
 

"Alastor ist aber im Palast.", warf Rin ein. Die Baal (bis auf Amaimon) starrten ihn an, sogar Azazel hob den Kopf.
 

"Woher weißt'n du'n das?", nuschelte er.
 

"Ich bin ihm vorhin begegnet."
 

"Wann?", fragte Lucifer scharf und sein Blick wanderte zu Amaimon, welcher reges Interesse an seinem Lollipop zeigte.
 

Rin wurde bewusst, dass er gerade aus Versehen den Erdkönig verpetzt hatte.
 

Etwas widerwillig erzählte er, was passiert war. Als er fertig war, sprang Egyn fast Amaimon an die Kehle. "DU HAST UNSEREN KLEINEN BRUDER ALLEIN MIT ALASTOR GELASSEN?!", kreischte er beinahe.
 

Rin zuckte zusammen, die anderen waren es gewohnt, daher beeindruckte sie das nicht wirklich.
 

Azazel, welcher sich vorsorglich die Ohren zugehalten hatte, nachdem Rin fertig mit Erzählen gewesen war, sah Egyn genervt an. "Musst du immer so hysterisch werden?"
 

"Er hat ihn allein gelassen! Mit Alastor!", wiederholte der Wasserkönig entsetzt.
 

"Ist ja nichts passiert...", versuchte Rin ihn zu verteidigen. "Es konnte es auch nicht wissen."
 

"Es spielt ohnehin keine Rolle mehr, was geschehen ist, ist geschehen.", bestätigte Lucifer. Er wandte sich an Iblis und Astaroth. "Sprecht nochmal mit Amon und Halphas. Wir sollten außerdem Vater davon erzählen, damit er sich mit Alastor unterhält...und wir müssen uns bei Ankou bedanken." Er sah Rin an. "Solange wir da sind, kann Alastor nichts tun, aber provoziere ihn bitte nicht und wandere auch nicht allein umher."
 

"Provozieren?! Ich stand da einfach nur rum! Soll ich mich nächstes Mal hinter dem Vorhang verstecken oder doch lieber aus dem Fenster klettern?!", knurrte der Nephilim.
 

"Mach einfach einen Bogen um ihn.", empfahl Beelzebub.
 

"Gerne."
 

Wieder ging die Tür und endlich war es Satan, der den Raum betrat. Interessanterweise zog sich Rins Magen diesmal nicht zusammen. Immerhin ein Anfang.
 

"Tut mir Leid, dass ich zu spät bin.", seufzte der Gott Gehennas. "Diese Blutjäger waren stur."
 

"Gibt's dann jetzt Essen? Ich laufe auf dem Zahnfleisch.", grummelte Iblis.
 

Satan verdrehte die Augen und wandte sich an Rin und Amaimon. "Ich hoffe ihr habt euch endlich vertragen?"
 

"Also war es doch Absicht, dass du uns zu zweit losgeschickt hast.", stellte Rin fest.
 

"Vielleicht.", antwortete Satan, in seiner Stimme schwang ein Hauch von Belustigung mit.
 

Zehn Minuten später saßen alle am Tisch und es gab endlich Abendessen. Rin sah etwas bewildert seinen Teller an. Darauf lag ein Stück Fleisch, scheinbar das Gleiche, was er gegessen hatte als Azazel auf ihn aufgepasst hatte. Wenn er sich richtig erinnerte, war es Selkie Fleisch. Daneben lagen einige grau-schwarze Kugeln und irgendein blaues Kraut. Dazu gab es eine seltsame grüne Soße, zu trinken bekamen sie eine rote Flüssigkeit, welche Blut schrecklich ähnlich sah. Außerdem stand auf dem Tisch noch einige Schüsseln in denen grün-gelbe...Würmer...Raupen...Dinger lagen.
 

"Ich glaube die bewegen sich...", wies er seine Familie unsicher hin. Astaroth griff in die Schüssel und nahm sich einige dieser Teile.
 

"Lindwurm-Larven.", erklärte er. Rin erkannte nun, dass sie sich tatsächlich noch bewegten.
 

"Iss den Kopf zuerst, dann finden sie den Weg allein.", fuhr der Fäulniskönig grinsend fort und steckte sich tatsächlich einige von denen in den Mund. Rin schaute ihm entsetzt zu, schaute dann auf die Schüssel und rutschte etwas weg. Nope. Not gonna happen.
 

"Keine Sorge, die sind bereits tot. Das sind nur letzte Zuckungen." beruhigte ihn Beelzebub.
 

"Das macht es nicht besser!", antwortete der Nephilim etwas verstört.
 

"Also keine fleischfressende Skarabäus-Suppe für dich?", erkundigte sich Amaimon.
 

Rin starrte ihn entsetzt an, Satan verdrehte die Augen. "Er zieht dich über den Tisch."
 

"Dafür gibt's Manaia-Augen-Eintopf.", steuerte Azazel bei.
 

Rin spuckte fast sein Essen aus. Diesmal bezeichnete es niemand als Witz.
 

"Ich schätze, ihr habt hier kein Subway?", fragte er etwas verzweifelt.
 

"Schön wär's.", murmelte Iblis. Rin fiel auf, dass er sein Essen hin und her schob.
 

Satan warf dem Feuerkönig einen Seitenblick zu und seufzte. "Also gut, was ist jetzt wieder los? Du hattest dich doch beschwert, so großen Hunger zu haben."
 

Iblis sah überrascht auf, offensichtlich aus seinen Gedanken gerissen. "Ich denke nur an etwas, was Stihi gesagt hat, mehr nicht."
 

Rin wurde hellhörig. Wenn er sich richtig erinnerte, war Stihi eine der beiden Blutjäger, die Yukio angegriffen hatten."
 

"Du solltest nicht alles was sie erzählen, glauben.", gab Lucifer zu bedenken.
 

"Ist trotzdem komisch..."
 

"Was hat sie gesagt?", hakte Satan nach.
 

Iblis zögerte bevor er antwortete. "Du hast wirklich keine Ahnung, oder? Du hast keinen Schimmer was ihr uns angetan habt. Ihr lebt in eurem Palast und ignoriert alles, was euch Probleme bereiten könnte. Ihr nehmt was und wen ihr wollt und werft es weg, wenn es uninteressant geworden ist. Ihr seid widerlich."
 

Satan, Rin und die Baal starrten ihn an. Schließlich durchbrach Egyn die Stille. "Das ist doch lächerlich, wir nehmen uns 'wen' wir wollen? Oder hat jemand was zu beichten?"
 

"Ew...", murmelte Azazel. Rin war verwirrt, warum ew? Wahrscheinlich wollte er es nicht wissen.
 

"Natürlich nicht, ich habe wirklich besseres zu tun.", schnaubte Samael.
 

"Es war einfach das Geschwafel einer geistesgestörten Person oder sie wollte uns verunsichern. Wir sollten da nicht so viel drauf geben.", murmelte Azazel.
 

Iblis zuckte mit den Schultern. "Vielleicht..."
 

"Wie wäre es mit einem Themawechsel?", fuhr Beelzebub. "Ich will mich jetzt nicht wieder mit Arbeit beschäftigen. Wahrscheinlich werde ich in den nächsten Nächten ohnehin von Papierstapeln träumen."
 

"Gute Idee, dann können wir uns gleich über Alastor unterhalten.", stimmte Lucifer zu.
 

Satan runzelte die Stirn. "Was hat er jetzt wieder angestellt?"
 

Auf das Drängen seiner Halbbrüder hin, erzählte Rin war vorgefallen war. Es war komisch Satan seine 'Probleme' anzuvertrauen. Der Dämonengott hörte mit einem nicht deutbarem Gesichtsausdruck zu und schien vor sich hin zu fluchen als der Nephilim fertig war.
 

"Ich habe ihm ausdrücklich gesagt, dass er die Pfoten von dir lassen soll, aber natürlich kommt er nicht über seinen Stolz. Eines Tages werde ich wirklich die Geduld mit ihm verlieren...", murmelte er verärgert.
 

"Warum hast du ihn überhaupt zu deiner rechten Hand gemacht?", fragte Rin vorsichtig.
 

"Alastor ist...kompliziert. Ankou hat dir ja bereits einiges erzählt. Er stieg rasant auf nachdem er der Armee beitrat. Irgendwann forderte er mich heraus."
 

Das klang danach als hätte Alastor Todeswünsche gehegt. "Heißt?"
 

"Wenn ein Dämon, egal welchen Ranges oder Abstammung der Meinung ist, dass ich schlecht regiere, kann man mich jederzeit herausfordern. Wenn er oder sie gewinnt, erhalten sie meine Flammen und somit den Thron Gehennas. Damit soll sichergestellt werden, dass der momentane Herrscher sich gegen derartige Bedrohungen wehren kann. Wir dürfen jede Waffe und Fähigkeit einsetzen, die wir wollen. Ich darf nur meine Flammen nicht benutzen. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass noch niemand gegen mich gewonnen hat."
 

"Was passiert mit den Verlierern?" Er war sich nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte.
 

"Sie sterben.", sagte Satan in einem Tonfall, in dem man normalerweise über das Wetter redete. Scheinbar glaubte man in Gehenna nicht an zweite Chancen. "Alastor war jedoch anders als meine bisherigen Gegner. Ich war sehr beeindruckt von seine Fähigkeiten und seiner Ausdauer. Er hat wesentlich länger durchgehalten als alle anderen. Also habe ich ihm einen Platz angeboten."
 

"Du hast dem Kerl, der dich umbringen wollte, einen Job angeboten?!", fragte Rin fassungslos.
 

"Ich habe mit dem Kampf seinen Stolz verletzt, aber er ist immer noch Soldat. Er respektiert Stärke und ich habe mir im Kampf seine Anerkennung verdient. Er handelt außerdem nicht in seinem eigenen Interesse, sondern im Interesse Gehennas. Darum hat er dich ja überhaupt erst bedroht. Du hast das Potenzial die Dämonen oder die Menschheit zu vernichten."
 

Super.
 

"Es gibt Gerüchte, dass er einen Groll gegen mich hegt, aber letztendlich ändert das nichts an seiner Loyalität zu Gehenna. Er ist damals auch nicht Lilith gefolgt, sondern ist mir treu geblieben. Momentan sehe ich keine Grund mir Sorgen um ihn zu machen, ich werde mit ihm reden und ihm klar machen, dass er sich von dir fernhalten soll."
 

"Das hat ja auch super beim ersten Mal funktioniert...", murmelte Amaimon.
 

Schweigen folgte, nur das gelegentliche Klappern des Bestecks war zu hören. Die rote Flüssigkeit in den Bechern hatte sich zudem als eine Art Saft herausgestellt.
 

Plötzlich durchbrach Iblis die Stille. "Ach ja, bevor ich's vergesse. Da wir jetzt alle aufeinander hocken: habt ihr Lust heute mal wieder was trinken zu gehen?"
 

Die Dämonenkönige sahen ihn überrascht an. "Es das nicht etwas kurzfristig?", fragte Beelzebub zweifelnd. "Abgesehen davon bin ich ziemlich platt."
 

"Also ich hätte nichts gegen.", hielt Astaroth schulterzuckend dagegen. "Ist ja nicht besonders weit weg und ich nach diesen scheiß Tagen könnte ich Alkohol vertragen..."
 

"Ebenfalls.", stimmte Egyn zu, sehr zu Rins Überraschung.
 

"Denk dran Astaroth, du schuldest mir noch was.", warf Iblis grinsend ein.
 

Amaimon bleib still, nickte jedoch.
 

Lucifer zögerte und sah Samael fragend an. "Was sagst du?"
 

"Wenn Iblis zahlt.", antwortete dieser grinsend.
 

Rin verdrehte die Augen. Die Dämonenkönige waren wahrscheinlich stinkreich und Samael war immer noch knausrig...andererseits war das in Assiah nicht anders gewesen.
 

"Dann bin ich wohl auch dabei.", seufzte Beelzebub und wandte sich an Azazel.
 

"Na gut...", kam es leise von ihm.
 

"Geht doch.", sagte Iblis und wandte sich an Rin. "Kommst du auch mit?"
 

Die Frage überrumpelte den Halbdämonen. "Ich?"
 

"Sitzt sonst noch wer auf deinem Platz?", fragte Astaroth augenrollend.
 

Wollte er? Einerseits graute es ihm davor in ein Gebiet voller Dämonen zu gehen, andererseits war er im Palast auch von ihnen umgeben und er wollte endlich etwas anderes tun als immer nur in seinem Zimmer zu hocken.
 

"Ich kann aber noch nichts trinken...", sagte er langsam.
 

Iblis winkte ab. "Da finden wir schon was. Abgesehen davon sind wir immer noch da, dann kannst du schon mal was trinken. Du musst dir ja nicht gleich nen Armageddon in den Kopf kippen."
 

"Na gut, dann schätze schon." Er hatte echt genug davon rumzusitzen.
 

Die Baal sahen Satan erwartungsvoll an. Dieser runzelte die Stirn.
 

"Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist..."
 

"Wir sind die ganze Zeit bei ihm und die Bar ist nicht weit weg. Wir kennen die Leute dort und wir kommen auch nicht zu spät nach Hause.", versicherte Lucifer ihm schnell.
 

"Abgesehen davon bekommt er allein in seinem Zimmer doch ne Vollkrise.", fügte Astaroth hinzu.
 

"Er kann uns auch besser kennenlernen und sieht etwas von Gehenna.", mischte sich Egyn ein.
 

Rin wusste nicht genau weswegen, aber als er zuhörte wie seine Halbbrüder für ihn Partei ergriffen, machte sich in ihm ein seltsames Gefühl breit. Er war nicht ganz sicher, was er war. Erleichterung? Freude? Verbundenheit? Egal, es war ein gutes Gefühl, welches an Zuhause erinnerte.
 

Satan zögerte, doch schlussendlich gab er sich matt lächelnd geschlagen. "Na gut, ich schätze da spricht nichts gegen. Aber ich habe einige Bedingungen. Ihr bleibt die ganze Zeit bei ihm und ihr haltet euch mit dem trinken zurück. Ich habe keine Lust euch morgen aus dem Bett schleifen zu müssen." Sein Blick wanderte zu Azazel. "Und wenn sich einer von euch nochmal in die Flure- nein, wenn sich einer von euch innerhalb meines Palastes oder meines Gebietes übergibt, dürft ihr die nächsten zweihundert Jahre in ihren Zimmern Papierkram erledigen, kapiert?"
 

Azazel schien auf seinem Stuhl zu schrumpfen, die anderen Baal nickten schnell.
 

"Sollen wir dir irgendwas mitbringen?", fragte Beelzebub.
 

"Nicht nötig. Ich trinke noch ein Glas und gehe dann schlafen."
 

"Hast du uns nicht grad gesagt, dass wir uns mit Alkohol zurückhalten sollen? Du trinkst fast jeden Tag...", warf Lucifer vorsichtig ein.
 

"Sag mir nicht, wie ich mein Leben leben soll."
 

Während die Gespräche langsam wieder an Fahrt aufnahmen und Samael ein offensichtliches Alkoholproblem kommentierte, war Rin in Gedanken versunken. Stets wurde ihm gesagt, dass die Dämonen für das Böse in der Welt verantwortlich und somit die Wurzel allen Übels sind. Inzwischen begann er einzusehen, dass das alles Blödsinn war. Dämonen waren wie die Menschen, sie konnten Gutes und Schlechtes bewirken. Letztendlich war es eigentlich auch egal, denn als er sich die anderen am Tisch so ansah, musste er sich eingestehen, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben richtig Zuhause fühlte und eine Familie hatte.

Ausflug in die Bar

Ein Teil von Rin war froh als das Abendessen vorbei war. Zwar hatte er dabei zum ersten Mal das Gefühl gehabt eine richtige Familie zu haben, doch er wollte endlich raus. Oh und er wollte diese Larven aus seinem Blickfeld. Während einige Bedienstete den Tisch abräumten (es war seltsam, das nicht selbst erledigen zu müssen) fragte er sich, wie lange er überhaupt schon hier war, denn er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Es müsste eine Woche sein, oder? Bestimmt waren die Anderen krank vor Sorge. Sein Blick wanderte durch den Raum. Azazel und Iblis unterhielten sich mit Satan in einer Ecke, scheinbar ging es um die Blutjäger. Er versuchte etwas aufzuschnappen, aber sie unterhielten sich in Gehennisch. Er musste es wohl wirklich bald lernen.
 

Endlich war es soweit. Satan zog sich in seine Gemächer zurück und seine Söhne konnten aufbrechen. Rin legte noch einen kurzen Zwischenstopp in Amaimons Zimmer ein um Kuro Bescheid zu geben, sodass er sich keine Sorgen machte. Niemand war scharf darauf, dass die Cait Sith sich verwandelte und das Schloss zerlegte. Allerdings würde es niemanden mehr wundern, wenn plötzlich eine riesige Katze im Palast Amok lief. Die Bewohner waren inzwischen an seltsame Dinge gewöhnt und hinterfragten es kaum noch.
 

Schließlich standen sie vor den Palasttoren und die warme Abendluft wehte dem Nephlim ins Gesicht. Die drei Monde und einige rote Sterne waren bereits aufgegangen. Der Himmel hatte sich dunkelviolett verfärbt. Lucifer wandte sich an ihn. "Ich schätze, du hast noch nie einen Phasensprung gemacht?"
 

"Einen was?", fragte Rin verwirrt.
 

"Teleportiert.", ergänzte Beelzebub. Ah, so hieß das also bei Dämonen.
 

"Dann nein. Ist das schlimm?"
 

Lucifer schüttelte den Kopf. "Nein, einer von uns könnte dich mitnehmen indem er dich festhält, aber ich glaube, wir laufen lieber. Ein Phasensprung ist ziemlich unangenehm für jemanden, der mitgenommen wird, besonders beim ersten Mal."
 

"Wie unangenehm?"
 

"Viele übergeben sich. Nicht nur beim ersten Mal.", informierte ihn Amaimon.
 

"Laufen klingt gut.", stimmte Rin dem Lichtkönig zu. Azazel grummelte etwas vor sich, woraufhin ihm Beelzebub mit dem Ellbogen leicht in die Rippen stieß.
 

"Nun hab dich mal nicht so, Aza. Laufen tut dir mal ganz gut. Wenn du weiter so machst, kannst du Acedias Posten übernehmen."
 

"Ich glaube, da haben ihre Schwestern was dagegen.", gab Azazel ungerührt zurück.
 

"Jetzt beweg dich einfach."
 

Während sie liefen, sah Rin sich um. Die Hauptstadt Gehennas (er hatte von Lucifer erfahren, dass sie 'Pandemonium' hieß) war nicht wirklich, wie man sich als Sterblicher die Hölle ausmalte.
 

Es wirkte wie ein Mix aus Vergangenheit und Moderne. Die Gebäude waren größtenteils aus Stein, mehrstöckig und standen eng beinander. Einige sahen aus, wie ein gewöhnliches Einfamilienhaus, andere waren praktisch Villen. Verschiedene Geschäfte zogen sich an den Rändern der gepflasterten Straßen entlang (diese hatten Kanaldeckel, also schien es auch eine Kanalisation zu geben) und einige Straßenlaternen tauchten die Umgebung in blaues Licht. Überall waren kleinere Seitengassen, sowohl breite als auch schmale. Sie überquerten eine Steinbrücke, welche über einen Kanal verlief und erreichten einen Marktplatz. Da es Abend war, trieben sich nur vereinzelte Dämonen herum. Es war generell nicht viel auf den Straßen los. Allerdings konnte er irgendwo Musik und Lachen hören. Sie bewegten sich jedoch immer weiter weg davon und passierten ein riesiges Gebäude, welches ihn stark an eine Kirche erinnerte, nur wesentlich düsterer. Es schien relativ wichtig zu sein, denn rundherum war eine freie Fläche. Diese war von einer hohen, schwarzen Mauer mit schmiedeeisernem Tor umgeben. Er bezweifelte, dass Dämonen irgendwen anbeteten, außer vielleicht Satan.
 

"Was ist das für ein Gebäude?", fragte er nach kurzem Zögern Astaroth, welcher neben ihm lief.
 

"Ein Totentempel. Wir bestatten dort, wie der Name sagt, unsere Toten. In diesem Fall liegen dort nur Hochrangige."
 

"Heißt?"
 

"Im Außenbereich liegen vor allem Kriegshelden. Wie sie beigesetzt werden, kommt meist auf ihr Element an. Erddämonen bekommen 'ne Erdbestattung, Wasserdämonen 'ne Wasserbestattung -darum ist auch ein See auf dem Gelände- und so weiter. Viele Kämpfer bevorzugen allerdings die Feuerbestattung.  In der Tempelhalle liegen Personen, die uns nahe standen, wie zum Beispiel Valefor, Beelzebubs ehemalige rechte Hand. In der Krypta landen nur Mitglieder der Königsfamilie."
 

"Also ist sie leer?"
 

"Nein, meine Mutter und die Anderen liegen dort."
 

'Super Rin. Du bist echt ein Fettnapf-Suchgerät.', beglückwünschte sich der Nephilim verbittert. Astaroth bemerkte seinen Blick. "Schon gut, du konntest es nicht wissen."
 

Für einen kurzen Moment war Rin versucht nach den ehemaligen Frauen seines Vaters zu fragen, ließ es dann doch lieber bleiben. Es wäre mehr als arschig derartige Wunden aufzureißen.
 

Endlich bogen sie in eine Seitengasse. Sie sah nicht anders aus als die bisherigen. In den Fenstern brannte vereinzelt Licht, aus einem der Gebäude ragte eine Art hölzernes Quadrat heraus. Eine Holztreppe, nur aus wenigen Stufen bestehend, führte zu einer dunklen Holztür. Die Scheiben der Fenster waren gelb und etwas dreckig. Darüber hing ein schiefes Schild, natürlich konnte er nicht lesen, was darauf stand.
 

"Ich weiß, sieht nach nicht viel aus, aber das Innere wird dich überraschen.", versicherte Iblis seinem kleinen Bruder als er dessen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte. Lucifer öffnete die Tür, dahinter lag ein kleiner Raum. Sie drängelten sich irgendwie hinein und Astaroth schloss die Tür. Links entdeckte Rin eine Treppe, welche nach unten führte, rechts auf einem Tisch lag ein Buch. Lucifer öffnete es und blätterte darin bis er eine leere Seite hatte. Rin beobachtete ihn neugierig. Zu seiner Überraschung legte der Lichtdämon seine rechte flache Hand auf die Seite. Einige Sekunden verstrichen bevor er seine Hand zurückzog und beiseite trat. Daraufhin wiederholte Samael die Handlungen seines älteren Bruders.
 

"Wenn man ein öffentliches Gebäude betreten möchte, muss man sich vorher eintragen beziehungsweise abmelden, wenn man es wieder verlässt. Ansonsten wird man von einer Barriere aufgehalten oder Alarm ausgelöst.", erklärte Egyn dem äußert verwirrt dreinblickenden Halbdämonen. "Das ist eine Sicherheitsmaßnahme. Man verhindert dadurch, dass gesuchte Personen einfach rein spazieren können. Viele verstecken sich nämlich gerne an solchen Orten. Es kann auch als Nachweis benutzt werden, wenn du beispielsweise irgendwo angeklagt bist. Du kannst damit unter anderem beweisen, dass du es nicht gewesen sein kannst, weil du ganz woanders warst. Ein wenig wie Überwachungskameras in Assiah."
 

Gut, das war clever. Schließlich war Rin dran.
 

"Lege einfach eine Hand auf die rechte Seite und warte bis dein Name auf der linken erscheint. Es kribbelt etwas, aber das ist vollkommen harmlos.", erklärte Lucifer.
 

Etwas zögerlich kam Rin der Aufforderung nach. Das Papier war bereits gelb, äußert trocken und rau. Ein leichtes, warmes Kribbeln machte sich in seiner Hand breit und wanderte langsam seinen rechten Unterarm hoch. Er widerstand der Versuchung seine Hand wegzuziehen.
 

'Das ist echt seltsam. Ich lege meine Hand einfach in irgendein altes, modriges Buch-'
 

"Hey, wen nennst du hier alt und modrig, Bürschchen?!", keifte ohne Vorwarnung eine Stimme in seinem Kopf. Er zuckte zusammen und wollte seine Hand zurückziehen, aber Samael (welcher neben ihm gestanden hatte) griff sein Handgelenk und presste sie weiterhin auf die Seite. Am Rande bekam er mit, dass einige Buchstaben aufleuchteten, dann durfte er endlich seine Hand entfernen.
 

'Was war das?!'
 

"Ich! Bist du so blöd oder findest du es witzig mich zum Narren zu halten!? Typisch! Diese Jugend von heute...kein Respekt vor den Älteren! Vielleicht sollte man dir mal den Schweif lang ziehen!", zeterte die Stimme weiter.
 

Rin erkannte nun, woher die Stimme kommen musste und starrte entsetzt das Buch an.
 

'Nie im Leben...'
 

"Aha, endlich bist du drauf gekommen! Scheinst ja ein richtiger Schlaumeier zu sein. Jetzt hör auf mich anzuglotzen, du guckst wie ein Fisch!"
 

"Das Buch kann sprechen?!", entfuhr es Rin entsetzt. 'Und es ist unhöflich...'
 

"Na, da würde ich mal ganz still sein, Freundchen! Wer hat denn hier wen zuerst beleidigt?! Nur damit du es weißt, ich bin in der Blüte meiner Jahre, jawohl!"
 

Lucifer seufzte. "Bitte entschuldige unseren Bruder, er hat es nicht so gemeint."
 

"Erklärt mir jetzt mal jemand, warum das Buch sprechen kann?!", fragte Rin entgeistert.
 

"Euer Bruder? Dieser Wicht soll Lord Satans Thronfolger sein?! Ha! Dass ich nicht lache! Da hat euch jemand über den Tisch gezogen! Habt ihr die Quittung noch?"
 

Rin war nun vollkommen sprachlos. Er wurde von einem Buch zur Schnecke gemacht. Hatten man ihm bereits beim Essen Alkohol untergejubelt?!
 

"Woher sollte ich denn bitte wissen, dass hier ein sprechendes Buch rumliegt?", presste er hervor. "In Assiah gibt es sowas nicht!"
 

"Oh, du kommst aus Assiah? Na gut, dann will ich mal nicht so sein und vergebe dir. Sei aber in Zukunft höfflicher, ja? Wenn du dich mit den falschen Dämonen anlegst, könntest du sonst deine Zunge verlieren.", erwiderte das Buch wesentlich milder gestimmt.
 

"Ähm...danke....Buch-san?", erwiderte der Nephilim unsicher. Daraufhin hätte er schwören können, dass es lachte. Er war sich auch ziemlich sicher, dass einige der Dämonenkönige hinter ihm sich die Hand auf den Mund pressten um nicht loszulachen.
 

Samael schob ihn schnell aus dem Zimmer bevor er die nächste literarische Krise heraufbeschwor. Die Treppe war recht eng, sodass sie nacheinander laufen mussten und ebenfalls aus Holz.
 

"Tut uns Leid, wir hätten dich vorwarnen sollen.", sprach ihn Beelzebub an, während sie am Fuß der Treppe auf den Rest warteten. "Es ist etwas...launisch."
 

"Das ist untertrieben.", knurrte Rin.
 

"Mach dir nicht's draus. Iblis, Amaimon und Astaroth haben sich auch schon damit angelegt."
 

Na immerhin war er dann nicht der Einzige, der sich blamiert hatte. Der Raum in dem sie nun standen, hatte nur eine Tür und eine Art Öllampe. Scheinbar hatte man sich hier keine Leuchtkristalle leisten können. Beelzebub öffnete die Tür und sofort kamen Rin verschiedene Gerüche entgegen. Alkohol, Holz, Feuer und einige unbekannte Dinge. Etwas zögerlich folgte er dem Insektenkönig und stellte nun fest, dass Iblis Recht gehabt hatte. Das Innere war mit dem Äußeren absolut nicht zu vergleichen.
 

Sie befanden sich in einem sehr geräumigen und überraschend gemütlichen Kellerraum. Man konnte das Mauerwerk sehen, an anderen Stellen war die Wand mit Holz verkleidet. Auch der Boden war aus Holz und sogar sehr sauber. Ein großer Kamin (in welchem normales Feuer brannte) prasselte vor sich hin, der Rest wurde von Kerzen und Öllampen erleuchtet und verlieh dem Raum eine freundliche Atmosphäre. Überall standen Holztische, Bänke und Stühle. Er entdeckte auch einige Sitznischen und Spieltische. Am Ende des Raumes zog sich eine lange Bar entlang. Dort waren zwei weibliche Dämonen zugange. Eine polierte Gläser, sie war offensichtlich eine Feuerdämonin. Sie trug ihre rot-blonden Haare zu einem langen Pixie Bob. Ihre Augen waren rot, sie hatte außerdem einige Goldpiercings in ihren Ohren. Die andere Dämonin gehörte offensichtlich zu Amaimons Gefolge. Ihre Augen waren golden, ihre mintgrünen Haare waren auf der rechten Seite abrasiert, die linke Seite reichte bis knapp über ihre Schulter. Sie war damit beschäftigt etwas aufzuschreiben, aber als die Tür ins Schloss fiel, sahen beide auf.
 

"Brewskar mar'chyrkaywksy! Neymra alma vidriir sawi. Osvia mni?", fragte die Rothaarige grinsend. Offensichtlich kannten sie sich, aber das hatte Lucifer ja bereits erwähnt.
 

"Brewskar Jahi...Lesji. Mni, suska ji vos?", antwortete dieser.
 

"Mni, suska."
 

"Was sagen sie?", fragte Rin Egyn flüsternd.
 

"Sie hat erst gesagt 'Hallo Jungs! Lange nicht gesehen. Wie geht's?'. Lucifer hat mit 'Hallo. Gut, danke und ihr?' geantwortet.'"
 

"Und sie hat dann 'Gut, danke.' gesagt?", tippte Rin.
 

"Genau."
 

'Ich sollte sie wirklich fragen, ob mir jemand Gehennisch beibringt.'
 

Die beiden Mädchen hatten inzwischen auch den Neuzugang bemerkt und sprachen ihn an. Natürlich verstand er kein Wort. Lucifer unterbrach sie und erklärte wahrscheinlich, dass sie er sie nicht verstand, bevor er sich an Rin wandte.
 

"Das sind Jahi und Lesji. Jahi ist eigentlich Schmiedin bei uns im Palast, aber hilft hier aus." Die Feuerdämon nickte ihm zu, also war sie wohl Jahi.
 

"Wie oft hast du schon Alkohol getrunken?", fragte Iblis ihn plötzlich.
 

"Selten.", antwortete Rin wahrheitsgemäß. "Man kann ihn auch erst ab 20 kaufen."
 

Astaroth schnaubte. "Ernsthaft? Ich dacht' Japan hat ein Alkoholproblem..."
 

"Hol ihm einfach irgendwas, wo nicht viel drin ist.", murmelte Azazel Iblis zu.
 

"Und kein Schuss davon.", fügte Egyn hinzu.
 

Davon?
 

"Ja, ja...Also das Übliche für alle?"
 

"Sicher."
 

Sie bestellten und setzten sich in einer der größeren Sitznischen. Obwohl sie zu neunt waren, passten sie ganz gut hinein. Rin landete zwischen Samael und Azazel. Nach ungefähr zwei Minuten kamen auch schon ihre Getränke, was nicht verwunderlich war, denn sie waren bisher die Einzigen hier.
 

Lesji fragte gar nicht, wer was hatte, sondern stellte die Gläser ohne zu zögern ab. Wie lange sie die Dämonenkönige wohl schon kannte? Sie alle sagten 'Suska' also bedeutete das wohl 'Danke'. Er tat es ihnen gleich als sie sein Glas abstellte, woraufhin sie ihn anlächelte.
 

Sein Getränk war interessanterweise in verschiedensten Blautönen, was ihn hinterfragen ließ, ob der Feuerkönig auch wirklich auf den Alkoholgehalt geachtet oder einfach einen seltsamen Sinn für Humor hatte. Nichts von dem was auf dem Tisch stand, hatte er je gesehen. Lucifer hatte etwas blubberndes und goldenes. Samael und Amaimon dafür etwas buntes und er würde so einiges darauf verwenden, dass das Glas des Erdkönigs eine absolute Zuckerbombe enthielt. Egyns Getränk war ganz unten violett, dann dunkelblau und zum Schluss hellblau. Die Konsistenz ähnelte Schneematsch, sodass er sofort an einen Slush denken musste. Azazel dagegen bevorzugte etwas pechschwarzes aus dem Nebel stieg. Er hatte bereits in Assiah von Cocktails aus denen Nebel kam gehört, hatte allerdings keine Ahnung wie das funktionierte. Wenn Dämonen es überhaupt so machten. Die Flüssigkeit in Beelzebubs Glas war grün, darin schwamm etwas, wahrscheinlich Früchte.
 

'Hoffentlich Früchte.'
 

Astaroths Getränk war rot und blubberte sehr stark. Außerdem war oben Schaum. Vielleicht eine Art Bier. Iblis Bestellung war rot, orange und gelb und schien ziemlich heiß zu sein, denn augenscheinlich kochte die Flüssigkeit und Dampf stieg auf. Es überraschte ihn, dass das Glas nicht zersprang.
 

Lesji stellte außerdem eine Schüssel auf den Tisch. Darin waren zu Rins Erleichterung keine Larven, sondern einige rote, walnussgroße Früchte.
 

Sie sagte noch etwas, bevor sie die Söhne Satans allein ließ.
 

"Also dann...", begann Iblis und griff sein Glas. "Auf einen Abend ohne Papierstapel und rumnörgelnde Aristokraten."
 

"Aber sowas von.", stimmte Astaroth zu und nahm einen großzügigen Schluck aus seinem Becher. Die anderen taten es ihm nach. Rin zögerte für eine Sekunde, dann setzte er das Glas an und trank einen vorsichtigen Schluck. Es prickelte und war ein wenig süßlich. Es hatte keinen Geschmack, den er aus Assiah kannte, aber dennoch schmeckte es super. Er nahm einen weiteren -diesmal größeren- Schluck und stellte sein Glas wieder ab.
 

"Schätze es schmeckt?", fragte Beelzebub. Rin nickte und griff nach einer dieser roten Früchte an denen sich die Baal bereits zu schaffen machten. Die Schale war extrem hart.
 

"Nimm die Zähne.", riet Azazel.
 

"Was?"
 

"Deine Zähne. Beiß da oben drauf, dann kommst du durch die Schale und kannst sie ganz einfach öffnen." Er demonstrierte es dem Nephilim und zu dessen Überraschung funktionierte es einwandfrei.
 

Er biss etwas zaghaft in seine eigene Frucht und rechnete damit seine Zähne knacken zu hören, aber glücklicherweise kam er problemlos durch. Das Innere war wie ein Granatapfel, jedoch schmeckten die Kerne und der Saft nach einer Mischung aus Kirsche, Vanille und einige ihm unbekannte Früchte. Während er die Fruchtkerne aß, fiel ihm etwas ein.
 

"Egyn, was hast vorhin mit 'davon' gemeint?"
 

Die Dämonenkönige wechselten Blicke.
 

"Blut.", antwortete Amaimon schließlich ohne die Miene zu verziehen. Jemand versuchte ihn unter dem Tisch zu treten, traf aber stattdessen Iblis.
 

Rin ignorierte dessen Fluchen und sah die Baal nacheinander verdutzt an. "Ich dachte Alukah trinken Blut?!"
 

"Wir ernähren uns auch nicht davon, es ist einfach eine Zutat.", klärte ihn Beelzebub auf. "In dem Saft, den wir vorhin getrunken haben, war auch Blut - außer in deinem. Wir dachten es wäre besser, wenn du dich erst mal an das neue Essen gewöhnst."
 

"Seelen gibt's aber nicht zu essen, oder?", fragte der Nephilim grimmig.
 

Samael verdrehte die Augen. "Also bitte, was für ein albernes Klischee."
 

"Wir können höchstens einen Vertrag mit einem Menschen abschließen und die Seele als Bezahlung verlangen. Aber gegessen wird die nicht...wie soll das überhaupt gehen?", grummelte Iblis.
 

"Also ist diese Dämonen-Teufels-Pakt-Sache echt?"
 

"Es läuft nicht ab wie bei Goethes Faust, aber ja. Dämonen können untereinander oder mit Menschen einen Vertrag abschließen. Dieser ist allerdings bindend, es gibt also kein Zurück mehr. Beide Partner sind gezwungen sich an die Abmachung zu halten, man sollte also darauf achten, dass es keine Lücken im Vertrag gibt. Es gibt so einige Dämonen, die ihre Partner sehr gerne über den Tisch ziehen.", erklärte Lucifer. "Viele sind auch sehr scharf darauf sich einen Körper in Assiah zuzulegen, darum sind diese Ouija Bretter und einige Beschwörungsrituale nicht ungefährlich. In Japan ist doch dieses Hitori Kakurenbo Ritual sehr beliebt, oder? Das kann ganz schön nach hinten losgehen, wenn man Pech hat."
 

Rin zuckte mit den Schultern. "Ich habe mich mit diesem Kram nie ausgekannt und der Alte hätte mir die Ohren lang gezogen, wenn ich sowas versucht hätte. Er hat von diesem ganzen Okkultismus-Kram nie viel gehalten."
 

"Der Alte?", fragte Iblis verblüfft. Rin spürte wie sich sein Herz verkrampfte und sein Griff um das Glas verstärkte sich, er hatte nicht erwartet über seinen Adoptivvater zu reden. Er bekam nicht einmal mit, dass Samael dem Feuerkönig mit den Augen signalisiert hatte, still zu sein und sie nun verdrehte.
 

"Shiro.", antwortete Rin etwas kleinlaut.
 

"Ah...." Iblis wusste offenbar nicht, wie er darauf reagieren sollte und schwieg.
 

"Echt schade was mit ihm passiert ist.", murmelte Azazel. "Für einen Exorzisten war er mir ziemlich sympathisch..."
 

Rin starrte ihn an. "Warte, du kanntest ihn?"  
 

"Nicht wirklich, aber ich bin ihm schon begegnet. Das erste Mal war als es Ärger mit ein paar Geistern gab. Ein paar Dutzend sind nach Assiah gelangt und haben für Probleme gesorgt, also musste ich mich darum kümmern. Wirklich nervig...jedenfalls hatten die Exorzisten auch eine Gruppe geschickt und Shiro hat sie angeführt. Die hatten bemerkt, dass ich mich dort irgendwo rumtreibe, aber dachten ich wäre nur irgendein hochrangiger Dämon, der die Geister befehligt. Shiro ist allein rein gegangen und hat versucht mit mir zu verhandeln. Er war ziemlich überrascht als ich ihm die Situation erklärt habe, aber ich war noch überraschter. Er hat mir erlaubt die Geister einzusammeln und sie zurück nach Gehenna zu bringen."
 

"Er hat dir geglaubt?"
 

Azazel zuckte mit den Schultern. "Er hatte keinen Grund das Gegenteil zu denken. Abgesehen davon, war ich einer von wenigen Dämonen, die ihn nicht sofort angefallen haben."
 

"Und er hatte kein Problem damit, dass du ein Dämonenkönig bist?"
 

"Das habe ich ihm erst gesagt kurz bevor ich weg bin. Er sah daraufhin etwas verängstigt aus. Ich schätze, er dachte, dass ich es auf dich abgesehen habe. Wie auch immer, ich hatte Respekt vor ihm. Wirklich ein Jammer, wie es ausgegangen ist." Er trank einen weiteren Schluck aus seinem Glas, offensichtlich in Gedanken.
 

Für einen Moment herrschte betretendes Schweigen bis Lucifer zu sprechen begann. "Da fällt mir ein, wir wollten mit dir wegen eines Lehrers reden."
 

"Lehrer?", fragte Rin von dem plötzlichen Themawechsel überrumpelt, doch begriff schnell worum es wahrscheinlich ging. "Für Gehennisch?"
 

"Unter anderem. Wenn du kein Gehennisch kannst, bist du hier unten erledigt. Der überwiegende Teil spricht keine andere Sprache, mit Japanisch kommst du also nicht weit."
 

"Dann solltet ihr wissen, dass ich schlecht in Fremdsprachen bin. Meine Englischnoten sind miserabel."
 

"Das kann ich bestätigen.", schaltete sich Samael seufzend ein. "Allerdings konnten sogar Iblis und Astaroth mehrere Sprachen lernen, dann solltest du dies ebenfalls schaffen."
 

Die besagten Dämonenkönige warfen ihm mörderische Blicke zu.
 

"Abgesehen davon, kommt Gehennisch manchmal fast instinktiv für Halbdämonen, die mit anderen Sprachen aufgewachsen sind.", fügte Beelzebub hinzu.
 

Rin war sich sicher, dass dieses 'manchmal' nicht auf ihn zutreffen würde.  
 

"Wir wissen noch nicht, wer dich unterrichtet, aber wir wollten dir trotzdem Bescheid geben.", fuhr Lucifer fort. "Ich bin sicher, du packst das."
 

'Das hat damals auch meine Englischlehrerin gesagt.'
 

Inzwischen war die Gläser leer, woraufhin ihnen Jahi ihnen eine neue Runde brachte.
 

"Warum verbrennst du dich eigentlich nicht an deinem?", fragte er Iblis. "Weil du ein Feuerdämon bist?"
 

"Genau.", grinste dieser. "Mir machen weder Feuer noch Hitze was aus."
 

"Dafür bist du nutzlos, wenn's regnet oder kalt ist.", murmelte Egyn.
 

"Und du, wenn die Luft trocken ist und kein Wasser in der Nähe ist!"
 

"Du weißt schon woraus Lebewesen größtenteils bestehen, ja?"
 

"Wie auch immer, tu uns 'nen Gefallen und trink nicht, was Iblis trinkt. Bin mir nicht sicher, ob du das auch aushältst.", fügte Astaroth hinzu.
 

"Da wir das jetzt auch geklärt hätten, hat wer Lust Karten zu spielen?", fragte Iblis mit einem seltsamen Grinsen.
 

"Du und deine Spielsucht.", seufzte Samael. "Man sollte meinen, du hättest deine Lektion gelernt, kleiner Bruder.~"
 

"Sagt der mit der Japan-Macke..."
 

"Was hat das eine mit dem anderen zu tun?"
 

"Könntet ihr euch streiten, wenn ich nicht dazwischen sitze?", knurrte Azazel ungehalten.
 

Während sie zankten brachte ihnen Lesji Runde drei. Sie kicherte als sie die Streiterei bemerkte und warf den restlichen Brüdern einen vielsagenden Blick zu, eh sie wieder verschwand.
 

"Also was spielen wir?", fuhr Lucifer dazwischen.
 

"Skat?", schlug Amaimon schulterzuckend vor.
 

Egyn verzog das Gesicht. "Da verlier ich immer..."
 

"Das ist der Sinn.", murmelte Azazel.
 

"Ich sag Poker.", verkündete Iblis.
 

"Meinetwegen.", seufzte Lucifer und auch die Anderen nickten.
 

"Ich kann kein Poker.", merkte Rin vorsichtig an.
 

Astaroth winkte ab. "Kein Problem, wir erklären es dir. Ist echt nicht schwer."
 

Iblis stand auf und ging zur Bar, wo er sich kurz mit Jahi unterhielt. Diese bückte sich und holte eine Box hervor, die sie ihm reichte.
 

Als er wieder am Tisch saß, öffnete er die Box und nahm die Karten sowie mehrere Spielchips hervor.
 

"Wer ist Dealer?", fragte er in die Runde, sein Blick fiel jedoch auf Egyn, welcher neben Azazel saß.
 

"Ich glaube du bist dran. Beim letzten Mal war es Azazel."
 

"Gut."
 

Daraufhin setzen Azazel und Beelzebub 'Blinds' und Egyn verteilte zwei Karten an alle.
 

Rin hatte ein Paar Könige.
 

Iblis begann zu erklären. "Also zunächst einmal musste du abwägen, ob die Karten es wert sind weiterzuspielen. Du hast dann drei Optionen: 'Call' also den Big Blind zu begleichen, mindestens einen doppelten Big Blind zu setzen, das nennt man 'Raise' oder auszusteigen, das wäre 'Fold'."
 

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Tatsächlich war es gar nicht so schwer, wie es zunächst erschien. Sie spielten mehrere Runden und nachdem der Nephilim begriffen hatte, wie es funktionierte, machte es wirklich Spaß.
 

"Ich steige aus.", sagte Beelzebub kopfschüttelnd und legte seine Karten ab.
 

"Ebenfalls.", murmelte Amaimon.
 

Damit waren nur noch Iblis, Samael, Lucifer und Rin im Spiel.
 

"Also dann zeigt mal was ihr habt.", grinste Iblis und deckte seine Karten auf. "Full House."
 

"Flush." seufzte Lucifer.
 

Samael grinste dreckig. "Full House.~" Iblis stöhnte auf. Alle sahen erwartungsvoll Rin an.
 

Dieser konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und drehte die Hole Karten um. Egyn klappte der Mund auf, Astaroth fluchte und Beelzebub pfiff leise.
 

"Straight Flush."
 

"Wie kannst du so viel Glück haben?!", fragte Samael. Rin meinte einen Hauch von Frustration herauszuhören.
 

"Wahrscheinlich hat er Vaters unverschämtes Glück geerbt.", seufzte Astaroth.
 

"Was meinst du?"
 

"Vater gewinnt immer, wenn wir irgendwas spielen. Egal was. Karten, Würfeln, Monopoly...einfach nur frustrierend.", murmelte Amaimon.
 

Jahi brachte ihnen mittlerweile Runde sechs. "Hat er wieder gewonnen?", fragte sie. Die Dämonenkönige nickten düster. Sie kicherte und ging zum nächsten Tisch, denn inzwischen waren auch weitere Gäste eingetroffen.
 

Samael massierte sich eine Schläfe. "Von einem Kind besiegt. Wie erniedrigend."
 

"Tut deinem Ego mal ganz gut.", flüsterte Azazel, woraufhin Rin das Lachen nicht unterdrücken konnte. 'Wie wahr.'
 

Der Zeitkönig warf ihnen einen giftigen Blick zu und griff etwas vor sich hin murmelnd nach seinem neuen Glas.
 

Rin sah zu Lucifer, welcher erst sein drittes Glas hatte. "Warum trinkst du eigentlich so wenig?", fragte er.
 

Bevor der Lichtkönig antworten konnte, mischte sich Astaroth ein. "Weil er die Alkoholtoleranz eines Kleinkinds hat." Er lachte, den bösen Blick ignorierend.
 

"Wirklich?", fragte Rin verwundert.
 

Egyn nickte. "Ja. Samael ist einmal auf die glorreiche Idee gekommen ihn auf einem Fest abzufüllen."
 

"Und ihr habt geholfen.", merkte der Clown an.
 

Der Wasserkönig ignorierte den Einwurf. "Keine Ahnung mehr, was das für eine Veranstaltung war. Irgendetwas wovor wir uns nicht drücken konnten. Jedenfalls war Lucifer voll wie ein Eimer."
 

Rin grinste als er sich das Bild vorstellte. "Ich schätze, das war das Beste am Abend?"
 

"Denkste.", schnaubte Astaroth. "Wenn er voll ist, fängt er an zu reden. Und zwar über alles. Wir waren den ganzen Tag damit beschäftigt ihm zu folgen und zu verhindern, dass er Kindheitsgeschichten -und Gehenna weiß, was sonst noch- zum besten gibt."
 

Dem hochroten Kopf des ältesten Dämonenkönig konnte Rin entnehmen, dass Astaroth nicht übertrieb. Vielleicht lag es an dem Alkohol (er war inzwischen ziemlich gut gelaunt), aber er konnte nicht anders als laut loszulachen, einige der Baal begannen ebenfalls anfingen zu grinsen.
 

"Ihr solltet ganz still sein.", grollte Lucifer. "Ihr habt wesentlich mehr Ärger verursacht. Ich sage nur Spanien."
 

"Was ist passiert?", fragte Rin grinsend.
 

"Ähm nichts...", sagte Astaroth hastig
 

"Gar nichts.", bestätige Iblis.
 

Lucifer feixte (wer hätt gedacht, dass er sowas auch konnte). "Diese beiden Volltrottel haben es tatsächlich fertig gebracht, sich verhaften zu lassen."
 

Rin sah ihn mit großen Augen an. "Was haben sie angestellt?"
 

"Gar nichts! Aber die waren damals ziemlich paranoid und fanden uns verdächtig, dabei haben wir nichts schlimmes getan! Sie haben dann angefangen uns zu nerven, also ist mir der Geduldsfaden gerissen und ich habe einem gesagt, dass er endlich sein Maul halten soll, weil eh nur Scheiße rauskommt. Nicht mein Problem, wenn er mit konstruktiver Kritik nicht umgehen kann.", knurrte Astaroth. "Und auf der Station haben die uns weiter genervt, weil wir keine gültigen Ausweise hatten und bla bla bla. Was sollten wir denn aber auch tun? Mit vollem Titel vorstellen und ihnen klar machen, dass wir aus Gehenna alias der Hölle kommen und unser Vater Satan ist?! Die hätten uns erschossen. Oder es zumindest versucht."
 

"Wir durften auch unsere Kräfte nicht benutzen, weil wir aufgeflogen wären.", fügte Iblis düster hinzu.
 

"Wie seid ihr da wieder rausgekommen?"
 

"Vater.", seufzte Iblis. "Wir haben Samaels Nummer angegeben, zum Glück war er zu dem Zeitpunkt auch in Spanien unterwegs. Hätten wir 'ne Nummer aus Japan angegeben, wären wir wahrscheinlich am Arsch gewesen. Jedenfalls hat er Vater Bescheid gegeben, er hat einige Fäden gezogen und naja...." Er brach ab, scheinbar war die Erinnerung nicht erfreulich.
 

"Er hat die beiden an den Ohren aus der Station geschliffen, während sie die ganze Zeit ihre Unschuld beteuerten. Es war äußerst unterhaltsam.~", kicherte Samael.
 

"Die Krönung kam jedoch am nächsten Tag." kommentierte Beelzebub. "Wir saßen grad beim Frühstück als Vater reingekommen ist und eine Zeitung auf den Tisch geschmissen hat. Du erinnerst dich, dass seine Präsenz in Assiah Probleme machen kann? Auf der Titelseite stand 'Spanischer Bürgerkrieg in Assiah ausgebrochen. War Lord Satans Anwesenheit der Auslöser?'"
 

"Du machst Witze."
 

"Nein. Wir haben gemacht, dass wir aus dem Esszimmer kommen.", murmelte Azazel.
 

"Ich schwöre, ich habe noch immer Brandnarben.", grollte Astaroth.
 

"Das ist mehr als unwahrscheinlich.", antwortete Lucifer.
 

Sie hörten wie sich die Tür zur Bar öffneten und einige Dämonen betraten den Raum. Sie setzten sich ohne große Umschweife an einen der Kartenspieltische. Inzwischen war es sogar recht voll geworden, also gesellten sich noch mehrere zu ihnen. Iblis sah sie mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an, dann begann er zu grinsen.
 

"Ich mag es nicht, wenn du so guckst.", murmelte Egyn.
 

Iblis ignorierte ihn und sah Rin an. "Hey kleiner Bruder, du hat doch sicher nichts dagegen deinem großen Bruder einen Gefallen zu tun, richtig?"
 

"Iblis, nein!", rief Egyn empört.
 

"Schätze nicht.", antwortete Rin. Die Baal sahen ihn an als hätten er den Verstand verloren.
 

"Super. Ich wusste doch, ich kann mich auf dich verlassen.~", sagte Iblis zufrieden. "Also, was hälst du davon um Geld zu spielen?~"
 

"Er ist nicht mal volljährig!", protestierte Egyn.
 

"Ach, passt schon." Bevor jemand etwas sagen konnte, hatte sich Iblis bereits Rin gegriffen und ihn auf die Füße gezogen. Der Nephilim wankte etwas, doch hielt sich schnell an dem Feuerkönig fest.
 

"Wie sieht's aus?"
 

"Klar, warum nicht?", antwortete Rin. Ein Teil von ihm sagte ihm, wie dumm das war. Normalerweise würden ihn nicht mal alle Baal plus Satan dazu bringen, sich dort an den Tisch zu setzen. Diese Typen sahen äußert zwielichtig aus. Allerdings hatte sich seine Rationalität längst verabschiedet. Was  sprach dagegen seinem Bruder einen Gefallen zu tun? Wenn er schon in einer Bar war, konnte er sich wenigstens etwas Spaß gönnen.
 

"Oh Gehenna, der Alkohol lässt ihn halluzinieren.", jammerte Egyn.
 

"Das ist 'ne miese Idee.", bestätigte Amaimon.
 

"Ach, lasst sie doch.~", grinste Samael.
 

"Iblis, diese Kerle schummeln, wo sie nur können. Du verwettest am Ende wieder was wichtiges!", fuhr Lucifer dazwischen.
 

"Hey, ich hab's unter Kontrolle!", sagte dieser lässig. "Sind gleich wieder da."
 

Damit zog er seinen kleinen Bruder zum Pokertisch.

Poker und Alkohol

Wäre Rin nüchtern gewesen, hätte er sich wahrscheinlich nie im Leben auf sowas eingelassen. Die Dämonen sahen ihn an als wäre er ein Stück rohes Fleisch und ihr dreckiges Grinsen machte es nicht besser. Iblis unterhielt sich kurz mit ihnen und eh er sich versah, saßen sie auch schon am Tisch.

 

"Ach und übrigens, kleiner Bruder.", sprach ihn der Feuerkönig an. "Ich schulde denen noch einiges an Geld, wäre also klasse, wenn du das nicht in den Sand setzt, ok? Kein Druck oder so. Du schaffst das schon."

 

Moment, was?

 

Bevor Rin die Bedeutung hinter Iblis Worten klar wurde, tätigten sie auch schon ihre Einsätze.

 

'Egal. Was soll schon schief gehen?'

 

 

..................................................................

 

 

Eine halbe Stunde später hatte Rin einen gewaltigen Haufen Spielchips vor sich und die Dämonen guckten reichlich dumm aus der Wäsche. Eine kleine Dämonenmenge (Menschenmenge passte immerhin nicht wirklich) hatte sich um sie gebildet und sahen staunend zu, wie der Jugendliche die Stammspieler vernichtend besiegte. Sowas hatte es noch nie gegeben, jedenfalls nicht den letzten 500 Jahren.

 

Iblis feixte und klopfte Rin auf die Schulter. "Wusste doch, dass du mich nicht im Stich lässt. Noch eine Runde und wir sind fertig.

Die anderen Dämonenkönige beobachten, ebenfalls äußerst perplex, was sich am Pokertisch abspielte.

 

"Das gibt's nicht.", murmelte Astaroth. "Die schummeln und er gewinnt trotzdem?"

 

"Scheint so.", brummte Beelzebub. "Ich schätze Iblis wird seine Spielschulden los."

 

"Ich würde nicht zu früh feiern.", sagte Egyn nervös. "Sie sehen aus als würden sie Rin gleich den Hals umdrehen."

 

Samael trank -offensichtlich vollkommen unbesorgt- aus seinem Glas. "Selbst wenn, wir sind auch noch da. Ich bezweifle, dass sie sich das trauen werden."

 

"Aber sie sind betrunken...", gab Azazel leise zu bedenken. "Betrunkene tun fast immer was dummes..."

 

"So wie sich in Vaters Palast zu übergeben?~"

 

Azazel starrte ihn nur schweigend an.

 

"Zu wem gehören sie überhaupt?", fragte Amaimon.

 

"Könnten zu mir gehören...", murmelte Astaroth.

 

"Könnten?", seufzte Samael.

 

"Du kannst mir nicht erzählen, dass du all deine Untertanen im Kopf hast."

 

"Nein, aber du solltest dazu in der Lage sein, Mitglieder deines Gefolges zu erkennen. Andernfalls würde ich wirklich deine Fähigkeiten anzweifeln. Oder noch mehr als ich es ohnehin schon tu."

 

"Hey!"

 

Rin bekam von alldem nichts mit. Es war an der Zeit die Karten aufzudecken. "Royal Flush."

 

Seinen Gegnern fielen fast die Augen aus dem Kopf, doch dann wurde die Überraschung zu Wut. Sie sprangen auf und wollten sich auf den scheinbar hilflosen Nephilim stürzen, dabei hatten sie allerdings Iblis und die restlichen Geschwister vergessen. Immerhin kamen sie einen ganzen Schritt weit, dann standen alle acht Baal hinter Rin, bleckten die Reißzähne und stießen ein markerschütterndes, wahrlich dämonisches Fauchen aus, während Iblis ihn näher zu sich zog. Eine klare Drohgebärde die aussagte: Haltet euch fern von ihm oder ihr bekommt es mit uns zu tun. Hätte Rin sich umgedreht, könnte er zudem festgestellen, dass ihre Züge wesentlich dämonischer geworden waren und sich ihre Pupillen stark zusammen gezogen hatten.

 

Die Fäulnisdämonen waren anfangs davon ausgegangen, dass Rin einfach mit Iblis befreundet gewesen war, denn die Geschichten um Satans neunten Sohn wurden oft als Gerüchte abgetan. Immerhin hätte man ihn in den letzten Jahren einmal sehen müssen und die Geburten der Dämonenkönige waren jedes Mal verkündet worden, doch die eines neunten Kindes nie.

 

Nun, da sie plötzlich allen Söhnen Satans gegenüber standen, erkannten sie, was für einen verheerenden Fehler sie begangen hatten. Betrunken oder nicht, Todeswünsche hegten sie nicht. Sie wichen zurück und senkten die Köpfe als Zeichen der Unterwerfung. Einige Dämonen -und zwar jene die in der Vergangenheit gegen sie verloren hatten, weil sie über den Tisch gezogen worden waren und einen Groll gegen sie hegten- nutzten die Chance um ihnen von hinten einen ordentlichen Schlag zu verpassen. Sie ließen das natürlich nicht auf sich sitzen und innerhalb kürzester Zeit war eine Prügelei ausgebrochen. Rin bemerkte am Rande, wie Samael ihn aus der Gefahrenzone zog und Egyn Iblis anfuhr.

 

"Du verdammter Trottel, das ist alles deine Schuld!"

 

"Meine Schuld?! Ich kann nun wirklich nichts dafür, dass sie es sich mit den meisten Barbesuchern verscherzt haben!"

 

"Egal, helft mir lieber da einzugreifen bevor jemand die Waffen zieht!", unterbrach Lucifer sie.

 

Grummelnd kamen sie seiner Aufforderung nach und sie schafften es mit der Hilfe einiger Barbesucher die Streitenden zu trennen.

 

Kurz darauf kam eine äußerst angepisste Jahi und verpasst den Pokerspielern Hausverbot. Ihre Angreifer ließ sie nochmal davonkommen, denn offensichtlich waren diese Schummler nicht beliebt gewesen.

 

"Tja, das lief doch besser als erwartet.", kommentierte Iblis als sie sich wieder hingesetzt hatten. Nur Lucifer und Samael waren kurz verschwunden um sich die Folgen der Prügelei zu kümmern.

 

"Wenn das deine Definition von 'besser' ist, will ich nicht wissen, was du dir unter dem schlimmsten Fall vorstellst.", fauchte Egyn. "Hast du auch mal an Rin gedacht!?"

 

"Hey, ihm geht's super. Und ich bin meine Schulden los."

 

"Die hättest du gar nicht erst gehabt, wenn du dich zusammen gerissen hättest!"

 

"Habe ich!"

 

"Wann kommt Lucifer wieder?", murmelte Azazel und sah sich suchend um.

 

"Immerhin ist es nicht weiter ausgeartet.", mischte sich Beelzebub ein. "Und es ist nicht so als wäre einer von uns an der Prügelei beteiligt gewesen."

 

"Ich habe mich als Kind ständig geprügelt.", sagte Rin plötzlich ziemlich laut.

 

Die Baal sahen ihn überrascht an. Dies war das erste Mal, dass er wieder gesprochen hatte und er war noch nicht fertig.

 

"Immer haben alle gesagt, es ist meine Schuld. Ich wollte nur meinen Bruder beschützen, das ist doch nicht falsch. Aber sie wollten alle, dass ich verschwinde und haben mich als Dämon beschimpft. Ich wurde immer bestraft und die Anderen getröstet. Ich hab' das gehasst. Der Alte hat immer gesagt, ich bin ein Mensch und ich habe ihm geglaubt...nein, ich hab's mir eingeredet. Aber wisst ihr was? Die hatten Recht, ich nicht. Ironie ist das, ne? Jetzt sind mich alle los und bestimmt glücklich. Schade, dass es nicht früher war. Dann würde der Alte noch leben. Die könnten nie 'nen Dämonen mögen..."

 

Er wurde immer lauter und begann etwas von Bon, Koneko, Shima und irgendwelchen Schreinen zu erzählen, aber sie verstanden ihn kaum noch.

 

Egyn warf seinen Geschwistern einen alarmierten Blick zu. Wie viele Gläser hatte er überhaupt schon getrunken?

 

"Vielleicht solltest du mit dem Trinken aufhören.", sagte Beelzebub vorsichtig und griff nach dem halbvollen Glas des Halbämonen. Rin schmollte und zog es aus seiner Reichweite.

 

"Waaaruuum?", quengelte er. Seine Stimmung hatte eine komplette Kehrtwendung gemacht, nichts deutete mehr auf seine Probleme, die er gerade beschrieben hatte, hin.

 

"Weil du voll bist.", antwortete Amaimon, scheinbar etwas von Rins Verhalten überfordert.

 

"Gar nich' waaahr! Mir geht's super!"

 

"Jetzt vielleicht, aber morgen früh dann nicht mehr!", hielt Astaroth dagegen.

 

"Aber ich will nicht gehen..."

 

Egyn gab sich größte Mühe Rins Gesichtsausdruck nicht mit dem eines getretenen Hundewelpen zu vergleichen.

 

"Ich will nicht wieder allein sein....", fuhr der Nephilim etwas leiser fort und klammerte sich ohne Vorwarnung an Azazel. Dieser zuckte erschrocken zusammen und schaute seinen jüngeren Bruder mit weit aufgerissenen Augen an.

 

"W-was machst du denn?", fragte er vollkommen perplex. Warum warf sich Rin ausgerechnet an ihn? Er war nun wirklich nicht die richtige Adresse, wenn es ums trösten ging!

 

"Wir lassen dich nicht allein.", versicherte Egyn dem Halbdämonen schnell, doch Rin schien ihn kaum zu hören.

 

"Das hat der Alte auch gesagt, aber er ist gestorben...er hat sich vor meinen Augen umgebracht...bestimmt hasst er mich...ich habe ihm gesagt, dass er nicht mein Vater ist. Jetzt kann ich ihm nicht mal sagen, dass ich das nicht so gemeint habe..." Inzwischen zitterte er und schien kurz davor in Tränen auszubrechen.

 

"Azazel, jetzt sag doch mal was!", sprach Astaroth den Geisterkönig in Gehennisch an.

 

"Was soll ich denn sagen?!"

 

"Du kümmerst dich doch um die Toten!"

 

"Ich glaube nicht, dass ihm das hilft oder er begreift-"

 

"Sag einfach irgendwas!", drängelte auch Egyn.

 

"Ok, ok..."

 

Unsicher sah er Rin an.

 

"Hey...", sagte er vorsichtig und strich ihm mit der Hand zögerlich durch die Haare. Das schien den Halbdämonen zu beruhigen, denn er hörte auf zu zittern.

 

"Shiro hasst dich nicht.", fuhr er fort und warf einen fragenden Blick in die Richtung seiner anderen Geschwister, die ihm bedeuteten fortzufahren.

 

"Woher willst du das wissen?", fragte Rin.

 

"Ich bin der König der Geister. Ich kümmere mich um die Toten. Viele kommen einfach durch, um andere muss ich mich extra kümmern, weil sie noch nicht bereit sind. Entweder weil sie etwas verbrochen haben, noch unerledigte Geschäfte haben oder plötzlich aus dem Leben gerissen wurden, wie durch Unfälle, Suizide und so weiter. Jedenfalls helfe ich ihnen dabei, ihre Angelegenheiten zu regeln und bestrafe die Schuldigen." Er wusste nicht, wie viel Rin wirklich verstand, aber da er schwieg, hörte er wohl zu.

 

"Shiro ist bei mir auch durchgekommen, er hat dich nicht gehasst. Er wusste auch, dass du es nicht ernst gemeint hast. Also mach dich nicht fertig deswegen."

 

Rin schwieg, Azazel war etwas verzweifelt. Dann kamen glücklicherweise Lucifer und Samael wieder.

 

"Da seid ihr ja! Helft mir mal-"

 

"Was auch immer ihr jetzt wieder angestellt habt, kümmert euch selber drum.", seufzte Lucifer. "Diese Dämonen haben wir wirklich den letzten Nerv geraubt. Ich stand kurz davor, mir einen Eispickel zu besorgen und mich mittels Lobotomie zu erlösen."

 

Samael seufzte theatralisch. "Seit wann so dramatisch, Bruder?"

 

"Sei du mal ganz still. Du warst kaum eine Hilfe." Jetzt bemerkten sie endlich Rin, der sich nach wie vor an Azazel klammerte.

 

"Was habt ihr denn mit ihm gemacht?!", entfuhr es dem Lichtkönig.

 

"Gar nichts! Er war plötzlich so!", antwortete Astaroth. Sie erzählten wie sich Rin in ihrer Abwesenheit verhalten hatte.

 

"Wenn er wirklich solche Probleme durch seine Dämonenhälfte hatte, hättest du dich ruhig mal einmischen können!", beschwerte sich Egyn beim Zeitkönig.

 

"Shiro hat mir kaum etwas erzählt, ich wusste nichts davon. Ich bezweifle ohnehin, dass es ihm etwas gebracht hat."

 

"Ach komm, du wusstest davon! Du wolltest nicht eingreifen.", knurrte Iblis.

 

Astaroth hatte sich inzwischen erbarmt und versuchte Rin von Azazel loszueisen, denn er drückte diesem mittlerweile die Luft ab. Zwar ließ Rin den Geisterkönig schlussendlich los, dafür war nun der König der Verwesung selbst fällig.

 

Astaroth stöhnte auf. "Ok, er ist wesentlich stärker als er aussieht. Liegt hier irgendwo ein Brecheisen!?"

 

"Ich schätze das ist unser Stichwort abzuhauen.", seufzte Lucifer. Wenn es weiter so ging, könnte der Nephlilim noch versehentlich das Stadtviertel niederbrennen.

 

"Denke ich auch.", bestätige Iblis und leerte schnell Rins Glas.

 

"Was denn?", fragte er als der Blicke seiner Geschwister bemerkte. "Wäre doch schade drum."

 

"Suffkopf.", murmelte Egyn.

 

"Wie bekommen wir ihn eigentlich die Treppe hoch?", erkundigte sich Beelzebub.

 

"Ich würde eher überlegen, wie wir ihn zum Palast bekommen...", grummelte Azazel.

 

"Vater wird sauer sein...", murmelte Amaimon.

 

"Ach, wirklich?", kam die sarkastische Antwort von Samael.

 

Amaimon öffnete den Mund, doch Beelzebub unterbrach ihn. "Das sollst du nicht beantworten." Der Erdkönig war noch nie gut darin gewesen, Sarkasmus zu erkennen.

 

Irgendwie schafften sie es Rin zum Tresen zu schleifen, wo Lesji ihm ein Glas Wasser in die Hand drückte.

 

"Ich glaube inzwischen würde auch kein Eimer Wasser mehr helfen.", grummelte Astaroth, doch zumindest hatte der Nephilim ihn losgelassen und hing nun an Samael, welcher absolut nicht begeistert war.

 

Iblis zahlte und gab beiden ein großzügiges Trinkgeld.

 

"Tut uns Leid wegen dem Aufruhr.", entschuldigte sich der Lichtkönig, doch Jahi winkte ab.

 

"Wir konnten diese Typen sowieso nie leiden. Sie haben uns immer so komisch angestarrt, wenn sie voll waren. Und ihr zahlt gut.", fügte sie grinsend hinzu.

 

"Bis dann.", verabschiedete sich Lesji. "Gute Besserung für euren Bruder und viel Glück mit Lord Satan. Er war schon letzte Woche mies drauf."

 

"Letzte Woche?", fragte Amaimon.

 

"Ja, er kam rein und hat was getrunken, schätze sein Keller war leer. Er hat auch irgendwie erwähnt, dass ihr mal wieder weg seid und er schon seit vier Stunden wartet."

 

Er hatte also wirklich einen Zwischenstopp zum Trinken eingelegt, bevor er nach ihnen gesucht hatte. Sehr nett, wenn auch verständlich.

 

Fünf Minuten später hatten sie es endlich geschafft ihren Jüngsten die Treppe hochzuhieven. Es war gar nicht einfach jemanden zu tragen, wenn derjenige einen um den Hals hing und die Luft abschnitt. Außerdem waren sie selbst nicht mehr wirklich nüchtern und teilweise etwas wacklig.

 

Mittlerweile hatte er sich an jedem mindestens einmal festgeklammert, momentan wurde Amaimon beglückt.

 

"Da seid ihr ja wieder. Ihr wart so lange dort unten, ich dachte schon ihr wärt zu voll um raus zu kommen. Moment, was habt ihr denn mit ihm gemacht?", meldete sich das Empfangsbuch zu Wort.

 

"Gar nichts, jetzt lass uns einfach hier raus.", knurrte Iblis.

 

"Ihr wisst, dass ich das nicht kann. Regeln sind Regeln! Nur weil euer Vater Lord Satan ist, könnt ihr euch nicht darüber hinwegsetzten! Also los, stellt euch an und wir sind ganz schnell durch.", erwiderte das Buch.

 

Iblis murmelte einige Verwünschungen, kam der Aufforderung jedoch nach. Es war äußert nervenaufreibend Rin dazu zu bringen, Amaimon lange genug loszulassen um seine Hand auf die Seite zu legen.

 

Nach geschlagenen fünf bis zehn Minuten waren sie endlich fertig.

 

"Na, dann sind wir ja schon fertig. Ich bin gespannt, was Lord Satan hierzu sagen wird."

 

"Ein weiteres Wort und ich verbrenne dich.", drohte Iblis knurrend.

 

"Pah, du bist immer noch so ein Raufbold. Dir sollte man mal etwas Respekt einbläuen-"

 

"Bis dann, wir müssen jetzt wirklich los!", mischte sich Lucifer ein und atmete erleichtert auf, als sie endlich wieder draußen standen.

 

Rin konnte kaum einen Schritt laufen, also stützten ihn Amaimon und Astaroth. Dummerweise hatte er einen leichten Schluckauf und bei einem ging er plötzlich in seinen Flammen auf, woraufhin sie ihn erschrocken fallen ließen, immerhin hatten beide bereits Bekanntschaft mit seinen Flammen gemacht.

 

"IHR TROTTEL! LASST IHN DOCH NICHT EINFACH FALLEN!", keifte Egyn.

 

"Ich bezweifle, dass er das mitbekommen hat.", seufzte Samael, während sie ihn wieder auf die Füße zogen.

 

"Also wie bekommen wir ihn zurück? Phasensprung?", fragte Astaroth.

 

"Hast du sie noch alle?", antwortete Iblis. "Da übergeben sich nüchtern genug. So voll wie er ist, geht das schief und ich habe keine Lust die nächsten 200 Jahre Papierkram zu machen."

 

"Gut dann trägst du ihn. Als Feuerdämon dürften dir seine Flammen am wenigsten ausmachen, richtig?~", feixte Samael.

 

"Aber-"

 

"Es ist auch deine Schuld, dass das hier passiert ist.", fügte Egyn hinzu.

 

"Ihr hättet genauso auf ihn achten müssen!"

 

"Hätte, hätte, Kerkerkette.", grummelte Azazel.

 

"Na gut.", gab sich der Feuerkönig geschlagen.

 

Ohne weitere Möglichkeit nahm er Rin Huckepacke. Natürlich krallte dieser sich erneut an ihn, sodass er kaum Luft bekam.

 

'Nächstes Mal mischen wir ihm was ins Getränk damit er am Ende bewusstlos ist. Dann kann ich ihn einfach über der Schulter tragen und er mich nicht erwürgen.', dachte der Feuerdämon grimmig.

 

Jetzt musste er nur noch die Sticheleien seiner Geschwister ertragen. Den ganzen Weg lang. Verdammt.

 

 

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Kurz vor Mitternacht erreichten sie endlich den Palast. Glücklicherweise waren die Gänge komplett ausgestorben, nur die Wachen liefen Patrouille. Einige von ihnen grinste als sie mitbekamen, was los war. Es war nicht das erste Mal, dass einer von Satans Söhnen zu betrunken war um zu laufen. Zwar kannten sie Rin nicht, aber sie konnten sich zusammenreimen wer er war.

 

'Immerhin ist Vater nicht mehr wach. So beschäftigt wie er ist, wird er hoffentlich hiervon nicht erfahren.'

 

Noch nie waren ihm die Treppen und Gänge so lang vorgekommen wie heute. Sie hatten nun den Flur erreicht auf dem ihre Zimmer lagen.

 

'Soweit so gut.'

 

"Wartet mal.", presste Iblis hervor. "Ich muss ihn jetzt mal kurz absetzen, sonst ersticke ich."

 

Er ließ Rin vorsichtig hinunter. Er war überrascht, dass er überhaupt noch wach war.

 

In diesem Moment öffnete sich zum Entsetzen der acht Geschwister (Rin bekam ja kaum noch etwas mit) eine der Türen.

 

'Scheiße.'

 

 

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Satan schob frustriert den wievielten auch immer Papierstapel beiseite. Wieder nichts. Irgendwas musste er übersehen! Diese vermaledeiten Blutjäger stellten ihn vor eine echte Herausforderung. Es war wie ein Puzzle, in dem die wichtigsten Teile fehlten. Sie mussten irgendeine Verbindung zu seiner Familie haben, anders konnte er sich Stihis Aussage gegenüber Iblis nicht erklären. Inzwischen hatte er eine üble Vermutung, doch hoffte, dass er sich irrte. Außerdem widerlegte eine weitere Aussage von Stihi seine Theorie...wahrscheinlich.

 

Hinzu kam noch ein Kommentar den Aym gemacht hatte. Laut Azazel hatte er erwähnt, dass 'Vater' enttäuscht von Stihi wäre, da sie es nicht geschafft hatte, Yukio zu töten. Welcher Vater war gemeint? Ihr biologischer oder Lord Araoich, welcher sie adoptiert hatte? So oder so hatte er sofort befohlen ihn unter Arrest zu stellen.

 

Er hatte noch einige zusätzliche Informationen zu den Beiden bekommen, aber diese waren kaum von Belang. Beide hatten neben dem adligen Leben normale Berufe erlernt. Aym war Schmied, Stihi eine sehr talentierte Drachentrainerin. Keiner der bisher Befragten hatte von ungewöhnlichen Dingen berichten können.

 

Seufzend stand er auf und warf einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor Mitternacht. So viel zum Thema früh schlafen gehen. Wenn das weiter so ging, würde er bald noch weniger schlafen als Samael.

 

Apropos Samael. Er konnte die Präsenzen seiner Söhne im Gebäude spüren. Also hatten sie es wirklich hinbekommen vor drei Zuhause zu sein. Beeindruckend.

 

'Na mal sehen, wie voll sie diesmal sind. Ich wollte mir sowieso noch ein paar Bücher aus dem Archiv holen. Wer braucht schon Schlaf? Ist doch langweilig.', dachte er grimmig.

 

Ziemlich unmotiviert öffnete er die Tür und trat auf den Flur. Als seine Söhne ihn entdeckten, erstarrten sie. Also hatten sie mal wieder etwas angestellt.

 

"Was machst du denn hier?!", entfuhr es Iblis.

 

Satan hob eine Augenbraue. "Ich lebe hier. Also was habt ihr diesmal angestellt?"

 

Die Dämonenkönige wechselten unbehagliche Blicke. Satans Blick fiel nun auf seinen Jüngsten, welcher äußerst wacklig auf den Beinen zu sein schien und sich an Iblis festhielt.

 

'Oh, das ist doch jetzt nicht wahr. Nicht schon wieder.'

 

Rin versuchte einen Schritt zu gehen, jedoch wäre er sofort hingeflogen, wenn Satan ihn nicht aufgefangen hätte. Zu seiner Überraschung klammerte sich der Halbdämon sofort an ihn. Gut, hier war etwas ganz faul.

 

"Er ist betrunken.", stellte er fest. Die Dämonenkönige schluckten. Sie kannten bereits den Unterscheid zwischen normaler Ruhe und wütender Ruhe in seiner Stimme.

 

"Also ja....witzige Geschichte.", begann Astaroth.

 

"WAS BEIM TARTAROS HABT IHR EUCH DABEI GEDACHT!", explodierte der Dämonengott. Seine Flammen schossen hervor, sodass seine Söhne einige Schritte zurückgingen. Rin zuckte erschrocken zusammen und wimmerte leise, woraufhin sich Satan zwang, sich zu beruhigen. Er hatte ihn schon genug verängstigt, da musste er es nicht auf die Spitze getrieben. Abgesehen davon wollte er nichts aus Versehen anzünden.

 

"Naja, so gesehen haben wir uns an deine Bedingungen gehalten-", begann Amaimon, doch Satan ließ ihn nicht aussprechen.

 

"So gesehen? So gesehen?! Habt ihr auch mal eine Sekunde an Rin gedacht oder ist euer Verantwortungsbewusstsein unter einen der Tische gekrochen und dort krepiert?! Er ist 15 und ihr füllt ihn ab?! Und kommt mir jetzt nicht mit 'Ich dachte, er hat aufgepasst'! Ich habe erwartet, dass zumindest Lucifer, Beelzebub oder Egyn einen kühlen Kopf behalten, aber nein!"

 

"Agares ist auch eine Nephilim und sie hatte nie ein Problem mit dem was Rin getrunken hat!", antwortete Beelzebub schnell.

 

"Und wir haben versucht sie aufzuhalten!", fügte Egyn hinzu.

 

"Na, das hat ja wunderbar geklappt.", antwortete Satan trocken, die Stimme mit Sarkasmus triefend. "Und was Agares betrifft, sie ist als Dämonin erzogen worden und hatte kaum Kontakt mit ihrer menschlichen Hälfte, da ist es nicht verwunderlich, wenn sie mehr aushält! Ist euch überhaupt bewusst, wie sehr das nach hinten hätte losgehen können?! Er hätte die Kontrolle verlieren oder sich eine Alkoholvergiftung zuziehen können! Ihr könnt nicht einfach davon ausgehen, dass er so viel wie ein gewöhnlicher Dämon verträgt!"

 

Etwas beschämt sahen einige der Baal zu Boden, doch Satan war immer noch nicht fertig.

 

"Hinzu kommt noch, dass jeder dahergelaufene Dämon oder Dämonin sich seinen Zustand zu Nutze machen kann. Habt ihr eine Vorstellung davon, was allein in Assiah mit denen in seinem Alter passiert, die auf solche Leute treffen?! In Gehenna kommt das genauso vor, also strengt bei sowas gefälligst eure Schädel an!"

 

"Wir waren die ganze Zeit bei ihm.", versuchte Lucifer die Situation zu entschärfen.

 

"Wenn die Barkeeperin oder eine der Besucherinnen hübsch genug gewesen wäre, wärt ihr ganz schnell weg oder Zuhause in euren Zimmern gewesen und hättet euch später gewundert wo er denn hin ist. Das wäre nicht das erste Mal.", knurrte der Dämonenkönig. 

 

"Du hast mich auch schon mal vergessen, als du irgendwelche Adlige besucht hast und es erst am Abend bemerkt, nachdem meine Mutter nach mir gefragt hat.", murmelte Astaroth.

 

"Versuche nicht das Thema zu wechseln!", fauchte Satan. Außerdem konnte man bei acht Söhnen auch mal durcheinander kommen.

 

"Also habt ihr noch was zu sagen?"

 

Azazel blinzelte kurz. "Kannst du das ab dem Mittelteil nochmal wiederholen? Habe den Faden zwischendurch verloren..."

 

Satan gab sich größte Mühe nicht erneut durchzudrehen, sondern fuhr sich fluchend durch die Haare. "Gut, es ist schon spät also reden wir morgen darüber. Glaubt aber nicht, dass ihr damit davon kommt. Haben wir uns verstanden?"

 

Zustimmendes Murmeln erklang.

 

"Komm schon Rin, schaffen wir dich ins Bett.", seufzte Lucifer und versuchte den Griff seines Bruders zu lösen, doch zur Überraschung aller Anwesenden klammerte er sich noch fester an Satan.

 

"Will nicht weg...nicht allein...", murmelte er und warf sich förmlich an seinen Vater, woraufhin dieser ein kurzes Japsen ausstieß.

 

"Er ist scheinbar etwas...anhänglich, wenn er trinkt.", erklärte Beelzebub.

 

Erneut seufzte der König Gehennas. "Ich bringe ihn ins Bett. Jetzt geht schon."

 

Froh dass sie vorerst gehen konnten, kamen sie der Aufforderung schnell nach.

 

Kopfschüttelnd betrachte Satan seinen Jüngsten, welcher immer noch an ihm hing als wäre er ein Rettungsring. Leider war es nicht der erste Mal, dass er einen seiner Söhne ins Bett tragen musste. Um genau zu sein, hatte er es mit jedem durch und Rin musste diese 'Tradition' natürlich aufrecht erhalten. Als er jedoch versuchte ihn hochzuheben, knurrte der Halbdämon etwas vor sich hin und verstärkte seinen Griff noch mehr.

 

"Rin, ich lasse dich nicht allein. Ich muss ich dich aber irgendwie hochheben, also lass bitte kurz los.", sagte er geduldig. Nach kurzem Zögern ließ der Jugendliche zumindest soweit locker, dass Satan einen Arm um ihn und den anderen unter seine Kniekehlen platzieren konnte. Er hob Rin vorsichtig hoch und trug ihn zu seinem Zimmer.

 

'Morgen wird er auf jeden Fall seinen Spaß haben.'

 

Nachdem er ihn auf seinem Bett abgesetzt hatte, stellte sich das nächste Problem ein. Er war zu benebelt um sich umzuziehen, geschweige denn dazusitzen ohne umzukippen, also musste Satan mit Kissen kreativ werden und ihm helfen. Nach einer quälenden Viertelstunde hatte er es endlich geschafft und der Nephilim lag im Bett.

 

Es dauerte keine Minute, da war er auch schon eingeschlafen. Etwas erschöpft setzte sich Satan auf den Bettrand und strich seinen Sohn zunächst zögerlich, dann gedankenverloren durchs Haar.

 

"Warum müsst ihr mir alle solche Sorgen machen?", murmelte er vor sich. "Yuri würde mich rund erneuern, wenn sie hiervon wüsste." Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Wer kam denn bitte kurz nach Mitternacht vorbei?! Vielleicht war es einer seiner Söhne.

 

"Herein."

 

Es war keiner seiner Söhne.

 

"Indra?"

 

Sie lächelte. "Verzeih die späte Störung, doch es gibt einiges zu bereden."

Verdacht

Satan starrte seine ehemalige Geliebte an, welche die Nerven hatte, kurz vor Mitternacht vorbeizukommen um mit ihm zu reden. Ja, Indra war schon immer unberechenbar gewesen, aber das überraschte ihn doch ziemlich.
 

Die Dämonin hob eine Augenbraue. "Ich weiß, ich bin reizend, aber mich nur anzustarren ist ungebührlich. Nicht einmal ein 'Hallo'?"
 

Der Dämonengott verschränkte die Arme. "Du kommst kurz vor Mitternacht unangemeldet zu mir und erwartest, dass ich so tue als wäre es normal? Du weißt hoffentlich, dass die Wachen die Erlaubnis haben jeden anzugreifen, der sich unbefugt hier aufhält."
 

Sie zuckte mit ihren zarten Schultern. "Ich wollte mir dir reden und so wie ich dich kenne, arbeitest du ohnehin bis spät in die Nacht. Wenn du allerdings nicht an der Herkunft dieser Blutjäger interessiert bist, gehe ich einfach wieder. Gute Nacht." Sie wandte sich um und wollte den Raum verlassen, doch Satan hielt sie auf.
 

"Warte. Woher weißt du von den Blutjägern?" Sie stand mit dem Rücken zu ihm, dennoch wusste er, dass sie ihr typisches selbstzufriedenes Grinsen aufgesetzt hatte.
 

"Oh, ich bitte dich. Dachtest du wirklich, niemand würde die plötzliche Verhaftung von Lord Araoich und seinen Adoptivkindern suspekt finden?"
 

"Das erklärt nicht, warum du davon weißt."
 

Sie drehte sich theatralisch seufzend zu ihm um. "Du vertraust mir nicht. Wie verletzend. Hat dir unsere gemeinsame Zeit so wenig bedeutet?"
 

Er verdrehte die Augen. "Spiele nicht das Opfer. Wir waren uns bezüglich unserer Beziehung einig. Besser gesagt, hast du darauf bestanden und es auch beendet." Er sah zu Rin hinüber, welcher noch immer fest schlief. "Sprechen wir woanders darüber."
 

Er hielt ihr die Tür auf und führte sie zu seinen Gemächern. Diese waren größer als die seiner Söhne und hatten neben dem Bade- und Schlafzimmer auch ein Arbeitszimmer. Er führte sie hinein und schloss die Tür. Indra machte es sich derweil auf einem Sofa bequem und sah sich um.
 

"Deine Gemächer haben sich kaum verändert. Andererseits haben wir die meiste Zeit ohnehin in deinem Schlafzimmer verbracht, ich könnte mich somit täuschen."
 

Satan ignorierte ihren Kommentar und schnappte sich die nächstbeste Weinflasche sowie ein Weinglas. Er hatte bisher nur eins getrunken und wollte es ursprünglich dabei belassen, doch wenn er sich mit der Zeitdämonin unterhielt, würde er etwas für seine Nerven brauchen. Er warf ihr einen fragenden Blick zu, sie verstand sofort.
 

"Da sage ich nicht nein, danke."
 

Er reichte ihr ein volles Glas und setzte sich ebenfalls, jedoch an seinen Schreibtisch. Er wollte ihr keine falschen Eindrücke vermitteln.
 

"Also, ich hoffe du hast eine gute Erklärung, dass du mitten in der Nacht in unserem privaten Flügel auftauchst und von den Blutjägern weißt. Fang an, ich bin gespannt."
 

Indra ließ sich nicht stören, sondern trank einen Schluck aus ihrem Weinglas. "Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du aufhören würdest mit mir zu reden als wäre ich eine dahergelaufene Bittstellerin."
 

"Indra.", antwortete der ältere Dämon warnend. Er hatte wirklich weder Zeit noch Nerven für ihre Spielereien.
 

"Schon gut." Sie stelle ihr Glas ab. "Ich bin hergekommen um mein Wissen zu teilen. Sicherlich bist du inzwischen in einer Sackgasse angelangt?"
 

Satan schnaubte. "Und was willst du als Gegenleistung?" Indra tat nichts umsonst, sie erwartete stets etwas im Gegenzug.
 

"....Einen Gefallen." Ah, da lag der Hase im Pfeffer.
 

"Der da wäre?"
 

"Deine Erlaubnis im Palast zu bleiben bis ich herausfinde, wer mich töten möchte."
 

Mit dieser Antwort hatte Satan nicht gerechnet. Er verengte seine Augen.
 

"Erzähle mir alles und lasse nichts aus."
 

Sie sah ihn an. "Du glaubst, dass ich die Verräterin bin, nicht wahr? Du weißt, dass ich keinen Grund habe, Lilith zu unterstützen."
 

"Zuzusehen wie Assiah brennt, klingt nach einem passenden Motiv. Samael hat deine Vorstellung von Unterhaltung geerbt, wie du sicher weißt."
 

"Ich bin nicht dumm. Wenn Assiah brennt, wird auch Gehenna darunter leiden. Mein Zuhause. Selbst wenn dem nicht so wäre, ich würde lieber Weihwasser schlucken als dieser Hexe zu helfen."
 

Zum ersten Mal konnte Satan deutliche Abneigung in ihrer Stimme hören und ihre grünen Augen blitzten entschlossen auf.
 

"Wahrscheinlich wirst du mir nicht glauben, aber ich habe immer noch eine gewisse....Schwäche für dich. Ich möchte nicht, dass dieses Miststück dich wieder in den Abgrund reißt."
 

"Du willst mir also erzählen, dass du Gefühle für mich hast, obwohl du damals darauf bestanden hast, dass es nur eine lockere Beziehung ist."
 

"Ich sagte Schwäche, keine Gefühle. Mir war langweilig, dir war langweilig. Mein Ehemann war gerade verstorben. Das war das Beste, was mir je passiert ist." Sie sah gedankenverloren in ihr Glas. "Er war inkompetent, dumm und gierig. Für ihn war ich nur eine Trophäe. Mein Vater hat mich wie Vieh an den besten Bieter übergeben um seinen Einfluss zu vergrößern. Sie waren der Meinung eine Frau muss sich im Hintergrund halten und hat hübsch anzusehen, sowie fügsam zu sein. Man sollte meinen im 21. Jahrhundert wären derartige Denkweisen ausgerottet."
 

Satan schwieg. Es war das erste Mal, dass Indra so offen war.
 

"Ich hatte es satt die perfekte Tochter zu spielen." Erneut sah sie ihn an. "Ich habe beschlossen mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, verdammt seien die Konsequenzen. Ich habe die Zeit mir dir sehr genossen, aber ich wollte nie wieder heiraten. Ich möchte nicht ständig die Zweitbeste sein und im Schatten eines Mannes stehen."
 

"Du weißt, dass ich dich als Gleichberechtigte behandelt hätte. Für mich sind beide Geschlechter gleichgestellt."
 

Indra antwortete nicht, also fuhr er fort. "Wie auch immer. Dann kam Samael und du hast ihn abgeschoben. Ich kann deine Einstellung nachvollziehen, aber das entschuldigt nicht, was du getan hast."
 

Sie seufzte. "Machen wir uns doch nichts vor. Wir wissen beide, dass ich eine furchtbare Mutter und eine noch schlechtere Ehefrau gewesen wäre. Das hattet ihr beide nicht verdient. Von meinem Vater wäre ich verstoßen worden, wenn er erfahren hätte, dass ich einen Bastard in die Welt gebracht habe. Ich habe das getan, was für alle am besten war."
 

"Du hast gedroht ihn im Wald oder auf der Straße auszusetzen, wenn ich ihn nicht nehme."
 

"Ich war verzweifelt. Vielleicht habe ich es ein wenig übertrieben, aber ich bereue meine Entscheidung nicht. Hätte ich ihn besucht, wäre mein Vater misstrauisch geworden."
 

"Dennoch hast du dir die Mühe gemacht, ihm einen Namen zu geben. Worum ging es überhaupt bei eurem Streit? Samael schweigt wie ein Grab." Kurz nach dem Ratstreffen war sein Zeitältester ihr auf einem Gang begegnet und irgendwie war ein Streit ausgebrochen. Seitdem war er schlecht gelaunt.
 

Sie wich seinem Blick aus. "Genug. Ich bin nicht hier um über die Vergangenheit zu reden. Die Gegenwart und die Zukunft sind wesentlich wichtiger. Ich habe einige Dinge gesehen, die dir nicht gefallen werden."
 

Hervorragend, noch mehr Probleme. Höherrangige Zeitdämonen konnten oft in die Vergangenheit, Gegenwart oder auch die Zukunft sehen. Da jedoch kleinste Entscheidungen alles ändern konnten, waren diese nicht immer zuverlässig. Indra war allerdings schon immer eine talentierte Seherin gewesen. Sie konnte in die Vergangenheit sehen indem sie einfach Gegenstände berührte und ihre Visionen der Zukunft zeigten meist, was mit der höchsten Wahrscheinlichkeit eintrat.
 

Indra interpretierte sein Schweigen als Zögern. "Vertraust du mir immer noch nicht?"
 

"Warum hat Lilith nie versucht dich zu töten?"  Wahrscheinlich wusste sie die Antwort nicht, woher denn auch?
 

"Sie hat es versucht."
 

"Ich dachte, du weißt nicht wer dich töten will."
 

"Ich rede nicht von jetzt, sondern von damals. Das Gift, welches meinen Ehemann tötete...es war für mich bestimmt. Der Wein, denn er trank, rührte er normalerweise nicht an. Ich war die einzige, die davon getrunken hat. Ich weiß nicht warum er aus seinen Gewohnheiten gefallen ist, es kümmert mich auch nicht. Allerdings hat der Attentäter schlecht gearbeitet, wahrscheinlich wurde er unterbrochen. Ich habe einige seltsame Tropfen vor den Weinregalen gefunden. Es war Naga-Gift. Ich weiß, wir waren noch nicht zusammen, aber da wir uns schon öfter begegnet sind und miteinander gesprochen haben, nehme ich an, das hat ihr schon gereicht. Auch nachdem ich dich verlassen habe, kamen noch einige Attentate. Vielen konnte ich glücklicherweise durch meine Visionen entgehen. Als du dann Ruha geheiratet hast, hat es nachgelassen. Dafür ging es vor einigen Wochen wieder los. Natürlich hat mein Vater kein Wort darüber in der Öffentlichkeit verloren."
 

Ihr Blick schien ihn zu durchbohren. "Wollen wir jetzt endlich beginnen oder soll ich gehen?"
 

"Schon gut, ich glaube dir.", seufzte Satan,
 

Indra lächelte. Es war nicht spöttelnd sondern ehrlich. "Gut."
 

"Also was weißt du über die Blutjäger?"
 

"Ich habe einige Nachforschungen betrieben und konnte ihre biologischen Eltern in Erfahrung bringen." Satan musste wirklich ein Wörtchen mit der Garde und seinen Spionen reden. Sie rannten von einer Sackgasse in die nächste, während Indra die Sache innerhalb kürzester Zeit löste.  
 

"Jemand den ich kenne?"
 

Sie kam direkt zum Punkt, was selten genug war. "Ihre Mutter ist Aeshma. Sie sind damit Iblis Halbgeschwister."
 

'Scheiße. Warum müssen sich meine Vermutungen fast immer bestätigen?'
 

"Bist du sicher?"
 

"Es gibt keinen Zweifel. Wir hatten dieselbe Hebamme. Es war Zufall, dass ich darauf gestoßen bin. Ich bin ihr begegnet und habe so die Namen der Kinder erfahren sowie deren Schicksal. Scheinbar wurde sie von Aeshma um Hilfe gebeten. Nachdem Sie dich verlassen hatte, erfuhr ihr Mann von dem Seitensprung und er war rasend vor Wut. Er warf sie und ihre drei gemeinsamen Kinder auf die Straße."
 

"Warum auch die Kinder?", fragte Satan stirnrunzelnd.
 

"Er war der Überzeugung, dass sie das Ergebnis weiterer Affären waren."
 

"Sie hätte zu mir kommen können." Er war nicht einverstanden damit, was diese Frau getan hatte, aber er hätte sie nicht mit drei Kindern im Regen stehen gelassen. Sie konnten nichts für die Fehler ihrer Mutter.
 

"Ich nehme an, sie war zu stolz. Sie hat mit ihren Kindern um Asyl in einem der Tempel gebeten und lebte dort eine Weile mit ihnen. Kurz darauf kamen Liliths Attentäter."
 

"Also ist sie tot?"
 

"Ja, aber sie wurde erst später getötet. Nachdem was ich mir zusammengereimt habe, hat sie einen Deal mit Lilith gemacht um ihre Haut zu retten. Höchstwahrscheinlich hat sie sie mit Informationen versorgt. Irgendwann war sie nicht mehr nützlich, also hat man sich ihrer entledigt. Ich weiß nicht, warum Stihi und Aym Lilith folgen, vielleicht hat sie ihnen irgendeine Lüge aufgetischt und dich zum Sündenbock gemacht. Leider habe ich auch keine Ahnung, was mit dem dritten Kind passiert ist. Die Hebamme war eine andere und ich kenne weder Name noch Geschlecht des Kindes."
 

Satan stöhnt frustriert auf. Warum konnte es nicht einmal einfach sein?!
 

Indra lachte auf. "Nicht deine Woche?"
 

"Das ist untertrieben.", murmelte Satan und rieb sich die Schläfen. Jetzt bahnten sich auch noch Kopfschmerzen an. Der Schlafmangel forderte wirklich seinen Tribut. Dämonen konnten länger als Sterbliche mit wenig oder sogar gar keinem Schlaf auskommen, aber er überschritt die Grenze. Er hatte wirklich genug für heute, es musste sich morgen alles durch den Kopf gehen lassen.
 

Er stand auf.
 

"Machen wir erst mal Schluss. Wir reden morgen weiter. Du kannst dann auch eines der Gästezimmer beziehen."
 

"Ich darf also nicht bei dir schlafen?~"
 

Satan warf ihr einen entnervten Blick zu, woraufhin sie kichernd ihr dunkelviolettes Haar beiseite strich.
 

"Fragen kostet ja nichts."
 

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Yukio stand unentschlossen vor der Tür des Klosters und ließ seinen Blick über den Hof schweifen. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an seit er hier gewesen war, dabei waren es nur ein paar Monate. Tausende von Erinnerungen erkämpften sich den Weg in seine Gedanken. Das erste Mal als Rin für sie gekocht hatte, ihre Geburtstage, wie sie zusammen mit den Priestern auf dem Hof gespielt hatten, die Messen (Rin hatte stets versucht sich davonzustehlen), Shiro brachte sie zur Schule...
 

Er hätte hier sein sollen. Er hätte zusammen mit Shiro und den Priestern gegen Astaroth und sein Gefolge kämpfen müssen. Stattdessen war erst gekommen als alles längst vorbei war. Es war nicht leicht gewesen, das Chaos in der Kirche zu erklären, aber schlussendlich war es ihnen gelungen. Ein betrunkener LKW Fahrer war in das Kloster gekracht, hatte Shiro attackiert und getötet. In Yukios Augen eine mehr als lächerliche Behauptung, aber es spielte ohnehin keine Rolle mehr. Nicht wies mehr auf einen Dämonenangriff hin. Fast rechnete er damit seinen Vater irgendwo zu entdecken, denn er hatte am Abend stets noch seine Runden gedreht
 

Er holte tief Luft und klopfte an die Tür. Es dauerte nicht mal eine halbe Minute, dann wurde sie geöffnet. Vor ihm stand ein junger Priester mit stachligem blonden Haar.
 

"Yukio?!"
 

"Hallo Izumi-", weiter kam er nicht, denn er wurde von dem älteren Exorzisten beinahe in einer Umarmung zerquetscht.
 

"Gott sei Dank! Es geht dir gut! Als wir gehört haben, dass Dämonenkönige in der Heiligkreuz-Akademie gesichtet wurden, waren wir krank vor Sorge! Hatten sie es auf dich abgesehen? Weißt du schon etwas von Rin? Uns sagt keiner was!"
 

"Warte!", stoppte Yukio ihn schnell. "Ich erzähle euch alles, aber nicht hier."
 

"O-oh ja, Entschuldigung. Komm rein." Yukio trat ein und zog sich die Schuhe aus während Izumi die restlichen Priester zusammenrief. "Maruta! Kyodo! Nagatomo! Kommt schnell her, Yukio ist hier!"
 

Die Priester begrüßten den Zwilling ebenfalls mit einer Umarmung (bei Maruta knackten seine Rippen bedrohlich) und schoben ihn ins Esszimmer, wo sie sich am Tisch niederließen.
 

"Also was ist passiert?", fragte Nagatomo.
 

"Wir haben gehört, was mit Rin passiert ist.", sagte Izumi vorsichtig. "Wurde er wirklich von allen acht Dämonenkönigen nach Gehenna verschleppt?
 

"Ja. Ich war unterwegs und er alleine. Sie haben sich in das Wohnheim geschlichen und ihn gefangen."
 

Kyodo fluchte, die anderen Priester wechselten entsetzte Blicke.
 

"Also war alles umsonst.", knurrte Kyodo. "Diese verdammten Dämonen haben ihn tatsächlich geholt. Ich kann immer noch nicht glauben, dass Mephisto Samael ist. Shiro hat ihm vertraut und er hat Rin einfach ausgeliefert. Traue nie einem Dämon."
 

"Rückblickend betrachtet überrascht es mich ehrlich gesagt nicht, dass er uns verraten hat.", murmelte Yukio.
 

"Und der Vatikan will Rin wirklich töten lassen, wenn er nach Assiah zurückkehrt?", fragte Maruta.
 

Yukio nickte düster.
 

"Verdammt nochmal!", fluchte Izumi. "Rin kann doch nichts für eure Verwandten! Er ist keine schlechte Person!"
 

"Du weißt doch wie der Vatikan ist.", seufzte Kyodo. "Alles was Hörner und einen Schwanz hat, hat für sie in Assiah nichts verloren."
 

"Und warum waren die Dämonenkönige nun in der Akademie? Ich schätze sie wollten dich?", hakte Nagatomo nach.
 

"Nein, sie waren wegen etwas anderem dort. Es ist eine lange Geschichte..."
 

"Wir haben Zeit."
 

Zögerlich berichtete Yukio was an jenem Tag vorgefallen, was er erfahren hatte und von Lilith. Als sie fertig waren, ergriff Nagatomo erneut das Wort.
 

"Also nur damit ich alles richtig verstehe. Sie waren auf der Suche nach Blutjägern, welche aus Spaß Halbdämonen jagen und töten. Dämonen und Menschen haben früher friedlich zusammengelebt, Satan will Frieden und eine Dämonin namens Lilith hat damals eine Rebellion gegen ihn angezettelt, wurde versiegelt und will jetzt Rache?"
 

"Ja, das fasst es ganz gut zusammen. Wisst ihr etwas über Lilith?"
 

"Sie war soweit ich weiß Adams erste Frau und wurde aus demselben Lehm wie er geschaffen. Sie wollte sich jedoch nicht unterwerfen und floh. Ihre Liebhaber waren Samael und Asmodeus, in manchen Legenden, ist sie eine der Frauen Satans, in anderen erwürgt sie nachts Säuglinge. So oder so gilt sie als Mutter der Hexen und Dämonen."
 

"Also wisst ihr auch nicht mehr als die Bücher."
 

Yukio seufze. Er hatte jedes Buch und sogar jeden Internetartikel über Lilith durchforstet, den er finden konnte. Die Resultate waren mehr als enttäuschend gewesen.
 

"Glaubst du, was sie erzählt haben?", erkundete sich Maruta.
 

Da lag das Problem. "Ich bin nicht sicher. Ein Teil von mir schon, es macht Sinn. Andererseits sind Dämonen chronische Lügner. Es würde außerdem alles erschüttern wofür der Orden steht! Sie müssen gelogen haben."
 

Die Priester wechselten verunsicherte Blicke. Schließlich durchbrach Nagatomo die Stille.
 

"Vielleicht sollten wir eine Nacht darüber schlafen. Morgen können wir weiter überlegen. Vielleicht finden wir doch eine Möglichkeit Rin zu retten oder können mehr über diese Lilith in Erfahrung bringen."
 

Yukio stimmte widerwillig zu. Er würde ohnehin kein Auge zubekommen.
 

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Indra schloss leise die Tür zu ihren Gemächern hinter sich. Glücklicherweise hatten weder ihre Eltern noch ihr Bruder etwas von ihrem Ausflug mitbekommen. Sie hatte wirklich keine Lust sich eine Lüge zu überlegen. Sie gingen ihr schon tagsüber genug auf die Nerven.
 

Es war inzwischen schon ein Uhr morgens, doch sie verspürte keinerlei Müdigkeit. Sie hatte noch nie viel geschlafen. Stattdessen beschloss sie, die Zeit zu nutzen um ein Bad zu nehmen. Etwas ungewöhnlich um diese Zeit, aber sie konnte die Entspannung wirklich brauchen.
 

Also ließ sie sich ihr Bad ein, zog sich aus und steckte ihre Haare hoch. Ihre Kleidung warf sie über einen der Stühle in ihrem Schlafzimmer. Schließlich ließ sie sich mit einem zufriedenen Seufzen im heißen Wasser versinken.
 

Sie war mehr als erleichtert, dass ihr Besuch bei Satan so gut verlaufen war. Es würde einiges einfacher machen. Scheinbar hatte er wirklich noch eine Schwäche für sie. Für ihre Familie hatte sie sich bereits eine Ausrede überlegt, sie würden also ebenfalls keine Probleme machten. Außerdem konnte sie es kaum erwarten mehr über Satans neusten Sohn zu erfahren. Sie hatte nur einen flüchtigen Blick erhaschen können, doch allein die Vorstellung, dass er die Menschen und Dämonen komplett vernichten konnten, machte ihn interessant.
 

'Ich frage mich, wofür er sich entschieden wird. Meine Vision war diesbezüglich äußerst unklar. Wirklich schade, aber das macht es nur noch spannender.'
 

Plötzlich hatte sie das Gefühl als wäre ein Eimer kaltes Wasser über sie ausgeleert worden. Jemand hatte unerlaubt ihre Gemächer betreten. Ihr Vater hatte sie verspottet als sie dieses Frühwarnsystem platziert hatte, aber das war ihr herzlich egal gewesen.
 

"Nasu?". rief sie. Nasu war ihre Zofe und die einzige, die um diese Zeit noch wach sein könnte. Sie erhielt keine Antwort.
 

'Hat man denn wirklich keine Ruhe mehr?!'
 

Widerwillig verließ sie ihre warme Wanne und schnappte sich das nächstbeste Handtuch um es um ihren Körper zu wickeln.
 

'Wenn das wieder ein betrunkener Nachtwächter ist, kann er sich auf etwas gefasst machen. Falls es ein Attentäter ist...muss ich mich wirklich mit den Wachen unterhalten.'
 

Sie zog eine der Schubladen in dem Waschbeckenbereich auf und kramte darin bis sie gefunden hatte, was sie wollte: einen Dolch. Sie war zwar keine Kämpferin, aber ganz sicher nicht hilflos.
 

Langsam ging sie auf die Tür zu. Als sie die Klinke berührte, verspürte sie das vertraute Kribbeln, welches eine Vision ankündigte. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich selbst, auf dem Boden liegend mit durchgeschnittener Kehle, über ihr stand eine vermummte Gestalt, ein blutiges Messer haltend. Ein wenig erschrocken zog sie ihre Hand zurück.
 

'Langsam habe ich wirklich genug davon meine eigene Leiche zu sehen.', dachte sie düster. Entschlossen drückte sie die Klinke hinunter und betrat den Raum. Alles war ruhig, doch sie wusste es besser. Eine innere Stimme schrie sie an beiseite zu springen und sie kam der Aufforderung nach. Das Messer verfehlte ihren Hals knapp. Sie wirbelte herum sodass sie ihrem Angreifer gegenüber stand.
 

"Also wirklich. Deine Vorgänger hatten wenigsten den Anstand mich anzugreifen, wenn ich angezogen bin.", verspottete sie ihren Gegner.
 

Dieser reagierte nicht sondern griff erneut an. Indra wich geschickt aus. Glücklicherweise war sie schon immer sehr flink gewesen. Während sie Abstand zwischen ihnen brachte, überlegte sie fieberhaft wie sie reagieren sollte.
 

Höchstwahrscheinlich trug die Person eine Rüstung unter dem schwarzen Stoff, wahrscheinlich Leder für mehr Bewegungsfreiheit. Am besten griff sie also den Hals an.
 

Beim nächsten Angriff verlangsamte sie die Zeit und bereitete sich darauf vor ihm die Halsschlagader zu durchtrennen als sie eine erneute Vorwarnung erhielt. Etwas nährte sich von hinten. Sie sprang nach vorne. Es waren zwei Attentäter? Scheinbar hatte jemand dazu gelernt. Sie versuchte einen Phasensprung durchzuführen, jedoch geschah nichts. Wie hatten sie so schnell Bannkreise errichtet?!
 

Der zweite Angreifer schien eine Frau zu sein, denn sie konnte eine leichte Wölbung im Brustbereich erkennen. Nicht, dass dies momentan einen Unterschied machte.
 

'Zeit das zu beenden.' Sie hob die Hände um die Zeit anzuhalten. Es würde viel Energie erfordern, denn sie verwendete diese Fähigkeit relativ selten, aber es würde ausreichen um das Leben der Beiden zu beenden. Im selben Moment hielt die Frau etwas hoch.
 

Indras Augen weiteten als sie erkannte was es war. 'Das ist doch wohl ein Scherz!'
 

Ein rotes Leuchten erfüllte den Raum und sie spürte eine seltsame Hitze ihn ihrem Herzen, welche sich zunächst in ihrem ganzen Körper ausbreitete, bevor sie eisiger Kälte wich. Diese schien sogar ihre Knochen zu erreichen. Schließlich macht sich in ihr eine seltsame Leere bemerkbar, die sie nie für möglich gehalten hatte.
 

Sie versuchte die Zeit zurückzudrehen, doch nichts geschah. Der Mann nutzte die Gelegenheit um sie zu packen und in die Wand zu schleudern. Diesmal wurde sie von keiner Vision oder Ahnung gewarnt, also waren ihre Fähigkeiten wirklich blockiert. Dieses vermaledeite Amulett!
 

'Verdammt...so werde ich nicht untergehen...' Sie hatte leider ihren Dolch verloren, doch er lag gar nicht weit weg. Sie könnte ihn erreichen, wenn sie sich anstrengte. Nur weil sie ihre Kräfte nicht hatte, würde sie nicht klein beigeben!
 

Der Dämon kam zu ihr hinüber gestapft und begann sie zu würgen.
 

"Was ist los? Du flehst nicht mal um dein Leben? Wie langweilig.", verspottete er die Zeitdämonin.
 

"Als ob ich....je so tief sinken würde....dass ich.....um mein Leben flehe. Erst recht nicht...gegenüber solchem...Abschaum.", presste sie hervor und rammte ihr Knie zwischen seine Beine. Er ließ sie los und schrie vor Schmerzen auf. Indra schnappte sich eine Vase welche auf einem Tisch neben ihm stand und rammte es mit aller Kraft gegen seinen Schädel.
 

Dann hechtete sie zu ihrem Dolch, so gut es ihn ihrem Handtuch eben ging. Kaum hatte sie den Dolch in der Hand, sprang der Dämon auch schon auf sie, sodass sie auf dem Rücken lag und er obendrauf. Erneut begann er sie zu würgen.
 

"Du verdammtes-", begann er, doch weiter kam er nicht. Er hatte nicht bemerkt, was sie in der Hand hielt. Ohne zu zögern nahm sie Maß und schlitzte ihm die Kehle auf. Danach stieß sie den Sterbenden schnell weg um nicht mit seinem Blut besudelt zu werden.
 

Sie wandte sich nun der Frau zu, doch diese war bereits hinter ihr und umschloss ebenfalls ihren Hals um sie zu erwürgen. Indra vergrub ihre Fingernägel im Gesicht ihrer Angreiferin, woraufhin diese sie fluchend los ließ und überraschenderweise die Flucht wählte. Nun hörte sie auch Schritte, welche sich hastig nährten. Nur wenige Sekunden darauf wurde die Tür aufgerissen und die Wachen kamen hereingestürmt.
 

"Lady Indra, wir-", der Mann brach ab als er das Bild vor sich aufnahm. Ein sterbender Dämon lag auf dem Boden, über ihm stand die Erbin des Hauses in einem Handtuch und einem blutigen Dolch in der Hand.
 

"Ach, wie gnädig von euch endlich vorbeizuschauen!", fauchte die Adlige. "Wo wart ihr vor fünf Minuten?! Ihr habt nur eine Aufgabe und setzt sie in den Sand! Jetzt geht und findet diese zweite Attentäterin oder ihr dürft euch eine neue Anstellung suchen!"
 

Die Wachen starrten sie nur an.
 

"Was gibt es denn zu begutachten?! Los, Abmarsch!"
 

Endlich kamen sie der Aufforderung nach.
 

"Volltrottel. Es wird immer schwerer gutes Personal zu finden.", murmelte Indra verächtlich und wandte sich an den Toten.
 

"Dann wollen wir doch mal sehen, wer sich unter der Maske verbirgt."
 

Sie zog die Kapuze und den Stoff, welcher Mund und Nase bedeckte beiseite.
 

'Silberne Haar, grüne Augen und normale Haut. Offensichtlich ein Mischling.'
 

Sie begann damit seine Taschen zu suchen, in der Hoffnung etwas nützliches zu finden. Zur ihrer Frustration fand sie nichts. Dafür entdeckte sie etwas an seinem Unterarm: zwei Tätowierungen. Eine wies den Dämonen als Mitglied einer Eliteeinheit aus, die andere war ein Siegel.
 

Sie starrte es einige Sekunden an, bevor sie leise auflachte. "Ich wusste ja schon immer, dass du mich nicht magst, aber mir Attentäter auf den Hals zu hetzen ist doch etwas zu viel des Guten, Azazel."

Der nächste Morgen

'Vielleicht hätte ich es einfach gut lassen sein und wirklich ins Bett gehen sollen, anstatt mir wegen dieser Blutjäger den Kopf zu zerbrechen. Ich fühle mich als hätte mich ein Phantomzug überrollt.', dachte Satan grimmig.
 

Letzten Abend (oder besser gesagt letzte Nacht) hatte er sich nachdem Indra gegangen war, unter anderem um Rin gekümmert und sichergestellt, dass er nicht doch eine Alkoholvergiftung hatte oder sich gar übergab. Somit war er erst gegen halb drei endlich schlafen gegangen.
 

Noch bevor die Sonnen aufgegangen waren, hatte er noch einmal nach Rin gesehen, Agares (welche glücklicherweise eine Morgenperson war) zu ihm geschickt und sich auf dem Weg zum Tartaros gemacht. Letzte Nacht hat er kaum ein Auge zubekommen, seine kreisenden Gedanken hatten ihn davon abgehalten. Er machte sich schon genug Sorgen um Gehenna und seine Söhne -besonders Rin- gemacht, aber nun waren auch noch diese beiden Blutjäger dazugekommen.
 

Die Tatsache, dass sie die Kinder einer ehemaligen Geliebten waren, änderten nichts. Das Gesetz galt für alle, Blutjagden wurden mit dem Tod bestraft. Dennoch hatte er sich nach einigem Überlegen dazu entschlossen ihnen einen letzten Olivenzweig anzubieten. Erzählten sie ihm, was er wissen wollte, würde er von einem Todesurteil absehen und die Strafe mildern. Sie wäre immer noch hart, aber sie hätten die Gelegenheit erhalten Sühne zu leisten. Wenn sie sich weiterhin stur stellten, würde er sie töten.
 

Alastor erwartete ihn bereits vor einer Zellentür.
 

"Wow, du siehst furchtbar aus.", begrüßte er den Herrscher Gehennas. Normalerweise war Satan die einzige Person, welche er siezte, aber da sie unter sich waren reichte dem Dämonengott das einfache 'du'.
 

"Hast du selbst mal in den Spiegel geschaut?", kam seine geknurrte Antwort, woraufhin der Feuerdämon grinste.
 

"Der Sarkasmus ist noch intakt, also gibt es Hoffnung." Er wurde sofort wieder ernst. "Du solltest wirklich mehr schlafen."
 

Satan antwortete nicht, sondern starrte ihn irritiert an. Der hatte gut reden! Er hatte auch keine Söhne, welche den Jüngsten abfüllten!
 

"Schon gut, ich sag's ja nur. Ich habe die Beiden in eine Zelle gesteckt, wie du wolltest. In den letzten Tage wurden sie immer wieder bearbeitet, aber für ein paar adlige Gören sind sie verdammt widerstandsfähig. Allerdings lassen sie allmählich nach. Gib mir noch ein paar Wochen und sie sollten reden....oder haben nicht mal mehr die geistige Kapazität um ihren Namen auszusprechen."
 

"Nein. Ich gebe ihnen eine letzte Chance, wenn sie sie nicht annehmen, werden sie sterben. Ich bezweifle, dass wir noch irgendetwas aus ihnen herausbekommen."
 

Alastor runzelte die Stirn. "Warum der plötzliche Meinungsumschwung?"
 

"Ich habe meine Gründe.", kam die knappe Antwort. Für einen Moment schien es als würde der vernarbte Dämon ihn weiter ausfragen, doch dann ließ er es doch auf sich beruhen.
 

"Gut, wenn du meinst. Ich bezweifle, dass es was bringt, aber du bist der Boss. Brauchst du mich noch? Ich muss mich noch mit Araoich befassen."
 

Satan schüttelte den Kopf. "Du kannst gehen."
 

Der Vollstrecker nickte knapp, wandte sich ab und ging davon.
 

'Also jetzt oder nie...'
 

Etwas widerwillig öffnete der König aller Dämonen die Tür und betrat die Zelle.
 

Es war ein kleiner, quadratischer Raum. Es gab nur einen einfachen Holztisch mit einem Holzstuhl, und eine Pritsche auf der die Geschwister saßen. Sie sahen auf als er eintrat. Beide waren zerzaust, verdreckt und abgemagert. Ihre Regenerationsfähigkeiten wurden ebenfalls immer schlechter, dies zeigten ihre blauen Flecke und Schnitte. Ihnen fehlten außerdem einige Fingernägel.
 

"Na, sieh mal einer an, wer uns mit seiner Anwesenheit beehrt.", merkte Aym spöttisch an, inzwischen so heiser, dass er nur leise flüstern konnte. "Wem oder was verdanken wir Eure Präsenz, Majestät?"
 

Satan ignorierte ihn und kam gleich auf den Punkt.
 

"Ihr seid Aeshmas Kinder. Ihr hasst meine Söhne und mich, weil ihr glaubt, wir hätten eure Leben ruiniert."
 

Sie sahen ihn überrascht an, dann verzogen sich ihre Gesichter zu einem spöttischen Grinsen. "Ach, das habt ihr also endlich erkannt? Hat ja lange genug gedauert.", antwortete Stihi herablassend.
 

"Ihr hättet einfach sagen können, wer ihr seid."
 

"Hätte das etwas geändert?"
 

"Vielleicht. Warum folgt ihr Lilith obwohl sie eure Mutter umgebracht hat?"
 

"Du warst es doch, der sie getötet hat!", fauchte Aym. Also wurden sie tatsächlich angelogen.
 

"Ich soll sie getötet haben? Lächerlich. Ich hatte keinen Grund dafür."
 

"Du hast sie dir einfach genommen, weil du sie wolltest und sie weggeworfen als sie dir zu langweilig war! Es ist alles deine Schuld! Deinetwegen sind wir auf der Straße gelandet.", knurrte Stihi.
 

"Das ist nicht wahr. Aeshma hat mir nicht gesagt, dass sie verheiratet war und Kinder hat. Hätte ich davon gewusst, wäre nie etwas zwischen uns gewesen. Sie ist abgehauen nachdem Iblis auf die Welt kam und euer Vater hat irgendwie von dem Seitensprung erfahren und euch rausgeworfen. Wäre sie zu mir gekommen, hätte ich euch geholfen. Stattdessen hat sie sich auf einen Deal mit Lilith eingelassen, irgendwann ihre Nutzen verloren und wurde schlussendlich getötet. Es ist ihre eigene Schuld."
 

"Lügner.", zischte die Feuerdämonin.
 

"Es ist die Wahrheit. Ob ihr es glaubt oder nicht und eure Gründe sind mir ehrlich gesagt egal. Es ändert nichts daran, was ihr getan habt. Sicherlich kennt ihr die Strafe für Blutjagden und Verrat. " Er sah die Geschwister scharf an. "Ich gebe euch eine letzte Chance. Sagt mir alles, was ihr über Lilith wisst und wer das dritte Kind ist. Dann mildere ich eure Strafe, ansonsten werdet ihr sterben."
 

"Kein Interesse. Nur schade, dass wir nie sehen werden, wie du und deine Familie an ihrem Blut ersticken.", lachte Aym.
 

"Du kannst machen, was du willst. Es wird uns nicht aufhalten. Gehenna und Assiah gehören Lilith.", bestätigte Stihi mit einem irren Grinsen im Gesicht.
 

Satan erkannte, dass es sinnlos war. Ohne ihre Aussagen mit einer Antwort zu würdigen, drehte er sich um und verließ die Zelle wieder. Er hatte jetzt wirklich andere Sorgen.
 

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Rin erwachte mit dröhnenden Kopfschmerzen, hinzu kam ein schrecklicher Durst, schmerzende Glieder, Übelkeit und Schwindel. Auf seiner Stirn lag ein kalter Lappen. Er hatte keine Ahnung, was passiert oder wo er war. Scheinbar lag er in einem Bett. Langsam öffnete er seine Augen, doch als er das Sonnenlicht erblickte, zog er seine Decke über den Kopf.
 

'Warum wache ich ständig hier auf und fühle mich beschissen?!'
 

"Rin, ist alles in Ordnung?", ertönte eine vertraute Stimme. Scheinbar war Kuro auch schon wach. Rin spürte wie er auf das Bett sprang und ihn anstupste.
 

"Nein...ich fühle mich...als ob ich mich übergeben muss..."
 

"Tu das bitte nicht, Lord Satan würde durchdrehen. Na, eigentlich ist er das längst." Der Nephilim zuckte erschrocken zusammen, zerrte die Decke von seinem Kopf und richtete sich ruckartig auf. Dies stellte sich als Fehler heraus, denn sein Kopf schmerzte nun noch mehr. Damit erschrak er außerdem Kuro, sodass dieser erschrocken aufsprang.
 

Stöhnend rieb er sich den Kopf, während er nach dem Ursprung der Stimme umsah. Es war Agares. Sie lächelte.
 

"Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken."
 

Rin grummelte etwas vor sich hin und sah sich um. Offensichtlich war er wieder in seinem Zimmer. Aber wie war er hergekommen? Er erinnerte sich schemenhaft an den Barbesuch. Er hatte mehrere Gläser von diesem blauen Zeug getrunken, dann war da irgendwas mit dem spanischen Bürgerkrieg und Poker. Was ist danach passiert? Er war vollkommen planlos.
 

"So wie du guckst, erinnerst du dich an nichts?", fragte die Wasserdämonin und bückte sich um den Lappen, welchen Rin runter geworfen hatte, aufzuheben. Kuro sprang währenddessen wieder auf Rins Bett.
 

"Scheinbar hast du etwas zu tief ins Glas geschaut. Iblis musste dich Huckepuck zurücktragen und Lord Satan war stinksauer. Wahrscheinlich bekommen sie gerade Standpauke Nummer zwei.", erklärte die Nephilim ruhig. "Keine Sorge, du musst dich für nichts schämen. Jeder hat das durch. Du solltest mal Lord Satan erleben, wenn er zu viel hatte. Da schwankt man wirklich zwischen Belustigung und Todesangst."
 

Rin starrte sie an, er bemerkte kaum, dass sich Kuro an ihn kuschelte.
 

"Iblis hat mich getragen?", stieß er entsetzt hervor. War er wirklich so voll gewesen?
 

Die Heilerin nickte. "Ja, du warst wohl ziemlich neben der Spur. Nach dem was ich so mitbekommen habe, musste dich Lord Satan ins Bett bringen und er hat sich dann noch eine Weile um dich gekümmert." Sie seufzte. "Wenn er weiter so macht und nicht darauf achtet genug Schlaf zu bekommen, wird das noch übel enden. Er mag ein Gott sein, aber das heißt lange noch nicht, dass er nicht krank werden kann. Ich sollte mit Shax und Alastor sprechen, damit sie ihn überreden sich einmal eine Auszeit zu nehmen."
 

Rin achtete kaum darauf, was sie nach dem Seufzer sagte. Iblis und Satan, der Dämonenkönig des Feuers und der Gott der Dämonen hatten ihn tragen müssen. Was war noch alles passiert?! Er spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss.
 

'Scheiße, ist das peinlich. Samael wird mich das nie vergessen lassen.'
 

Mit einem lautem Aufstöhnen vergrub er seinen Kopf in einem der Kissen. Er hörte Agares lachen.
 

"Komm schon, ich bin sicher, dass es nicht so schlimm war. Immerhin bist du im Gegensatz zu einigen deiner Brüder nicht im Bett von jemand Fremden aufgewacht." Rin sah auf und schaute sie entsetzt an.
 

"Danke, zu viel Info."
 

Sie zuckte mit den Schultern. "Wie geht es dir überhaupt?"
 

"Alles tut weh, mir ist speiübel und schwindlig. Und ich hab Durst.", murmelte der Halbdämon.
 

"Ach, richtig. Hier." Sie gab ihm ein Glas Wasser, welches er dankbar leerte. So schlecht hatte er sich damals nicht gefühlt als er sich von Aulaks Angriff erholt hatte.
 

Er bemerkte am Rande, dass es an der Tür klopfte. Agares öffnete sie, herein kam eine Dämonin, welche ihm ein Tablett mit Essen brachte.
 

"Du kennst Vaya bereits, nicht?"
 

Erst jetzt erkannte er sie und stellte fest, dass sie und Ankou wirklich nicht verschiedener sein könnten. Während ihre ältere Schwester sich offenbar nichts gefallen ließ, ihre Meinung offen sagte und selbstbewusst wirkte, hatte Vaya einen 'Ich-bin-das-Reh-Bambi-also-bitte-erschieß-mich-nicht-Blick' aufgesetzt. Sie lächelte Rin zaghaft zu, ihre schwarzen Haare verdeckten teilweise ihr Gesicht.
 

"Ja....Hallo.", sagte er etwas unsicher. Sie sah ihn entschuldigend an und zuckte mit den Schultern.
 

"Sie spricht leider kein Japanisch.", wies Agares hin. "Oder überhaupt eine Sprache aus Assiah."
 

Vaya stellte das Tablett neben Rin ab. Beim Anblick des Essens drehte sich ihm der Magen um. Nicht weil es unappetitlich war, im Gegenteil. Unter anderem gab es Toast (zumindest vermutete er, dass es die gehennische Variante davon war), Obst, etwas was Rührei glich (auch wenn es grün war), Fisch und eine Art Brühe. Nur leider hatte er absolut keinen Hunger. Trotzdem bedankte er sich. 'Danke' war ohnehin das einzige Wort, was er auf Gehennische kannte. Die Geisterdämonin schien überrascht, doch fing sich schnell wieder und nickte ihm zu. Sie sagte noch etwas zu Agares, dann ging sie wieder.
 

"Du brauchst das gar nicht so kritisch anzusehen. Ich lasse dich erst in Ruhe, wenn du etwas gegessen hast.", sagte Agares streng.
 

"Aber-"
 

"'Aber' mich nicht. Ich weiß, du hast keinen Hunger, aber das Essen wird dir helfen. Du musst deinen Kreislauf wieder in Schwung bringen. Hier ist etwas gegen die Übelkeit, dann kannst du auch anfangen zu essen." Sie reichte ihm eine kleine, orange Kugel. "Schlucke es am besten mit Wasser." Rin tat, wie ihm geheißen.
 

Es dauerte einige Minuten, dann verschwand die Übelkeit.
 

"So dann kannst du ja jetzt essen." Nicht locker lassend, schob ihm die Dämonin das Tablett rüber. "Oder soll ich Alastor holen? Ich wette, er hätte viel Spaß dabei, dich zum essen zu bringen."
 

Der Nephilim starrte sie entsetzt an. "Haben hier alle Dämonen eine sadistische Ader?!"
 

"Natürlich, das ist quasi ein Grundinstinkt."
 

Er war sich nicht sicher, ob sie Witze machte. Seufzend gab er sich geschlagen und begann zu essen. Er schaffte nicht alles, dennoch schien die Wasserdämonin zufrieden zu sein.
 

"Wenn du mal Kinder hast, beneide ich die nicht."
 

Agares lachte. "Ich bezweifle, dass das je geschehen wird."
 

"Warum?", fragte Rin neugierig. Wenn sie selber darüber lachte, konnte es doch sicher nichts schlimmes sein.
 

Zu seiner Überraschung errötete sie. "Ich hatte nie wirklich Interesse an einer Beziehung, weder mit Männern noch Frauen, aber...es gibt jemanden, den ich schon sehr lange mag. Ich glaube allerdings nicht, dass er meine Gefühle erwidert."
 

"Warum sagst du es ihm nicht einfach?" So gesehen müsste Rin ganz ruhig sein, er hatte Shiemi immerhin auch nie seine Gefühle gestanden.
 

"Es ist...kompliziert."
 

"Es ist nicht Satan, oder?"
 

Die Augen der Heilerin weiteten sich, dann begann sie zu lachen. "Lord Satan?! Auf keinen Fall! Er ist alt genug um mein Vater zu sein!"
 

Rin sah sie verwirrt an. "Aber spielt das wirklich eine Rolle, wenn ihr alle unsterblich seid? Und meine Mutter war auch um einiges jünger als du."
 

"Mit Sterblichen ist das etwas anderes. Wie auch immer...die Anderen haben mich schon dazu gedrängt, dass ich es ihm sagen soll, aber....ich kann einfach nicht." Sie stand auf. "Ich muss mich kurz mit Ankou treffen. Vaya sagte, dass sie mit mir reden möchte. Ich komme so bald wie möglich wieder. Dann ist bitte auch das Tablett leer. Denke übrigens gar nicht daran es in die Pflanzentöpfe zu kippen." Sie wandte sich an Kuro. "Du passt bitte auf, dass er alles aufisst, ja?" Er nickte, woraufhin sie ihn kurz hinter den Hörnern kraulte und dann den Raum verließ.
 

'Ich frage mich, in wen sie verschossen ist...na egal, geht mich wohl nichts an.' Leise vor sich hin grummelnd, begann er die Reste seines Frühstücks zu essen. Er wollte Alastor wirklich nicht so schnell wieder begegnen. Kuro schmiegte sich währenddessen erneut an ihn.
 

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"Amaimon, jetzt rücke endlich diesen beschissenen Kaffee raus oder es brennt buchstäblich die Luft.", knurrte Iblis. Der Erdkönig zeigte sich von der Drohung mehr als unbeeindruckt und fuhr seelenruhig damit fort eine gruslige Menge Zucker in seine Tasse zu kippen.
 

"Du solltest an deinen Überzeugungsfähigkeiten arbeiten.", kommentierte Egyn.
 

"Mach's besser, Wasserlurch."
 

Wasserlurch? Der Dämonenkönig beschloss es zu ignorieren.
 

"Amaimon, könntest du mir bitte den Kaffee geben?", fragte er ruhig.
 

Der Angesprochene zuckte mit den Schultern, brummte etwas und schob die Kanne hinüber ohne von seiner Tasse aufzusehen. Egyn warf seinem Bruder seinem triumphierenden Blick zu, welcher buchstäblich vor Wut rauchte.
 

"Iblis, beruhige dich bevor du wieder brennst.", seufzte Lucifer ohne von seiner Zeitung aufzusehen.
 

"Aber Egyn rückt den Kaffee nicht raus!" Der Lichtkönig verdrehte die Augen. Er hatte gehofft, dass  derartige Vermittlungen in ihrem Alter nicht länger nötig waren. Früher musste er bei Streit um Spielzeug eingreifen, heute bei sowas. Nahm das denn nie ein Ende? Manchmal verhielten sie sich wirklich schlimmer als ein Haufen Kinder.
 

"Wie wäre es, wenn du ihn einfach höflich fragst, anstatt rumzumeckern?"
 

Der Feuerdämon holte tief Luft. "Liebster Bruder, würdest du so gütig sein und mir freundlicherweise den Kaffee reichen bevor ich dich als Fackel benutze?~", fragte er in einer ekelhaft süßen Tonlage.
 

Die Anderen starrten ihn an, sogar Samael und Amaimon sahen auf. "Tu das nie wieder und der Kaffee gehört dir.", sagte Egyn matt. Seine Geschwister nickten zustimmend.
 

"Deal." Endlich bekam der Feuerdämon die Kanne.
 

"Gib danach gleich mal weiter.", grummelte Astaroth. "Ich habe kaum geschlafen. Verdammte Insomnie..."
 

"Ich dachte, das wäre besser geworden?", fragte Beelzebub.
 

"Isses ja auch. Aber in letzter Zeit ist es zum Kotzen. Ernsthaft, ich hasse Leute, die einschlafen, sobald ihre Augen zu sind. Ich brauche für die Scheiße drei Stunden, 4000 Positionswechsel und 'ne Opfergabe.", grummelte der Dämonenkönig ungehalten.
 

"Lass dir doch was von Shax oder Agares geben. Das haut sogar 'nen Drachen um.", riet Iblis.
 

"Wird wohl nicht anders gehen..."
 

"Wo sind eigentlich Vater und Azazel?", erkundigte sich Amaimon. "Ich habe sie den ganzen Tag noch nicht gesehen."
 

"Ich glaube Vater ist zum Tartaros.", antwortete Samael.
 

"Und Azazel pennt wahrscheinlich noch.", grollte Astaroth. "Seine Schlafgewohnheiten will ich mal haben."
 

In diesem Moment kam der Geisterkönig in den Raum geschlurft. Er war offensichtlich erst vor kurzem aus dem Bett gekrochen. Er trug noch immer seine grauen Jogging Shorts und ein schwarzes Tank Top.
 

Egyn hielt inne als sein Blick auf Azazels linken Oberarm fiel. Dort war eine schwarz-silbrige Tätowierung, was an sich nicht ungewöhnlich war. Viele Dämonen ließen sich tätowieren, wenn sie ihr unsterbliches Alter erreicht hatten und später auch bei besonderen Leistungen oder Erlebnissen. Sie selbst hatten alle eine Tätowierung (welche hauptsächlich ihr Siegel zeigte) bekommen als sie zum Dämonenkönig aufgestiegen waren. Er wusste, dass die Tätowierung des Geisterkönigs an der linken Schulter anfing und ungefähr bis zum mittleren Oberarm ging. Nun zogen sich jedoch mehrere schwarze Linien vom Hals bis knapp vor seinem Handgelenk. Er erkannte sie als Azazels Dämonenmale, doch diese tauchten normalerweise nur in ihrer Dämonenform oder bei starken Emotionen wie extremer Wut, Angst oder Stress auf.
 

Auch die anderen hatten es bemerkt und sahen Azazel verwundert an als er sich hinsetzte.
 

"Azazel?", sprach Beelzebub ihn an. "Deine Dämonenmale sind sichtbar..."
 

"Auch morgen.", grummelte dieser. "Ich weiß...ist schon seit 'ner Weile so..."
 

Lucifer sah ihn stirnrunzelnd an. "Das ist nicht normal."
 

"Mir geht's gut. Wahrscheinlich der Stress..."
 

"Läge es daran, wären Vater und ich die Ersten die damit rumlaufen."
 

"Und du bist so blass...also blasser als sonst.", merkte Amaimon an und blinzelte etwas verwirrt.
 

Tatsächlich sah der Geisterkönig absolut nicht gesund aus. Er war schon immer extrem blass, beinahe weiß, doch nun hatte seine Haut einen fast schon gräulichen Ton angenommen. Seine Haare wirkten ebenfalls ziemlich matt und unter seinen Augen lagen sogar leichte Schatten. Wie konnte er Augenringe haben, wenn er fast immer schlief?!
 

"Du siehst wirklich nicht gut aus.", kommentiere auch Samael.
 

Azazel sah sie entnervt an. "Ich hab' einfach viel zu tun, ok? Ich bin zur Zeit ständig unterwegs oder beschäftigt, also hinke ich mit den ganzen Toten hinterher. Die Blutjagden machen's auch nicht leichter...gibt mir jetzt bitte endlich jemand Kaffee?!"
 

Seufzend schob Astaroth ihm die Kanne hin. Kaum hatte er seine erste Tasse in der Hand, da kam endlich Satan rein. Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.
 

Bevor die Dämonenkönige irgendetwas sagen konnten, legte der Dämonengott auch schon los.
 

"Ich habe gerade Jahi getroffen und sie hat mir einige äußerst interessante Dinge bezüglich Poker und Prügeleien erzählt. Wer von euch erklärt mir, was passiert ist?~"
 

Die Baal schluckten. Wenn er diesen widerlich süßen Ton anschlug, konnten sie sich schon mal nach Deckung umsehen.
 

"Also ich bin meine Schulden los geworden, den Typen hat es nicht gepasst, dass sie pleite waren also....ging dann irgendwie die Prügelei los....", erklärte Iblis vorsichtig.
 

"Aha, also irgendwie? Und das hatte auch rein gar nichts mit Rin zu tun?", hackte Satan nach. Schluck. Er war so geliefert. Seine Geschwister schienen diesen Gedanken zu teilen, denn sie begannen damit sich von ihm wegzubewegen.
 

"Also-"
 

"WAS HAST DU VOLLTROTTEL DIR DABEI GEDACHT?!", donnerte Satan, seine Flammen schossen nun hervor. "Warte, antworte nicht. DU HAST NICHT'S GEDACHT! DU LÄSST EINEN MINDERJÄHRIGEN UM GELD SPIELEN OBWOHL DU WUSSTEST, DASS SEINE GEGNER BETRÜGEN?!"
 

Er fuhr rum und fauchte seine restlichen Söhne an. "UND WIE KONNTET IHR DAS ERLAUBEN?!"
 

"Wir-", begann Lucifer hilflos, doch musste sich ducken um nicht mit einigen Flammen Bekanntschaft zu machen.
 

"UNTERBRICH MICH VERDAMMT NOCHMAL NICHT, WENN ICH EUCH ANSCHREIE!"
 

"Aber du hast gefragt-", sagte Beelzebub verwirrt.
 

"RUHE!", donnerte Satan erneut, seine Flammen loderten immer höher.
 

'Ein paar konkrete Anweisungen wären klasse.', überlegte Iblis grimmig.
 

"ICH BIN JA EINIGES VON EUREM MIST GEWOHNT, ABER DAS IST DOCH WOHL DIE HÖHE! SEID IHR SO DÄMMLICH ODER TUT IHR NUR SO?! LANGSAM MACHT SICH WIRKLICH DAS BEDRÜFNISS, EUCH ZUR ADAPTION FREIZUGEBEN, BEMERKBAR!"
 

"Autsch.", murmelte Amaimon, Gehenna sei Dank hörte Satan es nicht.
 

"MAN SOLLTE MEINEN, DASS IHR AUS EUREN FEHLERN LERNT, ABER NEIN! STATTDESSEN MACHT IHR WONACH EUCH DER SINN STEHT. SEID IHR EIN HAUFEN KLEINKINDER?! HABT IHR EINE AHNUNG, WAS ICH MIR STÄNDIG FÜR SORGEN MACHE?!"
 

Inzwischen begannen sich Satans dämonische Züge zu zeigen, auch seine Stimme begann sich zu verändern. Wenn es weiter so ging, würde er bald in voller Dämonenform vor ihnen stehen und dann ging der Spaß so richtig los. Jedoch wagte keiner etwas zu sagen. Sogar Samael hielt den Mund, was selten genug vorkam.
 

"Also.", zischte Satan, nun gefährlich leise. "REDET."
 

Da er sie noch nicht als Fackeln benutzte, bestand wohl Hoffnung.
 

"Es stimmt, wir hätten eingreifen sollen.", sagte Lucifer schnell. "Wir sind davon ausgegangen, dass Rin in der ersten Runde einfach verliert und wir hätten ihn dann auch keine zweite Runde spielen lassen."
 

"Ich spüre ein 'aber', welches besser einen verdammten guten Grund offenbaren wird.", knurrte der Dämonengott.
 

"Er hat gewonnen. Jede einzelne Runde.", sprang Samael ein.
 

"Die Dämonen fanden das gar nicht gut, also wollten sie ihn angreifen nachdem sie pleite waren.", fuhr Beelzebub fort. "Wir haben eingegriffen bevor ihm etwas passieren konnte und sie haben sich zurückgezogen. Allerdings haben manche Barbesucher, die bereits von ihnen über den Tisch gezogen worden sind, die Gunst der Stunde genutzt und sie angegriffen."
 

"Das eine hat zum anderen geführt und die Prügelei ist ausgebrochen. Wir haben Rin von dort weggeholt und den Streit unterbrochen bevor schlimmeres geschieht.", schloss Egyn.
 

Nervös beobachteten sie die Reaktion seines Vaters. Zwar veränderte sich sein Gesichtsausdruck nicht, aber seine dämonischen Züge verschwanden und die Flammen wurden kleiner bis sie erloschen.
 

Die Dämonenkönige atmeten erleichtert auf.
 

"Ok, ich gebe zu, ich habe Scheiße gebaut und ich hätte Rin nicht ausnutzen dürfen, erst recht nicht um meine Fehler zu korrigieren. Ich hätte ihn aber nie bewusst in Gefahr gebracht!", meldete sich Iblis zu Wort. "Ich war die ganze Zeit neben ihm und hätte die Kerle auch notfalls alleine fertig gemacht. Sie wären nie an ihn rangekommen."
 

"Ihr seid ein Haufen Vollidioten.", sagte Satan kopfschüttelnd und seufzte. "Aber ich schätze, ihr seid meine Idioten."
 

Er sah sie ernst an. "Im Anbetracht der Umstände werde ich vorerst von einer Strafe absehen. Glaubt aber nicht, dass ihr davonkommt. Und entschuldigt euch verdammt nochmal bei Rin. Alle. Das hätte ganz fatal ins Auge gehen können."
 

Die Geschwister nickten, doch Iblis hatte ein mulmiges Gefühl. Lucifer schien es zu teilen, denn er hakte sofort nach.
 

"Was meinst du mit 'im Anbetracht der Umstände'? Das klingt, als gäbe es die nächste Katastrophe."
 

Satan zögerte. "Ich habe herausgefunden, wer die Blutjäger sind."
 

"Aber das ist doch gut?", antwortete Amaimon verwirrt.
 

Der König Gehennas lächelte düster. "Sie sind Aeshmas Kinder. Ihr Mann hat von unserer Affäre erfahren und alle rausgeworfen. Irgendwo ist auch noch ein drittes Kind, aber ich weiß nichts darüber. Aeshma hat außerdem Lilith Informationen gegeben und wurde getötet als sie nutzlos wurde."
 

Iblis Augen weiteten sich. Das würde ja bedeuten...
 

"....Stihi und Aym sind meine Halbgeschwister?", presste er hervor. Er wusste nicht, was er denken sollte. Gut, er kannte sie absolut nicht und seine Mutter hatte er immer gehasst, aber...
 

'Ich habe meine Halbgeschwister gefoltert ohne es zu merken.'
 

"Iblis, du konntest es nicht wissen.", redete Lucifer schnell auf ihn ein.
 

"Genau und ernsthaft, hätten sie von Anfang an mit der Sprache rausgerückt, wäre das nicht passiert.", bestätigte Astaroth.
 

"Oh ja, es ist total normal versehentlich die eigenen Halbgeschwister zu foltern. Soll ich bei einem von euch noch weiter machen?", fauchte Iblis. Er wusste, dass sie Recht hatten. Ehrlich gesagt waren ihm die beiden Blutjäger noch immer egal. Dennoch hatte er Gewissensbisse. Waren sie wirklich rausgeflogen, weil Aeshma mit seinem Vater zusammen gewesen und ihn bekommen hatte? In diesem Fall hatte er ihre Leben ruiniert. Andererseits...
 

'Sie haben sich selbst für diesen Weg entscheiden.', dachte der Feuerkönig. 'Stihi und Aym wurden sogar von Adligen adoptiert, sie können sich wirklich nicht beschweren. Außerdem entschuldigt es ihre Blutjagden nicht.'
 

"Was passiert jetzt?", fragte er überraschend gefasst.
 

"Sie werden sterben.", bestätigte der Dämonengott seine Vermutung. "Am besten noch heute. Ich habe ihnen eine letzte Gelegenheit gegeben alles zu erzählen, aber sie haben abgelehnt. Sie haben sich alles selbst zuzuschreiben," Er sah Iblis prüfend an.
 

"Allerdings werde ich es, der sie töten wird."
 

Der Protest kam sofort. "Aber sie gehören zu meinem Gefolge, also ist es meine Aufgabe sie hinzurichten-"
 

"Solange ich nicht darauf bestehe, es selbst zu tun.", unterbrach Satan ihn ruhig. "Ich denke, das ist das Beste für alle."
 

Die Dämonenkönige schwiegen, also fuhr er fort.
 

"Macht euch bereit, in einer halben Stunde machen wir uns auf dem Weg zum Tartaros."
 

"Was ist mit Rin?", fragte Egyn vorsichtig.
 

"Agares kümmert sich um ihn. Seid trotzdem leise, wenn ihr auf dem Gang seid. Azazel, du bleibst noch hier."
 

Erschrocken zuckte der Geisterdämon zusammen.
 

"Ich?", fragte er unsicher. Satan verdrehte die Augen. "Heißt noch jemand Azazel?"
 

Der schwarzhaarige schien nicht sonderlich erpicht darauf sich mit Satan zu unterhalten, aber eine Wahl hatte er nicht wirklich.
 

...............................................................................
 

Satan betrachtete seinen Drittältesten, welcher sich nicht besonders wohl in seiner Haut zu fühlen schien. Er schaute ihm nicht mal in die Augen, sondern blickte im Raum umher und wrang kaum merklich die Hände. Ein Fremder hätte es vielleicht nicht mitbekommen, doch der Dämonengott kannte seine Kinder. Azazel war eindeutig nervös.
 

"Was ist los mit dir?", fragte er ohne Umschweife. "Du bist siehst aus als hättest du ewig nicht geschlafen und deine Haut ist noch weißer als sonst." Sein Blick wanderte zum linken Arm des Jüngeren. "Und warum sind deine Dämonenmale zu sehen?"
 

"Mir geht's gut-"
 

"Versuche nicht mich anzulügen, ich kenne dich. Außerdem würde sogar ein Kohletierchen erkennen, dass nicht alles in Ordnung ist. Raus mit der Sprache."
 

Azazel presste die Lippen aufeinander und schaute starr nach links auf den Boden.
 

'Manchmal ist er so leicht zu durchschauen.', dachte der ältere Dämon und seufzte innerlich.
 

"Ich habe eine Menge Stress. Ich kann mich kaum um meine normalen Aufgaben kümmern, manche Seelen machen deswegen Ärger und...mir geht viel durch den Kopf. Ich kann nicht wirklich schlafen.", sagte er offensichtlich genervt. Satan war noch immer misstrauisch. Es schein keine komplette Lüge zu sein, aber es war auch nicht die ganze Wahrheit.
 

"Das erklärt nicht, warum deine Male auftauchen."
 

"Und woher soll ich das wissen?!", kam die flapsige Antwort. Satan verengte die Augen. Es passte wirklich nicht zu ihm, so zu reagieren. Jedoch schien Azazel es bereits zu bereuen. "Tut mir leid, ich bin einfach ziemlich gestresst und genervt von allem. Ich bin sicher, es ist bald vorbei."
 

Erneut mustere Satan den Geisterkönig, dann seufzte er. "Gut, du kannst gehen." Es würde nichts bringen die Wahrheit gewaltsam zu fordern. Früher oder später würde er es ihm hoffentlich selbst erzählen. Azazel nickte knapp, dann ging er schnell aus dem Zimmer.
 

'Was verschweigst du uns, Azazel?"

Hinrichtung und Entschuldigung

Egyn hasste den Tartaros. Nicht nur weil es ein gewaltiges Labyrinth voller hungriger Biester war, sondern auch wegen der Temperaturen und der Luft. Es war verständlich, immerhin wurde so auch verhindert, dass hier gefangene Wasserdämonen einfach Wasser aus der Luft zogen. Ein paar waren bereits auf die Idee gekommen ihr Blut zu verwenden, doch das ging meist nach hinten los.
 

Wie immer begegneten sie kaum Wachen, nur Alastor wartete mit verschränkten Armen am Ende des Ganges. Als er Azazel entdeckte, hob er eine Braue. "Hast du mal wieder in den Palast gereihert oder was ist los?"
 

'Sogar ihm fällt es auf.'
 

Der Geisterkönig antwortete nicht, sondern starrte ihn nur emotionslos an. Satan ignorierte es ebenfalls.
 

"Ist alles bereit?"
 

"Klar. Beide wurden über den Ablauf aufgeklärt, sind festgekettet und der Bannkreis ist gezogen. Die gehen nirgends hin. Ihre Adoptivmutter weiß Bescheid und durfte ein letztes Mal mit ihnen reden. Sie wollte für die Hinrichtung bleiben. Ich hab' ihr gesagt, dass die im Tartaros grundsächlich nicht für Zivilisten zugängig sind."
 

"Haben sie noch etwas gesagt?"
 

"Wenn sie Schiss haben, zeigen sie es nicht. Sie haben die Wachen und mich wie immer munter beleidigt. Laut den Wachen haben sie auch ganz sorglos mit ihrer Mutter unterhalten, während sie selbst in Tränen ausgebrochen ist. Entweder sind sie verdammt gute Schauspieler, sie haben wirklich nichts dagegen zu sterben oder ihnen ist einfach nicht klar, was passieren wird. Wenn man bedenkt wie jung sie sind, würde ich fast auf Letzteres tippen. Wahrscheinlich mussten sie sich noch nie irgendwelchen Konsequenzen stellen." Er sah den Herrscher Gehennas an. "Sicher dass wir sie nicht weiter befragen sollen? Es ist lange her, dass wir Anhänger dieser Schlampe gefangen nehmen konnten."
 

"Wir haben alles erdenkliche versucht und deine anderen "Ideen" würden sie erst recht umbringen."
 

"Wir könnten noch versuchen ihnen Samaels Essen vorzusetzen.", schlug Astaroth vor. "Da zeigen die uns sogar die Hintertür ihres Zuhauses."
 

Alastor verdrehte die Augen. "Und Leute sagen, ich wäre sadistisch."
 

Satan ignorierte den Einwurf. "Kam etwas bei Araoich raus?"
 

Der Vollstrecker zuckte mit den Schultern. "Er hat zugeben einer von Liliths Anhängern zu sein, aber seine Frau hatte scheinbar keine Ahnung von allem. Ich habe daraufhin versucht ihm mit den beiden Gören zu drohen, aber er meinte nur, dass sie alle bereit sind für die rechtmäßige Herrscherin Gehennas zu sterben." Er verdrehte erneut die Augen. "Schätze sie wusste schon immer, wie man andere um dein Finger wickelt."
 

Der Dämonengott nickte. "Gut, du kannst gehen." Der Feuerdämon verneigte sich leicht und ging.
 

Egyn warf einen flüchtigen Blick zu Iblis. Sein Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte, aber er konnte es sich zusammenreimen. Satan öffnete wortlos die Tür.
 

"Ihr könnt gehen.", entließ er die Wächter knapp. Sie verneigten sich ebenfalls und gingen. Etwas zögerlich betraten die Geschwister den Raum.
 

Egyn hatte nichts für die Exekutionen übrig, geschweige denn den Räumen in denen sie stattfanden. Seiner Meinung nach stank es dort immer nach Tod, egal was man tat. Hinrichtungen waren zwar normal hier, jedoch bereitete es ihm jedes Mal Unbehagen. Jemanden im Kampf zu töten war wesentlich einfacher. Da standen einem mehrere Gegner gegenüber und man machte sich gar nicht die Mühe das Gesicht näher anzuschauen, dafür war gar keine Zeit. Sie wurden getötet, dann wandte man sich an den nächsten und so weiter.
 

Hier war man dagegen gezwungen das Opfer richtig anzusehen. Sie waren auch nicht irgendwelche namenlosen, gesichtslosen Gestalten. Man sah Angst, Wut, Nervosität, Spott, Reue, Trotz, Resignation...es war alles viel intensiver. Er erinnerte sich noch genau an seine erste Hinrichtung. Das erste Mal einen Gegner zu töten, konnte schwer genug sein, aber die erste Urteilsvollstreckung war für ihn wesentlich schlimmer gewesen. Es gehörte zu seinen Aufgaben, darum hatte er sich durchgerungen. Dennoch würde er den Gesichtsausdruck des Gefangenen nie vergessen können. Er zwang sich in die Gegenwart zurück.
 

Auf dem Boden hockten die Blutjäger und wie Alastor bereits erwähnt hatte, zeigten sie keinerlei Nervosität.
 

"Der ganze Haufen ist hier. Da fühlt man sich ja richtig geehrt.", schnaubte Stihi. "Also bringen wir's endlich hinter uns? In der Zeit hätte ich schon zehn Halbblüter umbringen können, inklusive euren beiden Bastarden."
 

Astaroth machte einen Schritt nach vorne, wahrscheinlich um sie zu schlagen, doch Beelzebub zog ihn zurück. "Lass es. Sie sind es nicht wert.", raunte er dem Fäulniskönig zu. Widerwillig trat dieser zurück.
 

Wortlos stellten sie sich dem Alter nach links und rechts von den Blutjägern auf, Satan blieb vor den beiden stehen.
 

"Da wir alle wissen, warum wir hier sind, fasse ich es kurz.", sagte er ruhig.
 

Egyn bewunderte ihn dafür, dass er es schaffte keinerlei Emotion in der Stimme zu zeigen. "Stihi und Aym, euch werden unter anderem folgende Verbrechen vorgeworfen: Hochverrat, Teilnahme an Blutjagden, unerlaubter Eintritt in Assiah, Mord, versuchter Mord, Totschlag, schwere Körperverletzung, Brandstiftung, Meineid, Vorbereitung eines Krieges, Verschleppung, Geiselnahme, Freiheitsberaubung und so weiter. Ihr wisst ja, was ihr alles angestellt habt."
 

Moment, was hatten sie denn bitte noch alles getan? Der Wasserkönig warf seinen Brüdern einen fragenden Blick zu, doch dies schien für sie ebenfalls neu zu sein. Scheinbar war bei der Untersuchung einiges herausgekommen.
 

"Habt ihr dazu etwas zu sagen?". fragte der Dämonengott rhetorisch.
 

"Was denn, keine Verhandlung?", erwiderte Aym spöttisch.
 

"Die ist bei den ganzen Beweisen unnötig."
 

"Wir bereuen nichts.", antwortete Stihi hochnäsig. "Wir haben Gehenna einen Gefallen getan. Halbblüter sollten gar nicht existieren-"
 

"Ihr habt einige davon selbst gezeugt, also versucht nicht es so zu rechtfertigen.", sagte Satan gelangweilt.
 

"Wie auch immer, ihr wurdet für schuldig befunden und habt eure Gelegenheit für Wiedergutmachung ignoriert. Daher verurteile ich zum Tode. Normalerweise würde Iblis das Urteil vollstrecken, doch in diesem Fall bestehe ich darauf, es selbst zu tun."
 

Aym lachte auf und sah Iblis hämisch an. "Was ist denn jetzt los? Hattest du nicht gesagt, dass du uns töten würdest und jetzt bekommst du kalte Füße? Feigling. Kein Wunder, dass dich Mutter nicht behalten wollte."
 

"Und kein Wunder, dass euer Vater euch rausgeschmissen hat. Ihr seid echt nervig.", fauchte Egyn zu seiner eigenen Überraschung. Sie knurrten ihn an.
 

"Genug, Augen auf mich.", fuhr Satan dazwischen. "Habt ihr noch letzte Worte?"
 

Die Geschwister sahen sich an und nickten.
 

"Ihr glaubt die Fäden in der Hand zu halten, doch ihr herrscht über gar nichts. Ihr zögert nur das Unvermeidliche hinaus.", begann Aym. "Alles muss brennen. Erst dann kann das goldene Zeitalter eingeläutet werden."
 

Beelzebub schnaubte. "Ihr habt den Verstand verloren."
 

"Ruhe.", sagte der Dämonengott scharf. "Stihi?"
 

"Uns zu töten, bringt gar nichts. Es ist zu spät.", fuhr sie triumphierend fort. "Es kann nicht mehr aufgehalten werden, Lilith ist dabei zu erwachen. Früher oder später wird euch eure Ignoranz in den Abgrund zerren. Ihr bemerkt ja nicht einmal, das eure engsten Kreise betroffen sind. Lilith wird beenden, was sie begonnen hat und wir werden uns aus der Asche eurer Knochen erheben."
 

Der Wasserkönig gab sich große Mühe, ihre Worte zu ignorieren, doch vergebens. Wahnsinnig oder nicht, es klang wirklich danach als wäre Lilith kurz vorm Ausbruch und sie wussten scheinbar, wer der oder die Verräter waren.
 

"Das war's? Dann beenden wir es." Satan umkreiste sie und blieb hinter ihnen stehen. "Viel Spaß in Antenora."
 

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Rin war (mal wieder) langweilig. Agares war scheinbar dazu verdonnert worden auf ihn aufzupassen, aber sie hatte noch einen zusätzlichen Berg Arbeit. Buchstäblich.
 

Sie saß am Tisch, um sich herum waren lose Blätter und Papierstapel verteilt. Stirnrunzelnd las sie sich einige durch, verglich sie mit anderen, murmelte etwas vor sich hin und schrieb irgendwas dazu oder strich es ganz weg.
 

Er versuchte die Zeit vertreiben indem er mit Kuro spielte, es funktioniere leider nicht so wirklich. Er wollte die Wasserdämonin nicht unnötig stören, aber er hielt es nicht mehr aus.
 

"Was machst du da?", erkundigte er sich.
 

"Lesen."
 

Gut, mit der Antwort hätte er rechnen sollen.
 

"Nichts für ungut, aber ich glaube ein Kind wird das meiste nicht verstehen."
 

"Ich bin kein Kind!", rief Rin entrüstet. Er hätte schwören können, dass sie lächelte.
 

"Du wirst erst 16, nicht wahr? Damit zählst du nach dämonischen Maßstäben höchstens als Kleinkind."
 

Rin stieß ein frustriertes Grollen aus, sie lachte.
 

"Keine Sorge, ich ziehe dich nur auf. Aber trotzdem bist du noch ziemlich jung und ich bezweifle, dass du mit diesem Papierkram so viel anfangen kannst. Um ehrlich zu sein, bin ich mir manchmal selber nicht sicher, was die von mir wollen." Seufzend sah sie auf das Blatt in der Hand. "Was soll's, ich schreibe lieber den Bericht für das Siegel. Wahrscheinlich wird sich das Egyn nachher selbst ansehen."
 

"Das Siegel, was Lilith zurückhält?", fragte der Nephilim neugierig.
 

"Nein. Du weißt, dass zuvor die Aveira versiegelt worden? Das Siegel worum es geht, hält Invidia gefangen."
 

'Invidia, Invidia...wer war das nochmal?!'
 

"Neid.", half ihm Agares auf die Sprünge. "Sie ist auf einer Insel im Acherusischen See gefangen. Einer Höhle um ganz genau zu sein."
 

"Ok....", sagte er zögerlich.
 

Sie seufzte. "Na gut, da dir ja scheinbar langweilig ist und du es früher oder später ohnehin lernen musst..." Sie zog eines der Blätter hervor und breitete es auf dem Tisch aus, dann winkte sie ihn heran.
 

"Also pass auf.", sagte sie als er neben ihr saß.
 

Sie deutete auf das Papier, welches Rin nun als Karte erkannte. Darauf war ein riesiger See zu sehen, in der Mitte war eine kleine Insel. "Diese Insel heißt Anthemoessa, sie ist auch als 'Insel der Sirenen' bekannt. Sie liegt genau in der Mitte des Sees. Es gibt hier in Gehenna fünf große Flüsse. Der größte ist Acheron, der 'Fluss des Stöhnens'. In ihn münden Styx, Kokytos, Phlegethon und Lethe. Acheron und Styx sind Flüsse des Todes, sie entspringen daher in Azazels Reich. Der Kokytos ist ein Seitenarm des Styx und der 'Fluss des Wehklagens'. Lethe ist der 'Fluss des Vergessens' also Finger weg von dem Wasser. Phlegethon entspringt in Iblis Reich, er führt kein Wasser, sondern Flammen, die alles verbrennen und niemals erlöschen. Es gibt noch andere Flüsse, aber die sind vorerst unwichtig."
 

Rin sah sie mit großen Augen an. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben ihr zuzuhören, aber das klang nach einem geographischen Albtraum.
 

"Der Acherusische See wird vom Acheron gebildet. Er liegt genau auf der Grenze, die Egyns und Azazels Bereich trennt."
 

"Wem gehört er dann?"
 

"Beiden. Der See liegt inmitten eines Waldes. Naja, es ist eher ein Sumpf. Jedenfalls ist es dort immer neblig und ziemlich dunkel, wie in Azazels Geisterwäldern. Im See leben dafür vor allem Dämonen aus Egyns Gefolge: Kelpies, Seeschlangen, Kappas, Fuathan, Rusalken, Nivashi und Sirenen."
 

Bis auf den Kappa und die Seeschlangen kannte Rin nichts. Er meinte auch, mal etwas von Sirenen gehört zu haben und das war nichts nettes gewesen. "Und wie hält man jemanden davon ab, das Siegel zu erreichen?" Irgendwie graute es ihm ein wenig vor der Antwort.
 

"Der See ist riesig und bei dem ganzen Nebel sieht man kaum die Insel. Die einzige Möglichkeit sie zu erreichen sind Holzstege, allerdings bilden diese ein riesiges Labyrinth. Phasensprünge funktionieren dort nicht. Nur wenige kennen den Weg. Aber selbst wenn man den irgendwie erfährt, sind da immer noch die Seebewohner. Sie greifen jeden an, der die Stege unerlaubt betritt. Entweder locken sie einen -das sind die Sirenen mit ihrem Gesang- oder sie versuche sie aus dem Wasser heraus zu greifen. Gelingt ihnen das, ziehen sie ihr Opfer nach unten und fressen es."
 

Rin sah sie mit offenen Mund an. "Du machst Witze."
 

"Nein. Aber keine Sorge, sie sind keine hirnlosen Monster. Gut, Sirenen können manchmal frustrierend sein, aber die Sterblichen machen sie immer richtig schlecht und stellen sie als Monster dar. Vögel mit menschlichen Gesichtern? Also bitte, sie sehen vollkommen humanoid aus. Egyns erste Freundin war übrigens eine Sirene, sie können also vollkommen in Ordnung sein."
 

Der Nephilim beschloss, nicht nachzufragen.
 

"Wie auch immer, an das Siegel kommt keiner heran.", fuhr Agares fort. "Wenn du mich fragst, gehört Invidia zu Liliths gefährlichsten Anhängerinnen, wenn sie nicht sogar die gefährlichste ist."
 

"Warum denn das?"
 

"Sie ist eine Gestaltwandlerin, aber das beschränkt sich nicht auf Personen. Sie kann sich auch in Tiere verwandeln oder Teile ihres Körper, beispielsweise in eine Klinge. Und sie kann ihre Haut verhärten, daran prallen fast alle Waffen ab. Sie ist außerdem wahnsinnig flink und akrobatisch. Ira und sie sind die einzigen, die sich wirklich die Mühe gemacht haben, Nahkampf und Umgang mit Waffen zu lernen. Die anderen verlassen sich immer auf ihre Kräfte."
 

Sie sah auf. "Aber genug davon. Wie wäre es, wenn du mir etwas erzählst?"
 

Das erwischte ihn im kalten. "Was soll ich denn erzählen?", fragte er verwirrt.
 

Sie grinste. "Ich habe eine Menge Fragen über Assiah. Wie wäre es, wenn ich eine Frage stelle, dann wieder du und so weiter?"
 

"Ähm...ok?" Er war sich nicht sicher, ob das funktionieren würde.
 

Andererseits war Agares noch nie in Assiah gewesen. Schlussendlich stellte es ich als gute Idee heraus. Er erzählte der Wasserdämonin von verschiedensten Dingen. Über Japan, das Essen, die Schulen, Sportarten, Filme, Handys und Tiere. Bei einigen Fragen wusste er nicht viel dazu, besonders wenn es um Geschichte und Politik ging. Dennoch schien sie sich über jede noch so unbedeutende Information zu freuen. Kuro hatte sich währenddessen verabschiedet und streunte im Palast herum.
 

Rin erfuhr ebenfalls einiges und es interessierte ihn sogar. Wie er bereits wusste, war Gehenna in neun Bereiche aufgeteilt. Je nach Gebiet unterschied sich die Landschaft. Bei Lucifer war viel Sonne, es gab goldene Wälder und weiße Städte.
 

Bei Azazel gab es dagegen kaum Licht. Alles war düster und neblig. Die Städte und Dörfer waren dunkel und bedrohlich. Überall standen gewaltige schwarze Ruinen, ansonsten sah man überall düstere Geisterwälder und Sümpfe. Der Ort an dem sich die Seelen herumtrieben (oder es sollten, denn manche rissen gerne aus und ließen sich in den Sümpfen und Wäldern nieder) hieß Devachan und wurde von einem Fluss namens Eridanus abgegrenzt. Die Verdammten landeten im Hades, welcher in neun Kreise aufgeteilt war. Die Verbrechen entschieden, wo man landete, je nach Anzahl konnte man sogar in einem Ring landen und dann in den nächsten verschoben werden. Der neunte Ring war beispielsweise den Verrätern vorbehalten und hieß Antenora. Die anderen Seelen durften ins Elysium und somit ihre Ruhe finden.
 

Bei Egyn gab es (logischerweise) hauptsächlich Wasser, weswegen viele Städte und Dörfer darauf errichtet wurden. Einige lagen dagegen an Meeren. Demzufolge war Egyns Gebiet der Hauptlieferant von Meeresgetier, während Amaimons Gebiet quasi die Kornkammer Gehennas war. Von dort kam ein Großteil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sowie Holz.
 

Iblis Reich war vor allem felsig, voller Vulkane und sehr warm. Offene Lava und Feuer waren dort nicht selten. Dort wurde vor allem geschmiedet, andere versuchten sich als Zähmer und Trainer für Drachen, Mantikore, Chimären und weitere Feuerwesen.
 

Er erfuhr auch einiges zum Schul- und Versorgungssystem. Jedem stand eine kostenlose Grundbildung zu. Hatten Dämonen ein bestimmtes Alter erreicht, wurden sie für ein paar Jahre in die Schule geschickt, dann wurde Pause gemacht. Hatten sie die nächste Entwicklungsstufe erreicht, wurden sie wieder losgeschickt. Höhere Ausbildungen und der Besuch einer Privatschule konnten teuer werden, aber es gab auch Stipendien. Zu diesen höheren Ausbildungen zählten zum Beispiel Kurse für Sprachen aus Assiah.
 

Außerdem bekam jeder eine (ebenfalls kostenlose) Ration an Grundnahrungsmitteln und anderen Dingen wie zum Beispiel Stoff und Papier. Wenn man mehr -beziehungsweise hochwertigeres- oder Luxusgegenstände wie Alkohol wollte, musste dies bezahlt werden. Dinge aus Assiah waren sehr teuer und auch nicht für alle zugänglich.
 

Schließlich ließ er sich tatsächlich dazu bringen, etwas über sich selbst zu erzählen. Es war nicht viel und auch nichts besonderes, doch dies schien sie nicht zu stören. Als Rin ihr nach einigem Zögern auch einige persönliche Fragen stellte, hatte sie keine Probleme damit zu antworten.
 

Ihr Vater war ein Mensch und ums Leben gekommen als die Dämonen aus Assiah vertrieben wurden. Sie war erst einige Tage alt, konnte sich also nicht an ihn erinnern. Ihre Mutter war Heilerin gewesen, sodass sie sich schon früh ebenfalls dafür interessiert hatte. Das Dorf lag sehr abgelegen am Rande von Egyns Gebiet, weswegen es keine Schule für Heiler gab. Stattdessen lernte sie von ihrer Großmutter, welche auch die Dorfheilerin war. Sie stellte sich als sehr talentiert heraus. Nebenbei lernte sie mit dem Speer und der Kriegssense umzugehen. Später bekam sie ein Stipendium und konnte fortgeschrittene Heiltechniken an einer Medizinschule erlernen. Als Liliths Rebellion ausbrach, meldete sie sich freiwillig als Heilerin. Dort traf sie auf Egyn, welcher sich im Kampf schwere Verletzungen durch eine Naga zugezogen hatte und im Sterben lag. Trotz geringer Chancen hatte sie ihn retten können. Während er sich erholte, lernten sie sich besser kennen und freundeten sich langsam an. Nach dem Krieg trat sie in seine Dienste, später bot er ihr den Posten als seine rechte Hand an. Sie war vollkommen überrumpelt gewesen, hatte nach einigem Zögern jedoch angenommen.
 

Rin war gerade damit fertig geworden ihr etwas von seinem (normalen) Unterricht an der Heiligkreuz-Akademie zu erzählen als es an der Tür klopft.
 

"Ähm, ja?"
 

Die Dämonenkönige kamen herein. Er hatte sich schon gefragt, wo sie sich rumtrieben.
 

"Ihr seid schon fertig?", fragte Agares überrascht.
 

"Schon?", knurrte Astaroth und ließ sich das Sofa fallen. "Ich bin froh, dass das dieser ganze Mist vorbei ist."
 

"Kann ich nur zustimmen.", murmelte Iblis und setzte sich neben ihn.
 

"Entschuldige, dass wir dir so viel aufgehalst haben.", sprach Egyn seine rechte Hand an. "Ich weiß, du hast viel zu tun."
 

Sie lächelte. "Kein Problem, ich hatte eine Menge Spaß und Rin ist im Gegensatz zu manch anderen pflegeleicht."
 

"Dann kannst du dich ja weiterhin um ihn kümmern. In einer Woche fragen wir dich noch einmal.~", feixte Samael. Er hatte es sich in einem der Sessel bequem gemacht.
 

"Sicher, du warst dagegen immer ein kleiner Engel und hast Lord Satan nie Kopfschmerzen bereitet.", antwortete sie augenverdrehend, aber lächelnd.
 

"Ich habe nie gegen irgendwelche Regeln verstoßen, nur etwas ausgedehnt.~"
 

Amaimon hustete und murmelte etwas, was verdächtig nach 'Wette', 'Freizeitpark' und 'Wald' klang. Entweder hörte der Zeitkönig ihn nicht oder er ignorierte es einfach. Agares hatte inzwischen begonnen ihre Papiere einzusammeln.
 

"Hey Egyn, wie wäre es, wenn du Agares beim tragen hilfst?", fragte Beelzebub plötzlich.
 

Zu Rins Überraschung warf Agares dem Insektenkönig einen frustrierten Blick zu, bevor sie schnell wieder lächelte. "Danke, aber ich komme schon klar."
 

"Bist du sicher?", hakte Lucifer nach. "Das ist eine Menge."
 

"Ich kann zweimal laufen-"
 

"Schon gut.", unterbrach Egyn sie. "Ich helfe dir schnell."
 

Die Wasserdämonin wurde rot wie eine Tomate und schaute auf den Boden. Der Wasserkönig bekam es nicht mit, Rin schon.
 

'Warte...sag mir nicht...'
 

"Bis dann.", verabschiedete sich Agares und ging aus dem Zimmer.
 

"Bin gleich wieder da.", sagte Egyn.
 

"Lasst euch ruhig Zeit.~", antwortete Samael grinsend. Der Wasserkönig sah seinen älteren Bruder stirnrunzelnd an, dann folgte er der Dämonin.
 

"Ihn bekommen wir nicht mehr groß, fürchte ich.", seufzte der Zeitkönig theatralisch.
 

"Ist Agares in Egyn verschossen?", platzte es aus Rin heraus. Seine Geschwister sahen ihn überrascht an, dann begann Astaroth plötzlich zu lachen.
 

"Schon traurig. Erst knapp 'ne Woche hier und trotzdem fällt's ihm sofort auf."
 

"Also stimmt es?"
 

Lucifer nickte. "Agares mag ihn schon seit Ewigkeiten."
 

"Aber Egyn bekommt es einfach nicht mit.", fügte Iblis hinzu. "Er mag gut darin sein, die Gefühle anderer zu erkennen, aber bei sowas ist er hoffnungslos. Es hat ja schon Ewigkeiten gedauert bis er endlich Kyrene um eine Verabredung gebeten hat und noch länger bis sie endlich mal in die Kiste gestiegen sind."
 

Rin war so in Gedanken, dass er den letzten Satz gar nicht richtig mitbekam.
 

"Wir drängen sie schon ewig endlich den ersten Schritt zu machen, aber sie traut sich nicht.", murmelte Azazel. "Sie sagt immer, dass sie als seine rechte Hand nicht ihm zusammen sein kann. Totaler Stuss."
 

"Warum sagt ihr es ihm nicht einfach?"
 

"Wir mussten ihr schwören, es ihm nicht zu sagen.", erklärte Amaimon.
 

Beelzebub grinste. "Sie hat aber nie gesagt, dass wir nicht ein wenig nachhelfen dürfen."
 

"Das Miese ist, dass es inzwischen jeder weiß.", seufzte Astaroth. "Amon hat mir vor kurzem erzählt, dass seine Töchter ständig fragen, wann die beiden endlich heiraten."
 

Rin öffnete den Mund um zu antworten, doch da kam Egyn schon wieder.
 

"Ist etwas?", fragte er als ihn alle anstarrten.
 

"Nein, alles in Ordnung.", seufzte Lucifer. Er wandte sich an Rin während Egyn die Tür schloss. "Dir scheint es ziemlich gut zu gehen, wenn man bedenkt wie weggetreten du warst."
 

Rin spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. "Vorhin ging es mir ziemlich dreckig, aber inzwischen geht's. Was war überhaupt letzte Nacht los? Ich habe nichts dummes oder peinliches gemacht, oder?"
 

Sein Magen zog sich zusammen als die Dämonenkönige vielsagende Blicke wechselten.
 

"Oder?!", wiederholte er fast flehend.
 

"Naja....ich schätze mal, wie schulden dir 'ne Entschuldigung.", sagte Iblis langsam und rieb sich nervös den Nacken.
 

"Besser gesagt werden wir von Vater dazu genötigt.", seufzte Samael.
 

"Was ist passiert?!", fragte Rin nun panisch.
 

"Ganz ruhig, es hat sich im Rahmen gehalten und du musstest auch nicht reihern. Lief also schon mal besser als mein erstes Mal.", versicherte Astaroth ihm schnell.
 

"Das beruhigt mich gar nicht! Was ist denn nun?!"
 

"Naja.....du bist etwas......anhänglich geworden.", antwortete Lucifer vorsichtig.
 

"Heißt?!"
 

"Du hingst jedem von uns mindestens einmal um den Hals.", antwortete Amaimon ungerührt.
 

Rin sah ihn entsetzt an. "Du machst Witze."
 

"Nein.", murmelte Azazel. "Für einen versiegelten Nephilim bist du echt stark..."
 

"Ansonsten hast du noch einige Dinge erzählt. Dass du dich als Kind oft geschlagen und immer Ärger bekommen hast und andere nicht...und irgendwas von Schreinen.", fuhr Beelzebub langsam fort.
 

Der Nephilim sagte nichts, also erzählten ihm die Baal zögerlich, was alles geschehen war. Währenddessen kamen tatsächlich einige Erinnerungen wieder. Als sie fertig waren, vergrub Rin sein Gesicht (welches inzwischen knallrot war) in seinen Händen.
 

'Oh Gehenna....Scheiße, ist das peinlich. Boden tu dich auf und verschlinge mich. Wenn das hier überhaupt noch möglich ist. Die Exekution durch den Vatikan klingt grad sogar ziemlich verlockend.'
 

Er war sich nicht mal sicher, was am schlimmsten war: die Anhänglichkeit, seine plötzliche Gesprächigkeit oder dass er sich an Satan geklammert hatte.
 

"Komm schon, es hätte schlimmer sein können und wir werden dir das nicht vorhalten.", sagte Egyn.
 

"Sprich für dich.~", grinste Samael. Das Grinsen verschwand jedoch sehr schnell aus seinem Gesicht, als ihn knapp ein Buch verfehlte.
 

"Wer hat das geworfen?!"
 

"Außerdem bin ich dank dir meine Schulden los!", steuerte Iblis bei.
 

"Obwohl du das nicht verdienst hast.", knurrte Egyn.
 

Lucifer ignorierte alles und redete wieder auf ihren kleinen Bruder ein. "Du musst dich für nichts schämen. Glaube mir, uns sind schon wesentlich schlimmere Sachen passiert."
 

"Ja, das hat Agares schon erwähnt. Bitte keine Details.", murmelte Rin.
 

"Wie auch immer: es tut mir leid.", fuhr der Lichtkönig fort. "Es war größtenteils unsere Schuld, wir hätten besser aufpassen sollen. Ich verspreche dir, wir haben dich nicht absichtlich abgefüllt."
 

"Und ich hätte dich wohl nicht ausnutzen sollen um meine Schulden zu begleichen...Sorry.", murmelte Iblis.
 

Azazel, Beelzebub, Egyn und sogar Astaroth murmelten ebenfalls eine Entschuldigung bevor sie erwartungsvoll den Zeit- und Erdkönig ansahen. Samael seufzte. "Ich schätze, wir hätten einiges verhindern können. Schlussendlich ist immerhin nichts passiert."
 

Amaimon brummte zustimmend. "Ja...und es sollte wohl nicht nochmal passieren."
 

Lucifer verdrehte die Augen. "Das ist ihre Art 'Entschuldigung' zu sagen.", übersetzte er.
 

Rin brachte tatsächlich ein leichtes Lächeln zustande. "Ihr müsst euch nicht entschuldigen. Ich hätte auch besser aufpassen sollen." Er beschloss das Thema zu wechseln. "Was habt ihr überhaupt den ganzen Morgen getrieben?"
 

"Die Blutjäger hingerichtet.", grummelte Beelzebub.
 

"Hingerichtet?", echote Rin überrumpelt.
 

"Was hast du erwartet? Sollen wir sie in die Ecke stellen, oder wie?", erwiderte Astaroth schulterzuckend. "In Japan ist die Todesstrafe doch auch noch erlaubt. Ich glaube durch den Strang, oder?"
 

"Aber-"
 

"Kein 'aber'.", unterbrach ihn Azazel. "Auf die Blutjagd steht der Tod. Selbst Schuld."
 

"Und warum müsst ihr dabei sein?", fragte Rin.
 

"Normalerweise fällt es dem jeweiligen Dämonenkönig zu das Urteil zu vollstrecken, wir haben dennoch Anwesenheitspflicht. Diesmal wollte es Vater selbst übernehmen.", erklärte Samael.
 

"Das klingt als würde mehr dahinter stecken."
 

"Er wollte nicht, dass ich sie töte, weil sie meine Halbgeschwister sind.", fuhr Iblis dazwischen.
 

Alle Augen richtete sich auf ihn. "Meine Mutter war verheiratet als sie mit Vater zusammen war, erst als sie mit mir schwanger war, hat sie es zugegeben. Abtreibungen sind in Gehenna verboten also war sie gezwungen mich zur Welt zu bringen. Anschließend hat sie mich hier abgeliefert und dann hieß es auf nimmer Wiedersehen. Dieses Miststück hat mir nicht mal 'nen Namen gegeben. Natürlich hat ihr das Karma in den Arsch getreten und ihr Mann hat es herausgefunden. Er hat sie und ihre drei Kinder rausgeschmissen. Lilith hat sie gefunden und um ihre erbärmliche Existenz zu retten hat sie einen Deal mit ihr gemacht. Als sie dann ihren Nutzen verloren hatte, wurde sie umgebracht. Stihi und Aym haben uns die Schuld gegeben, Ende der Geschichte." Er schnaubte. "Fast. Das dritte Kind ist auch noch irgendwo und will uns sicher auch erledigen."
 

Unangenehme Stille herrschte. Damit hatte Rin nicht gerechnet, doch er wagte nicht nachzuhaken.
 

"Iblis-", begann Egyn, doch wurde von ihm unterbrochen.
 

"Ich bin drüber hinweg, ok? Es gibt jetzt wichtigeres."
 

"Na gut, wenn du meinst." Er sah auf die Uhr. "So spät schon? Ich muss los."
 

"Das Siegel?", erkundigte sich Azazel.
 

"Ja. Es würde mich wundern, wenn jemand dort hingekommen ist, aber man weiß ja nie." Der Wasserkönig streckte sich. "Also bis später. Wir sehen uns hoffentlich beim Mittagessen."
 

Damit verschwand er in einem blauen Leuchten.
 

"Kann hier wirklich jeder mit einem Phasensprung rein und raus?", fragte Rin verwundert.
 

"Nein, Vater und wir sind die Einzigen.", antwortete Astaroth und stand ebenfalls auf. "Ich muss noch zu Amon und ihn mal auf den neusten Stand bringen."
 

Amaimon sah ihn verwundert (zumindest glaubte Rin, Verwunderung zu entdecken) an. "Ist er nicht im Palast?"
 

"Nein, heute ist doch Feiertag also keine Schule und seine Kinder und Agash sind Zuhause. Hab' ihm deswegen frei gegeben. Auch wenn ich bezweifle, dass er viel Ruhe bekommt."
 

"Jestan zahnt?", tippte Lucifer.
 

"Und schreit die ganze Zeit.", bestätigte Astaroth.
 

"Erwarten sie nicht noch ein Kind?", lachte Beelzebub.
 

"Jepp, sie werden noch Spaß haben und wenn man dann noch seine drei Töchter mit dazu nimmt...das wird lustig. Also bis nachher." Er verschwand ebenfalls.
 

Die restlichen Dämonenkönige standen auf.
 

"Wir müssen uns leider wieder an die Arbeit machen, aber Vater wollte noch mit dir reden.", sagte Lucifer. Rin war nicht begeistert, immerhin war es bis jetzt immer schief gegangen, wenn sie alleine in einem Raum waren.
 

'Aber irgendwie muss ich mich ja dran gewöhnen.'
 

"Ich bringe dich hin.", verkündete der Lichtkönig.
 

"Ich komme auch mit.", schaltete sich Azazel ein. "Ich muss noch Ankou und Shax suchen. Und mich um die Harpyien kümmern."
 

Bei dem Teil mit den Harpyien schien sich sein Gesicht zu verdüstern, aber es war nur für den Bruchteil einer Sekunde.
 

Amaimon öffnete die Tür und trat auf den Gang, die anderen Baal folgten ihm und nach kurzem durchatmen kam auch Rin.
 

'Na, das kann ja heiter werden.'

Von Handys und Albträumen

'Bin das nur ich oder wird der Palast immer größer?', fragte Rin sich verwundert während er mit Lucifer und Azazel (die Anderen hatten sich bereits verabschiedet) durch die Gänge lief. 'Und dann auch noch so viele Räume...sind die überhaupt alle in Benutzung? Andererseits müssen die Bediensteten wohl auch irgendwo leben.'
 

Wie immer herrschte reges Treiben, aber diesmal achtete er nicht wirklich darauf. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich zu fragen, was Satan von ihm wollte. Vielleicht eine Standpauke halten? Vom Alten hätte er sich jedenfalls etwas anhören können. Und von Yukio. Falls er je davon erfahren würde...oder Rin ihn jemals wieder sah. Er bezweifelte, dass man ihm erlauben würde nach Assiah zu gehen, immerhin wollte der Vatikan seinen Kopf. Allerdings waren auch seine Brüder oft dort unterwegs ohne aufzufallen. Vielleicht konnte er sie doch irgendwie überreden? Er wurde aus den Gedanken gerissen als Lucifer und Azazel plötzlich stehen bleiben. Vor ihnen standen zwei Dämonen, einen erkannte Rin als Berith, der Andere war eine Frau, welche mit dem Rücken zu ihnen stand.
 

Berith sah auf. "Interessant. Ich hatte gedacht, dass Lord Satans Geduldsfaden endlich gerissen ist und man euch für die nächsten Jahrhunderte nicht mehr sehen wird."
 

Netterweise übersetzte Azazel für Rin.
 

Lucifer zwang sich zu einem Lächeln und wechselte ins Japanische. Scheinbar war Rin nicht der einzige mit einer Abneigung für diesen Kerl. "Da lagt ihr wohl falsch, Lord Berith."
 

Auch der Zeitdämon wechselte die Sprache. "In der Tat." Sein Blick fiel auf Rin, welcher sich absolut nicht wohl fühlte. Lucifer schien dies zu bemerken.
 

"Wenn ihr nichts weiter mit uns zu besprechen habt, müssen wir weiter."
 

"Natürlich. Lasst euch von mir nicht aufhalten." Er verneigte sich vor ihnen und dann vor der Frau. "Lady Indra, wir reden später weiter."
 

Moment, den Namen 'Indra' hatte er doch irgendwo schon mal gehört!
 

"Ich bin überrascht dich hier zu sehen.", sprach der Lichtkönig die Frau an. Offensichtlich kannten sie sich gut.
 

Sie drehte sich um und Rin versuchte sich fieberhaft zu erinnern, ob er sie bereits gesehen hatte. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor, besonders dieses Grinsen. Indra war ungefähr so groß wie Bon und trug ein langes, trägerloses, violettes Kleid. Ihre Augen waren grün, ihre dunkelvioletten Haare waren zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, einige Strähnen waren geflochten. Um den Hals trug sie eine lange, silberne Kette, jedoch war der Anhänger in ihrem Kleid versteckt. Außerdem hatte sie rechts einen silbernen Oberarmreifen in der Form einer Schlange.
 

"Also hat euch Satan noch nichts erzählt?" Moment, sie duzte auch Satan?!
 

Sie lächelte. "Ich bleibe für einige Tage im Palast, zumindest solange bis ich weiß, wer diese Attentäter schickt. Sie sind mehr als kontraproduktiv. "
 

Azazel verschränkte die Arme. "Na, Samael wird begeistert sein. Also stimmen die Gerüchte. Scheinbar bist du schwer zu töten."
 

Was hatte der Clown damit zu tun? Außerdem hätte Rin schwören können, dass ein Schatten über ihr Gesicht huschte, doch er war so schnell weg, dass er es als Einbildung abtat.
 

"Was soll ich sagen? Ich habe einen ausgeprägten Überlebenswillen. Ich denke, ich könnte es sogar mit Mitgliedern einer Eliteeinheit aufnehmen."
 

Azazel sah sie nur düster an, also richtete sich ihr Blick stattdessen auf Rin. Sie musterte ihn eindringlich. "Lass mich raten, du bist der neuste Spross der Familie? Der Nephilim?"
 

Er nickte, unsicher wie er sich verhalten sollte. "Okumura Rin."
 

"Freut mich sehr. Du bist also halb Japaner, wie? Ich heiße Indra, du kannst mich gern duzen." Ihr Blick wanderte wieder zu Azazel. "Verzeih die Bemerkung, aber du siehst...krank aus. Vielleicht solltest du zu einem Heiler gehen."
 

"Danke, ich komme super alleine klar.", knurrte der Geisterkönig. "Kümmere dich lieber um deinen eigenen Sohn. Andererseits könnt ihr eh nur streiten."
 

"Es war nur eine etwas lautere Diskussion."
 

"Man konnte euch bis ins nächste Stockwerk hören."
 

"Musst du immer meckern?"
 

"Du warst es doch die Samael abgeschoben hat!"
 

"Du bist Samales Mutter?!", platzte es aus Rin, welcher sich endlich erinnern konnte, wo er den Namen gehört hatte. Satan hatte sie als eine seiner zwei noch lebenden (gut Aeshma war inzwischen ebenfalls tot, also nur noch eine) Ex-Frauen bezeichnet. Darum kam sie ihm also so bekannt vor.
 

Die Zeitdämonin nickte. "Korrekt. Jedoch wäre ich von meinem Vater rausgeworfen worden, wenn er davon erfahren hätte. Heiraten wollte ich nach meinem letzten Ehemann nicht, also habe ich Samael Satan überlassen nachdem er geboren war und bin meines Weges gegangen."
 

Rin sah sie fassungslos an. "Aber er ist dein Sohn!"
 

Sie zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. "Ich hatte einen Ruf zu wahren. Satan war langweilig, mir ebenfalls und mein Mann war gerade gestorben. Samael war nun wirklich nicht geplant, aber Abtreibungen sind verboten. Alternativ hätte ich ihn aussetzen können, also sei nicht so dramatisch."
 

Der Nephilim starrte sie weiterhin an. Was ging im Kopf dieser Frau vor?! Er hätte alles dafür gegeben eine Mutter zu haben und der Gedanke, dass sie kurz nach seiner (und Yukios) Geburt gestorben war, hatte stets für Schuldgefühle gesorgt. Der Zeitkönig hatte eine Mutter gehabt, aber wurde eiskalt von ihr fallen gelassen. Er war sich nicht sicher, wer die größere Arschkarte gezogen hatte. Wahrscheinlich Samael, Rin und Yukio waren von ihrer Mutter wenigstens geliebt worden.
 

Bevor noch etwas sagen konnte, mischte sich Lucifer ein. "Wir würden gerne weiterreden, aber wir haben es eilig. Vater möchte mit uns sprechen."
 

"Dann will ich euch natürlich nicht weiter aufhalten. Es war schön dich kennen zu lernen, Rin.", sagte sie mit einem raubtierartigen Grinsen. Sie neigte leicht den Kopf in Richtung der Baal und ging. Azazel sah ihr mit verengten Augen nach.
 

"Ich mochte sie noch nie."
 

"Hat sie allen Ernstes Samael abgeschoben?", fragte Rin immer noch ungläubig.
 

Lucifer nickte düster. "Immerhin hat sie sich die Mühe gemacht ihm einen Namen zu geben. Ich denke auch, dass er ihr nicht so egal ist, wie sie tut. Jedenfalls ist Samael nicht gut auf sie zu sprechen."
 

Rin antwortete nicht, sondern ging einfach weiter. Normalerweise würde er den Zeitdämonen am liebsten auf seinen anderen Planeten schießen, doch diesmal hatte er einfach nur Mitleid mit ihm.
 

"Wir sind da.", unterbrach Azazel seine Gedanken. Bevor Rin etwas sagen konnte, klopfte er bereits an der Tür und öffnete sie. Dahinter lag eine Art Arbeitszimmer, allerdings war es sehr luxuriös. Es gab einen großen Kamin, einige Sofas und Tische. Überall an den Wänden zogen sich Bücherregale entlang. An einem Schreibtisch war Satan, ihm gegenüber saß eine Frau. Als er genauer hinsah, erkannte er, dass sie weinte oder zumindest kurz davor stand. Obwohl er nicht verstand, was sie sagte, konnte er hören, wie ihre Stimme zitterte.
 

Lucifer hustete kurz, woraufhin sich die beiden Dämonen überrascht an sie wendeten. Tatsächlich waren die orangen Augen der Dämonin gerötet.
 

Satan sagte etwas zu ihr, sie schniefte nur und nickte. Daraufhin wandte er sich an seinen ältesten Sohn.
 

"Lucifer, ea al Stihi ji Aym pwor'mawkcha. Zarboyt'syarzk anwa!"
 

"Sa, payri'drew."
 

"Lucifer, sie ist die Adoptivmutter von Stihi und Aym . Kümmere dich um sie. Ja, Vater.", übersetzte Azazel leise für Rin.
 

"Wir sehen uns nachher.", verabschiedete sich der Lichtkönig und folgte der Dämonin nach draußen. Azazel verschwand derweil in einer schwarzen Rauchwolke.
 

Satan nickte zu einem der Stühle. "Setze dich. Natürlich nur, wenn du willst."
 

Nach kurzem Zögern kam der Nephilim der Aufforderung nach. Die Nervosität wurde immer intensiver und ungewollte Erinnerungen stiegen ihn ihm hoch. Bevor er etwas sagen konnte, sprach ihn der ältere Dämon bereits an.
 

"Wie ich sehe, geht es dir besser. Ich hoffe, deine Volltrottel von Brüdern haben sich bei dir entschuldigt."
 

Natürlich wurde Rin knallrot. "Tut mir leid wegen letzter Nacht...", murmelte er.
 

"Du musst dich nicht entschuldigen. Ich durfte schon jeden deiner Brüder ins Bett bringen, weil sie zu viel hatten."
 

"Sogar Samael und Amaimon?!"
 

"Ja, auch wenn sie es abstreiten würden."
 

Rin stellte es sich bildlich vor und musste sich zusammenreißen, damit er nicht loslachte. Er spürte, wie er sich allmählich entspannte, wenn auch nicht vollkommen. Wahrscheinlich war dies Satans Ziel gewesen.
 

"Bevor ich es vergesse...hier.", fuhr der Dämonengott fort und reichte ihm etwas. Es war sein Handy.
 

Rin blinzelte überrascht. Er hatte daran überhaupt nicht mehr gedacht.
 

"Bevor du fragst: nein, ich habe mich nicht darin umgesehen.", sagte Satan. Er warf dem Telefon einen strafenden Blick zu. "Ich finde die Teile einfach nur nervtötend. Samael hat einmal irgendein komisches Lied über Gemüsesaft als Klingelton gehabt und ständig ging das los. Ein Mal sogar mitten in einem Ratstreffen. Zumindest waren die Gesichtsausdrücke der Anderen unterhaltsam."
 

Er rieb sich den Nasenrücken mit einer Hand, Rin schwieg. Noch immer wirkte die Situation surreal. Vor einer Woche noch hatte er Satan in den Arsch treten wollen und nun saß er ihm gegenüber und hörte zu, wie er über Samaels zweifelhaften Musikgeschmack sprach.
 

"Wie auch immer, dein Telefon hat öfter geklingelt und du hast mehrere Nachrichten. Azazel hat es übrigens an seinem Laptop aufgeladen, also wundere dich nicht, wenn da was drauf gelandet ist, was dort nicht hingehört. Lösche es dann einfach."
 

Der Halbdämon nickte gedankenverloren und entsperrte den Bildschirm. Er hatte wirklich einen Haufen verpasster Anrufe und Nachrichten.
 

Yukio: Rin, was ist passiert?! Warum ist das Signal weg?! Bitte melde dich!
 

Shiemi: Rin? Bitte antworte! Du warst vorhin noch online...wir und Yuki-chan sind krank vor Sorge! D:
 

Izumo: Hey du Trottel, antworte! Du machst den Anderen Sorgen und das nervt mich. -.-
 

Bon: Okumura, gehe an dein verdammtes Handy! Ich schwöre, ich trete dir in den Hintern, wenn du nicht antwortest! Bitte.
 

Es folgten weitere Nachrichten, auch von Shura, Koneko, Shima und den Mönchen aus dem Kloster.
 

'Sollte ich je wieder in Assiah landen, werden sie mich durch den Fleischwolf drehen.'
 

Nach kurzem Zögern stellte er fest, dass er niemanden antworten konnte. Er hatte weder Empfang noch Internetzugang. Satan erkannte, was ihm durch den Kopf ging. "Es war Samael, der damals dafür gesorgt hat, dass es hier Empfang und Internet gibt. Da aber momentan alle in Gehenna sind, hat er das wohl irgendwie abgestellt. Frag nicht wie, ich habe keine Ahnung von dem Kram."
 

"Wo nehmt ihr übernimmt den Strom her?", fragte Rin.
 

"Generatoren. Samael besorgt alles, Azazel erledigt den Rest."
 

Unspektakulär, aber logisch. Nun sprang ihm etwas anderes ins Auge.
 

"Euer Router heißt 'Highway to Hell'?!"
 

"Das war nicht meine Idee, ich wurde ja überstimmt.", seufzte Satan. "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ich habe einen Lehrer für Gehennisch gefunden. Es könnte noch öfter wechseln, aber vorerst wird Paymon übernehmen."
 

"Ich bin schlecht mit Sprachen..."
 

"Er hat viel Geduld. Iblis hat einmal einige Bäume beim Training angezündet und alles was Paymon gemacht hat, war streng zu gucken."
 

Es klopfte an der Tür und der Lichtdämon betrat den Raum. "Entschuldigung, bin ich zu spät?"
 

"Nein, du kommt gerade recht.", beruhigte ihn Satan.
 

Paymon lächelte Rin aufmunternd zu. "Schön dich wiederzusehen."
 

"Ebenfalls."
 

"Dann könnt ihr gleich anfangen. Ich muss mich um andere Sachen kümmern.", entließ der Dämonengott sie und betrachtete äußerst unmotiviert die Papierstapel neben ihm.
 

"Dann wollen wir Euch nicht weiter aufhalten." Paymon verneigte sich und ging.
 

"Ähm...bis später.", murmelte Rin etwas kleinlaut und huschte ebenfalls aus dem Zimmer ohne sich umzudrehen.
 

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Vollkomme Dunkelheit umgab den Geisterkönig, er konnte nicht die Hand vor Augen sehen. Aus allen Richtungen ertönte leises Geflüster, Stöhnen und Zischen. Verwirrt sah er sich um und versuchte verzweifelt einen Lichtstrahl zu finden, doch vergebens.
 

'Wo bin ich? Träume ich schon wieder? Als ob ich nicht genug Albträume hätte...'
 

Gerade eben war er noch in seinem Zimmer gewesen und hatte sich für sein Treffen mit Aello, der Anführerin der Harpyien, vorbereitet. War er etwa eingeschlafen?! Ankou würde ihn umbringen. Sie hasste es, wenn er verschlief und war sich nicht zu fein ihm dafür eine Kopfnuss zu verpassen. Sollte sie jemals einen festen Freund bekommen, konnte er sich auf etwas gefasst machen. Azazel hatte jetzt schon Mitleid mit dem armen Kerl.
 

Inzwischen wurde die Umgebung langsam heller, doch sein Magen drehte sich um als er erkannte, wo er sich befand. Er befand sich in einer helleren Ecke seines Königsreichs, der Wüste in der die Harpyien lebten, um ganz genau zu sein. Neben Sand, großen Felsen und Schluchten, sowie eher spärlichem Pflanzenwuchs, gab es normalerweise nicht viel zu sehen. Diesmal saß jedoch eine Gestalt auf ihren Knien im gelb-braunen Sand. Es war eine blasse Frau mit langen schwarzen Haaren. Sie umklammerte schluchzend ihren Oberkörper. Azazel brauchte nur Sekunden um sie erkennen.
 

"Mutter?" Seine Stimme zitterte, doch die vor sich hin kauernde Dämonin zeigte keine Regung. Dennoch bestand kein Zweifel, dass es Ruha, seine Mutter war.
 

'Bitte nicht. Ich dachte, dieser Albtraum wäre endlich vorbei!', flehte er im Stillen und wich zurück. Ihre Schluchzer wurden immer lauter und er erkannte nun auch das Blut, welches ihre Arme hinunterlief. Der Himmel begann sich ebenfalls rot zu verfärben und die Geräusche von vorhin waren wieder zu hören.
 

"Ganz ruhig.", murmelte er verzweifelt um sich zu beruhigen. Es funktionierte nicht. Seine Kehle und Brustkorb waren wie zugeschnürt, er bekam kaum Luft. Gleichzeitig hatte er das Gefühl sich jeden Moment übergeben zu müssen. Sein Herz klopfte wie verrückt und Schweiß stand ihm auf der Stirn.
 

"Das ist nicht echt, nur ein Traum. Wach auf, wach auf, wach auf...", flüsterte er eindringlich, aber er schaffte es nicht aus diesem Albtraum zu erwachen.
 

"Ich will einfach nur weg, bitte..."
 

Zu seiner Überraschung verstummte sowohl das Schluchzen als auch die Geräusche. Es herrschte Totenstille und dies verängstigte ihn sogar noch mehr. Er zuckte zusammen als seine Mutter plötzlich zu sprechen begann. Was sie zu sagen hatte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
 

"Willst du mich etwa schon wieder im Stich lassen, Azzy? Bin ich dir so egal?"
 

Bevor er antworten konnte, ging das Gestöhne und Geheule von vorne los. Diesmal hörte er allerdings noch Flügelschlagen. Ruha hatte ebenfalls von neuem begonnen zu schluchzen bis sie richtig weinte.
 

"Azazel, bitte hilf mir! BITTE!"
 

Sie flehte ihn weiter an, doch er war wie gelähmt. "Ich kann nicht. Du bist...schon...tot.", krächzte er hervor.
 

Ein lautes Kreischen ertönte, es war der Jagdschrei einer Harpyie.
 

"AZAZEL!"
 

Er sah weg und schloss die Augen. Nur wenige Sekunden später hörte er, wie sie sich die geflügelten Monster auf seine Mutter stürzten und begannen sie zu zerfleischen. Er hörte nur das Flügelrauschen, die Schreie seiner Mutter, das Gekreische der Harpyien und das Spritzen von Blut. Riechen konnte er es ebenfalls, also zwang er sich die Luft anzuhalten. Vereinzelte Stimmfetzen waren ebenfalls zu vernehmen. Sie sprachen davon, dass es zu spät war, dass seine Mutter tot war und nie wieder für ihn da sein könnte. Er hörte sich selbst, wie er seinem Vater 'Ich hasse dich!' entgegenschrie.
 

'Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid...", wiederholte er im Stillen immer wieder als wäre es ein rettendes Gebet. Er bemerkte, dass ihm Tränen das Gesicht hinunterliefen, doch es kümmerte ihn nicht mehr. Es konnte ohnehin niemand sehen. Er war nicht mehr der Dämonenkönig der Geister und des Windes, sondern nur ein kleines verängstigtes Kind mit eingezogenen Schwanz, welches nach seinen Eltern schrie.
 

'Mama...Papa...Lu...Sammy....irgendjemand...bitte, helft mir...' Sogar seine Gedanken waren die seines jüngeren Ichs.
 

Dann fuhr ohne Vorwarnung ein gewaltiger Schock durch seinen Körper und alles um ihn herum löste sich auf.
 

Mit einem Aufschrei fuhr er hoch und sah sich wie ein verschrecktes Tier um. Er war in seinem Zimmer und...klatschnass?! Des Rätsels Lösung war schnell gefunden.
 

Vor ihm stand eine offensichtlich wütende Ankou mit einem leeren Wasserkrug. Scheinbar hatte sie ihn über den schlafenden Dämonen geleert. Sie war leider noch nicht fertig, sondern legte gleich mit ihrem Gezeter los.
 

"Schau nicht so, irgendwie musste ich dich wach bekommen! Unser Treffen mit Aello fängt bald an und du schläfst?! Was-" Sie stockte als sie Azazels Gesicht bemerkte.
 

"Hast du...geweint?", fragte sie mit komplett veränderter Stimmlage.
 

'Mist.'
 

"Ich habe nur Wasser in die Augen bekommen. Echt, vielen Dank.", knurrte er, allerdings klang er nicht besonders überzeugend.
 

Er war so froh von diesem Albtraum befreit zu sein, dass er sie glatt küssen könnte. Andererseits würde sie ihn dafür sicher einige Rippen brechen, also ließ er es lieber sein. Sie stellte den Krug wortlos ab und wandte sich besorgt an ihn.
 

"Hast du wieder von Ruha geträumt?", fragte sie leise. Verdammt. Sie war quasi die Eiskönigin im Palast, aber sowas bekam sie sofort mit.
 

"Mir geht's super.", log er schnell. Sie glaubt ihm natürlich nicht.
 

"Hör mal, vielleicht können wir das Treffen mit den Harpyien verschieben oder Shax und ich gehen allein-"
 

"Nein.", unterbrach der Dämonenkönig sie scharf. "Ich kann nicht einfach zu Hause bleiben, es ist meine Aufgabe mich darum zu kümmern."
 

Ankou ließ nicht locker. "Aello hat sicher Verständnis. Sei nicht so stur."
 

"Sagst grad du. Jetzt geh bitte raus, ich möchte mich umziehen."
 

"Aber-"
 

"RAUS!", fauchte Azazel. Er spürte, wie einige seiner Dämonenmale auf seinen Gesicht erschienen und seine Pupillen sich zusammenzogen, doch es war ihm egal. Warum konnte sie ihn nicht endlich in Ruhe lassen?!
 

Die Geisterdämonin zuckte zusammen, das kam selten vor.
 

"Gut, wie Ihr wollt.", murmelte sie nach einigen Sekunden Stille. Ihr Gesicht verriet nicht, was sie dachte. Sie drehte sich um und verließ das Zimmer ohne einen der Müllhügel umzustoßen.
 

Azazel seufzte. Er hatte sie nicht anfauchen wollen, es war einfach passiert. Scheinbar verlor er wirklich die Kontrolle über sein Dämonenherz. Langsam, aber stetig.
 

'Egal. Es ist ein kleiner Preis.'
 

Er stand auf, zog grummelnd seine nassen Sachen aus und warf sie auf einen Haufen. Dann stapfte er zu seinem Kleiderschrank und riss ihn auf. Seine Klamotten waren alle schwarz oder grau, nur einige T-Shirts waren weiß. Nicht unbedingt vorteilhaft in der Wüste, aber es war ihm egal. Er kramte eine schwarze Hose, eine schwarze Kapuzenjacke (seine schwarze Lederjacke, welche er immer darüber trug, ließ er weg sonst würde er erschwitzen) und ein graues Tanktop hervor und zog sich schnell an.
 

Währenddessen dachte er über seinen Albtraum nach. Er wusste, dass es nicht seine Schuld gewesen war. Seine Mutter war mit Kelaino, der damaligen Anführerin der Harpyien (und Aellos Mutter) befreundet gewesen und hatte sie oft besucht. Einmal waren auch Satan, Azazel und seine Geschwister mitgekommen. Satan hatte etwas mit den Harpyien zu regeln, also waren alle herumgestreunt und hatten versucht sich zu beschäftigen. Azazel war mit seiner Mutter ein wenig umhergelaufen als sie plötzlich von einigen Harpyien angefallen worden waren. Ruha hatte ihm befohlen sich zu verstecken und auf keinen Fall heraus zu kommen.
 

Erneut hatten die Harpyien sie überrumpelt, zu schnell als dass sie sich hätte verteidigen können. Der Geisterkönig war noch ein kleines Kind gewesen, er konnte nichts anderes tun als zuzusehen, wie diese Biester sie töteten. Einige andere Harpyien hatten den Lärm gekommen und kamen um zu helfen, aber es war zu spät. Er erinnerte sich flüchtig daran, dass Satan die drei Angreiferinnen sofort verbrannt hatte und rasend vor Zorn gewesen war. Es stellte sich heraus, dass die Harpyien durchgedreht waren und deswegen alles angegriffen hatten, was ihnen vor die Krallen kam. Die Anderen hatten damit nichts zu tun, doch ihm war es egal gewesen. Er wollte sie alle tot sehen. Satan hatte sie zu seinem Entsetzten jedoch nicht bestraft. Dafür hatte er ihn gehasst.
 

Der Geisterdämon war als Kind immer sehr aufgeweckt gewesen, hatte viel erzählt und konnte nie still halten. Lucifer und Samael hatten sich deswegen öfters beschwert. Nach dem Vorfall bereuten sie ihre Worte, denn Azazel hatte sich komplett zurückgezogen. Er hatte kein Wort mehr gesprochen, weder mit seinem Vater noch seinen Geschwistern oder den Bediensteten.
 

Als sein Vater Beelzebubs Mutter geheiratet hatte, war er noch wütender geworden. Er hatte sie stets seine Abneigung spüren lassen und Beelzebub hätte er am liebsten vom nächsten Turm geworfen. Wie hatten sie es wagen können seine Mutter ersetzen zu wollen?! Was bildete diese Frau sich ein?! In einer Nacht hatte der zukünftige Insektenkönig mal wieder eine Menge geplärrt, also war er in dessen Zimmer gegangen um dem Zwerg das Maul zu stopfen und ihm den Hals umzudrehen. Kaum hatte er vor der Wiege gestanden, hatte der Kleine jedoch aufgehört zu weinen.
 

Er war froh gewesen Azazel zu sehen und hatte ihn angelacht, obwohl sich der Geisterdämon so garstig gegenüber ihm und seiner Mutter verhielt. Natürlich war der ältere Dämon perplex gewesen, aber von da an konnte er ihn einfach nicht hassen, auch wenn er es versucht hätte. Er kam nun auch besser mit seiner Stiefmutter klar und sah ein, dass sie eine nette Frau war. Von da an hatte sich einiges gebessert, auch wenn immer noch die Albträume kamen, doch diese verschwanden irgendwann ebenfalls.
 

Dann kam dieser Tag und er veränderte sich für immer. Schon interessant, wie eine Entscheidung alles ändern konnte. Ein einfacher Handschlag. Ob seine Mutter enttäuscht von ihm wäre? Würde sie ihn sogar hassen?
 

Er wurde von seinem Mitbewohner aus seinen Gedanken gerissen. Taka tat mit einem lauten Knurren seinen Hunger kund, woraufhin der Geisterkönig die Augen verdrehte und eine halb aufgegessene Tüte Zwiebel-Chips in seine Richtung warf. Erneut kam ein leises Knurren.
 

"Friss es oder lass es bleiben, wir sind hier nicht bei wünsch dir was!", fauchte Azazel.
 

Kurze Stille folgte, dann waren ein leises Rascheln und lautes Schmatzen war zu hören.
 

"Geht doch..."
 

Als er auf den Flur trat, erwarteten ihn Shax und Ankou bereits. Keiner von beiden verlor ein Wort über seinen Ausbruch, auch wenn Ankou es sicherlich erzählt hatte.
 

"Gehen wir.", sagte Azazel knapp.
 

'Bitte lass alles problemlos funktionieren...'
 

............................................................................
 

Egyn wurde langsam, aber sicher unruhig. Agares und er standen schon seit 15 Minuten am Ufer des Acherusische See und warteten auf Ran, die Wächterin des Sees und des Siegels. Hinzu kam, dass der See alles andere als schön war. Es war später Morgen, dennoch war es schummrig und Nebel verdeckte den See größtenteils. Die Geräusche machten es nicht besser und jagten ihm einen kalten Schauer über den Rücken.
 

Agares ging es ähnlich, jedoch war sie wie immer ein Paradebeispiel der Ruhe.
 

"Jetzt beruhige dich doch, Eygn.", seufzte die Wasserdämonin. "Sie kommt sicher gleich."
 

"Wir warten schon seit 15 Minuten!"
 

"Azazel kommt manchmal bis zu einer Stunde zu spät."
 

"Das ist ja auch Azazel! Der würde es fertig bringen zu seiner eigenen Beerdigung zu spät zu kommen!"
 

"...Darauf hätte er nicht wirklich Einfluss..."
 

"Ach, du weißt, was ich meine!"
 

Agares verdrehte nur die Augen. Nach drei weiteren qualvollen Minuten hörten sie einige Äste hinter sich knacken. Instinktiv bereiteten beide sich darauf vor ihre Speere heraufzubeschwören, dann trat eine Gestalt aus dem Dickicht. Beide atmeten erleichtert auf als sie Ran erkannten.
 

"Tut mir leid, ich hatte etwas mit den Sirenen zu klären und musste deswegen ein paar Dörfer besuchen.", begrüßte sie die Beiden fröhlich. "Kyrene lässt übrigens Grüße ausrichten.~"
 

"Danke.", seufzte Egyn, sichtlich erleichtert. "Gibt es sonst etwas zu berichten?"
 

Die Wächterin überlegte kurz. "Eigentlich nicht wirklich. Vor ein paar Nächten wollte jemand die Stege betreten, aber hat ziemlich schnell wieder die Beine in die Hand genommen. Ein paar der Sirenen wollen woanders hin, weil es ihnen hier zu langweilig ist und wir müssten ein paar der Planken ersetzen, die rotten bald durch."
 

"Und das Siegel?", hakte Agares nach.
 

"Nichts ungewöhnliches."
 

"Wir schauen trotzdem nach. Aber Beeilung, die Höhle wird bald überflutet sein.", entschied Egyn und holte einen Leuchtkristall heraus. Die Frauen taten es ihm nach.
 

'Na dann...Augen zu und durch.'
 

Widerwillig betrat er den ersten Steg und ging los, Agares und Ran folgten im kurzen Abstand. Nach nicht einmal einer halben Minute hatte der Nebel das Ufer vollkommen verschlungen. Keiner sprach, nur das gelegentliche Plätschern des Wassers, das Knarren der Bretter, ihre Schritte und das leise Flüstern der Seebewohner war zu hören. Nach einer Weile konnten sie außerdem den Gesang der Sirenen hören, dieser hatte allerdings keine Wirkung auf sie, da sie Wasserdämonen waren. Gut, Ran war halb Wasser- und halb Geister- und Winddämonin, aber es kam auf dasselbe hinaus.
 

Endlich erreichten sie die Insel der Sirenen, nach weiteren fünf Minuten standen sie vor der Höhle mit Invidias Gefängnis. Egyn betrat sie ohne zu zögern. Eine steinerne Treppe führte in die Tiefe.
 

"Vorsichtig, die Stufen sind rutschig.", warnte er seine Begleiterinnen. Vorsichtig stiegen die hinunter bis sie endlich den Boden erreichten. Zu ihrem Missfallen mussten sie feststellen, dass ihnen das Wasser bereits bis an die Knöchel reichte. Die Höhle war dabei vollzulaufen.
 

"Schaut euch alles genau an.", befahl Egyn. "Wir können es uns nicht leisten etwas zu übersehen."
 

Die Frauen nickten und begannen sich in der Höhle umzusehen, während Egyn auf das Siegel zuging. Wie immer leuchtete es grün-bläulich, doch es waren eindeutige Risse zu erkennen. Er kniete sich hin, legte seine Hände auf den Kreis, welcher das Siegel umgab und schloss seine Augen. Er konzentrierte sich auf sein Dämonherz und die davon ausgehende Kraft. Das Leuchten wurde stärker, doch er wusste, dass er höchstens ein paar Tage gewonnen hatte. Leise seufzend begann er sich ebenfalls umzusehen.
 

"Also ich finde nichts.", meldete sich Ran nach einiger Zeit. Agares und Egyn hatten ebenfalls nichts entdeckt.
 

"Das Wasser steigt immer schneller.", meldete Agares. "Wenn wir nicht schwimmen gehen wollen, sollten wir verschwinden."  
 

Widerstrebend nickte Egyn. "Gehen wir."
 

Er ließ diesmal den Mädchen den Vortritt,  doch als er ihnen folgen wollte, stellten sich seine Nackenhaare auf. Er hätte schwören können, dass ihm etwas über den Rücken gestrichen und gekichert hatte. Die Stimme erkannte er sofort.
 

'Invidia?'
 

Natürlich kam keine Antwort. Kopfschüttelnd machte der Wasserkönig, dass er aus der Höhle kam.

 

Gehennisch für Anfänger und Harpyien

Rin war am Verzweifeln. Er saß zusammen mit Paymon im Archiv, welches ihn jedoch eher an eine Bibliothek erinnerte und versuchte krampfhaft ihm zuzuhören und daraus schlau zu werden. Erfolglos.
 

"Abgesehen davon, kommt Gehennisch manchmal fast instinktiv für Halbdämonen, die mit anderen Sprachen aufgewachsen sind.", hatten sie gesagt. "Ich bin sicher, du packst das.", haben sie gesagt.
 

Von wegen! Da schrieb er eher eine Doktorarbeit auf Englisch!
 

Zunächst einmal waren Schrift und Zahlen ganz anders, also musste er ein komplettes Alphabet (welches wesentlich schwieriger als das lateinische erschien) und andere Zahlen lernen. Hinzu kam die Grammatik. Wörter wie 'ist' und 'sind' existierten nicht, Adjektive wurden hinter dem Nomen platziert und so ziemlich alle Sätze begannen entweder mit einem Personalpronomen oder einem Substantiv. Immerhin wurden Verben nicht angepasst, lediglich ein Wort wurde davor gesetzt um die Zeitform auszudrücken. 'Alma' stand für Vergangenheit, 'har' für die Gegenwart und 'zai' die Zukunft. Gelegentlich wurde jedoch darauf verzichtet, wenn man von der Gegenwart sprach. Zusammengesetzte Substantive wurden mit einem Apostroph getrennt, allerdings konnten auch einfache oder andere Worte eins haben. Hinzu kam noch die Mehrzahl. Dabei wurde eine Endung an das Wort gehängt, welche vom letzten Buchstaben abhing. Die Aussprache unterschied sich ebenfalls sehr vom japanischen und kleinste Striche und Punkte deuteten auf verschiedene Betonungen und Aussprachen hin. Es gab natürlich noch viel mehr Faktoren, wie zum Beispiel die Fälle, Befehlsformen, respektvolle Anreden, Dialekte, gehobene Ausdrucksweisen und so weiter, aber das ließ Paymon außen vor. Vorerst. Super.
 

Er erfuhr außerdem, dass wörtlich zu übersetzen eine schlechte Idee war. Satans Anweisung an Lucifer war ein gutes Beispiel. Wörtlich übersetzt hieß "Ea al Stihi ji Aym pwor'mawkcha. Zarboyt'syarzk anwa!" nämlich "Sie die Stihi und Aym Stiefmutter. Kümmern du!".
 

Das würde nie was werden.
 

Resigniert ließ er den Kopf auf die Tischplatte fallen. Sie hatten mit einfachen Worten begonnen, wie Personalpronomen und einigen Substantiven. Paymon demonstrierte ihm lediglich wie sie geschrieben und ausgesprochen worden, hin wieder musste er das nachsprechen oder versuchen nachzuschreiben, das war es. Dennoch fühlte sich sein Kopf an als würde er rauchen.
 

"Ich schätze, das ist deine Art um eine Pause zu bitten?", fragte sein Lehrer.
 

Rin brummte zustimmend. Zu seiner Überraschung war Paymon einverstanden.
 

"Du drängst mich nicht dazu weiter zu machen?"
 

"Natürlich nicht. Pausen zwischendurch sind wichtig, das habe ich bereits zu Beginn gesagt. Wenn du das Gefühl hast, dass es zu viel wird oder zu schnell geht, sage einfach Bescheid. Es hat keinen Sinn weiter zu machen, wenn Widerwille da ist."
 

Der Nephilim nickte langsam und ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Riesige Regale, Bücherstapel, Tische, Karten und Vitrinen nahmen den Raum an. Manche der Bücher sahen wahnsinnig alt aus und waren wahrscheinlich mindestens so viel wert wie die britischen Kronjuwelen.
 

'Yukio würde es hier lieben. Und Koneko wahrscheinlich auch.'
 

Er entdeckte Phenex, den Archivar in Satans Palast. Dieser war ein grimmig drein schauender halb Fäulnis-, halb Feuerdämon (er hätte auch nicht gedacht, dass es sowas gab) mit grau-blauen Haaren und orangen Augen. Außerdem trug er eine eckige Halbrandbrille, welche ihn noch strenger wirken ließ.
 

Schon als sie den Raum betreten hatte, war deutlich geworden, dass er kein angenehmer Zeitgenosse war. Etwas widerwillig hatte er Paymon einige Bücher gegeben und Rin angewiesen, ja nichts anzufassen als er etwas zu nah an eins der Regale geriet. Gut, fairerweise waren die Bücher darin scheinbar ziemlich alt.
 

Trotz sämtlicher Versprechen vorsichtig zu sein, beobachtete der Dämon sie mit Argusaugen.
 

"Nimm es Phenex nicht übel. Er hat schon so manche Erfahrungen mit deinen Brüdern gemacht.", riss Paymon ihn aus den Gedanken. "Besonders Iblis kann er nicht leiden. Amaimon ist zwar stiller und zündet nichts an, aber er schleppt ja überall seine Süßigkeiten mit hin. Er hat bereits versucht ihnen deswegen Hausverbot aufzubrummen, natürlich erfolglos. Egyn und Iblis lässt er allerdings nicht mehr zusammen hier rein."
 

"Verständlich.", gab Rin zu. Unangenehme Stille herrschte.
 

Der Lichtdämon durchbrach sie schließlich. "Also...wenn es für dich in Ordnung wäre, würde ich gerne mehr über dich erfahren."
 

"Wenn du mir im Gegenzug etwas von dir erzählst.", antwortete der Halbdämon schulterzuckend.
 

"Das ist fair." Er hielt kurz inne und dachte nach, dann fuhr er fort. "Zugegebenermaßen ist mein Leben nicht allzu aufregend. Ich wurde in Pandemonium geboren, nah an der Grenze zu Lucifers Reich. Meine Mutter ist Künstlerin, mein Vater ist das Oberhaupt unseres Hauses und arbeitetet nebenbei als Historiker. Ich habe eine ältere Schwester namens Elyon, sie ist Sängerin. Meine jüngeren Schwestern heißen Zaphkiel und Hadiya. Zaphkiel arbeitet im Archiv von Lucifers Palast, Hadiya ist Richterin. Mein kleiner Bruder heißt Sariel und ist Heiler."
 

Er hielt erneut inne, Rin nutzte dies um eine Frage zu stellen. "Sind alle Dämonenfamilien so groß?"
 

"Das kommt darauf an. Adlige haben oft viele Kinder um das Fortbestehen ihrer Blutlinie sicher zu stellen und da wir Dämonen so lange leben haben wir immerhin reichlich Zeit dafür. Einzelkinder sind daher eher selten. Wie auch immer. Meine Geschwister und ich wuchsen wohl behütet auf. Wir bekamen die bestmögliche Bildung und besuchten Privatschulen. Ich war schon immer sehr wissbegierig gewesen und habe viel geforscht. Auf Wunsch meiner Eltern bin ich Lucifers Armee beigetreten, habe mich jedoch in meiner Freizeit weiterhin mit antiken Schriften beschäftigt, Bücher in verschiedensten Sprachen gelesen und bin sogar Geheimnissen der Alchemie und des Okkultismus auf die Spur gekommen." Er seufzte.
 

"Ich schickte die Ergebnisse meiner Arbeit an die Gelehrten in Lucifers Palast, welche jedoch nicht daran glaubten, dass ein Soldat intelligent genug wäre um ihre Zeit in Anspruch zu nehmen, sodass sie sie gar nicht erst lasen."
 

Rin runzelte die Stirn. "Sie klingen wie Idioten."
 

Der Lichtdämon lächelte leicht und hob die Schultern. "Ehrlich gesagt ist es mir egal. Schlussendlich fielen einige der Blätter Lucifer in die Hände und er war ziemlich beeindruckt. Er wollte mich persönlich treffen und als man ihm erzählte, dass ein einfacher Soldat es geschrieben hat, war er nur noch entschlossener. Ich war mehr als überrascht als ich einen Brief von ihm bekommen habe und natürlich ziemlich aufgeregt. Wir haben uns also getroffen, uns unterhalten und das zog sich dann über mehrere Monate hinweg. Eines Tages bot er mir die Position als seine rechte Hand an. Mit der Aussicht meine Familie stolz zu machen, einem der Dämonenkönige direkt zu dienen und Zugriff auf die Bücher und Artefakte in seinem Archiv zu erhalten, nahm ich an. Ich habe es nie bereut."
 

Er sah Rin an. "Du bist dran."
 

Der Nephilim erzählte ihm das, was er bereits Agares erzählt hatte. Er war mit seinem Bruder in einem Kloster aufgewachsen, wo Shiro und die Mönche ihre Familie waren. Er war nie besonders gut in der Schule gewesen und öfters in Streitereien hinein geraten. Für ihn wirkte es sehr langweilig im Vergleich zu Paymons Geschichte, doch dieser hörte aufmerksam zu.
 

Er nickte nachdenklich als Rin fertig war. "Immerhin konntest du eine halbwegs schöne Kindheit verbringen."
 

Der Halbdämon zuckte mit den Schultern. "Schätze schon." Er sah den älteren Dämonen an. "Aber eine Frage habe ich noch. Warum warst du so schnell bereit mir eine Chance zu geben? Shax und Agares waren zwar auch sofort nett zu mir, aber trotzdem."
 

Diesmal war es der Stellvertreter, welcher seufzte. "Ganz ehrlich? Ich hatte vom ersten Moment an Mitleid mit dir. Du wurdest aus heiterem Himmel in die ganze Sache hineingezogen, musstest zusehen wie dein Adoptivvater stirbt, wegen des Vatikans um dein Leben fürchten und dich wahrscheinlich unzähligen Vorurteilen stellen. Als ich dich zum ersten Mal im Esszimmer gesehen habe, hast du so verloren ausgesehen. Kein Kind sollte das erleben, was du durchmachen musstest."
 

Rin schwieg, er hatte das Gefühl, dass noch mehr dahinter steckte. Er sollte Recht haben.
 

"Doch das nicht alles. Du erinnerst mich ehrlich gesagt an meinen Sohn."
 

Damit hatte er wiederum nicht gerechnet. "Du hast einen Sohn?"
 

"Hatte. Er war ein Nephilim wie du und wäre dieses Jahr neunzehn geworden. Stattdessen wurden er und meine Frau vor acht Jahren von Exorzisten getötet."
 

Hatte hier wirklich jeder eine traurige Vergangenheit? "Das tut mir sehr leid.", antwortete Rin leise.
 

"Es ist in Ordnung. Es war meine Schuld. Ich wusste, dass es dumm ist sich in eine Sterbliche zu verlieben und auch noch ein Kind mit ihr zu bekommen. Katharina war allerdings eine der wenigen Vergänglichen, welche längere Zeit in Gehenna durchhalten. Lord Satan hat mir darum erlaubt sie her zu holen. Sie musste zwischendurch nach Assiah, aber es hat alles gut funktioniert und unser Sohn wurde auch akzeptiert. Er hat sich ziemlich gut mit Amons Kindern verstanden."
 

"Was war sein Name?"
 

Paymon lächelte leicht. "Aiden. Er war sich immer sehr unsicher, wo er nun hingehört. Nephilim glauben oft weder zu den Menschen noch zu uns zu gehören. Viele wollen nicht einsehen, dass sie in beide Welten gehören. Sowohl die Personen mit denen sie sich umgeben als auch die Nephilim selbst."
 

Das war auch Rins Problem. Wo gehörte er hin?
 

"So einfach ist es nicht.", widersprach er. "Wie soll man den zu beiden Seiten gehörten, wenn sie sich bekriegen? Eine Seite muss man früher oder später wählen! Richtig dazugehören wird man aber nie."
 

'Und ich weiß noch immer nicht, was ich wählen werde.', fügte er im Stillen hinzu.
 

"Du wirst es verstehen, wenn es soweit ist."
 

Bevor Rin nachhaken konnte, wurde er abgewürgt. "Komm, wir sollten weiter machen."
 

Grummelnd wandte er sich wieder an das Buch. Je schneller er das hinter sich brachte, desto besser.
 

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"Fuck my life.", murmelte Azazel vor sich hin und starrte auf den riesigen Felsen vor ihnen. Darin befand sich die Stadt der Harpyien. Dummerweise lag der Eingang ziemlich weit oben, Phasensprünge waren verboten, also bleib nur zu Fuß oder besser gesagt klettern. Shax hatte ihn gehört und drehte sich überrascht um. "Hast du etwas gesagt?"
 

"Wo ist der Aufzug?", grummelte der Geisterkönig.
 

Obwohl Ankou mit dem Rücken zu ihm stand, konnte er erahnen, dass sie die Augen verdrehte. "Nun hab dich mal nicht so. Das ist wie Treppensteigen, nur nicht so langweilig."
 

Der Dämonenkönig grummelte wütend vor sich hin und machte sich an den Aufstieg. Am liebsten wäre er einfach in seine Dämonenform gewechselt und hochgeflogen, aber genau wie ein direkter Phasensprung konnte dies als eine aggressive Geste ausgelegt werden und er hatte wirklich keine Lust sich mit einem Haufen Vogelweibern zu schlagen. Außerdem war er sich nicht sicher, wie sich sein Dämonenherz verhalten würde. Am Ende würde er nur die Kontrolle verlieren und seine beiden Begleiter anfallen.
 

Der Pfad war schmal und äußerst steil. Überall lag loses Gestein und ein falscher Schritt konnte zu einem Sturz in die Tiefe führen. Ihre Krallen gaben ein wenig mehr Halt, aber nicht viel.
 

'Als ich Kind war, ging das irgendwie einfacher.'
 

Nach quälenden 20 Minuten hatten sie endlich den Eingang erreicht.
 

"Na, das ging doch heute mal schnell.", kommentiere Ankou.
 

Azazel ignorierte es und betrat die Höhle, wo sie von zwei Wächterinnen empfangen wurden. Er fand es immer wieder interessant, dass die Vorstellung der Sterblichen in diesem Fall relativ genau waren. Harpyien hatten die Oberkörper und Gesichter eines Menschen, ihr Unterkörper und ihre Beine waren dagegen die eines Vogels und demzufolge mit Federn bewachsen, außerdem hatten sie Vogelschwänze. Die Farben und Musterungen ihrer Federn variierten. Manche hatten Federn auf dem Kopf, andere Haare welche stets dem Aussehen ihrer Federn angepasst waren. Ihre Flügel waren direkt mit ihren Armen verwachsen, dennoch konnten sie Werkzeuge oder gar Waffen verwenden, wenn sie am Boden waren. Allerdings waren ihre Klauen mit -wie Azazel aus eigener Erfahrung wusste- scharfen Krallen bestückt, ihre Zähne waren ebenfalls rasiermesserscharf. Es gab in ihren Augen keine Hornhaut, also nahm die Augenfarbe alles ein. Die Pupillen waren geschlitzt, wesentlich stärker als bei Dämonen. Sie trugen oft Kleidung aus einfachen Stoffen, Fellen, Federn und Leder, sowie Schmuck aus Knochen, Holz und Federn.
 

"Mein Lord, Aello bereitet euch bereits.", begrüßte ihn eine der Frauen, während ihre Kollegin los flog um ihrer Anführerin von der Ankunft zu berichten. Azazel nickte nur knapp. Sie alle wussten, dass er eher still war und sahen es nicht als Beleidigung an.
 

Sie folgten der Wächterin durch das Höhlensystem. Es hatte sich seit ihrem letzten Besuch nicht groß verändert. Die meisten Gebäude waren einfache Hütten aus Stein und Holz, ansonsten gab es einige Stätten der Verehrung wie Schreine. Zwar war Satan an der Erschaffung der Harpyien beteiligt gewesen (womit sie ihm und Azazel unterstanden), aber sie verehrten auch Iris und Zephir, denn diese galten als die ersten ihrer Art. Azazel kümmerte das nicht wirklich und wenn sie eine pinke, tanzende Eidechse anbeten würden.
 

Schließlich erreichten sie einen größeren Raum, welcher als eine Art Thronsaal diente. Die Wände waren bemalt, der Boden war einfache Erde und mit Tierknochen und anderen Essensresten übersät.  Aello saß auf ihrem Thron, dieser bestand auf geflochtenen Holz, Knochen und Tierhäuten. Die Federn waren hellbraun mit schwarzen Flecken und grauen Enden versehen. Ihre Haare waren zusammen mit einigen Federn zu mehreren Zöpfen geflochten. Sie trug wie alle anderen sehr einfache Kleidung. Eine kurze hellbraune Lederhose, darüber einen dunkelbraunen Wickelrock aus Stoff mit einem Gürtel aus Knochen und Zähnen. Ihr Oberteil war ebenfalls dunkelbraun und bauchfrei. Zusätzlich trug sie noch eine Federkette. Ihre gelben Augen sahen die Ankömmlinge wachsam an.
 

"Es ist schön euch wiederzusehen, mein Lord.", begrüßte sie Azazel ehe sie sich an die anderen beiden wandte. "Lord Shax, Lady Ankou."
 

Ankou verdrehte die Augen. "Lasst bitte das 'Lady' weg."
 

"Richtig." Die Harpyie sah wieder Azazel an. "Ich nehme an, ihr seid hier wegen der Angriffe in den Dörfern. Wir kümmern uns bereits darum, das versichere ich Euch. Falls es jedoch um die Notfallversammlung geht zu der wir nicht erschienen sind: wir hatten alle Krallen voll mit unseren Untersuchungen zu tun. Außerdem wisst ihr ja was passiert, wenn wir auf Sirenen oder Furien treffen..."
 

Azazel seufzte. "Da könnt Ihr euch trösten. Die sind auch nicht gekommen, aber es geht ohnehin wie Ihr bereits erraten habt um die Angriffe. Was ist passiert?"
 

Aello verzog schuldbewusst das Gesicht. "Ich weiß es nicht. Es ist genau wie...damals. Scheinbar zufällig dreht jemand durch und wird auf seine tierischen Instinkte reduziert. Wir haben die Vermutung, dass es eine Krankheit sein könnte, aber wir wissen nicht, was der Erreger sein könnte."
 

"Vielleicht bestimmte Nahrung? Parasiten? Pflanzen?", schlug Shax vor.
 

"Wir teilen was wir jagen untereinander auf, da müssten mehr betroffen sein. Den Rest besorgen wir durch Handel, aber da ist es dasselbe. Schädlinge oder Parasiten wären wohl eine Möglichkeit, aber warum tauchen sie jetzt plötzlich wieder auf? An neuen Pflanzen haben wir uns auch nicht vergriffen, es gibt ohnehin kaum welche."
 

"Was ist mit Lilith?", hakte Ankou nach. "Sie hat auch die rote Seuche ausgelöst. Daran sind sogar Fäulnisdämonen jämmerlich eingegangen."
 

"Ich dachte, Lilith wäre versiegelt? Abgesehen davon konnten wir nie Beweise finden, dass sie dahinter steckte."
 

"Wer soll es denn sonst gewesen sein? Vielleicht hatte sie Hilfe von ein paar Fäulnisdämonen, aber sie hat alles ins Rollen gebracht hat. Außerdem würde ich einiges darauf verwetten, dass sie auch bei Salacia die Finger im Spiel hatte.", hielt Shax dagegen.
 

"Salacia war...?"
 

"Egyns Mutter.", seufzte Ankou.
 

Aello zuckte mit den Schultern. "Ich habe da inzwischen den Überblick verloren, aber egal. Vielleicht war Lilith es, vielleicht auch nicht. Wie auch immer, wir haben es geschafft vier der Betroffenen gefangen zu nehmen."
 

"Ich möchte mit ihnen reden.", sagte Azazel bestimmt.
 

"Dazu sind sie nicht mehr in der Lage.", erwiderte die Vogelfrau kopfschüttelnd. "Aber wenn ihr darauf besteht gut."
 

Sie erhob sich. "Folgt mir."
 

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Rin hatte es endlich geschafft und lag auf dem Bett in seinem Zimmer. Nach einigen qualvollen Stunden in denen er am liebsten seinen Kopf auf die Tischplatte geschlagen hätte, um endlich bewusstlos und damit erlöst zu werden, war er endlich entlassen worden. Paymon war mehr als in Ordnung und nicht mal genervt als Rin ihm zum 26. Mal nach der Aussprache desselben Buchstaben fragte (Diese komischen Striche und Punkte daneben waren aber auch verwirrend!). Dennoch war er mehr als überfordert gewesen. Er könnte momentan nicht einmal 'Hallo, ich heiße...' auf Gehennisch sagen. Gut, es war seine erste Stunde gewesen, aber mit Zuversicht erfüllte es ihn nicht. Ganz im Gegenteil. Wenn er sich schon an den Grundsachen die Zähne ausbiss, wie sollte es dann später aussehen?
 

'Bisher hat es doch ganz gut geklappt, wenn die Anderen für mich übersetzt haben. Können wir es nicht einfach so lassen?!', fragte er sich frustriert und seufzte.
 

Es gab keinen Weg vorbei, er musste da irgendwie durch. Er rollte zur Seite und griff sein Handy, welches auf seinem Nachttisch lag. Zu seiner Überraschung hatte er Empfang, auch wenn es schwach war. Sollte er es riskieren und jemanden in Assiah anrufen? Weder Satan noch einer seiner Halbbrüder hatten es ihm verboten, also war es doch sicher in Ordnung, wenn er nicht zu viel verriet? Fieberhaft überlegte er wen er überhaupt anrufen sollte. Yukio? Die Mönche im Kloster? Shura? Einen seiner Freunde?
 

Wahrscheinlich würde das Signal bald wieder verschwinden, also musste er sich schnell entscheiden und sich kurz fassen. Nach kurzem überlegen öffnete er sein Telefonbuch und wählte Yukio aus. Etwas nervös wartete er darauf, dass sein Zwilling annahm. Wahrscheinlich war es keine gute Idee zu erwähnen, dass er sich eigentlich ganz gut mit den Baal und einigen Dämonen verstand. Außerdem lief zu dieser Zeit normalerweise die Exorzistenklasse, er war also beschäftigt. Bevor er es sich anders überlegen und auflegen konnte, hörte er die Stimme seines Bruders.
 

"Ja?", fragte diese vorsichtig.
 

"......Hey Yukio."
 

"RIN?!"
 

Dem besagten Halbdämonen platzte fast das Trommelfell. "Autsch....ja ich bin's, du musst nicht so schreien!"
 

Yukio hörte ihm gar nicht zu, sondern begann ihn mit Fragen zu bombardieren. Außerdem bestätigte sich Rins Vermutung. Tatsächlich schien er im Unterricht zu sein, denn er hörte die Stimmen seiner Freunde und sogar Shura.
 

"Okumura?!"
 

"Ist das Okumura?! Warum hat der Trottel so lang gebraucht?!"
 

"Rin ist alles ok?! Bist du verletzt?!"
 

"Du bist so sein Volltrottel!"
 

"Hey, ist alles in Ordnung?!"
 

"Wenn ich dich in die Finger kriege!"
 

Rin hielt das Handy inzwischen eine gute Armlänge von sich. "Wenn ihr mal still sein würdet und mich zu Wort kommen lasst, kämen wir voran!"
 

"Wo bist du?! Geht es dir gut?! Wir haben seit Tagen versucht dich zu erreichen!", fragte Yukio beinahe hysterisch. Er war kurz davor sein Handy zu zerquetschen.
 

"Ja, mir geht's gut, auch wenn ich auf einiges hätte verzichten können. Ich habe mein Handy erst heute zurückbekommen und der Empfang ist hier grottig, wir haben nicht viel Zeit."
 

"Rin, wo bist du? Und komm mir nicht mit Gehenna! Warum kannst du so einfach mit uns reden? Bist du abgehauen?", hakte Shura scharf nach.
 

"Nein, ich bin nicht abgehauen. Lange Geschichte, ich bin in Satans Palast-"
 

"DU BIST WO?!", schrien die Exorzisten. Shura hing Yukio inzwischen um den Hals, sodass sie ihn beinahe erwürgte.
 

"Es war ja nicht meine Entscheidung!", verteidigte sich der Nephilim schnell.
 

"Du....bist also Satan begegnet?", fragte Koneko ein wenig verängstigt.
 

"Ja, vier Mal bis jetzt.", er hielt kurz inne. "Gut, sechsmal. Ich war zwei Mal nicht ganz bei mir..."
 

Er konnte sich die entsetzten Gesichter nur allzu gut ausmalen.
 

"Wie kannst du so lässig darüber reden?!", fauchte Bon.
 

"Bis auf das erste Treffen ist es nie eskaliert!"
 

Yukio schien kurz davor zu stehen umzukippen. "Rin, was hast du bei der ersten Begegnung angestellt?!"
 

Der Halbdämon zögerte kurz. "Najaaaaaaaaaaa, ich schätze....ich bin auf ihn drauf gesprungen, habe ihn als einen verdammten Hurensöhn beschimpft und buchstäblich versucht ihn zu erwürgen?" In seinem Kopf hatte es irgendwie harmloser geklungen.
 

"WAS?!", kam der kollektive Aufschrei.
 

'Super gemacht.', lobte er sich.
 

"Es ist nicht so schlimm wie es klingt! Ihm war das ziemlich egal. Ich glaube, er war eher genervt als sauer." Nicht die ganze Wahrheit, aber auch keine komplette Lüge.
 

"Was ist überhaupt hier los?", mischte sich nun Izumo ein. "Erst kommen irgendwelche Dämonen in die Akademie um uns umzubringen, dann mischen sich die Dämonenkönige ein, erzählen uns was von irgendeiner Lilith und jetzt rufst du uns aus heiterem Himmel an?! Ist das irgendein schlechter Streich?!"
 

Rin biss sich auf die Lippe. "Lilith war die erste Dämonin, hatte eine Rebellion gegen Satan angezettelt und beinahe gewonnen. Sie wurde versiegelt und versucht jetzt sich zu befreien. Darum sind die Baal im Vatikan gelandet. Sie hat irgendwie die Pforte manipuliert." Letzteres hatte er heute erst von Paymon erfahren. Es erklärte einiges.
 

"Aber dann sind die Dämonen doch bestimmt abgelenkt.", stellte Shiemi aufgeregt fest. "Vielleicht kannst du irgendwie fliehen!"
 

Der Halbdämon zerstörte nur ungern ihre Hoffnungen. "Daraus wird nichts. Hier sind vor einigen Tagen ein paar Ratsmitglieder vergiftet worden und ein Alukah ist eingebrochen. Hier sind überall Wachen und ich glaube, sie haben sogar die Erlaubnis bekommen Eindringlinge anzugreifen. Bei meinem Glück halten die mich für einen Einbrecher und bringen mich um, bevor die erste Treppe hinter mir habe!" Er zögerte. "Abgesehen davon, was soll dann passieren? Ich kann die Gehennapforte nicht öffnen. Selbst wenn ich irgendwie nach Assiah gelange, werde ich dort nur hingerichtet und dieses Mal ist der Clown nicht da, um mir den Hintern zu retten."
 

"Du weißt also schon davon, wie?", grummelte Bon. "Was ist überhaupt ein Alukah?"
 

"Sowas wie ein Vampir, ist egal. Ja, ich weiß davon. Nach Assiah zurückzukehren ist unmöglich."
 

"Wir können dich nicht einfach in Gehenna lassen!", rief Shima erschrocken.
 

"Irgendwas fällt uns ein.", bestätigte Shura.
 

Rin gab nicht nach. "Nein. Ich habe euch schon oft genug in Gefahr gebracht-"
 

"Und uns gerettet!", widersprach Bon. "Also lass dir jetzt verdammt noch mal helfen!"
 

"Wie denn bitte?! Solange Yukio nicht plötzlich dämonische Kräfte ausbildet und lernt die Gehennapforte zu öffnen, könnt ihr nichts tun! Ihr sitzt in Assiah fest, ich in Gehenna und wahrscheinlich ist das besser so!"
 

"Besser?! Was ist daran bitte besser?!", fauchte Yukio.
 

"Weil Satan Assiah egal ist und er nicht angreifen wird, solange ihr ihm keinen triftigen Grund gebt!", fauchte der Nephilim zurück.
 

"Ach und woher weißt du das?! Haben dir das die Dämonen gesagt?!"
 

Als Rin schwieg, fuhr er etwas ruhiger fort. "Was ist passiert? Erst wirst du von Dämonen entführt, wir hören nichts von dir, fürchten das Schlimmste und jetzt meldest du dich?"
 

"Es ist 'ne lange Geschichte.", murmelte Rin. "Aber macht euch um mich keine Sorgen."
 

"Du bist in Satans Palast und wir sollen uns keine Sorgen machen?", echote Miwa entsetzt.
 

"Mir geht's gut, wirklich. Satan und die Baal sind ehrlich gesagt das geringste Problem. Ich verspreche, dass ich euch bei Gelegenheit alles erkläre."
 

"Bei Gelegenheit?! Du könntest dort sterben!", rief Shura frustriert, doch sie klang bereits ziemlich abgehakt. Das Signal würde wohl jede Sekunde verschwinden.
 

"Rin...", flüsterte Shiemi verängstigt.
 

"Macht euch um mich keine Sorgen! Passt nur auf, dass-" Natürlich brach das Signal ab bevor er seinen Satz beenden konnte.
 

"Ach komm, das ist jetzt einfach nur noch Trolling!", knurrte der Halbdämon frustriert, legte auf und warf sich frustriet auf sein Bett.
 

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Indra war genervt. All die ganzen Untersuchungen, um mehr über die Blutjäger herauszufinden und nun, wo sie versuchte mit ihren eigenen Problemen fertig zu werden, war sie doch tatsächlich in einer Sackgasse gelandet! Hatten sich wirklich alle gegen sie verschworen?!
 

Wütend warf sie das Buch beiseite, was einen erschrockenen Laut von Nasu, ihrer Zofe und besten Freundin entlockte.
 

"Haltet bitte still, sonst müssen wir von vorne anfangen.", bat die Dämonin.
 

Indra seufzte nur und ließ sich im Stuhl zurücksinken. Wie Satan ihr versprochen hatte, konnte sie bereits heute Morgen sofort ein Gästezimmer beziehen. Nun saß sie vor einem Schminktisch und ließ sich von Nasu die Haare neu machen.
 

"Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mich duzen kannst, wenn wir unter uns sind?"
 

"Ziemlich oft. Es ist einfach Angewohnheit." Die Zofe beugte sich nach vorne und griff einige Haarnadeln. "Also was genau hat dir das Buch getan, dass du es mit wegschleudern bestrafst?"
 

Die ältere Dämonin schnaubte. "Die ganzen Wälzer sind vollkommen nutzlos. Ich habe unter anderem versucht mehr über Liliths Amulett herauszufinden und wo es gelandet sein könnte, aber ich finde nichts!"
 

"Das hat man doch schon seit Jahrtausenden nicht herausfinden können."
 

"Weil nur Idioten daran arbeiten!"
 

"....Das wage ich zu bezweifeln."
 

Indra schmollte leicht. "Auf wessen Seite stehst du?"
 

Nasu lachte nur. Kurz darauf fing sie wieder an zu sprechen. "Warum gehst du nicht zu Satan und erklärst, was letzte Nacht passiert ist?"
 

Sie erhielt ein Augenrollen. "Glaubst du wirklich, dass Satan auf mich hört, wenn ich behaupte, dass einer seiner Söhne ein Verräter sein könnte? Eher heirate ich Alastor. Ich brauche handfeste Beweise. Weder Satan noch die Baal werden mir da weiterhelfen."
 

"Und wie willst du das bewerkstelligen?"
 

Indra lächelte. "So wie immer. List, Lügen mit einem Hauch Wahrheit, Charisma, Bestechung und Versuchung. Das wird ein interessantes Spiel."

Noch mehr Sackgassen

"Was für ein Reinfall. Wir haben nichts herausgefunden. Diese Harpyien sind aber auch wirklich nur als Boten oder zum tratschen zu gebrauchen.", grummelte Ankou als der Abstieg endlich geschafft war. Gemeinsam hatten sie versucht etwas aus den gefangenen Harpyien herauszuholen, doch Aello sollte Recht behalten. Nichts war von der Person, die sie einst gewesen waren, übrig. Lediglich ihre tierischen Instinkte trieben sie noch an. Es war traurig und frustrierend zugleich.
 

Laut den Heilern waren jegliche Versuche Erinnerungen der Betroffenen zu wecken, fehlgeschlagen. Keiner erkannte Freunde oder Familie, auch mit einfachsten Gegenständen konnten sie nichts anfangen. Ohne weitere Ideen hatten sie aufgegeben.
 

Shax seufzte, Azazel blieb still.
 

Die Geisterdämonin sah ihn kritisch an. Sie war überzeugt davon, dass er vorhin einen Albtraum gehabt hatte, doch er stritt es ab. Langsam, aber sicher machte sie sich wirklich Sorgen um ihn. Er sah ziemlich ungesund aus und wenn sie sich nicht täuschte, hatte er Gewicht verloren. Nicht viel, aber es fiel ihr dennoch auf. Shax war ebenfalls besorgt, allerdings wussten beide, dass der Geisterkönig nichts sagen würde. Er redete nie über seine Probleme, sondern fraß sie in sich hinein. Das konnte einfach nicht gut gehen. Vielleicht sollten sie wirklich einen der Baal oder gleich Satan darauf ansprechen. Sie taten nur ungern etwas hinter Azazels Rücken, aber der Sturkopf ließ sich ja nicht helfen.
 

Ohne ein weiteres Wort führten sie einen Phasensprung aus, der sie zu Satans Palast bringen würde.
 

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Es war lange her seit Astaroth bei Amon Zuhause gewesen war. Er hätte ihm die Ruhe an seinem freien Tag wirklich gegönnt (so viel Ruhe, wie man mit drei Grundschulkindern und einem Säugling/beinahe Kleinkind eben haben kann). Er klopfte an die Tür.
 

"Ja, ich komme gleich!", hörte er Agashs Stimme, gefolgt von einem Poltern. Scheinbar machten die Kleinen Stimmung.
 

Astaroth wartete geduldig bis ihm die Tür geöffnet wurde. Vor ihm stand eine etwas erschöpft wirkende, blasse Frau mit schulterlangen, lavendelfarbenen Haaren und braunen Augen. Sie war knappe zehn Zentimeter kleiner als er.
 

"Astaroth?", entfuhr es ihr überrascht.
 

"Hi. Komm ich ungünstig?"
 

Agash schüttelte vehement den Kopf und trat beiseite. "Nein, ich habe nur nicht mit dir gerechnet. Komm rein. Ist etwas passiert?"
 

"Ja, irgendwie schon...ich müsste mit Amon reden.", antwortete der Fäulniskönig entschuldigend und betrat das Haus.
 

"Sicher." Sie drehte sich um. "LILU! Könntest du deinem Vater sagen, dass er Besuch hat?"
 

Ein kleines Mädchen lugte aus einer Tür hervor, sie war die jüngste der drei Töchter. Ihr leicht zerzausten Haare waren wie die Amons hellgrau mit dunkelgrauen Spitzen und reichten ihr bis zu den Hüften, doch ihre Augen waren braun wie Agashs. Sie nickte, winkte Astaroth kurz zu und flitzte los.
 

"Paaaapaaaaaaaa! Asarot ist hieeeeeeeeer!", krakeelte sie.
 

"....Sie hat immer noch Probleme mit deinem Namen.", sagte die Fäulnisdämonin etwas peinlich berührt.
 

Der Fäulniskönig zuckte mit den Schultern. "Da wurden mir schon schlimmere Namen verpasst."
 

Agash wollte gerade antworten, wurde jedoch von einem Scheppern aus der Küche unterbrochen.
 

"Mama!", heulte Mergi, die zweiälteste Tochter.
 

"Ich komme gleich!"
 

Wie auf Kommando begann nun auch Jestan zu schreien.
 

Agash stöhnte auf. "Er ist gerade erst eingeschlafen..."
 

"Er zahnt immer noch?"
 

"Ja. Zur Zeit schläft er nur oder kreischt wie eine Banshee ohne Rücksicht auf Verluste."
 

"Mama, Mergi blutet!", rief Vritra, die älteste Tochter.
 

"Ich komme!", sie wandte sich an den Fäulniskönig. "Amon ist im Arbeitszimmer, du kennst den Weg ja."
 

Astaroth nickte und stieg die Treppe hoch. Er konnte Lilu hören, welche inzwischen begonnen hatte "Das Feuer der Hölle" zu singen. Er war sich ziemlich sicher, dass sie nicht verstand worum es darum ging. Vritra dagegen hatte mit "Seid bereit" losgelegt. Wahrscheinlich war es eine schlechte Idee sie diese Filme sehen zu lassen, aber Amon hatte damals alleine auf sie aufpassen müssen als plötzlich unerwartete Arbeit kam, also mussten sie umplanen. Schließlich war es darauf hinausgelaufen, dass Samael ihnen (gegen einen Gefallen) aus Assiah Filme geschickt hatte. Zusammen hatten sie sich in Astaroths Zimmer verkrümelt, die Kinder vor den Fernseher gesetzt und das Problem war gelöst.
 

Er klopfte an und öffnete die Tür.
 

Amon sah auf. "Also habe ich richtig gehört. Was machst du denn hier? Kocht Samael mal wieder und du willst hier essen?"
 

Astaroth erschauderte. "Zum Glück nicht."
 

Er erzählte Amon, was passiert war, dieser versprach ihm Ausschau zu halten.
 

Nach einer knappen halben Stunde konnte er bereits gehen. Nach weiteren zehn Minuten hatte er endlich eine Zone erreicht, in der Phasensprünge wieder möglich waren.
 

Erleichtert, dass alles so schnell erledigt war, wollte er gerade verschwinden als sich seine Nackenhaare aufstellten. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er zog einen Dolch hervor und schlich langsam die Gasse entlang. Nichts war zu sehen. Dann sprang ohne Vorwarnung etwas aus den Schatten hervor. Instinktiv machte er einen Satz nach hinten, sodass ihn die Klinge um Haaresbreite verfehlte.
 

'Attentäter?! Auf offener Straße am helllichten Tag?!'
 

Mit einem lauten Knurren setzte er zum Gegenangriff an, doch die Gestalt wich geschickt aus. Frustriert setzte er nach und schaffte es zumindest seinem Angreifer die Kapuze herunterzuziehen.
 

Er erstarrte.
 

"Egyn?!", entfuhr er ihm. Noch während er das sagte, realisierte er seinen Fehler. Der kurze Moment reichte seinem Gegner aus. Ohne zu zögern holte er aus und zielte auf Astaroths Hals. Im letzten Moment blockte er mit seinem Dolchgriff, doch er spürte wie die Klinge des Anderen in seiner Hand versank.
 

"Du verdammter Rakshasa!", fauchte er und trat dem Doppelgänger ihm in den Magen.
 

Der falsche Egyn keuchte auf, der Dämonenkönig ergriff die Chance einen zweiten Dolch zu ziehen und nach vorne zu springen. Schnell und präzise schlitzte er seinem Gegner die Kehle auf. Er musste zugeben, dass es verdammt verstörend war, jemanden zu töten und beim Sterben zuzusehen, wenn derjenige wie der eigene Bruder aussah. Der Rakshasa begann sich zurück zu verwandeln, doch er hatte nicht die Zeit darauf zu achten. Erneut wurde er angegriffen, diesmal von hinten. Er ließ sich fallen und rollte zur Seite, sodass der neue Angreifer seine Schulter verfehlte.
 

Bevor er sich seinen Gegner genauer ansehen konnte, wurde ihm eine Feuerwand entgegengeschleudert.
 

'Warum ausgerechnet Feuer?!'
 

Mit knapper Not wich er aus und warf eines seiner Wurfmesser, doch die Feuerdämoin (er glaubte zumindest, dass sein Gegner weiblich war) trat einfach beiseite. Er versuchte seine Fäulniskräfte einzusetzen, aber natürlich hatten die gegen Feuer nur eine geringe Wirkung. Jetzt könnte er Egyn wirklich gebrauchen.
 

Während sie kämpften, wurde Astaroth noch etwas bewusst. Wer auch immer sich hinter Maske und Kapuze verbarg, kannte ihn persönlich und hatte ihn bereits kämpfen oder trainieren sehen. Die Unbekannte kannte nicht nur seinen Kampfstil sondern auch seine Tricks und Täuschungen. Allerdings hatte der Dämonenkönig noch ein Ass im Ärmel. Bei der Verhaftung der beiden Blutjäger und ihres Adoptivvaters (welcher ebenfalls bald hingerichtet werden würde) hatte man ihr Anwesen durchsucht und mehrere Kisten mit Weihwasser gefunden. Der Besitz war normalerweise verboten, doch einige der Baal hatten ein paar Flaschen eingesteckt, auch Astaroth. Er hatte nur eine kleine bei sich, aber wenn er es im richtigen Moment verwendete, konnte er den Kampf beenden.
 

Angespannt wartete er darauf, dass seine Gegnerin ihre Abwehr vernachlässigte und zog unauffällig das Fläschchen hervor. Als sich endlich eine Gelegenheit bot, täuschte er einen Angriff vor, setzte nach und sprühte ihr das Weihwasser ins Gesicht. Davon überrumpelt und schmerzerfüllt aufschreiend, sprang die Feuerdämonin nach hinten doch Astaroth erwischte sie am linken Unterarm. Blut floss, allerdings konnte der Fäulniskönig durch den zerrissenen Ärmel eine rote Tätowierung sehen. Es erkannte zwei ineinander verschlungene Drachen, welche sich um einen Turm wanden. Vielleicht auch ein Tempel.
 

'Warte, Tempel?!'
 

Er schob seine Überraschung schnell beiseite und griff erneut an, denn sie war aus dem Gleichgewicht geraten. Diesmal traf er und sein Wurfmesser bohrte sich in ihre rechte Schulter. Nun schien sie genug zu haben. Sie zog sich zurück und sprang auf eines der Dächer.
 

"Hey, komm zurück, du Miststück!" Natürlich hörte sie nicht. Er versuchte sie zu verfolgen, aber er verlor sie schnell aus den Augen.
 

'Verdammt.'
 

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Kuro streunte geistesabwesend den Gang entlang. Seitdem er nach Gehenna zurückgekehrt war, fühlte er sich wieder um einiges wohler. Assiah war nicht schlecht, aber es würde nie sein wahres Zuhause ersetzen. Er war erleichtert, dass auch Rin sich langsam an seine neue Umgebung und seine Familie gewöhnte. Kuro war keinem der Dämonenkönige (außer natürlich Samael) oder gar Satan je persönlich begegnet, jedoch erkannte er, dass sie nicht nur vollkommen in Ordnung waren, sondern sich sehr um Rin sorgten. Nur um Iblis machte die Nekomata lieber einen Bogen.
 

Als er um die Ecke bog, blieb er verwundert stehen. Dort stand eine schwer atmende Gestalt, welche sich an der Wand abstützte. Langsam begann er die Person zu umrunden und erschrak als er sie erkannte. Es war Azazel und er sah überhaupt nicht gut aus. Obwohl er mit dem Rücken zu Kuro stand, konnte dieser erkennen, dass es ihm schlecht ging. Der Geisterkönig kauerte inzwischen schon fast am Boden und murmelte etwas vor sich hin bis er von einem Hustenreiz unterbrochen wurde. Der Familiar war sich ziemlich sicher, Blut zu sehen.
 

"Lord Azazel?", fragte er etwas panisch.
 

Der Angesprochene drehte sich ruckartig um und Kuro wich erschrocken zurück. Der Geisterkönig hatte nicht nur Blut hervor gehustet, sondern blutete auch aus der Nase. Normalerweise passierte sowas nur, wenn ein Dämon seine Kräfte überstrapazierte. Doch das war nicht das Beängstigendste. Seine Dämonenmale zogen sich über das Gesicht, seine Augen waren der absolute Albtraum. Sie seltsam waren leer, dennoch lag in ihnen ein seltsames Leuchten, welches ihn erschaudern ließ. Normalerweise fühlte sich Kuro immer sehr wohl in Azazels Nähe, immerhin war er sein König, aber nun würde er am liebsten umdrehen und so weit wie möglich weglaufen.
 

Jedoch bleib er. Es ging dem Geisterdämonen offensichtlich nicht gut, also musste er ihm doch irgendwie helfen!
 

"Was ist los mit Euch?"
 

Azazel antwortete nicht. Ächzend griff er sich an den Kopf und ließ sich an der Wand zu Boden zu sinken. Einige Sekunden herrschte Stille, Kuro war bereits dabei loszulaufen und Hilfe zu holen, als der Dämonenkönig langsam aufstand. Seine Male waren verschwunden und seine Augen wieder normal.
 

"Na super, mein Schädel...", murmelte er, die Hand noch immer an die Stirn pressend.
 

Kuro kam vorsichtig näher. "Lord Azazel? Geht es Euch gut?"
 

Der schwarzhaarige Dämon sah ihn überrascht an und kniete sich hin, um halbwegs auf Augenhöhe mit ihm zu sein.
 

"Sicher...geh ruhig. Was wollte ich eigentlich machen?" Den letzten Teil murmelte er vor sich hin und schüttelte frustriert den Kopf.
 

Kuro sah ihn zweifelnd an. "Ihr solltet zu einem Heiler gehen. Ihr saht wirklich schlimm aus und hattet Nasenbluten."
 

Azazel zuckte mit den Schultern und wischte sich über die Nase. "Das ist nur der Stress. Ich war außerdem vorhin in der Wüste, ich bekomme bei trockener Luft oft Nasenbluten. Mach dir keine Sorgen."
 

Er wischte seine Hand an einem Tuch ab und strich Kuro über den Kopf. Dann richtete er sich erneut auf und ging, während ihm der Katzendämon unsicher hinterher sah.
 

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Rin hatte genug davon in seinem Zimmer zu hocken. Irgendeiner seiner Brüder musste doch noch im Palast sein, also klopfte er an jede der Zimmertüren. Als er bei Iblis Tür angekommen war, erhielt er endlich eine Antwort.
 

"Ja?"
 

"Ich bin's. Kann ich reinkommen? Mir ist langweilig."
 

"Ist der Flohsack bei dir?"
 

Rin verdrehte die Augen. "Nein, Kuro ist nicht bei mir."
 

"Gut, dann komm rein."
 

Er öffnete die Tür und betrat das Zimmer seines älteren Bruders. Es war vollkommen anders als Amaimons Zimmer. Zunächst einmal war es wesentlich wärmer. Die Wand war rot und golden, der Boden schien eine Art schwarzer Marmor zu sein, jedoch zogen sich einige Linien, welche wie Lava aussahen durch das Gestein. Die Einrichtung ähnelte seinem und Amaimons Zimmer, jedoch war alles in Rot-, Orange-, Gelb- und Goldtönen gehalten. Einige Klamotten lagen herum, sowie verschiedene Bücher. Pflanzen gab es keine, aber einen Fernseher. Warum hatten scheinbar alle einen Fernseher, nur Rin nicht?! Was jedoch seine Aufmerksamkeit auf sich zog, war ein Vogel. Dieser war ungefähr schwanengroß, seine Federn waren scharlachrot, orange und golden. Das Tier erwiderte seinen Blick mit seinen schwarzen Augen.
 

"Das ist Osiris. Er ist ein Phönix und mein Begleiter.", riss ihn plötzlich Iblis aus seinen Gedanken. Er sah überrascht auf. Irgendwie hatte er ihn ganz vergessen. Der Feuerdämon saß im Schneidersitz auf seinem Bett und hatte einen Laptop vor sich. Zu Rins Überraschung war auch sein Schweif draußen. Dieser war rot, das Fell am Ende sah in Form und Farbe aus wie eine Flamme.
 

"Sind das diese Vögel, die verbrennen?"
 

Der ältere Dämon nickte und warf dem Phönix etwas zu. Dieser fing es geschickt auf und fraß es. "Genau. Sie gehen in Flammen auf, wenn sie sterben und werden aus der Asche wiedergeboren. Sie sind eher selten als Begleiter, weil sie sich nicht auf jeden einlassen." Er klang stolz als er das erzählte.
 

"Ich habe ihn als Kind im Palastgarten gefunden, er war noch ein Küken und verletzt. Die Eltern waren nicht zu finden also haben wir uns um ihn gekümmert. Ich habe Vater angebettelt, dass ich ihn behalten darf. Ich habe es geschafft ihn wieder gesund zu pflegen und er hing sehr an mir, also hat Vater es schlussendlich erlaubt."
 

Rin nickte nur. "Haben die Anderen auch Begleiter?"
 

"Einige, aber außer Behemoth ist glaube keiner hier. Ich habe noch fünf junge Drachen, aber Vater erlaubt mir nicht mehr sie hier zu halten. Dabei sind sie momentan grad mal einen Meter lang. Sie sind immer ziemlich niedergeschlagen, wenn ich sie alleine lasse und wenn ich wiederkomme, hauen sie mich vor Freude fast um. Naja, wenn Vater es verbietet, kann man nichts machen. Er hat sowieso alles verboten, was Feuer oder Säure spuckt, Blut oder Hirn aussaugt, parasitär oder giftig ist und was aus Versehen im Essen landen könnte. Das war damals echt ein Horrortrip als Beels Viecher ausgebrochen sind. Die Liste ist noch länger, aber ich bin zu faul alle Verbote aufzuzählen."
 

Der Nephilim beschloss besser nicht nachzufragen. Er konnte auch irgendwo verstehen, warum Satan nicht fünf feuerspeiende Echsen in seinem Palast haben wollte.
 

Der Feuerdämon stand auf und streckte sich. "Wie wär's mit Essen? Ich verhungere bald."
 

Es klopfte an der Tür. Bevor Iblis jedoch antworten konnte, kam Halphas herein gestürzt. Es schien wichtig zu sein, denn er begann sofort zu reden und schien außer Atem. Rin verstand nur 'Astaroth', 'Rakshasa', 'Straße' und 'angegriffen'. Immerhin ein Anfang.
 

"Was ist passiert?", fragte er Iblis, dessen Gesicht sich verdüstert hatte.
 

"Astaroth war auf dem Rückweg von Amon und ist auf offener Straße von einer Rakshasa und einer Feuerdämonin angegriffen worden. Er glaubt, dass es das dritte Kind sein könnte. Sie konnte dummerweise fliehen."
 

Er seufzte. "Schätze mal, das Mittagessen muss warten."
 

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Die nächsten Tage waren ein einziges Durcheinander. Laut Astaroth muss die Angreiferin ihn gekannt haben, also arbeitete sie höchstwahrscheinlich im Palast. Er erzählte auch von der Tätowierung, sodass man alle weibliche Feuerdämonen im Palast überprüfte. Leider erfolglos.
 

Rin hatte Satan seit ihrem kurzen Gespräch nicht mehr zu Gesicht bekommen, auch die Baal ließen sich kaum blicken. Sie aßen sogar teilweise in ihren Zimmern. Hatte einer von ihnen gerade eine Pause, besuchte er den Halbdämon. Hin und wieder ließ Iblis in ihn seinem Zimmer Fernsehen gucken und manchmal erlaubte man ihm auch mit ihnen in einem Zimmer zu sein während sie arbeiteten.
 

Ansonsten verbrachte der Nephilim seine Zeit mit Kuro, Gehennisch lernen und mit lesen. Ja, lesen. Er hätte nie gedacht, dass es dazu kommen würde, aber ihm war so langweilig, dass er sich ein zufälliges Buch über die Lebewesen in Gehenna gegriffen hatte. Es war gar nicht mal so uninteressant, also hatte er weiter gelesen und lernte dadurch einiges.
 

Gehennisch war noch immer eine Tortur, aber Paymon behauptete, dass er Fortschritte machte. Sie waren ziemlich klein und schleppend, aber besser als nichts. Rin war überrascht, dass dem Lichtdämon nicht längst die Geduld ausgegangen war, aber scheinbar wurden ihm immerhin die Überstunden bezahlt.
 

Hin und wieder besuchten ihn zu seiner Verwunderung auch Shax und Agares, wenn sie frei hatten. Er mochte die beiden und war dankbar für die Gesellschafft. Ansonsten hatte er einen weiteren kleinen Erfolg zu melden: er schaffte es inzwischen allein zum Esszimmer und zum Archiv ohne sich auch nur ein einziges Mal zu verlaufen! Dies war wirklich ein großer Tag gewesen. So gesehen, könnte es also wirklich schlimmer sein.
 

Er war nur ziemlich stinkig gewesen, als Amaimon ihm erzählt hatte, dass Samael einen mehr als dreisten Vorschlag gemacht hatte. Man solle einfach alles, was Rin zu lernen hatte in Manga- oder Bilderbuchform präsentieren und schon war das Problem gelöst. Er war doch kein Kleinkind mehr! Abgesehen davon konnte ihm keiner erzählen, dass der Clown Japanisch innerhalb einer Woche gelernt hatte.
 

Gerade bereitete er sich auf seine nächste Stunde mit Paymon vor, als es klopfte.
 

"Ja?"
 

Es war Amon.
 

"Ähm, hi?", sagte Rin etwas verwirrt.
 

Der Fäulnisdämon verdrehte die Augen. "Jetzt schau nicht so, als würde ich dich einen Kopf kürzer machen wollen. Ich bin nicht Alastor. Ich bin nur hier, weil ich zu Astaroth musste und Paymon und Satan auf dem Weg hier her begegnet bin. Deine Stunde mit Paymon fällt aus, du trainierst stattdessen mit Ankou Nahkampf. Ich beneide dich ehrlich gesagt nicht."
 

Es war das erste Mal, dass er mit dem Nephilim richtig sprach. Sein Akzent war wesentlich schwerer als Rin es bisher gehört hatte und er musste sich an mancher Stelle ziemlich Mühe geben, um ihn zu verstehen. Offensichtlich verwendete er Sprachen Assiahs oder zumindest Japanisch nicht oft. Natürlich kommentierte er das nicht.
 

"Warum denn das?"
 

Er grinste gemein. "Sie wird dich hart ran nehmen. Zwar sieht sie nicht so aus, aber sie könnte wahrscheinlich jemanden umhauen, der doppelt so groß ist wie sie. Versuche dir nicht zu viele Knochen brechen zu lassen, die Heiler haben schon viel zu tun, ja?"
 

Er drehte sich um und begann davonzugehen. "Sie wartet in der Trainingshalle auf dich. Zweites Stockwerk, linker Ostflügel. Bring dir irgendwelche Trainingssachen mit."
 

"Danke!", rief Rin ihm nach.
 

Amon blieb stehen und nickte ihm knapp zu, dann verschwand er endgültig.
 

Rin ging zu seinem Schrank. Er hatte in den letzten Tage seine Klamotten und Habseligkeiten ausgepackt und im Raum verteilt, also konnte er eine der leeren Taschen nehmen. Außerdem hatte er endlich erfahren, wo Kurikura war. Satan hatte es irgendwo in seiner Waffenkammer untergebracht, zumindest so lange bis Rin endlich seine Flammen kontrollieren konnte. Zwar war der Nephilim nicht gerade begeistert gewesen, aber es war wohl nachvollziehbar.
 

Er suchte sich ein T-Shirt, eine Trainingshose sowie Turnschuhe zusammen und warf alles hinein. Dann schnappte er sich die Tasche und verließ das Zimmer. Inzwischen hatte er einen Schlüssel bekommen und ihm war eingeschärft worden, sein Zimmer immer abzuschließen, wenn er es verließ. Nachdem dies erledigt war, machte er sich auf den Weg. Natürlich verlief er sich und es war kein Diener in Sicht, den er nach den Weg hätte fragen können. Schlussendlich traf er auf einige Wächter, denen er trotz seines begrenzten Wortschatzes klar machen konnte, wohin er wollte. Einer von ihnen bot an, ihn hinzubringen. Natürlich nahm Rin an.
 

Endlich stand er vor der richtigen Tür und der Nephilim bedankte sich. Der Wächter nickte ihm nur grinsend zu und ging zurück zu seinem Posten.
 

Tief durchatmend öffnete er die Tür.
 

"Du bist spät dran.", wurde er von der Geisterdämonin begrüßt.
 

"Tut mir leid, ich war-", begann er, doch stockte als er sie sah.
 

Sie trug ein graues, bauchfreies Sport-Top und eine schwarze, eng anliegende Trainingshose (Wie versteckte sie bitte ihren Schweif?!), ihre schwarzen Haare hatte sie geflochten. Sie sah ohne ihre Rüstung  noch zierlicher aus, aber dafür treib sie offensichtlich regelmäßig Sport. Außerdem erkannte er nun, dass sie tätowiert war. An ihrem linken Oberarm war Azazels Zeichen eintätowiert, darunter ein seltsames Symbol (später erfuhr er, dass es ein Triskell war) und etwas rotes verschnörkeltes. An ihrer Taille war ein Wolfskopf zu sehen.
 

Die Dämonin hob eine Braue. "Und was gibt es da zu bestaunen?", fragte sie bissig.
 

Rin zuckte zusammen als ihm klar wurde, dass er sie anstarrte. Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Entschuldige, es ist nur komisch dich ohne deine Rüstung zu sehen. Ich hätte auch nicht gedacht, dass du Tattoos magst..."
 

"Viele lassen sich das Siegel des Dämonenkönigs tätowieren, dem sie dienen. Für uns Stellvertreter war das sogar Pflicht, die Baal haben zu ihrer Krönung ebenfalls ihre jeweilige Siegeltätowierung bekommen. Ansonsten lassen sich viele welche bei bestimmten Erfolgen oder Erlebnissen stechen.", erklärte sie etwas milder gestimmt. "Warum bist du zu spät? Hast du dich verlaufen?"
 

Der Nephilim nickte. "Amon meinte nur, es wäre  im zweiten Stock, linker Ostflügel. Ich musste ein paar Wachen nach dem Weg fragen. Dass ich versehentlich 'Trainingshalle' und 'Besenkammer' verwechselt habe, hat es nicht leichter gemacht. Frag bitte nicht."
 

Ankou seufzte. "Wenn ich Amon in die Finger kriege...egal. Geh dich einfach umziehen."
 

Rin nickte erleichtert.
 

Fünf Minuten später war er fertig. Ankou stand mit verschränkten Armen vor ihm und betrachtete seinen Körper. "Zumindest scheinst du halbwegs sportlich zu sein. Samael hat mir erzählt, dass du keine Erfahrungen im waffenlosen Nahkampf hast, außer irgendwelche Prügeleien. Die zählen natürlich nicht. Ich werde mich ein wenig zurückhalten, aber glaube nicht, dass ich dich mit Samthandschuhen anfassen werde. Schmerzen sind immer noch der beste Lehrmeister."
 

Rin gefiel nicht, was er hörte, aber er musste da wohl durch.
 

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Weder Amon noch Ankou hatten Witze gemacht. Die Geisterdämonin war gnadenlos. Alleine nach dem Aufwärmen wäre er am liebsten an Ort und Stelle zusammengebrochen. Ein normaler Mensch wäre es längst.
 

Das eigentlich Training bestand mehr oder weniger daraus, sie anzugreifen und sich von ihr auf die Matte donnern zu lassen. Sie hatte ihm einige Angriffe gezeigt, doch er war immer zu langsam und sie viel zu schnell. Erneut versuchte er einen Treffer zu landen und wieder fiel er zu Boden, diesmal auf dem Bauch. Er spürte wie sie ihren Fuß auf seinem Rücken platzierte und Druck ausübte. Seine Rippen knackten bedrohlich.
 

"Du bist tot.", sagte sie seufzend.
 

"Wenn du dich weiter auf mich stellst, auf jeden Fall.", stieß Rin hervor, denn er bekam kaum Luft.
 

Sie nahm ihren Fuß herunter und wartete geduldig bis er sich endlich aufgerappelt hatte. "Los, überrasche mich. Es wird allmählich langweilig."
 

Rin biss frustriert die Zähne zusammen und stürmte auf sie zu. Diesmal fiel er nicht hin, sondern hing mehr oder weniger in Ankous Griff, ihr rechter Arm war um seinen Hals geschlungen. Erschrocken schnappte er nach Luft.
 

"Du bist so vorhersehbar.", murmelte sie und ließ ihn los, woraufhin er ziemlich unsanft landete.
 

"Du lässt dich zu sehr von Emotionen kontrollieren.", fuhr sie fort. "Nicht untypisch für Dämonen, aber es ist gefährlich. Wut und Hass sind ein Kraftstoff, der nur allzu schnell verbrennt. Iblis hat beispielsweise gelernt seine Wut zu fokussieren und entsprechend einzusetzen ohne die Kontrolle über sein Dämonenherz zu verlieren. Wenn du dich zu sehr solchen Gefühlen hingibst, kannst du die Beherrschung über dich verlieren und wirst einfach nur zu einem Wesen ohne Verstand, dass alles angreift. Das wäre dir schon fast im Kampf mit Amaimon passiert, allerdings war das noch harmlos."
 

"Was soll das heißen 'die Kontrolle über mein Dämonenherz verlieren'?", keuchte Rin.
 

"Jeder Dämon muss lernen sich seinen dämonischen Instinkten zu stellen. Wer keine Kontrolle über sein Dämonenherz hat, ist eine Gefahr für sich und alle anderen. Das innere Biest übernimmt dich und zerstört alles. Du bist noch versiegelt, daher ist das Problem noch nicht so präsent. Sobald deine Dämonenhälfte jedoch endgültig entfesselt wird, musst auch du dich dem stellen."
 

"Wenn ich also die Kontrolle über meine Gefühle oder mein Dämonenherz verliere, verliere ich auch die Kontrolle über mich selbst und meine Kräfte. Dann kommen animalische Instinkte hervor, die alles in Schutt und Asche legen wollen?", hakte der Nephilim nach.
 

"Mehr oder weniger." Sie warf ihm eine Wasserflasche zu. "Wir machen kurz Pause."
 

Darüber war Rin mehr als dankbar. Er war vollkommen durchgeschwitzt, Ankou dagegen sah aus als könnte sie mal eben einen Marathon laufen.
 

"Langsam habe ich das Gefühl, dass du es genießt mich umhauen zu dürfen.", grummelte er.
 

Sie lachte leise. "Ich gebe zu, es ist eine gute Art Stress abzubauen."
 

"Danke."
 

"Immer gerne."
 

Rin verdrehte die Augen und trank einen weiteren Schluck. "Sei ehrlich, wie schlecht bin ich?"
 

Ankou, welche ebenfalls aus ihrer Flasche trank, hielt kurz inne und überlegte. "Ich denke dieses Ergebnis war zu erwarten. Du startest immerhin bei null. Du bist wie gesagt äußerst vorhersehbar und undiszipliniert, aber offensichtlich auch entschlossen und zeigst Ehrgeiz. Deine Technik ist bis jetzt gar nicht schlecht, mit regelmäßigem Training wird das sicher noch was werden."
 

Der Nephilim sah sie überrascht an. "Ich dachte eher, ich wäre eine wandelnde Katastrophe."
 

"Dann solltest du mal Tap beim Messerwerfen sehen. Er schafft es wirklich, dass die Teile nach hinten fliegen und einmal steckte eins in der Decke. Ich habe keinen blassen Schimmer, wie er das hinbekommen hat.", erzählte sie kopfschüttelnd.
 

Rin lachte. Er kannte den Erddämonen bisher gar nicht. Auch von Berith hatte er nichts mehr gesehen. Vielleicht sollte er versuchen mehr über sie zu erfahren. Die Winddämonin stand auf.
 

"Alles klar, genug Pause. Weiter geht's!"
 

Rin nickte und stand ebenfalls auf. Die nächste Stunde verbrachte er wieder größtenteils auf dem Boden, aber immerhin schaffte er es tatsächlich ein paar Schlägen auszuweichen als sie an der Reihe mit angreifen war.
 

Am Ende war er erschöpft, aber relativ zufrieden. Er duschte schnell und zog sich um, dann verabschiedete er sich und kehrte in sein Zimmer zurück, wo er sofort ins Bett fiel und einschlief.

Wieder Albträume

Rin hatte nicht damit gerechnet weitere Visionen oder Träume von der Vergangenheit zu haben, aber natürlich wollte man ihm keine Ruhe gönnen. Wieder stand er in einer Höhle, jedoch war es nicht jene in der Lilith versiegelt wurde. Um ihn herum tobte der Kampf, man hörte das Aufeinandertreffen der Waffen und die Schreie der Sterbenden und Verletzten. Er entdeckte Lucifer und Iblis, die anderen Dämonenkönige waren offensichtlich anderswo beschäftigt. Mit einer Mischung aus Bewunderung und Grauen beobachte er, wie sie einen Gegner nach dem anderen zu Fall brachten. Er hatte sie bereits im Kampf gegen diese Spinnen gesehen, aber das hier war schlimmer. Die Spinnen waren Tiere gewesen, das hier waren jedoch Menschen. Gut, Dämonen. Angehöriger ihrer eigenen Art.
 

Rin selbst konnte den Gedanken jemanden umzubringen nicht ertragen, sei es nun auf dem Schlachtfeld oder aus Notwehr. Andererseits hatte er sich genau das vorgenommen. Er wollte Exorzist werden, früher oder später hätte er demzufolge Dämonen töten müssen. Er hatte nie bedacht, dass diese genauso eine Familie hatten. Sie hatten ebenfalls Kinder, Ehepartner, Geschwister und Freunde und diese auch an Exorzisten verloren. Es war in gewisser Weise ein Teufelskreis.
 

Exorzist zu werden, hätte auch bedeutet gegen seine Halbgeschwister kämpfen zu müssen. Früher wäre das kein Problem gewesen (doch wäre es), aber nun war er sich hundertprozentig sicher, dass er es nie über sich bringen würde. Sie waren nicht perfekt, sie hatten sicher einige Menschen getötet und vielen Kummer bereitet, aber das war nicht aus Boshaftigkeit geschehen, sondern weil es nötig gewesen war. So wirkte es zumindest bis jetzt.
 

Er dachte an seinen Kampf mit Amaimon zurück. Der Erdkönig wollte ihn nie töten. Rin war sich nicht sicher, ob er seine Freunde getötet hätte oder nicht, aber schlussendlich war es der Nephilim selbst gewesen, der die Kontrolle verloren hatte. Ohne Samaels Eingreifen wäre von dem Erddämonen wahrscheinlich nichts übrig geblieben. Es wäre das erste Mal gewesen, dass er jemanden getötet hätte und das machte ihm Angst. Ankou hatte Recht. Wer keine Kontrolle über sich hatte, war eine Gefahr für sich selbst und alle die einen umgaben.
 

Während er seinen Gedanken nachhing, wurde der Kampf entschieden, aber der Preis erschien hoch. Nur Lucifer, Iblis und eine Handvoll Soldaten hatten überlebt.
 

"Wo kamen die denn her? Ich dachte die Tunnel sind frei?!", fragte einer der Dämonen.
 

"Sollten sie ja auch sein.", knurrte ein anderer. "Entweder sie sind an Lord Satan vorbeigekommen oder sie haben irgendeinen anderen Zugang gefunden."
 

"Aber vom Thronsaal aus ist der einzige Weg!", protestierte die einzige Dämonin der Gruppe.
 

"Vielleicht haben einige Erddämonen irgendwie nachgeholfen?"
 

"Und was ist mit den Barrieren?!"
 

"Genug jetzt!", fuhr Lucifer dazwischen. "Kümmert euch um die Verletzten!"
 

"Richtig, Entschuldigung."
 

Iblis kniete neben einem Dämonen, fühlte dessen Puls und schüttelte dann den Kopf. "Mist."
 

Lucifer zog derweil sein Schwert aus seinem letzten Gegner und betrachtete missbilligend die Klinge.
 

"Wenn das weiter so geht, kann ich mir ein neues besorgen.", grummelte er.
 

Der Feuerdämon zuckte mit den Schultern. "Solange du es nicht regelmäßig schrottest wie Egyn seinen Speer, sollte alles gut sein." Er nickte zu einigen Toten. "Hast du eine Ahnung, wie die in den Tunnel gelangt sind?"
 

Lucifer schüttelte nur düster den Kopf. "Ich habe keinen Schimmer. Wo stecken überhaupt Beelzebub und Amaimon?"
 

"Die sind glaube auf dem Weg zur Siegelkammer. Azazel, Egyn und Astaroth dürften schon da sein. Fehlt nur noch Samael. Hoffentlich schafft er es durch die Blockade."
 

"Hoffen wir eher, dass Lilith ihm nicht auf die Schliche gekommen ist. Es gab schon genug Tote und ich möchte kein Familienmitglied darunter sehen."
 

"Das kannst du laut sagen." Wie bestellt kam nun Samael dazu. Er war wie seine Geschwister zum Kampf gerüstet. Es war mehr als ungewohnt ihn in 'normaler' Kleidung zu sehen. Es war auch das erste Mal, dass Rin ihn ernst erlebte. Kein herablassendes Grinsen war zu sehen.
 

"Da bist du ja.", seufzte der Lichtkönig erleichtert.
 

Der Zeitdämon schnaubte. "Es wäre wesentlich einfacher gewesen, wenn mich die Wächter nicht angegriffen hätten."
 

"Es musste echt aussehen, sie darf nicht wissen, dass du auf unserer Seite stehst.", hielt der ältere Dämonenkönig dagegen.
 

"Nun, ich habe meinen Teil getan. Vater muss sie nur noch in die Kammer locken. Ist alles bereit?
 

"Azazel, Astaroth und Egyn sind wahrscheinlich schon unten, wir müssen nur noch unsere Siegel hinzufügen."
 

"Was ist mit Amaimon und Beelzebub?"
 

"Ich habe sie vorhin irgendwo Nördlich von hier gesehen. Alastor ist doch auch in die Richtung?", mischte sich Iblis ein.
 

Samael runzelte die Stirn. "Ich fürchte dafür haben wie keine Zeit mehr. Lilith war schon fast durchgekommen als ich ankam."
 

Iblis verdrehte die Augen. "Super, der König der Zeit sagt also, dass keine Zeit mehr ist. Wir sind am Arsch."
 

Es waren plötzlich Schritte zu hören. Sofort zogen die Baal und die anderen Dämonen ihre Waffen. Weitere Soldaten betraten den Raum, dicht gefolgt von Beelzebub und Amaimon.
 

"Drachen!", fauchte Beelzebub zur Begrüßung. "Dieses Miststück hat 2 junge Drachen! Woher hat sie die?! Sie sind schon knappe fünf Meter lang und drei Meter hoch!"
 

"Die kann man eigentlich ganz gut austricksen.", kommentierte Iblis.
 

"Wir sind nicht alle feuerresistent!", knurrte der Insektenkönig.
 

Lucifer wandte sich an die übrigen Dämonen. "Schafft die Verletzten weg und haltet hier dann die Stellung. Was auch immer passiert, lasst niemanden durch. Wir schicken eine Nachricht, wenn wir bereit sind, dann könnt ihr verschwinden."
 

Die Soldaten nickten, einigen war offensichtlich etwas mulmig, doch sie gaben sich Mühe es nicht zu zeigen.
 

"Gehen wir.", drängelte Beelzebub als die Höhle erneut begann zu erzittern.
 

Sie rannten los und Rin gab sein bestes mitzuhalten. Nach einer Weile erreichten sie eine weitere Höhle, dort waren zu ihrer Überraschung die restlichen drei Baal. Astaroth blutete stark an der Seite und hielt sich stöhnend den Kopf, Egyn hatte eine riesige Platzwunde an der Stirn. Azazel hatte mehrere tiefe Schnitte und blutete am Oberarm sowie an der Wange.
 

"Was ist passiert?! Warum seid ihr nicht in der Kammer?", fragte Iblis erschrocken.
 

"Lilith.", presste Astaroth hervor. "Sie ist hier. Hat uns angegriffen...autsch."
 

Er presste seine Hand auf die Seite. "Das war gerade erst verschlossen. Scheiße...", murmelte er.
 

"Wo ist sie?!", fauchte Samael. Rin starrte ihn an. Er hatte den ehemaligen Schulleiter noch nie so erlebt.
 

"Abgehauen.", murmelte Azazel und stand ächzend auf. "Sie will uns wahrscheinlich alle in einem Raum haben, um ihr Amulett einzusetzen. Wir haben alle drei das Bewusstsein verloren, also wissen wir es nicht genau."
 

"Dann nichts wie hinterher! Wenn sie das Siegel vor uns erreicht, gibt's Ärger. Könnt ihr laufen?", erkundigte sich Beelzebub.
 

Sie nickten. "Geht schon.", murmelte Egyn.
 

Iblis zog Astaroth auf die Füße. "Beeilen wir uns.", grummelte er.
 

Rin erfuhr nicht, was danach geschah. Erneut begann der Raum zu verschwimmen und kündigte das Ende der Vision an.
 

Diesmal wachte er jedoch nicht auf, sondern eine neue Umgebung formte sich. Er war wieder in der vertrauten Höhle. Das Siegel hatte noch mehr Risse als zuvor und hin wieder schienen Funken aufzusteigen. Das sah gar nicht gut aus.
 

"Na sieh mal einer an. Was haben wir denn hier?", erklang eine vertraute Stimme in seinem Kopf. Spott lag darin.
 

"Ernsthaft? Das ist ein klischeehafter Bösewichtsspruch.", erwiderte trocken. Er durfte jetzt keine Angst zeigen. Es war alles in seinem Kopf. Sie konnte nichts tun. Hoffte er.
 

"Vorlaut wie immer. Du enttäuschst mich Rin. Ich habe mich dir anvertraut und dir sogar meine Hilfe zugesichert, aber du musst dich unbedingt stur stellen. Wirklich bedauerlich. Ist dir überhaupt klar, was ich dir anbiete? Ich verlange nicht einmal viel dafür."
 

"Ach, hör doch auf. Ich weiß, wer du wirklich bist und was du getan hast, Lilith. Du hast einen Krieg begonnen, weil Satan dir den Laufpass gegeben hat und zusätzlich seine Frauen ermordet. Du bist krank!"
 

Die Temperatur im Raum veränderte sich schlagartig. Kälte kroch seine Glieder hinauf.
 

"DIESE HUREN HATTEN ES VERDIENT!", fauchte Lilith. "Sie haben sich an MEINEN Mann rangemacht und mit ihm Kinder bekommen! Das hätte ICH sein müssen! Diese Miststücke haben sich eingebildet, etwas besseres zu sein und ihn mir weggenommen! Ich habe jeden Moment in dem sie leiden mussten, genossen. Den meisten Spaß hatte ich mit der kleinen Wasserdämonin. Es ist wirklich erstaunlich, wie lange es dauern kann bis der Verstand eines Lebewesen zerbricht, nicht wahr?~ Irgendwann können sie nicht mal mehr die eigenen Kinder erkennen, geschweige denn Familie oder Freunde und gehen irgendwann sogar auf sie los.~ Ich hatte ja gehofft, dass sie sich irgendwann erhängt, aber leider ist sie zuvor an Entkräftung gestorben. Wirklich schade.~"
 

Sie begann zu lachen. Es war das Lachen einer Wahnsinnigen.
 

Rin lief ein Schauer über den Rücken. Von ihrem verdorbenen Charakter zu hören war eine Sache, ihn selbst zu erleben, war einfach nur verstörend.
 

"Du hast sie nicht mehr alle.", flüsterte er. "Du hast ernsthaft Egyns Mutter in den Wahnsinn getrieben, sodass sie ihn nicht mal mehr erkennen konnte? Das ist einfach nur krank. Egal was kommt, ich werde dir nie helfen und wenn es um mein Leben geht."
 

"Ach, wirklich? Du hast wirklich eine ziemlich große Klappe."
 

"Ich habe keine Angst vor dir."
 

"Das solltest du aber."
 

Ohne Vorwarnung bekam Rin plötzlich keine Luft mehr. Eine unsichtbare Hand schien seine Luftröhre zuzupressen. Bewegen konnte er sich ebenfalls nicht mehr. Er versuchte dagegen anzukämpfen, doch es war zwecklos. Es schien eher noch schlimmer zu werden. Er spürte wie sich etwas krallenähnliches über seinen Rücken zog und auch seine Arme bleiben nicht verschont. Für einen Traum fühlte sich alles ziemlich echt an.
 

"Du bist hier in meiner Welt. Hier habe ich die Kontrolle. Ich kann dich zwar nicht töten und nur leicht verletzen, aber dafür kann ich deine Träume heimsuchen und sie dir zu Hölle machen. Hüte also deine Zunge. Das ist meine letzte Warnung."
 

Der Halbdämon fiel auf die Knie, er konnte wieder atmen und war nicht länger paralysiert. Er starrte auf seine Arme, wo tatsächlich Kratzspuren zu sehen waren. Allerdings machte sich in ihm keine Angst breit, sondern Wut.
 

"Du kannst mir drohen, soviel du willst. Ich werde dir niemals helfen!"
 

"Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich habe inzwischen ein Schlupfloch gefunden.~"
 

"Schlupfloch?"
 

"Eine Lücke im Vertrag, ein Fehler-"
 

"Ich weiß, was das ist!"
 

"Wirklich? Das hätte ich dir bei deiner bescheidenen Intelligenz nicht zugetraut. Wie auch immer...inzwischen habe ich erkannt, dass ich dich gar nicht davon überzeugen muss mir zu helfen. Es geht so viel einfacher.~"
 

"Ach ja? Und wie?"
 

"Ts, ts. Ich werde doch die Überraschung nicht ruinieren.~ Ich gebe dir eine letzte Chance. Schließe dich mir freiwillig an oder gehe mit den Dämonenkönigen unter. Warum solltest du sie überhaupt unterstützen? Du bist für sie nur eine Schachfigur im Krieg gegen Assiah. Sie versuchen dein Vertrauen zu bekommen, damit sie dich als Waffe benutzen können. Deine sogenannten "Freunde" aus Assiah sind nicht besser. Wie kannst du so dumm sein und Menschen vertrauen, obwohl du selber keiner bist? Du wirst nie zu ihnen gehören. Du wirst in beiden Welten immer ein Außenseiter sein und irgendwann wird man dich fallen lassen wie ein kaputtes Spielzeug. Für dich gibt es keinen Platz. Du bist nur eine Laune der Natur. Ungewollt und allein.~ Wenn du mir jedoch hilfst, werde ich dafür sorgen, dass du dir um sowas nie wieder Gedanken machen musst."
 

Rin spürte wie seine Hände zitterten. "Halt den Mund!", fauchte er.
 

"Die Wahrheit tut weh, nicht wahr? Du armer Junge..."
 

"Ich falle nicht darauf rein! Du kannst mich nicht manipulieren."
 

"Ich sage nur die Wahrheit. Willst du weiterhin von allen verachtet werden? Hasserfüllte Blicke, Geflüster hinter deinem Rücken, ständige Angst...ist dies wirklich das Leben, das du dir wünschst?"
 

"Meine Freunde haben zu mir gehalten, auch nachdem sie erfahren haben, wer ich bin!"
 

"Bist du auch ganz sicher? Wenn dem so wäre, verrätst du sie hier mit jeder Sekunde. Du hast dich auf Dämonen eingelassen. Was würde wohl dein Bruder dazu sagen? Oder Shiro Fujimoto? Er ist gestorben, damit die Dämonen dich nicht in die Hände bekommen und du trittst sein Andenken mit den Füßen. Er wäre so enttäuscht..."
 

"HALT ENDLICH DIE KLAPPE!", schrie Rin.
 

Er wusste, dass er ihre Worte ignorieren sollte, doch sie waren wie Messerstiche. Sie griff dort an, wo es am meisten wehtat.
 

"Da habe ich wohl einen Nerv erwischt?"
 

"Du weißt gar nichts! Yukio und meine Freunde werden immer zu mir halten! Ich werde Satan und meine Brüder nicht an dich verraten! Ja, sie sind nicht perfekt und bis vor kurzem hätte ich sie am liebsten eingeäschert, aber sie haben mich wenigstens akzeptiert. Ich habe endlich eine Familie und das lasse ich mir nicht von einer eifersüchtigen, selbstverliebten, machtgeilen Psychohexe wegnehmen!!!"
 

Für einen kurzen Moment schien Lilith ernsthaft schockiert zu sein, auch Rin war selbst von seinen Worten überrascht. Er glaubte, dass sie ihn erneut würgen würde, doch zu seiner Überraschung begann sie erneut zu lachen.
 

"Oh, du bist wirklich unterhaltsam. Du glaubst wirklich, dass du ihnen etwas bedeutest?! Ha! Wir sind Dämonen. Verrat und Grausamkeit liegt in unserer Natur. Wenn sie einen Vorteil daraus ziehen könnten, würden sie dich ohne zu zögern töten. Du bist nur ein dreckiges Halbblut, eine Schande für die königliche Blutlinie. Aber weißt du was? Du amüsierst mich. Deshalb werde ich dich nicht sofort töten. Stattdessen werde ich dich langsam zu Tode foltern, während Satan und deine dämlichen Halbbrüder zusehen. Das dürfte eine gute Erinnerung daran sein, wer hier die Fäden in der Hand hält. Leider hatte ich nie die Gelegenheit dieses Flittchen aus Assiah umzubringen, aber das wird deine Qualen nur noch befriedigender machen.~"
 

Der Nephilim unterdrückte ein Schaudern. "Das wird nicht passieren. Du hast keine Macht, nicht in Gehenna und auch nicht in Assiah."
 

"Noch nicht direkt, aber dafür habe ich meine Leute im innersten Kreis. Es gibt kein Entkommen und da du mein Angebot abgelehnt hast, kann ich mich wohl nicht länger zurückhalten. Du wirst deine Entscheidung bereuen. Man sieht sich. Sehr bald.~"
 

Bevor Rin reagieren konnte, endete der Traum und er fuhr schweißgebadet aus dem Bett hoch. Seine Herz raste und als auf seine Arme sah, wich ihm die Farbe auf dem Gesicht. Sie waren voller blutiger Kratzer.
 

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Egyn hatte wirklich gehofft Kyrene unter schöneren Umständen wiederzusehen. Klar, es konnte unangenehm sein der Ex-Freundin zu begegnen, aber sie hatten sich unter beidseitigem Einverständnis getrennt und es herrschte kein böses Blut. Sie waren nach wie vor befreundet und er besuchte sie relativ oft, manchmal auch um sie um Rat zu fragen.
 

"Das Dorf ist wirklich schön. Nur die Einwohner sind wohl ein kleiner Minuspunkt.", kommentierte Agares während sie sich umsah. "Gibt es außer Kyrene noch andere nette Sirenen?"
 

Egyn zuckte mit den Schultern. "Ihre Eltern und Geschwister waren mehr als in Ordnung. Und solange die Sirenen diesmal Klamotten tragen, bin ich glücklich."
 

Die Wasserdämonin sah ihn fragend an. "Jetzt bin ich neugierig. Was ist passiert?"
 

Der Wasserkönig sah etwas peinlich berührt drein. "Du weißt, dass Sirenen normalerweise eine Schwanzflosse haben, die sie nach Belieben zu Beinen werden lassen können?"
 

"Ja?"
 

"Tja, da sie den Großteil ihres Lebens unter Wasser verbringen, sind sie meist nackt oder tragen nur ein Oberteil. Erst wenn sie längere Zeit an Land verbringen, ziehen sie sich meist etwas an. Naja, Vater und ich waren hier um etwas mit ihnen zu klären. Plötzlich standen mehrere der Mädels vor uns. Nackt. Natürlich haben sie uns sofort angebaggert, wir wollten am liebsten abhauen und irgendwann haben sie sich angefangen zu streiten. Nach einer Weile haben sie sich einfach nur noch Beleidigungen an den Kopf geworfen und wir konnten sie nicht beruhigen. Kyrene kam durch Zufall vorbei und da wir wussten, dass das eine Weile dauern kann, haben wir uns erst mal was zu essen besorgt. Übrigens haben sie sich immer noch gestritten als wir wieder kamen."
 

Agares versuchte ein Kichern zu unterdrücken, aber es misslang ihr. "Ich weiß nicht, warum ihr euch über die Aufmerksamkeit mehrere hübscher Mädchen beschwert."
 

Egyn sah sie entsetzt an. "Hast du eine Ahnung wie unangenehm das war?! Und sie waren viel zu jung für meinen Vater! Und nackt!"
 

Die Wasserdämonin konnte sich nicht mehr beherrschen und begann loszulachen. Sie erhielt nur einen entsetzten Blick. "Du solltest mal dein Gesicht sehen. Egyn, das war ein Witz."
 

Der Dämon errötete. "Sag doch sowas nicht..."
 

Seine Stellvertreterin grinste ihn an. "Komm schon, wir sollten Kyrene nicht warten lassen."
 

Sie erreichten Kyrenes Haus. Wie alle anderen Häuser war der größte Teil unter Wasser. Bevor sie klopfen konnten, öffnete die Sirene bereits die Tür.
 

Wie bei allen Sirenen sah man stellenweise Schuppen auf ihrer Haut, besonders auf den Armen und im Gesicht. Auch waren sie sehr farbenfroh. Ihre Augen schienen immer wieder die Farben zu wechseln, darum herum und im Gesichtsbereich sah man verschiede bunte Munster in allen Regenbogenfarben, welche zu leuchten schienen. Kyrenes Haare waren im oberen Bereich stahlblau dann dunkelblau, hellblau und türkis. Glücklicherweise trug sie Kleidung.
 

"Da seid ihr ja! Ich dachte schon, ihr habt euch verlaufen." Sie umarmte erst Egyn, dann Agares. "Kommt rein, es ist eine Weile her, nicht? Auf jeden Fall ist es schön euch wieder zu sehen."
 

"Wir freuen uns ebenfalls, auch wenn die Umstände wohl besser sein könnten.", antwortete Egyn  und setzte sich zusammen mit Agares an den Tisch.
 

Kyrene werkelte derweil in der Küche. "Wollt ihr etwas trinken?", fragte sie.
 

"Wenn du noch etwas von dieser Limo da hast, sage ich nicht nein.", antwortete Egyn und Agares nickte zustimmend.
 

"Gut, Moment."
 

Nachdem beide versorgt waren, setzte sie sich mit an den Tisch.
 

"Also ich habe gute und schlechte Nachrichten. Die guten sind, dass die Fischvorräte noch eine Weile reichen, wenn wir sie aus der Grundversorge für die anderen Reiche Gehennas nehmen. Die schlechte....Leviathan steckt dahinter."
 

Die Wasserdämonen stöhnten auf. Genau das hatten sie befürchtet. Leviathan war eine Mischung aus riesiger Seeschlange und einem Krokodil, sowie Invidias Schoßtier. Sie hatten es damals mit Müh und Not versiegeln können.
 

"Lass mich raten. Er frisst die Fische und lässt niemanden auf das Meer raus?", seufzte Egyn.
 

"Das stimmt, aber es wird noch schlimmer. Die anderen Tiere kommen auch nicht mehr an den Fisch und deswegen schwimmen sie immer dichter an das Ufer. Sie haben schon mehrmals Dorfbewohner angegriffen. Wir wissen, dass es sie es nicht böse meinen. Sie sind nur hungrig und sonst sind wir immer gut mit ihnen klar gekommen, aber so kann es nicht weitergehen. Irgendwann gibt es gar keinen Fisch mehr und viele werden verhungern. Das bisschen Landwirtschaft, das wir betreiben, wird nie ausreichen."
 

Agares verdrehte die Augen. "Also müssen wir Leviathan irgendwie loswerden. Super. Mir hat der letzte Kampf schon gereicht."
 

"Zumindest ist Invidia noch versiegelt.", antwortete Kyrene. "Wenn sie auch noch Befehle an ihn geben würde, wäre das Chaos bestimmt noch größer."
 

"Meinst du, dass Leviathan nach ihr sucht?"
 

"Darauf wette ich.", bestätigte der Wasserkönig. "Ihr Siegel wird nicht mehr lange halten und laut Lucifer ist Superbia auch auf dem Vormarsch."
 

Kyrene verzog das Gesicht. "Also kommen gleich die schlimmsten raus. Ganz toll."
 

"Fürs erste können wir nur versuchen Bannkreise zu legen, dann wird Leviathan zumindest ein wenig zurückgedrängt."
 

"Das wird nicht reichen."
 

"Es ist nur eine vorübergehende Notlösung."
 

"Dennoch müssen wir uns früher oder später darum kümmern.", warf Agares ein.
 

Egyn massierte sich die Schläfe. "Das weiß ich auch, aber momentan können wir nicht viel tun. Du weißt wie lange die Vorbereitungen für die Versiegelung dauern und Zeit ist momentan ein Luxus, den wir uns nicht leisten können." Er stand auf. "Komm, bringen wir es schnellstmöglich hinter uns."
 

"Geh du schon mal vor, ich muss kurz noch mit Agares reden."
 

Egyn zuckte mit den Schultern und ging.
 

Grinsend wandte sich die Sirene an die Wasserdämonin. "Also, wann sagst du ihm endlich, dass du ihn magst? So niedlich er auch ist, alleine kommt er da nie drauf."
 

"Nicht du auch noch..."
 

"Ich sage es dir schon seit Jahren! Egyn ist das Beste was dir passieren kann, also hole ihn dir endlich! Aber wenn du ihm weh tust, tu ich dir weh. Nur damit du es weißt.~"
 

"Zum letzten Mal, ich kann nicht-"
 

"Komm schon, seine Familie mag dich, seine Ex-Freundin -ich- ist einverstanden. Bessere Vorrausetzungen gibt es selten!"
 

Agares schüttelte nur den Kopf und folgte dem Wasserkönig nach draußen.
 

Kyrene schmollte leicht. "Warum habe ich nur damals versprochen ihm nichts zu sagen?"
 

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Ankou und Shax standen im Kriegsraum und warteten darauf, dass Satan fertig damit war die Truppenstellung auf dem Strategietisch neu zu organisieren.
 

"Ich hatte gehofft euch nicht so schnell wiederzusehen.", sagte er ohne aufzusehen und schaute stirnrunzelnd auf der Karte umher.
 

Sie waren nach ihrem Besuch bei den Harpyien direkt zu ihm gekommen und hatten ihm einige beunruhigende Dinge über Azazel erzählt. Hinzu kam auch noch Kuro, Rins Begleiter, welcher von einer Art Zusammenbruch berichtete. Unter lauten Protesten seitens Azazel hatte Satan seinen drittältesten daraufhin buchstäblich zu einigen Heilerin geschliffen. Sie hatten nichts gefunden und keine Erklärung für seine offensichtlich physische und psychische Abgeschlagenheit. Schlussendlich hatte man dem Geisterkönig etwas gegeben, was ihn albtraumlos schlafen lassen sollte, aber ob das wirklich helfen würde, war eine andere Geschichte. Eins war jedoch sicher: irgendetwas war hier oberfaul.
 

"Es tut uns leid, aber wir haben wieder schlechte Nachrichten für Euch.", begann Ankou zerknirscht.
 

"Azazel?"
 

"Er ist mehr oder weniger gleichbleibend. Er hat noch immer diese Blackouts und murmelte etwas vor sich hin. Außerdem scheint er öfter mal Kopfschmerzen zu haben oder weiß nicht, was er vor kurzem getan hat."
 

Satan sah auf. "Das ist nicht alles. Richtig?"
 

Shax nickte. "Eine Nachricht von Egyn ist angekommen. Leviathan ist frei."
 

Der Dämonengott stöhnte innerlich auf. Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
 

"Wie sieht es mit Invidias Siegel aus?"
 

"Ist intakt. Noch.", seufzte Shax.
 

In diesem Moment klopfte es an der Tür. Sie öffnete sich und Jahi kam herein. "Entschuldigt die Störung, aber wir haben organisatorische Probleme bezüglich des Blutgerichtes. Mehrere Lieferungen sind im Verzug und manches, was ankam, wurde gar nicht bestellt."
 

"Musst du damit wirklich ausgerechnet zu mir kommen?", seufzte Satan. "Abgesehen davon fällt das gar nicht in deinen Aufgabenbereich."
 

"Ich habe mich freiwillig bereit erklärt bei der Organisation zu helfen. Und ja, Ihr müsst Euch darum kümmern. Ihr habt dort unterschrieben und sie bestehen trotz falscher Lieferung auf ihre Bezahlung."
 

"Dann gib ihnen das verdammte Geld, ich habe grad andere Probleme."
 

"Aber das Blutgericht ist in schon zehn Tagen!"
 

Satan fluchte im Stillen. Das Blutgericht war am vierundzwanzigsten, heute war der vierzehnte. Mist.
 

"Gut, ich komme gleich. Geh schon vor." Die Feuerdämonin nickte und schloss erneut die Tür.
 

"Du hast es komplett vergessen, nicht wahr?", fragte Shax.
 

Der ältere Dämon nickte. "Ich hatte es im Hinterkopf, aber nicht das Datum."
 

"Iblis hat am einundzwanzigsten Geburtstag.", erinnerte Ankou ihn.
 

"Ich weiß, aber er hat bereits gesagt, dass die Feier verschoben werden soll. Wenn das Blutgericht keine Erinnerung an die Hinrichtungen unter Lilith wäre, hätte ich es abgesagt oder ebenfalls verschoben."
 

Er stand auf. "Behaltet Azazel weiterhin im Auge, ich kümmere mich derweil um diese vermaledeite Lieferung und schaue bei Egyn vorbei." Er schüttelte den Kopf. "Als ob ich nichts besseres zu tun hätte."
 

Damit verschwand er in seiner typischen blauen Flammensäule.

Strafarbeit

Zu behaupten, dass Rin einen kühlen Kopf bewahrte, wäre eine eiskalte Lüge gewesen. Er wusste, dass seine "Begegnungen" mit Lilith nicht einfach nur Träume waren, sondern tatsächlich stattfanden. Jedoch hätte er nie gedacht, dass sie ihm körperlichen Schaden zufügen konnte. Es war alles in seinem Kopf, wie konnte sie ihn da bitte kratzen?! Während er sich anzog, bemerkte er außerdem mehrere Kratzer am Rücken und Würgemale am Hals. Zu seiner Verwirrung trat seine Selbstheilung nicht ein und das war sicher kein gutes Zeichen.
 

Als er fertig war, machte er sich sofort auf den Weg zu seinen Geschwistern. Dummerweise waren alle Zimmer abgeschlossen, bis auf Lucifers. Er klopfte an und die Stimme des Lichtkönigs bat ihn herein. Das Zimmer seines ältesten Bruder entsprach so ziemlich seinen Vorstellungen. Die Wände waren in einem hellen gelb und weiß gestrichen, an einer Wand war eine abstrakte Sonne gemalt worden. Der Boden war weiß, darauf lag ein zartgelber Teppich. Die meisten Möbel waren ebenfalls zartgelb oder weiß. Es gab mehrere Bücherregale, welche bis oben hin gefüllt waren. Auch hingen Karten an der Wand sowie einige Landschaftsgemälde. Alles sah sehr ordentlich und organisiert aus, nirgends lag eine leere Verpackung oder ein Kleidungsstück herum. Sogar die Papierstapel auf seinem Schreibtisch waren in Ablagen sortiert worden. Lucifer und Beelzebub saßen sich gegenüber und spielten Schach. Neben ihnen auf einem Sofa spielten Astaroth und Iblis Karten, Azazel tippe auf seinem Smartphone und Amaimon lutschte an einem Lolli. Sie sahen auf als Rin dazukam.
 

"Morgen.", grüßte Lucifer. "Oder Mahlzeit? Du hast ziemlich lange geschlafen. Hat dich Ankou so sehr in den Schwitzkasten genommen?" Seine Augen verengten sich plötzlich. "Was hast du da am Hals?"
 

"Morgen.", murmelte Rin. "Das sind...Würgemale."
 

Die Dämonenkönige starrten ihn an, dann stand Iblis auf und zog ihn mit auf das Sofa.
 

"Erzähl uns alles.", befahl er scharf.
 

Das tat er auch. Er berichtete von seinen Visionen der Vergangenheit und dem erneuten Treffen mit Lilith. Als er fertig war, herrschte kurz Schweigen.
 

Schließlich ergriff Beelzebub das Wort. "Warum hast du uns nicht erzählt, dass du schon mal eine Vision der Vergangenheit hattest?"
 

"Ich habe ehrlich gesagt nicht mehr wirklich dran gedacht.", gab der Nephilim zu.
 

"Es ist jetzt sowieso egal. Zeigst du uns bitte deine Kratzer?", fragte Lucifer.
 

Rin zog etwas zögerlich sein Oberteil aus, sodass sie die Schrammen auf seinem Rücken und seinen Armen, sowie die Würgemale sehen konnten.
 

"Autsch.", kommentierte Astaroth als er sich den Rücken ansah. "Das blutet immer noch."
 

Rin zuckte zusammen als Lucifer vorsichtig über die Schrammen strich. "Tut das weh?", fragte dieser.
 

"Nein, brennt nur etwas."
 

"In Ordnung, dann ist es nicht so schlimm wie gedacht. Amaimon in meiner obersten Schreibtischschublade ist noch eine Flasche Tollkirschentinktur. Hol das bitte her.", bat der Lichtkönig den Erddämonen während er sich Rins Arme näher ansah.
 

Der Erdkönig kam der Aufforderung nach und Lucifer begann damit die Flüssigkeit auf einen Wattebausch zu träufeln.
 

"Das brennt jetzt etwas.", warnte er vor. Das war untertrieben. Der Nephilim fluchte als die Flüssigkeit mit seinen Verletzungen in Kontakt kam.
 

"Halt still, es wird gleich besser."
 

Er kümmerte sich zuerst um den Rücken, dann die Arme und den Hals. Das brennen ließ nach und er spürte, wie sich die Schrammen schlossen.
 

"So das hätten wir. Du kannst dich wieder anziehen."
 

Erleichtert kam Rin der Aufforderung nach. "Danke. Also was denkt ihr nun wegen meiner Visionen? Warum kann ich überhaupt in die Vergangenheit sehen?"
 

"Wahrscheinlich wegen Vater.", murmelte Amaimon.
 

"Heißt?"
 

"Sein eigentliches "Element" sind zwar seine Flammen, aber er hat auch die Grundkontrolle über unsere. Irgendwie muss er die ja bei der Erschaffung der Dämonen verliehen haben.", erklärte Iblis. "Jedenfalls hat er auch hin und wieder Visionen von der Zukunft oder der Vergangenheit. Schätze du hast diese Veranlagung geerbt."
 

In seiner Stimme schwang ein Tonfall mit, welchen Rin nicht wirklich zuordnen konnte. War es Unmut? Er war nicht ganz sicher.
 

"Auf jeden Fall sollten wir Vater Bescheid sagen.", merkte Beelzebub an. "Sicher kann er irgendwie dafür sorgen, dass sie sich nicht mehr in deine Träume schleichen kann."
 

Wenn es nur so einfach wäre.
 

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Rin sah sich staunend im Thronsaal um. Er war zum ersten Mal hier und konnte seine Neugier nicht unterdrücken. Der Raum war riesig! Der Boden bestand aus einem schwarzen polierten Stein (Obsidian, wie er später erfuhr), die Wände waren dagegen aus einem dunkelblauen Gestein. Die Decke war bemalt und wurde von mehreren schwarz-dunkelblauen Steinsäulen gestützt. Die Fenster waren im Gotik Stil, die schwarzen Scheiben nahmen jegliche nach draußen. Erleuchtet wurde der Raum von Satans blauen Flamme, welche in Feuerschalen brannte. Am Ende des Raums war ein schwarzes Podest, darauf stand der Thron des Dämonengottes. Dieser bestand ebenfalls aus Obsidian. Seitlich davon standen links und rechts je vier weitere Throne, offensichtlich für die Baal.
 

Diese waren gerade beschäftigt Satan alles zu erzählen, während Rin einiges ergänzte oder näher beschrieb. Egyn und Samael waren inzwischen dazu gekommen. Der Dämonengott hatte einen Arm auf der Lehne, stützte darauf seinen Kopf ab und hörte aufmerksam zu. Sein Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte. Als sie fertig waren, fuhr er sich mit der Hand durch seine Haare.
 

"Langsam, aber sicher bin ich versucht sie raus zu lassen damit ich ihr den Hals umdrehen kann. Ich werde versuchen zusätzliche Bannkreise zu platzieren um sie weiter einzudämmen. Mehr können wir momentan nicht tun."
 

Rin nickte nur. Was sollte er auch dazu sagen?
 

"Da ihr gerade alle hier seid, können wir gleich weitermachen.", fuhr Satan fort.
 

Die Dämonenkönige wechselten verwirrte Blicke.
 

"Ich dachte es wäre alles soweit geklärt? Iblis möchte seinen Geburtstag nicht feiern, also kommt nur das Blutgericht. Die Sommersonnenwende ist ein Hexenfest.", antwortete Egyn verwundert.
 

"Moment, Iblis Geburtstag?! Und was ist eine Sommersonnenwende und ein Blutgericht?", unterbrach Rin ihn.
 

"Ich habe am einundzwanzigsten Geburtstag.", sagte der Feuerkönig schulterzuckend. "Aber momentan ist so viel los, da möchte ich nicht feiern. Die Sommersonnenwende wird nur von den Hexen gefeiert und ist für uns uninteressant. Das Blutgericht ist ein Gedenktag für die Opfer, welche von Lilith und ihren Anhängern hingerichtet wurden und am vierundzwanzigsten."
 

Hexen? Der Nephilim machte eine mentale Notiz später nachzufragen. Irgendwie fand er auch den Gedanken befremdlich, dass Dämonen Geburtstag feierten. Andererseits machte es irgendwie Sinn, sie wurden ja wohl kaum vom Storch gebracht. Wie alt waren Satan und die Baal überhaupt?! Hatte Satan auch einen Geburtstag?!
 

Der Dämonenherrscher begann erneut zu sprechen und Rin hätte schwören kann, Belustigung in seiner Stimme zu hören. "Ihr habt immer noch eine Strafe abzubüßen."
 

Kollektives Aufstöhnen erfolgte.
 

"Aber brauchst du nicht unsere Hilfe beim organisieren?! Außerdem haben wir noch andere Sachen zu tun!", wandte Astaroth schnell ein.
 

Satan grinste gemein. "Das bekomme ich alleine hin und den Rest können eure Stellvertreter übernehmen."
 

"Aber-", versuchte Beelzebub einzulenken, doch der weißhaarige Dämon ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
 

"Ich habe eure Strafe bereits aufgeschoben, also hört auf euch zu beschweren. Ihr werdet das westliche Archiv aufräumen und alles neu sortieren. Wenn ihr schon dabei seid, könnt ihr euch gleich noch um den ganzen Staub und die Spinnenweben kümmern."
 

Einigen der Baal klappte der Kiefer auf.
 

"A-aber da wurde schon seit meiner Geburt nicht mehr sauber gemacht! Das wird Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern!", entrüstete sich Egyn.
 

"Dann wird es wohl höchste Zeit, nicht wahr? Geht also am besten gleich an die Arbeit.~", feixte Satan. "Übrigens dürft ihr weder eure Kräfte benutzen, noch einen der Bediensteten um Hilfe bitten. Denkt also gar nicht daran Vayas Gutmütigkeit auszunutzen. Wenn ihr dagegen verstoßt, werde ich das merken. Hin und wieder schaut Phenex vorbei, um euren Fortschritt zu überprüfen, also seid gründlich."
 

Er erhielt nur fassungsloses Starren, sogar Samael und Amaimon schauten etwas unglücklich drein.
 

"Können wir nicht-", begann Azazel etwas verzweifelt, aber erneut unterbracht Satan jegliche Widerworte.
 

"Nein, könnt ihr nicht. Oder wollt ihr lieber Aufgaben im Tartaros unter Alastors Aufsicht bekommen?"
 

"Das war eine rhetorische Frage.", seufzte er als Amaimon den Mund öffnete.
 

"Musst du sie wirklich so hart bestrafen?", mischte sich nun Rin ein. "Es ist doch nichts passiert." Inzwischen hatte er sich zusammengereimt, dass es wohl um den Barbesuch ging.
 

Satan rieb sich seufzend den Nasenrücken. "Rin, du musst sie nicht in Schutz nehmen. Sie haben einen Fehler gemacht und nun werden sie die Verantwortung tragen." Damit war das Thema wohl durch für ihn. "Ihr könnt gehen."
 

Wissend, dass es zwecklos war, wandten sie sich um und verließen den Saal. Erst als sie draußen waren, brach alles heraus.
 

"Das Archiv aufräumen...hat er sie nicht mehr alle?!", wetterte Iblis los.
 

"Iblis nicht so laut, wenn er dich hört-", unterbrach Egyn nervös.
 

"Scheiß drauf! Das soll doch wohl ein Scherz sein!", stimmte Astaroth dem Feuerkönig zu. "Allein den ganzen Dreck loszuwerden wird ewig dauern! Und wir dürfen unsere Fähigkeiten nicht verwenden?!"
 

"Ich würde mir eher Sorgen ums sortieren machen. Da ist wahrscheinlich alles komplett durcheinander.", grummelte Beelzebub.
 

Samael verdrehte die Augen. "Ich hatte nicht einmal etwas mit diesem Fiasko zu tun und bekomme Ärger. Immer diese Vorurteile..."
 

"Du hast genauso wenig aufgepasst!", hielt Lucifer gegen.
 

"Und wenn Lucifer nicht vorher dein Handy eingezogen hätte, hättest du alles gefilmt und Bilder gemacht.", murmelte Azazel.
 

"Also wirklich, mir so etwas vorzuwerfen...das tut weh."
 

"Das ist aber die Wahrheit.", murmelte Amaimon, woraufhin er einen entnervten Blick von Zeitkönig bekam.
 

Rin konnte nicht anders als sich etwas schuldig zu fühlen. "Tut mir leid, das ist-"
 

"Nicht deine Schuld.", unterbrach Lucifer ihn.
 

"Ich hätte genauso aufpassen müssen."
 

"Du hattest keine Erfahrung mit Alkohol und konntest es nicht einschätzen. Es war größtenteils unsere Schuld.", seufzte Beelzebub.
 

"Danke übrigens, dass du versucht hast ihn umzustimmen.", merkte Egyn an.
 

"Zu dumm, dass er uns verboten hat, um Hilfe zu bitten.", grummelte Astaroth. "Vaya kann nämlich nicht nein sagen, wenn man ihre Hilfe braucht..."
 

"Das nennt man ausnutzen.", knurrte Egyn.
 

"Ich könnte euch helfen.", schlug Rin vor.
 

Lucifer winkte ab. "Wir kommen schon alleine klar-"
 

Astaroth trat ihm auf den Fuß. "Was er meinte: gerne doch! Vater hat immerhin nie gesagt, dass du nicht helfen kannst."
 

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Rin betrachtete blinzelnd das Bild, welches sich ihm bot. Damit hatte er nicht gerechnet. "Das sind verdammt große Bücherstapel.", kommentierte er.
 

Wie hatte man all diese Bücher so hoch stapeln können?! Die Stapel gingen teilweise bis zur Decke! Das Archiv selbst bestand aus fünf Räumen und war mit Regalen und Kisten vollgestopft. Überall lag eine dicke Staubschicht, Spinnweben hüllten alles ein und er meinte etwas kleines über den Boden rennen zu hören. Die einzige Lichtquelle waren die Fenster, sowie einige Kerzen. Der Kamin war scheinbar lange nicht genutzt worden.
 

"Dafür brauchen wir doch ewig und drei Tage...", stöhnte Egyn entmutigt auf.
 

"Es könnte schlimmer sein.", versuchte Lucifer die Situation zu entschärfen.
 

Iblis verdrehte die Augen. "Schlimmer wäre nur, wenn Beels Viecher hier rumrennen würden."
 

Der Insektenkönig ignorierte ihn. "Immerhin müssen wir nicht Azazels Zimmer aufräumen."
 

"Das ist wirklich das einzig Positive.", seufzte Samael.
 

"Ich schätze, wir sollten uns heute nur auf das erste Zimmer konzentrieren. Zuerst kümmern wir uns um den Staub und die Spinnweben, dann fangen wir an die Bücher zu sortieren. Die Kisten sind zum Schluss dran.", schlug Lucifer vor. Sie nickten alle und machten sich grummelnd an die Arbeit.
 

Dank Beelzebub waren die Spinnen (Rin konnte nicht anders als bei ihrem Anblick zusammenzuzucken) relativ schnell verschwunden, also waren auch die Spinnennetze bald vollständig entfernt. Der Staub war ein größeres Problem und Astaroths Vorschlag, dass Egyn mit seinen Kräften einfach den Boden fluten sollte, hörte sich wirklich verlockend an. Schlussendlich kümmerten sich Egyn, Amaimon, Beelzebub, Azazel und Rin um den Boden, während die übrigen vier Baal die Regale übernahmen. Nach guten zwei Stunden war der Raum endlich halbwegs sauber (von den verdreckten Fenstern und dem Kamin abgesehen) und sie erlaubten sich eine kurze Pause, nur um fünfzehn Minuten später von Lucifer wieder hochgescheucht zu werden.
 

"Oh Man, ich fühle mich wie damals zu meiner Strafe in der Schulbibliothek. Nur diesmal ohne diese alte Schreckschraube von Bibliothekarin, die ständig 'Pscht' macht, obwohl man gar nichts sagt.", beschwerte sich Astaroth.
 

"Ihr wart in einer Schule?", entfuhr er Rin. Irgendwie war er immer davon ausgegangen, dass sie im Palast Privatunterricht bekommen hatten.
 

Iblis nickte. "Wir haben zwar auch Unterricht im Palast bekommen, aber Vater wollte nicht, dass wir hier vollkommen abgeschottet rumhängen also sind wir auf eine öffentliche Grundschule und danach auf eine Privatschule gegangen. Da aber die meisten so oder so Schiss vor uns hatten und ein Haufen Gerüchte über uns im Umlauf waren, haben wir trotzdem nicht wirklich Freunde gefunden. Da gingen zum großen Teil nur die Kinder von Reichen und Adligen hin und die waren meistens unerträglich. Einige aus den unteren Schichten sind durch Stipendien an die Schule gekommen, sie waren dann meist ganz in Ordnung. Da wir zumindest noch Amon, Ankou und Vaya kannten, ging es eigentlich."
 

Das machte wohl Sinn. "Ihr kennt sie also schon seit eurer Kindheit."
 

"Vayas und Ankous Eltern waren Diener hier und haben auch mit ihnen hier gelebt, Amons Vater war mit Vater gut befreundet.", erklärte Astaroth. "Amon wurde sogar hier im Palast geboren. Wir sind uns damals beim Kampftraining begegnet und ziemlich aneinander geraten. Das Ende vom Lied war, dass ich ihm ein paar Zähne ausgeschlagen habe."
 

"Und dir hat er die Nase gebrochen.", ergänzte Egyn.
 

Astaroth verdrehte die Augen. "Ja, ja. Es war unentschieden. Naja, irgendwie haben wir uns dann doch angefreundet. Wir haben ihm auch damals mit Agash geholfen, er selbst hat sich ja nicht getraut sie anzusprechen."
 

"Dafür hast du dich ewig nicht getraut Kali zu diesem Tanz einzuladen.", erinnerte Samael ihn feixend.
 

"Darum bin ich bei sowas immer mit Ankou gegangen. Viel weniger Stress.", murmelte Azazel.
 

"Stimmt und Egyn ist mit Vaya gegangen nachdem sie von ihrem Freund sitzen gelassen wurde.", fügte Beelzebub hinzu.
 

Iblis kratzte sich am Kopf. "Echt? Das weiß ich schon gar nicht mehr..."
 

"Wahrscheinlich weil du voll warst."
 

"Das waren wir alle, weil irgendjemand was in die Bowle gekippt hat. Andernfalls hätte sich fast keiner auf die Tanzfläche getraut!"
 

"War Vaya am Ende nicht auch betrunken?", überlegte Amaimon.
 

"Stimmt...", antwortete Astaroth stirnrunzelnd. "Irgendwie kam doch raus, dass ihr Ex-Freund schon eine getroffen hat, als sie noch zusammen waren. Die Arme war echt am Ende..."
 

"Ankou hat ihm doch sogar eine gescheuert oder?", erinnerte sich Iblis lachend.
 

Azazel nickte "Und sie hat die Bowle über ihm geleert...ne Moment. Sie wollte ihn zuerst darin ertränken, aber wir konnten sie davon abbringen. Am Ende mussten wir dann Vaya zurück zum Palast bringen, weil sie komplett aufgelöst war."
 

"Hat Ankou keinen Ärger bekommen?", fragte Rin.
 

"Glaube nein...", überlegte Iblis.
 

"Dafür durfte Vater mindestens einmal pro Woche dort vorbeischauen, weil ihr mal wieder etwas angestellt habt.", erinnerte Lucifer scharf.
 

"Einmal auch wegen dir!"
 

"Wegen uns allen und das war auch etwas anderes."
 

"Was ist passiert?", fragte Rin neugierig.
 

Iblis kicherte. "Wir haben ein paar Typen krankenhausreif geschlagen..."
 

"Weil sie uns ständig das Leben schwer machen mussten.", ergänzte Lucifer. "Ihr wart auf jeden Fall wesentlich anstrengender. Die Klassenlehrer haben irgendwann angefangen Vater zu duzen und dieses eine Mädchen hat ihm schon immer zugewunken."
 

"Erinnere mich nicht, Gehenna war das peinlich..."
 

Lucifer schüttelte den Kopf. "Genug jetzt, gehen wir zurück an die Arbeit."
 

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Rin wusste, dass er in nächster Zeit genug von staubigen Büchern hatte. Die Stapel schienen einfach nicht kleiner werden zu wollen und manche der Bücher waren äußerst widerspenstig. Erneut schaffte er es unbewusst ein Buch zu beleidigen, welches ihm daraufhin eine Standpauke hielt bis Iblis sich es schnappte, in das Regal stopfte und drohte es anzuzünden, wenn es nicht endlich ruhig wäre. Andere Bücher dachten gar nicht daran sich einsortieren zu lassen oder gar auf ihrem Platz zu bleiben, sondern flogen im Zimmer herum. Normalerweise hätte Azazel sie ganz einfach nach unten holen können, aber ihre Kräfte durften sie nicht benutzen und Phenex schaute regelmäßig vorbei. Immerhin war die Decke niedrig, sodass sie sich nur auf die Tische und Kisten stellen mussten, um sie einzufangen. Eine Sorte toppte allerdings alles und das waren die beißenden Bücher. Ja, beißende Bücher. Rin war sich nicht sicher wie das überhaupt funktionierte, aber ihn sollte wohl nichts mehr überraschen. Normalerweise konnten Bücher ja auch nicht sprechen oder fliegen.
 

Auf jeden Fall sah es wie ein stinknormales Buch aus, nur war eine Art Ledergurt drum gewickelt. Eigentlich hätte das wohl das erste Warnsignal sein müssen, aber er sah wie so oft den Wald vor lauter Bäumen nicht. Samaels Ausruf kam zu spät, er entfernte den Gurt und plötzlich schnappte das Buch nach seiner Hand, sodass er es erschrocken fallen ließ. Es konnte zwar nicht fliegen, aber dafür hüpfte es am Boden herum und schnappte nach ihren Knöcheln, also blieb ihnen nichts anderes übrig als sich auf die Tische zurückzuziehen. Am Ende rette Beelzebub den Tag indem er im richtigen Moment auf das Buch sprang und es mit seinem Gewicht am Boden hielt. Während Amaimon und Samael es schnell wieder festzurrten, entschuldigte sich Rin tausendfach. Alles im allem, kamen sie dennoch ganz gut voran. Es war eine gute Leseübung für den jungen Halbdämonen und wenn er einen Buchstaben nicht erkannte oder den Titel nicht ganz verstand, legte er es entweder vorerst beiseite oder fragte einen seinen Brüder. In gewisser Weise machte es sogar fast etwas Spaß, aber wenn er an die anderen vier Räume dachte, verging das ganz schnell wieder. Ansonsten waren öfters Flüche zu hören, wenn wieder mal die Bücher ausbüxten, sich jemand stieß oder etwas auf den Kopf fiel.
 

Zwischendurch gingen sie zum Mittagessen, Satan war nicht anwesend. Es gab heute etwas, was Rin entfernt an Chili con carne erinnerte, nur mit anderem Gemüse und weiteren unbekannten Zutaten. Er erfuhr außerdem, dass es Iblis Lieblingsessen war. Der Feuerkönig aß generell am liebsten scharf.
 

Die restlichen Stunden verbrachten sie weiterhin mit einsortieren bis sich schließlich die Tür öffnete. Sie glaubten, dass er nur wieder Phenex war, also achteten sie nicht darauf bis sich jemand räusperte. Es war Vaya.
 

"Hey Vaya.", wechselte Iblis ins Gehennische.
 

Rin gab sein bestes um alles zu verstehen, was danach kam, aber er hatte mehrere Wortlücken und dass sie auch noch Silben verschluckten und schnell redeten, machte es nicht einfacher.
 

"Ich ------- euch -------------- Satan sagen, ------- ihr -----------------machen könnt. --------------- er ----------Iblis und Rin ------------."
 

" ------ er gesagt, --------------------?", erkundigte sich Lucifer.
 

"Nein, Entschuldige."
 

"Danke, du kannst gehen."
 

"Tja, scheint als würde Vater mit uns sprechen wollen.", wandte sich Iblis an Rin. Der Nephilim überlegte fieberhaft, ob er etwas angestellt hatte, doch nichts fiel ihm ein. Er würde doch wohl keinen Ärger bekommen, weil er im Archiv mitgeholfen hatte? Andererseits war immerhin noch Iblis dabei, also musste es wohl etwas anderes sein.
 

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Glücklicherweise hatte niemand etwas angestellt. Als sie in Satans Arbeitszimmer ankamen war dieser gerade damit beschäftigt ein paar Dämonen rund zu erneuern. Sie scheinen mehr als erleichtert von den Neuankömmlingen erlöst zu werden. Als Satan sie entließ, beeilten sie sich, um schnell aus dem Zimmer zu kommen.
 

Der Dämonengott wirkte genervt, aber versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Er hatte die beiden zu sich gerufen, um ihnen mitzuteilen, dass Rin endlich lernen musste seine Flammen zu kontrollieren und Iblis die erste Stunde übernehmen sollte, da er selbst zu beschäftigt war.
 

Rin war sich ehrlich gesagt nicht so sicher, ob der Feuerkönig wirklich als Lehrer taugte, immerhin schien er nicht gerade der geduldige Typ zu sein. Andererseits war er ebenfalls ein Feuerdämon, also war er wahrscheinlich die beste Hilfe nach Satan.
 

Nun standen sie also in der Trainingshalle und der Nephilim hoffte, nichts aus Versehen anzuzünden. Ganz toll.
 

"Also Sammy hat erzählt, dass deine Flammen sich öfter selbstständig machen und du bisher immer nur versuchen solltest Kerzen anzuzünden, richtig?", begann Iblis. Er erhielt ein Nicken zur Antwort.
 

"Gut, das ist zwar keine schlechte Übung, aber bevor du auch nur daran denken kannst, sind ein paar andere Dinge wichtig. Bin eigentlich nicht so für Theorie, aber da du bei null anfängst, fasse ich einfach mal zusammen, was du wissen solltest und du stellst Fragen, wenn du welche hast." Erneutes Nicken.
 

"Zuerst musst du dir darüber im klaren sein, wo deine Kräfte überhaupt herkommen. Wie bei allen Dämonen, ist auch bei dir die Hauptquelle deiner Kräfte die Flamme, welche in Helheimr brennt. Dass du sie jedoch verwenden kannst, ist deinem Dämonenherzen zu verdanken. Zwar hat Samael das kurz nach deiner Geburt versiegelt, aber ein kleiner Teil bleibt immer zurück und da du Kurikura gezogen hast, ist dieser dämonische Teil von dir erwacht. Schließ mal die Augen und versuch dich darauf zu konzentrieren."
 

"Worauf denn?"
 

"Wirst du gleich merken."
 

Etwas zögerlich kam der Nephilim der Aufforderung nach. Tatsächlich konnte er etwas in sich spüren. Es war eine seltsame Wärme und schien zu pulsieren.
 

"Konzentriere dich weiter drauf. Stell dir vor Energie daraus zu ziehen und sie zu einer Flamme werden zu lassen. Versuche aber nicht zu viel abzuziehen, sonst wird's heiß."
 

Rin tat wie ihm geheißen und er spürte wie sich die Wärme weiter ausbreitete. Es war sogar ziemlich angenehm.
 

"Ich denk, das reicht."
 

Er öffnete die Augen und zuckte zusammen als ihm klar wurde, dass er halb in Flammen stand.
 

"Ganz ruhig, sie reagieren auf deine Gefühlslage also atme tief durch und entspann dich."
 

Es war nicht einfach, aber der Halbdämon versuchte es und hatte Erfolg. Langsam verschwand das Feuer wieder. Obwohl er nicht viel gemacht hatte, war er irgendwie zufrieden. Er hatte seine Flammen selbstständig heraufbeschwören und verschwinden lassen können, sie waren demzufolge kontrollierbar.
 

"Gut.", lobte ihn Iblis nickend. "Also wie hat es sich angefühlt?"
 

"Irgendwie....lebendig. Als hätten sie ihren eigenen Willen."
 

'Und das macht mir Angst.', fügte er gedanklich hinzu.
 

"In gewisser Weise stimmt das. Unsere Kräfte machen sich gerne eigenständig, entweder als Schutzmechanismus oder wenn man sich seinen Instinkten zu sehr hingibt. Es ist auch wichtig, dass man keine Angst hat die Kontrolle zu verlieren, denn dann wird genau das passieren. Darum musst du lernen deine Gefühle im Griff zu bekommen. Bei starken Gefühlsregungen passiert es häufig, dass man seine Fähigkeiten instinktiv und komplett willkürlich verwendet, besonders bei Wut oder Angst. Das kann gut ausgehen oder fürchterlich schiefgehen."
 

Das hatte Rin bereits festgestellt. Das erste Mal als Astaroth ihm dieses Eisen ins Gesicht pressen wollte, ein weiteres Mal war als er Bon gerettet hatte und dann noch bei seinen Kämpfen (Spielen) mit Amaimon. All das war mehr oder weniger Instinkt gewesen.
 

"Ankou meinte, dass du deine Wut ausnutzen kannst ohne die Kontrolle zu verlieren. Wie geht das?"
 

"Training. Es ist möglich Emotionen zu kanalisieren und sie zu deinem Vorteil einzusetzen. Feuerdämonen tun das sehr häufig, Geisterdämonen dagegen müssen sich das verkneifen, weil das auch Einfluss auf die Geister nimmt. Azazel ist das als Kind oft passiert. Irgendwann wurde es sogar so schlimm, dass Entitäten ihn nachts angegriffen haben."
 

"Entitäten?"
 

"So bezeichnen wir böse Wesen der Geisterwelt. Zu Beginn sind sie Seelen, welche ewig keine Ruhe finden und zwischen Leben und Tod festsitzen. Danach werden sie zu formlosen Wesen, bestehend aus negativer Energie, welche gerne Assiah und Gehenna terrorisieren. "
 

Azazels Reich klang mehr und mehr wie der perfekte Urlaubsort. Sonnige Strände wurden doch total überbewertet.
 

"Aber zurück zum Thema.", fuhr Iblis fort. "Bevor du sowas schaffst, musst du deine Gefühle und deine Flammen unter Kontrolle bekommen. Dafür ist es wichtig, dass du sie als ein Teil von dir akzeptierst. Wenn du sie als Feind ansiehst, wirst du sie nie meistern."
 

"Ich sehe sie ja nicht als Feind, aber wenn man ständig schief deswegen angeguckt wird, ist das gar nicht so einfach.", knurrte Rin. "Und dass sie so viele unschuldige Leute auf dem Gewissen haben, macht es nicht besser."
 

Der Feuerkönig schüttelte seufzend den Kopf. "Rin, du darfst dafür nicht die Flammen verantwortlich machen. Sie tun nur das, was ihr Nutzer ihnen befiehlt. Wenn man die Kontrolle verliert, ist das nicht ihre Schuld. Ja, es sind sicher auch ein paar Unschuldige gestorben, aber solche Kollateralschäden gibt es nun mal oft. Du darfst dich davon nicht entmutigen lassen."
 

"Was sind Kolle-....Kollare...diese Schäden?", fragte Rin etwas peinlich berührt.
 

"Kollateralschaden. Begleitschäden. Meist nicht beabsichtigt, aber werden in Kauf genommen, um ein Ziel zu erreichen."
 

"Und was wolltet ihr mit der blauen Nacht erreichen?"
 

Iblis zögerte. "Das solltest du Vater selbst fragen."
 

Sehr aufschlussreich.
 

"Gut, dann würde ich sagen, wir fangen einfach mal an." Der ältere Dämon schnippte mit den Fingern und eine Feuerschale erschein. "Das ist einfacher als eine Kerze. Versuche es ganz langsam angehen zu lassen. Schließe die Augen, konzentriere dich und stell dir vor, was du erreichen willst."
 

Dem Jüngeren war nicht wohl dabei. "Was wenn ich den Raum anzünde oder dich verletze?"
 

Der Feuerdämon winkte ab. "Solange du mich nicht ankokeln willst, werden sie mir auch nicht schaden. Deine Babyflammen kann ich außerdem schnell eindämmen, wenn etwas schief geht. Notfalls hole ich Vater. Komm, trau dich."
 

'Gut, dann mal los. So schwer kann es doch nicht sein.'
 

Er hätte es nicht beschreien sollen. Seine Flammen kamen zwar hervor, aber sie zu kontrollieren war so eine Sache. Er schaffte es irgendwie die Feuerschale anzuzünden, aber 98 Prozent der Versuche gingen eher nach hinten los. Er zündete versehentlich einige Teile des Raumes an und verfehlte Iblis ein paar Mal um Haaresbreite. Dieser war geduldiger als der Nephilim erwartet hatte. Er erfuhr, dass die Dämonenkönige öfter beim Training von Rekruten mithalfen und daher einiges gewohnt waren. Allerdings waren diese an ihre dämonischen Kräfte gewöhnt, Rin dagegen kaum.
 

Ihm war absolut nicht klar, wie er die Flammen dazu bringen sollte, nichts außer den Feuerkorb anzuzünden. Iblis demonstrierte es ihm mehrmals, sogar auf verschiedene Weisen. Er konnte den Korb sogar mit einem einfachen Fingerschnippen anzünden. Ja, er war wesentlich älter, aber es war trotzdem deprimierend!
 

Ein paar angekokelte Kisten und beinahe-Iblis-Anzündungen später, machten sie eine kurze Pause. Der Feuerdämon erklärte ihm genau worauf er achten musste, dann versuchten sie es erneut. Nach einer weiteren quälenden Stunde (so langsam hatte Rin das Gefühl, dass Iblis am liebsten den Kopf gegen eine Wand schlagen würde, um sich aus dieser Misere zu befreien), schaffte er es tatsächlich den Feuerkorb mehrmals anzuzünden und wieder zu löschen.
 

"Na siehste, geht doch!", grinste Iblis zufrieden. "Machen wir am besten Schluss für heute."
 

Mit einem Fingerschnippen verschwand der Korb wieder.
 

"Ich war eine Katastrophe, oder?", murmelte Rin niedergeschlagen.
 

"Ach quatsch. Als ich hier geübt habe, hat einiges gebrannt. Du musst nur noch lernen deine Angst in den Griff zu bekommen. Du bist noch zu zögerlich."
 

Der ehemalige Exorzistenadept wurde das Gefühl nicht los, dass Iblis nur versuchte ihn nicht zu entmutigen.
 

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Das Abendessen war relativ ruhig. Alle waren erschöpft vom Tag und sehnten sich nach ihren Betten. Azazel schlief sogar zweimal an und knallte mit dem Kopf beinahe auf den Teller.
 

"Also....", begann Egyn. "Wie lief es mit deinen Flammen, Rin?"
 

Der Angesprochene hob den Kopf. "Naja, immerhin steht die Trainingshalle noch."
 

"Er muss lernen seine Zweifel hinter sich zu lassen und nicht mehr zögern, dann wird es werden.", sprang Iblis ein.
 

"Zögerlich hat er auf mich damals nicht gewirkt." murmelte Amaimon leise, woraufhin er einen strengen Blick von seinem Vater bekam.
 

"Du bekommst es schon noch hin.", sagte Lucifer aufmunternd.
 

"Oder du brennst vorher den Palast nieder.", kicherte Samael.
 

Astaroth sah ihn genervt an. "Wow, du hättest Motivationstrainer werden sollen."
 

Azazel sagte nichts sondern aß still weiter, aber man merkte, dass er zuhörte. Rin hatte von seinem Zusammenbruch gehört und fragte sich wie alle anderen auch was nun los war. Plötzlich legte der Geisterkönig sein Besteck ab und begann zu sprechen.
 

"Kann ich aufstehen? Ich muss noch was erledigen und gehe dann ins Bett."
 

"Sicher.", antwortete Satan. "Aber ich glaube, du hast etwas vergessen."
 

Der Schwarzhaarige verzog das Gesicht, holte aus seiner Tasche einen Behälter und öffnete es. Darin war ein grünes Pulver, wovon er einen Löffel in sein Wasserglas gab und es austrank.
 

"Kann ich jetzt gehen?"
 

"Jetzt ja."
 

Wortlos stand der Geisterdämon auf, wünschte noch schnell gute Nacht und verließ das Zimmer.
 

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Azazel trottete etwas genervt durch die Gänge. Warum konnte man ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Stimmen ließen ihn langsamer werden. Er erkannte Indra und...Berith? Langsam schlich er näher und spähte um die Ecke.
 

Tatsächlich standen dort die beiden Zeitdämonen und schienen nicht scharf darauf, gehört zu werden.
 

"Also nur damit ich Euch richtig verstehe...", sprach Indra. "Ihr wollt mir helfen und das ohne eine Gegenleistung? Das glaubt Ihr doch selber nicht."
 

Azazel konnte ihr nur zustimmen. Berith tat nichts umsonst.
 

"Vorerst erwarte ich keine Gegenleistung.", antwortete der Zeitdämon gelassen. "Wir verfolgen dasselbe Ziel, also sehe ich keinen Grund, warum wir nicht zusammenzuarbeiten sollten. Ich bin sicher, Ihr könnt es mir irgendwann zurückzahlen."
 

"Ich gehe keine Geschäfte ein, ohne alle Bedingungen zu erkennen."
 

"Das ist auch klug, aber Euch läuft die Zeit davon. Irgendwann wird Euch das Glück verlassen. Lord Azazels Attentätern seid Ihr nur mit knapper Not entkommen."
 

"Woher wisst ihr davon? Und woher wisst ihr, dass auch wirklich Azazel dahinter steckt?", kam die gereizte Antwort.
 

"Spionage ist mein Arbeitsbereich. So etwas zu wissen ist meine Aufgabe. Ihr habt meine Ressourcen nötig, die Uhr tickt, entscheidet Euch."
 

Indra zögerte. "Na gut, ich nehme Eure Hilfe an. Solltet Ihr jedoch versuchen mich zum Narren zu halten, werdet Ihr es bereuen."
 

"Dann sind wir im Geschäft."
 

Azazel zog sich leise zurück. Gerade war einiges komplizierter geworden.

Die blaue Nacht

Rin ging zögerlich auf die Tür zu, welche zu den Gemächern seines Vaters führte. Der Dämonengott hatte sich ebenfalls vorzeitig von Tisch verabschiedet, da noch einiges an Arbeit wartete und dem Nephilim somit keine Gelegenheit gegeben ihn zur blauen Nacht auszufragen. Er konnte jedoch nicht länger warten. Er wollte endlich wissen, was sich Satan dabei gedacht hatte, einen Massenmord an Geistlichen und Exorzisten aus aller Welt zu begehen, wenn er angeblich Frieden wollte. Inzwischen war er am Überlegen, ob es etwas mit seiner und Yukios Geburt zu tun hatte. Laut dem Datum auf dem Foto seiner Mutter, waren sie am 24. Dezember (welch Ironie) geboren worden. Genau an dem Tag von Satans Massenmord. Gedankenverloren starrte er die Tür an. Er war sich nicht mehr so sicher, ob er wirklich die Antworten wollte. Immerhin war die Neugier der Katze Tod. Das hatte zumindest der Alte immer gesagt. Bevor er sich umentscheiden konnte, hörte er Satans Stimme in seinem Kopf.

 

"Wie lange planst du noch die Tür anzustarren? Komm rein."

 

Damit war ihm die Entscheidung wohl abgenommen worden. Tief Luft holend, drückte er die Klinke hinunter und betrat zum ersten Mal die Gemächer des Dämonengottes. Er befand sich in einer Art Wohnzimmer. Die Wände waren dunkelblau, der Boden schwarz. Es gab keine Fenster jedoch drei weitere Türen, welche wahrscheinlich in das Badezimmer und Schlafzimmer führten. Rin meinte sich zu erinnern, dass einer seiner Geschwister erwähnt hatte, dass es auch ein Arbeitszimmer gab. Dieses lag wohl hinter Tür Nummer drei. Bücherregale nahmen fast alle Wände ein und in einem Kamin brannte das vertraute blaue Feuer. Davor standen mehrere Sessel und Sofas. In der Ecke befand sich ein Tisch mit einigen Stühlen. Satan hatte sich auf besagtem Tisch abgestützt, und schaute auf einen fußballgroßen, leuchtenden Kristall. Zu seiner Verwunderung hörte Rin eine Stimme, welche daraus zu kommen schien. Satan runzelte verärgert die Stirn und unterbrach den Sprecher. Obwohl der Halbdämon erneut nur Wortfetzen verstand, konnte er an der Tonlage erkennen, dass der König Gehennas wütend war und nun wahrscheinlich seinen Gesprächspartner zur Schnecke machte. Der Nephilim beneidete den Kerl nicht. Leise setzte er sich auf eines der Sofas und wartete bis das Gespräch zu Ende war. Knapp zwei Minuten später erlosch das Licht und der ältere Dämon massierte seufzend seinen Nasenrücken.

 

"W'ya rodkraov ila moroyw'iar naporiak..."

 

Wenn Rin es richtig verstand (beziehungsweise es sich richtig zusammenreimte)...

 

"Du bist von Idioten umgeben?" Er war sich nicht ganz sicher, was "naporiak" bedeutete.

 

Satan sah auf. "Naporiak bedeutet unfähig. Ich bin von unfähigen Idioten umgeben. Leider. Manchmal habe ich das Gefühl, einen Haufen Kleinkinder betreuen zu müssen. Man sollte doch meinen, dass sie die Prozedur langsam wüssten, sie ist jedes Jahr dieselbe. Träum weiter. Da werden Sachen verbockt, die sogar ein tauber Blinder nach einer Lobotomie lösen könnte und ich darf alles wieder gerade biegen." Er seufzte und sah seinen Jüngsten an. "Immerhin scheinst du mit deinen Stunden gut voran zu kommen. Paymon und Ankou haben dich gelobt."

 

Der Halbdämon sah ihn überrascht an. "Ankou verbringt den größten Teil des Trainings damit mich umzuwerfen und Gehennisch reime ich mir größtenteils zusammen."

 

"Du verfügst über gute Ausdauer und bist entschlossen. Du lässt dich nicht unterkriegen, sondern versuchst es immer wieder. Sowas respektiert sie. Was Gehennisch betrifft: für die kurze Zeit hast du bereits einiges an Fortschritten gemacht. Du willst gar nicht wissen, wie sich manche deiner Geschwister anfangs in Latein angestellt haben. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem alles klar wird."

 

Wehe er musste auch Latein lernen.

 

Satan bemerkte, wie der jüngere Dämon den Kristall anstarrte.

 

"Das ist sozusagen die gehennische Version eines Telefons.", erklärte er. "Nur mit dem Unterschied, dass man seinen Gesprächspartner darin sehen kann und es keine Telefonnummern gibt. Man muss sich nur auf die Person konzentrieren, die man kontaktieren will. Es gibt inzwischen auch kleinere, tragbare Versionen."

 

Er richtete sich auf und setzte sich in einen Sessel am Feuer. "Aber kommen wir zur Sache. Was ist los? Dich beschäftigt etwas..."

 

Nicht zum ersten Mal fragte sich Rin, ob Satan oder generell Dämonen Gedanken lesen konnten. Wenn schon Telepathie (er hatte von Samael erfahren, dass es so hieß) möglich war, warum nicht? Er zögerte. Satan hatte bisher nicht ein einziges Mal seine Mutter erwähnt, außer bei ihrer ersten "Begegnung" in Assiah und der in Gehenna. Etwas davon, dass man sie hatte töten wollen und...was Satan in Assiah gesagt hatte, wusste er schon gar nicht mehr. Die Baal hatten bereits Andeutungen gemacht, dass seine Mutter ein heikles Thema war, aber er hielt es nicht mehr aus. Er musste es wissen.

 

"Warum hast du die blaue Nacht verursacht? Du sagst, dass du Frieden willst. Warum hast du dann so viele Unschuldige getötet? Und was hat meine Mutter mit allem zu tun?"

 

Satans Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, doch seine Hände ballten sich für einige Sekunden zu Fäusten. Das Feuer im Kamin loderte ebenfalls auf. Vielleicht war das doch keine gute Idee gewesen. Gerade spielte der Jugendliche mit dem Gedanken einfach aufzustehen, sich zu entschuldigen und zu gehen, doch dann begann sein Vater zu sprechen.

 

"Ich rede äußerst ungern darüber, aber du hast das Recht zu erfahren, was passiert ist. Hat dir irgendjemand etwas von deiner Mutter erzählt?"

 

"Ich weiß nur, dass sie Yuri Egin heißt und sie kurz nach unserer Geburt gestorben ist. Der A-...Shiro hat öfter erwähnt, dass sie eine sehr hilfsbereite, gutmütige Person war."

 

Satan nickte. "Das ist wahr. Ehrlich gesagt erinnerst du mich sehr an sie. Sie war sehr mutig, gütig und hatte keine Angst für ihre Überzeugungen einzutreten. Sie besaß viel Mitgefühl und respektiere alle Lebewesen. Sie konnte aber auch fürchterlich stur und rebellisch sein. Außerdem stichelte sie gerne mal rum." Für einen Moment schwieg er und hing wohl seinen Gedanken nach, bevor er fortfuhr.

 

"Yuri war eine Exorzistin. Ihr Vater Ernst war ein hochrangiges Mitglied des Ordens. Dennoch war sie nicht wie die anderen Exorzisten. Sie war der festen Überzeugung, dass Dämonen nicht böse sind und friedlich mit den Menschen zusammenleben können. Das hat ihr natürlich öfter Probleme bereitet, aber ihr war das ziemlich egal. Wie du vielleicht schon weißt, habe ich Samael ursprünglich nach Assiah geschickt um den Orden zu infiltrieren. Er sollte Informationen sammeln, notfalls alles von innen heraus zerstören, wenn sich Krieg nicht mehr vermeiden lässt und vor allem Leute wie deine Mutter finden. Exorzisten und andere Menschen, die bereit sind uns dabei zu helfen, für Frieden zwischen Assiah und Gehenna zu sorgen. Er hat mir damals von ihr erzählt und wie es der Zufall wollte, war ich nur wenige Tage später in Assiah unterwegs, wo ich auf eine Gruppe Exorzisten traf. Yuri war unter ihnen. Sie wussten nicht sofort, wer ich war, aber als es ihnen dann dämmerte, haben sie sofort angegriffen. Ich habe einen nach den anderen getötet. Am Ende waren nur noch Yuri und ein weiteres Mädchen übrig. Ich wollte diese ebenfalls töten, doch deine Mutter stellte sich zwischen uns."

 

"Hatte sie keine Angst?", fragte Rin. Bisher hatte er nur stumm zugehört, aber er konnte sich nicht länger zusammenreißen. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass seine Mutter Exorzistin gewesen war und auch noch für die Dämonen war. Andererseits musste sie ja Sympathien gehegt haben, sonst hätte sie sich wohl nie mit Satan eingelassen.

 

"Das würde man erwarten, nicht wahr? Aber nein. Sie hat mir mehr oder weniger eine Standpauke gehalten. Ich erkannte sie durch Samaels Beschreibungen, allerdings war mein Gefäß am zerfallen, also musste ich mich zurückziehen. Schlussendlich beschloss ich, sie in ihren Träumen zu besuchen und so mit ihr zu reden. Es mag seltsam klingen, aber etwas an ihr hat mich fasziniert. Ich war noch nie einem Menschen wie ihr begegnet und bei meinem Alter will das etwas heißen. Zu Beginn war sie ein wenig misstrauisch, aber auch neugierig. Angst hatte sie dagegen nie. Irgendwann begannen wir uns regelmäßig zu "treffen" und sind offener miteinander geworden. Ich habe ihr von meinen Plänen Frieden zu schließen, Gehenna und deinen Brüdern erzählt, sie von Assiah und ihrer Familie. Irgendwann ist aus der Faszination Zuneigung geworden und daraus dann Liebe, auch wenn es vielleicht lächerlich klingt."

 

Gut, so weit war alles verständlich, aber eine Sache bereitete Rin Kopfzerbrechen. Wie genau waren Yukio und er entstanden?! Ja, er wusste, wie das funktionierte, aber Satan war in Gehenna und ihre Mutter nicht. Sie konnten also nicht...nun ja...er wollte eigentlich nicht darüber nachdenken. Wer stellte sich schon gerne vor, wie die eigenen Eltern...ähm...sich zusammen die Zeit vertreiben? Alleine der Gedanke Satan diese Frage zu stellen, trieb ihm die Röte ins Gesicht. Natürlich bemerkte der Dämonengott es.

 

"Lass mich raten, du fragst dich, wie dein Bruder und du in die Welt kommen konnten?", er hielt inne. "Moment, Shiro hat es dir doch erklärt, oder? Manche Gläubige klären gar nicht auf-"

 

"Ja, hat er! Ja! Ich weiß schon!", sagte Rin hastig während er noch röter wurde. Er wollte wirklich nicht dieses Gespräch mit Satan haben, es war schon mit Shiro schlimm genug gewesen!

 

"Immerhin etwas. Die acht Mal reichten schon...na egal.", fuhr Satan schulterzuckend fort. Wie konnte er so locker darüber reden?! "Ich hatte in Assiah etwas zu erledigen, was meine körperliche Präsenz benötigte. Es hat nicht lange gedauert, also konnte ich sogar den Rest der Nacht Zeit mit deiner Mutter verbringen. Das eine führte zum anderen zum, wir waren nicht vorsichtig genug-"

 

"OK, OK! ICH VERSTEH SCHON!", schnitt der Nephilim ihm das Wort ab. In seinem knallroten Gesicht war Entsetzen zu sehen. Darüber redete man doch nicht, erst recht nicht mit dem eigenen Kind! Außerdem hatte er soeben erfahren, dass Yukio und er eigentlich ein Unfall gewesen waren. Ganz toll.

 

Satan legte grinsend den Kopf schief. "Nanu, so schüchtern kenne ich dich gar nicht. Dabei ist das etwas vollkommen natürliches. Warte, lass mich raten: du bist noch J-"

 

"KÖNNTEN WIR MAL DAS THEMA WECHSELN?!" Inzwischen fühlte es sich an, als wäre sämtliches Blut in seinem Schädel. Allerdings hatte der ältere Dämon soeben seine Verwandtschaft zu Samael bewiesen. Er konnte genauso dreckig grinsen!

 

Der weißhaarige Dämon lachte nur, aber ließ es gut sein. "Also lange Rede, kurzer Sinn: deine Mutter war mit euch schwanger. Das war nicht geplant und nicht ungefährlich, aber wir wollten die Kinder -also euch- auf jeden Fall behalten. Wir halfen ihr dabei die Schwangerschaft geheim zu halten. Wir wussten übrigens noch nicht, dass ihr Zwillinge werdet. Sie zu dem Zeitpunkt nach Gehenna zu holen, wäre höchstwahrscheinlich nach hinten losgegangen, die Schwangerschaft war sehr kraftzerrend, also wollten wir bis nach der Geburt warten. Deine Brüder haben sie deswegen öfter besucht."

 

"Was ist schief gegangen?"

 

"Du erinnerst dich an die vorhin erwähnte Exorzistin? Die deine Mutter gerettet hat? Ihr Name war Rena. Sie war ihre beste Freundin. Das dachte Yuri zumindest. Sie erzählte Rena, dass sie schwanger war. Sie wusste nicht, wer der Vater war, aber sie hatte scheinbar eine Vermutung und verriet deine Mutter an den Vatikan. Gegenüber ihrem Vater gab sie zu, dass sie von mir schwanger ist. Sie versuchte ihm alles zu erklären und ihn davon zu überzeugen, dass Dämonen keine Feinde sind. Er hörte nicht zu, sondern verlangte eine Abtreibung. Deine Mutter weigerte sich natürlich. Es hätte allerdings ohnehin nicht geklappt, man kann Kinder mit Dämonenblut nicht so leicht los werden. Erst recht nicht in Assiah. Er befahl daraufhin ihren Tod. Sie sollte auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden."

 

"Du machst Witze."

 

"Ich habe zwar gelegentlich einen ziemlich kranken Sinn für Humor, aber nein. Es ist mein Ernst."

 

Rin starrte ihn nur mit großen Augen an. Was zur Hölle hatte sich sein Großvater gedacht?!

 

Satan seufzte. "Viele Exorzisten sind leider noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Jedenfalls bekam Samael davon Wind und schickte mir sofort eine Nachricht. Daraufhin bin ich etwas...außer Kontrolle geraten." Er sah Rin an. "Ich hatte schon sechs Ehefrauen verloren, ich wollte nicht auch noch Yuri und unsere ungeborenen Kinder verlieren. Wenn ich selbst nach Assiah gegangen wäre, hätte es wahrscheinlich zu lange gedauert. Die Bannkreise waren ziemlich stark und hätten mich eine Weile aufhalten können. Nicht lange, aber lange genug, um deine Mutter hinzurichten. Also suchte ich mir einen Wirtskörper."

 

"Aber niemand war als Gefäß geeignet.", vermutete Rin.

 

Der Dämonengott nickte. "Genau. Es war wohl selbstsüchtig, immerhin habe ich in dieser Nacht viele umgebracht, aber ehrlich gesagt, bereue ich es nicht. Niemand legt sich mit meiner Familie an und kommt damit davon."

 

Der seltsame Tonfall in seinem letzten Satz jagte dem Nephilim einen Schauer über den Rücken, aber er ignorierte es. "Wie ist sie denn schlussendlich entkommen?"

 

"Samael. Scheinbar schuldete ihm jemand noch einen Gefallen und hat ihn durch die Bannkreise gelassen. Er befreite deine Mutter und half ihr zu fliehen, aber der Vatikan jagte sie und nicht einmal Samael kann sie ewig hinhalten. Schließlich fand er sie in einer Höhle. Du und Yukio waren bereits geboren. Kurz nachdem Shiro hinzukam, starb sie. Er sollte euch töten, aber konnte es schlussendlich nicht über sich bringen. Samael machte daraufhin eine Wette mit ihm und rettete euch so das Leben. Danach beerdigten sie sie."

 

Der Halbdämon kaute etwas nervös auf seiner Unterlippe. "Was ist mit meinem Großvater passiert?"

 

Er bereute die Frage augenblicklich als ein seltsames Funkeln in Satans Augen auftauchte. "Er überlebte die Nacht mit schweren Verbrennungen. Wir haben ihn kurz danach nach Gehenna geschliffen und uns seiner angenommen."

 

'Wow, überhaupt nicht unheimlich...' Er wollte sich lieber nicht ausmalen, was Satan und die Baal mit ihm angestellt hatten. Andererseits hegte er nicht wirklich Sympathien für ihn.

 

"Also...ist das alles passiert, weil du uns retten wolltest?", murmelte er unsicher. Es war verständlich, dass Satan sie hatte retten wollen, aber rechtfertigte es die ganzen Toten?

 

"Falls du dich deswegen schuldig fühlst, vergiss das ganz schnell wieder."

 

"In der blauen Nacht sind auch Familienmitglieder meiner Freunde gestorben. Koneko hat seine Eltern verloren, Shima seinen Großvater...und Bons Zuhause wurde angriffen. Viele haben den Tempel danach gemieden..." Er sah auf. "Interessiert es dich gar nicht, das du so viele Unschuldige getötet hast?! Viele haben ihre Familien verloren oder sind verletzt worden. Neuhaus-sensei hat ein Auge verloren und musste mit ansehen, wie seine Familie getötet wurde. Um genau zu sein, hast du ihn benutzt um seine Familie umzubringen und er konnte nichts tun. Ich verstehe ja, dass du uns nicht verlieren wolltest, aber hättest du nicht anders reagieren können? Durch diesen Massenmord hast du dafür gesorgt, dass man dich und die Dämonen noch mehr hasst!"

 

Satan hatte die Arme verschränkt, sein Gesichtsausdruck war frei von jeglicher Emotion. "Meine Familie steht für mich an erster Stelle."

 

"Und was ist mit deinen Untertanen, die unter dieser Aktion leiden mussten?!" Er wusste, dass er sich wahrscheinlich grad auf dünnem Eis bewegte, aber er konnte das nicht einfach für sich behalten.

 

"Du bist wirklich wie deine Mutter. Du hast sogar den gleichen Gesichtsausdruck wie sie. Genauso stur...", murmelte der Dämonengott. Rin schwieg.

 

"Ich hätte anders handeln können, das stimmt.", gab der ältere Dämon zu. "Ich bin auch nicht stolz darauf die Kontrolle verloren zu haben. Du hast bei unser Begegnung in Assiah ja bemerkt, wie ich mich dann verhalte."

 

'Oh ja.'

 

"Doch ich stehe zu dem, was ich getan habe. Ich werde mich nicht entschuldigen, weil ich versucht habe die Frau zu retten, die ich liebe und die auch noch schwanger war. Samael hat den Orden davor gewarnt, dass ich nicht zusehen werde, wie sie umgebracht wird. Der Großteil wusste, was vor sich ging. Sie wussten, dass sie dabei waren eine schwangere Frau zu töten, aber waren einverstanden. Wir könnten jetzt die nächsten 100 Jahre hier sitzen und die Schuldfrage diskutieren, aber das wäre Zeitverschwendung. Was geschehen ist, ist geschehen. Das Kind ist in den Lethe gefallen, was auch immer."

 

Rin wollte erst protestieren, nickte dann jedoch. Es würde wirklich nichts bringen darüber zu streiten. "Danke, dass du es mir erzählt hast.", sagte er leise.

 

Satan wirkte überrascht, aber überspielte es schnell. "Hast du sonst noch Fragen?"

 

Erneut zögerte der Halbdämon. "Ja. Es geht um etwas, was Lilith gesagt hat. Ich habe es bisher nicht erwähnt, weil...naja ich schätze, es ist irgendwie untergegangen. Es geht um Egyns Mutter."

 

Satan hörte sich es stirnrunzelnd an. "Dieses verdammte Miststück..."

 

"Du hast mir gesagt, dass Lucifers Mutter -Uriel oder?- schwer verletzt wurde und die Geburt nicht überlebt hat. Indra hat Samael sitzen gelassen, Aeshma wurde von Lilith getötet und Astarte ist an einer Seuche gestorben. Was ist mit dem Rest passiert?"

 

Der Dämonengott seufzte. "Ich schätze, früher oder später muss ich es erzählen. Aber ich warne dich, es ist alles andere als angenehm."

 

"Etwas anderes hatte ich nicht erwartet."

 

"Na gut. Azazels Mutter hieß Ruha. Sie war gut mit der damaligen Anführerin der Harpyien befreundet. Wir waren dort um einige Angelegenheiten zu klären. Sie und Azazel liefen alleine herum und wurden plötzlich von einigen wild gewordenen Harpyien angegriffen. Dank Ruhas schnellem Denken, versteckte sich Azazel rechtzeitig. Sie selbst wurde zerfleischt. Azazel sah alles. Von diesem Tag an wurde er sehr still, zuvor war er immer sehr laut, hat viel erzählt und so weiter. Später besserte es sich wieder, jedoch war er nach Liliths Rebellion nie mehr derselbe. Beelzebubs Mutter hieß Anansi. Sie wurde vergiftet. Dummerweise war ausgerechnet er es, der die Leiche entdeckt hat."

 

Satan hatte nicht übertreiben. Rin hatte eine Gänsehaut und sein Magen drehte sich um. Dennoch hörte er zu.

 

"Von Salacia hat Lilith ja bereits gesprochen. Sie besuchte ihre Familie, doch kehrte nie zurück. Wir suchten sie überall und nach knapp vier Monaten wurde sie von einigen Sirenen halbtot und orientierungslos am Ufer des Acherusischen Sees gefunden. Sie war extrem abgemagert und redete wirr. Anscheinend wurde sie gefoltert. Zu Beginn erkannte sie uns kaum und bekam immer wieder Panikattacken. Es gab Momente oder sogar Tage an denen sie vollkommen klar im Kopf war, dann änderte sich plötzlich ihr komplettes Verhalten. Sie war wie Egyn eher ruhig gewesen und hatte ein sehr sanftes Wesen, aber in diesen Augenblicken war sie nicht wiederzuerkennen. Sie kreischte, schimpfte und fluchte. Sie warf Dinge nach uns, schrie uns an, beleidigte jeden...und brach kurz darauf schluchzend zusammen. Sie entschuldigte sich, flehte und weinte...es war ein Albtraum. Einmal griff sie mich sogar an, aber fing sich noch rechtzeitig. Mit der Zeit wurde es jedoch immer schlimmer. Sie erkannte mich nicht, sie erkannte Egyn nicht und irgendwann griff sie auch ihn an und wollte ihn erwürgen. Glücklicherweise haben Lucifer, Samael und Azazel sofort reagiert, obwohl sie auch nur Kinder waren. Schlussendlich hatten wir keine Wahl mehr. Sie wurde in eine Psychiatrie gesteckt. Wir besuchten sie regelmäßig, aber ihr Zustand verschlechterte sich immer mehr. Sie hatte Albträume, weinte und schrie. Sie attackierte uns und auch Heiler. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem sie uns überhaupt nicht mehr erkannte. Sie hörte auf zu essen, trank nicht mehr und saß nur noch da. Von ihr war nichts mehr übrig. Sie war eine leere Hülle und wurde nur noch durch die Heiler am Leben erhalten. Schlussendlich beschlossen wir, dass es keinen Sinn mehr hatte."

 

"Sterbehilfe?", fragte Rin leise.

 

"Ja. Es war einer der schwierigsten Entscheidungen in meinem Leben, aber andernfalls hätte sie nur weiter vor sich hin gelitten." Für einen kurzen Moment herrschte Stille.

 

"Was ist mit Amaimons Mutter passiert?"

 

Der Dämonengott holte tief Luft bevor er fortfuhr. "Ihr Name war Hiisi. Sie starb bei einem Angriff auf den Palast. Einige Rakshasa konnten sich rein schleichen und begonnen systematisch damit die Verteidigung niederzureißen. Eine Gruppe hat sie gefunden und angegriffen. Hiisi hat sie abgewehrt damit deine Geschwister fliehen konnte und hat dafür mit dem Leben bezahlt."

Erneut herrschte Stille. Dem Halbdämonen war klar gewesen, dass das keine schöne Geschichte werden würde, aber so viel Grausamkeit hatte er doch nicht erwartet. Hinzu kam noch die blaue Nacht. Er hatte sich schon denken können, dass man über die Schwangerschaft seiner Mutter nicht begeistert gewesen war, aber ein Scheiterhaufen?! Inzwischen kam ihn eine Rückkehr zum Orden unvorstellbar vor. Wobei sie sowieso seinen Kopf wollten, die Option bestand also ohnehin nicht mehr.

 

"Wenn du keine weiteren Fragen hast, würde ich vorschlagen, dass du ins Bett gehst. Es ist spät.", merkte Satan an. "Und ich muss noch irgendwie Shax' Handschrift entziffern. Er hat wirklich eine Sauklaue.", fügte er hinzu während er angestrengt auf ein Blatt Papier starrte, welches auf einem Tischchen neben dem Sessel gelegen hatte.

 

Der jüngere Dämon nickte stumm und stand auf. "Nacht..."

 

"Gute Nacht."

 

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Als die Tür ins Schloss fiel, rieb sich Satan grummelnd die Stirn. Beim Erzählen waren einige unschöne Erinnerungen wieder hochgekommen, aber Rin verdiente die Wahrheit. Erst recht nach diesem ganzen Mist, den die Exorzisten allen auftischten. Allein der Gedanke, dass sie versucht hatten zwei seiner Kinder gegen ihn zu wenden, könnte ihn rasend werden lassen. Ein kleiner Teil wünschte sich beinahe, dass sie Krieg gegen Gehenna begannen damit er eine Entschuldigung hatte, sie alle niederzubrennen.

 

Das letzte Mal, dass er solche Gedanken gehegt hatte, war wohl in der Nacht von Yuris Tod gewesen. Er hätte damals am liebsten jeden verdammten Trottel der mit den Exorzisten irgendwie im Bunde stand oder es auch nur wagte in jener Nacht ein Gebet zu sprechen, verbrannt und in den Hades geschliffen. Die Furien hätten sich sicher über das neue Frischfleisch gefreut. Einzig allein seine anderen Söhne hatten es ihm ausreden können. Manchmal bereute er noch immer, nicht die gesamte Vatikanstadt niedergebrannt zu haben. Er würde sich hüten, dies vor Rin zuzugeben, aber die Schreie seiner Opfer waren größtenteils Musik für seine Ohren gewesen. Für ihn hatten sie bekommen, was sie verdient hatten. Es war doch immer dasselbe. Man predigte immer von Vergebung und all diesem ganzen Scheiß, aber wer hielt sich da schon dran? Allein ihre ach so kostbaren heiligen Schriften bewiesen doch schon das Gegenteil. Adam und Eva hatte vom Baum der Erkenntnis gegessen und waren dafür rausgeschmissen und verflucht worden. Wirklich sehr vergebungsvoll. Gut, es könnte mehr dahinter stecken, aber hatte das Buch aus wohl verständlichen Gründen nie gelesen.

 

Er konnte nur über die Dummheit mancher Sterblicher lachen. So viele benutzten die Religionen um sich Vorteile zu schaffen oder ihre Handlungen zu rechtfertigen. Sie ließen sich von einem Buch und irgendwelchen Geistlichen, Priestern und wie sie auch alle hießen ihr Leben diktieren, anstatt selbst ihren Schädel zu benutzen. Andere legten sich das Geschriebene so aus wie es ihnen recht war und fertig. Verfolgungen, Folter und Hinrichtungen. Opferungen, Polygamie, Massenmanipulation, Sekten, verdrehte Vorstellungen von Ehre und Leute, die für ihren Gott möglichst viele Ungläubige in den Tod rissen. So ziemlich jede Religion hatte irgendwelchen Dreck am Stecken. Es verblendete, war ein Ausweg für die Feiglinge. Es gab keinen Gott und keine Engel, keinen Himmel und keine Hölle. Jedenfalls nicht so wie sich die Sterblichen es vorstellten.

 

Satanisten waren auch nicht besser. Sie ließen sich ebenfalls von falschen Vorstellungen leiten und stellten in seinem Namen alles Mögliche an. Kein Wunder, dass er als das Monster galt. Dabei war er noch immer der beste Freund der Kirche. Immerhin hatte die Angst vor ihm, seinen Dämonen und dem angeblichen Fegefeuer so viele Manipulationsmöglichkeiten geschaffen.

 

Dennoch war es mehr als frustrierend diese lächerlichen Darstellungen zu erdulden. Welcher Volltrottel war überhaupt auf die glorreiche Idee gekommen ihn mit roter Haut, Ziegenbeinen und Dreizack darzustellen?! Seine Söhne kamen nicht besser davon. Alleine wenn er mit ihnen Filme schaute, in denen Dämonen vorkamen, mussten sie sich oft zusammenreißen, damit sie nicht mal eben bei den Regisseuren und Autoren vorbeischauten, um so einiges richtig zu stellen. Oder ihnen gleich eine reinzuhauen. Vielleicht sollte man ihnen wirklich zeigen, wie sich echte Dämonen verhielten. Noch mehr Kram wie "Tanz der Teufel", "Der Exorzist" und "Das Omen" würde ihn sonst endgültig in den Wahnsinn treiben. Die Dämonologie der Sterblichen war eine einzige Katastrophe und er hatte wirklich genug davon mit Lucifer, Iblis, Beelzebub, Samael oder Azazel gleich gesetzt zu werden. Aber zurück zu den Exorzisten. Seinetwegen konnten sie alle brennen.

 

 

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Ein paar Tage später hatte Rin das Gespräch mit seinem Vater größtenteils verarbeitet. Er war immer noch nicht einverstanden damit, wie er sich verhalten hatte, aber er konnte ihn verstehen. Immerhin hatte er mit dieser Aktion zweifellos Zeit schinden können.

 

Aber jetzt gab es wichtigere Dinge. Kochen beispielsweise. Er hatte sich heute bereit erklärt das Abendessen zu kochen, immerhin hatte er seitdem er nach Gehenna gekommen war, noch keine Gelegenheit gehabt seinem Hobby nachzugehen. Zu Beginn war seine Familie etwas zögerlich gewesen, zweifellos hatte Samaels Zeug sie abgeschreckt, aber nach einigem Einreden hatten sie nachgegeben. Es gab leider zwei Probleme. In Gehenna waren die Lebensmittel und Gewürze zum überwiegenden Teil komplett fremd. Essen aus Assiah war für die Königsfamilie zwar verfügbar, aber eben nicht immer. Glücklicherweise war Ukobach bereit, Rin etwas unter die Arme zu greifen, indem er ihm die entsprechenden Ersatzzutaten hinlegte. Problem Nummer eins war also gelöst.

 

Problem Nummer zwei: die Dämonenkönige waren verdammt wählerisch! Ok, für manche Sachen konnten sie nichts. Lucifer hatte beispielsweise eine Allergie gegen Nüsse und Astaroth vertrug einige Getreidearten nicht. Der Rest war dann schon etwas komplizierter. Iblis und Astaroth aßen am liebsten Fleisch und zwar Englisch oder Medium, Iblis aß außerdem so scharf, dass es kaum einer aushielt. Egyn bevorzugte dagegen Fisch und Gemüse (außer Bohnen), Fleisch aß der Wasserdämon dagegen so selten, dass er nach dämonischen Maßstäben schon fast als Vegetarier zählte. Amaimon liebte natürlich Süßspeisen, Beelzebub absolut nicht. Er mochte lieber Eintöpfe. Azazel hasste Kokkus und Innereien (wobei das kein Problem darstellte) und Samael vermisste noch immer seine komischen Instantnudeln. Es kam noch mehr dazu, aber alles aufzuzählen, hätte zu lange gedauert. Satan war glücklicherweise pflegeleicht und schon zufrieden, wenn man das Essen unten behielt. Nebenbei hatte Rin auch einen der Gründe herausgefunden, warum Iblis Kuro nicht mochte. Er hatte eine Katzenhaarallergie. Wer hätte das gedacht?

 

Nun stand er in einer der kleineren Küchen und wartete darauf, dass Ukobach alle Zutaten fertig zusammengesucht hatte. Kuro saß auf einem der Tresen. "Was wirst du denn kochen?", fragte er neugierig.

 

"Sukiyaki." Es war sein Lieblingsgericht, stand nicht wirklich im Konflikt mit den Vorlieben der Dämonenkönige und würde nicht allzu lange dauern. Hoffentlich hatte Egyn heute einen Tag an dem er Fleisch aß. Wobei er wohl schon aus Höflichkeit etwas davon essen würde.

 

Ukobach hatte inzwischen alles beisammen und legte es auf einem Tisch ab. Rin sah sich kurz alles an und fragte die beiden Dämonen, was wofür der Ersatz war. Das meiste war glücklicherweise leicht zu erkennen. Praktischerweise waren die Küchen bereits mit Gasherden ausgestattet (zumindest funktionierten sie ähnlich). Ukobach half ihm beim Schneiden während Kuro zusah. Eine knappe dreiviertel Stunde später saß Rin bereits mit seiner Familie am Tisch.

 

"Immerhin blubbert es nicht...oder starrt mich an.", murmelte Astaroth.

 

"Hey, sei nicht so unhöflich!", belehrte Egyn ihn.

 

"Ich spreche hier nur aus, was alle denken."

 

Samael verdrehte die Augen und begann zu essen, immerhin kannte er Rins Essen bereits. Satan und die Baal begannen ebenfalls zu essen, wenn auch etwas zögerlich.

 

"Wow Rin...", entfuhr es Iblis überrascht. "Sammy hat keine Witze gemacht. Du kannst echt super kochen."

 

"Scheint als würden die Pflanzen verschont werden.", pflichtete Astaroth dem Feuerkönig bei. Rin beschloss besser nicht nachzufragen.

 

Auch der Rest stimmte zu und lobte den Nephilim, was ihn sehr freute. Sogar Azazel lächelte ein wenig und nachdem was mit seiner Mutter passiert war, war es für Rin schön, dass er dies überhaupt noch konnte. Er hatte Sorge gehabt, viel zu viel gemacht zu haben, aber tatsächlich schafften sie alles. "So...was müssen wir tun, damit du die nächsten Jahrhunderte kochst?", erkundigte sich Beelzebub als der Tisch abgeräumt war.

 

"Ein Fernseher für mein Zimmer?"

 

"Deal."

 

"Ihr und eure Fernseher.", seufzte Satan.

 

"Fängst du jetzt wieder mit 'früher war alles besser an'?", feixte Samael.

 

"Sag das nicht, ich fühle mich alt."

 

"Bist du ja auch...", murmelte Azazel, woraufhin er einen äußerst giftigen Blick erhielt.

 

"So jetzt aber mal was anderes. Wir haben heute nichts mehr zu tun und du hast auch frei, oder Vater?", erkundigte sich Iblis grinsend. Den jüngsten Sohn Satans beschlich ein ungutes Gefühl. Satan scheinbar auch.

 

"Ich habe noch einiges zu regeln. Warum?"

 

"Wie wär's, wenn wir mal wieder zusammen Poker spielen?~", schlug der Feuerkönig vor.

 

"Damit ich euch besiegen kann und ihr euch beschwert?"

 

"Du hast noch nicht gegen Rin gespielt.", gab Amaimon zu bedenken.

 

"Und es besteht eine gute Chance, dass er dich besiegt.~", fügte Samael mit seinem typischen, dreckigen Grinsen hinzu.

 

Satan hob eine Augenbraue. "Na gut."

 

Rin hatte damit gerechnet, dass sie irgendwann so etwas vorschlagen würden, aber nicht so früh. Andererseits hatte er ohnehin nichts besseres zu tun. Also machten sie sich auf dem Weg zu Lucifers Zimmer.

 

Eine Viertelstunde später waren nur noch Satan, Lucifer, Samael, Iblis und Rin im Spiel.

 

"Ich steige aus.", seufzte Iblis. "Dann dreht mal um."

 

"Full House.", verkündete Lucifer.

 

"Full House.", erwiderte Samael augenverdrehend.

 

Satan drehte seine Karten um. "Straight Flush."

 

Alle sahen erwartungsvoll Rin an. Dieser holte tief Luft. "Royal Flush."

 

Den Dämonenkönigen klappten die Münder auf. Auch Satan konnte seine Überraschung nicht verbergen und war vollkommen baff. Er, ein unsterbliches Wesen, welches älter als jegliche bekannte Zivilisation war und mehr Macht besaß als sonst jede Kreatur in Assiah und Gehenna, war soeben von seinem bald 16 Jahre alten Sohn vernichtend geschlagen worden. Damit hatte er absolut nicht gerechnet.

 

"Ähm...gewonnen?", sagte der Nephilim etwas unsicher. Die Baal brachen in Gelächter aus.

 

Iblis wandte sich an Satan. "Du solltest mal dein Gesicht sehen!", lachte er und auch seine Geschwister konnten sich kaum beruhigen. Rin saß etwas peinlich berührt da.

 

Nachdem sich seine Söhne endlich beruhigt hatten, verkündete Satan eiskalt, dass sie von Rin noch etwas lernen könnten. Dieser Abend wurde immer seltsamer.

 

Die nächsten Runden verliefen ähnlich. Oft blieben Satan und Rin als letztes übrig, woraufhin die Dämonenkönige ihnen gespannt zusahen. Tatsächlich gewann der Jugendlich mehrere Runden, dann gewann Satan öfters und manchmal gab es ein Unentschieden.

 

Schlussendlich verabschiedete sich der Dämonengott und ließ seine Söhne wieder alleine. Da jedoch keiner müde war, beschlossen sie spontan noch einen Film zu schauen. Die Sofas waren groß genug für alle und von woher auch immer hatten sie Knabberzeug und Getränke besorgt. Leider tendierten die Meisten zu irgendeinem Horrorfilm und Rin ließ sich schlussendlich breitschlagen, also schauten sie "Van Helsing". Zu seiner Überraschung war gar nicht so schlimm, er war sogar ab 12. Die Baal amüsierten sich natürlich sehr über die Vorstellungen der Sterblichen, aber räumten ein, dass es durchaus schlimmere Filme gab.

 

Kurz vor Ende des Films fielen ihm immer öfter die Augen zu bis er irgendwann einschlief und Amaimon als Kissen herhalten musste. Nun ja, es hätte wohl schlimmer kommen können.

Die Ruhe vor dem Sturm

Die nächsten Tage vergingen erneut wie im Fluge. Rin half seinen Geschwistern beim aufräumen und bekam weiterhin Unterricht in Gehennisch, Nahkampf und dem Umgang mit seinen Flammen. Gleichzeitig lernte er einige Personen besser kennen, besonders Vaya, Ankou und Jahi. Auch mit Paymon, Agares und Shax kam er nach wie vor gut zurecht. Amon und Halphas mochten ihn immer noch nicht, aber er hatte das Gefühl, dass sie bei weitem nicht so feindselig waren, wie am Anfang. Tap kannte er noch immer kaum, denn er ließ sich nur selten blicken und sprach nie ein Wort. Berith sah er hin und wieder, aber hielt lieber Abstand. Er hatte am Rande mitbekommen, wie sich der Kerl so verhielt und mochte ihn absolut nicht.
 

Ehe sich der Jugendliche versah, war auch schon Iblis Geburtstag herangerückt. Zwar wollte er nicht feiern, aber das hielt seine Familie nicht davon ab zumindest ein paar kleine Sachen zu organisieren. Rin hatte (mit Ukobachs Hilfe) einen Kuchen gebacken, der Rest hatte Geschenke besorgt. Von Lucifer bekam der Feuerdämon ein Buch über Drachen. Samael schenkte ihm irgendwelches scharfes Knabberzeug aus Assiah, welches er wohl sehr mochte. Azazel hatte ihm eine DVD mit einer Serie gebrannt, welche Rin jedoch nicht kannte. Von Amaimon gab es Süßigkeiten (sein Standardgeschenk, welches er jedoch nur an Personen gab, welche er sehr mochte), von Beelzebub ein Videospiel (ja, die Dämonenkönige standen auf Videospiele), von Astaroth ein Musikalbum und Satan schenkte ihm einen neuen Dolch. Egyn hatte ihm Feuersamen besorgt. Rin war sich nicht ganz sicher, was die brachten, aber Iblis freute sich sehr darüber.
 

Er bekam auch ein Geschenk von Paymon, Shax, Ankou und Vaya, Agares, Tap, Amon, Halphas und einigen seiner Freunde. Da jedoch das Blutgericht in nur drei Tagen war, herrschte bald wieder geschäftiges Treiben.
 

Schließlich war der Tag da. Relativ früh machten sie auf dem Weg zum Friedhof, wo Satan eine Rede halten musste. Das Gelände und der Totentempel dazu waren riesig. Angehörige und freiwillige hatten die Gräber hergerichtet und Kerzen angezündet. Auch war sehr viel Militär präsent, unter anderem auch Eliteeinheiten. Andererseits war es kriegsbezogener Feiertag, also machte es wohl Sinn. Rin sah außerdem weitere Bewohner Gehennas, welche keine Dämonen waren. Dank den Büchern erkannte er Harpyien, Sirenen, Furien, Nymphen, Zentauren und viele mehr. Glücklicherweise fiel er nicht weiter auf und kassierte keine neugierigen oder misstrauischen Blicke. Die Rede verstand er zumindest teilweise, auch wenn es nicht mal die Hälfte war. Am Ende wurde ein Scheiterhaufen angezündet und von Priestern (es klang so seltsam, aber Dämonen hatten Priester, die für die Tempel verantwortlich waren) weitere Worte gesprochen.
 

Anschließend kehrten sie zum Zentrum zurück. Auf dem Marktplatz wurde ein weiterer Scheiterhaufen angezündet und schwarze Flaggen mit den Siegeln der Baal und Satans auf Halbmast gehisst. Damir war das offizielle auch schon mehr oder weniger erledigt und Rin konnte sich zusammen mit den Dämonenkönige frei bewegen. In der ganzen Stadt waren Essensstände, Alkohol floss ebenfalls reichlich. Es musste wohl nicht erwähnt werden, dass Rin davon nur auf Zuteilung etwas bekam.
 

Gegen Abend waren sie wieder im Palast. Es gab noch eine weitere Veranstaltung zu der vor allem Adlige kamen, aber in der Regel wurde nur getrunken, miteinander gesprochen und so weiter. Weder Satan noch die Baal wirkten besonders motiviert. Rin wurde dummerweise ebenfalls mitgeschliffen. Er musste sich nicht umziehen oder so, aber er fühlte sich ziemlich fehl am Platz. Der gesamte Festsaal war voller Dämonen, alle strahlten Macht und Autorität aus. Keiner achtete auf ihn und darüber war er mehr als froh. Er blieb einfach bei seinen Geschwistern auf einem Sofa und machte sich mit ihnen über ihre Beute vom Buffet her.
 

"Ich hasse diese Feier.", grummelte Azazel. "Warum müssen wir nochmal was extra für die Adelsfamilien machen? Ist nur zusätzlicher Stress. Sie können auch einfach mit auf die Straße gehen..."
 

Iblis schnaubte. "Ja klar. Bevor das passiert, verlieren wir unsere Unsterblichkeit."
 

Amaimon und Beelzebub sagten nichts, sondern sahen sich nur gelangweilt im Saal um. Lucifer redete mit einer alten Schulfreundin, Samael sprach mit Berith, Egyn wurde von einer Dämonin angebaggert und Astaroth war nirgends zu sehen.
 

Auch die Stellvertreter entdeckte Rin hin und wieder, bis auf einen.
 

"Wo ist Ankou?"
 

"Sie kommt generell nicht mehr zu solchen Feiern seit dem Vorfall mit Namrael.", grinste Iblis.
 

"Was ist passiert?"
 

"Ach, das übliche. Namrael hat wie immer ihren Mund nicht halten können. Manche Adlige wollen nicht akzeptieren, dass Ankou so eine hohe Position hat obwohl ihre Eltern nur Diener waren. Einige haben dann Gerüchte in die Welt gesetzt."
 

"Was für Gerüchte?"
 

"Dass sie angeblich mit Azazel dafür geschlafen hat, zumindest am Anfang. Später hieß es, sie hätte noch mit Vater und uns geschlafen. Normalerweise ignoriert sie das einfach, aber Namrael hat ihr das an den Kopf geworfen als sie von einem Haufen Dämonen umgeben waren. Ankou wollte ihr daraufhin den Kopf abreißen, es gab ein riesiges Theater und so weiter. Jedenfalls hatte sie danach genug. Sie kommt nur selten."
 

Bevor der Nephilim antworten konnte, kam Astaroth dazu. "Jungs, ich brauche eure Hilfe. Dieses Weib macht mich wahnsinnig!", sagte er etwas außer Atem.
 

Die restlichen Baal gesellten sich ebenfalls zu ihnen.
 

"Kali?", fragte Egyn.
 

"Wer sonst?!"
 

"Wer ist Kali?"
 

"Meine Ex-Freundin.", grummelte der Fäulniskönig. "Wir waren während unserer Schulzeit einige Zeit zusammen, aber sie war sowas von anstrengend. Sie wollte immer wissen wo ich war und jede Sekunde bei mir bleiben. Irgendwann wäre sie wahrscheinlich noch mit auf Toilette gekommen...naja, sie war auch ziemlich eifersüchtig. Nicht so extrem wie Lilith, aber es reichte schon. Ich habe dann mit ihr Schluss gemacht. Ein Tipp: mache mit einem Mädchen nicht in einem Restaurant Schluss. Da gibt's Messer, Gabeln und Teller, also sehr gefährlich. Kali war miserabel darin, wenn man in Sport jemanden mit 'nem Ball abschießen sollte, aber mit als sie mir den ganzen Kram hinterhergeworfen hat, war's ein Volltreffer."
 

"Aber warum macht sie dir dann Probleme?"
 

"Sie weiß einfach nicht, was nein heißt! Sie rückt mir ständig auf die Pelle, flirtet mit mir oder versucht mich in Gespräche zu verwickeln! Was soll ich denn machen?! Ich kann einem Mädchen nicht einfach eine reinhauen, aber ich will auch nicht ständig abhauen müssen!"
 

"Tu so als ob du alleine mit ihr sein willst, locke sie aus dem Saal und hau sie k.o. Oder mische ihr was ins Getränk.", schlug Iblis vor während er versuchte einen ernsthaften Gesichtsausdruck zu bewahren.
 

"Wirklich witzig. Scheiße, da kommt sie!"
 

Bevor jemand antworten konnte, verschwand er auch schon in der Menge. Ein Mädchen stand plötzlich vor ihnen. Sie hatte lange dunkelblaue Haare und violette Augen.
 

"Hat einer von euch Astaroth gesehen?", fragte sie ohne Begrüßung und hob eine Augenbraue. Ihr Blick fiel auf Rin. "Lasst ihr wirklich alles in diesen Palast?"
 

"Nein, wir haben ihn nicht gesehen. Versuche es in einem der anderen Säle.", knurrte Iblis. Sie verdrehte nur die Augen, wandte sich um und ließ sie stehen. Kurz darauf kehrte auch Astaroth zurück, offensichtlich erleichtert.
 

"Nettes Mädchen.", murmelte der Halbdämon.
 

"Sie glaubt bis heute, dass wir Astaroth dazu überredet haben, Schluss zu machen.", seufzte Lucifer.
 

"Ist eigentlich einer von euch in einer Beziehung?"
 

"Nö, momentan nicht.", antwortete Iblis. "Zur Zeit ist das zu anstrengend."
 

"Wie sieht es eigentlich bei dir aus?", erkundigte sich Beelzebub.
 

Rin zuckte unwillkürlich zusammen. "Naja...", begann er langsam. "Ich hatte ehrlich gesagt noch nie eine Freundin..."
 

Die Dämonenkönige starrten ihn und fingen dann an zu grinsen. Warum hatte er es überhaupt angesprochen?
 

"Ernsthaft?", fragte Astaroth. "Warum? Du bist nun wirklich nicht schlecht aussehend."
 

"Ich schätze, es hat sich einfach nie ergeben."
 

"Warte mal.", fuhr Iblis dazwischen. "Wenn du noch keine Freundin hattest, dann hattest du ja auch noch nie Se-"
 

"IBLIS!", unterbrachen ihn Lucifer und Egyn gleichzeitig. Rin wurde noch röter.
 

"M-müsst ihr da jetzt drauf rumhacken?!"
 

Samael, Iblis und Astaroth lachten nur. Auch Azazel und Beelzebub wirkten amüsiert. Amaimon saß mit einem Lutscher da als würde ihn das alles gar nichts angehen.
 

"Tja, ich schätze wir müssen dir 'ne Freundin suchen.", verkündete Iblis grinsend. "Es sei denn natürlich du bist schon auf ein Mädchen scharf."
 

"Nein-"
 

"Dann auf einen Jungen?", hakte Samael feixend nach.
 

Rin sah ihn entsetzt an. "NEIN!"
 

"Hey, kein Grund sich zu schämen. Viele Dämonen sind bisexuell.", erklärte Beelzebub schulterzuckend.
 

"Ich bin an niemanden interessiert!"
 

"Das ist gelogen.", murmelte Azazel.
 

"Wahrscheinlich ist es diese blonde Exorzistenadeptin.", kommentierte Amaimon.
 

Der Nephilim widerstand dem Drang den Erdkönig zu erwürgen.
 

Der Zeitkönig grinste. "Moriyama? Wie interessant!~"
 

Der Halbdämon sprang auf. "Ich gehe mir mal die Beine vertreten."
 

'Und fliehe vor der Peinlichkeit.'
 

Bevor jemand protestieren konnte, verschwand er bereits in der Menge und bewegte sich so weit wie möglich fort. Das war fast noch schlimmer als das Gespräch mit Satan gewesen. Gedankenverloren sah er sich um. Wo war er überhaupt genau gelandet?
 

"Hier sind einfach zu viele Leute, oder?", fragte ihn plötzlich eine Stimme. Erschrocken fuhr er herum. Es war Jahi.
 

"Hi Jahi."
 

"Ich schätze, das ist alles sehr überwältigend für dich." Sie sprach sehr langsam und deutlich, sodass er alles gut verstehen konnte.
 

"Ja, irgendwie schon.", gab der Nephilim zu. "Was machst du hier?"
 

"Ich habe mich rein geschlichen. Die Adligen interessieren mich nicht, aber das Essen ist gut.", gab sie grinsend zu. "Ich bin nicht die Einzige, die das macht. Wo sind deine Brüder?"
 

"Irgendwo. Hier sind zu viele Leute.", log er. Er wollte wirklich nicht von ihrem Gespräch berichten.
 

Sie lächelte ihn an. "Es ist schön, dass du dich mit ihnen verstehst. Sie waren damals immerhin nicht sehr begeistert von dir."
 

Rin sah sie verwirrt an. Er war sich nicht sicher, ob er sie richtig verstanden hatte. "Was meinst du?"
 

"Oh, du weißt es nicht?" Sie sah nun etwas peinlich berührt aus. "Vergiss es..."
 

"Nein, was meinst du?"
 

Die Feuerdämonin wich seinem Blick aus und biss sich auf die Lippe. "Gut, aber das weißt du nicht von mir. Als du geboren wurdest, waren sie ziemlich sauer. Lord Satan wollte keine neue Frau oder Kinder. Dass du die Flammen hattest, hat es noch schlimmer gemacht. Sie waren sauer, weil ein Halbblut den Thron bekommen soll und keiner von ihnen. Besonders Iblis war wütend. Er hatte nur normale Flammen und dachte, dass du ihm das weggenommen hast. Sie waren der Meinung, dass du nie zu ihnen gehörten könntest. In dir steckt zu viel Mensch. Sie waren wohl zax'kviwdra.
 

"Zax'kviwdra?"
 

Jahi hielt inne und überlegte. "Envious.", sagte sie in einem etwas holprigen Englisch. Neidisch. Seine Brüder waren neidisch auf ihn? Es fiel ihm schwer das zu glauben. Hätten sie einen Groll gegen ihn, würden sie das sicher zeigen. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass sie wegen seiner Herkunft auf ihn herabsahen. Richtig?
 

Die Rothaarige rieb sich etwas nervös den Nacken. "Entschuldige. Ich dachte, du weißt es."
 

Rin schüttelte nur stumm den Kopf. Vielleicht waren das einfach nur Gerüchte oder sie hatten ihre Meinung geändert. "Danke, aber ich glaube, du liegst falsch."
 

Sie zuckte mit den Schultern. "Wenn du meinst. Dein Gehennisch ist übrigens schon ziemlich gut. Ich muss jetzt aber los. Bis später." Damit wandte sie sich um und ging.
 

Der Nephilim setzte sich auf ein Sofa am Rande des Saales. Dort war er immerhin nicht so auf dem Präsentierteller. Er konnte nicht anders als über ihre Worte nachzudenken. Was wenn doch etwas dran war? Er bezweifelte, dass die Dämonin ihn angelogen hatte. Er kam ziemlich gut mit ihr klar und sie war mit seinen Brüdern befreundet. Allerdings...
 

"Hey, ist alles in Ordnung?", fragte ihn eine diesmal unbekannte Stimme. Er sah auf. Zwar kannte der Halbdämon das Mädchen nicht, jedoch schien sie eine Sirene zu sein. Laut den Büchern und seinen Geschwistern waren sie die Oberzicken Gehennas. Andererseits war eine von ihnen Egyns Ex-Freundin gewesen. Sie lächelte ihm freundlich zu.
 

"Ähm....ja. Wer bist du?"
 

"Ich heiße Kyrene. Du bist Rin, oder?"
 

Es dauerte ein paar Sekunden bis ihm klar wurde, woher er den Namen kannte.
 

"Ja. Bist du Egyns Ex-Freundin?", brach es aus ihm heraus.
 

Sie lachte. "Ja, das stimmt. Er hat mir von dir erzählt."
 

"Und was tust du hier?"
 

Er erhielt ein Schulterzucken zur Antwort. "Ich habe jemanden begleitet, aber gehe jetzt. Hier sind zu viele Leute. Die Luft ist ganz warm, da trocknet man so schnell aus." Erneut lächelte sie. "Es war schön, dich kennenzulernen. Vielleicht sehen wir uns bald wieder."
 

"Bevor du gehst, hast du einen meiner Brüder gesehen?"
 

Die Sirene nickte. "Ja, sie werden von einigen Mädchen belagert. Samael beobachtet derweil wie sich Astaroth vor Kali versteckt. Halt dich besser fern. Die sind wie ausgehungerte Raubtiere."
 

"Ok, danke."
 

Er machte sich auf die Suche nach seinen Geschwistern. Es dauerte nicht lange, da hatte er schon Iblis entdeckt. Er war von einigen Mädchen umringt, welche ihm alle schöne Augen machten. Inzwischen wusste er, dass der Feuerkönig zu solcher Aufmerksamkeit nie nein sagte, aber seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wünschte er sich weit weg. Als er genauer hinsah, wurde ihm klar, dass sich die Dämoninnen stritten während der Baal in der Mitte feststeckte. Er entdeckte außerdem Azazel, welcher sich in einer ähnlichen Situation befand. Allerdings zeigte sein Gesicht eher Resignation.
 

Während er überlegte, ob er es wirklich riskieren sollte hinzugehen, wurde er erneut angesprochen. Warum wollte plötzlich jeder mit ihm reden?! Das war genau, wie wenn man Kopfhörer aufsetzte und dann jeder was von einem wollte.
 

"Hallo, neu hier?" Er drehte sich ruckartig um. Diesmal waren es gleich drei Mädchen. Ganz toll. Alle drei waren Feuerdämonen und sahen sich ziemlich ähnlich. Alle hatten rote Haare, orange Augen und das gleiche Grinsen. Schwestern vielleicht? Auch vom Alter schienen sie nicht weit auseinander zu liegen.
 

"Hi...ich schätze schon?", antwortete er etwas nervös.
 

"Aw, du hattest Recht, Hestia. Er ist wirklich niedlich!", quietschte eines der Mädchen.
 

Super. Moment, hatte sie ihn niedlich genannt?! Warum fanden ihn so viele Dämoninnen niedlich?! Vielleicht wegen seiner Körpergröße? Es war doch nicht seine Schuld, dass die meisten männlichen Dämonen so verboten groß waren! Der Clown besaß sogar noch die Dreistigkeit einen Zylinder zu tragen!
 

"Ich bin nicht niedlich.", murmelte Rin betreten und spürte wie ihm die Röte ins Gesicht schoss. "Wer seid ihr überhaupt?"
 

"Ich bin Eysa und die Älteste.", stellte sich das Mädchen vor, welche ihn angesprochen hatte. "Das ist Hestia und unsere kleine Schwester heißt Eimyria. Wir sind Drillinge."
 

Sie sprachen recht schnell, aber irgendwie konnte er sie halbwegs verstehen und sich einiges zusammenreimen."
 

"Und du bist?", fragte Hestia und klimperte mit ihren Wimpern.
 

'Hilfe.'
 

"Rin...", antwortete der Nephilim bevor er es sich anders überlegen könnte.
 

Eysa legte den Kopf schief. "Das ist ein ungewöhnlicher Name. Und da ist dieser Akzent....du bist offensichtlich mächtig, also keiner der Bediensteten hier. Zu welcher Familie gehörst du denn?"
 

Während sie sprach, traten alle drei Schwestern näher. Rin selbst war wie paralysiert. Er wollte jetzt nicht wirklich die "Satan-ist-mein Vater-Bombe" platzen lassen.
 

"Schüchtern, wie?", schnurrte Eysa beinahe und hing plötzlich an seinem Arm. "Das ist in Ordnung. Wie wär's, wenn wir uns ein leeres Zimmer suchen? Diese Party ist soooo langweilig und ich wette, wir können zusammen viel Spaß haben.~"
 

Der Halbdämon geriet nun richtig ins Schwitzen. Alle Alarmglocken klingelten und er versuchte die Dämonin von seinem Arm lösen, jedoch ohne Erfolg. Zu seinem großen Pech kamen auch noch zwei Sirenen dazu.
 

"Was macht ihr da?! Ich habe doch gesagt, dass wir ihn haben wollen.", fauchte eine von ihnen.
 

Eimyria lachte nur. "Süße, wir haben ihn zuerst gesehen. Aber ich wette in eurem Seen gibt's ein paar nette Lurche."
 

"Du wagst es?!", zischte die zweite Sirene. "Wie wäre es, wenn du zurück in den Vulkankrater gehst aus dem du gekrochen bist?!"
 

Sie wandte sich an Rin. "Komm doch lieber mit uns. Du wirst es nicht bereuen.~"
 

"Ich-"
 

"Nimm die Flossen von ihm!", kreischten die drei Dämoninnen gleichzeitig.
 

"Sagst gerade du, du hirnlose -------------------!"
 

"Noch ein Wort und ich reiße deine Flosse aus und stecke sie dir in-"
 

Rin versuchte sie zu unterbrechen. "Ähm...können wir nicht einfach-"
 

"HALT DU DICH DA RAUS!", kam von allen gleichzeitig die Antwort. Wo waren seine Geschwister?!

 

Sie stritten weiter bis eine Dämonin seinen Tag rettete. Und wohl einiges anderes.
 

"Rin, da bist du also! Ich habe dich überall gesucht." Die Mädchen fuhren erschrocken herum. Der Halbdämon sah die Frau verblüfft an. Er kannte sie nicht, aber sie scheinbar ihn. Na, was hatte er schon zu verlieren? Er spielte mit.
 

"Ich habe mich verlaufen, tut mir leid."
 

Die Dämonin lächelte. "Kein Problem." Sie griff ihn am Arm und zog ihn mit sich. Eysa war so überrascht, dass sie einfach los ließ. Verwirrt und enttäuscht sahen sie ihnen hinterher.
 

Rin atmete erleichtert auf als sie außer Sichtweite waren. "Danke.", sagte er noch immer etwas angespannt. "Aber wer bist du und warum hast du mir geholfen?"
 

Die Dämonin lächelte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie sogar schwanger war. "Ich heiße Agash. Ich bin Amons Frau."
 

Oh. Warum sollte ihn bitte Amons Frau retten?
 

"Du sahst ziemlich verloren aus, also dachte ich, dass ich lieber eingreife. Ich habe dich sofort erkannt. Amons Beschreibung war ziemlich präzise. Außerdem hast du Lord Satans Augen."
 

"Aber Amon hasst mich..."
 

Die Fäulnisdämonin schüttelte den Kopf. "Er macht sich nur Sorgen, bitte nimm es ihm nicht übel. Sobald er erkennt, dass du niemanden schaden willst, wird er dich auch akzeptieren. Er sieht nicht so aus, aber er ist ein liebevoller Ehemann und Vater sowie ein guter Freund."
 

Na wenn sie das sagte. Bevor er jedoch antworteten konnte, gab es plötzlich einen lauten Knall und eine gewaltige Erschütterung. Viele -auch Rin und Agash- gerieten ins taumeln. Die Dämonin musste sich sogar an ihm festhalten, um nicht umzukippen.
 

'Was war das?! Ein Erdbeben? Nein, da hätte es keinen Knall gegeben. Vielleicht eine Explosion?'
 

Nervöses Getuschel erfüllte den Saal und wurde immer lauter bis es die ersten Schreie ertönten. Dann brach Gehenna los.
 


 

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Im ersten Moment begriff der Halbdämon gar nicht, was los war. Er bemerkte, wie viele Panik bekamen und sich Warnungen zuriefen, doch erst als er die vermummten Gestalten entdeckte, wurde ihm klar, dass sie angegriffen wurden. Dieser Palast hatte eindeutig einige Sicherheitsprobleme und nun wünschte er sich wirklich Kurikura herbei.
 

Ein Aufschrei von Agash riss ihn aus seinen Gedanken. Eine der Gestalten griff sie an.
 

'Nicht mit mir!'
 

"Hey, lass sie in Ruhe, du Bastard!", rief er ihrem Angreifer zu. Zwar war es auf Japanisch, aber er konnte ihn dennoch ablenken.
 

"Na, sieh mal einer an. Da hat wohl jemand die große Klappe!", lachte der Dämon.
 

Rin bleckte nur die Zähne. Er war sich nicht sicher, ob er den Typen wirklich besiegen konnte. Er hatte einige Dinge von Ankou gelernt und konnte seine Flammen inzwischen willentlich heraufbeschwören, aber würde das reichen?
 

Der Dämon hatte nun einen Dolch gezogen und kam auf ihn zu. Hoffentlich lief das jetzt so ab, wie die Geisterdämonin es demonstriert hatte. Als der Angriff kam, wich er zur Seite aus und rammte seinem Gegner den Ellbogen gegen den Hals. Davon überrascht, stolperte dieser tatsächlich einige Schritte zurück und Rin nutzte die Gelegenheit um ihm das Messer aus der Hand zu treten. Zu seiner eigenen Verblüffung und der seines Kontrahenten, klappte es. Er hatte es tatsächlich geschafft. Bevor er sich freuen konnte, kam der Kerl erneut angerannt, offensichtlich sauer. Rin handelte instinktiv und trat ihm zwischen die Beine. Dämon oder nicht, der Kerl war immer noch männlich und brach mit einem Aufschrei zusammen. Kaum war er am Boden, bekam er eine Vase gegen seinen Kopf geknallt.
 

"Und bleib liegen!", fauchte Agash den nun Bewusstlosen an. Sie wandte sich an Rin. "Gar nicht schlecht. Auch wenn du das Glück hattest, dass er dich vollkommen unterschätzt hat."
 

Inzwischen tobte um sie herum der Kampf. Soldaten und Wachen waren inzwischen angekommen und hatten begonnen die Eindringlinge zu bekämpfen. Die Großteil der Adligen und Bediensteten flohen. Der Nephilim sah weder Satan noch die Baal, aber er konnte blaue Flammen brennen sehen. Er hätte zwar gerne geholfen, aber er wusste, dass er nur im Weg stehen würde. Er rannte zu Agash und griff sie am Arm. "Wir müssen hier raus!"
 

"Ich muss Amon suchen!", antwortete sie verzweifelt.
 

"Amon kommt alleine klar. Du kannst hier nicht schwanger rumrennen, du wirst noch verletzt! Möchtest du wirklich dein Kind in Gefahr bringen?"
 

Seltsam wie verantwortungsvoll und vernünftig er plötzlich sein konnte. Die Dämonin zögerte zunächst, doch nickte dann. "Du hast recht."
 

Dummerwiese hatten ihre Angreifer andere Pläne. Diesmal waren sie gleich zu fünft und hatten sie eingekreist.
 

"Wo soll's denn hingehen?", fragte eine Dämonin hämisch. Alle waren in Angriffsstellung.
 

"Lasst uns in Ruhe oder ich verbrenne euch!", drohte der Nephilim etwas halbherzig.
 

Gelächter kam zur Antwort. "Ach, wie niedlich. Der Welpe denkt, dass er gegen uns eine Chance hat.", sagte ein Dämon herablassend. "Du hättest zu deiner Mami rennen sollen als du die Gelegenheit hattest."
 

Gut, jetzt oder nie. Er hatte seine Flammen seit dem Kampf mit Amaimon nicht mehr benutzt, um jemanden anzugreifen, aber er hatte keine Wahl. Er würde niemanden töten, aber zumindest konnte er sie außer Gefecht setzen.
 

'Bitte lasst mich jetzt nicht im Stich.', flehte er im Stillen.
 

Er konzentrierte sich und...nichts passierte. Erneut brach die Gruppe in Gelächter aus. "Was denn? Kannst du nicht mal deine Kräfte verwenden?! Was für eine Verschwendung dämonischen Blutes!", höhnte einer von ihnen. Der Jugendlich ignorierte ihn und versuchte es erneut. Diesmal klappte es.
 

Das Gelächter wurde nun zu Aufschreien und Flüchen als sie plötzlich von seinen Flammen umkreist wurden.
 

'Ganz ruhig, Rin. Atmen, ruhig bleiben und nicht den Saal abfackeln. Du kannst das.'
 

Verängstigt sahen sich die Dämonen um, zweifellos suchten sie Satan. Als sie ihn nicht entdeckten, zählten sie eins und eins zusammen.
 

"Du bist Satans Bastard!", fauchte die zweite Dämonin der Gruppe.
 

"Holt ihn euch!", befahl der Dämon, welcher am nächsten zu ihr stand.
 

'Oh, oh.'
 

Er versuchte sich erneut mit seinen Flamme zu verteidigen, doch dies war nicht länger nötig. Ohne Vorwarnung brach einer der Dämonen zusammen. In seinem Rücken steckte ein schwarz gefiederter Pfeil. Seine Mitkämpfer erlitten das gleiche Schicksal. Es ging so schnell, dass keiner reagieren konnte. Rin schaute in die Richtung aus der die tödlichen Geschosse gekommen waren und Erleichterung machte sich breit. Ankou und Azazel kamen auf sie zugelaufen, beide waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet. "Alles in Ordnung?", erkundigte sich der Geisterkönig.
 

Sie nickten.
 

"Wie sind sie hier überhaupt reingekommen?", fragte Agash erschöpft.
 

"Keine Ahnung.", antwortete Ankou düster. "Aber ihr müsst sofort hier raus. Dein Ausbruch ist nicht unbemerkt geblieben."
 

Sie wandte sich an Azazel. "Ich bringe sie schnell in Sicherheit und komme dann wieder."
 

Für einen Moment schien der Schwarzhaarige protestieren zu wollen, doch nickte schlussendlich. "Gut, aber Beeilung. Passt auf euch auf."
 

"Du auch."
 

................................................................
 

Die nächste Stunde war eine Tortur. Rin saß zusammen mit Agash und einigen anderen Dämonen in einem kleinerem Saal. Keiner sprach, viele standen unter Schock. Vereinzelt waren Kinder dabei. Einige Heiler liefen herum und kümmerten sich um alle.
 

Vaya war ebenfalls hier. Sie saß mit angezogenen Beinen neben dem Nephilim und starrte auf den Boden. Ihre Hände zitterten leicht.
 

"Ankou wird es bestimmt gut gehen.", sprach Rin sie an.
 

Überrascht hob sie den Kopf und lächelte ihn vorsichtig an. "Sie ist die einzige Familie, die mir geblieben ist. Unsere Eltern sind an der roten Seuche gestorben. Deine Brüder und Amon kenne ich seit meiner Kindheit und auch mit den anderen Stellvertretern komme ich gut klar, auch wenn ich Berith nicht mag. Ich weiß, dass sie gute Kämpfer sind, aber sogar Soldaten, die jahrelang dienen, sterben auf dem Schlachtfeld."
 

Rin nickte. "Mein Beileid wegen deiner Eltern."
 

"Danke. Weißt du, ursprünglich wollten sie, dass wir beide im Palast arbeiten, aber Ankou war es zu langweilig. Sie hat sich schon als Kind fürs Kämpfen interessiert und hat stundenlang dem Training zugeschaut. Irgendwann hat sie sich mit einem Soldaten angefreundet und er hat ihr Kampfstunden gegeben. Mutter und Vater waren dagegen, aber sie haben sich weiter heimlich getroffen. Als sie alt genug war, hat sie sich für die Armeeausbildung gemeldet."
 

"Ich kann mir Ankou ehrlich gesagt auch nicht beim Putzen oder Kochen vorstellen."
 

Vaya grinste. "Sie hat einmal für einige Soldaten gekocht, auch für Azazel. Laut ihm hätte man die Kartoffeln als schwere Munition verwenden können. Ankou hat ihm eine Kopfnuss gegeben und die Anderen haben sich nicht getraut etwas zu sagen, also haben sie einfach weitergegessen."
 

Auch der Halbdämon musste grinsen. Das passte. Ihm fiel erst viel später auf, wie leicht es ihm gefallen war, sie zu verstehen. So langsam nährte man sich wohl dem Durchbruch. Gut, es würde noch einiges dazukommen und manche adlige Jugendliche hatten es sich zur Angewohnheit gemacht, einzelne Wörter oder Sätze in einer Sprache aus Assiah in ihrer Sprechweise einzubauen. Scheinbar um gebildeter zu wirken. Was für ein Quatsch.
 

Samael hatte ihm empfohlen, dass wenn er jemals das Pech haben sollte auf solche traurigen Dummköpfe zu treffen (seine Worte, nicht Rins), er sie einfach mit Japanisch vollquatschen sollte. Dann zogen sie meist ganz schnell wieder ab. Und er würde intelligenter wirken als sie. Gleich zwei Pluspunkte.
 

Vaya wandte sich an Agash. "Weißt du inzwischen, was es wird?"
 

Es war ein plötzlicher Themawechsel, aber irgendwie mussten sie sich ablenken.
 

"Es wird wahrscheinlich ein Junge. Ich glaube, Amon ist deswegen ganz erleichtert."
 

"Das kann ich verstehen."
 

Sie unterhalten sich weiter bis die Türen geöffnet wurden und mehrere Soldaten den Raum betraten. Unter ihnen waren auch Amon, Ankou und Shax.
 

Amon ging sofort zu Agash und zog sie in eine Umarmung, Ankou tat es ihm mit Vaya nach.
 

Rin ging zu Shax hinüber. "Geht es allen gut?"
 

Er seufzte. "Den Umständen entsprechend ja. Ich denke, du beredest das besser mit Satan und deinen Geschwistern. Komm."
 

Der Jugendliche warf einen letzten Blick auf Ankou und Agash bevor er dem älteren Dämonen folgte.
 

Der Saal war in einem üblen Zustand. Überall lag zerbrochenes Glas und zerstörte Möbel sowie einige Tote und Verletzte. Unter den Gästen hatte es keine Todesfälle gegeben. Dafür waren mehrere der Angreifer und Soldaten gefallen. Er erkannte einen der Toten als den Soldaten, der ihm den Weg zu den Trainingsräumen gezeigt hatte. Zwar kannte er weder ihn noch seinen Namen, doch versetzte es ihm einen Stich.
 

Heiler kümmerten sich um die Verletzten während andere herumliefen und Befehle riefen.
 

"Rin!", rief eine vertraue Stimme und plötzlich wurde ihm die Luft aus seinem Lungen gedrückt. "Oh Gehenna, es geht dir gut!"
 

"Wenn du weiter so drückst Egyn, ändert sich das ganz schnell.", kommentierte Azazels Stimme.
 

"Oh richtig, entschuldige." Er ließ den Halbdämonen los. Für eine so zierliche Person konnte er ziemlich fest umarmen. Moment. Einer der Baal hatte ihn grad umarmt? Ach egal. Satan hatte ihn schon ins Bett getragen und Iblis hatte ihn über seine Schulter geworfen. Da schadete eine Umarmung nicht. Abgesehen davon konnte der Wasserkönig gut umarmen.
 

Eine wütende Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Es war Satan.
 

"Also wer von euch Armleuchtern erklärt mir, wie sie in den Palast kommen konnten?! Ich habe die Verteidigung selbst überprüft, also was ist bitteschön passiert?! Ich schwöre, wenn sich wieder jemand im Dienst betrunken hat oder eingeschlafen ist, könnt ihr die Asche vom Boden kratzen!"
 

Ja, er war wirklich nicht glücklich.
 

"Was war das überhaupt? Warum haben sie uns angegriffen?"
 

"Gute Frage.", antwortete Iblis schulterzuckend. "Chaos und Panik verbreiten, schätze ich."
 

"Sie hatten definitiv Hilfe von innen.", kommentierte Lucifer. "Alleine wären sie niemals durch die Verteidigung gekommen. Überall war die Sicherheit verdreifacht."
 

"Wenn das weiter so geht, brechen irgendwann noch welche aus dem Tartaros aus. Dann geht die Party richtig los.", grummelte Astaroth.
 

Egyn erschauderte. "Beschwöre es nicht noch herauf. Wenn jetzt auch noch Verbrecher Amok laufen, geht bald alles den Bach runter."
 

Amaimon sagte nichts, doch auch ihm schien die Vorstellung nicht zu behagen.
 

"Diesmal werden auf jeden Fall Köpfe rollen.", seufzte Beelzebub. "So sauer habe ich Vater lange nicht gesehen."
 

"Solange es mich nicht trifft, ist mir das herzlich egal.", schnaubte Samael.
 

Azazel verdrehte die Augen. "Immer nett zu wissen, wie sehr du dich sorgst."
 

Amon und Ankou waren inzwischen zurückgekehrt und begannen sich umzusehen.
 

"Schätze, ich werde mich mal weiter umschauen.", murmelte Azazel. "Ein paar von den toten Angreifern gehören zu meiner Eliteeinheit und ich will wissen, wie viele. Ich muss auch noch meine Pfeile wieder einsammeln."
 

"Und ich werde wohl den Heilern etwas unter die Arme greifen.", beschloss Egyn.
 

Während sie sich darum kümmerten, kam auch Satan dazu.
 

"Bist du verletzt?", fragte er Rin.
 

Dieser schüttelte den Kopf. "Nur etwas überrumpelt."
 

"Damit bist du nicht allein.", knurrte der Dämonengott. "Scheinbar gibt es mehr Verräter als gedacht."
 

"Hast du eine Ahnung, was das sollte?", murmelte Amaimon.
 

"Ich würde auf eine Machtdemonstration tippen, aber das war wahrscheinlich nicht der einzige Grund. Einige der Angreifer leben noch, vielleicht bekommen wir etwas aus denen heraus."
 

"Ich habe etwas gefunden, das ihr euch mal ansehen solltet!", rief Ankou plötzlich. Sie hielt etwas in der Hand. Es war ein Zettel.
 

"Dachtest du wirklich, dass uns nicht dein Sabotageversuch nicht auffallen würde? Benimm dich nächstes Mal oder du weißt, was passiert. Denke daran, wer die Fäden hält.", las die Geisterdämonin grimmig vor. "Ich habe den Zettel auf einem der Tische gefunden. Es könnte gut sein, dass der bereits vor dem Angriff platziert wurde."
 

"Also war es eventuell einer der Gäste, der Bediensteten oder der Wachen. Na, das engt die Möglichkeiten ja ein.", kommentierte Halphas bissig.
 

"Für mich klingt es danach, als würde es Unstimmigkeiten in ihren eigenen Reihen geben.", überlegte Agares. "Oder sie erpressen jemanden, damit er ihnen hilft."
 

Satan verdrehte nur die Augen. "Weiterhelfen wird es dennoch nicht. Seht euch weiter um und schafft die gefangenen Angreifer ins Verlies. Diesmal kümmere ich mich direkt um sie. Lucifer, Samael, Iblis und Astaroth, ihr kommt mit."
 

Sie verschwanden. Satan in einer blauen Flammensäule, Iblis in einer aus normalen Feuer, Lucifer in einem hellem Leuchten, Samael in seiner pinken Wolke und Astaroth einer Art grauem Rauch.
 

"Bleib bitte noch hier solange wir uns umsehen. Du solltest jetzt nirgends allein rumlaufen.", bat Beelzebub. Rin nickte und sah zu, wie sich die Dämonenkönige an die Arbeit machten. Er lehnte sich leise seufzend an eine Wand. Die Ruhe währte nicht lange.
 

Amon und Halphas standen plötzlich neben ihm. Dieser Tag wurde besser und besser.
 

"Ja?", fragte er seufzend. "Bevor ihr anfangt, ich hatte mit diesem Zettel nichts zu tun."
 

Die beiden wechselten einen kurzen Blick bevor der Fäulnisdämon zu sprechen begann.
 

"Wir wollen uns entschuldigen und ich möchte mich bedanken."
 

Der Nephilim sah sie überrascht an.
 

"Agash hat mir erzählt, dass du ihr geholfen hast."
 

"Ich habe nicht viel gemacht, Ankou und Azazel haben die Angreifer getötet."
 

"Aber du hast sie beschützt bis sie ankamen, obwohl du einfach hättest weglaufen können. Du hast dich selbst in Gefahr gebracht, um sie und unser Kind zu retten. Dafür bin ich dir ewig dankbar." Er holte tief Luft. "Also danke. Ich weiß, ich habe es dir nicht einfach gemacht. Ich habe mich von Vorurteilen beeinflussen lassen, anstatt abzuwarten. Entschuldigung."
 

"Ich entschuldige mich ebenfalls.", ergänzte Halphas. "Du hast bewiesen, dass man dir vertrauen kann. Ich hoffe, wir können das irgendwann hinter uns lassen."
 

"Ihr müsst euch nicht entschuldigen.", antwortete Rin etwas verlegen. "Ihr hattet nicht wirklich Gründe mir zu vertrauen und es hat niemanden geschadet also Schwamm drüber."
 

Nun schauten die älteren Dämonen ihn überrascht an. Dann lachte Halphas leise. "Du bist zu vergebungsvoll, Kleiner. Das kann dir hier den Kopf kosten."
 

"Ich riskiere es."
 

"Halphas und Amon, wenn ihr fertig mit Kaffeeklatsch seid, könnt ihr gerne mithelfen!", rief Ankou irritiert.
 

Amon verdrehte die Augen. "Ja Eisprinzessin, wir kommen schon!"
 

"Hör auf mit diesem Spitznamen!"
 

Trotz allem, was heute geschehen war, musste Rin lächeln. Immerhin hatte er endlich seinen Frieden mit Amon und Halphas geschlossen. Vielleicht könnte er Gehenna wirklich als Zuhause akzeptieren.

Das Siegel zerbricht

Schlussendlich waren die Baal tatsächlich gezwungen in ihr jeweiliges Gebiet zu reisen, um eine Massenhysterie zu verhindern. Satan war sogar noch mehr beschäftigt als sonst, aber schaffte es irgendwie ein paar Trainingsstunden mit Rin reinzuquetschen. Der Umgang mit seinen Flammen fiel ihm immer einfacher und auch sein Gehennisch wurde besser. Im Nahkampf hatte er ebenfalls einen Durchbruch. Endlich hatte er es geschafft, Ankou zu umwerfen. Es war schwer zu sagen, wer überraschter war, aber als die Geisterdämonin ihn lobte, gefiel ihm dieses Gefühl sehr.
 

Er begann außerdem mehr über Gehenna zu lernen. Es gab in jedem Gebiet große Adelshäuser, die sozusagen als Statthalter fungierten und kleinere Adelshäuser, welche einem der großen die Treue geschworen hatten. Die Häuser ließen sich zusätzlich noch in verschiedene Clans unterteilen. Das waren meist Familien aus der Mittel- oder Unterschicht, die dem jeweiligen Haus dienten. In Lucifers und Samaels Gebiet gab es vier große Adelshäuser, in Azazels, Iblis' und Astaroths drei und in den restlichen zwei. Früher gab es noch mehr, doch nach Liliths Rebellion waren die ihr loyalen großen Häuser und damit auch die zugehörigen kleinen Häuser sowie die Clans vernichtet worden.
 

Die Hexen und Harpyien hatten dafür nur Clans und Stämme.
 

Das System war so gesehen nicht besonders kompliziert. Satan stand an der Spitze, danach kamen seine Söhne, gefolgt von Alastor und den Stellvertretern. Als nächstes kamen die Dämonen, welche zuerst geschaffen worden waren. Viele, wie beispielsweise Abaddon führten eines der großen Häuser. Danach kamen die Adligen und die kleinen Häuser, dann das gemeine Volk, wobei hier noch oft zwischen den "Reinen" und "Unreinen" unterschieden wurde. In anderen Worten: reinblütige Dämonen und Nephilim. Dazwischen lagen noch Dämonenmischlinge, also Dämonen mit Eltern unterschiedlicher Elementzugehörigkeit. Nephilim waren selten geworden, jedoch gaben seine Geschwister etwas zerknirscht zu, dass diese teilweise als unterlegen angesehen wurden. Ganz unten waren die Dämonen niederen Ranges.
 

Desweiteren erfuhr er noch mehr über seine Familie. Beelzebub war Legastheniker, Iblis und Astaroth hatten ADHS und Azazel ein fotografisches Gedächtnis. Lucifer und Egyn hatten eine dämonische Version der Bluterkrankheit. Lucifer war durch den Angriff auf seine Mutter knapp einen Monat zu früh geboren und auch bei Egyns Geburt war einiges schief gegangen. Er war ebenfalls zu früh dran gewesen und dann gab es noch Komplikationen, sodass er mittels Kaiserschnitt auf die Welt gekommen war. Dadurch waren ihre Regenerationsfähigkeiten nicht so gut ausgeprägt wie normalerweise und heilten sich wesentlich langsamer. Natürlich war es dennoch um einiges schneller als beim Menschen.
 

Zudem musste Rin am eigenen Leib erfahren, dass der Insektenkönig äußerst exzentrisch war. Bei seinen Brüdern war er relativ normal, aber in der Gegenwart von anderen Dämonen schien er nicht viel mit diesen anfangen zu können. Er war sehr verschlossen, distanziert und zerstreut. Dafür war er mit wachsender Begeisterung an seinen Insekten zugange. Er züchtete sie selber und verbrachte Stunden mit ihnen. Rin machte einmal den Fehler, nach seinen Züchtungen zu fragen. Alle Anwesenden (die restlichen Dämonenkönige, Amon, Tap und Halphas) hatten heftig den Kopf geschüttelt und eine abschneidende Handbewegung über dem Hals angedeutet, doch da war es schon zu spät. Sie waren einfach aufgestanden, Amon hatte gesagt, dass er sich das selber eingebrockt hätte und schon waren sie verschwunden. Beelzebubs Vortrag dauerte vier Stunden. Er hätte noch weiter gemacht, doch Satan rettete Rin durch eine Trainingsstunde. Also wichtige Regel im Hause Satan: frage Beelzebub nicht nach seinen Insekten, außer du willst die ganze Nacht wach gehalten werden.
 

Allmählich wurden Tage zu Wochen und aus den Wochen Monaten. Inzwischen war der 28. Oktober. Am ersten Juni war Rin nach Gehenna gebracht worden. Er war also schon seit fast fünf Monaten hier. In dieser Zeit erlebte er einiges. Samael und Astaroth hatten Geburtstag, er durfte endlich in ein paar Gebiete mitreisen und sich andere Teile Gehennas ansehen. Er begann sich mit Paymon, Ankou, Vaya, Shax, Amon, Halphas, (mehr oder weniger) Tap, Jahi und einigen Palastbewohnern anzufreunden, fing sich eine in Gehenna typische Kinderkrankheit ein und vieles mehr. Mittlerweile musste er es einsehen: Gehenna war für ihn ein Zuhause geworden. Zu seiner Schande stellte er fest, dass er immer seltener an Yukio und seine Freunde dachte. Er fragte sich sogar beinahe, warum er überhaupt Exorzist werden wollte. Er war so glücklich wie lange nicht.
 

Im Moment saß er in der Trainingshalle und schaute seinen Geschwistern zu. Neben ihm saß ein fluchender Astaroth. Er hatte vorhin mit einem Vieh gekämpft, welches einen seltsamen Schleim abgegeben und ihn damit voll erwischt hatte. Er hatte beim Duschen alles rausbekommen und sich umgezogen, doch leider war sein Schweif weiterhin ein Problem, denn das Fell am Ende war vollkommen verknotet und Rin wusste aus eigener Erfahrung, was für eine Tortur es sein konnte, sowas zu lösen. Egyn versuchte dem Fäulniskönig so gut es ging zu helfen. Allmählich beschlich Rin das Gefühl, einen ungewöhnlichen Schweif abbekommen zu haben. Wie auch bei Iblis, war das dunkelgrau-schwarze Fell von Astaroths Schweif nicht fluffig sondern relativ glatt und fing viel später an. Der Schweif selbst war schwarz.
 

Inzwischen hatte er erfahren, dass nur Familienmitglieder oder sehr nahestehende Personen den Schweif berühren durften. Außerdem musste diese Berührung nicht immer mit Schmerz verbunden sein, sondern konnte angenehm sein. Anscheinend nutze man das gerne bei Kindern, wenn sie sich nicht beruhigen wollten. Auch hatte er gelernt, dass man die Zähne ebenfalls nicht zeigen sollte, denn dies war eine Drohung oder Herausforderung und wenn er das beim falschen Dämonen machte, konnte das arg nach hinten losgehen. Er versuchte nicht darüber nachzudenken, wie oft er seine Zähne allein gegenüber dem Clown gebleckt hatte. Andere Dämonen hätten ihn dafür zusammengeschlagen oder sogar getötet. Unglaublich wie man sogar mit solchen Dingen ins Fettnäpfchen treten konnte. Man hätte ihm das ruhig eher erzählen können! Aber zurück zum Thema.
 

Die beiden stellten sich wesentlich geschickter als Rin an, dennoch fluchte der Fäulniskönig, als Egyn einen weiteren Knoten löste.
 

"Warum musste dieses Vieh Schleim haben?!"
 

"Sei froh, dass es keine Dornen sind, wie damals bei Azazel. Wir haben zwei Stunden gebraucht, um alle aus ihm raus zu bekommen.", seufzte Egyn.
 

"Soll mich das jetzt trösten?!"
 

"Hey, hör auf zu wackeln!"
 

"Dann reg mich nicht auf!"
 

Endlich war der letzte Knoten gelöst und Astaroth begann grummelnd damit sein Fell glatt zu bürsten. Rin verdrehte nur die Augen und sah wieder zu seinen anderen Geschwistern.
 

Iblis drillte einige Armeerekruten, die heute angekommen waren während Samael grinsend zusah. Offensichtlich fand er es mehr als amüsant, wie sehr sich die Dämonen abrackern mussten.
 

Amaimon, Lucifer und Beelzebub waren in einem Trainingskampf vertieft während Azazel Bogenschießen trainierte. Dafür verwendete er jedoch keine einfachen Zielscheiben, sondern eine Art Schattenfiguren, welche sich tatsächlich bewegten und Angriffe ausführten oder zumindest simulierten. Somit war der Geisterkönig gezwungen immer in Bewegung zu bleiben und Angriffen auszuweichen. Eigentlich war Rin davon ausgegangen, dass ihn das nerven würde, denn Bewegung war nun wirklich nicht seins, doch zu seiner Überraschung nahm der Geisterdämon Training sehr ernst. Gut, alle Dämonenkönige nahmen Training ernst. Sie schafften es tatsächlich jeden Tag irgendwo eine Trainingsstunde reinzuquetschen und hassten es dabei Fehler zu machen. Azazel war zumindest perfektionistisch, wenn es ums Bogenschießen ging.  Jedes Mal, wenn er auch nur einen kleinen Fehler machte oder mehr als einen Pfeil für ein Ziel brauchte, wiederholte er die Übung.
 

Egyn und Astaroth fuhren nun ebenfalls mit ihrem Training fort. Egyn kämpfte mit seinem Speer gegen seinen jüngeren Bruder, welcher seine Dolche benutzte. Dieser nutzte übrigens dieselben Schattengestalten wie Azazel, wenn er Messerwerfen übte und er traf ebenfalls so gut wie immer in Schwarze. Egyn war auch sehr begabt im Umgang mit seiner Waffe, doch schaffte es nach Aussage seiner Geschwister immer wieder diese zu schrotten.
 

Nach einer Viertelstunde machten sie Pause. Die von Iblis trainierten Rekruten brachen in dem Moment zusammen als der Feuerkönig sie entließ.
 

"Schätze, du hast es etwas übertrieben.", murmelte Rin.
 

"Ach, die werden's überleben.", antwortete Iblis schulterzuckend. "Bis Samhain haben sie erst mal Ruhe."
 

"Samhain?"
 

"Bei den Sterblichen heißt es Halloween.", erklärte Lucifer. "Weißt du, warum es ursprünglich gefeiert wurde?"
 

Als der Nephilim den Kopf schüttelte, begann Beelzebub zu erklären. "Der Brauch geht auf die Kelten zurück. Sie glaubten, dass an diesem Tag die Welt der Lebenden mit der der Toten zusammentrifft und sich vermischt, sodass die Toten nur an diesem Tag eine Chance hatten, von der Seele eines Lebenden Besitz zu ergreifen. Viele sind sehr scharf auf menschliche Körper, weil sie selbst keinen mehr haben und so weiterleben können. Die Menschen verkleideten sich also und zogen laut durch die Gegend. Sie glaubten, dass die Toten sie nicht erkennen beziehungsweise abgeschreckt werden und nicht von ihnen Besitz ergreifen."
 

"Es klingt im ersten Moment komisch, aber es ist was dran.", sprang Egyn ein. "An Samhain ist die Grenze zwischen Gehenna, Assiah und Devachan ziemlich dünn. Es öffnen sich oft von selbst Gehennapforten und viele Seelen versuchen zu fliehen. Das größte Problem sind aber wir Dämonen. An Samhain ist immer ein Blutmond und das lässt unsere Instinkte durchdrehen. Man wird aggressiver, verliert schneller die Kontrolle und manche laufen dann in Assiah Amok. Bei uns hochrangigen geht es meist noch, aber Dämonen mittleren und niederen Ranges machen gerne mal Ärger."
 

"In anderen Worten: der Großteil von uns darf wieder den ganzen Tag damit verbringen, irgendwelche wild gewordenen Dämonen zurück nach zu Gehenna zu schleifen.", grummelte Iblis. "Wobei es erst in der Nacht richtig los geht."
 

"Betrifft mich dieser Blutmond auch?", fragte der Nephilim etwas nervös.
 

"Ja, aber ich bezweifle, dass es allzu schlimm wird.", antwortete Astaroth schulterzuckend und der Rest nickte zustimmend.
 

Natürlich lagen sie total daneben.
 

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Samhain war da. Rin fühlte sich eigentlich normal, jedoch war da ein seltsames Kribbeln unter seiner Haut und er fühlte sich angespannter als sonst. Seiner Familie und den anderen Palastbewohnern schien es ähnlich zu gehen, versuchten sich jedoch so normal wie möglich zu verhalten. Normalerweise wurde zu Samhain eine Art Festival veranstaltet, jedoch wurde Alkohol nur in begrenzten Mengen verkauft. Man wollte immerhin keine Ausraster provozieren. Dafür wurde am 1. und 2. November ordentlich getrunken, denn dies war das Fest des Todes und ebenfalls ein Feiertag.  
 

Es war bereits Abend und saß er mal wieder in seinem Zimmer während die Dämonenkönige die Siegel in ihrem jeweiligen Gebiet kontrollierten. Bei Lucifer war es Superbia, bei Samael Luxuria, bei Beelzebub Gula, bei Iblis Ira, bei Amaimon Avaritia und Acedia war in Astaroths Reich versiegelt. Immerhin war er nicht alleine, sondern spielte Karten mit Jahi.
 

"Du hast schon wieder gewonnen?", schmollte sie.  "Gemeinheit..."
 

Rin grinste nur. "Noch 'ne Runde?" Dank seinen Geschwistern konnte er zumindest schon etwas Slang.
 

"Nein, das ist langweilig, wenn du immer nur gewinnst.", grummelte sie und wandte sich an den Fernseher der nebenbei lief. "Und davon verstehe ich kein Wort. Holt ihr Japaner auch mal Luft?"
 

"Gehennisch hat dafür einen Haufen Zungenbrecher und so viele harte Laute, dass man kaum das Wort rausbekommt.", hielt Rin dagegen.
 

"Du musst nicht gleich zickig werden."
 

"Zickig?!"
 

"Und jetzt schmollst du. Irgendwie ist das ganz knuffig."
 

Rin antwortete nicht, sondern sah sie einfach nur böse an, was leider mit seinem gerötetem Gesicht nicht allzu beeindruckend wirkte.
 

"Du bist so drollig, wenn du versuchst einschüchternd zu wirken."
 

"Ich geb's auf.", murmelte er kopfschüttelnd. "Also, was willst du stattdessen machen?"
 

Sie überlegte. "Wie wär's, wenn ich dir ein paar meiner Lieblingsstellen im Palast zeige? Ich kenne sogar ein paar Geheimgänge.~"
 

Rin biss sich auf die Lippe. Eigentlich sollte er möglichst in seinem Zimmer bleiben und nicht draußen alleine herumlaufen, aber er war ja nicht allein, sondern mit Jahi unterwegs. Da würde doch sicher nichts dagegen sprechen.
 

Das war der nächste große Irrtum.
 

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Auch wenn seine Geschwister ihm bereits große Teile des Palastes und des Gartens gezeigt hatten, war es doch schön etwas weiter zu erkunden. Jahi zeigte ihm einige ihrer Lieblingsplätze und ihre Lieblingsstellen im riesigen Palastgarten.
 

"Was ist das eigentlich für eine Pflanze?", fragte er sie plötzlich. Sie erinnerte etwas an eine Orchidee, nur wesentlich größer und mit anderen Blättern. Die Blüten sahen aus, als wären sie aus Gold. Jahi folgte seinem Blick.
 

"Oh, das ist ein Goldfunken. Die blühen normalerweise nur in Amaimons Gebiet. Hiisi hat sie damals angepflanzt. Sie hat viel Zeit im Garten verbracht und sich um die Pflanzen gekümmert, Amaimon hat immer geholfen. Als sie dann gestorben ist, gingen viele der Pflanzen ein. Das ist die Letzte und seit all den Jahren kümmert sich Amaimon um sie. Also bloß nicht anfassen, das mag er gar nicht."
 

"Also ist...Amaimon Hobbygärtner?", fragte Rin etwas perplex. Dämonenkönig der Erde hin oder her, er konnte sich den grünhaarigen Dämonen einfach nicht so vorstellen. Mit Gummistiefeln, Handschuhen, einem Strohhut und einer Harke in der Hand, bereit ein paar Petunien (oder was auch immer man in Gehenna so nahm) einzupflanzen. Das Bild war urkomisch und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
 

Jahi schien ein ähnliches Bild vor Augen zu haben und kicherte. "Um Satans Willen, nein! Er hat zwar das nötige Wissen und die Fähigkeiten, aber so ein Hobby ist nichts für ihn. Ich schätze, er will seine tote Mutter ehren indem er sich um die letzte Pflanze  kümmert."
 

Das war traurig und rührend zugleich.
 

Jahi griff ihn am Arm. "Komm schon, weiter geht's! Eine Sache möchte ich dir noch zeigen."
 

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Iblis war sich nicht mehr sicher, ob er es wirklich tun sollte. Er war zu seinem Palast zurückgekehrt, um sich um einige Angelegenheiten zu kümmern (und seine Drachen zu besuchen, denn diese vermissten ihn immer sehr und warfen ihn vor Freude um, wenn er wiederkam), doch dann erreichte ihn eine Nachricht. Nach mehreren Monaten erfolgloser Suche hatte man zufällig eine der ehemaligen Priesterinnen des Tempels in dem seine Mutter und Halbgeschwister damals Zuflucht gefunden hatten, aufgespürt. Endlich konnten sie den Namen des dritten Kindes erfahren.
 

"Iblis, wenn es dich zu sehr fertig macht, kannst du auch draußen warten.", sagte Egyn besorgt und Astaroth nickte.
 

"Wir machen dir keinen Vorwurf."
 

Der Feuerkönig schüttele vehement den Kopf. "Scheiß drauf, ich will es endlich wissen."
 

Nachdem er tief Luft geholt hatte, klopfte er an die Tür. Kurz darauf öffnete eine Dämonin mit langen schwarz-roten Haaren und schwarzen Augen die Tür.
 

"Lavea? Feuerpriesterin?", erkundigte er sich. Die Frau nickte überrascht.
 

"Majestät, ich-"
 

"Lass den Majestätskram weg. Können wir rein kommen?"
 

"Natürlich." Sie folgten ihr in eine Art Wohnzimmer. Ihre Wohnung war relativ spartanisch eingerichtet.
 

"Also ich komme gleich zum Punkt. Vor vielen Jahren wollte eine Frau namens Aeshma Asyl in einem Tempel. Sie hatte drei Kinder. Zwei von ihnen hießen Stihi und Aym. Wer war das dritte Kind? Wisst Ihr was mit ihr passiert ist?"
 

Lavea sah sie verblüfft an. "Es tut mir leid, ich darf nicht einfach-"
 

"Es ist ein Notfall!", drängelte Egyn. "Sie arbeitet wahrscheinlich für Lilith!"
 

Die Priesterin zögerte, gab jedoch nach. "Nun gut. Ich werde euch den Namen sagen. Ich weiß sogar den Clan ihrer Adoptiveltern und welchem Haus sie dienen."
 

Als sie es ihnen sagte, starrten sie sie mit offenen Mündern an.
 

"Haus Ajax und Clan Ifrit? Sicher?", hakte Astaroth nach.
 

Die Priesterin nickte.
 

"Scheiße.", murmelte Egyn.
 

Alle drei sprangen auf.
 

"Wir müssen sofort zum Palast.", knurrte Iblis und stürmte los. Netterweise vergaß er nicht Lavea noch schnell 'Danke!' zuzurufen. Astaroth und Egyn stürmten hinterher, die Priesterin blieb etwas verwirrt zurück.
 

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Einige Dämonenkönige waren soeben zurückgekehrt und saßen zusammen mit Satan im Esszimmer. Sie waren gerade dabei von den Siegeln zu berichten als die Tür aufflog und Iblis herein gestürmt  kam, dicht gefolgt von Astaroth und Egyn.
 

"Wo ist Rin?!", fragte Iblis schon fast hysterisch.
 

"In seinem Zimmer?", murmelte Amaimon.
 

"Da kommen wir her und da war er nicht!", jammerte Egyn.
 

Satan stand stirnrunzelnd auf. "Was ist denn plötzlich los-?"
 

Astaroth unterbrach ihn. "Wir müssen sofort Rin finden!"
 

"Ich glaube, er wollte Zeit mit Jahi verbringen." überlegte Lucifer.
 

Die drei Dämonenkönige erbleichten.
 

"Was ist das Problem-"
 

"Das Problem ist, dass Jahi die Verräterin ist! Sie ist das verdammte dritte Kind!", fauchte Iblis.
 

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Rin stand zusammen mit der Feuerdämonin in einem Geheimgang. Allmählich machte sich in ihm ein flaues Gefühl in seiner Magengegend breit und er wurde immer nervöser. Lag das am Blutmond?
 

"Woher kennst du diese ganzen Geheimgänge überhaupt?"
 

Sie zuckte mit den Schultern. "Ich habe viel erkundet."
 

"Und niemand hatte etwas dagegen, dass du einfach im Palast rumschnüffelst?"
 

"Scheinbar."
 

Der Nephilim verdrehte die Augen. "Können wir zurück gehen? Dieser Ort bereitet mir Gänsehaut."
 

Sie sah ihn nachdenklich an. "Irgendwie ist es schon schade."
 

"Was ist schade?"
 

"Dass es so kommen musste. Ich mag dich eigentlich, aber Familie kommt zuerst. Und deine hat einiges zu verantworten."
 

Bevor der Nephilim irgendwie reagieren konnte, bekam er einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf und stürzte zu Boden. Er hörte nur noch wie Jahi "Tut mir leid, ist nichts persönliches." sagte, dann wurde alles dunkel.
 

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Rins Kopf dröhnte. Er hörte verzerrte Stimmen und das Scharren von Füßen. Gleichzeitig stellte er fest, dass er auf einem hartem, kaltem Boden lag. Vielleicht Stein? Ganz sicher war er nicht, er war zu benommen. Nun näherten sich Schritte und jemand kniete vor ihm. Er weigerte sich die Augen zu öffnen.
 

'Bitte lass das ein Traum sein.'
 

Die Person vor ihm lachte gehässig. "Ich weiß, dass du wach bist."
 

Als der Halbdämon die Stimme erkannte, handelte er instinktiv und trat zu. Ein lautes Fluchen und Knacken verriet ihm, dass er getroffen hatte. Lachen ertönte. "Komm schon Aulak, damit hättest du wirklich rechnen können."
 

Auch diese Stimme kannte er und stieß ein fast schon animalisches Knurren aus, von dem er nicht gedacht hätte, das er sowas überhaupt rausbekommen würde. "Berith."
 

Der Zeitdämon grinste und verneigte sich spöttelnd. "Stets zu Diensten."
 

Rin wollte aufspringen und ihm den Hintern anzünden, aber es ging nicht. Missmutig und etwas panisch stellte er fest, dass seine Hände festgekettet waren. Seine Flammen wollten nicht hervorkommen, was wohl an den seltsamen Symbolen auf den Ketten lag. Frustriert ließ er den Blick durch den Raum schweifen. Neben Berith und Aulak (welcher sich noch immer schimpfend die Nase rieb) erkannte er einige Ratsmitglieder wie Ose und Andras sowie eine Hand voll anderer Dämonen. Die meisten hatte er noch nie gesehen. Dann entdeckte er Jahi.
 

"Warum?", fauchte er.
 

Sie lächelte bitter. "Ich glaube die Antwort darauf kennst du schon. Wie gesagt, es ist nichts persönliches." Damit bestätigte sich seine Vermutung. Sie war dieses dritte Kind. Außerdem wurde ihm endlich bewusst, wo er überhaupt war. Es war der Raum in dem Lilith verseigelt wurde. Der Stern in der Mitte war voller Risse und Funken stoben hervor. Das war nicht gut.
 

'Ich muss hier raus.'
 

"Das wird nicht passieren."
 

Er zuckte zusammen als er die leider vertraute Stimme hörte. Sie war diesmal nicht in seinem Kopf, sondern echote im ganzen Raum.
 

"Lilith."
 

"Ich hatte dir ja gesagt, das wir uns bald wiedersehen.~", kicherte die ehemalige Königin Gehennas. "Leider musste ich bis Samhain warten, aber die kleine Verzögerung macht nach all den Jahrtausenden auch nichts mehr."
 

"Ich werde dir nicht helfen."
 

Liliths Anhänger begannen zu lachen. Er hatte außerdem das Gefühl, dass die Dämonin hämisch grinsen würde, wenn sie körperlich anwesend wäre.
 

"Ich brauche deine Zustimmung auch gar nicht, nur deinen Körper. Eine einfache Besitzergreifung reicht aus.~"
 

Angst machte sich breit, doch er wischte sie schnell beiseite.
 

"Du bluffst. Dämonen können nicht von anderen Dämonen Besitz ergreifen."
 

Dann traf es ihn. 'Moment. Wie ist die Reglung für Halbdämonen?! Alle sind doch davon ausgegangen, dass Satan mich als Gefäß will!'
 

Lilith kicherte. "Dir ist es sogar selbst klar geworden." Ok, damit war es offiziell. Dämonen konnten Gedanken lesen. Yippie.
 

"Gut, da wir noch Zeit haben bis es soweit ist, werde ich es dir sogar erklären. Keine Sorge, ich werde versuchen es einfach zu halten. Ich habe gehört, du bist der dümmere Zwilling."
 

Rin schnaubte nur, sagte jedoch nichts. Mit etwas Glück würde Lilith in den typischen Bösewichtsmonolog verfallen und seiner Familie genug Zeit geben, um ihn zu finden. Wenn sie überhaupt sein Verschwinden bemerkt hatten. Wie lange war er eigentlich bewusstlos gewesen?
 

"Es stimmt, dass Dämonen nicht von anderen Dämonen Besitz ergreifen können, aber mit Nephilim sieht die Sache schon anders aus. Dämonen niederen oder mittleren Ranges würden es wohl nie schaffen, aber für mich, deinen Vater und deinen Hurensöhne von Brüdern ist es durchaus möglich. In meinem momentanen Zustand bin ich geschwächt, doch Samhain oder besser gesagt der Blutmond lässt unsere Kräfte stärker werden und holt die animalischen Instinkte hervor. In anderen Worten: ich werde stärker und dein Geist schwächer."
 

Dem Jugendlichen wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. "Aber meine Dämonenhälfte müsste auch stärker werden-"
 

"Das wird sie, aber nicht stark genug. Die Versieglung macht es noch einfacher für mich. Vielleicht werde ich Samael dafür sogar einen schnelleren Tod gewähren als dem Rest.~"
 

"Ich lasse dich nicht rein, egal was passiert.", knurrte der Nephilim, auch wenn die Angst immer stärker wurde.
 

"Das spielt keine Rolle, ich brauche deinen Körper nur für ein paar Sekunden. Und wie es der Zufall will, steht der Mond endlich in der richtigen Position. Wehre dich besser nicht, du würdest nur das Unvermeidliche hinauszögern."
 

Rin hatte nicht mal mehr die Zeit zu protestieren, als ihn ein fürchterlicher Schmerz durchfuhr. Sein Schädel fühlte sich an, als würde er jeden Moment zerbersten, weder Luft zu holen noch sich zu bewegen erschien unmöglich. Gleichzeitig schienen heiße Nadeln und Krallen seinen Körper zu durchbohren. Das beängstigendste war allerdings, dass er irgendwie spüren konnte, dass etwas lebendiges versuchte in ihn zu gelangen. Es war ein furchtbares Gefühl, als würde sich langsam in Parasit hineinfressen.
 

Am Rande bemerkte er, wie jemand die Ketten löste und anmerkte, dass Rin länger durchhielt als gedacht, aber der Nephilim dachte nicht mal daran anzugreifen, zu intensiv waren die Schmerzen. Er wehrte sich nicht einmal, als er gegriffen und näher zum Siegel geschliffen wurde, wo man ihn einfach fallen ließ. Dennoch kämpfte er weiter gegen Lilith. Er würde sie nicht rein lassen! Leider reichte es nicht aus. Sein Körper wurde taub, sein Verstand war benebelt und ein Teil von ihm fragte sich, was er überhaupt hier tat. Langsam begannen seine Flammen aufzulodern, dann brach die Dämonin durch und er sah nur noch blau.
 

Ein lautes Knacken war zu vernehmen, gefolgt von einem lauten Knall und einer Druckwelle, welche den Nephilim gegen die Wand schleuderte. Für einen kurzen Moment herrschte Stille und aufgewirbelter Staub nahm die Sicht. Dann hörte er das Lachen einer Frau.
 

'Nein...'
 

"Ich bin wieder da!~" Noch immer lachte sie und eine Gänsehaut breitete sich auf ihm aus. Das war ein Traum. Ein Albtraum. Es musste einfach so sein. Leider war es Realität. Der Staub lichtete sich und gab endlich sie Sicht auf die erste Dämonin Gehennas frei.
 

Iblis hatte nicht übertrieben. Sie war schöner als jede Frau, die der Halbdämon jemals gesehen hatte. Ihr Körper hätte so einige Models neidisch gemacht, ihre Haut war blass und makellos. Goldene Augen funkelten gefährlich und passten hervorragend zu ihren lockigen, roten Haaren, welche bis über das Becken reichten. Das Kleid der Dämonen war ebenfalls rot, doch biss sich nicht mit der Haarfarbe. Der Rücken und die Taillen waren frei und der Ausschnitt sehr tief. Zu guter Letzt hatte sie goldene Armreifen, einer war wie bei Indra in der Form einer Schlange. Auch ihr goldener Gürtel war eine Schlange. Am Rande nahm er ein Zeichen an ihrem Oberarm war. Ein Sichelmond und ein Kreuz? Nicht, dass es eine Rolle spielen würde.
 

Entsetzt starrte er die Dämonengöttin an, sie grinste nur hämisch während sie langsam auf ihn zukam, offensichtlich genoss sie die Situation. Ihre Anhänger waren niedergekniet, doch sie schenkte ihnen keinerlei Aufmerksamkeit, sondern konzentrierte sich nur auf dem am Boden kauernden Jungen vor ihr.
 

"Endlich begegnen wir uns. Vielen Dank für deine Hilfe. Ohne dich hätte ich es nie geschafft.~" Grausamer Spott lag in ihrer Stimme. Rin versuchte aufzustehen, doch Lilith lachte nur leise. "Oh nein, du bleibst am Boden, wo du hingehörst."
 

Sie vollführte eine einfache Handbewegung und der Nephilim knallte erneut gegen eine Wand. Er sah Sterne und kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an. Plötzlich kniete die Dämonin neben ihm, griff nach seinem Kinn und zwang ihn ihr in die Augen zu sehen.
 

"Meine Güte, du siehst ja wirklich aus wie dein Vater. Du hast seine Augen...na egal. Was mache ich jetzt mit dir?" Ihr Tonfall war verspielt, doch Rin fühlte sich wie eine Maus, die zwischen den Pfoten einer Katze saß. Noch waren die Krallen eingezogen und er wurde hin und her geschoben, aber er wusste, dass sich das bei der nächsten Stimmungsschwankung ändern konnte.
 

"Ich könnte dich wohl einfach töten, aber inzwischen haben wir ja festgestellt, dass das keine Option ist. Es ist viel zu unterhaltsam dich am Leben zu lassen und vielleicht bist du mir sogar nochmal nützlich." Sie legte den Kopf schief und ihre dunkelroten Fingernägel gruben sich tiefer in sein Fleisch. "Natürlich gilt das nicht für deinen kleinen Bruder, nicht wahr?"
 

Das riss den Nephilim aus seiner Starre. Er schlug Liliths Hand beiseite und beschwor seine Flammen herauf, doch die Rothaarige lächelte nur. "Ah, ah, ah. Nicht schummeln."
 

Etwas erschien in ihrer Hand. Er erkannte ihr Amulett und stellte fest, dass es rot leuchtete.
 

'Oh, oh.'
 

Hitze entstand in seinem Herzen und breitete sich in seinem Körper aus, dann wurde es zu einer eisigen Kälte. Leere blieb zurück. Erneut versuchte er seine Flammen zu beschwören. Nichts passierte.
 

"Wie es scheint, ist eine kleine Lektion angebracht. Niemand widersetzt sich mir.", sprach Lilith ihn an. Sämtliche Verspieltheit war jetzt verschwunden. Ihr Ton war kalt und ihre Augen verengt. Sie waren auch nicht länger golden, sondern rot. Die Dämonin musterte ihn prüfend. "Persönlich finde ich, dass Schmerz immer der beste Lehrer ist. Probieren wir es einfach mal aus."
 

Sie schnippte mit dem Finger und Rin schrie. Er fühlte sich an, als würden sich tausend glühende Messer in seinen Körper bohren. Alles schien zu brennen, er nahm nichts mehr wahr außer der Schmerzen. So plötzlich wie es begonnen hatte, hörte es auf. Zitternd lag er am Boden. Einige der anwesenden Dämonen lachten hämisch. Er spürte wie Lilith einen Fuß auf seinem Rücken platzierte. "Das war nur ein kleiner Vorgeschmack, ich kann dir wesentlich schlimmere Dinge antun. Vielleicht fühlst du dich dank der Flammen stark, aber ohne sie bist du nichts. Nur ein dreckiges Halbblut mit einer Hure als Mutter und mehr Glück als Verstand. Wertlos, ungewollt und verachtet. Ich habe dir meine Hilfe angeboten, aber du hast dich geweigert. Das war nicht klug von dir."
 

"Du kannst mich-", begann Rin, doch bevor er seinen Satz beenden konnte, hatte Lilith bereits ihre Hand in seinen Haaren und zog seinen Kopf nach hinten. Gleichzeitig legte sie einen Arm um seinen Hals und drückte ihm die Luft ab.
 

"Bekomme es endlich in deinen dicken Schädel.", flüsterte sie ihm ins Ohr. "Du bist meiner Gnade ausgeliefert. Du lebst nur noch, weil ich es so will. Weder Satan noch sonst wem hast du es zu verdanken, sondern mir." Sie begann mit ihm mit ihrer freien Hand über die Wange zu streicheln, doch es war nicht beruhigend. Es zeigte nur, dass es für sie ein Spiel war. "Und nun da du mich in deinen Geist gelassen hast, gehörst du mir."
 

"Nein.", krächzte Rin hervor. Er hasste sich dafür, dass er zitterte, aber er konnte nichts dagegen tun.
 

Sie lachte leise. "Du hast nachgegeben und mich rein gelassen, weil du die Schmerzen nicht mehr ertragen konntest. Dafür wird dir niemand vergeben. Man wird dich hassen, dich als Verräter hinrichten. Du kannst weder nach Assiah gehen, noch in Gehenna bleiben. Ich biete dir einen Ausweg. Hilf mir freiwillig und ich werde deiner erbärmlichen Existenz zumindest einen kleinen Sinn geben."
 

Ihre Worte trafen den Halbdämonen mehr als er zugeben wollte, doch er biss die Zähne zusammen und schnaubte verächtlich. "Du kannst einfach nicht die Klappte halten, wie? Es ist mir egal, was du sagst. Ich falle nicht drauf rein."
 

Erneut lachte sie. "Ich sage nur die Wahrheit." Damit ließ sie ihn fallen. Sie richtete nun das Wort an ihre Anhänger doch Rin hörte kaum zu, sondern überlegte fieberhaft, wie er aus dieser Situation rauskommen sollte. Er hatte keine Ahnung wie lange seine Kräfte blockiert sein würden, er war von einem Haufen Dämonen umgeben, die ihn töten könnten, wenn er auch nur schief schaute und seine Geschwister sowie Satan hatten wahrscheinlich keine Ahnung wo er steckte. So sehr es hasste es einzugestehen, er war mehr als nur verängstigt. Er fühlte sich genauso hilflos wie in der Nacht von Shiros Tod, genauso ausgeliefert. Der einzige Trost war, dass diesmal wenigstens keiner für ihn sterben könnte. Obwohl sein Körper schmerzte, versuchte er sich aufzustützen, doch nicht mal das wollte gelingen. Etwas warmes, klebriges lief sein Gesicht hinunter und er wusste sofort was es war. Allmählich näherte er sich dem Punkt, denn man wohl als blanke Panik bezeichnen konnte.
 

Die Realität und Liliths Worte sickerten endlich in seinen Verstand. Er hatte die größte Feindin Gehennas und Assiahs befreit. So viele waren im Kampf gegen sie gestorben und nun waren ihre Tode vergebens. Es würde sogar noch mehr Tote geben, denn ein Krieg erschien inzwischen unausweichlich. Wie sollte er das erklären? Wie sollte er beweisen, dass es gegen seinen Willen geschehen war? Ganz Gehenna würde ihn hassen. Seine Familie würde ihn hassen.
 

Nein. Er hatte jetzt endlich eine Familie, das würde er sich nicht von dieser rothaarigen Hexe wegnehmen lassen. Dummerweise konnte er ohne seine Flammen oder überhaupt eine Waffe nicht viel ausrichten. Er war so in Gedanken versunken, dass er sich gehörig erschreckte als die Dämonin wieder vor ihm stand.
 

"Also wo waren wir? Ach ja." Wieder flog er gegen die Wand. Was war bitte ihr Problem?!
 

"Seht ihn euch nur mal an.", kicherte Lilith, ihre Augen waren mittlerweile wieder normal. "Der allmächtige Kronprinz von Gehenna. Vollkommen hilflos und allein. Oh, das wird Spaß machen. Wie fühlt es sich an, wenn man für den Untergang des eigenen Reiches und der eigenen Familie verantwortlich ist, hm?"
 

Rin antwortete nicht. Er würde nicht mitspielen. Die anwesenden Dämonen lachten nur mitleidlos.
 

"Es ist ziemlich unhöflich einfach nicht zu antworten. Ich habe dir eine Frage gestellt.", fuhr Lilith in einem gefährlichen Tonfall fort. Als der Nephilim noch immer schwieg, schnippte sie erneut mit den Fingern und die schon bekannten Schmerzen durchfuhren ihn. Er versuchte nicht zu schreien, aber er konnte nicht anders. Als es endlich vorbei war, schnappte er nach Luft und hustete.
 

Er hörte wie sie seufzte. "Das wird allmählich langweilig. Es macht keinen Spaß dich zu quälen, wenn Satan es nicht sieht."
 

"Dann haben wir wohl beide einen schlechten Tag.", knurrte Rin, doch sie ignorierte den Einwurf.
 

"Wie wäre es mit einem Vertrag?", fuhr die Dämonin unbeirrt fort. "Du hilfst mir und dafür verschone ich deine kleinen Freunde. Falls sie überhaupt noch deine Freunde sind."
 

Im Kopf des Halbdämonen ratterte es. Dann fiel ihm ein, warum ihm das Konzept so bekannt vorkam. Iblis hatte es in der Bar erwähnt und Lucifer näher erklärt. Aus derartigen Verträgen gab es kein Zurück mehr und Lilith würde ihn definitiv über den Tisch ziehen.
 

"Vergiss es! Ich lasse mich nicht nochmal reinlegen!"
 

Er bekam eine Ohrfeige als Antwort. "Du impertinentes Balg! Deine Arroganz wird dein Ende sein."
 

"Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel gesehen?"
 

"Ich bin arrogant? Ha! Ich erkenne im Gegensatz zu manch anderem ein instabiles System. Die Menschen sind uns vollkommen unterlegen, wir stehen über ihnen, doch wir haben uns einfach aus Assiah vertrieben. Und wie hat man reagiert? Es wurde klein beigegeben! Die Sterblichen sind nur Insekten, wir sollten über sie herrschen und uns nicht von ihnen unterdrücken lassen! Es wird Zeit, dass jemand Gerechtigkeit bringt und wenn Satan das nicht tut, dann eben ich. Irgendjemand muss die Ordnung wieder herstellen."
 

"Gerechtigkeit ist dir doch egal!"
 

Erneut packte sie ihn an den Haaren. "Vielleicht sollte ich dir die vorlaute Zunge rausschneiden.", sagte sie im Plauderton. "Ich habe wirklich genug von deiner Stimme!"
 

"Witzig, das wollten wir auch grad sagen.", meldete sich eine neue Stimme und Rin erlaubte sich einen Funken Hoffnung. Lilith warf den Halbdämonen zu Boden und wirbelte herum, ebenso wie ihre Anhänger. Mit knapper Not entkam sie einer Flammensäule.
 

"Na, zielen sollten wir noch mal üben, oder Iblis?"
 

"Ach, halt die Klappe Sammy."
 

Tatsächlich. Am Eingang zum Tempel standen die acht Dämonenkönige. Rin hätte vor Erleichterung fast losgeheult.
 

"Tut uns leid, die Party zu unterbrechen, aber ihr habt hier was, was uns gehört.", knurrte Astaroth.
 

Bevor jemand einen Muskel rühren konnten, schossen blaue Flammen hervor und verbrannten mehrere von Liliths Anhängern. Nun trat auch Satan aus den Schatten. Sein Gesichtsausdruck war frei von jeglicher Emotion, aber man konnte die Wut spüren. Die Raumtemperatur schien um mehrere Grad zu sinken. Der Dämonengott sah Rin kurz an bevor er sich an Lilith wandte. Falls sie überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie redete mit ihnen als wäre es ein Plausch in der Schulmittagspause.
 

"Ich hatte mich schon gefragt, wann ihr uns mit eurer Anwesenheit beehren würdet. Früher oder später würden die Barrieren und Wachen nicht mehr ausreichen. Ich muss jedoch sagen, dass ihr euch alle ganz schön verändert habt. Sogar du Satan. Deine Haare sind kürzer, nicht wahr?~"
 

"Halt deine verdammte Klappe.", zischte Satan leise. Seine Augen schienen zu glühen. "Wie kannst du es wagen, dich an meinem Sohn zu vergreifen?"
 

Lilith machte einen Schmollmund. "Wir waren so lange zusammen, dann so lange getrennt und nun redest du so mit mir? Das tut wirklich weh."
 

"Oh, glaube mir, die Schmerzen kommen noch!", fauchte der Dämonengott und seine Flammen loderten auf. "Niemand vergreift sich an meinen Kindern!"
 

"Sagt derjenige, der seinem eigenen Sohn unbedingt ein Trauma verpassen musste.", antwortete Lilith trocken. "Abgesehen davon konnte ich zu so seinem Geschenk nicht nein sagen. Du hast nicht nur ein Kind bekommen, welches deine Flammen hat, sondern auch noch halb menschlich ist, sodass ich ihn ganz einfach dazu bringen kann zu tun, was ich will. So gesehen, warst du es, der meine Flucht möglich gemacht hat.~"
 

Satan schnaubte, während Iblis sich an Jahi wandte. "Warum?", fragte er bitter.
 

Sie lachte freudlos auf. "Warum? Ihr habt mein Leben ruiniert. Wir sind rausgeflogen und dann habe ich meine Mutter und Geschwister an euch verloren!"
 

"Selbst wenn das stimmen würde, ist das keine Entschuldigung für Blutjagden."
 

Jahi schwieg und funkelte ihn nur wütend an.
 

"Und was hast du eine Ausrede für deinen Verrat, Berith? Ich bin gespannt.", mischte sich nun Samael  ein. Zwar zeigte er sein typisches Grinsen, aber dennoch wusste der Nephilim, dass er genauso wütend war wie der Rest.
 

Der Zeitdämon grinste. "Meine Familie stand schon auf Liliths Seite und bezahlten dafür mit ihrem Leben so wie dem Untergang unseres Hauses. Ich denke, es ist nur fair, wenn ich den Gefallen erwidere."
 

"Und dieses Haus wäre?"
 

"Verrier."
 

Der Name sagte Rin etwas. Es war eines der großen Häuser in Samaels Reich gewesen. Heutzutage existierten nur noch die großen Häuser Cain, Milea, Abaddon und Carnivean.
 

"Dann vermute ich, dass der Tod deiner ehemaligen Diebesbande kein Unfall war?"
 

Berith schnaubte verächtlich. "Ich habe ihnen meine wahre Identität offenbart, um mir ihre Hilfe zu sichern. Ihre Antwort war, dass sie zwar Diebe, aber keine Verräter sind. Satan war für sie der bessere Herrscher, also ließ ich sie töten."
 

"Und das nachdem sie sich dich aufgenommen haben. Also wirklich. Jedoch muss ich zugeben, dass ich nicht mit so vielen Ratsmitgliedern gerechnet habe."
 

"Genug jetzt mit diesem Scheiß.", fauchte einer von Liliths Anhängern. "Beenden wir es!"
 

"Ich habe eine bessere Idee.", warf sich die rothaarige Dämonin ein. Plötzlich stand sie wieder hinter Rin, hatte eine Hand in seine Haare gekrallt und riss seinen Kopf brutal zurück. Warum immer die Haare und Wände? "Würde es dich stören, wenn ich ihm das Genick breche?~" Sprach sie Satan mit dieser nervigen Sing-Sang-Stimme an.
 

Dieser bleckte die Zähne zur Antwort. Die Dämonenkönige gingen in Angriffsstellung.
 

"Wenn du ihm auch nur einen Kratzer verpasst, wirst du dir wünschen nie geboren worden zu sein." Seine Stimme hatte eine Kälte angenommen, die Rin schon eher an diesen durchgeknallten Dämonen aus jener Nacht erinnert. Einige von Liliths Untergebenen schienen sich ebenfalls nicht wirklich wohl in ihrer Haut wohl zu fühlen und wichen langsam zurück.
 

"Er war es, der mich raus gelassen hat. Er hat dich verraten. Willst du ihn da wirklich noch als Sohn akzeptieren? Bildest du dir tatsächlich ein, dass er Gehenna statt Assiah wählen wird? Er hat mehr Grund die Dämonen zu vernichten als die Menschen. Er ist eine Gefahr für alle und eine Verschwendung dämonischen Blutes. Er macht dich und die königliche Blutlinie schwach. Meinst du nicht, dass es an der Zeit ist, sich seiner zu entledigen?"
 

"Warum hören wir uns das noch an?", grummelte Egyn.
 

"Erledigen wir sie.", stimmte Amaimon zu.
 

Satan starrte sie nur emotionslos an.
 

"Siehst du das?", flüsterte Lilith Rin ins Ohr. "Er versucht nicht einmal dich zu verteidigen, weil er weiß, dass ich Recht habe. Er weiß, dass er ohne dich besser dran wäre. Deine Geschwister denken das ebenfalls. Sie sind neidisch, weil du die Flammen geerbt hast. Momentan mögen sie noch nett zu dir zu sein, aber in ein paar Jahren wird das anders aussehen. Du wirst nie zu ihnen gehören."
 

Inzwischen war Rin sich sicher, dass sie ihn irgendwie mit ihren Kräften manipulierte, denn jedes Wort war wie ein Schlag ins Gesicht. Er wollte, dass es endlich vorbei war. Er wollte nicht mehr von Selbstzweifeln zerfressen oder wegen seines Halbblutstatus schief angesehen werden. Er hatte es satt, dass jeder Erwartungen an ihn stellte und es scheinbar keinen interessierte, was er wollte. Gut, er fühlte sich in Gehenna inzwischen zuhause, aber es war schlussendlich nicht seine Entscheidung hier zu sein und wahrscheinlich würde man ihn nie nach Assiah zurückkehren lassen auch wenn der Vatikan nicht hinter ihm her wäre.
 

Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, ließ ein lauter Knall gefolgt von einer Erschütterung Lilith und ihre Leute erschrocken zusammenfahren. Das nutzte die königliche Familie aus, um anzugreifen. Lilith ließ den Halbdämonen los. Schreie waren zu hören und Fluchen. Rin lag hustend am Boden als Samael ihn hochzerrte und aus der Gefahrenzone stieß bevor auch er mitkämpfte.
 

Ihre Gegner schienen allerdings nicht allzu scharf auf einen Kampf zu sein, sondern verschwanden einfach. Offensichtlich waren Phasensprünge plötzlich möglich. Die Dämonenkönige und Satan bauten sich vor Lilith auf. Diese verdrehte nur die Augen.
 

"Schön, wir beenden das ein anderes Mal. Ich habe eine Armee aufzubauen, ein paar Siegel zu zerbrechen, die Unterwerfung zweier Welten zu planen...na ihr kennt es ja. Man sieht sich!~" Sie verschwand in einem roten Leuchten.
 

"Wie ich es hasse, wenn sie das tut.", murmelte Beelzebub.
 

Satan antwortete nicht sondern lief zu Rin, welcher dabei war das Bewusstsein zu verlieren, kniete neben ihm und begann ihn leicht zu rütteln. "Rin!"
 

Der Nephilim antwortete nicht, sondern zitterte und starrte vor sich hin. Jetzt würde die Standpauke kommen. Man würde ihn anschreien, bestrafen und vielleicht sogar hinrichten. Was dann kam, hatte er nicht erwartet. Satan zog ihn näher zu sich und...umarmte ihn?
 

"Was tust du-?"
 

"Sh, es ist in Ordnung. Ich weiß, dass du nichts dafür kannst. Niemand macht dir deinen Vorwurf. Wir sind froh, dass es dir gut geht." Er strich dem Nephilim sanft durchs Haar. Die Geste erinnerte ihn an den Alten, wenn er ihn umarmt und getröstet hatte. Er spürte, wie Tränen in seinen Augen brannten. Verdammt, er vermisste den alten Knacker so sehr.
 

"Papa, ich...", flüstere er, nicht sicher mit wem er überhaupt sprach, aber das war ihm egal. Er bemerkte nicht mal, dass er den Dämonengott soeben zum ersten Mal laut als seinen Vater bezeichnet hatte.
 

"Schon gut. Lass es einfach raus."
 

Damit brach der Damm. Rin begann erst zu schluchzen, dann flossen die Tränen und er ließ alles raus. Die Frustration, die ständige Wut wegen seiner unfaire Behandlung, die Angst vor der Exekution, Shiro und seine Freunde zu enttäuschen, niemals dazuzugehören, immer ungeliebt und ungewollt zu sein, seine Zerrissenheit, die ständigen Erwartungen und zu guter Letzt der Schmerz anders zu sein. Er war in diesem Moment wieder ein kleines Kind, welches sich einfach mal wieder richtig ausheulen musste. Er spürte wie Satan ihn noch fester an sich drückte und ihm weiterhin über den Kopf strich während er ihm tröstende Worte zu wisperte. Rins Flammen waren ebenfalls draußen und wüteten wie ein aus dem Käfig gelassenes, wildes Tier. Normalerweise wäre es ihm peinlich vor so vielen Leuten zu weinen, aber er musste eingestehen, dass es half. Es fühlte sich an, als wäre endlich ein schmerzhafter Knoten geplatzt, der ihm seit Jahren die Luft abschnürte. Bisher hatte er nie mit irgendjemanden über seine Probleme und Ängste gesprochen, sondern alles in sich hineingefressen und weiter gelächelt. Nun war er froh, es endlich in gewisser Weise raus gelassen zu haben und genoss er die Präsenz seines Vaters. Die Dämonenkönige blieben still, sogar Samael, wofür er sehr dankbar war.
 

Am Rande hörte er Schritte, die sich schnell nährten und verschiedene Stimmen, doch er hatte nicht mehr die Kraft sich dafür zu interessieren. Inzwischen war er halbwegs runter gekommen und klammerte sich an Satan als würde er fürchten, dass er sich sonst auflösen würde. Der Dämonengott hatte nun ebenfalls seine Flammen auflodern lassen, welche ihm ein wohliges Gefühl gaben und Sicherheit verliehen. Schlussendlich schloss er einfach die Augen und ließ sich in die Bewusstlosigkeit fallen.

Schuldgefühle

Rin saß auf einem Sofa vor dem Kamin in den Gemächern seines Vaters, eingehüllt in einer dicken Decke. Ihm war hundeelend. Die letzte Stunde war nur eine verschwommene Erinnerung für ihn. Die Zerstörung des Siegels war offensichtlich nicht unbemerkt geblieben, denn der Palast war in heller Aufruhe. Boten kamen und gingen, Wächter und andere Mitglieder des Militärs erstatten Bericht und die Bediensteten wuselten in den Gängen umher. Am schlimmsten waren jedoch die Gewissensbisse. Seine Geschwister und sein Vater hatten abwechselnd auf ihn eingeredet und versucht ihn zu trösten, aber es brachte nichts. Es war alles seine Schuld. Er hätte früher erkennen müssen, dass Jahi nichts Gutes im Schild führte. Er hätte sich stärker gegen Lilith wehren können. Stattdessen war er wie ein naives Kind in die Falle gestolpert und musste sich retten lassen als wäre er die hilflose Prinzessin aus einem Märchen. Warum musste er immer alles ruinieren? Warum brachte er den Personen, die ihn umgaben nur Unglück? Sein ehemaliges Ziel Exorzist zu werden und Satan in den Arsch treten, erschien nun vollkommen lächerlich. Er konnte nicht mal auf sich selbst aufpassen, wie wollte er da jemanden retten? Erneut wurde ihm auf schmerzhafte Weise bewusst, wie nutzlos er war. Vielleicht hatte Yukio Recht gehabt, er hätte einfach sterben sollen.
 

"Hey.", riss ihn jemand aus seinen tristen Gedanken. Es war Astaroth. Er hielt dem Nephilim eine Tasse unter die Nase. "Für dich."
 

Rin sah ihn fragend an, der Fäulniskönig seufzte und schaute etwas verlegen zur Seite. "Das ist sowas ähnliches wie heiße Schokolade. Meine Mutter hat die immer für uns gemacht, wenn wir traurig oder mies drauf waren. Vaya hat mir etwas geholfen, sollte also trinkbar sein. Jetzt nimm schon."
 

Der Nephilim nahm die Tasse zögerlich an und bedankte sich leise. Vorsichtig nippte er daran und stellte fest, dass es wirklich gut war. Es verbreitete eine wohlige Wärme. Astaroth gesellte sich währenddessen zu Samael und Iblis, welche in einer Zimmerecke standen. Der Rest war mit Satan irgendwo im Palast unterwegs und versuchte wohl eine Massenhysterie abzuwenden. Keine beneidenswerte Aufgabe.
 

"Und irgendwelche Veränderungen?", erkundete sich der Feuerkönig.
 

Astaroth schüttelte den Kopf. "Nein, schaut immer noch drein als hätte er soeben versehentlich einen Massenmord begangen."
 

Samael verdrehte die Augen und sah zu dem kleinen Häufchen Elend namens Rin hinüber. "Hach, da bringt man es nicht einmal übers Herz ihn auf dem Arm zu nehmen."
 

"Als ob, du willst nur nicht, dass Vater dich einäschert.", schnaubte Iblis.
 

Er erhielt einen empörten Blick. "Das ihr wirklich immer das Schlimmste von mir erwarten müsst."
 

"Warum wohl?"
 

Bevor sie anfangen konnten zu streiten, ging die Tür auf und Satan kam mit den restlichen Baal dicht gefolgt von ihren Stellvertretern ins Zimmer. Die meisten sahen aus, als wären sie eben erst aus dem Bett gestiegen und alle trugen ihre Zivilkleidung. Nur Ankou fehlte. Diese folgte jedoch nur Sekunden später. Sie trug eine graue Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt. Ihre Haare waren klatschnass.
 

"Ich kann auch nichts dafür, dass mich eure Nachricht erreicht, während ich unter der Dusche stehe.", knurrte die Geisterdämonin, als sie die fragenden Blicke bemerkte. Hinter ihr huschte außerdem noch Kuro ins Zimmer. Iblis warf dem Nekomata einen missbilligenden Blick zu, doch sagte nichts als er auf Rins Schoß sprang und sich an ihn kuschelte. Dieser nahm ihn sofort in die Arme und drückte ihn an sich. Wenn es seinem kleinen Bruder mit der Flohschleuder besser ging, dann biss er eben die Zähne zusammen.
 

"Egal jetzt. Wo ist Alastor?", fragte Satan in die Runde.
 

"Er kommt noch, aber jetzt wären trotzdem Erklärungen super.", kommentierte Halphas. "Ich konnte Iblis Sauklaue nur entnehmen, dass Liliths Siegel zerstört ist und irgendwas mit Jahi."
 

"Ich hatte Zeitdruck!", knurrte der Feuerkönig.
 

"Egal, wie ist das verdammte Siegel zerbrochen?!"
 

Rin sank unwillkürlich zusammen. Er hatte gar nicht an die Stellvertreter gedacht. Wie würden sie die Neuigkeiten aufnehmen? Halphas und Amon hatten ihm endlich vertraut und nun würden sie ihn hassen. Alastor würde ihn wahrscheinlich an Ort und Stelle häuten falls er an Satan und den Dämonenkönigen vorbei kam.
 

"Es ist...kompliziert.", begann Egyn vorsichtig.
 

"Ich denke, wir sind intelligent genug, um es zu begreifen.", entgegnete Amon etwas bissig.
 

"Es ist meine Schuld.", brach es aus Rin heraus. Alle Augen richteten sich auf ihn, doch er sah niemanden an, sondern sprach weiter. Am besten gestand er alles, dann wäre das Schlimmste hoffentlich vorbei. "Jahi hat mich reingelegt und in eine Falle gelockt."
 

"Ich habe ja immer gesagt, dass das Halbblut noch Ärger machen würde, aber auf mich hört ja keiner.", grummelte eine Stimme. Alastor stand in der Tür. Großartig. Als ob sein Tag nicht schon mies genug war.
 

"Ruhe.", zischte Satan sichtlich genervt und wandte sich an Rin. Seine Augen wurden etwas sanfter als er ihn ansah. "Ich weiß, dass es nicht einfach ist, aber du musst uns erzählen, was passiert ist."
 

Ein Knoten schien plötzlich in seiner Rins Kehle zu stecken. Unbewusst verstärkte er seinen Griff, woraufhin Kuro etwas gequält maunzte. Schnell ließ er wieder locker. "Ich...kann nicht."
 

"Bitte."
 

Eigentlich wollte er nicht. Die Erinnerung allein löste Panik aus, aber er war ihnen eine Erklärung schuldig. Er holte tief Luft. "Gut."
 

Satan setzte sich neben ihm auf das Sofa, zusammen mit Egyn, Iblis und Azazel. Der Rest und die Stellvertreter verteilten sich auf die übrigen Sitzmöglichkeiten. Die Dämonenkönige warfen ihm aufmunternde Blicke zu, Alastor einen feindseligen, der Rest war neutral.
 

Langsam und mit etwas zittriger Stimme begann Rin im Detail zu erzählen. Wie ihn Jahi in eine Falle gelockt hatte, wo er bewusstlos geschlagen worden war, wie er im Tempel aufgewacht war und Lilith sich schlussendlich befreit hatte indem sie Besitz von ihm ergriff. Er versuchte so genau wie möglich alles wiederzugeben, was sie gesagt hatte, auch wenn er wohl von dieser Frau Albträume haben würde bis er alt und grau war. Moment, war er auch unsterblich? Er beschloss später nachzufragen. Satan hatte zudem einen Arm um ihn gelegt, was überraschend beruhigend war. Je länger er redete, umso einfacher fiel es sogar. Als er fertig war, hielt er gespannt den Atem an. Wie würden sie reagieren? Alle schienen nachzudenken und wechselten gelegentlich Blicke. Die Stille war mehr als nervenaufreibend. Konnte jetzt mal einer was sagen? Er saß hier auf heißen Kohlen!
 

Dann schnaubte Alastor. "Also haben wir es deiner Naivität zu verdanken, dass Gehennas größte Feindin zurück ist. Na Gratulation!"
 

"Meine Güte, jetzt halte doch ein Mal deine selbstherrliche Klappe!", fauchte Ankou zur Überraschung aller Anwesenden. "Der Kleine ist schon fertig genug und macht sich Vorwürfe für etwas, für das er nichts kann, also schütte nicht noch Salz in die Wunde!"
 

Rin sah sie überrumpelt an. Bisher hatte er sie noch nie sauer erlebt. Als sie ihn das erste Mal in Schutz genommen hatte, war sie wesentlich ruhiger gewesen. Er ignorierte sogar den Spitznamen. Sie war allerdings kleiner als er, also warum nannte sie ihn bitte klein?! Seine Überraschung wuchs, als ihrer Aussage Zustimmung entgegengebracht wurde.
 

"Lass es jetzt gut sein, Alastor. Was geschehen ist, ist geschehen. Er bringt nichts, jetzt noch auf ihn eintreten, wenn er schon am Boden ist. Gönn ihm 'ne Pause. ", seufzte Amon. Alle nickten.
 

Der Nephilim verstand die Welt nicht mehr. "Wartet...ihr hasst mich nicht?!"
 

"Warum sollten wir dich hassen?", fragte Amaimon mit schiefgelegtem Kopf.
 

"Ich habe Lilith befreit!"
 

"Sie hat von dir Besitz ergriffen.", korrigierte Lucifer. "Niemand kann sich gegen sowas ewig wehren, erst recht nicht, wenn man nicht im vollen Besitz seiner Kräfte ist."
 

"Und wir haben alle Jahi vertraut.", fügte Iblis hinzu. "Und ich bin grad verdammt froh, dass sie nie reagiert hat, wenn ich sie angebaggert habe..."
 

Ja, das wäre unangenehm geworden.
 

"Wir kannten sie wesentlich länger und haben sie nicht durchschaut. Mache dir deswegen keine Vorwürfe.", merkte Azazel an.
 

"Ich kannte sie nur flüchtig, aber sie kam mir wie eine sehr anständige Person vor und normalerweise kann ich Leute gut einschätzen.", seufzte Agares.
 

Dem Halbdämonen fiel ein Steinhaufen vom Herzen. Sie hassten ihn nicht. Er hatte nicht alles ruiniert. Vielleicht hatte das Universum, Karma, Gott oder was auch immer es sich in den Kopf gesetzt hatte ihm das Leben möglichst schwer zu machen, endlich Mitleid mit ihm bekommen. Oder es wollte eine kurze Illusion der Hoffnung erzeugen, nur um alles wieder zu zerschmettern und ihn noch tiefer in die Verzweiflung riss. Seit wann war er eigentlich so pessimistisch? Es war Halphas, der für das nächste böse Erwachen sorgte.
 

"Das ist ja rührend und alles, aber ein Problem gibt es noch.", erinnerte dieser etwas zerknirscht. "Dem Rat wird das gar nicht gefallen. Sie können zwar nichts gegen Rin tun, aber falls sie seine Hinrichtung verlangen und wir ablehnen, gibt's Stress. Der Rat wird sich spalten und nur noch streiten. Also noch mehr als sie es ohnehin schon tun. Das würde Lilith nur in die Hände spielen."
 

Na ja, die Hoffnung war schön gewesen, solange sie währte.
 

"Scheiß auf den Rat, das sind ein Haufen Volltrottel!", fauchte Astaroth.
 

"Stimmt, aber mächtige Volltrottel.", hielt Satan dagegen.
 

"Einäschern ist immer eine Option..."
 

"Nein, das verführt nur zu alten Verhaltensmustern!", fuhr Shax streng dazwischen.
 

"Vielleicht sollten wir zuerst sicher stellen, dass wir nicht noch mehr Verräter in unseren Reihen haben.", mischte sich Samael ein. "Wenn ich Lilith wäre, würde ich immer ein paar meiner Leute in Position haben."
 

"Apropos, könnte es sein, dass Jahi die Nachricht im Saal platziert hat? Ich habe sie auf dem Fest gesehen.", fragte Egyn.
 

Lucifer nickte. "Wahrscheinlich. Sie war immerhin an der Organisation beteiligt, also wusste sie genau, wo alles ist."
 

"Da fällt mir ein...", murmelte Satan. "Diese Lieferungen...langsam glaube ich, dass sie da auch etwas manipuliert hat. Sie hat etwas von nicht bestellten Dingen erzählt, aber laut einigen der Lieferanten fehlte einiges, was eigentlich angekommen ist. Wahrscheinlich waren die Lieferungen für Liliths Leute."
 

"Also haben wir auch noch Ausrüstung für Lilith bezahlt?", fragte Samael etwas erschöpft klingend.
 

Satans Blick sagte alles.
 

"So oder so kommen wir um ein Ratstreffen nicht drum herum.", murmelte Azazel missmutig.
 

Der Dämonengott seufzte und stand auf. "Schickt eine Nachricht an alle Häuser und jeden Stammes- und Clanführer Gehennas. Wir brauchen den großen Rat in acht Stunde im Gerichtsgebäude. Überprüft die Siegel, riegelt alle Paläste sowie die Grenzen ab und verstärkt die Grenzposten. Jeder, der ohne Erlaubnis rein oder raus will, wird angegriffen und notfalls getötet. Zieht alle Dämonen, egal welchen Ranges aus Assiah ab. Wer sich weigert, wird als Verräter verdächtigt. Ich habe genug davon, dass uns Liliths Anhänger auf der Nase rumtanzen. Und schickt jemanden der Jahis Adoptiveltern herbringt. Ankou, du wartest bitte draußen. Ich habe einen Auftrag für dich."
 

Alle nickten und verließen den Raum. Azazel legte Rin eine Hand auf die Schulter und lächelte ihm aufmunternd zu, bevor auch er ging.
 

"Komm, du solltest ins Bett. Du hast einen langen Tag hinter dir und ich fürchte, du musst mit zum Ratstreffen.", sagte Satan sanft und zog Rin vorsichtig auf die Füße. Dieser nickte nur stumm. Er war nicht wirklich scharf darauf mitzukommen, aber verstand schon, dass es nicht anders ging. Kuro war bereits von seinem Schoß gesprungen und lief vor.
 

"Warum ist das Treffen im Gerichtsgebäude?"
 

"In den Ratssaal passen nicht alle rein. Der große Rat besteht aus allen Anführern der Häuser und Vertretern aller intelligenten Wesen Gehennas, also auch Harpyien, Furien, Sirenen und so weiter. Der große Rat wird so selten einberufen, dass wir uns nie die Mühe gemacht haben einen Ratssaal dafür zu errichten, also nehmen wir das Gerichtsgebäude. Ich bringe dich noch in dein Zimmer, dann muss ich auch los."
 

Der Nephilim war mehr als dankbar für die Gesellschaft. In seinem Zimmer angekommen, zog er sich stumm um, dann legte er sich ins Bett. Kuro machte es sich neben ihm auf dem Kissen gemütlich. Noch immer kreisten seine Gedanken.
 

"Wegen dem, was in der Höhle passiert ist...tut mir leid, dass ich so einen Zusammenbruch hatte.", murmelte er. Der Dämonengott sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Warum entschuldigst du dich? Es gibt keinen Grund, erst recht nicht nach so seinem Erlebnis."
 

"Weil ich anderen immer nur zur Last falle.", murmelte der Jugendliche. "Ich bekomme nie selber was auf die Reihe. Ich will anderen helfen, aber schlussendlich müssen sie mir helfen."
 

Satan sah ihn einen Moment lang an und setzte sich dann seufzend auf den Bettrand. Kuro bleib still, doch schmiegte sich schnurrend an den Jungdämonen. "Du fällst niemanden zur Last. Wenn jemand Schuld hat, dann sind das die Exorzisten und ich. Du hattest die letzten 16 Jahre keine Ahnung von allem, da ist es vollkommen normal, wenn du hinter deinen Klassenkameraden in der Exorzistenklasse zurückhängst."
 

Rin fragte gar nicht, woher er das wusste. Samael war der Schulleiter gewesen, es würde ihn nicht wundern, wenn er seine Noten kannte und die waren wirklich alles andere als berauschend gewesen. Zugegenermaßen wunderte es ihn etwas, dass der Zeitkönig nie eine Bemerkung dazu gemacht hatte. Wie wohl seine Brüder in der Schule gewesen waren? Wenn sie schon damals so drauf waren wie heute, hatten die Lehrer sicher keine ruhige Minute gehabt. Lucifer hatte sogar angedeutet, dass Satan Stammgast in der Schule war. Als er schwieg, sprach der ältere Dämon weiter.
 

"Du musst dich dafür nicht schämen. Es ist sogar ganz gut, dass du nicht zugehört hast. Der Großteil ist vollkommener Quatsch. Allein wie sie Besessenheit erklären...da fällt einem wirklich nichts mehr ein."
 

"Wie läuft es denn ab?", hakte Rin nach. "Lilith hat mich kurzzeitig übernommen, aber ich habe mitbekommen, was um mich herum geschieht. Warum?"
 

Satan zögerte. "Vielleicht sollten wir das auf ein anderes Mal verschieben-"
 

"Ich muss wissen, was da los war. Was wenn sie es nochmal versucht? Ich will mich nie wieder so benutzen lassen!"
 

'Oder hilflos fühlen.', fügte er stumm hinzu.
 

Sein Vater sah ihn schweigend an, doch gab nach. "Ich schätze, es schadet nicht, es zu wissen." Er hielt kurz inne und überlegte, wie er es verständlich erklären konnte. "Also, es gibt erlaubte und unerlaubte oder auch erzwungene Besitzergreifung. Natürlich spielt auch die Willensstärke des potenziellen Wirtes und wie "kompatibel" er mit dem Dämonen ist, eine Rolle. Bei einer gewaltsamen Übernahme dringt der Dämon -wie der Name schon andeutet- gewaltsam ein und drängt das Bewusstsein und damit auch den freien Willen des Wirtes zurück. Ist er erfolgreich, ist das Gefäß dem Willen des Dämonen unterworfen und kann sich später nicht mehr an die Übernahme erinnern, da es in einer Art tiefem Schlaf versinken. Es kann in manchen Fällen auch einfach wie ein Traum wirken. Die andere Möglichkeit ist, dass sich der Wirt nicht einfach unterwerfen lässt, sondern um die Kontrolle kämpft. Mit etwas Glück und Willensstärke kann man sich sogar von der Besessenheit befreien. Wird er irgendwann übernommen, bekommt er häufig mit, was der Dämon sagt oder tut und kämpft meist weiter dagegen an. Es ist allerdings auch möglich, dass der Wirt zwar alles mitbekommt, aber nicht die Kontrolle erlangen kann, egal wie sehr er kämpft. Dies ist in der Regel vom Dämon gewollt und wird gerne genutzt um einen zu quälen. Immerhin kann der Dämon alles tun, während sein Gefäß hilflos zusehen muss. Bei beiden Ausgängen kann sich der Betroffene meist an die Besessenheit erinnern oder es gibt nur ein paar Erinnerungslücken. Gewaltsames Eindringen ist sehr schmerzhaft für das Opfer und kann psychische sowie physische Schäden hinterlassen."
 

Der Halbdämon schluckte. Also war er noch mit einem Schreck davon gekommen. Wieder mal.
 

"Bei einer erlaubten Übernahme trägt das Gefäß nur selten Schäden davon. Der Dämon manipuliert die Person, die er übernehmen will und versucht sie dazu zu bringen sie rein zulassen. Am Anfang ist er "nur" eine Stimme im Kopf, aber je weiter er sich vorarbeitet, umso mehr Einfluss hat er auf sein Opfer. Irgendwann gibt das Opfer dann nach, der Dämon übernimmt den Körper und so weiter. Man kann sich dabei auch bestimmte starke Emotionen zunutze machen wie Wut oder Angst, denn diese schwächen den Geist. Die Person kann sich am Ende an nichts mehr erinnern."
 

Rin zögerte etwas bevor er die nächste Frage stellte. "Also war das bei Shiro eine erlaubte Übernahme? Da hast du dir doch auch Emotionen zunutze gemacht." Er versuchte nicht anklagend zu klingen, aber er hatte das Gefühl, dass ihm dies nicht wirklich gelang.
 

"Nein, das war eine gewaltsame Übernahme, man kann Emotionen immer ausnutzen. Ich war öfter in seinem Kopf und habe versucht ihn dazu zu bringen mich rein zu lassen, aber er hat sich stets gewehrt. Aber dann...naja, du hast es selbst gesehen."
 

Kurz herrschte unangenehme Stille, dann fuhr er fort. "Auf jeden Fall trägst du keine Schuld. Und es stimmt auch nicht, dass du nichts alleine schaffst. Dein Gehennisch wird immer besser. Du konntest Ankou im Training umwerfen und das kann nicht jeder von sich behaupten. Es fällt dir immer leichter die Flammen zu kontrollieren und hast dich wesentlich besser unter Kontrolle. Für den kurzen Zeitraum ist das eine beachtliche Leistung."
 

"Schon aber...gehöre ich wirklich hier her? Ich bin halb menschlich, habe fast keine Ahnung von Gehenna-"
 

"Es spielt keine Rolle, dass du ein Nephilim bist. Du bist mein Sohn, gehörst damit zu dieser Familie und fertig. Ich weiß, dass es Halbblütern schwer fällt sich anzupassen. Samael hat mir schon erzählt, dass du seit deiner Kindheit Probleme hattest, aber das ist normal. All deine Geschwister hatten ähnliche Probleme, obwohl sie vollwertige Dämonen sind."
 

Rin runzelte die Stirn. "Warum das?"
 

"Sie wurden während ihrer Schulzeit oft schief angesehen, weil sie meine Söhne sind. Viele waren neidisch, ihnen wurde viel Verachtung entgegengebracht und Freunde waren für sie schwer zu finden. Sogar mache Lehrer hatten es auf sie abgesehen. An manchen Tagen haben sie mich schon fast angefleht, dass sie lieber im Palast unterrichtet werden wollen. Ich habe nicht nachgegeben, weil es keine Lösung ist vor Problemen wegzulaufen. Schlussendlich haben sie doch einige Freunde gefunden und gelernt mit Gerede hinter ihrem Rücken und dergleichen umzugehen. Und jetzt sei ehrlich: hat einer von uns dir je das Gefühl gegeben, nicht hier her zu gehören?"
 

Langsam schüttelte der Halbdämon den Kopf. Doch das Stichwort "Neid" führte auch schon zu der nächsten Frage. "Stimmt es, dass die Anderen neidisch auf mich waren?"
 

Verwirrt sah Satan ihn an. "Wie kommst du-?" Er hielt inne, dann verdüsterte sich sein Gesicht. "Hat Lilith dir das gesagt?"
 

Rin nickte etwas beschämt. "Ich weiß, dass sie sogar noch mehr Lügen als Samael erzählt, aber ihre Worte gehen einfach nicht mehr aus meinem Kopf, egal was ich mache. Und damals als ich diese Visionen hatte, hat Iblis irgendwie komisch reagiert." Letzteres war ihm erst vorhin eingefallen. Als der Feuerkönig erwähnt hatte, dass dieses Talent wohl von Satan an Rin vererbt worden war, schwang ein seltsamer Ton in seiner Stimme mit. Damals konnte er es nicht zuordnen, doch inzwischen glaubte er, dass es tatsächlich Neid gewesen sein könnte.
 

"Es stimmt, dass sie am Anfang nicht allzu begeistert von dir waren.", kam die vorsichtige Antwort. "Wir hatten auch einen Streit deswegen, aber du musst dir keinen Kopf machen. Sie haben dich akzeptiert."
 

Sogar Rin merkte, dass er der Frage auswich und sah ihn vorwurfsvoll an, woraufhin er schnell fortfuhr. "Du solltest nicht so viel darauf geben, was Lilith sagt. Sie waren wütend, weil du die Flammen geerbt hast, besonders Iblis, aber das ist längst vorbei."
 

Das machte wohl Sinn. Sicherlich war es als Dämonenkönig des Feuers mehr als frustrierend, wenn man nur normales Feuer beherrschte.
 

"Und warum haben sie ihre Meinung geändert?"
 

Er bekam ein Schulterzucken als Antwort. "Sie haben sich wohl daran gewöhnt. Wenn es dich wirklich so sehr beunruhigt, frage sie selbst. Ich versichere dir, du musst dir keine Sorgen machen. Du gehörst für sie zu uns, daran ändern weder deine Kräfte noch dein Blutstatus etwas. Hast du sonst noch Fragen?"
 

"Was passiert jetzt mit Yukio? Lilith wird doch bestimmt wieder versuchen ihn zu töten!"
 

Satan beruhigte ihn schnell. "Ich werde mich darum kümmern. Weder Lilith noch ihre Attentäter werden an ihn heran kommen." Er schaute zur Uhr. "Ich muss jetzt langsam los. Deine Brüder haben alle ihr Handy dabei, rufe sie an, wenn du etwas brauchst. Ansonsten kannst du deinen Begleiter-"
 

"Kuro."
 

"Kuro losschicken." Er stand auf.
 

"Warte!"
 

Satan, welcher bereits auf halbem Weg nach draußen war, wandte sich noch einmal um und sah den Nephilim fragend an.
 

"Könntest du bitte hier bleiben bis ich eingeschlafen bin?", fragte dieser leise und wich dem Blick seines Vaters aus. Es war irgendwo peinlich, er war kein kleines Kind mehr, aber der Gedanke alleine zu sein, erschien unerträglich. Er würde hundertprozentig Albträume haben, aber er hatte bereits die Erfahrung mit Shiro gemacht, dass seine Anwesenheit ihm dabei half zu entspannen und die schlechten Träume erheblich reduzierte. Bestimmet klappte das auch bei Satan.
 

Der Dämonengott zögerte, doch lächelte dann leicht. "Sicher. Ich gebe Ankou noch ihren Auftrag, dann komme ich wieder."
 

 
 

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Ankou wartete wie befohlen draußen.
 

"Ihr habt einen Auftrag für mich?", erkundigte sie sich.
 

Der Dämonengott nickte. "Du bist eine der wenigen Personen, denen meine Familie und ich noch trauen können." Das stimmte. Vaya und Ankou kannte er seit sie Kinder waren, immerhin hatten sie immer mit seinen Söhnen gespielt. Im Gegensatz zu manch anderen Adligen hatte er nichts dagegen gehabt, wenn seine Kinder mit nicht Adligen spielten. Warum auch?
 

"Ihr ehrt mich." Natürlich bleib sie immer formell, wenn sie im Dienst war.
 

"Ich komme direkt zum Punkt. Wie du weißt, habe ich noch einen weiteren Sohn, Yukio. Er ist ein Mensch und ausgebildeter Exorzist. Liliths Blutjäger wollten ihn schon einmal töten und nun da sie frei ist, werden weitere Versuche folgen. Da alle Dämonen aus Assiah abgezogen werden, möchte ich, dass du nach Assiah gehst und ihn beschützt bis ich jemanden schicke, der dich ablöst."
 

"Nachdem, was ich mitbekommen habe, hasst er Dämonen. Korrekt?"
 

"Ja. Darum ist es wichtig, dass du dich ihm nur zeigst, wenn es nicht anders geht. Du musst dir außerdem einen Wirtskörper suchen. Die Grenze zwischen Gehenna und Assiah ist bereits sehr instabil, da möchte ich keine zusätzliche Pforte öffnen. Es ist bereits alles mit Shax und Azazel geklärt, du kannst dich ganz auf deinen Auftrag konzentrieren. Und denke daran: es werden keine Exorzisten getötet außer es ist absolut notwendig."
 

Die Geisterdämonen nickte. "Natürlich. Ich werde Euch nicht enttäuschen."
 

"Das weiß ich, darum habe ich dich ausgewählt. Du kannst gehen." Sie verneigte sich kurz und verließ den Korridor.
 

Satan kehrte zu Rin zurück. Er hatte zwar Zeitdruck, aber er wollte ihn nach dem heute erlebten nur sehr ungern allein lassen. Zu warten bis er eingeschlafen war, ist wohl das mindeste, was er tun konnte.
 

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Am nächsten Morgen saß Rin mit seiner Familie im größten Saals des Gerichtsgebäudes und hätte sich am liebsten unter seine Decke verkrochen. Immerhin hat die Einstellung "Wenn ich sie nicht sehe, sehen sie mich auch nicht!" früher immer gut geklappt. Nun aber leider nicht mehr. Der Saal war voll mit den mächtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten Gehennas (welche obendrein fast alle aus dem Schlaf gerissen worden waren), da war es wohl normal, dass er nervöser war als sonst. Alles lief in Gehennisch ab, aber er war zu aufgewühlt, um sich wirklich zu konzentrieren. Erst als man dann auf Lilith und das Siegel zu sprechen kam, zwang er sich zuzuhören. Es war das erste Mal, dass er wirklich öffentlich als Satans Sohn auftrat. Demzufolge war der Druck umso höher und die ganzen Augenpaare, die sich auf ihn richteten nachdem erzählt wurde, was sich in Liliths Tempel zugetragen hatte, raubten ihm fast den letzten Nerv. Daraufhin folgten Diskussionen, Rumgekreische, Argumentationen, Drohungen, Streitereien, Geschimpfe, Hetzreden und Flüche, aber schlussendlich gaben die Ratsmitglieder klein bei. Zumindest die Vorsitzenden der großen Häuser vertrauten Satan und den Dämonenkönigen, also war der Großteil durchaus willens, ihm eine Chance zu geben. Die kleinen Häuser mussten also mitziehen und damit war der Großteil auch schon überzeugt. Es gab zwar einiges an bösen Blicken, aber die waren der königlichen Familie herzlich egal.
 

Man war sich schlussendlich einig, dass Lilith das größere Problem war. Wie bereits befürchtet, war nicht nur ihr Siegel zerbrochen. Superbia und Invidia waren ebenfalls geflohen und mit ihnen mehrere ihrer Gefolgsleute. Leviathan hatte sich zurückgezogen, da seine Meisterin nun frei war, doch das war nur ein kleiner Trost. Niemand wusste, was Liliths als nächstes tun würde. Sie hatte davon gesprochen ihre Armee wiederaufzubauen, doch was dann? Würde sie zuerst Gehenna erobern oder Assiah angreifen? Vermutlich war Gehenna ihre Priorität, aber wer konnte das mit Genauigkeit sagen? So oder so war in Assiah einiges los. Viele Dämonen hatten die Erschütterungen in Gehenna, welche durch das Zerbrechen der Siegel entstanden war, genutzt und machten nun die Welt der Menschen unsicher. Dazu gehörten neben Liliths Anhängern leider auch Dämonen, welche treu zum Königshaus standen, aber ihr Menschenhass machte blind. Glücklicherweise waren sie zurückgekehrt, wie Satan es verlangt hatte, bis auf wenige Ausnahmen. Die Exorzisten würden jedoch damit so oder so hundertprozentig überfordert sein, also müsste Gehenna ihnen später noch mehr unter die Arme greifen als sonst. Einige schlugen vor, eine Allianz mit den Exorzisten zu bilden. Immerhin hatte man einen gemeinsamen Feind, aber Samael schoss die Idee sofort wieder ab. Laut ihm würde der Vatikan eher den dritten Weltkrieg anfangen als sich mit Dämonen zu verbünden.
 

Rin machte sich derweil Sorgen um Yukio und seine Freunde, aber konnte momentan nichts tun. Das machte ihn natürlich krank. Das Treffen dauerte mehrere Stunden und er fragte sich ernsthaft, wie Satan und seine Geschwister so wach und konzentriert sein konnten. Sie waren immerhin die ganze Nacht beschäftigt gewesen. Ein Mal fiel ihm allerdings am Rande auf, dass Iblis am Einnicken war bis ihm Samael unauffällig gegen den Rücken trat, was glücklicherweise niemand mitbekam.
 

Schließlich beschlossen sie eine Stunde Pause zu machen. In dieser Zeit erfuhr Rin, was man über Jahi in Erfahrung bringen konnte. Ihre Adoptiveltern lebten in Iblis Reich und hatten nur selten Kontakt mit ihr gehabt, sie konnten also leider nicht viel weiterhelfen. Lesji war genauso von dem Verrat überrascht gewesen. Jahi war ihre beste Freundin gewesen, doch nie war ihr etwas verdächtiges aufgefallen. Sie erzählte nur, dass die Feuerdämonin in letzter Zeit seltener Schichten in der Bar übernommen hatte. Entweder wegen einer angeblichen Krankheit oder weil sie viel im Palast zu tun hatte. Weder ihr noch Liliths Aufenthaltsort war derzeit unbekannt. Wahrscheinlich hatten sich die Dämonengöttin und ihre Anhänger in ihren Palast zurückgezogen. Dieser lag irgendwo im unerforschten Gebiet, aber keiner wusste wo. Rin überlegte immer wieder, ob er nicht Yukio oder einen seiner Freunde anrufen sollte, doch entschied sich vorerst dagegen. Wie sollte er auch erklären, dass er eine rachsüchtige Dämoningöttin befreit hatte? Im Moment konnte er nur hoffen, dass es allen gut ging.
 

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Natürlich war die Zerstörung des Siegels auch in Assiah nicht unbemerkt geblieben. Die Exorzisten waren am 31. Oktober immer auf viele Dämonen eingestellt (wobei sie tatsächlich nur einen kleinen Bruchteil zu Gesicht bekamen), doch nun staunten sie nicht schlecht als plötzlich ganze Massen von ihnen durchbrachen. Demzufolge war alles ein riesiges Durcheinander. Sogar die Exorzisten in Ausbildung wurden ausnahmslos in den Kampf mitgeschliffen. Dass Samaels Barrieren nicht länger existierten, machte es nicht einfacher. Inzwischen war der nächste Morgen angebrochen und Bon, Koneko, Shima, Izumo und Shiemi saßen völlig erschöpft an einem der zahlreichen Brunnen der Heiligkreuzakademie, darauf hoffend endlich Feierabend machen zu können, denn sie waren todmüde. Endlich kam auch Yukio dazu und verkündete, dass man die Lage im Griff hätte und sie nun ins Bett konnten. Einige Fragen beschäftigten sie jedoch noch. Woher kamen all diese Dämonen? Was wollten sie? Planten Satan und die Dämonenkönige einen Angriff? Natürlich konnte niemand sie beantworten. Schlussendlich war es Shiemi, die die Frage aussprach, die alle beschäftigte doch es nicht wagten sie auszusprechen.
 

"Ähm....Yuki-chan? Gibt es etwas neues von Rin?"
 

Der jüngere Okumura Zwilling schüttelte den Kopf. "Nein, seit seinem Anruf kam nichts mehr."
 

Die Adepten wechselten vielsagende Blicke. Mit jeder Woche, die verging, wurde es immer unwahrscheinlicher, dass sie den Halbdämonen jemals wiedersehen würden. Zwar hatte er am Telefon behauptet, dass es ihm gut ginge, doch es gab dafür keine Garantie. Es machte ohnehin keinen Sinn, was er alles von sich gegeben hatte.
 

"Keine Sorge, dein Bruder wird solange leben, wie unsere Gebieterin einen Nutzen für ihn findest. Von dir kann man das allerdings nicht sagen.", kommentierte eine Stimme. Erschrocken fuhren sie herum. Auf dem Brunnen saß ein Mädchen mit schulterlangen weißen Haaren und gelben Augen, welche denen einer Schlange ähnelten. Im Gesicht und auf den Armen waren zudem Schuppen zu erkennen, wenn man genauer hinsah.
 

"Was-?", begann Yukio und zog seine Pistolen, doch die Weißhaarige ließ ihn gar nicht zu Wort kommen.
 

"Ich heiße Kaliya und wurde geschickt, um dich zu töten. Also stirb." Damit stand sie auf und stürzte sich auf ihn.
 

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Indra war sauer. Nicht dieses typische "Ich-bin-von-Idioten-umgeben-sauer" sondern "Ich-reiße-dem-Mistkerl-den-Kehlkopf-raus-sauer". Als sie Beriths Unterstützung angenommen hatte, wusste sie bereits, dass er eine Schlange war. Sie hatte damit gerechnet, dass er sich Vorteile davon versprach und sie irgendwann fallen lassen würde. Demzufolge war sie auf der Hut gewesen, doch erkannte trotzdem zu spät, was er war. Ein mieser, kleiner Verräter. Er hatte mit ihr zusammengearbeitet, um seine Spuren zu verwischen und ihr etwas anzuhängen. Schlussendlich hatte er allerdings Fehler gemacht und sie begann ihn als Verräter ihn Betracht zu ziehen.
 

Dann spürte sie die Erschütterung, die Nachricht von Liliths Ausbruch folgte kurz darauf. Die Ratssammlung am Morgen war besser verlaufen als erhofft. Natürlich machten einige Rambazamba als sie die Hintergründe erfuhren, doch Indra gehörte zu jenen, die sich für die Unschuld des Nephilims aussprach. Er war ein Kind, welches das Pech gehabt hatte, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Lilith war ein Biest, welches vor nichts halt machte, um zu bekommen, was sie sollte. Es war eine Eigenschaft die sie in gewisser Weise mit Satan teilte, auch wenn er etwas gemäßigter war. Zudem war die Dämonin eine Fanatikerin, für sie zählten nur die eigenen Anschauungen. Indra wusste es mit am besten, immerhin hatte die ehemalige Königin Gehennas einst zu ihren engsten Freunden gehört. Heutzutage wollte sie ihr natürlich am liebsten den Schädel einschlagen. Allerdings beruhte das wohl auf Gegenseitigkeit. Um ehrlich zu sein, war einer der Gründe für ihre Beziehung mit Satan, dass sie ihrer ehemaligen Freundin eins auswischen wollte. Dass der Dämonengott Macht und Einfluss hatte und auch noch ziemlich gut aussah, war natürlich ein Bonuspunkt. Wer hätte damit rechnen können, dass sie tatsächlich Gefühle entwickeln und ein Kind daraus entstehen würde? Aber zurück zum Thema.
 

Bisher hatte sie Ruhe vor Attentätern gehabt und auch Azazel zeigte keine Auffälligkeiten. Zwischendurch war sie zu ihrem Elternhaus zurückgekehrt, um sich einigen Angelegenheiten zu widmen, doch bleib nicht lange. Ihr Vater war noch immer derselbe Kontrollfreak, ihre Mutter unterwarf sich ihm und nutzte jede Gelegenheit um Indra zu kritisieren. Manchmal wegen der Art und Weise wie sich kleidete (laut ihrer Mutter passte das Kleid eher zu einer Hure), ihren "rebellischen Tendenzen" (Wo stand bitte, dass Männer das Sagen haben? Laut Gesetz sind beide Geschlechter gleichberechtigt, aber das war bei manchen Adelsfamilien noch nicht angekommen.) und natürlich weil sie nach all diesen Jahren noch immer keine Nachkommen ausgetragen hatte. Na, wenn die wüssten. Mit jedem Besuch wuchs Indras Abneigung. Schon als Kind hatte sie nie verstanden, warum ihre Mutter immer nach der Pfeife ihres Vaters tanzte und sie selbst ein Haufen Verbote bekam während ihr Bruder Yaotzin allerhand Freiheiten genoss. Ihretwegen konnte sich das ganze Pack in den Hades scheren.
 

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Lilith war mehr als zufrieden. Ihr Plan war hervorragend aufgegangen, auch wenn sie ihn etwas verändern musste. Wer hätte gedacht, dass sich der Nephilim so leicht manipulieren lassen würde? Na, ihr sollte es egal sein. Immerhin hatte es einiges einfacher gemacht und würde sicher auch zukünftig Vorteile bringen. Gedankenverloren sah sie sich im Thronsaal ihres Palastes um. Alles war genau so, wie sie es verlassen hatte. Gut. Sie musste also niemanden für Inkompetenz bestrafen. Das war zwar meist ganz unterhaltsam, aber sie brauchte momentan jeden. Sie war noch immer geschwächt und es würde dauern bis ihre Armee wieder aufgebaut war. Immerhin waren bereits Invidia und Superbia ihrer Versieglung entkommen. Deren Gefolge würde also auch bald aus der Versenkung auftauchen. Einige ihrer Leute saßen im Tartaros ihre Strafe ab, also konnte sie einen Gefängnisausbruch gleich mit auf ihre To-Do-Liste packen. Wie lästig.
 

Mit einem Seufzen ließ sie sich auf ihren Thron nieder. Sie hatte so lange gewartet, da würden ein paar Monate wohl nichts ändern. So gesehen war es nur ein Wimpernschlag. Eindeutig ein gewisser Vorzug der Unsterblichkeit. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Jahi etwas nervös von einem Fuß auf den anderen trat.
 

"Jahi, komm doch mal her.", sprach sie die Feuerdämonin mit süßer Stimme an. Diese zuckte erschrocken zusammen.
 

"Ich, Gebieterin?"
 

"Wie viele mit dem Namen 'Jahi' sind sonst noch anwesend?" Sie wandte sich an eine der Alukah im Raum. "Lamia, sei so lieb und hole Hedammu, Naama, Ravana und Anaya."
 

"Natürlich." Sie verneigte sich und ging. Jahi trat zögerlich vor Liliths Thron und kniete nieder.
 

"Jetzt steh schon auf, ich möchte ordentlich mit dir reden."
 

Noch immer stumm, kam sie der Aufforderung nach.
 

"Also was beschäftigt dich?"
 

"Nichts, Herrin-"
 

"Wage es nicht mich anzulügen.", fuhr ihr Lilith scharf ins Wort. Ihre Stimme hatte nun einen drohenden Unterton. Sie hasste es, wenn einer ihrer Untergebenen sie anlog. Es war genauso schlimm wie Respektlosigkeit. "Mir ist egal, was du denn dem Rest erzählst, aber wenn du mir je die Wahrheit verschweigst, wirst du es bereuen. Haben wir uns verstanden?"
 

"Ja, entschuldigt."
 

"Also? Nein, Moment. Lass mich raten...du hast Gewissensbisse wegen dem Nephilim, korrekt? Überlege dir deine Antwort gut."
 

"Ich....ja."
 

Lilith erlaubte sich ein leichtes Grinsen. Sie lernte dazu. Sehr gut.
 

"Erzähle mir nicht, dass du ihn wirklich als Freund betrachtet hast."
 

"Ich wusste, was ich tun würde, also habe ich versucht ihn im Stillen zu hassen. Aber es geht nicht. Ich weiß, wir haben ihn gebraucht, aber er kann eigentlich nichts dafür. Er war zum Zeitpunkt der Rebellion noch nicht mal geboren."
 

Die Dämonin unterdrückte ein Schnauben. Allein dass dieses...Wesen geboren wurde, war ein Verbrechen. Nur sein jüngerer Bruder toppte es noch. Der Gedanke, dass Satan -ihr Mann- sich mit einer sterblichen Frau eingelassen und auch noch Kinder mit dieser Hure gezeugt hatte, ließ sie rot sehen. Allerdings hatte er sich schlussendlich als nützlich herausgestellt und einem geschenkten Drachen schaute man nicht ins Maul. Sie zwang sich zu seinem Lächeln sowie einer ruhigen Stimme und stand auf. Sie ging auf Jahi zu und hob ihr Kinn an, sodass sie ihr ins Gesicht sah.
 

"Es spielt keine Rolle, ob er schuldig ist oder nicht. Er ist unser Feind und ein potenzielles Werkzeug, alles andere ist bedeutungslos. Ich habe ihm mehrmals die Gelegenheit gegeben sich uns anzuschließen, aber er beharrt darauf sich mit diesen Blutverrätern abzugeben. Verschwende nicht deine Zeit mit ihm." Sie ließ die Feuerdämonin los und ging wieder zu ihrem Thron. "So oder so hast du mir einen großen Dienst erwiesen und dafür wirst du belohnt werden."
 

"Danke Meisterin. Aber was passiert jetzt? Fünf der Aveira sind noch versiegelt und Eure Anhänger verstreut. Manche sitzen sogar im Gefängnis."
 

"Lass das meine Sorge sein, Jahi. Superbia und Invidia dürften kaum Probleme dabei haben ihre Schwestern zu befreien und meine restlichen Anhänger sind dabei sich zu sammeln. Um Satan müssen wir uns keine Sorgen machen, er hat noch nicht erkannt, dass seine Machtbasis von ihnen heraus verrottet. Kaliya sorgt dafür, dass der Zwilling in Assiah den nächsten Tag nicht mehr erleben wird. Momentan läuft alles nach Plan. Sie haben keine Ahnung, was wir vorhaben. Das merken sie erst, wenn es zu spät ist." Sie erlaubte sich ein Lachen. Alles war noch unterhaltsamer als gedacht. Bald würden Gehenna, Assiah und Satan ihr gehören. Diesmal würde ihr nichts im Wege stehen. Immerhin bekam sie immer, was sie wollte.
 

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Yukio hatte in seinem Leben schon gegen einige Dämonen gekämpft, doch diese Dämonin war ein ganz anderes Kaliber. Bei näherer Betrachtung erkannte er die schlangenähnlichen Zähne, davon tropfte etwas grünes, was zischte als es auf dem Boden aufkam. Das war eindeutig kein gewöhnlicher Speichel. Seine Schüsse trafen nur teilweise, den meisten wich sie elegant aus. Sie war schnell und wendig. Die Adepten versuchten ihm zu helfen. Izumo beschwor ihre Füchse herauf, Shiemi rief ihm Warnungen zu und die Jungs begannen damit den Todesvers der Dämonin zu suchen, jedoch erfolglos.
 

Ehe sich der jüngere Okumura Zwilling versah, hatte er seine Pistolen verloren und lag am Boden. Die Schlangendämonin sah ihn kalt an. "Zu einfach." Mehr sagte sie nicht, sondern holte mit einem Dolch zum tödlichen Angriff aus. Dieser kam nie. Ohne Vorwarnung wurde sie plötzlich von einer unsichtbaren Kraft weggeschleudert und landete genau im Brunnenbecken. Hustend und klatschnass sprang sie auf. "Du!"
 

Yukio und die Adepten folgten ihrem Blick. Dort stand eine junge Frau mit verschränkten Armen, welche er nur vom sehen her kannte. Ihre Augen waren allerdings nicht braun, sondern weiß-silbrig. Er hinterfragte schon gar nicht mehr, dass Dämonen hier inzwischen rein und raus spazierten wie es ihnen passte.  
 

"Hallo Kaliya, es ist lange her.", sagte sie ruhig, beinahe schon gleichgültig. "Du vermiest mir grad ganz schön den Tag."
 

Kaliya stieg schnaubend aus dem Brunnen. "Solltest du nicht irgendwelche Toten babysitten oder jemanden aus Satans Familie vögeln, Ankou?!"
 

Die Dämonin namens Ankou schnaubte. "Erzähle mir nicht, dass du diesen Gerüchte glaubst."
 

"Nein, aber es nervt dich und das ist für mich Grund genug!" Damit sprang sie auf die weißäugige Dämonin. Yukio nutzte die Ablenkung, um sich aufzurappeln und seine Pistolen einzusammeln. Die Exwire kamen auf ihn zu gerannt.
 

"Okumura-sensei, geht es Ihnen gut?", erkundigte sich Koneko.
 

"Sicher. Suchen wir lieber eine Möglichkeit diese Dämonen los zu werden!" Natürlich leichter gesagt als getan. Er war sich nicht sicher, warum die beiden miteinander kämpften, aber es war ihm auch egal. Er zog sein Handy hervor und rief Shura an. Wieder mal ging sie nicht an ihr Telefon. Genervt hinterließ er eine kurze Nachricht und wandte sich wieder dem Kampf zu. Beide wichen geschickt den Angriffen aus. Kaliya versuchte Ankou mit ihren Dolch zu erwischen, doch nach einigen Versuchen wurde ihr schlussendlich die Waffe aus der Hand geschlagen. Sie stieß ein frustriertes Zischen aus, dann sprang sie auf das Dach und verschwand.
 

Die zurückgebliebene Dämonin hob seelenruhig den Dolch auf und steckte ihn ein, dann wandte sie sich an die Exorzisten, welche sie verwirrt ansahen. "Es ist unhöflich zu starren.", wies sie die Jugendlichen genervt zurecht. Yukio richtete seine Waffen auf sie. Sie zuckte nicht mal mit der Wimper. "Ich habe dir und deinen Schülern grad das Leben gerettet. Vielleicht solltest du nochmal überdenken auf wen du eine Waffe richtest."
 

Er ignorierte den Einwurf. "Wer bist du?"
 

"Ich glaube Kaliya hat das schon gesagt, oder?"
 

"Ich meine nicht nur den Namen! Du bist offensichtlich ziemlich hochrangig und hast sie ohne große Probleme vertrieben."
 

"Meine Position spielt keine Rolle. Alles was du wissen musst ist, dass ich geschickt wurde, um deinen Hintern vor Attentätern wie sie zu retten. Zumindest solange bis die Ablösung kommt."
 

Yukio war genervt von ihren vagen Antworten, doch fragte weiter. "Und was ist Kaliya? Sie ist anders als die bisherigen Dämonen."
 

"Sie ist eine Naga. Ja, die gehören zu Amaimon, aber sie sind nur Nachkommen der ersten Naga zu denen Kaliya gehört." Sie hielt inne. "Gut, sie ist halb Naga und halb Dämon. Egal."
 

"Und warum wollte sie mich töten?"
 

Ankou verdrehte die Augen. "Na, das Gespräch hattest du doch schon mal."
 

Endlich dämmerte es ihm. "Lilith?"
 

"Wer sonst?"
 

"Bisher war aber Ruhe. Warum kommt sie jetzt? Und warum sind hier so viele Dämonen unterwegs gewesen?", knurrte Bon.
 

"Das kann ich nicht sagen."
 

"Kannst nicht oder willst nicht?!"
 

"Beides." Damit wandte sie sich um und wollte gehen. Ohne nachzudenken drückte Yukio ab. Sie sprang aus dem Weg und drehte sich um. Bevor jemand auch nur fluchen konnte, stand sie schon vor ihm und hatte ihn entwaffnet. "Das hättest du nicht tun sollen.", sagte sie düster.
 

"Dann gib mir jetzt endlich verdammt nochmal Antworten!"
 

Ihre Augen verengten sich. "Du hast dir nie wirklich die Mühe gemacht Rin Antworten zu geben. Ich denke, da ist es nur fair, wenn man den Spieß umdreht, oder?"
 

"Rin? Du kennst ihn?", entfuhr es Shiemi.
 

Die Dämonin zögerte kurz und verschränkte die Arme. Ihr Blick war noch immer auf Yukio gerichtet. "Ja, ich kenne ihn und es fällt mir ehrlich gesagt schwer zu glauben, dass ihr Zwillinge seid. Eure Auren ähneln euch überhaupt nicht."
 

Der jüngere Okumura Zwilling biss die Zähne zusammen. "Woher kennst du ihn? Wie geht es ihm?"
 

"Ihm geht es...den Umständen entsprechend. Mehr kann ich nicht sagen."
 

"Den Umständen entsprechend?", echote Shima.
 

"Es ist nicht eure Angelegenheit."
 

"Er ist unser Freund!", hielt Shiemi dagegen.
 

"Ach, wirklich? Wenn man die momentane Entwicklung bedenkt, bezweifle ich, dass dies noch lange der Fall sein wird. Menschen sind wahnsinnig wankelmütig und leicht zu beeinflussen. Nephilim finden nur selten wahre Freunde unter den Menschen."
 

"Was weiß ein Dämon schon über Freundschaft?", knurrte Bon.
 

"Einiges. Was wisst ihr über Dämonen? Irgendwelche Hirngespinste, die sich fanatische Volltrottel ausgedacht haben und im Laufe der Zeit immer absurder wurden." Sie schnaubte. "Ihr wisst um einiges weniger über uns als wir über euch, also seid einfach still. Und was dich angeht..." Erneut wandte sie sich an Yukio. "Ich beschütze dich nur, weil Lord Satan es mir befohlen hat, nicht weil ich irgendwas für dich übrig habe. Um ehrlich zu sein, habe ich dich beobachtet und auch einiges über dich gehört. Das reicht schon aus, damit du mir bis sonst wohin stehst. Ich werde meine persönlichen Gefühle zwar wie immer aus meinem Auftrag raushalten, aber auch meine Geduld hat Grenzen. Solltest du mich erneut angreifen, werde ich das nicht hinnehmen. Haben wir uns verstanden?"
 

Er sah sie nur ablehnend an. Sie schien auch keine Antwort zu erwarten, denn sie drehte sich um und verschwand.
 

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Ankou hatte sich auf dem Dach niedergelassen und beobachte die Gruppe. Eine rothaarige Exorzisten mit ziemlich freizügigem Oberteil und einer sehr kurzen Hose war inzwischen ebenfalls eingetroffen. Sie hatte noch eine Exorzistin gesehen, die so herumlief, allerdings es war ihr ziemlich egal. Jeder sollte anziehen was er wollte, außer er war im Dienst. Einige Fetzen der Konversation waren zu hören, doch sie achtete nicht weiter darauf. Sie hatte gehofft eine direkte Konfrontation vermieden zu können, aber natürlich hatte das nicht funktioniert. Noch immer war sie überrascht, dass Kaliya sich tatsächlich nach Assiah schleichen konnte obwohl sie auf Gehennas Fahndungsliste ziemlich hoch war. Andererseits waren Liliths Anhänger schon immer kreativ gewesen.
 

'Halphas wird nicht begeistert, aber da kann man nichts tun.', dachte sie seufzend. 'Trotzdem tut er mir leid..' Moment. Energisch schüttelte sie den Kopf. Sie hatte jetzt keine Zeit dafür, sie musste sich auf ihre Mission konzentrieren. Die Ablösung würde hoffentlich bald kommen, bis dahin musste sie weiter auf dieses Gör aufpassen. Als Rin ihr von ihm erzählt hatte, war bereits die erste Abneigung aufgetreten. Sie war selber nicht ganz sicher weswegen, aber die Antwort kam schnell. So wie er mit Rin umgegangen war, ging auf keine Drachenhaut! Der Nephilim war gut gelaunt, optimistisch, irgendwie drollig und oft unschuldiger als ihm gut tat. Längst hatte sie eingesehen, dass sie ihn ins Herz geschlossen hatte. Vaya und den anderen Stellvertretern ging es wohl nicht anders (mit der Ausnahme von Alastor) auch wenn manche es vielleicht nicht direkt zugeben würden. Wie konnte jemand wie er mit Yukio Okumura verwandt sein?
 

Egal. Ihre Gefühle waren belanglos. Wenn der Junge starb, lag es durchaus im Bereich des Möglichen, dass sie sein Schicksal teilen würde. Das stand außer Frage, sie konnte Vaya nicht alleine zurücklassen. Sie hatte es ihr versprochen.
 

Ein paar Stunden später tauchte endlich die Ablösung auf. Sie übergab Kaliyas Dolch und warf sie einen letzen Blick auf die Exorzisten, dann verließ sie ihre Wirtin und kehrte nach Gehenna zurück.

Hochmut, Zorn und Neid

Rin streunte allein in den ungewohnt stillen Palastgängen umher. Vier Tage waren seit Liliths Ausbruch vergangen. Demzufolge war jeder fast rund um die Uhr beschäftigt, während er viel Freizeit bekam. Die herrschende Angespanntheit war überall greifbar. Es waren Ausgangsspeeren verhängt wurden und alle Bediensteten und Wächter in den Palästen mussten sich gründlichen Untersuchungen unterziehen. Truppen wurden aus verschiedenen Gebieten abgezogen und zu den Grenzen geschickt, die Rekruten noch härter gedrillt und an ihren Limit getrieben. Man legte zudem Notvorräte an und teilte Lebensmittelrationen neu ein. Auch die Königsfamilie war davon betroffen, aber keiner beschwerte sich. Einige Adelsfamilien waren dagegen nicht begeistert davon auf Luxusgegenstände zum großen Teil verzichten zu müssen, allerdings keiner war dumm genug sich deswegen mit Satan anzulegen.
 

Lange Rede, kurzer Sinn: Gehenna bereitete sich auf einen Krieg vor. Leider war man sich noch immer nicht einig, was man nun bezüglich der Exorzisten tun sollte. Niemand wollte einen Zweifrontenkrieg, auch wenn ein Haufen Sterblicher bestenfalls als eine Ablenkung herhalten würden und sie noch keine Möglichkeiten hatten nach Gehenna zu gelangen. Dummerweise waren die Grenzen zwischen dem Reich der Toten, der Menschen und der Dämonen am zusammenbrechen und es würden sich schon bald überall Gehennapforten öffnen. Wenn dann die ganzen Geister, Seelen und was auch immer sonst noch in Azazels Reich herumkroch nach Assiah gelang, konnten alle Menschen sich gleich den Strick nehmen. Dagegen war eine Zombieapokalypse ein Ponyhof, die konnte man wenigstens erschießen. Seelen und Entitäten nicht wirklich.
 

Rin war so in Gedanken versunken, dass er nicht wirklich darauf achtete, wohin er ging und bevor er sich versah, stand er in einem unbekannten Flur. Es waren nirgends Bedienstete oder Wachen zu sehen, doch das störte ihn nicht weiter. Er hatte grob im Kopf, wohin er gegangen war und wusste, dass er sich im privaten Flügel seiner Familie befand. Dort trieb sich nur selten jemand rum. Als der Nephilim um eine Ecke bog, verlangsamten sich seine Schritte bis er schließlich stehen blieb.  Er hörte jemanden reden. Es schien aus einem der Räume auf der rechten Seite zu kommen, die Tür stand leicht offen. Leise schlich er näher. Der Halbdämon wusste selber nicht, warum er plötzlich so angespannt war, sondern handelte nach seinem Bauchgefühl. Vorsichtig lugte er in das Zimmer hinein. Die Aura darin war seltsamerweise unterdrückt, dennoch erkannte er sofort die Stimme.
 

‚Azazel?‘
 

Mitten im Zimmer, umgeben von Bücherregalen und Sofas stand der Geisterkönig mit dem Rücken zu ihm. Zuerst glaubte der Nephilim, dass sein älterer Bruder Selbstgespräche führte, dann sah er das Handy. Obwohl er wusste, dass er eigentlich nicht lauschen sollte, bleib er wo er war. Der Geisterdämon klang ungewöhnlich wütend und frustriert, etwas was er absolut nicht von ihm kannte.
 

„Was soll das heißen, du hast versagt?! Du hattest nur eine Aufgabe!”, fauchte dieser auf Gehennisch. Rin zuckte unwillkürlich zusammen. Ja, er war wirklich sauer.
 

„Komm mir nicht mit diesen Ausreden und Entschuldigungen! Ich will Ergebnisse und es ist mir egal, was du dafür tun musst! Wenn sich dir jemand in den Weg stellt, brich ihnen meinetwegen einfach die Knochen und brenne alles nieder. Ohne mich würdest du längst im Tartaros sitzen, also solltest du mir besser deinen Wert beweisen. Andernfalls taugst du nur als Drachenfutter!”
 

Der Jugendliche starrte ihn mit weiten Augen an. Seit wann war Azazel so blutrünstig?! Der Geisterkönig schwieg kurz, um sich die Antwort seines Gesprächspartners anzuhören, dann schnaubte er genervt. „So viele? Wundervoll. Ich sollte dir für deine Dummheit die Haut abziehen, vielleicht taugst du wenigstens als Bettvorleger.” Erneutes Schweigen, gefolgt von einem Seufzen. „Gut, dann brich ab und komm zu mir zurück. Ja, sofort. Bis heute Abend.”
 

Er legte auf und Rin zog sich zurück. Er blieb erst stehen als er mehrere Flure hinter sich gebracht hatte. So gesehen war es nicht ungewöhnlich, dass Azazel mit jemanden telefonierte, Satan und die restlichen Baal waren auch fleißig dabei (Sie hatten allen Ernstes Agenten in Regierungen verschiedener Länder geschmuggelt. Das erklärte wohl woher die Illuminati ihren ganzen Kram her hatten. Nicht, das er viel über sie wusste.) und schrieben Nachrichten. Doch warum tat er dies in einem abgelegenen Raum im privaten Flügel?
 

„Rin, was machst du denn hier?”
 

Der Angesprochene sprang fast in die Luft vor Schreck und wirbelte herum. Instinktiv ließ er seine Flammen auflodern und sie auf die Person hinter sich los. Es war kein besonders starker Flammenstoß, aber dennoch sprang der Dämon, der sich nun als Azazel entpuppte, erschrocken zur Seite. Er kam mit dem Schrecken davon, eine Vase hinter ihm hatte nicht so viel Glück. Es blieb nicht viel von ihr übrig und die Wand hatte nun einen schwarzen Brandfleck. Hoppla. Das würde wohl Ärger geben.
 

„Also, wenn du sauer auf mich bist oder allein sein willst, hättest du das einfach sagen können. Ich verkrafte das.”, kommentierte der ältere Dämon trocken. Rin wurde sofort rot und stammelte eine Entschuldigung, doch Azazel zuckte mit den Schultern. „Schon gut, ich hätt' mich nicht anschleichen sollen. Mach dir übrigens keinen Kopf wegen der Vase. Astarte hat die damals von ihrer Schwester bekommen und wir waren uns alle einig, dass das Ding potthässlich ist. Den Brandfleck bekommen die Bediensteten irgendwie weg.”
 

Erleichterung machte sich breit, dennoch fühlte sich der Nephilim noch immer unwohl. Azazel verhielt sich normal, nichts deutete darauf hin, dass er jemanden am Handy bedroht hatte. War vielleicht alles ein Missverständnis gewesen? Hatte der Geisterdämon einfach einen schlechten Tag gehabt oder ließ sich diese Person nur durch Drohungen zur Arbeit überreden? Außerdem war Rin schon öfter aufgefallen, dass jeder Dämon eine andere Seite zu haben schien. Egyn war ein gutes Beispiel. Er hatte schon einige Mal beobachtet wie der Wasserkönig Audienzen abhielt und da war nichts mehr von seinem eigentlichen Charakter zu sehen. Er wirkte neutral, manchmal schon fast kalt, wesentlich ernster und ließ sich von nichts aus der Fassung bringen. Außerdem hatte er mehr und mehr das Gefühl, dass Agares Aussage mit dem angeborenen sadistischen Zügen kein Scherz gewesen war. Er hielt sich stets fern von den Verliesen, immerhin war ihm inzwischen klar, was man mit den Gefangenen dort machte. Es gefiel ihm absolut nicht, aber er wusste, er würde diesbezüglich auf taube Ohren stoßen.
 

Was ihm wesentlich mehr Angst bereitete war, wie gewaltbereit die Dämonenkönige sein konnten. Erst gestern hatte man einige von Liliths Anhängern festgenommen und in Satans Thronsaal geschliffen. Zwei konnten sich dort irgendwie befreien und wollte den Dämonengott in einer letzten Verzweiflungstat angreifen. Einer kam ganze drei Schritte weit, bevor ihm Beelzebub die Beine brach. Dem zweiten hatten Samael und Amaimon das Rückgrat gebrochen. Er erinnerte sich nur zu gut an das fürchterliche Knackgeräusch und die Schreie. Richtig verstört war er, als seine Geschwister damit fortfuhren den beiden wehzutun und sichtlich Spaß daran hatten. Sie hörten auf als Satan es verlangte, allerdings erst beim zweiten Mal. Beim ersten Mal waren sie zur sehr im Blutrausch (Anders konnte er es nicht beschreiben.) versunken, sodass sie erst reagierten als ihr Vater ein lautes Grollen ausstieß. Scheinbar reagierten Dämonen eher auf Geräusche als auf Worte, wenn sie einmal "beschäftigt" waren. In diesem Moment musste Rin eher an Tiere denken als an Personen, so sehr er sich deswegen schämte. Ihm war klar geworden, dass Dämonen zwar nicht schlecht waren, aber durchaus Monster sein konnten, wenn sie es wollten oder die Kontrolle verloren. Nicht besonders beruhigend. So oder so könnte es Azazels Verhalten beim Telefongespräch erklären.
 

„Hast du mich belauscht?”, fragte dieser plötzlich.
 

Rin schob seine Schuldgefühle beiseite und sah ihn anklagend an. "Ich habe doch gesagt, dass ihr meine Gedanken nicht lesen sollt!" Ihm war mittlerweile bestätigt worden, dass Dämonen höheren Ranges tatsächlich Gedanken lesen konnten, jedoch nur bei Sterblichen. Bei anderen Dämonen wäre es theoretisch auch möglich, jedoch lernten sie ihre Gedanken zu verschleiern und wenn diese Barriere einmal da war, gab es da nichts mehr zu rütteln. Sobald der Nephilim es also lernte, würde das nicht länger ein Problem sein.
 

„Sorry, die schwirren einfach immer umher. Hast du mich jetzt belauscht oder nicht?”
 

Er ließ sich also leider nicht ablenken und wenn der jüngere Dämon jetzt log, würde es sofort auffallen.
 

„Ja, teilweise.", gab er etwas beschämt zu. „Tut mir leid, ich war einfach neugierig.”
 

Azazel mustere ihn kurz, dann nickte er. "Gut, aber lasse es bitte in Zukunft sein. Du bringst dich damit nur in Schwierigkeiten. Besonders, wenn du etwas hörst, was keiner wissen sollte."
 

„Alles klar.”, murmelte der Jugendlich noch immer etwas kleinlaut.
 

„Aber du kommst gerade recht.”, fuhr der Schwarzhaarige fort. „Vater sucht nach dir. Ich weiß nicht worum es geht, aber es klang wichtig. Er ist im Kriegsraum. Weißt du, wo das ist?”
 

Rin verneinte.
 

„Gut, dann bringe ich dich hin bevor ich aufbreche.”
 

„Wohin denn?”
 

„Ich soll zusammen mit Iblis und Egyn Invidias Spuren verfolgen. Falls sie überhaupt welche hinterlassen hat.”
 

Sie erreichten nach einigem Laufen den Kriegsraum. Satan stand am Kartentisch in der Mitte des Raumes und schien die Gruppenverteilung zu planen. Rin sah sich interessiert um. Er war noch nie hier gewesen. Um den Kartentisch herum standen weitere Tische in U-Form sowie einige einzelne runde Tische, an den Wänden hingen weitere Karten und Banner. Im den Zwischenräumen und an der Decke hatte man detaillierte Kriegsszenen gemalt. Azazel räusperte sich, woraufhin ihr Vater aufsah. "Du hast ihn also gefunden. Du kannst gehen, Egyn und Iblis warten schon." Der Geisterdämon nickte, verabschiedete sich und verschwand. Dieser Phasensprung stand neben dem Gedanken abschirmen ganz oben auf der Liste von Dingen, die Rin noch lernen wollte.
 

„Du wolltest mich sehen?”
 

Satan nickte. „Komm mit. Ich denke, es ist an der Zeit, dass du dein Schwert zurückbekommst.”
 

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„Ich. Hasse. Wasser.”, beschwerte sich Iblis und starrte missbilligend auf die schmalen Holzstege vor ihm. Ein falscher Schritt und er ging baden. Als ob es nicht schon reichen würde, dass sich manche Wasserdämonen jedes Mal einen Spaß daraus machten ihn zu überschwemmen, wenn er in Egyns Gebiet unterwegs war. Sie hatten sämtliche Dörfer in dieser Gegend abgeklappert in der Hoffnung, dass jemand Invidia oder einen ihrer Schergen gesehen hatte. So gesehen war es Zeitverschwendung, die Aveira war eine verdammte Gestaltwandlerin! Nun hatten sie jedoch vor einer Sichtung in seinem eigenen Königreich erfahren, also versuchten sie wahrscheinlich Ira zu befreien. Dummerweise waren Phasensprünge hier nicht möglich, weswegen sie noch durch diesen verdammten Sumpf mussten. Ganz toll.
 

„Nun hör auf zu meckern, die Stege sind nicht mal rutschig.”, seufzte Egyn. „Solange du aufpasst wohin du trittst, dürfte nichts passieren.”
 

„Du weißt ganz genau, dass ich dank deiner Untertanen so oder so später klatschnass sein werde!”
 

„Jetzt halte endlich die Klappe oder ich kette dich an einen Stein und schubse dich ins Wasser.”, kommentierte Azazel genervt.
 

Der Feuerkönig grummelte etwas vor sich hin, doch ließ es auf sich beruhen. Endlich erreichten sie das Ufer und konnten via Phasensprung in Iblis' Gebiet reisen. Sofort schlug ihnen eine Hitzewelle und der Geruch von Schwefel entgegen.
 

Iblis Laune besserte sich sofort, Egyn schaute ziemlich missmutig drein und Azazel begann damit sich Luft zuzufächeln. „Ich vermisse mein Gebiet.”, seufzte er. „Hier ist es viel zu hell. Und heiß.”
 

„Nix für ungut, aber in deinem Reich bekommt man Depressionen.”, antwortete Iblis.
 

Der Geisterkönig sah ihn nur ausdruckslos an.
 

Sie erreichten den inaktiven Vulkan mit dem Tempel in dem Ira versiegelt worden war. Nach einer halben Stunde klettern (und grummeln seitens Azazel) kamen sie endlich an dem versteckten Eingang an. Mantus, der Wächter des Siegels war nirgends zu sehen. Sie sahen sich mit hochgezogenen Augenbrauen an und betraten langsam den Höhlengang. Die Hitze wurde immer intensiver. Iblis machte es natürlich nichts aus, aber seine Geschwister hatten ihr Tun, besonders Egyn. Hin und wieder mussten sie kurz Pause machen, damit er sich ausruhen konnte. „Vielleicht solltest du draußen warten.”, schlug Azazel vor.
 

Der Wasserkönig schüttelte den Kopf. „Es geht schon. Außerdem will ich euch nicht mit Superbia und Invidia allein lassen.”
 

Sie wussten, dass er nicht nachgeben würde, also sagten sie nichts. Noch immer war nichts von Mantus zu sehen.
 

„Also...sollten wir nicht mal auf Mantus treffen oder in irgendwelche Fallen  rennen?”, erkundete sich Egyn.
 

Iblis nickte und deutete auf den Boden. „Dort sind Druckplatten. Versucht so weit wie möglich am Rand zu bleiben. Falls ihr sie doch auslöst, duckt euch.”
 

Sie kamen der Aufforderung nach und schließlich hatten sie alle Fallen überwunden. Sie befanden sich nun in der Haupthöhle. Sie war mit Lava geflutet, in der Mitte war eine Steinplattform, darauf stand der Tempel. Dieser hatte schon bessere Tage gesehen. Der Boden war an vielen Stellen weggebrochen und wirkte teilwiese ziemlich marode, also bewegten sie sich vorsichtig.
 

Auch die Säulen hatten bessere Tage gesehen, aber der Großteil des Tempeldachs war ohnehin eingebrochen. Endlich erkannten sie das Siegel. Es war nicht zerbrochen, schien jedoch kurz davor zu stehen.
 

Misstrauisch sahen sie sich um. Irgendwo mussten die Aveira oder zumindest Mantus sein. Als Schritte ertönten fuhren sie sofort herum. Aus den Schatten trat der vermisste Feuerdämon hervor. An seiner Seite klaffte Wunde auf die er die Hand presste. Sein Atmen ging schwer und er hinkte leicht.
 

Die Baal wechselten Blicke. Sie trauten dem Frieden nicht ganz. „Mantus, was ist passiert? Warum hast du nicht am Eingang auf uns gewartet?”, begann Iblis das Gespräch.
 

„Diese verdammten Aveira haben mich angegriffen.”, stieß der Wächter zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Ich dachte zuerst, es wäre nur Invidia, aber dann hat Superbia meine eigenen Chimären auf mich gehetzt. Ich konnte sie mit knapper Not erledigen. Die beiden habe ich jedoch aus den Augen verloren. Keine Ahnung worauf sie noch warten.”
 

Erneut wurden Blicke gewechselt. Alle Aveira besaßen eigene Grundfähigkeiten von Dämonen wie die Selbstheilung und waren zusätzlich dazu in der Lage von der jeweiligen Sünde, die sie verkörperten, Kraft aus ihren Gegnern zu zehren und auch diese Gefühle in einem auszulösen. In anderen Worten: wenn man beispielsweise gegen Ira kämpfte und wütend wurde, konnte sie daraus Kraft ziehen oder sie sorgte selbst dafür, dass man in Raserei verfiel. Dummerwiese richtet sich das dann meist nicht gegen die jeweilige Aveira, sondern gegen eine andere Person und wie die Baal am eigenen Leibe erfahren mussten, waren sie nicht immun dagegen. Ira, Invidia und Superbia hatten es einmal tatsächlich geschafft, dass Iblis, Astaroth, Amaimon und Egyn aufeinander losgingen und sich umbringen wollten. Wären ihre Geschwister nicht gekommen, wäre es vielleicht sogar so weit gekommen. Als ob das nicht schon genug wäre, verfügte jede Todsünde noch über eine individuelle Fähigkeit. Superbia konnte Tiere, Menschen, Dämonen niederen Ranges sowie Personen mit schwachen Willem kontrollieren. Überhaupt nicht unfair.
 

„Wer sagt uns, dass du nicht Invidia bist?”, knurrte Iblis. Die Geschichte klang plausibel, aber sie hatten sich in der Vergangenheit schon oft genug von der Gestaltwandelerin reinlegen lassen.
 

Der Dämon zögerte, doch verdrehte dann die Augen und schnaubte genervt. „Ach, wisst ihr was? Scheiß drauf. Dieser Körper ist einfach nur furchtbar.”
 

Ein grünes Leuchten erfüllte den Tempel und bestätigte ihre Befürchtung. Vor ihnen stand nun eine junge Frau, welche Lilith nicht unähnlich sah. Ihre langen Haare waren jedoch wild und dunkelgrün, die Augen hatten die gleiche Farbe und ihre schwarz-dunkelgrüne Kleidung war eindeutig für Bewegung und Kampf auslegt. An ihrem linken Becken war die gehennische Rune für Neid. „Habt ihr mich vermisst?~ Gebt es zu, ihr habt mich vermisst.”, grinste sie und warf ihre Haarmähne zurück. Die Baal verdrehten die Augen.
 

„Ich habe dir doch gesagt, dass du sie ablenken sollst während ich alles vorbereite, du schwachsinnige, inkompetente Vollidioten!”, fauchte eine neue Stimme. Superbia tauchte hinter einer Säule auf. Sie hatte lockige, blonde Haare und violette Augen. Ihr bauchfreies Kleid war golden und auf ihrer rechten Schulter war die Rune für Hochmut.
 

„Du erzählst zu viel, weil du dich gerne reden hörst und das meiste sind Beleidigungen. Da hört man irgendwann nicht mehr zu.”, lachte die grünhaarige Sünde, dann wurde sie etwas ernster. „Aber wage es nicht mich als dumm oder inkompetent hinzustellen. Du bist vielleicht die Älteste, aber du warst auch die Erste von uns, die am Boden lag. Wer ist also inkompetent?”
 

Superbia verdrehte nur die Augen. „Egal. Ich habe besseres zu tun als mich mit deinen kindischen Ausbrüchen zu befassen.” Sie wandte sich an die Dämonenkönige. „Ihr hättet nicht herkommen sollen. Ihr zögert nur das Unvermeidliche hinaus.”
 

„Bla, bla, bla. Invidia hat Recht, du redest zu viel.”, knurrte Iblis, beschwor sein Schwert herauf und ließ seine Flammen auflodern. Seine Geschwister gingen ebenfalls in Angriffspositon.
 

„Ja, sag ich doch! Endlich versteht mich jemand!”, kommentierte Invidia und streckte sich als hätte sie alle Zeit der Welt. Plötzlich wandte sie sich an Egyn und legte grinsend den Kopf schief. „Ach, übrigens Iggy, wie geht's denn Mama? Sitzt sie immer noch in der Klapse?”
 

Der Wasserkönig antwortete nicht, sondern stieß ein tiefes Grollen aus und wollte sich auf die Aveira stürzen. Azazel und Iblis zogen ihn zurück.
 

„Oh, stimmt ja.”, fuhr die Gestaltwandlerin in einem gespielt nachdenklichen Tonfall fort. „Sie hat sich kurz nach unserer Versieglung das Leben genommen. Na, ich kann's ihr nicht verübeln mit so einem Versager als Sohn.”
 

„Meine Mutter hat sich nicht das Leben genommen!”, fauchte Egyn.
 

„Rede dir das ruhig ein.”, antwortete sie mit einer widerlich süßen Stimmlage. „Also wollen wir?”
 

Ohne zu antworten griffen die Baal an. Sie wich geschickt allem aus und stürmte nach vorne. Superbia hetzte derweil die Vulkanbewohner auf ihre Gegner. Der Großteil fiel Azazels Pfeilen zu Opfer, doch der Rest brach durch. Während Egyn sich daran machte sie zu erledigen, griff Iblis Superbia an. Dummerweise sprang Invidia dazwischen und verfehlte ihn knapp. Das Problem, wenn man gegen sie kämpfte war, dass sie unmöglich zu entwaffnen war, wenn die Klingen Teile ihres Körpers waren. Gliedmaßen abzuhacken, verschaffte einem vielleicht eine Minute, dann waren sie bereits alle nachgewachsen. Dass sie auch noch verdammt flink und wenig war, sowie ihre Haut verhärten konnte, machte es nicht besser. Auf der positiven Seite wusste Iblis längst, dass die verhärtete Haut nicht allem standhalten konnte. Der Trick bestand darin die Hitze immer weiter zu erhöhen. Je heißer es wurde, umso brüchiger der Schild. Superbia hatte sich inzwischen auf eine der abgebrochenen Säulen zurückgezogen. Sie beherrschte zwar den Nahkampf, aber bevorzugte es die direkte Konfrontation zu vermeiden. Stattdessen begann sie einen rituellen Sprechgesang, um das Siegel zu schwächen.
 

„Freut mich, dass ich deine Unterstützung habe, Schwesterherz.”, knurrte Invidia irritiert. Sie kämpfte nun allein gegen die drei Baal und würde jeden Moment überwältigt werden. Sie hatte bereits mehrere Treffer eingesteckt und keine Gelegenheit auch nur einen Angriff zu landen. Iblis versuchte erneut Superbia anzugreifen, doch wurde wieder von Invidia unterbrochen, welche sich in einen Fenriswolf verwandelt hatte, ihn umwarf und versuchte ihm den Kopf abzubeißen. Dafür kassierte sie mehrere Pfeile von Azazel und war mit einem lautem Knurren gezwungen vom Feuerkönig abzulassen. Wieder wechselte sie die Gestalt, diesmal wählte sie einen Vedrfölnir, die gehennische Version eines Habichts. Ohne zu zögern, stürzte sie sich auf Azazel und versuchte ihm die Augen raus zu picken und auszukratzen. Sie schaffte das zwar nicht, verpasste ihm jedoch mehrere tiefe Schnitte im Gesicht. Iblis schickte ihr eine Feuerwalze entgegen, sodass sie zu Boden stürzte, sich dort zurückverwandelte und erst das verbrannte Fleisch und die Haut regenerieren musste bevor sie weiterkämpfen konnte. Egyn wollte gerade ansetzen, um sie endgültig zu erledigen als eine neue Angriffswelle kam. Die Wesen waren eine Mischung aus einer Schlange, einem Hund, einem Skorpion und einer Fledermaus.
 

‚Was bei allen Erzdämonen sind das für Viecher?!‘, dachte Iblis verblüfft.
 

Invidia sprang auf. „Gefallen euch meine neuen Haustiere?”, kicherte sie grinsend. „Ich habe sie selbst gezüchtet.~ Sie sind etwas übellaunig und bissig, also passt besser auf. Ihr Gift ist ziemlich schmerzhaft, paralysiert eure Muskultur und könnte euch umbringen.~”
 

„Als ob Beels Käfer nicht schon ausreichen würden!”, knurrte Azazel und begann damit die noch namenlosen Wesen abzuschießen. Leider war inzwischen ein ganzer Schwarm (Oder Rudel?) aufgetaucht und stürzte sich auf die drei Dämonen. Die Gestaltwandlerin hatte sich zur ihrer Schwester gesellt und ebenfalls mit dem Sprechgesang begonnen. Lange würde das Siegel nicht mehr halten. Azazel hatte es inzwischen aufgegeben seine Angreifer nieder zu schießen oder zu versuchen die Aveira zu treffen. Stattdessen schleuderte er diese seltsamen Kreaturen gegen eine Wand, wo sie sofort von den Schatten umhüllt und gefesselt wurden.
 

Der Geisterkönig erlaubte sich ein selbstzufriedenes Lächeln. Nur wenige Dämonen konnten Schatten kontrollieren, er selbst hatte die Fähigkeit von seinem Vater geerbt. Zwar war sie nicht stark genug ausgeprägt, um sie als Waffe im Kampf zu nutzen, aber er konnte zumindest andere festhalten und auch seinen eigenen Schatten manipulieren. Das ermöglichte ihm beispielsweise diesen in andere Räume zu schicken und somit zu sehen und zu hören, was dort geschah. Und es war nützlich in der Schule gewesen, denn es erleichterte das abschreiben vom Nachbarn erheblich. Nicht, dass er das je gemacht hatte. Gut, vielleicht einmal bei einer Klausur, aber das war ein Notfall gewesen!
 

Leider war noch immer kein Ende in Sicht. Für jedes Vieh, das sie töteten, kamen vier neue. Immer wenn sie versuchten näher an die Aveira zu kommen, wurden sie sofort wieder zurückgedrängt. Plötzlich knackte das Siegel und zerbrach.
 

‚Oh oh.‘
 

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Satans private Waffenkammer war größer als gedacht. Es passte jedoch zum Dämonengott Waffen zu sammeln, einige seiner Söhne taten es immerhin ebenfalls. Staunend sah sich der Nephilim um. Es gab Schwerter, Lanzen, Speere, Dolche, Messer und vieles mehr. Einige waren aus Assiah, andere wiederum gehennischen Ursprungs. Der Dämonengott öffnete währenddessen eine Truhe und holte das Kōmaken hervor. Er entfernte die Stoffhülle und hielt es dem Nephilim hin. Dieser nahm es etwas zögerlich entgegen. „Ich dachte, ich bekomme es erst wieder, wenn ich meine Flammen kontrollieren kann?”
 

Sein Vater seufzte. „Das war der Plan, aber nach allem was passiert ist, müssen wir vorsorgen. Ich hätte gerne noch gewartet, aber die Zeit drängt. Du musst lernen mit dem Schwert umzugehen und deine Flammen zu kontrollieren.”
 

„Also kämpfe ich mit im Krieg?”, hakte der Nephilim nach.
 

„Beim Styx, nein!”, entgegnete Satan sofort. „Du bist viel zu jung und unerfahren. Man würde dich auf dem Schlachtfeld buchstäblich fressen.”
 

Rin verzog den Mund, auch wenn er erleichtert war. „Danke für das Vertrauen.”
 

„Du weißt genau, was ich meine. Du hast nicht einmal dein unsterbliches Alter erreicht und bist mein Nachfolger falls mir je etwas passieren sollte, da werde ich dich nicht auf den Präsentierteller setzen.”
 

Er erhielt einen entsetzten Blick von seinem Sohn. „Ich auf Gehennas Thron?! Gehenna wäre erledigt! Ich habe keine Ahnung von dem Kram!”
 

„Du lernst das nötige noch.”, erklärte der weißhaarige Dämon geduldig. „Am wichtigsten wäre es, dass du die Flammen am Laufen hälst, ansonsten wäre Gehenna wirklich am Ende. Das regieren können vorerst deine Brüder übernommen bis du das nötige Wissen hast, es ist alles geregelt.”
 

„Das ist trotzdem nicht sehr beruhigend. Außerdem dachte ich, dass du nicht sterben kannst?”
 

„Ich weiß nicht, ob ich sterben kann.”, gab Satan seufzend zu. „Dennoch kann es passieren, dass ich weswegen auch immer ausfalle und dann kommst du ins Spiel. Ohne die Flammen wird alles enden.”
 

Rin nickte langsam und beschloss das Thema zu wechseln. „Weißt du schon, wann der Krieg anfangen wird?”
 

Satan zögerte. „Das ist schwer zu sagen. Wir bezweifeln, dass es dieses Jahr sein wird. Selbst wenn sie ihre Armee irgendwie vor Jahresende aufbauen könnte, muss man die Jahreszeiten berücksichtigen. Für die nächsten Wochen können wir mit vielen Stürmen und dergleichen rechnen, mehr als ungünstig für einen Angriff. Die Winter sind kalt und hart, teilweise herrschen Temperaturen bis zu minus 50 Grad.”
 

„Minus 50?!”, echote Rin entsetzt.
 

„Ja, aber nicht überall. In Iblis' Gebiet und Azazels Wüste ist es immer noch plus 20 bis 30 Grad im Schatten und bei uns in Pandemonium sind es höchstens minus 20, vielleicht auch dreißig. Jedenfalls wird Lilith damit beschäftigt sein ihre Armee durch den Winter zu bringen. Sie benötigen Vorräte und die müssen sie alle selbst anbauen, Handel fällt immerhin weg. Sie könnten wohl höchstens Dörfer überfallen und Vorräte stellen, aber das wird nie für eine ganze Armee reichen. Demzufolge wird sie ihre Leute wohl erst im Frühjahr zusammenziehen.”
 

Das klang alles logisch, aber Rin spürte, dass Satan es anders sah.
 

„Du glaubst das nicht.”
 

Seufzend nickte der ältere Dämon. „Sie war schon immer unberechenbar. Wir wissen nicht, wo ihr Palst ist und was dort für Wetter herrscht. Wenn wir Pech haben, ist es wie in Iblis Gebiet warm und sie kann sich dort in aller Ruhe vorbereiten während wir alle festsitzen. Und da wir bisher immer das Arsch-Ass hatten, wette ich, dass dies der Fall ist. Sie hat die Kälte immer gehasst, sie wird sich für ihren Palast eine Stelle gesucht haben, wo es warm ist.”
 

„Aber sie wird nicht bei diesem Wetter angreifen, oder?”
 

Satan lachte auf. „Sie muss ja nicht in die Kälte, sondern ihre Leute. Hoffentlich -” Er stockte, zog scharf die Luft ein und hielt sich fluchend den Kopf. Rin konnte es ebenfalls spüren. Es war schwer zu beschreiben, doch er wusste, dass etwas schlimmes passiert war.
 

„Was-?”
 

„Also hast du es auch gespürt?”
 

„Ja-”
 

„Ein weiteres Siegel ist zerbrochen und hatte eine Kettenreaktion ausgelöst. Ira, Luxuria und Acedia sind frei.”
 

Zorn, Wollust und Trägheit. Na, ganz großes Kino.
 

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Würde man Iblis fragen, welcher der Aveira am gefährlichsten ist, hätte er wohl Invidia, Acedia oder Ira geantwortet. Während Acedias Fähigkeiten sich ausschließlich auf die psychische Ebene beschränkten, war Ira die Verkörperung des Kampfes. Sie beherrschte so ziemlich jeden Kampfstil den es gab und konnte mit jeder Waffe umgehen. Hinzu kam eine hervorragende Ausdauer und Stärke. Wenn sie nicht ein Teil von Lilith und seine Feindin wäre, hatte er sie auf jeden Fall nach einer Verabredung gefragt.
 

Fluchend rappelte sich der Feuerkönig auf. Wie auch seine Geschwister hatte er gespürt, dass nicht nur Ira sondern auch Luxuria und Acedia draußen waren. Genau sein Glück. In der Mitte des Raumes erhob sich eine Gestalt.
 

Wie alle Aveira hatte sie eine gewisse Ähnlichkeit zu Lilith. Ihre rot-schwarzen Haare reichten jedoch nur knapp über ihre Schulter, eine Seite war abrasiert. Die Augen waren rot und Mordlust funkelte darin. An ihrem Hals war die Rune des Zorns und natürlich hatte sie weitere Tätowierungen (Oder waren es Dämonenmale? Iblis hatte keine Ahnung.) sowie Piercings in den Ohren und im Gesicht. Genau wie Invidia trug sie für den Kampf ausgelegte Kleidung.
 

„Na, ganz toll. Ihre Majestät hat sich also dazu herabgelassen mich raus zu lassen.”, schnaubte Ira missmutig als sie Superbia entdeckte. „Sag mir, dass noch jemand befreit ist, ich wäre sogar mit Gula oder Acedia zufrieden. Ansonsten kannst du mich gerne wieder versiegeln.”
 

Die blonde Sünde bleckte verärgert die Zähne. „Halt den Mund und komm her. Mutter wartet auf uns.”
 

„Erzähl mir nicht, was ich tun soll, Blondie.”
 

„Ira! Ich hab dich vermisst! Du mich doch auch, oder?”, rief Invidia fröhlich und sprang von der Säule auf der sie bisher gehockt hatte.
 

Tatsächlich begann Ira zu grinsen. „Na, immerhin eine vernünftige Person. Wie geht's dir Vidia?”
 

„Ach, das übliche. Ich habe den Wächter deines Siegels verstümmelt und ihn dann an die Wand genagelt, um zuzusehen wie er ausblutet. Leider war er schon fast tot.”, seufzte die ältere Sünde. „Aber jetzt wo du wieder da bist, können wir viel Spaß zusammen haben.~”
 

„Klingt gut.”
 

„Ich unterbreche das Familientreffen nur ungern, aber wir haben's eilig.”, unterbrach Iblis sie wirsch.
 

Die drei Schwestern sahen ihn unbeeindruckt an. „Azazel, Egyn und Iblis. Ihr habt euch ganz schön verändert. Azazels Augen sind sogar noch toter als beim letzten Mal.”, kommentierte Ira. Als sie nur ein blankes Starren vom Geisterkönig erhielt, verdrehte sie die Augen. „Du bist ja fast so schlimm wie Acedia. Genauso langweilig.”
 

„Damit kann ich leben.”
 

„Genug jetzt!”, fuhr Superbia ungehalten dazwischen. „Wir gehen.”
 

Sofort begann Invidia zu schmollen wie ein Kind, welches zu früh vom Spielen nach Hause kommen musste. "Können wir nicht hier bleiben und ihnen ein paar Knochen brechen? Sie haben mir beim letzten Kampf die Arme und Beine zerquetscht, dafür will ich sie schreien hören!"
 

„Das werden sie noch früh genug-”
 

Ohne Vorwarnung griff Iblis mit einer Flammenwalze an. Die Aveira waren davon offensichtlich überrascht, doch konnten ausweichen, denn als die Flammen auf die Stelle trafen und verschwanden, fehlte von ihnen jede Spur.
 

„Samael hat recht. Du solltest zielen üben.”, seufzte Egyn.
 

„Das hat damit nichts zu tun!”
 

Azazel schüttelte nur den Kopf. „Wir können hier nichts mehr tun. Suchen wir Mantus Leiche, dann sollten wir zurück zu Vaters Palast.”
 

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Kaliya hatte einen wirklich miesen Tag. Als sie den Auftrag bekommen hatte, Satans vollkommen menschlichen Sohn umzubringen, hatte sie ihr Glück kaum fassen können. In Assiah herrschte Chaos, ihn zu überraschen und zu überwältigen wäre Kinderkram gewesen. Alles lief gut, doch natürlich musste sich ausgerechnet Ankou einmischen. Es war als hätte das Universum ihr eine Ohrfeige verpasst. Nein, eigentlich war es schon ein Kinnhacken gewesen. Wie immer musste die Geisterdämonin zeigen, dass sie so viel besser war. Besser im kämpfen, besser im aufspüren, besser in allem.
 

Das ging bereits in der Schule los. Wenn Kaliya bei einer Nahkampflektion ihren Gegner innerhalb von 10 Sekunden zu Fall gebracht hatte, schaffte Ankou es innerhalb von 8. Wenn die Naga 90 von 100 Punkten in der Lateinklausur hatte, war es selbstverständlich, dass die Geisterdämonin volle Punktzahl bekam und wenn sie jemanden mochte, hatte derjenige nur Augen für die schwarzhaarige Dämonin. Sie kannte Ankou seit der Grundschule, die Geisterdämonin war eine ihrer wenigen Freunde gewesen, aber je älter sie wurden, desto mehr distanzierten sie sich. Kaliya hatte es satt immer nur im Schatten ihrer Freundin zu stehen. Vaya störte es nie, wenn ihre Schwester in etwas besser war, doch Kaliya war ehrgeizig und hasste es zu verlieren. Zu Beginn war sie nur gelegentlich verärgert, doch das wurde schnell zu Frustration, dann zu Abneigung und schlussendlich zu Hass. Sie war der Hybrid-Freak ohne Freunde, keiner wollte etwas mit ihr zu tun haben. Dass ihr Clan auch noch zu Invidia gehörte, machte es nicht besser. Missgunst stand an der Tagesordnung.
 

Ankous Gesichtsausdruck als sie sich für Lilith entschieden hatte, war unbezahlbar gewesen. Kaliya bereute ihre Entscheidung bis heute nicht, nur eine Sache bereitete ihr Kummer, aber sie hatte sich inzwischen damit abgefunden. Man konnte eben nicht alles haben.
 

„Du bist noch hier? Eine Versagerin wie du hat hier nichts verloren!”
 

Sie drehte sich nicht mal um. „Solltest du nicht Kinder stehlen oder sowas, Putana?”
 

Die angesprochene Rakshasa lachte. „Und mir entgehen lassen, wie du deinen Kopf verlierst? Ganz sicher nicht!”
 

„Lass sie in Ruhe, Putana.”, mischte sich Lamia ein. Sie war wie Kaliya ein Hybrid -halb Naga, halb Alukah- weswegen sie sich oft gegenseitig unterstützten.
 

„Zwing mich doch.”
 

Kaliya ignorierte sie und ging einfach weiter. Sie stand nun vor der Tür zu Liliths Thronsaal und holte tief Luft. Ihre Meisterin war von ihrem Versagen absolut nicht begeistert. Wenn sie Pech hatte, würde sie heute sterben.
 

„Jetzt komm endlich rein!”
 

Sie klang nicht glücklich. Das schlimmste befürchtend, betrat sie den Saal.
 

„Na, endlich! Du hast dir Zeit gelassen!”, wurde sie schnippisch begrüßt.
 

Die Attentäterin kniete vor dem Thron nieder. „Bitte vergebt mir Herrin. Es wird nicht noch einmal vorkommen.”
 

„Oh, in der Tat.”, antwortete Lilith kalt. „Jetzt steh auf.” Nervös kam sie der Aufforderung nach. „Nenne mir einen guten Grund dich nicht zu töten. Du hast dabei versagt Indra zu töten und du konntest nicht Satans Bastard loswerden.”
 

Kaliya schluckte. „Ich war dabei gewesen und hätte Erfolg gehabt, wenn-”
 

„Mich interessieren dein "hätte" und "wenn" nicht!”, wurde sie scharf unterbrochen. „Ich habe dir zwei Möglichkeiten gegeben dich zu beweisen, aber du hast bei beiden versagt. Weder ich noch Invidia haben Verwendung für Versager wie dich. Du taugst höchstens als Köder oder Futter.”
 

Das sah gar nicht gut aus. „Aber...” Hoffnungsvoll hob Kaliya den Kopf. „Bisher bist du mir immer treu gewesen und ich kann es mir momentan nicht leisten wahllos meine Leute zu töten. Glaube jedoch nicht, dass du damit der Bestrafung entgehst.”
 

„Natürlich Meisterin.”, antwortete sie erleichtert.
 

„Gut, jetzt geh mir aus den Augen!”
 

Kaliya kam der Aufforderung nur zu gern nach.
 

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Als die Tür ins Schloss fiel, lehnte sich Lilith seufzend zurück. Sie wollte nur Satans jüngsten Bastard qualvoll sterben sehen. War das denn wirklich zu viel verlangt? Immerhin waren bereits fünf der Aveira entkommen und mit jedem Tag wuchs ihre Armee. Satans Rat war kurz davor sich zu spalten und die Exorzisten wurden mit Dämonen überschwemmt. Schon bald würde sie wieder auf Gehennas Thron sitzen und Assiah hätte keine andere Wahl als sich zu beugen. Sie begann zu grinsen. Den meisten Spaß würde sie allerdings mit Satans Söhnen haben. Der Jüngste war ihre Zeit nicht wert, aber die Baal und der Nephilim...das würde lustig werden. Was gab es schöneres als jene, die man hasste im Dreck kriechen zu sehen? Wenn sie erst mit ihnen fertig war, würde nicht mehr viel von ihnen übrig sein.

Warum Invidia Familientreffen hasst

Invidia hasste Familientreffen. Superbia war eine unerträgliche Besserwisserin, die sich selbst gern reden hörte und alle rumkommandierte oder beleidigte. Luxuria war eigentlich ganz in Ordnung, aber ihre ständige Genusssucht und die Tatsache, dass sie mit so ziemlich jedem ins Bett stieg, der einen Puls hatte und nicht bei drei auf dem Baum saß, war mehr als nervig. Gut, sie zog daraus ihre Energie, aber ihr Zimmer war genau neben Invidias und so dick waren die Wände nicht. Hinzu kam noch ihre Obsession mit Schönheit. Ständig kritisierte sie Invidias Haare und ihren Kleidungsstil, dabei ging sie das nichts an! Luxuria war älter, na und?! Das gab ihr nicht das Recht irgendwelche Vorschriften zu machen!
 

Als nächstes kam Avaritia. Zwischen ihr und Invidia herrschte eine Art Hassliebe. Beide waren sich in ihrer Sünde nicht unähnlich, beide waren äußerst nachtragend und sie hatten ehrgeizige Ziele. Gleichzeitig herrschte auch eine gewisse Konkurrenz zwischen ihnen. Streng gesehen herrschte eine Rivalität zwischen allen sieben, immerhin wollten sie Liliths Gunst, doch bei ihnen war es anders. Mal waren sie Verbündete, mal legten sie sich Stolpersteine in den Weg und manchmal sprangen sie sich buchstäblich an die Kehle. Es war nie langweilig und mehr konnte man sich von Geschwistern wünschen.
 

Mit Ira kam sie immer klar, zu Gula und Acedia stand sie eher neutral. Die beiden kümmerten sich um ihre eigenen Angelegenheiten und hielten sich aus Streitereien meist raus. Sie hasste es nur, wenn sie die undankbare Aufgabe bekam, Acedia aufzuwecken. Die blauhaarige Sünde konnte überall schlafen, egal bei welchem Wetter oder Geräuschpegel, was ziemlich unfair war. Gula war eine Alkoholikerin, weswegen sie ständig unkonzentriert war, aber trotzdem irgendwie klar im Kopf blieb. Sie tat allerdings, was man ihr sagte, daher konnte Invidia darüber hinwegsehen.
 

So oder so musste sie da durch, auch wenn das bedeutete Superbias Gesicht und Stimme zu ertragen. Warum konnte der Palast nicht auf einer Klippe oder einem Gletscher stehen? Sie könnte dann dieses blonde Miststück einfach runter schubsen und behaupten es wäre ein Unfall gewesen. Ihre Schwestern würden wahrscheinlich sogar die Klappe halten. Ira und Avaritia würden sogar mithelfen.
 

Vor sich hin grummelnd stand sie von ihrem Bett auf. Lilith wollte sie und den Rest in ein paar Minuten im Esszimmer sehen. Als sie auf den Gang trat, kam ihr Acedia entgegen geschlurft. Wie immer waren ihre Haare zu Zöpfen zusammengebunden, die vollkommen durcheinander waren, als wäre sie gerade aus dem Bett gekrochen. Ihre blauen Augen waren kaum offen, also war sie wahrscheinlich wirklich vor einigen Minuten aufgewacht.
 

„Hey, Vidia...”, nuschelte sie. „Lang nich' gesehen....wie geht's?”
 

Die Angesprochene seufzte. „Alles wie immer, Ced. Hast du Lux schon gesehen?”
 

Die jüngere Aveira schüttelte den Kopf und gähnte. „Is' schon vorgegan' glaub ich...Ira is' auch los.”
 

„Dann komm, wir sollten Lilith nicht warten lassen.”
 

Acedia brummte zustimmend und setzte sich in Bewegung. Interessanterweise konnte sie sich extrem schnell bewegen, man musste sie nur genug dazu drängen, aber momentan war dies natürlich nicht der Fall. Sie begegneten kaum jemanden und wenn doch, suchte derjenige das Weite. Es war überall bekannt, dass die Schwestern gerne ihre Langeweile überwanden indem sie niedere Dämonen, die das Pech hatten ihnen über den Weg zu laufen, quälten oder sogar abschlachteten. Ärger bekamen sie dafür nie wirklich, höchstens einen strengen Blick doch da momentan ihre Gefolgsleute verstreut waren, hatte Lilith ihnen verboten jemanden umzubringen außer sie hatten ihre ausdrückliche Erlaubnis. Nachvollziehbar, aber ärgerlich.
 

Als sie am Esszimmer ankamen, machte sie sich gar nicht die Mühe anzuklopfen, sondern stieß einfach die Tür auf, was ihr missbilligende Blicke einbrachte, aber wen interessierte es? Sie ganz sicher nicht.
 

„Invidia!”, fauchte Superbia.
 

„Ja, so heiße ich?”, sagte sie in einem unschuldigen Tonfall, ließ sich auf dem Stuhl neben Ira nieder und legte wie sie ihre Füße auf den Tisch. Superbia lief rot an, Ira kicherte , Acedia ließ sich gegenüber von ihr und damit neben Luxuria nieder. Diese hatte wie Lilith rote Haare, jedoch waren diese glatt und gingen in den Spitzen in ein dunkles violett über. Ihre Augen waren ebenfalls rot-violett, außer für Sterbliche. Diese sahen die Farbe, welche sie am meisten ansprach.
 

Sie lächelte betörend. „Schön, dass du nicht verändert hast, Vidia.”
 

„Ebenfalls Lux. Dein Lippenstift ist immer noch furchtbar.”
 

„Genau das dachte ich gerade über deine Haare. Bist du heute schon mal an einer Haarbürste vorbei gelaufen?”
 

„Lass. Meine. Haare. Da. Raus.”, knurrte sie drohend. Niemand machte sich über ihre Haare lustig und ihre Schwester wusste das!
 

Die Aveira hob abwehrend die Hände. „Schon gut Süße, aber du hast angefangen.”
 

„Ja, ja.”
 

Die Tür ging auf und herein kam Lilith. Die Schwestern erhoben sich und knieten nieder. Invidia hasste es sich derartig zu unterwerfen, aber die Dämonenkönigin bestand darauf und sie wurde ziemlich ungemütlich, wenn sie ihren Willen nicht bekam. Nach einer kurzen Handbewegung seitens der Dämonin durften sie sich wieder hinsetzen.
 

„Gebieterin, wir stehen Euch zu Diensten.”, verkündete Superbia hingebungsvoll wie immer.
 

‚Schleimerin.‘, dachte Invidia abfällig. Ira schien ähnliche Gedanken zu haben, Luxuria verdrehte die Augen und begutachtete sich in ihrem Handspiegel, Acedia hatte bereits jegliches Interesse an der Konversation verloren. Am Ende würde ihr schon jemand sagen, was sie tun sollte und das reichte ihr.
 

„Gut, wir haben viel Arbeit  vor uns.”
 

In anderen Worten: Ich sitze mit einem Glas Wein auf meinem Thron und ihr macht den Rest. Wie immer. Sie kam direkt zum Punkt. Nicht, dass es jemanden überraschte. Obwohl Lilith in gewisser Weise ihre Mutter war, war es ihnen nicht erlaubt sie so anzusprechen. Es war immer "Meisterin", "Gebieterin" und so weiter. Für Lilith waren sie nur Handlanger, wenn auch sehr mächtige. Einer der Gründe, weswegen sie versuchten ihre Gunst zu erlangen. Wer wollte schon ewig vor jemanden buckeln müssen? Ehrlich gesagt war es ihr ein Rätsel, warum Lilith sie nicht als ihre Kinder ansah, immerhin wollte sie damals mit Satan unbedingt welche haben, nur er hatte sich quer gestellt. Vielleicht weil Satan nicht ihr Vater war und sie einfach nur Teile von Lilith sind? Innerlich seufzend, schob sie den Gedanken beiseite. Es war ohnehin egal.
 

„Gula und Avaritia sind noch immer gefangen, unsere Anhänger sind verstreut und der Winter naht. Momentan sind wir dabei Dörfer zu überfallen und die Vorräte zu stehlen, doch das wird nicht auf Dauer ausreichen. Die mir treuen Adelshäuser, welche damals ins Exil gingen, haben zwar Vorräte angelegt, doch noch immer ist es knapp. Glücklicherweise haben unsere Leute hier sich weiterhin wie befohlen um den Ackerbau und die Viehzucht gekümmert und in den letzten Jahren ebenfalls Vorräte angelegt. Vorerst sehe ich kein allzu großes Problem bezüglich Nahrung. Was mir Sorge bereitet ist Ausrüstung, genau gesagt Waffen. Wir haben hier kaum Metalle oder besser gesagt große Probleme welche zu finden.”
 

„Also brauchen wir Avaritia.”, stellte Ira fest.
 

„Ganz genau.”
 

„Meinetwegen übernehme ich das, solange ich nicht Gula befreien muss.”, warf Luxuria ein, legte ihren Spiegel beiseite und verdrehte theatralisch die Augen. „Beelzebub kann es absolut nicht leiden, wenn man unerlaubt sein Gebiet betritt und er hetzt einem sofort seine Haustiere auf den Hals. Seine Spinnen jagen mir immer einen Schauer über den Rücken.”
 

„Du wirst tun, was ich dir sage.”, erwiderte Lilith kalt. Die Drohung danach musste nicht ausgesprochen werden, jeder erkannte sie.
 

Die zweitälteste Sünde senkte den Kopf. „Natürlich, entschuldigt.”
 

„Die Spinnen dürften sowieso Geschichte sein.”, mischte sich nun Invidia ein. „Satan hat einen großen Teil von ihnen verbrannt.”
 

Sie erhielt einen überraschten Blick von der älteren Aveira. „Woher weißt du das schon wieder? Du bist erst vor ein paar Tagen entkommen.”
 

Sofort breitete sich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. Es war doch immer wieder schön, wenn andere von einem beindruckt waren. „Ich habe meine Quellen.~ Abgesehen davon ist es mein Job zu wissen, was in Gehenna los ist und Informationen zu sammeln. Hier passiert nichts ohne mein Wissen.”
 

Superbia schnaubte herablassend. „Natürlich. Dann erleuchte uns doch mal und erzähle etwas, was wir noch nicht wissen.”
 

Herausforderung angenommen.
 

„Der Nephilim hat seinen Zahnstocher zurückbekommen, Haus Valac plant ihn umbringen zu lassen, aber dürfte scheitern und Iggy hat noch immer nicht verstanden, dass diese weißhaarige Göre -Agares war es?- auf ihn steht.”
 

„Letzteres überrascht mich jetz' nich' so...”, nuschelte Acedia, welche scheinbar doch mit halbem Ohr zugehört hatte.
 

„Aber echt, er wird so nie 'ne Freundin bekommen.”, bestätigte Ira seufzend. „Aber was meinst du mit Zahnstocher, Vidia?”
 

Auch Liliths Interesse war geweckt und ihre Augen verengten sich. „ Er hat das Kōmaken zurückbekommen? Bist du sicher?”
 

„Japp, Kurikura ist wieder in seinen Händen. Satan hat Schiss, dass wir bald angreifen und will ihn vorbereiten. Er lässt ihn aber nicht mit im Krieg kämpfen, weil er noch unerfahren und sein Erbe ist.”
 

„Moment, redet ihr hier von einem Dämonenabschlachter?”, fuhr Ira dazwischen, sichtlich aufgeregt. Als sie nickten, wandte sie sich an Lilith. „Kann ich das haben, wenn wir ihn mit ihm fertig sind? Ich hatte noch nie eins!”
 

Die Dämonengöttin winkte ab. „Wir haben jetzt dringendere Angelegenheiten. Satan will ihm also beibringen mit seinem Schwert umzugehen. Unerwartet...aber nicht unwillkommen.”
 

„Ähm...ist das nicht für ihn eine Möglichkeit mehr uns anzuzünden?”, erkundigte sich Invidia.
 

„Was denn, hast du Angst, Vidi?”, höhnte Superbia.
 

„Ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber ich mag kein Feuer und habe Satans Flammen noch allzu gut im Gedächtnis!”, fauchte die Gestaltwandlerin schnippisch.
 

„Ruhe!” Beide kamen sofort der Aufforderung nach. „Im Moment ist es wichtig unser weiteres Vorgehen zu planen. Wenn wir uns geschickt anstellen, müssen wir nicht mal kämpfen. Wir müssen nur seine Machtbasis zum Einsturz bringen.”
 

Luxuria summte zustimmend. „Die Adelshäuser, sein Volk und seine Kinder.”
 

„Ganz genau. Seit wir versiegelt wurden, hat sich einiges im Adel getan. Die Häuser stehen zum Teil unter neuer Führung. Viele sind jung und interessieren sich eher für ihr Leben im Luxus und Macht. Ihnen wird es relativ egal sein, wer auf dem Thron sitzt solange sie ihr komfortables Leben weiterführen können. Die kleineren Häuser versuchen sich mehr Einfluss zu verschaffen und würden sicher nicht nein sagen, wenn man ihnen eine höhere Machtposition verschafft. Sie wollen keinen Krieg, weil es teuer und unbequem ist, also werden sie einfach beiseitetreten, wenn wir das Entsprechende anbieten. Wenn sich der Adel und damit auch der Rat spaltet, wird das Volk es zuerst zu spüren bekommen. Sie mussten in den letzten Monaten bereits viel mitmachen und die jüngsten Ereignisse werden ihr Vertrauen in die Krone geschwächt haben. Man munkelt sogar bereits von geplanten Aufständen. Ich wette, wenn wir den Druck auf sie erhöhen, werden sie einknicken bevor das Jahr um ist.”
 

Das klang nach einer Aufgabe für Invidia. Sie war schon immer gut darin Unruhe zu stiften. Wenn man sich dann in jede beliebige Person verwandeln konnte, machte es sogar noch mehr Spaß. „Ich könnte einige Hetzreden halten, falsche Informationen verbreiten und ein paar Aufstände anzetteln. Oh, ein paar Attentate und Grundwasservergiftungen haben auch noch nie geschadet.” Sie kam nun richtig in Fahrt und hatte haufenweise Ideen.
 

„Genau das wird deine Aufgabe werden.”, bestätigte Lilith. „Du musst so viel Chaos wie möglich verbreiten. Wenn man die momentanen Zustände bedenkt, dürfte es nicht schwer sein weitere Unzufriedenheit zu stiften.”
 

An Tagen wie diesen liebte Invidia ihre Arbeit. Chaos und Panik verbreiten, Unschuldige massakrieren lassen, Misstrauen sähen und dabei einen Platz in der ersten Reihe haben. Das würde eine hervorragende Woche werden, eventuell sogar noch besser als sie damals Salacia verschleppt hatte. Vielleicht sollte sie das Iggy bei ihrer nächsten Begegnung unter die Nase reiben.
 

„Wenn ich fertig bin, werden die Leichen die Straßen verstopfen und man wird sich für jedes Stückchen Fleisch an die Kehle springen.~”, kicherte sie, nun vollkommen motiviert und mit der Begeisterung eines kleinen Kindes.
 

Lilith lächelte. „Mit weniger würde ich mich auch nicht zufrieden geben. Nun zum interessantesten: den Dämonenkönigen. Wir müssen sie auseinanderbringen.”
 

„Das wird nicht einfach.”, gab Superbia zu bedenken.
 

„Vielleicht doch. Azazel steht kurz vor dem Zusammenbruch, wir müssen ihn nur noch etwas weiter Richtung Kante stoßen. Er hat niemanden an den er sich wenden kann und selbst wenn er alles gestehen könnte, würden man ihn als Verräter hinzurichten. So oder so ist sein Verstand am zerbrechen. Dann wird er uns endgültig aus der Hand fressen.”
 

Luxuria kicherte. „Ich wette, wir können den Rest genauso gut manipulieren. Schlussendlich sind alle Männer gleich.”
 

„Ich wäre mir da nicht so sicher.”, hielt Ira dagegen. „Samael hat uns bereits einmal hereingelegt. An ihn und Lucifer werden wir kaum rankommen. Iblis und Astaroth sind nicht die hellsten Flammen in Helheimr, aber auch nicht dumm. Egyn könnte ein schwaches Glied sein, bei Amaimon und Beelzebub habe ich keine Ahnung, wie wir sie manipulieren sollen. Ich weiß nie, was bei denen im Kopf vorgeht.”
 

„Dennoch habe sie alle eine gemeinsame Achillesferse. Der Nephilim.”
 

Zustimmendes Murmeln erklang, Lilith stützte ihren Kopf auf eine Hand auf. „Ich hatte ursprünglich vor ihn zu töten sobald ich draußen bin, aber ich habe inzwischen erkannt, dass er lebend nützlicher sein könnte. Seine Flammen würden die Eroberung Assiahs und Gehennas wesentlich erleichtern, außerdem hätten wir ein Druckmittel für Satan und seine Hurensöhne.”
 

„Nie im Leben kommen wir an ihn heran.”, murmelte Superbia kopfschüttelnd und ausnahmsweise stimmten ihr alle Schwestern aus vollstem Herzen zu. Doch Lilith lachte leise.
 

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Warum sollten wir uns die Mühe machen zu ihm zu gelangen, wenn jemand längst dort ist, der das für uns erledigen kann?”
 

Nun begannen auch die Aveira zu grinsen. „Das würden sie nie im Leben kommen sehen.”, kicherte Invidia sadistisch. Abgesehen davon wäre das Gesicht des Nephilim unbezahlbar.
 

Dennoch gab es ein Problem. „Er wird sich nie unterwerfen.”, seufzte Superbia. „Ich könnte allerdings meine Kräfte an ihm ausprobieren. Wenn wir vorher seinen Geist schwächen, könnte es funktionieren.”
 

Die Dämonengöttin machte eine abwertende Handbewegung. „Du musst größer denken, Superbia. Je weiter er weg ist, desto geringer wäre dein Einfluss. Außerdem ist er zu hochrangig. Besitz von ihm zu ergreifen ist so viel einfacher.”
 

Sie erhielt äußert verdatterte Gesichter als Antwort. Acedia dagegen hatte begonnen leise zu schnarchen. Ihre Schwestern waren jedoch so sehr von der Aussage ihrer Meisterin überrascht, dass sie es nicht bemerkten und demzufolge nicht reagierten. Vielleicht interessierte es sie auch einfach nicht. Ihre Mutter dagegen schon. „ACEDIA!”
 

Die blauhaarige Sünde zuckte zusammen und sah sich verwirrt und mit halb geschlossenen Augen um. „Was'n los? Ähm...Vidia hat Recht...Satans Flammen sind kein Spaß, Bia...”
 

„Damit sind wir längst fertig! Und höre auf mit diesem Spitznamen!”, fauchte die blonde Aveira zähnefletschend, während Ira und Invidia hämisch kicherten.
 

„....Sorry.......?”
 

Lilith massierte sich genervt ihre Schläfen. „Höre endlich zu oder nehme dich wieder in meinem Körper auf und erschaffe dich neu!”
 

Die Aveira zuckten zusammen. Da sie in gewisser Weise Teile von Liliths Persönlichkeit verkörperten, konnte diese sie jederzeit vernichten und neu erschaffen. Die alte Verkörperung war damit gestorben. Sämtliche Erinnerungen waren futsch, eventuell veränderte sich die Persönlichkeit und das Aussehen. Bisher musste das glücklicherweise keine von ihnen durchmachen, sie kannten die Folgen nur von Beschreibungen aus Büchern. Alle wussten, dass es keine leere Drohung war. Acedia sank etwas auf ihrem Stuhl zusammen und nickte schnell. „Bitte vergebt mir, Meisterin.”, murmelte sie unterwürfig.
 

„Das dachte ich mir. Also wo waren wir?”
 

„Der Nephilim...”, antwortete Luxuria seufzend, dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit erneut an Lilith. „Besitzergreifung? Wie?”
 

„Wenn du kurz still sein würdest, könnte ich es erklären!”, wurde sie gerügt. „Wie ihr alle wissen solltet, wird eine Person anfälliger für eine Besitzergreifung je öfter diese von statten geht. Er wurde bisher nur einmal von mir übernommen, aber es wird mir dennoch beim nächsten Fall etwas einfacher fallen, es erneut zu tun. Allerdings habe ich keine Zeit dafür ihm ewig zuzureden. Es wäre um einiges einfacher vorher seinen Willen zu brechen.”
 

„Gebt uns eine Woche und er wird vor Euch im Dreck kriechen.”, grinste Ira und Invidia nickte eifrig.
 

„Daran habe ich keinen Zweifel, allerdings muss es vorerst warten. Er ist noch zu gut geschützt. Ein weiterer Grund einen Keil zwischen die Dämonenkönige zu treiben. Zuerst kümmern wir uns also um den Adel und das gemeine Volk.”
 

Erneut erhielt sie zustimmendes Nicken. Was auch sonst? Keiner war dumm genug, ihre Entscheidungen in Frage zu stellen.
 

„Invidia, du fängst mit Hâlogir an. Agneya liegt am nächsten, also kommt das zuerst dran.”
 

Die Sünde nickte. Agneya war Iblis Reich und Hâlogir die Hauptstadt. Sie mochte Feuer nicht besonders, hatte schon fast Angst davor, denn sie hatte in der Vergangenheit einige unschöne Erfahrungen gemacht. Allerdings wagte sie nicht, etwas zu sagen.
 

„Ira, du führst die Überfälle auf die Dörfer an der Grenze an. Ich habe sie auf der Karte markiert. Nehmt alle Vorräte mit, die ihr findet. Je gnadenloser die Angriffe sind, desto besser. Sei also gründlich!”
 

„Es wird keine Überlebenden geben.”, versprach sie grinsend, die Vorfreude offensichtlich.
 

„...Ja, das dürfte gründlich genug sein. Der Rest von euch kommt nachher zu mir. Wir treffen uns in einer halben Stunde mit Naama, Ravana, Hedammu und Anaya. Wir müssen den Ausbruch aus dem Tartaros und die Zerstörung der restlichen Siegel planen.”
 

Damit waren sie endlich entlassen.
 

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„Na, das lief doch besser als erwartet.”, kommentierte Ira als sie mit Invidia in einem leeren Gang stand. „Wie immer dürfen wir die ganze Drecksarbeit machen, aber das wundert wohl keinen.”
 

Invidia zuckte mit den Schultern. „Solange ich andere leiden lassen kann, ist mir das egal. Besonders Satan und seine Bastarde. Diese Versieglung war ein Albtraum. Ein paar Jahrhunderte länger und ich hätte den Verstand verloren. Den Gefallen will ich erwidern.”
 

Die jüngere Aveira kicherte. „So viel von deinem Verstand ist ohnehin nicht mehr übrig, Vidia. Das wäre kaum aufgefallen.” Sie wurde wieder ernst. „Ich verstehe allerdings, was du meinst. Das war ein verdammt mieses Gefühl. Als wäre man...”
 

„Im Nichts, umgeben von vollkommener Dunkelheit, ohne auch nur ein Geräusch zu hören?”, mischte sich eine neue Stimme ein.
 

Ira verdrehte die Augen. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du uns nicht belauschen sollst, Luxuria?!”
 

„Schon öfter.”, ertönte die Antwort als die zweitälteste Sünde aus dem Schatten trat. „Aber meine Beschreibung trifft es gut, nicht wahr? Man ist nicht am Leben, nicht tot sondern irgendwo dazwischen. Hin und wieder hat man den Eindruck, man würde etwas von der Außenwelt mitbekommen, doch sieht schnell ein, dass es nur Wunschdenken war. Irgendwann hört man dann die Stimmen und eh man sich versieht, kommen die schlimmsten Erinnerungen wieder hoch.”
 

„Die Zeit scheint nicht zu existieren und man spürt, wie sich langsam, aber sicher der Verstand verabschiedet. Ja, das trifft es gut.”, ergänzte die Gestaltwandlerin düster. „Schätze, so fühlen sich auch Acedias Opfer, nachdem sie ihren Verstand eingesperrt hat. Vollkommen am Ende und ein Schritt vom kompletten Wahnsinn entfernt.” Schweigen folgte, dann begann sie plötzlich laut zu lachen und warf ihre Haare zurück. „Gehenna, ihr solltet mal eure Gesichter sehen. Schaut nicht so trübe drein, sonst endet ihr noch wie Acedia.~ War alles nur ein Witz.”, erklärte sie grinsend.
 

Ira seufzte. „Ich fand es schon immer unheimlich, wie schnell sich dein Gemütszustand ändert.”
 

„Dafür wirst du extrem schnell wütend und das oft wegen Kleinigkeiten.”
 

„Klappe Lux, ich bin nun mal 'ne Verkörperung vom Zorn! Immerhin steige ich nicht mit alles und jedem in die Kiste!”
 

„Und wie du dich sicher entsinnen wirst, bin ich Wollust. Ich ziehe Stärke  daraus und abgesehen davon lassen sich andere damit wesentlich leichter manipulieren.”
 

„Kann ich nur bestätigen.”, antwortete Invidia. „Also wo steckt Acedia? Nein warte...sie schläft?”
 

„Was sonst? Ich weiß jetzt schon, dass ich sie nachher aufwecken darf, sonst wirft Mutter sie den Drachen vor.”, grummelte Luxuria.
 

Ira hob eine Augenbraue. „Wir haben Drachen? Ich dachte, unsere wurden damals alle getötet.”
 

Die ältere Aveira verdrehte theatralisch die Augen. „Das ist eine Redensart, Ira. Das solltest du eigentlich wissen.”
 

„Was auch immer.” Sie wandte sich um. „Ich bin weg, Dorfbewohner massakrieren sich nicht von alleine.”
 

„Töte ein paar für mich mit, ja?~”, rief Invidia ihr hinterher.
 

„Sicher, du auch.”
 

„Mach ich.” Sie wandte sich an Luxuria. „Also man sieht sich, Lux.”
 

„Pass auf dich auf, Vidia.”
 

„Vorsicht, sonst könnte man noch glauben, dass du dich wirklich um uns sorgt.”
 

„Autsch.”
 

„Recht hat sie!”, rief Ira obwohl sie längst um die Ecke war. Die hörte aber auch immer, was sie nicht hören sollte.
 

Als sie endlich alleine war, strich sich Luxuria seufzend eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Warum muss ich so viele Geschwister haben?” Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Immerhin wird es nie langweilig.” Damit machte sie sich auf den Weg zu Acedia, vor sich hin rätselnd wie sie sie denn heute aus dem Bett bekommen würde.
 

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Ira war endlich fertig damit ihre Waffen zu schärfen und betrat nun einen der äußeren Trainingshöfe auf dem sich bereits die Truppen sammelten. Einige der Anwesenden kannte sie von früheren Aufträgen, es waren also zumindest ein paar Veteranen dabei. Nur vereinzelt konnte man Nervosität und damit jene, die heute zum ersten Mal kämpfen würden, erkennen. Natürlich war jegliche Sorge vollkommen unberechtigt. Einfache Dorfbewohner wussten nur selten, wie man kämpfte oder gar mit einer Waffe umzugehen. Selbst wenn es Soldaten darunter gab, waren es nie genug, um einen Überfall abzuwehren. Sobald sie die Grenze überwunden hatten, war er ohnehin vorbei. Selbst Eliteeinheiten würden dann nichts mehr bringen. Sie entdeckte Aulak, welcher einer größeren Gruppe die Strategie erklärte. Sie trat langsam näher und wartete mit verschränkten Armen darauf, dass der Alukah fertig wurde. Endlich wandte er sich an sie. „Ira, es ist lange her.”
 

Sie zuckte mit den Schultern. „Tja, leider kann man keine Nachrichten schicken oder auf einen Besuch vorbei kommen, wenn man versiegelt ist. Ich habe gehört, dass es dir gelungen ist, dich all die Jahre zu verstecken. Ich bin nicht sicher, ob ich beeindruckt sein soll oder dir für deine Feigheit die Eingeweide rausreißen soll.”
 

Den Alukah ließ die Drohung kalt und er lächelte. „Ich bin geflohen, das ist wahr. Allerdings habe ich nie unsere Wege vergessen. Ich bin Lilith und euch stets treu gewesen.”
 

„Andere saßen für uns im Tartaros.”
 

„Andere haben kapituliert und mit dem Feind zusammengearbeitet, um sich aus der Affäre zu ziehen. Manche haben zwar den Ruf gehört, doch sind nicht erschienen.”, hielt Aulak dagegen. „Und da ich nicht im Tartaros sitze, kann ich nun dienen. Ist das nicht eine bessere Lösung?”
 

Die Aveira verdrehte die Augen. „Schätze, du hast recht. Bist du nur aus Nostalgiegründen hier oder machst du mit?”
 

„Natürlich komme ich mit. Ganz wie in den alten Zeiten. Es ist zu lange her, dass ich ein solches Buffet hatte.”
 

Ira begann zu grinsen. „Hast du immer noch eine Schwäche für junge Frauen und Kinder?”
 

„Was sonst? Je jünger desto besser. Außerdem sind ihre Reaktionen hervorragend.”
 

„Ich bevorzuge immer noch Männer. Sie lassen sich so schön zum Narren halten.”
 

„Du klingst wie Luxuria.”
 

„...Sag das nochmal und ich reiße dir den Kiefer raus und kippe Weihwasser in deinen Rachen.”
 

„...Notiert.”
 

Kopfschüttelnd wandte sie sich um. Noch immer waren die Vorbereitungen nicht abgeschlossen. „IN FÜNF MINUTEN GEHT ES LOS!”, rief sie über den Hof. „WER BIS DAHIN NICHT FERTIG IST, WIRD MITGESCHLIFFEN UND ALS LEBENDER SCHUTZSCHILD ODER FUTTER FÜR DIE NACHTMAHRE GENOMMEN!”
 

Ira war ein wahres Motivationstalent. Sofort ging alles wesentlich schneller voran.
 

„Was ist eigentlich mit Invidia?”, erkundigte sich Aulak.
 

„Sie ist anderweitig beschäftigt.”, kam die knappe Antwort. „Mache dich lieber fertig. Die Ankündigung trifft auch auf dich zu.”
 

Damit ließ sie ihn stehen und ging zu ihrem Nachtmahr. Diese sahen auf dem ersten Blick aus wie gewöhnliche Pferde, allerdings waren sie wesentlich heimtückischer, gefährlicher und intelligenter. Alle waren pechschwarz, groß und kräftig, aber dennoch schnell und wendig. Ihre Augen waren vollkommen blutrot und schienen zu glühen, die Zähne waren lange, spitze Hauer. Natürlich ernährten sie sich von Fleisch. Jeder, der sich ihnen unerlaubt näherte, landete auf ihrer Speisekarte. Wenn derjenige Glück hatte, wurde er vorher niedergetrampelt und danach erst gefressen. Früher lebten Nachtmahre nur in Manala, dem Reiche Azazels, doch inzwischen wurden sie in ganz Gehenna genutzt. Allerdings wurden sie nach wie vor nur in Manala gezüchtet. Es war recht knifflig gewesen sie zu besorgen, denn auf dem Schwarzmarkt waren sie begehrte Mangelware. Außerdem blieben sie ihrem Besitzer bis zum Tode treu, gestohlene brachten demzufolge nicht viel. Ausschließlich Fohlen wurden genommen. Das Tier hob den Kopf und sah sie eindringlich an.
 

Langsam hob die Aveira die Hand und strich dem Hengst über die Nüstern. „Es ist viel zu lange her, Ares. Haben sich die Idioten gut ihm dich gekümmert während ich weg war?”
 

Ares schnaubte und scharrte ungeduldig mit seinen Hufen. Kleine Funken stoben dabei auf.
 

„Ja, ich weiß. Du wartest nicht gern und willst lieber los. Keine Sorge, es ist das Warten wert, denn in wenigen Stunden wirst du ein ganzes Dorf Frischfleisch haben. Es schmeckt so viel besser, wenn das Essen noch zappelt, oder?”
 

Ares schnaubte, als würde er zustimmen. Ira grinste und stieg auf. „ES GEHT LOS!”, brüllte sie. Sie wartete gar nicht darauf, dass alle in Position gingen, sondern trieb das Tier sofort an. Wie konnte man seine Rückkehr besser feiern, als mit einem guten Gemetzel?

 

 

 

Grausamkeit

„Was soll das heißen, Leviathan ist verschwunden?!”, entrüstete sich Egyn und warf seine Hände in die Luft.
 

„Genau was ich gesagt habe. Er ist einfach nicht aufzuspüren!”, antworte Kyrene frustriert.
 

„Wie kann man denn bitte ein riesiges Seemonster übersehen?! Setzt er sich Algen auf den Kopf und gibt vor ein treibender Baumstumpf zu sein?!”
 

„Hey, kein Grund für Sarkasmus! Wir tun, was wir können!”
 

„Sie hat Recht, Egyn. Leviathan ist nicht leicht zu fangen. Es ist genauso hinterlistig wie seine Meisterin.”, versuchte Agares den Wasserkönig zu beruhigen.
 

Rin stand währenddessen im Türrahmen und schaute ihnen verwundert beim diskutieren zu. Egyn hatte sich bereit erklärt, ihm Telepathie beizubringen und zu zeigen, wie er seinen Geist abschirmte. Der Nephilim sollte heute pünktlich zu ihm kommen und hatte natürlich nicht damit gerechnet auf zwei streitende Wasserdämonen und eine Sirene zu treffen. Noch hatte man ihn nicht bemerkt, also beschloss der Halbdämon lieber still zu sein und sich umzusehen. Egyns Zimmer sah genauso aus wie immer. Der Boden, die Wand und die Möbel waren in verschiedenen Blautönen gehalten. Die wellenförmigen Wandmuster, die Korallen, Muscheln und weitere Meerespflanzen, die aus dem Boden zu wachsen schienen oder auch von den Wänden hingen, verliehen den Eindruck als befände man sich tatsächlich unter Wasser. Von der Decke hingen leuchtende Perlen und Steine. Natürlich hatte er mehrere Aquarien, eins zog sich an einer ganzen Wand entlang. Darin schwammen verschiedenste Fische und anderes Wassergetier. Man könnte locker Stunden davor verbringen und es einfach nur anstarren können.
 

„Rin, wie lange stehst du schon da?”, wurde er plötzlich von Egyn aus seinen Gedanken gerissen. Offensichtlich hatte man ihn endlich bemerkt. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. „Schon eine Weile. Ich wollte euch nicht unterbrechen.”
 

„Was-” Der Wasserkönig stockte und fasste sich seufzend an die Stirn. „Mist, wir wollten zusammen üben, nicht wahr? Tut mir leid, ich habe komplett die Zeit vergessen.”
 

Rin versuchte sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. „Schon in Ordnung, du hast viel zu tun. Wir können es verschieben.”
 

Egyn schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ich habe es versprochen. Ich muss nochmal kurz weg, danach geht es sofort los. Kyrie, bleibst du solange bei ihm?”
 

Kyrene nickte. „Klar, kein Problem.” Damit verließen Agares und Egyn, erneut in eine Diskussion versunken, den Raum.
 

Die Sirene wandte sich an den Nephilim. „Schön dich wieder zu sehen. Nach dem Angriff auf den Palast habe ich schlimmes befürchtet.”
 

„Schätze, wir sind mit dem Schrecken davon gekommen.”, antwortete Rin. Unangenehme Stille folgte. Schließlich wurde sie von Kyrene durchbrochen.
 

„Hey, Rin. Es war nicht deine Schuld, dass Lilith entkommen ist, weißt du?”
 

Er zuckte zusammen und sah sie überrascht an. „Wie kommst jetzt darauf?”
 

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich dachte nach allem, was dir passiert ist, kann man dir das gar nicht oft genug sagen. Es war feige von Jahi und verachtenswert.”
 

„Ich möchte nicht drüber reden.”, kam die knappe Antwort. Zu seiner Überraschung nickte sie. „Möchtest du über etwas anderes reden? Ich finde Stille so bedrückend.”
 

Der Nephilim nickte. Etwas Ablenkung klang gut. „Falls es dir nicht zu persönlich ist...warum haben Egyn und du euch getrennt? Ihr scheint gut miteinander klar zu kommen.”
 

Kyrene seufzte. „Das hatte eigentlich mehrere Gründe. Als Lilith damals Gehenna terrorisiert hat, wusste keiner, was die Zukunft bringen würde. Ich hatte Sorge, dass ich Egyn zu sehr von seinen Pflichten als Dämonenkönig abhalte und er befürchtete, dass ich irgendwann in das Kreuzfeuer geraten würde. Außerdem musste ich mich noch um meine kranke Mutter kümmern, sie hatte sich die rote Seuche eingefangen. Mein Vater war auch sehr im Stress, also habe ich mich zusammen mit meinen zwei älteren Schwestern um meine jüngeren Geschwister gekümmert. Irgendwann beschlossen wir, es zu beenden. Kurz danach brach die Rebellion aus und die dauerte mehrere Jahrhunderte. Am Ende war Gehenna größtenteils ein Trümmerfeld, alle waren mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Dann kam noch Salacias Tod und einiges mehr dazu, aber das ist jetzt egal. Ich hatte Egyn besucht als er von dieser Naga verletzt und von Agares gerettet wurde. Da ist mir sofort aufgefallen, dass sie ihn mag. Ich mochte Egyn noch als Freund, aber romantische Gefühle hatte ich nicht mehr. Also sind wir einfach sehr gute Freunde geblieben.” Plötzlich schlug sie sich die Hand vor den Mund. „Oh, nein...ich und mein loses Mundwerk. Ich hatte ihr versprochen, es niemanden zu sagen...”
 

„Dass sie Egyn mag? Das habe ich ziemlich schnell erkannt.”, erwiderte Rin schulterzuckend.
 

Sichtlich erleichtert, lachte die Sirene. „Es ist ziemlich offensichtlich, oder?”
 

„Irgendwie schon.”
 

Sie redeten noch eine Weile weiter, dann ging die Tür auf und Egyn kam herein. „Entschuldige, es hat länger gedauert als erwartet.”
 

„Kein Problem, wir haben uns die Zeit schön vertrieben.”, antwortete Kyrene und stand auf. Als sie sich verabschiedete, zog sie Egyn in eine Umarmung. Rin wollte ihr die Hand geben, doch zu seiner Verblüffung umarmte sie auch ihn. „Viel Erfolg beim üben. Und höre gut zu, das kann dir den Hintern retten.”
 

Etwas überrumpelt nickte der Nephilim. „Es ist schön, dass ihr beiden euch vertragt.”, kommentierte Egyn. „Wollen wir anfangen?”
 

„Ähm, klar.” Ganz wohl war ihm nicht dabei. Der Gedanke, dass sich jemand in seinem Kopf rumtrieb, bereitete ihm eine Menge Unbehagen, auch wenn es Egyn war.
 

„Keine Sorge, das ist alles gar nicht so schwer, wie es klingt. Telepathie ist so einfach wie telefonieren und ich werde mich auch aus deinen tieferen Gedanken und Erinnerungen raushalten. Ich kratze nur ein paar oberflächliche Gedanken und Gefühle an. Wenn du das dann abschirmen kannst, arbeiten wir uns weiter vor. Sobald du es einmal gelernt hast, musst du dir keine Sorgen mehr darum machen, dass jemand deine Gedanken liest.”
 

Stumm nickte der Nephilim, allerdings musste er im Hinterkopf noch immer an sein Erlebnis mit Lilith denken. Als sie versucht hatte in seinen Körper einzudringen, hatte er Schmerzen erlebt, die er nicht für möglich gehalten hätte. Er wusste, dass Egyn ihm nie absichtlich wehtun würde, dennoch war er angespannt.
 

„Gut, dann setze dich irgendwo hin und schließe deine Augen.”, fuhr Egyn fort. Rin tat wie ihm geheißen wurde. Sein Herz klopfte wie wild, sodass er sich fragte, ob der ältere Dämon es wohl hörte. „Und Rin? Das was Lilith getan hat und ich tun werde, ist nicht zu vergleichen. Ich würde dir nie schaden und wenn es dir zu viel wird, sage es einfach und ich höre sofort auf. In Ordnung?”
 

„Okay.”, murmelte der Nephilim. Tatsächlich halfen die Worte des Wasserkönigs ihm dabei sich zu entspannen.
 

„Alles klar. Bevor wir richtig loslegen, fangen wir mit einfachen Übungen an. Versuche all deine Gedanken loszulassen und an nichts zu denken. Du kannst dir einfach eine weiße Fläche vorstellen, wenn dir das dabei hilft...”
 

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„Makara, Stopp! Lass das sofort fallen!”, befahl Iblis in einem strengen Tonfall. Er war in den Gemächern seines Palastes und wollte eigentlich einige Berichte lesen, doch seine fünf Quälgeister ließen es einfach nicht zu. Makara  war das einzige Weibchen von den fünf Geschwistern, aber hatte wie sie nur Blödsinn im Kopf. „Makara, lass das fallen! Jetzt!”, wiederholte er nachdrücklich.
 

Das Drachenweibchen sah ihn mit unschuldigen, blauen Augen an, doch der Feuerkönig ließ sich nicht erweichen. Endlich ließ sie die Papierrolle fallen. Iblis hob diese schnell auf. „Super, jetzt ist die auch noch durchgesabbert.”, schimpfte er. Makara schmiegte sich um seine Beine um begann damit ihren Kopf an seinem Oberschenkel zu reiben. Seufzend kraulte er sie zwischen ihren Hörnern. „Ja, ja. Ich verstehe schon, du meinst es nicht böse.”
 

Nun kamen auch Fafnir, Ladon, Tannin und Zilant an. Offensichtlich waren sie nicht einverstanden damit, dass nur ihre Schwester Aufmerksamkeit bekam. Bevor sich der Feuerkönig versah, lag er auch schon am Boden, unter fünf Drachen begraben. An Tagen wie diesen vermisste er die Zeit in der einer auf seine Schulter passte. Schimpfend scheuchte er die anhänglichen Geschwister weg und rappelte sich auf. Sie alle sahen ihn mit ihren besten Unschuldsmienen an. „Ich habe jetzt keine Zeit zum spielen. Vater macht mich einen Kopf kürzer, wenn ich das bis heute Abend nicht fertig habe!”, erklärte er erschöpft. Sofort ließen sie die Köpfe und Schweife hängen, doch Iblis blieb hart. Er ging zu einem abgedeckten Teller, welcher auf einem Beistelltisch stand und hob den Deckel an. Darunter lagen mehrere große Brocken Rohfleisch. Er griff fünf davon und warf sie nacheinander in die Luft. Wie geölte Blitze schossen die Drachen nach oben und schnappten sich ein Stück. Zufrieden grillten sie ihre Portion und vertilgten sie mit einem lauten Schmatzen.
 

„Fafnir! Denke gar nicht daran Zilant sein Stück zu klauen!”, ermahnte Iblis den ältesten der Geschwister. Da Zilant der jüngste war, stahlen ihm seine älteren Geschwister gerne Teile seines Futters. Ein Laie hätte allerdings nie erkannt, dass sie ein Gelege waren. Fafnir war knallrot mit einem goldenen Rückenkamm, Ladon war grün-braun, Makara weiß, Tannin blau und Zilant schwarz-violett. Dafür hatten sie denselben Körperbau, dieselbe Schuppenform und ähnliche Maserungen. Makara hatte wie die meisten Weibchen Stacheln an ihrem Schweif, welche sie nach Belieben verschießen konnte. Nach kurzem Überlegen beschloss Iblis ihnen den Teller mit dem übrigen Fleisch hinzustellen. Vielleicht hätte er dann endlich seine Ruhe. Tatsächlich konzentrierten sie sich vollkommen auf das Futter, sodass er endlich mit den Berichten beginnen konnte. Osiris saß derweil  brav auf seiner Stange und putzte sich das Gefieder. Wenigstens einer, der sich benahm. Leider war die Ruhe nur von kurzer Dauer. Es klopfte an der Tür, als er gerade mit dem ersten Bericht fertig war. ‚Ernsthaft?‘
 

„Herein.”
 

Die Tür folg auf und ein Bote kam hereingestürmt. Er war ziemlich außer Atem.
 

„Bitte vergebt die Störung, Eure Hoheit. Ich habe eine dringende Nachricht!” Als er näher heran trat, sprangen die Drachen auf, spreizten die Flügel und fauchten laut, zusätzlich noch die Zähne bleckend. Der Dämon sprang erschrocken zurück, Iblis seufzte. Drachen hatten einen starken Beschützerinstinkt und wurden schnell eifersüchtig. Sobald sich ein Fremder dem Feuerkönig näherte oder dieser jemanden mehr Beachtung schenkte als ihnen, reagierten sie äußert ungnädig. Bisher konnte er ihnen das leider noch nicht ganz abgewöhnen.
 

„Schon gut.”, beruhigte er den verschreckten Dämonen. „Sie sind sehr misstrauisch gegenüber Fremden.” Er stand auf und nahm die Nachricht entgegen. Es überraschte ihn nicht, dass er auf diesen Weg einen Brief erhielt. Normalerweise wurden Siegel benutzt, um Nachrichten zu verschicken, jedoch waren solche Nachrichten leichter abzufangen und momentan konnten sie sich das nicht leisten. Er selbst benutzt gerne Osiris, um Nachrichten zu verschicken. Nachdem er den Boten entlassen hatte, öffnete er den Umschlag und las sich den Text durch. Die Schrift war relativ kraklig, es wurde scheinbar in Eile geschrieben. Mit jeder Zeile weiteten sich seine Augen. Mehrere der Grenzposten hatten jeglichen Kontakt mit anderen Posten und mit mehreren Dörfern verloren. Normalerweise hätte man sofort jemanden geschickt, der sich der Sache annahm, doch im Anbetracht der momentan Lage sollte Iblis das Vorgehen entscheiden. „Kann man nicht einmal Ruhe haben?!”, knurrte er frustriert. Nach einigen hin und her beschloss er, sich die Sache persönlich anzusehen. Sicherlich würde es sein Vater verstehen, wenn er deswegen die Berichte etwas schleifen ließ. Er wandte sich an Osiris. „Hey Osiris, ich habe eine Aufgabe für dich.”
 

Sofort kam der Phönix angeflattert und ließ sich auf seinem Schreibtisch nieder. Iblis schrieb eine kurze Notiz an seinen Vater und band sie dem Vogel um das Bein. „Bringe das zu Vater, ja? Ich werde wahrscheinlich den ganzen Tag unterwegs sein.”
 

Osiris stieß ein leises Fiepen auf, wie um ihn zu sagen, dass er sich keine Sorge machen muss. Dann verschwand er durch das offene Fenster. Iblis stand ebenfalls auf und wollte das Zimmer verlassen, um Halphas und einige Mitglieder seiner Eliteeinheiten zusammenzutrommeln, doch hielt inne. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete und seine Drachen würden sich hier nur langweilen und eventuell Blödsinn deswegen treiben. Da konnte er sie auch gleich mitnehmen.
 

„Ok, kleine Planänderung. Ihr kommt mit.”, verkündete er. Natürlich waren sie ganz aus dem Häuschen. Iblis ließ sie zwar jeden Tag raus, allerdings durften sie nicht das Palastgelände verlassen. Der Feuerkönig ging zu seiner Balkontür und öffnete sie. Sofort schossen die Drachen in die Luft und durch die offene Tür ins Freie, wo sie begannen den Palast zu umkreisen. Nachdem er das Fenster und die Tür fest verschlossen hatte, verließ er das Zimmer, um seine Leute zusammenzurufen.
 

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„Und du bist wirklich sicher, dass Haus Valac ein Attentat plant?”, fragte Satan scharf nach.
 

Samael verdrehte die Augen. „Wie ich bereits zweimal betont habe: ja. Meine Leute im Inneren haben es bestätigt, ich hatte eine Vision und Astaroths Kohletierchen haben auch einiges aufgeschnappt.”
 

Er hielt einen guten Sicherheitsabstand, denn er wusste, dass der Dämonengott kurz davor stand etwas anzuzünden und das wollte nicht er sein. Irgendwie schaffte Satan es sich halbwegs zusammenzureißen, auch wenn einige seiner Flammen langsam hervorkamen. Sie standen kurz vor einem Krieg und was machte der Adel? Sie planten munter Attentate. Hatten die keine anderen Probleme?! Das Schlimmste war jedoch, dass er sie nicht einmal abfackeln konnte. Nicht etwas wegen des Versprechens, dass er damals gemacht hatte. Das konnte man im Anbetracht der Umstände auch etwas ausdehnen. Niemand vergriff sich an seinen Kindern! Wenn er jedoch jetzt damit loslegte, widerspenstige Adlige in den Hades zu befördern, konnte er Lilith gleich die Vordertür öffnen und den roten Teppich ausrollen. Ein Pochen an der Fensterscheibe riss ihn aus seinen Gedanken. Amaimon, welcher bisher auf stumm auf dem Sofa gesessen hatte, stand auf und öffnete das Fenster. Hereingeflogen kam Osiris. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Innerlich seufzend nahm er die Nachricht entgegen. Sie war kurz, aber ein Schlag ins Gesicht.
 

„Was gibt's ?”, erkundigte sich Amaimon als er die steinerne Miene seines Vaters bemerkte.
 

„Es gibt Ärger an der Grenze. Zu mehreren Grenzposten und Dörfern ist der Kontakt abgebrochen.” Die beiden Dämonenkönige wechselten vielsagende Blicke. Genau so hatte es schon einmal angefangen. Von den Dörfern war nichts mehr zu retten. Sie erfuhren nie, wie die Überfälle genau abliefen, denn es gab nie Überlebende. Andererseits war es vielleicht besser so, denn der Zustand der Leichen und Gebäude sagte bereits genug über die Grausamkeit der Angreifer aus.
 

„Und was nun?”, fragte Samael woraufhin Satan das Gesicht verzog. „Momentan können wir nur abwarten und versuchen die restlichen Dörfer zu schützen. Für den Rest ist es längst zu spät.”
 

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Iblis und Halphas wussten, dass Lilith und viele ihrer Anhänger grausam waren. Sie hatten während des Krieges Dinge gesehen und erlebt, welche ihnen bis heute hin und wieder einen Schauer über den Rücken jagte. Albträume waren inzwischen selten, aber präsent. Da sollte man meinen, dass einen nichts mehr erschüttern würde. Natürlich lagen sie mit dieser Annahme komplett daneben. Von dem Dorf und seinen Bewohnern war nicht viel übrig geblieben. Die Gebäude waren nur noch brennende Ruinen und die Straßen waren von Leichen gepflastert. Männer, Frauen und Kinder, ohne Ausnahme. Manche schienen einen recht schnell Tod gehabt zu haben, andere waren verbrannt, langsam ausgeblutet oder beinahe zerstückelt. Mehrere der Leichen waren angefressen worden und hatten Biss- und Krallenspuren. Iblis fiel außerdem auf, dass einigen Opfern Teile der Haut abgezogen worden waren. Es stank nach verbranntem Fleisch, Blut, Rauch und Verwesung.
 

„Sucht nach Überlebenden.”, befahl der Feuerkönig, obwohl er wusste, dass es zwecklos war. Es gab nie Überlebende, dafür waren die Überfälle bekannt. Falls doch, waren diese gerade dabei ihre letzten Atemzüge zu tun. Seine Leute schienen nicht allzu scharf darauf zu sein sich die Leichen näher anzusehen, aber beschwerten sich nicht. Einige schienen jedoch kurz davor zu stehen sich zu übergeben. Er war sich sogar ziemlich sicher, dass es einige taten sobald er außer Sichtweite war. Er machte niemanden einen Vorwurf. Der Großteil war gerade von der Militärakademie gekommen und hatten noch nie auf einem Schlachtfeld gestanden.
 

„Man sollte meinen, dass einen nichts mehr überrascht, nicht wahr?”, murmelte Halphas während er sich die Leiche eines kleinen Jungen näher ansah. „Verdammte Hurensöhne...unbewaffnete anzugreifen ist schon feige, aber dann auch noch Kinder...”
 

Iblis brummte zustimmend und bückte sich, um die Verletzungen näher zu begutachten. „Scheint als wären neben Moroi auch Alukah hier gewesen. Hier sind viele komplett blutleer.”
 

Halphas verzog das Gesicht. „Schätze, dann haben sie es immerhin nichts mehr mitbekommen.”
 

Der Feuerkönig nickte nur. Wenn man von einem Alukah gebissen wurde, fühlte man sich nach dem ersten Schreck meist ziemlich benebelt, dann genoss man es eventuell sogar und entspannte sich. Das Positive war, dass man nicht mitbekam wie man stirbt, das Negative dagegen, dass man sich nicht mehr versuchte zu wehren. Er hatte es selbst erlebt, als ihn in einem Kampf eine Alukah namens Sitri gebissen hatte. Diese war die stellvertrende Anführerin der Alukah und dementsprechend mächtig. Am Anfang wehrte er sich vehement gegen sie, doch dann begann ein seltsames Gefühl seinen Körper zu durchströmen und er wurde immer schlaffer bis er schließlich ganz still hielt. Er war nicht sicher, ob sie ihn wirklich aussaugen oder nur ruhig stellen wollte, es war ohnehin egal. Zu seinem Glück kamen Egyn und Beelzebub vorbei. Sie wussten, dass sie die Alukah auf keinen Fall ruckartig wegziehen durften, denn sonst wäre durch ihre Zähne seine Halsschlagader aufgerissen worden. Stattdessen griffen sie die Blutsaugerin so an, dass sie gezwungen war, Iblis loszulassen. Er wusste nicht mehr, was danach geschah. Er war in einem Krankenzimmer aufgewacht, sehr geschwächt, unfassbar blass und mit schmerzendem Hals, aber am Leben.
 

Fafnir umkreiste das Dorf und hielt Ausschau nach weiteren Angreifern, während seine Geschwister die Leichen beschnüffelten. Die beiden Feuerdämonen hatten gerade den Dorfplatz erreicht als Makara und Ladon angeflogen kamen, sichtlich aufgeregt. Iblis erkannte, dass er ihnen folgen sollte. Sie wurden zu einer Hausruine geführt. Er wechselte einen Blick mit Halphas. „Überlebende?”
 

Der Feuerkönig zuckte mit den Schultern. „Unwahrscheinlich, aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Sagen zumindest die Sterblichen.”
 

Langsam betrat er das Gebäude. Die Einrichtung war komplett zerstört, das Stockwerk darüber war dem Feuer zum Opfer gefallen. Ladon stand vor einem halbverkohlten Schrank und versuchte sie beiseite zu schieben.
 

„Halphas, hilf mir mal.”, bat Iblis. Zu ihrer Überraschung befand sich hinter dem Schrank eine kleine Tür. ‚Ein Lagerraum?‘
 

Erneut wechselten sie Blicke, dann öffneten sie die Tür. Bevor sie reagieren konnten, schoss etwas daraus hervor. Es war ein kleines Mädchen. Sie rannte zur Tür, doch kam nicht weit. Ladon warf sie um, woraufhin sie einen spitzen Schrei ausstieß. Der Drache sah sie mit schiefgelegtem Kopf neugierig an.
 

„Ladon, runter von ihr!”, befahl der Feuerkönig. Glücklicherweise kam dieser der Aufforderung sofort nach. Das Mädchen, noch immer am Boden kauernd, wich langsam zurück. Sie sah aus als wäre sie im Grundschulalter, vielleicht sieben nach der Zählweise der Sterblichen. Ihre langen braunen Haare waren dreckig und verfilzt. Sie hatte einige Kratzer, ihr rotes Kleid war an vielen Stellen zerrissen und verdreckt. Einiges war offensichtlich Blut. Ihre goldenen Augen waren weit aufgerissen und voller Panik.
 

„B-bitte t-tötet mich nicht...bitte! I-ich habe nie etwas böses gemacht...”, wimmerte sie. „Ich möchte nur zu Mama und Papa!”
 

Iblis hob beruhigend die Hände. „Schon gut, Kleine. Wir wollen dir nicht weh tun. Wir sind hier, weil der Kontakt zu diesem Dorf abgebrochen ist. Geht es dir gut?”
 

Das Mädchen sah ihn misstrauisch an, dann Halphas und wieder ihn. „Woher weiß ich, dass ihr nicht schwindelt?”
 

„Würden wir dir schaden wollen, hätten wir es längst tun können.”, warf Halphas ein. Sie zögerte, doch nickte dann langsam. Noch immer blieb sie still. Erneut wechselten die beiden Feuerdämonen Blicke. Iblis ging in die Hocke und hielt ihr langsam die Hand hin. „Ich heiße Iblis, das da drüben ist Halphas. Und du bist?”
 

Die Dämonin biss sich auf die Lippe. „Adara.”, flüsterte sie. „Bist du Lord Satans Sohn?”
 

Der Feuerdämon sah sie überrascht an. „Ja, das bin ich.” Er lächelte ihr möglichst freundlich zu. „Du bist clever für dein Alter.”
 

„Mama hat gesagt, dass du Drachen hast.”, erklärte sie mit einem Hauch von Ehrfurcht in der Stimme, dann hielt sie inne. „Darf ich überhaupt "du" sagen?”
 

„Klar. Du magst also Drachen?” Er war nicht besonders gut darin, andere zu beruhigen. Das war meist Egyns Aufgabe, aber wenn ihr normal mit ihr redete, würde sie ihm hoffentlich schnell vertrauen.
 

Die Kleine nickte eifrig. „Ich möchte Drachentrainerin werden, wenn ich groß bin.” Sie wurde wieder ernst. „Wisst ihr, wo meine Mama und mein Papa sind?”
 

Iblis schüttelte den Kopf und hielt er erneut die Hand hin. Diesmal ergriff sie diese und ließ sich auf die Beine ziehen. „Kannst du uns erzählen, was passiert ist? Wie bist du da rein gekommen?”
 

Adara biss sich auf die Unterlippe. „Ich...ich war in meinem Zimmer und habe Hausaufgaben gemacht. Es war schon Abend. Dann habe ich Schreie von draußen gehört. Ich habe aus dem Fenster geschaut und da fremde Leute gesehen. Sie hatten Waffen und Nachtmahre. Eine Frau war glaube ich ihre Anführerin...”
 

„Kannst du die Frau beschreiben?”, hakte Haphas nach.
 

„Sie...sie hatte schwarz-rote Haare, die waren halb abrasiert, rote Augen und ganz viele Piercings. In ihrem Gesicht, auf ihren Armen und ihren Bauch waren rote Male. Vielleicht auch Tätowierungen. Oh, an ihrem Hals war eine Rune, aber ich konnte nicht erkennen, was für eine.”
 

Ira. Iblis widerstand dem Drang ein Grollen auszustoßen, es hätte ihr nur Angst gemacht. „Was ist dann passiert?”
 

„Unten ist unsere Tür aufgegangen und mein Papa ist rein gestürmt. Ich habe gehört, wie er nach meiner Mama gerufen hat. Er hat gesagt, dass "sie" hier sind und sie mich verstecken soll. Mama ist dann reingekommen und hat mich gegriffen. Wir sind dann runter, wo Papa Messer gesucht hat. Die Tür ist aufgegangen und wir wurden angegriffen. Ein Mann ist auf mich drauf gesprungen, aber Papa hat ihn weggetreten. Als sie dann tot waren, hat mich Mama in den Abstellraum geschickt und gesagt, dass ich ganz leise sein soll und meine Aura verstecken muss. Ich sollte warten bis sie wieder kommen. Wenn sie aber nicht bis zum nächsten Morgen kommen, sollte ich durch die Bodenluke raus.”
 

„Bodenluke?”
 

„Ja, die führt in einen Tunnel zum Keller meiner Großeltern. Gleich nebenan.”
 

„Verstehe und weiter?”
 

Sie begann zu zittern. „Draußen war es laut...überall waren Schreie und Lachen. I-ich hatte Angst. Es kamen Leute in das Haus gestürmt. Ich glaube, sie haben etwas gesucht. Irgendwann war es ruhig, aber ich habe mich nicht raus getraut. Ich habe gewartet und keiner kam.” Nervös sah sie den älteren Dämonen an. „Mama, Papa und alle anderen sind tot, oder?”
 

Iblis wusste, dass es keinen Sinn machte, zu lügen. Allerspätestens wenn sie nach draußen gingen, würde es auffliegen. „Ich fürchte ja. Es tut mir leid.”
 

Adara sank zusammen und begann zu schluchzen. Makara näherte sich langsam und schnupperte an ihr, dann stupste sie die Dämonin an. Sie sah das Drachenweibchen überrascht an. „Du kannst sie ruhig anfassen.” Sie begann sie vorsichtig zwischen den Hörnern zu kraulen und lächelte schwach. Als sie endlich beruhigt hatte, zog Iblis sie erneut auf die Füße. „Was passiert jetzt mit mir?”
 

„Hast du noch irgendwelche Verwandten, die sich um dich kümmern können?”
 

„Meine Tante wohnt in Hâlogir.”
 

„Gut, dann schicken wir ihr eine Nachricht und erzählen was passiert ist. Bevor du zu ihr kannst, muss ich dich aber noch nach Pandemonium mitnehmen. Mein Vater hat sicher auch noch ein paar Fragen an dich.”
 

Sie nickte etwas ängstlich.
 

„Ich frag mal rum, damit sie was zu essen bekommt.”, bot Halphas an. Iblis nickte und zu dritt verließen sie die Ruine. Draußen hatte man inzwischen damit begonnen die Leichen auf Haufen zu stapeln. Nach einigem Suchen fanden sie eine Heilerin, welche sich um Adara kümmerte.
 

Iblis war derweil in Gedanken versunken. Dies war das erste Dorf zu dem der Kontakt abgebrochen war, die anderen waren also höchstwahrscheinlich in einem ähnlichen Zustand. Es war ein kleines Wunder, dass sie tatsächlich eine Überlebende gefunden hatten. Scheinbar wurden Liliths Leute schlampig. ‚Ok, das klang grad falsch.‘
 

Er hob den Kopf als sich einer seiner Leute nährte. Dieser war noch recht jung, zweifellos war er erst aus der Akademie gekommen. Er wirkte äußert nervös als er sich verbeugte.
 

„Lord Iblis, wir haben leider keine weiteren Überlebenden gefunden.”, berichtete er. „Allerdings waren alle Tiere und Vorräte verschwunden. Offensichtlich hatten sie es darauf abgesehen. Wir haben außerdem Benachrichtigungen von den Gruppen aus den anderen Dörfern bekommen. Genau das gleiche, nur dass es dort keiner überlebt hat.”
 

„Tja...Scheiße.”
 

„Das trifft es wohl gut.”, kam die zögerliche Antwort.
 

Iblis seufzte und wandte sich an den jüngeren Feuerdämonen. Dieser starrte die Leichenhaufen an. „Erstes Mal?”, fragte er.
 

Er nickte. „Ich hatte mich auf Schlimmes eingestellt, aber das...das ist erst der Anfang oder?”
 

„Leider. Lilith ist egal über wie viele Leichen sie gehen muss. Sie hat sich ihren Beinamen "Die irre Königin" nicht umsonst verdient.”
 

Der Soldat nickte stumm. „Was passiert jetzt?”
 

„Wir schaffen die Kleine zuerst an nach Pandemonium, mein Vater wird Fragen haben. Ansonsten bergen wir die Toten und begraben sie. Vielleicht können wir sie sogar identifizieren. Ansonsten will ich wissen wie Liliths Leute die Grenze unbemerkt überwunden haben und ob sie bereits zurückgekehrt sind oder sich noch immer hier rumtreiben.”
 

Nachdem er den Soldaten entlassen hatte, machte er sich auf den Weg zu Halphas. „Und wie sieht's mit Adara aus?”
 

„Isst grade. Eins der Mädels hat ein Haus mit einem mehr oder weniger intakten Badezimmer gefunden, wo sie sich halbwegs waschen konnte und ein paar Klamotten haben sie auch gefunden. Sind etwas zu groß, aber was anders ist hier nicht.”
 

„Im Palast kann sie sich richtig waschen und passende Sachen bekommen. Jetzt müssen wir sie erst mal wegbekommen. Möglichst ohne ihr noch mehr Leichen zu zeigen.”
 

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Rin hatte mit einigem gerechnet als Iblis zu Satans Palast zurückgekehrte, aber nicht mit einem kleinen Mädchen. Sie schien nicht älter als sieben zu sein und versteckte sich halb hinter den Beinen des Feuerkönigs. Hin und wieder warf sie ihm, seinen Geschwistern und seinem Vater verstohlene Blicke zu. Er fragte sich, ob er auch so verloren aussah, als er damals das Esszimmer betreten hatte. Der Baal erzählte, dass sie keine weiteren Überlebenden gefunden hatte, die Vorräte gestohlen wurden und scheinbar Ira den Angriff angeführt hatte. Dann schob er vorsichtig das Mädchen nach vorne, welche mit weit aufgerissenen Augen die Königsfamilie anstarrte, offensichtlich sehr überfordert.
 

Satan lächelte ihr aufmunternd zu. „Adara, nicht wahr?”
 

„J-ja, eure Hoheit...ähm...ist das richtig so?”
 

„Mach dir deswegen keine Sorgen. Du kannst ruhig näher kommen, wir werden dir nicht wehtun.”
 

Sie bleib starr wie eine Salzsäule. Iblis seufzte leise, dann schob er sie etwas weiter vor. Daraufhin schüttelte der Dämonengott kaum merklich den Kopf, um ihm zu zeigen, dass er sie stehen lassen sollte, wenn sie nicht selbst näher kommen wollte.
 

„Ich weiß, dass es nicht einfach ist.”, fuhr er fort. „Wir müssen allerdings wissen, was passiert ist. Kannst du uns von dem Angriff erzählen?”
 

Adara spielte nervös mit dem Saum ihres Kleides, dann begann sie langsam und etwas stockend zu erzählen. Nach einer Weile wurde ihre Stimme etwas fester. Als sie jedoch erzählte, dass weder ihre Eltern noch ihre Großeltern wiederkamen, begann sie leise zu schniefen. Dennoch schaffte sie es die ganze Geschichte zu erzählen.
 

Stille herrschte als sie ihre Erzählung beendete.
 

„Es gab noch nie Überlebende und jetzt überlebt ausgerechnet ein kleines Mädchen? Da steckt doch sicher mehr dahinter.”, überlegte Samael und betrachtete das Mädchen prüfend.
 

„Du denkst, dass sie lügt und für Lilith arbeitet.”, stellte Satan fest.
 

„Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Kinder für ihre Zwecke missbraucht. Eventuell haben sie ihr Leben dafür verschont.”
 

„Das ist nicht wahr!”, protestierte die Kleine empört. „Sie haben Mama und Papa umgebracht! Und meine Großeltern! Und alle meine Freunde und Klassenkameraden und Lehrer! Ich hasse sie! Warum bist du so gemein?!”
 

„Ich bin nur realistisch.”
 

„Was soll die Kleine denn bitte anstellen? Uns mit Bauklötzen bewerfen?”, hinterfragte Astaroth.
 

„Manche Straßenkinder in ihrem Alter sind alles andere als harmlos...”
 

„Azazel!”, empörte sich Egyn.
 

Dieser zuckte mit den Schultern. „Was denn? Ich sage ja nicht, dass Samael recht hat, nur dass man Kinder nicht unterschätzen sollte.”
 

„Genug jetzt.”, fuhr Satan dazwischen. „Ich spüre kein Lügen und haltlose Anschuldigungen bringen uns nicht weiter.” Erneut wandte er sich an Adara und stellte ihr weitere Fragen, dann entließ er sie. Sie durfte zu ihrer Tante und dort leben, sollte sich jedoch bereit halten falls ihnen neue Fragen einfielen. Kaum war sie draußen kam eine Botin hereingestürmt, die von Unruhen in Hâlogir berichtete. Unbekannte hatten verschiedene Gruppen angestachelt und es kam zu mehreren gewaltsamen Übergriffen.
 

„Das war sowas von Invidia.”, murmelte Azazel als sie wieder alleine waren.
 

„Japp.”, bestätigte Astaroth.
 

„Warum greifen die mich bitte zuerst an?!”, knurrte Iblis.
 

„Vielleicht bist du am nächsten dran?”, schlug Amaimon schulterzuckend vor.
 

„Dann wäre Liliths Palast irgendwo im Süden.”, ergänzte Beelzebub.
 

Astaroth verdrehte die Augen. „Na, das engt es ja ein.”
 

„Wenn sie schon in der Hauptstadt sind, dann werden unsere Gebiete auch bald fällig sein.”, murmelte Egyn. Rin hörte stumm zu. Er kannte sich nicht mit Kriegen und Aufständen aus, doch selbst er erkannte, dass sie in einer Zwickmühle steckten.
 

Satan schien ebenfalls in Gedanken versunken, dann seufzte er. „Es scheint als würde kein Weg dran vorbei führen.”, knurrte er grimmig.
 

„An was?”, hakte Egyn nach.
 

Samael verdrehte die Augen. „Sich mit den Exorzisten in Verbindung zu setzen natürlich.” Rin und die übrigen Baal, mit Ausnahme von Lucifer und Azazel, sahen den Dämonenherrscher überrascht an.
 

Astaroth fand seine Stimme als erstes wieder. „Hilfe? Von den Exorzisten?!”
 

„Das ist eine schlechte Idee.”, stimmte Amaimon zu.
 

„Das wäre die ultimative Erniedrigung!”, fauchte Iblis.
 

„Glaubst du wirklich, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um auf Stolz zu beharren?!”, hielt Egyn dagegen.
 

„Ach, komm. Nicht mal du kannst das für eine gute Idee halten!”
 

„Es reicht!”, fuhr Satan scharf dazwischen. „Mir gefällt es genauso wenig, aber wir nähern uns einem kritischen Punkt. Mit jedem Tag wächst Liliths Gefolgschaft und immer mehr finden Schlupflöcher nach Assiah. Es wird nicht mehr lange dauern und der Großteil der Sterblichen wird Dämonen sehen können.”
 

„Aber ist das nicht gut?”, fragte Rin vorsichtig. „Dann wüssten sie immerhin, was das Problem ist.”
 

Samael seufzte theatralisch. „Rin, erst denken, dann fragen. Anfangs werden es die Menschen als Massenhalluzination abtun, aber nicht für lange. Irgendwann bricht Panik aus und Antworten werden verlangt.”
 

„Und die finden sie bei der Heiligkreuz Ritterschaft. Alle werden glauben, dass die Angriffe von uns ausgehen. Dass auch noch eine dritte Partei mitmischt, ist ihnen vollkommen unbekannt.”, ergänzte Lucifer. „Damit spielen sie Lilith natürlich in die Hände. Je mehr Chaos herrscht, umso mehr gerät das Gleichgewicht zwischen den Welten ins Wanken. Irgendwann bricht dann die Grenze zwischen Assiah und Gehenna endgültig zusammen.”
 

„Und Devachan.”, murmelte Azazel. „Dann kann nicht mal ich sie im Zaun halten. Ganz Assiah wird voll mit ruhelosen Seelen und Entitäten sein. Ich sag's nicht gerne, aber wenn wir das hier überstehen wollen, müssen wir uns an die Exorzisten wenden und denen klar machen, dass nicht wir das Problem sind. Danach können wir uns ja wieder die Köpfe einhauen.”
 

Er erhielt ein abfälliges Schnauben von seinem älteren Bruder. „Glaubt ihr wirklich, dass sie uns zuhören werden?”
 

„Du hast einige Exorzisten doch von unserer Sache überzeugen können. Ich habe noch die Illuminati.”, warf Lucifer ein.
 

„Wohl wahr, aber viel zu wenig, um den ganzen Orden zu überzeugen. Und sie werden nicht mit den Illuminati zusammenarbeiten wollen.”
 

„Wir wenden uns an die Hexenzirkel. Die in Tokio, Sapporo und Miyazaki sind inzwischen ziemlich mächtig und einflussreich geworden.”, schlug Egyn vor.
 

„Ich bin schon dabei.”
 

„Und wenn wir uns direkt an die Grigori wenden? Die Exorzisten müssen auf sie hören, richtig?”, warf Beelzebub ein. Iblis schoss die Idee sofort ab. „Dazu müssten wir erst mal in den Vatikan kommen und da sind so viele Siegel drum herum, sie werden uns den Krieg schon erklärt haben bevor wir auch nur die Eingangshalle erreichen. Wir könnten allerdings die Gehennapforte nehmen...”
 

Satan schüttelte den Kopf. „Das würden sie erst recht als Angriff sehen. Samael, gibt es niemanden an den du dich wenden könntest und der auch zuhört?”
 

Der Zeitkönig zögerte. „Eventuell wäre Shura bereit zuzuhören...wenn sie nicht vorher versucht mich zu enthaupten.”
 

Rin wurde hellhörig, erst recht bei dem, was Azazel vorschlug.
 

„Nimm doch Rin mit.”
 

Satan und seine Geschwister starrten ihn an, woraufhin er mit den Schultern zuckte. „Auf ihn hört sie eher als auf einen von uns. Und wenn sie sieht, dass ihm gut geht, wird sie uns vielleicht glauben.”
 

Astaroth schnaubte. „Du scheinst mal wieder das wichtige verpennt zu haben. Die Exorzisten wollen ihn umbringen.”
 

„Das wollen sie schon seit dem Tag seiner Geburt. Wir sind auch ständig in Assiah unterwegs ohne dass sie es merken.”
 

„Sie wissen aber auch nicht wie wir aussehen. Von Lucifer, Samael und Amaimon mal abgesehen.”, erinnerte Beelzebub ihn.
 

„Sie sind viel zu beschäftigt mit Liliths Anhängern.”
 

„Es ist zu gefährlich.”
 

„Ich möchte aber helfen!”, mischte sich Rin ein. Alle Augen richteten sich auf ihn. „Ich habe es satt, immer nur unnütz herumzusitzen und mich beschützen zu lassen. Wenn ich helfen kann, dann tu ich es.”
 

„Es ist zu riskant.”, seufzte Lucifer, doch der Nephilim ließ nicht locker. „Ihr seid doch dabei, was soll da passieren?”
 

Astaroth schnaubte. „Berühmte letzte Worte.” Rin ignorierte ihn.
 

„Shura wird mir glauben.”
 

„Die Idee ist gar nicht dumm.”, kam überraschenderweise Samael zur Hilfe.
 

Egyn funkelte ihn wütend an. „Du hast nur wieder irgendwelche bescheuerten Pläne! Hör auf ihn da ständig mit rein zu ziehen!”
 

Bevor der zweitälteste Baal antworten konnte, mischte sich Satan ein. „Es ist gefährlich, aber vielleicht wäre es wirklich besser.” Dieses Mal erhielt er entsetzte Blicke.
 

„Aber wir haben ihn grad erst wiederbekommen-”, setzte Egyn an.
 

„Wir geben ihn doch nicht weg, Egyn. Es ist nur ein kurzer Trip nach Assiah.”, grummelte Azazel augenverdrehend.
 

„Aber-”
 

„Azazel hat recht. Rin könnte wirklich helfen.” ,unterbrach der Dämonengott ihn. Er wirkte nicht glücklich über diese Erkenntnis, doch wandte sich an Rin. „Wenn du wirklich bereit bist-”
 

„Das bin ich.”, versicherte der Nephilim schnell woraufhin Satan seufzte. „Wenn du wirklich bereit dazu bist, dann in Ordnung. Eventuell wird es nichts bringen, aber es ist einen Versuch wert. Allerdings nicht mehr in diesem Jahr. Du bist noch immer zu unvorbereitet.”
 

Rin wollte protestieren, doch überlegte es sich anders. Inzwischen hatte er erkannt, dass es nichts brachte mit seinem Vater zu diskutieren. Außerdem hatte er irgendwo recht. Im Moment würde er seinen Geschwistern eher zur Last fallen und genau das wollte er verhindern.
 

Lucifer versuchte Satan ein letztes Mal umzustimmen, doch dieser ließ  ihn gar nicht richtig zu Wort kommen. „Ich habe entschieden, Ende der Diskussion.”
 

„Das werden wir so bereuen...”, murmelte Egyn.
 

Der Nephilim spürte die besorgten Blicke seiner älteren Brüder, doch er ignorierte sie. Endlich konnte er sich nützlich machen und obendrein vielleicht sogar seinen Freunde treffen. Selbst wenn nicht, so würde er immerhin Shura wiedersehen und konnte sie wissen lassen, dass es ihm gut ging. Er würde Gehenna beweisen, dass er es verdiente Satans Sohn zu sein und sich obendrein gegen Lilith wehren. Niemals wieder würde er seine Familie verlieren.

Rückkehr nach Assiah

Das Winterwetter kam schnell und erbarmungslos. Satan und die Dämonenkönige hatten nicht übertrieben. Es waren minus 20 Grad in Pandemonium. Solange man im Palast bleib, ging es noch, aber die Wachen und Arbeiter draußen beneidete Rin absolut nicht. Iblis schien es ebenfalls sehr mitzunehmen. Er weigerte sich vehement bei diesem Wetter vor die Tür zu gehen. Hin und wieder verlangten es seiner Pflichten allerdings. Später kam er dann stets äußert schlecht gelaunt zurück, es sei denn, er war in seinem eigenen Gebiet unterwegs gewesen. Dort waren immer noch plus 20 Grad. Rin lebte wirklich im falschen Reich. Andererseits war es in anderen Gebieten wesentlich schlimmer. Egyns Gebiet lag im Norden, dort waren die Winter am härtesten. Laut den Beschreibungen seiner Geschwister befand sich ganz im Norden sogar ganzjährig eine Eiswüste.
 

Während der Wintermonate übte der Nephilim weiterhin fleißig den waffenlosen Nahkampf, Gehennisch, den Umgang mit seinen Flammen und seinem Schwert. Die letzten beiden Sachen übernahm inzwischen stets Satan und dieser konnte ein ziemlich strenger Lehrer sein. Am Abend war der Nephilim meist so erledigt, dass er einfach in sein Bett fiel und einschlief. Er fühlte sich zunehmend wohler mit seinen dämonischen Kräften und Fähigkeiten. Inzwischen zündete er sich sogar bei starken Gefühlsregungen nicht mehr spontan an. Leider lief nicht alles gut. Avaritia und Gula entkamen der Versieglung und mehrere Aufstände brachen aus. Die meisten konnten recht schnell zerschlagen werden, doch es gab einige Verletzte.
 

Zusätzlich näherte sich ein Tag, dem er eher mit gemischten Gefühlen gegenüberstand. Der 24. Dezember. Sein Geburtstag. Natürlich freute er sich wie die meisten Jugendlichen darauf, jedoch würde es sein erster Geburtstag ohne Yukio, Shiro und die Mönche in dem Stift sein. Andererseits war es auch das erste Mal, dass er ihn mit seinem biologischen Vater und seinen restlichen Geschwistern verbringen konnte. Gut, es war für Dämonen vielleicht etwas seltsam an Heiligabend zu feiern, andererseits gab es laut Satan weder Gott noch Engel also hatte dieser Feiertag der Sterblichen sicher keine wirkliche Bedeutung für Dämonen. Da sie momentan in einer Krise steckten, erwartete er keine Feier oder viele Geschenke. Es gab wirklich wichtigeres. Umso größer war die Überraschung als es soweit war. Wie schon bei Iblis, Astaroth, Samael, Egyn und Lucifer gab es zwar keine große Feier, aber dafür einen Haufen Geschenke. Im ersten Moment war er verwirrt als er aufwachte und all seine Geschwister vorfand. Sie gratulierten ihm, einige umarmten ihn sogar.
 

Im Esszimmer ging die Überraschung weiter. Vaya, Kyrene und Agares hatten zusammen mit etwas Unterstützung von Tap eine Torte gebacken, welche sogar ziemlich gut aussah und schmeckte. Auch die restlichen Stellvertreter der Baal hatten etwas besorgt, waren jedoch nicht anwesend. An Paymon war eindeutig ein Lehrer verloren gegangen, er schenkte ihm ein Buch mit der Geschichte Gehennas. Rin freute sich jedoch darüber, denn eigentlich war es ja nicht ganz uninteressant und er wusste schon aus Erfahrung, dass der Lichtdämon einen guten Büchergeschmack hatte. Zudem hatte er ihn schon öfter mit Fragen zu Gehenna gelöchert. Von Ankou, Shax und Halphas bekam er ebenfalls Bücher, jedoch über Nahkampf, sowohl mit als auch ohne Waffe. Amon und Agash hatten erneut Agashs Kekse verschenkt, welche bei Satans Familie heiß begehrt waren. Er freute sich sehr, immerhin hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihm etwas schenkten.
 

Nachdem diese Geschenke abgehakt waren, kam er zu denen seiner Geschwister. Lucifer schenkte ihm ein "Ôcrio virdriirewa", was so viel wie "Allsehendes Auge" bedeutete. Es war eine Glaskugel, welche golden schimmerte. Wenn sich jedoch Personen in der Nähe befanden, die Rin schaden wollten, begann es rot zu leuchten. Damit würde sich hoffentlich nie wieder so etwas wie mit Aulak oder Jahi wiederholen. Beelzebub schenkte ihm einen Anhänger, welcher Insekten jeglicher Art von ihm fernhielt. Inklusive Riesenspinnen. Von Egyn bekam er Hyadentränen. Diese besaßen eine starke Heilwirkung und verschlossen Wunden, welche sich warum auch immer nicht selbst regenerieren konnten. Außerdem neutralisierten sie viele Gifte. Es ersetzte nicht den Besuch bei Heilern, aber konnte einem aus der Patsche helfen. Von Amaimon erhielt er das Standardgeschenk Süßigkeiten. Astaroth schenkte ihm eine Spielkonsole mit einigen Spielen, etwas was ihn ziemlich sprachlos machte. Laut dem Fäulniskönig wollte er nur, dass Rin nicht ständig bei ihnen spielte, aber der Nephilim wusste, dass er es nicht so meinte. Als er Iblis Geschenk auspackte, war er überrascht. Es war ein Dolch. „Das war mein erster Dolch, ich habe ihn damals selbst gemacht und er hat mir beim Training gute Dienste geleistet. Die Klinge ist dafür ausgelegt zu brennen.”, erklärte der Feuerkönig ruhig. „Sie hält sogar deinen Flammen stand, ich habe Vater gebeten es zu testen. Mit etwas Glück musst du es nie benutzen, aber man weiß ja nie.” Rin nickte. Jetzt fehlten nur noch Satan, Samael und Azazel.
 

Der Geisterkönig reichte ihm einen verpackten, ovalen Gegenstand. „Das ist von Vater, Samael und mir.”
 

Der Nephilim packte es aus und hielt einen Spiegeln mit schwarzem Rand in der Hand. Obwohl nichts an ihm außergewöhnlich schien, wusste er irgendwie, das mehr dahinter steckte. Dann fiel ihm auf, dass die Oberfläche nichts spiegelte.
 

„Das ist ein Seelenspiegel.”, erklärte Azazel. „Wir haben ihn zu dritt erschaffen.”
 

„Was tut er?”
 

„Du kannst damit mit den Toten sprechen.”, erklärte Samael. „In diesem Fall mit Shiro.”
 

Rin starrte den Zeitkönig an. Sicherlich war das einer seiner schlechten Witze. Satan räusperte sich. „Es funktioniert nur ein Mal und auch nur zu bestimmten Zeiten. Wir wollten erst einen machen mit dem du Yuri kontaktieren kannst, aber solche Spiegel sind extrem schwer zu erschaffen, sogar für uns. Je länger eine Person schon tot ist, umso komplizierter ist die Erschaffung und umso länger dauert es.”
 

Noch immer starrte der Nephilim sie an, nicht sicher, ob er das alles richtig verstand. „Aber warum...wie?”
 

Azazel rieb sich etwas nervös den Nacken. „Na ja, du hattest in der Bar gesagt, dass du wegen seines Todes Schuldgefühle hast und es bereust dich nie entschuldigt zu haben und so weiter. Eigentlich darf man mit Toten nicht mehr reden, wenn sie einmal drüben sind, aber da der ganze Schlamassel auch unsere Schuld ist, habe ich die Regeln etwas zurechtgebogen. Du kannst noch einmal mit ihm reden, das hinter dir lassen und...ja....” Weiter kam er nicht, denn Rin hatte ihn, Satan und Samael ohne Vorwarnung in eine Umarmung gezogen. „Danke.”, flüsterte er. Die drei Dämonen sahen überrascht aus, doch fingen sich schnell wieder.
 

„Aw.”, murmelte Egyn und trat nach vorne um Rin ebenfalls zu umarmen.
 

„Wenn das jetzt zu einer Gruppenumarmung wird, bin ich raus. Ich habe 'nen Ruf zu waren.” grummelte Astaroth und Iblis nickte.
 

„Kommt, seid nicht so.”, grinste Beelzebub.
 

„Wir lassen erst locker, wenn ihr mitmacht!”, verkündete Egyn.
 

„Neeeeiiin!”, protestierte Iblis, doch bevor er sich versah, waren Rin, die Dämonenkönige und Satan in einer Gruppenumarmung. Einige widerwilliger als andere. Lucifer und Beel hatten Iblis und Astaroth geschubst, Egyn hatte sie dazu gezogen. Satan ergab sich stumm seinem Schicksal.
 

„Ok, das reicht jetzt. Genug Zuneigung für heute.”, presste Iblis hervor und sie traten alle zurück. „Mann, das haben wir ewig nicht gemacht...konnte das nicht so bleiben?”
 

„Danke. Ernsthaft.”, sagte Rin etwas peinlich berührt von der Umarmung. Gut, er hatte Satan schon umarmt und Azazel war auch ganz ok, aber Samael?! Na, egal.
 

So oder so hätte er sich wohl keinen besseren Geburtstag wünschen können.
 

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Der Rest des Jahres verlief relativ ereignislos. Von ständigen Unruhen abgesehen. Die Überfälle hatten glücklicherweise kurz vor Winterbeginn aufgehört. Die Neujahrsfeier fiel aus verständlichen Gründen aus. Rin hatte seine Flammen inzwischen sehr gut im Griff und konnte auch sein Schwert gut dazu einsetzen. Satan hatte ihm sogar beigebracht eine Gehennapforte zu öffnen. Allerdings hatte der Nephilim noch keine wirkliche Kontrolle darüber wo er raus kam, also war es nur für Notfälle. Sein Dämonenherz war nach wie vor versiegelt. Laut Satan wäre es momentan noch zu gefährlich es zu entfesseln, da der Nephilim noch nicht bereit war. Wahrscheinlich musste er bis zu seinem unsterblichen Alter warten.
 

Dafür durfte er endlich nach Assiah. Der Halbdämon verspürte eine seltsame Mischung aus Vorfreude, Nervosität, Aufgeregtheit und Angst. Er wusste nicht wie Shura auf ihn reagieren würde oder wie sich seine Freunde und Yukio verhalten würden, falls sie aufeinander trafen. Nach einigem hin und her wurde entschieden, dass alle Dämonenkönige mit nach Assiah kommen sollten. Lilith würde höchst wahrscheinlich erst in den nächsten Monaten angreifen und nicht direkt nach dem Ende des Winters. Dieser war für gehennische Verhältnisse relativ kurz ausgefallen. Obwohl erst Januar war, stiegen die Temperaturen langsam wieder an. Rin beschwerte sich nicht. Er stand zusammen mit seinen Geschwistern, seinem Vater und den Stellvertretern im Thronsaal. Keiner außer ihnen wusste, dass sie Gehenna verließen. Lilith dürfte demzufolge hoffentlich keinen Ärger machen.
 

„Ich halte das immer noch für eine dumme Idee.”, murmelte Amon. Halphas, Ankou und Alastor nickten zustimmend. Auch Shax und Paymon schauten nicht sonderlich glücklich drein.
 

Satan verdrehte die Augen. „Wenn einer von euch eine bessere Idee hat, nur raus damit.”
 

„Wir erinnern uns nur an die letzten Male, an denen wir versucht haben uns bei Gläubigen einzumischen.”, wies Shax ihn hin. „Ich sage nur die Kreuzzüge, die Pest, die Pariser Bluthochzeit...”
 

„Die Pest ist allerdings auf Astaroths Mist gewachsen. Und die spanische Grippe.”, seufzte Ankou.
 

„Hey, die haben angefangen!”
 

„Das würdige ich gar nicht erst mit einer Antwort.”
 

Der Dämonengott schüttelte nur den Kopf und wandte sich an seine Kinder. „Ihr kennt eure Aufgabe, also halte ich es kurz. Versucht euch mit so vielen Hexenzirkeln und Exorzisten wie möglich in Verbindung zu setzen. Tötet keine Exorzisten, außer es lässt sich nicht vermeiden. Wenn sie euch also bei etwas erwischen, zündet ihr sie nicht sofort an. Ja, ich schaue dich an, Iblis.”
 

Der Feuerkönig grummelte etwas vor sich hin. Satan wandte sich an Rin. „Und du hörst auf deine Brüder. Tu nichts unüberlegtes, halte dich aus eventuellen Kämpfen raus und spiele nicht den Helden!”
 

Der Nephilim nickte nur. Wenn der Dämonengott einmal im "Besorgter-Vater-Modus" war, sollte man besser auf ihn hören.
 

„Solange wir da sind, wird ihm nichts passieren.”, versicherte Lucifer.
 

„Gut.”
 

Rin fiel aus dem Augenwinkel auf, dass Azazel nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Auch der Rest schien es zu bemerken
 

„Azazel, ist alles in Ordnung?”, erkundigte sich Halphas. Der Geisterkönig blinzelte, offensichtlich aus seinen Gedanken gerissen. „Ja...”
 

„Komm schon, Aza. Das war auch deine Idee.”, erinnerte Beelzebub ihn.
 

„Ich habe nur ein schlechtes Gefühl...vielleicht sollten wir das verschieben...”
 

„Zur Abwechslung stimme ich zu.”, knurrte Alastor, doch Satan ließ sich nicht umstimmen.
 

„Es gab genug Verzögerungen.”, verkündete er, zog ein Messer hervor und schnitt sich ohne zu Zögern seinen Unterarm auf. Das Blut tropfe auf den Boden und sammelte sich, um eine Gehennapforte zu bilden. Zwar setzte sofort die Selbstheilung ein, aber es jagte Rin immer noch einen Schauer über den Rücken. Er hatte beim üben nur kleine Blutmengen verwendet und selbst das stellte eine Überwindung dar. Der Gedanke sich größere Verletzungen zuzufügen, erschien nicht gerade aufbauend.
 

„Seid vorsichtig und zettelt keinen dritten Weltkrieg an, ja? Wir kämen gar nicht mehr aus der Arbeit raus.”, kommentierte Ankou.
 

„Schön, dass du dir solche Sorgen um uns machst.” erwiderte Astaroth und verdrehte die Augen. Damit traten sie die Reise nach Assiah an.
 

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„Um Satans Willen, Gula! Jetzt lasse doch die Flasche stehen!”, fuhr Superbia die zweitjüngste Aveira irritiert an. Gula, welche gerade die nächste Flasche Wein angesetzt hatte, schaute sie entgeistert an, ihre zartrosafarbenen Augen waren geweitet. Ihre Haare hatten die gleiche Farbe und gingen ihr bis zu den Schultern. „Ich war ewig eingeschlossen, ohne auch nur eine einzige Flasche Alkohol, also gönne mir das doch!”, antwortete sie etwas quengelig. Ihre Schwester wusste ganz genau, dass Alkohol für sie quasi überlebenswichtig war!
 

„Lass sie doch mal und nimm den Stock aus dem Arsch. Du bist ja schlimmer als 'ne orthodoxe Nonne im Mittelalter.”, mischte sich eine weitere Frau ein. Sie hatte lange silberne Haare mit mehreren geflochtenen Strähnen und goldene Augen.
 

„Mit dir habe ich nicht geredet, Avaritia.”
 

„Tja, Pech. Wir sind nicht hier, um uns dein Gezeter anzuhören. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, dass du damals zuerst ausgeschieden bist. Große Klappe und nichts dahinter.”
 

Superbia lief rot an, schnaubte und stürmte aus dem Raum. „Na, endlich.”, murmelte Invidia. „Hättet ihr damals auf mich gehört, wären wir sie los.”
 

„Keine Sorge. Irgendwann wird sie dank ihrem Gehabe von ganz alleine drauf gehen.”, meinte Ira schulterzuckend.
 

Acedia war kurz vorm Einschlafen, Luxuria verdrehte die Augen. „Ignoriert sie doch einfach. Ihr bettelt ja förmlich um Streitereien.”
 

Invidia lachte auf. „Tu nicht so als ob sie dich nicht auch nerven würde, Lux. Abgesehen davon bist du es doch, die sich über jeden Konflikt freut.”
 

„Nicht wenn es immer derselbe ist und sich die Gespräche im Kreis drehen. Das ist einfach nur langweilig.”
 

Ira begann zu grinsen. „Dann hättest du bei den Überfällen auf die Dörfer mitmachen sollen. Das war ein Spaß.”
 

„Nicht wirklich. Ich finde diese Massaker sinnlos.”
 

„Da scheinen wir uns ja mal einig zu sein.”, brummte Avaritia. „Warum sollte man seine zukünftigen Untertanen abschlachten? Das ist als würde man seinen Besitz verbrennen.” Sie wandte sich an Ira. „Allerdings bin ich noch immer überrascht, dass dir ein kleines Mädchen durch die Lappen gegangen ist. Sieht dir nicht ähnlich.”
 

„In dem Haus waren Siegel, die ihre Aura verschleiert haben.”, presste die jüngere Aveira hervor.
 

„Schon klar. Hat Ihre Majestät eigentlich mal erklärt, was als nächstes passiert? Wäre mal eine nette Abwechslung, wenn sie ihre genialen Pläne offenbart und uns nicht im Dunklen lässt.”
 

Luxuria hob eine Augenbraue. „Du solltest sowas nicht leichtsinnig sagen, Ava. Du weißt, dass Mutter da nicht besonders nachsichtig ist.”
 

„Du nennst sie immer noch Mutter? Wie drollig. So langsam solltest du verstehen, dass wir für sie nur Schachfiguren sind. Wir erledigen die Drecksarbeit und sie heimst die Lorbeeren ein.”
 

„Tja, schlussendlich ziehen wir daraus auch Vorteile.”
 

Avaritia lachte. „Wirklich Vidia? Du musst wirklich verzweifelt sein.”
 

„Wie wär's, wenn du die Klappe hälst, bevor ich dich aufschlitze und ausbluten lasse? Die Alukah freuen sich sicher.”, kam die giftige Antwort.
 

„Streitet euch doch nicht wegen sowas.”, warf Gula ein. „Je schneller wir es hinter uns haben, umso besser.”
 

Die silberhaarige Aveira schüttelte den Kopf. „Ich weiß ja nicht, wie es euch geht, aber ich habe die Schnauze voll davon den Laufburschen zu spielen. Ich will mehr erreichen als nur ewig ihr Schoßtier zu sein. Ich bin verdammt nochmal die Verkörperung der Habsucht. Warum sollte ich immer nur für das arbeiten, was jemand anderes will, anstatt eigene Ziele zu haben?”
 

„Vorher hat es dich nicht gestört...oder zumindest hast du dich nie beschwert. ”
 

„Glaube es oder nicht, aber ich habe die letzten Jahrtausenden in der Versieglung nicht grad viel zu tun gehabt. Mir ist mein ganzes bisheriges Leben durch den Kopf gegangen und ich habe festgestellt, dass es einfach nur scheiße war. Ich werde Lilith nicht mehr blind folgen.”
 

„Sprichst du davon zu desertieren? Oder willst du gar überlaufen?”, fragte Luxuria scharf.
 

„Hast du sie noch alle? Ich habe keine Todeswünsche. Ich meine nur, dass ich mich zukünftig nicht mehr mit einer Handlangerrollte zufrieden geben werde. Wenn Lilith auf dem Thron sitzt, will ich auch etwas davon. Wir sind Teile ihrer Seele, da es ist das ja wohl das Mindeste. Ansonsten bin ich dann raus. Du von uns allen müsstest mich am besten verstehen, Vidia.”
 

Ihre Schwestern wechselten besorgte Blicke, Acedia war inzwischen am schnarchen.
 

„Na ja, sie hat schon recht...”, begann Invidia. „Wir sind Teile von ihr, also steht uns auch was zu...”
 

Bevor sie weiter diskutieren konnten, hörten sie ein Klopfen an der Scheibe. Die Gestaltwandlerin stand auf und öffnete das Fenster. Hereingeflogen kam ein schwarzer Vogel mit roten Augen, einem Raben nicht unähnlich. Als er auf dem Boden landete, begann er sich zu verwandeln. Vor ihnen stand ein Mann mit grauer Haut, roten Augen, großen Hauern und schwarzen, struppigen Haaren. Sein Kleidungsstil ähnelte dem der Harpyien, Schuhe trug er keine. Tatsächlich gingen manche soweit und bezeichneten die Harpyien und Moroi als Verwandte, was eigentlich kompletter Unsinn war.
 

„Raym, was hast du für mich?”, fragte Invidia.
 

„Bitte vergebt die Störung.” krächzte er. „Mir wurde soeben mitgeteilt, dass Satans Söhne sich auf den Weg nach Assiah gemacht haben.”
 

„Wurde auch Zeit. Die Barrieren sind geschwächt nehme ich an?”
 

„Ja, es ist alles geregelt.”
 

„Gut, dann hau ab. Du machst den Teppich dreckig und stinkst auch noch.” Sie wandte sich ihre Schwestern. „Sagen wir Mutter Bescheid. Es ist Showtime.~”
 

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Im ersten Moment hatte Rin ein ziemliches Déjà-vu, nur mit mehr Schnee. Er landete mit seinen Geschwistern in einem Wald. Im ersten Moment glaubte er, wieder in Beelzebubs Gebiet gelandet zu sein. Dann fiel ihm jedoch die Sonne auf. Japp, nur eine Sonne, sie waren in Assiah.
 

„Na, immerhin sind wir nicht wieder im Vatikan gelandet.”, kommentierte Astaroth. „Wobei deren Gesichter wohl sogar noch besser wären als beim letzten Mal.”
 

„Hoffentlich ist diese Shura nicht abgezogen wurden.”, seufzte Beelzebub.
 

„Nachdem was mir erzählt wurde, ist sie nach wie vor an der Heiligkreuz-Akademie stationiert.”, berichtete Samael.
 

„Könnten wir im Quartier weiterreden? Ich friere mir hier meinen Schweif ab!”, knurrte Iblis und rieb sich die Hände. Lucifer nickte. „Beeilen wir uns. Es sollte nicht allzu weit weg sein.”
 

Nach knappen zwanzig Minuten hatten sie den Wald hinter sich gelassen und eine kleine Stadt erreicht. Fünf weitere Minuten später standen sie vor einem zweistöckigem, ziemlich abgelegenem Haus am Rand. Rin hatte zu seiner Überraschung erfahren, dass sie überall auf der Welt fast unaufspürbare Basen errichtet hatten, in denen sie bei längeren Aufenthalten in Assiah wohnen konnten. Sie hatten auch schon öfter in Mephistos Villa gelebt, doch diese war nun wirklich keine Option mehr. Er konnte die Barrieren, welche das Haus umgaben spüren, kam jedoch problemlos durch, da er ein Sohn Satans war. Lucifer schloss die Tür auf und scheuchte seine Geschwister ins Innere. Iblis machte sich sofort auf den Weg, um die Heizungen anzumachen. Rin sah sich derweil um. Es unterschied sich nicht wirklich von anderen Häusern, allerdings war es eher westlich eingerichtet. Es gab eine gut bestückte Küche (welche seine Geschwister wahrscheinlich kaum nutzten), ein Wohnzimmer mit Kamin, mehrere Bade-, Schlafzimmer- und Arbeitszimmer, ein Krankenzimmer und einen Keller, welchen man durch ein verschiebbares Bücherregal erreichen konnte.
 

Lucifer schaltete den Fernseher an und wechselte auf den Nachrichtenkanal, wo von Massenhalluzinationen und seltsamen Wettererscheinungen sowie ungewöhnlich vielen Tsunami und Erdbeben in ganz Japan berichtet wurde. „Die Dummheit der Sterblichen überrascht mich immer wieder.”, kommentiere Amaimon während er ausdruckslos auf den Bildschirm starrte.
 

„Der Kühlschrank ist fast leer! Wir haben nur Wasser, 'ne Tüte mit hartem Brot, Ketchup, den wir wahrscheinlich besser nicht mehr essen sollen und...was auch immer das hier ist. Einer von uns muss einkaufen gehen!”, rief Astaroth aus der Küche.
 

„Ich gehe.”, meldete sich Beelzebub freiwillig, woraufhin die restlichen Dämonenkönige erleichtert aufatmeten. Einkaufen gehen war für sie die Höchststrafe. Da gab es zu viele angriffslustige, ältere Herrschaften mit Rollatoren und Krücken. Einige von denen könnten es gefühlt sogar mit Alastor aufnehmen. Der Insektenkönig wandte sich an Rin. „Ich nehme mal an, dass du kochen möchtest. Soll ich was bestimmtes mitbringen?”
 

„Ja, bitte. Ich schätze, ihr kocht nie?”
 

„Wenn wir in Assiah unterwegs sind, leben wir meist von Pizzen, Tiefkühlessen, Dönern, Subway und wie sie alle heißen.”, erklärte Iblis, welcher inzwischen dabei war den Kamin anzuzünden.
 

Rin kommentierte das lieber nicht.
 

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„Endlich sind wir da. Diese Zugfahrt hat ewig gedauert.”, schimpfte Izumo. Sie war zusammen mit den anderen Adepten auf eine Trainingsmission geschickt worden. Mit der wachsenden Dämonenpräsenz in Assiah wurden neue Exorzisten dringend benötigt, also wurden sie immer wieder geschickt, um Dämonenaktivität zu untersuchen. Laut ihren Vorgesetzten würden sie hier nur auf Dämonen niederen oder mittleren Ranges treffen, aber da sie in letzte Zeit immer unberechenbarer wurden, war nicht nur Yukio sondern auch Shura als Begleitung dabei.
 

Die Exorzistin sah sich um. Die Stadt war nicht gerade groß und nur wenige Leute waren auf den Straßen. Bisher hatte sie nichts ungewöhnliches entdeckt, wenn man von ein paar vereinzelten Kohletierchen absah. Hoffentlich war das hier keine Zeitverschwendung. Ihr wäre es lieber gewesen, wenn sie einen Auftrag in den Krisengebieten bekommen hätte, denn dort wurden händeringend Leute gesucht. Aber nein, stattdessen hatte es jemand für eine gute Idee gehalten, sie zusammen mit Yukio und einigen Adepten irgendwelchen Dämonen niederen Ranges auf den Hals zu jagen. Scheinbar war sie nun offiziell zur Babysitterin degradiert worden. Sicher, es bestand immer die Gefahr, dass doch stärkere Dämonen auftauchten als erwartet, aber hier hatte es noch nie Probleme gegeben. ‚Was soll's. Bringen wir's hinter uns.‘
 

Zusammen machten sie sich auf den Weg zur nächsten Kirche, denn der dort ansässige Pfarrer war es, der von den Dämonenaktivitäten berichtet hatte. Mit etwas Glück würden sie morgen früh wieder im Zug nach Hause sitzen.
 

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Nachdem Beelzebub die eingekauften Lebensmittel zu seinen Geschwistern gebracht hatte, beschloss er sich die Beine zu vertreten und in der Stadt umzuschauen. Es war einige Zeit vergangen seitdem er oder seine Brüder hier gewesen waren und er wollte außerdem sicherstellen, dass sich keine Dämonen in der Nähe befanden, die Exorzisten auf den Plan riefen. Nun befand er sich auf dem Rückweg. Ein Blick auf eine Turmuhr verriet ihm, dass es bereits 13:00 Uhr war.
 

Er kam nun zu einer Straße mit einer Kirche. Dort blieb er wie angewurzelt stehen, bevor er sich langsam zurückzog und vorsichtig hinter einer Hausecke hervor lugte. Vor der Kirche stand eine junge Frau, welche telefonierte. Erkannte sie sofort, immerhin hatte er sie selbst einmal gesehen und Samaels Beschreibung passte genau. ‚Was treibt Kirigakure hier? Weiß die Ritterschaft, dass wir hier sind?‘ Langsam schlich er näher und versuchte etwas von ihrem Gespräch aufzuschnappen. Erleichtert stellte er fest, dass sie wegen anderen Dämonensichtungen hier war. Wenn er es richtig heraushörte, hatte sie weitere Exorzisten mitgebracht. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken sie anzusprechen, da sie momentan alleine war, doch entschied sich dagegen. Er konnte sich ihr nicht einfach auf offener Straße nähren. Sie würde wahrscheinlich angreifen, wenn sie erkannte, was er war, das würde die Exorzisten, die sich eventuell in der Kirche aufhielten, alarmieren und sie dann um Hilfe zu bitten, konnten sie sich sparen. Vorerst zog er sich zurück.
 

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Rin war zusammen mit Egyn (welcher offensichtlich keine wirkliche Ahnung davon hatte, was er tat, aber es zählte wohl der Gedanke) in der Küche gerade dabei das Mittagessen zu kochen als sie hörten wie sich die Haustür öffnete.
 

„Scheint als wäre Beel wieder da.”, kommentierte der Wasserkönig.
 

„Rin, Egyn, Wohnzimmer!”
 

Die beiden sahen sich an, Egyn zuckte mit den Schultern. Sie drehten den Herd ab und gingen in das Wohnzimmer, wo sich die restlichen Dämonenkönige bereits auf den Sofas verteilt hatten. „Was ist denn los?”, erkundigte sich der Nephilim.
 

„Kirigakure ist hier und bei ihr sind wahrscheinlich noch weitere Exorzisten. Sie sind hier, um die Aktivitäten von irgendwelchen Dämonen zu untersuchen.”, erklärte der Insektenkönig ohne Umschweife.
 

„Ist das nicht gut? Dann sparen wir uns den Weg.”
 

Lucifer schüttelte den Kopf. „Wenn noch andere Exorzisten hier sind, müssen wir sie irgendwie von ihr trennen. Außerdem sollten wir warten bis es dunkel ist. Dann werden auch die anderen Dämonen aktiver und die Exorzisten werden sich leichter ablenken lassen.”
 

„Was dann?”, fragte Iblis. „Schätze, wir sollten sie nicht alle auf einmal konfrontieren.”
 

„Rin, Samael, Azazel und ich gehen. Der Rest von euch kümmert sich darum, dass die restlichen Exorzisten keinen Ärger machen. Seid aber diskret. Also keine Erdbeben, keine Überschwemmungen, keine riesigen Insekten oder Giftpilze und vor allem kein Feuer!”
 

Iblis verdrehte die Augen. „Ja, ja ich hab's kapiert. Ich hab alles unter Kontrolle.”
 

„Genau das hast du damals in London und Pompeji gesagt!”
 

„Hey, Pompeji war nicht meine Schuld und das in London war ja wohl deren Dummheit! Was haben die den Großteil ihrer Häuser auch aus Holz gebaut?!”
 

„Nicht jeder konnte sich Steinhäuser leisten!”
 

„Sie mussten sie ja nicht so eng beinander bauen!”
 

„....Ich gebe es auf.”
 

Schließlich setzten sie sich in das Esszimmer und aßen zu Mittag. Rin achtete gar nicht wirklich auf ihr Lob, sondern stocherte etwas nervös in seiner Portion herum. Er war mehr als angespannt. Was wenn Shura ihn nicht länger als Freund sondern als Feind ansah und ihn angriff? Schnell schob er den tristen Gedanken beiseite. So durfte er nicht denken! Eventuell würde sie ihm eine reinhauen, weil er ihr Sorgen bereitet hatte, aber damit konnte er leben. Irgendwie erinnerte sie ihn diesbezüglich etwas an Ankou. Diese hatte doch wirklich die Nerven den Baal Kopfnüsse zu verpassen, wenn sie unter sich waren. Gut, sie waren Kindheitsfreunde, aber befremdlich war es am Anfang schon etwas gewesen. Seine Geschwister bemerkten natürlich seine Zurückgezogenheit, aber sprachen ihn glücklicherweise nicht darauf an. Sie konnten sich wohl denken, was in ihm vorging. Nachdem sie den Tisch abgeräumt hatten, verzog sich Rin in das Schlafzimmer, welches er sich mit Amaimon teilte und las dort einige der Manga, die er sich mitgebracht hatte, um die Zeit zu vertreiben und etwas herunterzukommen.
 

Endlich war es Abend und die Sonne ging unter. Gemeinsam verließen sie das Haus. Während Rin, Lucifer, Samael und Azazel zusammen blieben, teilten sich die restlichen Dämonenkönige auf, um Shura aufzuspüren, denn Astaroths Kohletierchen waren bisher erfolglos gewesen. Scheinbar mochten sie den Winter nicht besonders. Nach einigen Minuten erhielten sie eine Nachricht von Beelzebub. Shura war alleine am Waldrand. Die restlichen Exorzisten waren bisher nirgends zu sehen, also suchten sie weiter.
 

„Dann mal los.”, murmelte Lucifer. Rin griff etwas nervös nach dessen Arm. Er hatte noch nicht gelernt Phasensprünge auszuführen, also musste er sich von dem Lichtkönig mitnehmen lassen. In Gehenna war er bereits einige Male mitgenommen wurden, doch es fiel ihm schwer sich an dieses seltsame Gefühl zu gewöhnen. Immerhin hatte er sich noch nie übergeben müssen. Mephisto verschwand mit seinem üblichen „Eins, zwei, drei.” und seiner pinken Rauchwolke, gefolgt von Azazel und von Lucifer mit Rin.
 

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Shura war sich mittlerweile sicher, dass hier irgendwas oberfaul war. Sie waren den Spuren der Dämonen zu diesem Wald gefolgt. Yukio und die Adepten waren weiter gegangen, sie hielt Wache für den Fall, dass neue Dämonen auftauchten oder welche versuchten zu fliehen. Ihr Handy hatte sie draußen, sodass Yukio sie sofort erreichen konnte falls etwas schief ging. ‚Hoffentlich beeilt sich Yukio. Es ist echt arschkalt hier...‘, dachte sie missmutig und nippte an ihrem Bier.
 

Um sie herum herrschte absolute Stille, bis auf das Windgeheul und gelegentliche Knacken der Zweige. Es war wohl besser als Schreie zu hören, aber sie wurde immer angespannter und ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass etwas passieren würde. Natürlich musste sie mit ihrer Vermutung richtig liegen. Aus dem Augenwinkel sah sie einen Schatten, doch als sie sich in die Richtung drehte, war nichts mehr zu sehen. Bildete sie sich Dinge ein? Wieder knackten Zweige und ihre Unruhe wuchs mit jeder Minute. Sie zerdrückte die leere Bierdose, warf sie zusammen mit dem Handy in ihre Tasche und zog ihr Schwert. Wieder Stille. Dann erneutes Knacken. Und Schritte. Ohne zu zögern fuhr sie herum und griff an. Sie verfehlte ihr Ziel um Haaresbreite.  
 

„DU!”, fauchte sie als sie endlich erkannte, wer vor ihr stand. Natürlich besaß der Clown die Dreistigkeit zu grinsen. „Ich freue mich auch dich wiederzusehen.~”
 

Die Exorzistin schnaubte, doch griff nicht erneut an. Stattdessen plante sie ihren nächsten Schritt. Mephis-...Samael anzugreifen war mehr als dumm. Er war der zweitstärkste Baal und würde mit ihr den Boden aufwischen. Allerdings stand ein Rückzug ebenfalls außer Frage. Sie konnte Yukio und die Adepten nicht zurücklassen. Alles was bleib war abzuwarten und auf eine Gelegenheit zum Angriff zu hoffen. Nicht ihr bester Plan, aber besser als nichts.
 

„Was willst du hier?”, knurrte sie in der Hoffnung etwas Zeit zu gewinnen.
 

„Ich bin nur die Ablenkung.~”
 

Ihre Augen weiteten sich. „Wa-” Bevor sie der Satz beenden oder sich auch nur umdrehen konnte, spürte sie wie von etwas gegriffen und zu Boden gerungen wurde. Ihr Schwert wurde ihr aus der Hand gerissen. Sie versuchte ihren Gegner von sich zu stoßen, nur um festzustellen, dass es keinen gab. Stattdessen sah sie schwarze...Schlangen aus Rauch? ‚Was zur Hölle?!‘
 

„Das sind keine Schlangen und auch kein Rauch sondern Schatten.”, merkte eine neue Stimme an. „Versuche dich also besser nicht zu wehren. Ich will dich nicht bewusstlos würgen müssen.”
 

„Ernsthaft Azazel? Was an "diplomatisch" hast du nicht verstanden? Nächstes Mal nehme ich Egyn oder Beelzebub mit.”, fuhr eine dritte, wütend klingende Stimme dazwischen.
 

Shura gab es auf sich gegen ihre Fesseln zu wehren und sah auf. Sie erinnerte sich, dass Shiro einmal von Azazel getroffen hatte und gute Dinge berichten konnte. Sie war zugegebenermaßen überrascht. Wie auch Amaimon hatte der Geisterkönig einen emotionslosen Gesichtsausdruck aufgesetzt, aber etwas an seinen Augen bereitete ihr Gänsehaut. Den nächsten Dämonenkönig erkannte sie als Lucifer. Super. Dann stellte sie jedoch fest, dass noch jemand anwesend war.
 

„Shura!”
 

„Rin?!”
 

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Bon hatte allmählich genug von diesem Ausflug. Sie stapften jetzt schon seit Gott weiß wie lange in dem verschneiten Wald umher, ohne auch nur einem Dämonen zu begegnen. Sie hatten nicht mal Kohletierchen entdecken können!
 

„Ähm...Okumura-sensei?”, durchbrach Miwa die Stille. „Sind Sie sicher, dass wir hier richtig sind? Es wird immer dunkler und wir haben immer noch nichts gefunden.”
 

„Laut der Karte kommt bald ein Fluss.”, antwortete ihr Lehrer ohne sich umzudrehen. „Wenn wir bis dahin nichts gefunden haben, drehen wir für heute um und machen morgen weiter.”
 

Nicht die Antwort, die sich erhofft hatten, aber sie beschwerten sich nicht. Er wusste sicher, was er tat. Hofften sie. In den letzten Monaten hatte er immer mehr damit begonnen sich sowohl in der Schule als auch als Exorzist abzurackern. Scheinbar nutzte er die Arbeit als Ablenkung, aber ewig würde das nicht mehr gut gehen.
 

Für einige Minuten herrschte erneut Stille bis sie auf einer Lichtung ankamen. Immer noch war keine Spur von Dämonen zu sehen. Sie hörten nur das Rauschen des Flusses.
 

„Yuki-chan, ich glaube wir sollten gehen.”, merkte Shiemi vorsichtig an. „Irgendwas ist hier nicht richtig.”
 

„Genau, höre auf deine kleine Freundin. Sie scheint bessere Instinkte zu haben als die meisten Menschen.”, ertönte eine neue männliche Stimme. Die Exorzistin fuhren herum, doch niemand war zu sehen.
 

„Hier oben, ihr Genies.”
 

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Sie hoben die Köpfe. Auf einem dicken Ast eines Baumes stand ein Jugendlicher mit Flammenhaaren, der sie bösartig angrinste. Nein, kein Jugendlicher. Ein Dämon. Und die Stimme kam ihnen bekannt vor.
 

„Also echt mal.”, sprach der Dämon weiter. „Ich habe darauf gehofft einigen Exorzisten den Tag vermiesen zu können und was bekomme ich? Ein paar Welpen und unseren jüngsten Bruder. Wie langweilig. Ich muss echt mal ein Wörtchen mit Beelzebub reden.”
 

„Du bist ein Dämonenkönig!”, entfuhr es Miwa. Er erhielt spöttelnden Applaus. „Wow, nicht schlecht, Glatzkopf. Lass mich raten: du bist der Intelligente der Truppe?”
 

„Was willst du von uns, Iblis?”, fragte Izumo, welche sich inzwischen zusammengereimt hatte, mit wem sie es zu tun hatten. „Und die Augenbraue ist ja auch nicht dumm. Vielleicht ist die Ritterschaft noch nicht ganz am Arsch. Andererseits schicken sie einen Haufen Adepten her, also müssen sie wirklich verzweifelt sein...”
 

„Beantworte die Frage!”, fauchte Yukio und zog seine Pistolen. Iblis hob noch immer grinsend eine Augenbraue. „Wirklich? Schon wieder? Man sollte meinen, du hast nach dem letzten Mal deine Lektion gelernt. Na, was soll's. Glaubt es oder nicht, es ist reiner Zufall, dass wir uns begegnen. Wir dachten, ihr wärt irgendwelche Exorzisten, die diese Shura mitgenommen hat. Da wir aber alleine mit ihr reden müssen, können wir euch nicht gebrauchen.”
 

Yukio spielte mit dem Gedanken anzugreifen, doch überlegte es sich in letzter Sekunde anders. So wie Iblis redete, klang es als wären noch mehr Dämonenkönige in der Nähe. Außerdem musste er zerknirscht zugegeben, dass sie ihn und seine Schüler beim letzten Mal nicht angegriffen und sogar beschützt hatten. Andererseits gab es keine Garantie, dass das ganze kein Trick war. Er atmete tief durch und ließ seine Waffen wieder sinken. Der Feuerkönig schien für den Bruchteil einer Sekunde überrascht, doch überspielte es schnell. Als er vom Baum sprang, traten alle unwillkürlich einen Schritt zurück.
 

„Was wollt ihr von Shura?”‚ fragte Yukio noch immer bemüht ruhig zu sprechen, auch wenn ein großer Teil von ihm am liebsten Iblis' selbstgefälliges Grinsen aus seinem Gesicht geschlagen hätte.
 

„Kann ich nicht sagen. Ihr würdet nur was dummes tun.”
 

„Kannst oder willst nicht?!”, knurrte Bon.
 

„Beides.”
 

Schritte ließen sie zusammenzucken. Zwischen den Bäumen tauchten zwei weitere Dämonen auf. Einer hatte graue Haare und einer war-
 

„Amaimon!”, knurrte Yukio. Shiemi sank etwas in sich zusammen.  
 

„Ja, so heiß ich.”, kam die Antwort vom Erdkönig. Die Nerven von diesem Kerl...
 

Der Dämon neben ihm verdrehte die Augen. „Sie haben Adepten hergeschickt? Was für Volltrottel. Wo sind Egyn und Beel?”
 

„Hier.” Wie aus dem Nichts tauchten zwei weitere Baal auf, einer mit blauen Haaren und einer mit grün-braunen. Veranstalteten die neuerdings ihre Familientreffen in Assiah?!
 

„Wir haben euch doch gesagt, dass ihr nicht immer so weit vorausrennen sollt!”, schimpfte der Dämon, welchen sie für Egyn hielten.
 

„Werdet schneller.”, hielt Astaroth gegen und wandte sich an die Adepten. „Was machen wir jetzt mit denen?”
 

„Könnt ihr uns nicht einfach gehen lassen, wir fahren nach Hause und erzählen niemanden, was passiert ist?”, schlug Shima halbherzig vor.
 

Die Dämonenkönige wechselten Blicke, dann kam die einstimmige Antwort. „Nein.”
 

Einen Versuch war es wert gewesen.
 

Izumo hatte die Zeit genutzt um ihre Byakko heraufzubeschwören, während Bon, Miwa und Shima fieberhaft überlegten, was wohl die Todesverse der Dämonenkönige waren. Wenn sie sich recht erinnerten, war es bei Astaroth Psalm 28, aber sie waren sich nicht hundertprozentig sicher. Bei dem Rest hatten sie dummerweise keine Ahnung. Waren deren Todesverse überhaupt bekannt?
 

„Ach, wie süß. Sie wollen gegen uns kämpfen.”, spottete Astaroth.
 

„Astaroth...”, sagte Beelzebub warnend.
 

„Was denn? Ich denke, sie könnten mal eine Lektion ganz gut gebrauchen.”
 

„Vater hat es verboten!”, fauchte Egyn.
 

Beelzebub verdrehte die Augen und wandte sich an die Adepten, welche sich in Angriffsstellung begeben hatten. „Ihr könnt aufhören. Wir haben nicht vor gegen euch zu kämpfen.”
 

Yukios Augen verengten sich. „Warum sollten wir euch glauben?”
 

„Beim letzten Mal haben wir euch auch die Wahrheit gesagt.”
 

„Wenn wir euch wirklich vertrauen können, dann lasst uns durch.”
 

Der Insektenkönig zögerte, doch schüttelte dann den Kopf. „Tut mir leid, das geht nicht.”
 

„War ja klar.”‚ zischte Bon abweisend. „Dämon bleibt Dämon. Ihnen kann man nichts glauben. Wahrscheinlich haben sie das damals eingefädelt damit wir ihnen vertrauen.” Er erhielt dafür einen abweisenden Blick von den Dämonen.
 

„Als ob ihr Menschen besser seid. Ihr stellt euch selbst über alles andere und seid von Natur aus eifersüchtig, gierig und egoistisch. Ihr legt euch mit Dingen an, mit denen ein Mensch nichts zu schaffen haben sollte. Ihr ignoriert, wenn jemand um euch herum leidet und zieht lieber eure Vorteile daraus. Aus den Augen, aus dem Sinn, nicht wahr?”‚ höhnte Iblis. Als er nur Stille erhielt, lachte er. „Da hab ich wohl einen wunden Punkt getroffen. Wir Dämonen sind nicht das Problem. Ihr Menschen seid es, die alles ruinieren. Ihr vernichtet euch selber, wir müssen nur die Füße hochlegen.”
 

Yukio biss die Zähne zusammen und zwang sich ruhig zu bleiben. „Wenn ihr uns nicht durch lasst, greifen wir an.”
 

„Ähm...tun wir?!”, hinterfragte Shima entsetzt.
 

Erneut wechselten die Dämonenkönige Blicke, dann seufzte Egyn. „Gut, wenn ihr uns keine Wahl lasst...”
 

Bevor sie reagieren konnten, hatte sich der Wasserdämon blitzschnell Wasser aus dem Fluss geholt und schleuderte es ihnen entgegen. Iblis war längst aus der Schusslinie. Erschrocken wichen sie zurück, dann wurde ihnen jedoch klar, dass er nicht auf sie gezielt hatte, sondern auf den Weg hinter ihnen, welcher zu Shura führte. Nun standen sie vor einen dicken Eismauer. Frustriert gab Yukio die ersten Schüsse ab.
 

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Shura starrte den Nephilim mit weit aufgerissenen Augen an. Wie konnte man es ihr verübeln? Er war seit einem halben Jahr verschwunden und nun stand er plötzlich vor ihr, offensichtlich bei bester Gesundheit. Sie fing sich jedoch schnell wieder. „Irgendwann bringen du und dein Bruder mich ins Grab!”‚ knurrte sie.
 

Der Nephilim kratzte sich peinlich berührt am Kopf. „Ähm...tut mir leid.”
 

Japp, das war eindeutig noch der Rin, den sie kannte. Dennoch blieb sie wachsam. Man konnte immerhin nie wissen. „Also...lasst ihr mich dann auch mal wieder los? Der Boden ist verdammt hart.”
 

„Mh? Oh richtig...”, murmelte Azazel und Shura spürte wie sich die Schatten zurückzogen. Sie stand schnell auf und sah sich nach ihrem Schwert um. Dieses wurde leider gerade vom Geisterkönig aufgehoben. „Interessant...du hast einen Pakt abgeschlossen, wie?” Shura schwieg, ihre Aufmerksamkeit galt Rin. „Also, ich nehme mal an, dass du eine gute Erklärung dafür hast, dass du hier mit drei Dämonenkönigen auf der Matte stehst nachdem du ein halbes Jahr verschwunden warst? Und warum wurde ich noch nicht massakriert? Nicht dass ich mich beschwere.”
 

„Wir wollen nur reden.”, antwortete Lucifer.
 

„Aha. Und dafür seid ihr extra nach Assiah gekommen? Fällt mir irgendwie schwer zu glauben. Und Rin habt ihr doch bestimmt auch nicht aus Lust an der Laune mitgebracht?”, hakte Shura scharf nach.
 

Azazel kam direkt zum Punkt. „Wir brauchen deine Hilfe, sonst sind Gehenna und Assiah wahrscheinlich am Arsch.”
 

Shura blinzelte. Sie war solche Direktheit von einem Dämonen absolut nicht gewohnt. Besonders nachdem sie so viel Zeit mit Mephisto verbracht hatte.
 

„Was er meint ist, dass diese ganzen Dämonenangriffe im letzen halben Jahr nicht von uns kamen.”, sprang Lucifer schnell ein. „Wir haben eine gemeinsame Feindin, die alles daran setzen wird uns zu vernichten.”
 

„Und ihr kommt damit zu mir, weil...?”
 

„Weil du die einzige Exorzistin bist, der wir vertrauen können und die uns zuhört.”, schaltete sich Rin ein. „Bitte Shura, ich weiß, dass es nicht einfach zu glauben ist, aber du musst uns glauben! Satan ist nicht das Problem, ihn interessiert Assiah nicht. Er ist nicht, wofür er gehalten wird.”
 

Shura starrte ihn an. Scheinbar hatte sich doch einiges verändert. „Du warst es doch, der Satan in den Arsch treten wollte! Abgesehen davon hat er Shiro und einen Haufen Exorzisten und Geistlicher ermordet!” Rins Antwort überrumpelte sie.
 

„Er hat die blaue Nacht verursacht, weil er meine Mutter retten wollte, die von den Exorzisten auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte!”
 

„Wir können die ganze Nacht darüber debattieren, aber voranbringen wird es uns nicht.”, warf Samael ein.
 

Lucifer nickte. „Wir und Vater haben viele Exorzisten getötet, die Exorzisten haben einen Haufen Dämonen und Nephilim getötet, das ist jetzt egal! Wenn wir nicht zusammenarbeiten, sind wir alle geliefert!”
 

„Danach können wir uns ja weiter den Schädel einhauen.”, kommentierte Azazel.
 

Shura hielt inne. Noch glaubte sie nicht so wirklich, was sie hörte, aber sie musste zugeben, dass ihre bisherigen Überzeugungen in letzter Zeit arg ins Wanken gekommen waren. Die Angriffe auf Yukio waren scheinbar von einer dritten Partei in die Wege geleitet wurden und diese dritte Partei war wahrscheinlich...
 

„Lilith. Das war ihr Name, nicht wahr? Ihr habt Yukio erzählt, dass sie damals eine Rebellion gegen Satan angezettelt hat, Gehennas Thron besteigen und Assiah gleich mit unterwerfen wollte.”
 

Rin und die Baal nicken. „Sie ist an Samhain ausgebrochen und terrorisiert seitdem Gehenna und Assiah. Wenn wir sie nicht aufhalten, ist alles vorbei.”, erklärte Samael ungewohnt ernst.
 

Bevor Shura antworten konnte, ertönten plötzlich mehrere Schüsse aus dem Wald. Sie fuhr herum. „Yukio!”
 

Rin sah sie entsetzt an. „Yukio ist hier?!”
 

„Ja, zusammen mit dem Rest eurer Bande. Sie-” Weiter kam sie nicht, denn Rin war bereits losgerannt. Weder auf ihren Ruf, noch auf den seiner Geschwister reagierte er. Laut fluchend riss Shura ihr Schwert aus Azazels Hand und stürmte hinterher. In was für Schwierigkeiten waren die Adepten und die Okumura Zwillinge jetzt wieder geraten?! An Tagen wie diesen, hatte sie wirklich das Gefühl, dass Shiro sie im Jenseits auslachte.

Satans Fall

Satan bereute einiges im Leben. Er bereute, nicht auf Shax und Alastor gehört zu haben als sie ihm abrieten Lilith zur Frau zu nehmen. Er bereute, dass er ihre wahre Natur nicht eher erkannt und ihr Einhalt geboten hatte. Er bereute den Tod seiner anderen Ehefrauen und vor allem hasste er sich selbst dafür, wie er sich bei der ersten Begegnung mit Rin verhalten hatte. So sehr er es auch verleugnen wollte, er musste einsehen, dass er sich wie schon zur blauen Nacht seiner dämonischen Natur zu sehr hingegeben hatte. Seinen Kindern wurde immer wieder eingebläut, dass der Kontrollverlust über ihre dämonischen Instinkte tödlich sein konnte. Für sie selbst und jene, die sie umgaben. Daher mussten sie, wie viele anderen Dämonenkinder auch, jahrelang üben bis sie auch bei großen Gefühlausbrüchen die Kontrolle behielten. Dass es dem Dämonengott selbst passiert war und auch noch zweimal innerhalb von 16 Jahren, war demzufolge unentschuldbar.
 

Die ganzen Toten waren ihm nach wie vor egal. Er war noch nie gut auf Exorzisten zu sprechen gewesen und das würde er auch nie sein. Wenn er schlussendlich ihren Orden vernichten musste, um endlich Frieden zu bekommen, dann sei es drum. Lieber starben einige zehntausende verblendete Volltrottel als seine Dämonen. Wer scherte sich um ein paar Insekten? Er seufzte. Welch Ironie, dass er ausgerechnet bei jenen, die er verachtete, Hilfe suchte. Allerdings konnte er nicht anders als sich zu fragen, ob es wirklich die richtige Entscheidung war. Irgendetwas bereitete ihm ein äußert mulmiges Gefühl und leider lag er damit meist richtig. Als sich dann auch noch die Tür zu seinem Thronsaal öffnete und Indra hereintrat, verstärkte es sich. Die Zeitdämonin schaute meist dann vorbei, wenn mal wieder etwas dabei war, den Styx runterzugehen. Die Wachen wollten sie aufhalten, doch Satan unterbrach sie. „Schon gut, lasst sie durch. Und wartet draußen.”
 

Während die beiden Dämonen den Saal verließen, trat Indra näher. „Muss ich niederknien oder lassen wir die Etikette?”
 

„Lass die Spielchen und sage mir, was du willst. Ich bin nicht in Stimmung.”
 

Indra hob eine Augenbraue. „Du bist wohl mit dem falschen Bein aus dem Bett.”
 

Satan schnaubte abfällig. „Versuche du doch ein Reich zu regieren, dass am Anfang eines Krieges steht und dann noch gute Laune zu haben.”
 

Die Zeitdämonin zuckte mit den Schultern. „Touché.”
 

„Was willst du nun? Du hast den Palast kurz nach Samhain wieder verlassen. ”, wiederholte er seine Frage.
 

„Du scheinst dich ja wirklich zu freuen mich zu sehen.”, seufzte sie und verdrehte die Augen. War sie wirklich noch überrascht? Langsam verlor er die Geduld.
 

„Jedes Mal, wenn du vorbeischaust, bedeutet das irgendwelchen Ärger. Jetzt raus mit der Sprache oder geh.” Für einige Sekunden schwieg sie, dann seufzte sie erneut. „Ich hatte eine weitere Vision.”
 

Da waren die fatalen Worte auch schon. Was war es wohl diesmal? Eine weitere rote Seuche? Hungersnöte? Ausbrüche aus dem Tartaros? Davon hatte es tatsächlich letzte Woche einige gegeben und damit für Einträge in die Geschichtsbücher gesorgt. Immerhin konnten einige wieder eingefangen werden, weil sie es fertig gebracht hatten, sich zu verlaufen. Indra nahm sein Schweigen als Aufforderung fortzufahren. „Zuerst: bitte erschieß nicht die Botin...oder einäschern, egal. Ich beschreibe nur was ich gesehen habe.”
 

„Und ich nehme an, dass es kein Freundschaftspicknick zwischen uns und Lilith ist?”, grummelte Satan und stand auf.
 

Indras Mundwinkel zuckten, aber es wurde kein Lächeln draus. „Nicht wirklich. Ich habe die Heiligkreuz-Akademie und den Vatikan gesehen, beides stand in Flammen. Dämonen jeden Ranges und jeder Zugehörigkeit haben sich gegenseitig zerfetzt oder Vergängliche angefallen. Ganz Assiah war in Anarchie ausgebrochen. Die Sterblichen haben sich reihenweise das Leben genommen oder  geplündert, was auch immer sie in die Finger bekommen haben. Gehenna sah nicht besser aus. Die Straßen waren mit Blut überschwemmt und Leichen haben den Weg gepflastert. Viele haben sich ihren tiefsten Instinkten hingegeben und waren nicht mehr als tollwütige, hungrige Tiere. Die zu Lilith loyalen Adelshäuser haben sich währenddessen in ihren Festungen und Anwesen verkochen und das Leben genossen.”
 

„Etwas anderes habe ich unter ihrer Herrschaft nicht wirklich erwartet.”, kommentierte der Dämonengott nachdem er die Luft scharf eingesogen hatte. ‚Nichts werfen, Satan. Bleib ruhig.‘ Indra biss sich auf die Lippe. Scheinbar war das nicht alles. „Ich habe noch mehr gesehen. Es betrifft dich, Rin, unseren Sohn und deine anderen Söhne.”
 

Großartig. „Dann raus mit der Sprache.”
 

Der Zeitdämonin war sichtlich unwohl, doch sie begann langsam zu erzählen. „Ich habe Rin gesehen. Er saß in einer Zelle. Einige der Aveira waren bei ihm. Sie haben ihn verspottet und behauptet, dass seine Brüder ihn verraten haben und lieber sich selbst retten wollten. Er sei alleine und niemand würde ihm mehr helfen, nicht einmal du. Dann habe ich gesehen...wie er gegen sie gekämpft hat.”
 

„Gegen wen?”, hakte Satan scharf nach. Gleichzeitig überlegte er im Hinterkopf einen Plan, wie er die Aveira möglichst brutal und qualvoll umbringen konnte. Nur für alle Fälle. Indra wich seinem Blick aus. „Gegen seine Brüder. Ich glaube, er wollte sie töten und sie ihn.” Der Dämonengott spürte wie seine Hände vor Wut zitterten. Ein vertrautes ziehendes Gefühl verriet ihm, dass seine Dämonenmale auftauchten. Er zwang sich ruhig zu sprechen. „Und weiter?”
 

„Dem Rest erging es nicht besser. Gebrochene Knochen, verbrannt, ausgepeitscht, zusammengeschlagen, gedemütigt...sie haben immer einen gefoltert und der Rest musste zusehen bis irgendwann...ihr Geist zerbrochen ist. Währenddessen warst du...bei Lilith und.......hast sie geküsst. Und es kann durchaus sein, dass es noch......weiter ging.”
 

...Scheiß drauf. „WAS?!”, explodierte er. Seine Flammen schossen als Flammensäule hoch, doch es interessierte ihn nicht, dass er in Brand stand oder sich seine Stimme bereits wesentlich dämonischer anhörte.
 

Indra stolperte erschrocken zurück. Zum ersten Mal seit er sie kannte, sah er einen Funken Angst in ihren Augen. Daraufhin zwang er sich, seine Flammen wieder unter Kontrolle zu bekommen und sich zu beruhigen. Er würde jetzt nicht zum dritten Mal durchdrehen. ‚Nein. Ganz ruhig. Positive Gedanken. Positive- VERDAMMT NOCHMAL, DA KANN ICH NICHTS POSITIVES FINDEN!‘ Nachdem er einige Male tief Luft geholt hatte, erloschen seine Flammen langsam und seine Dämonenmale verschwanden. Er durfte nicht den Kopf verlieren. Was Indra gesehen hatte, waren nur Möglichkeiten. Während die Vergangenheit in Stein gemeißelt und unmöglich zu ändern war, konnte die Zukunft durch kleinste, scheinbar unwichtige Entscheidungen beeinflusst werden. Vielleicht würden sich manche der Visionen bewahrheiten und somit der Erfüllung eines anderen Ereignisses verhindern. Niemand konnte es genau sagen.
 

„Ich wünschte, ich hätte bessere Neuigkeiten.”, murmelte die Zeitdämonin zerknirscht. „Aber ich fürchte auf die Barriere, die deinen Palast umgibt, kannst du nicht verlassen. Ich habe gesehen, wie sie zerstört wurde.”
 

Satan sah sie überrascht an. Nach dem Blutgericht Fiasko hatte er begonnen mit seinen Söhnen regelmäßig die Barrieren abzureißen und neu zu errichten. Gestern Abend hatten sie neue Barrieren errichtet, diesmal waren sie sogar zusätzlich verstärkt, da sie längere Zeit weg sein würden.
 

„Ich habe die Barrieren zusammen mit meinen Söhnen errichtet. Sie kann nur von uns zerstört werden oder wenn einer von uns einen Fehler gemacht hat.” Natürlich nutzte das Universum diesen Moment, um ihm so richtig das Leben zu vermiesen. Die Türen schwangen auf und die Wachen kamen herein gestürmt.
 

„Entschuldigt die Störung, Majestät. Aber Lilith ist hier. Sie und ihre Anhänger greifen die Stadt an!”
 

So viel zum Thema, dass sie kurz nach Winter nichts mehr von sich hören lassen würde.
 

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Im Nachhinein betrachtet, war das ganze eine Selbstmordaktion. Gegen einen der Dämonenkönige kämpfen? Lebensmüde. Gleich zweimal? Dann war einem nicht mehr zu helfen. Und gegen fünf gleichzeitig? Das konnte man nicht mal mehr kommentieren. Eigentlich müsste es das Ende der Exorzistenkarriere bedeuten, da konnte man der Paladin persönlich sein. Ein derartiger Mangel an Urteilsvermögen war eine Gefahr für alle. Wenn man dann auch noch Adepten mit rein zog, würde dies sicher nicht nur den Einzug der Lizenz zur Folge haben. Und hier war nun Yukio und kämpfte mit mehreren Adepten gegen fünf der mächtigsten Dämonen Gehennas. Das würde Ärger geben. Falls überhaupt genug von ihnen übrig blieb. Bisher hatten die Baal sie nicht wirklich angegriffen, sondern nur daran gehindert zu Shura zu gelangen, aber er wusste, dass sich das schnell ändern konnte. Es reichte schon, wenn sich einer der Dämonen etwas mehr bemühte, dann wäre es vorbei. Sie liefen jetzt schon auf dem Zahnfleisch. Shiemi konnte nicht wirklich etwas ausrichten, also versuchte sie einfach nicht im Weg zu stehen. Izumos Füchse waren gegen einen der Bäume geschleudert worden und schienen kurz davor zu stehen, einfach wieder zu verschwinden. Miwa, Bon und Shima versuchten verzweifelt die Todesverse der Dämonenkönige zu finden. Iblis schien besonders viel Spaß daran zu haben. Er verspottete die angehenden Aria wo er nur konnte und obwohl sie versuchten es zu ignorieren, verschwand ihre Konzentration sichtlich. Ihre Angst machte es nicht besser, auch wenn man ihnen deswegen keinen Vorwurf machen konnte. Sogar erfahrene Exorzisten fürchteten die Dämonenkönige.
 

„Na los, zeigt mir doch mal, was ihr drauf habt.”, höhnte der Feuerkönig.
 

Bon sichtlich frustriert, versuchte es mit dem nächsten Vers und war mehr als überrascht, als der Feuerkönig plötzlich das Gesicht verzog, laut grollte und zusammensank, scheinbar unter Schmerzen. Für einen wilden Moment hoffte er, dass er tatsächlich den entsprechenden Bibelabsatz gefunden hatte, doch dann richtete sich der Feuerkönig grinsend auf. „Nein, war nur 'n Witz.”
 

„Ernsthaft Iblis?”, seufzte Egyn.
 

„Japp.”
 

Könnte es sein, dass die Dämonenkönige ein Haufen unerwachsener Arschlöcher waren? Die Gesichter der Adepten wären unter anderen Umständen allerdings äußert unterhaltsam. Erneut gab Yukio mehrere Schüsse ab, nur um weit zu verfehlen. Wo war Shura?! Sie hätte den Kampfeslärm längst hören müssen. Andererseits war dort eine Eiswand und wenn man Iblis glauben konnte, hatte sie es momentan mit den restlichen Baal zu tun. Keine besonders guten Aussichten.
 

Währenddessen planten die Adepten etwas ziemlich dummes. Wie es der Zufall wollte, standen die Dämonenkönige ziemlich nah beinander. Yukio sah nicht, wer die Granaten geworfen hatte, aber er sah sehr wohl das Ergebnis. Offensichtlich hatten die Baal nicht damit gerechnet, dass sie etwas so unüberlegtes tun würden, denn es gelang ihnen nicht rechtzeitig auszuweichen. Ihre Schmerzensschreie verrieten, dass das Weihwasser seine Wirkung entfaltete, aber das würde sie höchstens für einige Sekunden lähmen. Und sie richtig sauer machen. Yukio und die Exwire wussten, dass sie einen fatalen Fehler begangen hatten, als sie die Gesichtsausdrücke der Dämonen sahen. ‚Oh, scheiße.‘
 

Egyn, Beelzebub und Amaimon sahen schon angepisst genug aus, aber Astaroth und Iblis schienen nun bereit zum morden zu sein. Sämtliche Albernheit war verflogen und alle Exorzisten traten unwillkürlich einen Schritt zurück. „Oh, ihr wollte also so spielen, was?”, knurrte Iblis mit dunkler Stimme, die sich plötzlich wesentlich verzerrter und dämonischer anhörte. Seltsame rote Linien waren in seinem Gesicht aufgetaucht, seine Pupillen hatte sich zusammengezogen, die Zähne schienen länger zu werden. Am besorgniserregendsten war allerdings das Feuer, welches sich begann über seinen ganzen Körper auszubreiten. Er war natürlich normales Feuer, aber das tröstete momentan nicht wirklich. „Iblis-”, begann Egyn in einem warnenden Tonfall, doch sein Bruder hörte nicht zu. Er starrte hasserfüllt die Adepten an, welche weiter zurückwichen. „Scheint als müssten wir euch eine Lektion erteilen, damit ihr Insekten lernt, wo ihr euer Platz ist.”, grollte er. „Vielleicht kapiert ihr es, wenn ich euch die Haut und das Fleisch von den Knochen brenne.”
 

„Iblis, Stopp!”, fauchte Beelzebub, ebenfalls in einer dämonischen Stimmlage. Bevor die Situation jedoch weiter eskalieren konnte, loderte plötzlich eine Wand aus blauem Feuer auf, welche die Exorzisten und die Dämonenkönige trennte. ‚Warte...blau?!‘
 

„Was macht ihr da?! Ihr hättet sie umbringen können!”, erklang eine nur allzu vertraute Stimme. Nein. Das konnte nicht sein, unmöglich. „Hey!”, rief eine neue Stimme, diesmal weiblich. Shura war angekommen.  
 

„Wo kommst du denn jetzt her?”, knurrte er sie an. Der Rotschopf schnaubte. „Ich war...beschäftigt. Geht es allen gut?”
 

„Abgesehen davon, dass ich mir glaube grad in die Hose gemacht habe, klar.”, murmelte Shima tonlos und kreidebleich. Der Rest sah nicht anders aus. Aus dem Augenwinkel sah Yukio drei weitere Dämonen aufpoppen. Einer von ihnen war Samael, der andere war Lucifer. Der dritte war dann wohl Azazel. Alle drei sahen nicht allzu begeistert aus. Lucifer hatte begonnen die jüngeren Baal in einer anderen Sprache zu beschimpfen. Yukio achtete jedoch nicht auf ihn, sondern auf die Person neben ihm. „Rin!”
 

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Satan konnte es nicht fassen, wie viel Pech man an einem Tag haben konnte. Scheinbar hatten sich höhere Mächte wieder mal dazu entschlossen, zu demonstrieren, dass es trotz seiner Macht auch Dinge außerhalb seines Einflusses gab. Wenn er einmal Probleme oder Schwierigkeiten bekam, waren es stets Dinge an denen man sich die Zähne ausbeißen konnte, nie etwas einfaches. Natürlich mussten seine Kinder diese Eigenschaft auch erben, insbesondere Rin. Dennoch war er sich sicher, dass ihr Tag momentan um einiges besser verlief als seiner. Noch immer war es ihm ein Rätsel, wie Liliths Truppen so weit vorrücken konnten, ohne irgendwelche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Momentan war es allerdings egal, denn es gab wesentlich wichtigere Angelegenheiten. Wie beispielsweise der Umstand, dass die Schutzbarriere um seinen Palast sich soeben verabschiedet hatte. Indra war längst fort, er hatte sie sofort weggeschickt. Zunächst hatte sie protestiert, doch schlussendlich musste sie nachgegeben. Hoffentlich war sie entkommen und lief Lilith nicht in die Arme. Ansonsten wäre es wohl besser gewesen zu sterben.
 

Die ersten von Liliths Anhänger waren bereits durchgebrochen, doch kamen nicht weit. Sie gingen sofort in Flammen auf. Es war dennoch nur eine Frage der Zeit bis hochrangigere Dämonen ankamen und irgendwann Lilith selbst. Offensichtlich hatte sie alles auf eine Karte gesetzt. Sie hatte irgendwie erfahren, dass seine Söhne Gehenna nach Assiah gereist waren. Nein. Nicht irgendwie. Die Einzigen, die davon wussten, waren sie selbst, ihre Stellvertreter, Alastor und Satan. Irgendjemand hatte sie verraten.
 

Eine erneute Erschütterung ließ den Boden erbeben, doch er ignorierte es vorerst und zog sich in seinen Thronsaal zurück. Er musste seine Söhne benachrichtigen, sie durften vorerst auf keinen Fall nach Gehenna zurückkehren. Zwar schaffte er es nie die Nachricht zu schicken, doch dafür fand er etwas besseres. Kuro. Ohne viel Zeit zu verschwenden erklärte er die Situation und schickte ihn anschließend nach Assiah. Hoffentlich fand er seine Söhne bevor es Lilith und ihre Anhänger taten. Nun erforderte jedoch etwas anderes seine Aufmerksamkeit. „Ich bin überrascht euch hier zu sehen.”, sagte er ohne sich umzudrehen. „Habt ihr nicht langsam genug davon Liliths Drecksarbeit zu erledigen?”
 

„Sagt derjenige, der seine Söhne nach Assiah schickt, um sich Hilfe von den Exorzisten zu holen. Erbärmlich, wirklich.”, kam die spottende Antwort.
 

Satan verdrehte die Augen und wandte sich um. „Erbärmlich ist es auch einen Haufen unbewaffneter Dorfbewohner abzuschlachten, Ira. Und Invidia, du brauchst dich nicht im Schatten zu verstecken. Ich weiß, dass du hier bist.”
 

Die Gestaltwandlerin trat vor. „Scharfsinnig wie immer, was?”, grummelte sie, doch begann zu grinsen. „Andererseits hast du nie bemerkt, dass es noch einen weiteren Verräter gab. Ich glaube du wirst senil in deinem Alter.”
 

„Und du immer nerviger. Würde es dich umbringen mal für fünf Minuten die Klappe zu halten?”
 

„Genug jetzt!” Superbia hatte den Raum betreten, gefolgt von einigen Biestern und Dämonen niederen Ranges, offensichtlich unter ihrer Kontrolle. „Deine Herrschaft endet heute, Satan.”
 

„Einen klischeehafteren Spruch konntest du nicht wählen, oder?” Invidia und Ira lachten, Superbia schnaubte nur und hetzte ihre neusten Schoßtiere auf den Dämonengott. Dieser ließ seine Flammen auflodern, woraufhin auch die restlichen beiden Aveira in Angriffsstellung gingen. „Dann zeigt, was ihr könnt.”
 

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Als Rin die Lichtung erreichte, setzte sein Herz kurz aus. Zum Teil, weil er sich freute nach all der Zeit Yukio und seine Freunde wiederzusehen, zum anderen Teil, weil Iblis gerade dabei war, die besagten Freunde anzuzünden. Offensichtlich hatte ihn etwas die Kontrolle verlieren lassen, aber was war jetzt egal. Sofort ließ der Nephilim eine Flammenwand erscheinen, um die beiden Parteien zu trennen. Er fühlte einen gewissen Stolz als es ihm gelang und das auch noch ohne nur einen einzigen Baum anzuzünden! Trotzdem war er etwas angesäuert. „Was macht ihr da?! Ihr hättet sie umbringen können!”, rief er seinen Halbgeschwistern zu.
 

Shura und die restlichen Baal waren ebenfalls angekommen. Sie lief sofort zu den Jugendlichen, während Lucifer mit seiner Standpauke begann. „Was habt ihr euch dabei gedacht?! Ihr solltet sie aufhalten und sie nicht bekämpfen!”
 

„Die haben angefangen!”
 

„Ihr seid doch keine Kleinkinder mehr!”
 

Rin stellte sich neben den Lichtkönig und wollte zu einer Erwiderung ansetzen, als er seinen Namen hörte. Er fuhr herum. Yukio starrte ihn mit aufgerissen Augen und offenem Mund an. Die Adepten schauten nicht anders.
 

„Okumura!” und „Rin!” kam es von allen gleichzeitig. Das würde interessant werden. Bevor er antworten konnte, griff ihn jedoch Astaroth am Arm und zog ihn zurück, sodass er hinter seinen dämonischen Geschwistern stand. Diese grollten die Adepten an, als sie versuchten näher zu treten. Rin war frustriert. Ja, das waren nun mal ihre dämonischen Instinkte, aber manchmal konnte diese besitzergreifende und überfürsorgliche Art ziemlich nerven. Er war kein kleines Kind mehr! Gut, verglichen mit ihnen war er nur ein Baby. Oder Kleinkind. Egal.
 

„Stopp! Ihr macht es nur schlimmer!”, versuchte er auf seine Brüder einzureden. Glücklicherweise schienen sie ihm zuzuhören, denn sie zogen ihn nicht zurück, als er sich vordrängelte. Zwar beäugten sie die Exorzisten noch immer misstrauisch und schienen nur darauf zu warten, dass sie etwas versuchten, aber es war besser als nichts. Er wandte sich an Yukio und seine Freunde. „Ähm...Hi. Es ist lange her...tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.” Peinlich berührtes Schweigen folgte. Bon fand seine Stimme als erstes wieder. „Okumura...was tust du hier mit einem Haufen Dämonenkönigen!?”
 

Rin lächelte nervös und rieb sich den Nacken. „Ok, ich weiß wie das hier aussieht, aber es ist nicht so wie ihr denkt.”
 

„Was ist es dann?!”, fragte nun Yukio, seine Hände zitterten. Ohne es zu wollen empfing Rin die Gedanken und Gefühle der anderen Jugendlichen. Nervosität, Verwirrtheit, Angst und Angespanntheit. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen. Als er sich langsam näherte, hob Yukio plötzlich seine Waffen. „Rin, ich will Antworten und zwar jetzt.”
 

„Und wenn sie dir nicht gefallen, erschießt du mich?”, fragte der Nephilim verbittert. Der Brillenträger antwortete nicht, aber der ältere Zwilling wusste die Antwort bereits. Warum? Was hatte er Yukio je getan? Er hatte ihn immer in Schutz genommen, als sie noch Kinder waren. Was war passiert? Was hatte ihre Beziehung so sehr in Mitleidenschaft gezogen? ‚Ganz einfach. Weil ich ein Dämon bin. Er kann darüber nicht hinwegsehen.‘, stellte er bitter fest. Er zwang sich in die Realität zurück, als Astaroth zu sprechen begann. „Hey, wenn du uns erschießen willst, ist das eine Sache, aber er hat dir nichts getan also nimm die Knarren runter.”, knurrte er.
 

„Yuki-chan, wir sollten ihm wirklich zuhören.”, flüsterte Shiemi ihm zu. Immerhin schien zumindest die blonde Exorzistin auf seiner Seite zu stehen. Bis jetzt.
 

„Sie haben Recht, Yukio. Lass es.”, bestätigte Shura. Endlich ließ Yukio langsam seine Pistolen sinken.
 

„Also wie wäre es, wenn du von vorne anfängst?”, verlangte Izumo. „Beim letzten Mal haben du und Amaimon noch versucht euch gegenseitig umzubringen, was ist passiert?”
 

„Ich habe nur gespielt.”, murmelte der Erdkönig genervt.
 

Rin holte tief Luft. „Gut, das wird jetzt ziemlich merkwürdig klingen, aber bitte hört mir einfach zu. Ja, ich war am Anfang nich sonderlich begeistert, dass ich nach Gehenna verschleppt wurde und ich wollte auch so schnell wie möglich versuchen abzuhauen, aber...es hat sich einiges geändert. Dämonen sind nicht böse und das schließt sie...”, er machte eine Bewegung zu den Dämonenkönige. „...mit ein. Genau wie Satan. Er ist nicht das grausame Monster von dem uns immer erzählt wurde.”
 

Bon unterbrach ihn. „Satan hat einen Haufen Exorzisten und Geistliche innerhalb einer einzigen Nacht-”
 

„Das hat er getan, um meine...” Er sah Yukio an. „...unsere Mutter zu retten. Als die Exorzisten erfahren haben, dass sie mit uns schwanger ist, sollte sie abtreiben, aber sie hat sich geweigert. Daraufhin hat unser Großvater befohlen, dass sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden soll.” Die Adepten starrten ihn entsetzt an. „Aber...das ist längst verboten!”, sagte Miwa.
 

Samael lachte kurz auf. „Bist du dir ganz sicher? Das passiert sogar relativ häufig. Nephilim sind beliebte Opfer.”
 

„Es ist die Wahrheit.”, bestätigte Rin. „Gehenna ist nicht das Problem. Ich wollte es am Anfang auch nicht glauben, aber sie haben mir das Gegenteil bewiesen. Sie haben mir mehrmals das Leben gerettet.”
 

„Das ändert nicht, dass Satan Vater getötet hat.”, fauchte Yukio. „Er ist für dich gestorben oder hast du das etwa schon vergessen!?”
 

Rin funkelte ihn wütend an. „Nein, das habe ich nicht, aber-”
 

„Es gibt kein aber!”
 

„Vater wollte Fujimoto nicht töten. Er wollte nur Rin zurück. Dass er sich das Leben nehmen würde, konnte er schlecht ahnen.”, fuhr Lucifer dazwischen.
 

„Abgesehen davon hat er ihn gestohlen.”, knurrte Iblis.
 

„Als ob Satan das interessieren würde!”
 

„Ja, tut es, weil wir Dämonen sehr familienbezogen sind. Etwas was du scheinbar nicht kennst!”, kam die giftige Antwort.
 

„Also nur, damit ich das richtig verstehe...” mischte sich nun Izumo ein. „Du willst uns damit sagen, dass Dämonen nicht böse sind und du Satan und die Dämonenkönige als Familie akzeptiert hast.” In ihrer Stimme lag nicht ein Hauch von Vorwurf. Etwas Verunsicherung vielleicht, aber damit konnte er leben.
 

„Ja, das stimmt. Und ich kehre auch nicht zu den Exorzisten zurück.” Damit war die Bombe geplatzt. Dass Iblis und Astaroth es mit einem schadenfrohen "Ätsch" kommentieren, machte es nicht besser. Wären sie in einem Cartoon gewesen, wären die Kinnladen von Yukio und der anderen Jungs auf den Boden gefallen. Zum ersten Mal schienen ihnen die Worte zu fehlen. Leider erholte sich Yukio schnell. „Sag mir, dass das ein schlechter Scherz ist.”, sagte er leise, doch Rin schüttelte den Kopf. „Es ist mein Ernst.” Das brachte das Fass zum überlaufen.
 

„DAS IST ALLES, WAS DU ZU SAGEN HAST?!”, schrie Yukio ihn an. „Wie kannst du Vaters Andenken so beschmutzen?! Er ist gestorben, um dich zu retten und so dankst du es ihm?! Indem du dich mit dem Feind einlässt?! Ich habe deinetwegen meine Kindheit opfern müssen und habe ich beschützt und so erwiderst du den Gefallen?! Wie kannst du so selbstsüchtig sein?! Ich hätte dich-”
 

Genug war genug. Rin spürte wie eine Wut in ihm hochstieg, wie schon lange nicht mehr. All die angestaute Frustration und Aggressionen der letzten Jahre schien mit einem Mal zurückzukommen. Vor einem halben Jahr hätte er Yukio Predigt beschämt über sich ergehen lassen, doch diesmal nicht. „Was? Du hättest mich damals einfach erschießen sollen?”, unterbrach er seinen Zwilling mit lauter Stimme. „Richtig, du hast mir damals ja gesagt, dass ich verrecken soll. Sollte mich wohl nicht überraschen.”
 

„Moment, was?”, hakte Egyn erschrocken nach, aber Rin ignorierte den Wasserkönig und starrte Yukio voller Zorn an. Dieser schien von seinem Ausbruch überrascht zu sein. „Tja, tut mir leid. Leider bin ich nun mal ein Monster und ein Sohn Satans, aber weißt du was? Ich habe Neuigkeiten für dich: DAS BIST DU GENAUSO! Die Ritterschaft scheint es gerne mal zu verdrängen, aber ich sicher nicht. Was gibt dir also bitte das Recht mich so zu behandeln, huh?! Ich habe dich als wir Kinder waren ständig beschützt, ich habe dem Alten damit immer wieder Kopfzerbrechen bereitet, aber ich habe weiter gemacht. Weil du mein kleiner Bruder bist. Mein Bruder, der mich all die Jahre im Stillen gehasst hat, also fällt es mir irgendwie schwer zu glauben, dass du Exorzist geworden bist, um mich zu beschützen. Es ist mir egal, was du dem Alten versprochen hast. Du scherst dich einen Dreck um mich, gib es zu! Du hast dir nie die Mühe gemacht, mir irgendwas zu erklären. Immer nur: Rin tu das und tu das, das ist wichtig. Rin beweg dich und lerne, Rin wie kannst du das nicht verstehen? Ganz einfach! WEIL ICH VON DER GANZEN SCHEIßE ZUVOR KEINE AHNUNG HATTE! Keiner hat sich je die Mühe gemacht, mir zu erzählen, was und wer ich bin, obwohl ich das verdammte Recht darauf hatte!”
 

„Das haben wir getan, um dich zu beschützen!”
 

Rin lachte kalt auf, etwas was er normalerweise nicht von sich kannte. Er wusste, dass seine Geschwister ihn ebenfalls verblüfft ansahen, doch es war ihm egal. Er wollte endlich alles los werden. Bisher hatte er alles in sich hineingefressen und darunter gelitten, jetzt war Schluss! „Oh ja, das hat ja auch ganz hervorragend geklappt.”, sagte er mit vor Sarkasmus triefender Stimme. „Ist ja nicht so, dass das ganze vielleicht hätte verhindert werden können, wenn ihr mir mal was erzählt hättet, aber nein. Stattdessen wurde ich angelogen, für Dinge bestraft für die ich nichts konnte und am Ende stand ich hilflos da und konnte nichts tun. Du hast mir die Schuld für den Tod des Alten gegeben. Tja, wenn ich nichts über Dämonen weiß, kann ich leider nicht groß helfen. Und um den Spieß mal umzudrehen: wo warst du eigentlich? Warum hast du nicht geholfen?”
 

Das erwischte den jüngeren Zwilling im Kalten. „Ich konnte doch nicht wissen-”
 

„GANZ GENAU! DU KONNTEST ES NICHT WISSEN! Ich wusste dafür nichts über Dämonen, aber machen wir mal weiter. Du bist nicht gekommen, obwohl wir dich gebraucht haben. Wärst du da gewesen, wäre es vielleicht anders ausgegangen. Also wessen Schuld ist es nun, huh?!”
 

„Rin...”, flüstere Shiemi, doch der Nephilim hörte sie nicht mehr.
 

„Es tat verdammt weh, weißt du? Als du mich bei der Beerdigung wie Luft behandelt und einfach gegangen bist. Als du mir später noch die Schuld gegeben und mir gesagt hast, dass ich sterben soll, war ich am Boden zerstört. Ich hatte gedacht, dass ich mich auf dich verlassen kann. Das du mir hilfst alles zu begreifen, aber nein. Trotzdem habe ich es runtergeschluckt. Ich habe es runtergeschluckt, weil du mein kleiner Bruder bist und für den Alten.” Der Nephilim spürte, wie seine Augen brannten, doch blinzelte die Tränen energisch fort.
 

„Ich habe mich nie oder kaum beschwert, sondern immer weiter gemacht und versucht gute Laune zu haben, selbst als mir damals mit der Hinrichtung gedroht wurde. Ich habe die Zähne zusammen gebissen. Ok, ich war öfter faul, aber das lag größtenteils daran, dass ich einfach den Stoff nicht kapiert hatte. Ich wollte dich damit aber auch nicht ständig nerven, also habe ich nichts gesagt. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. In Gehenna dagegen hat man sich endlich mal die Mühe gemacht, mir was zu erklären. Ich wurde nicht gleich als Volltrottel hingestellt, wenn ich etwas nicht konnte oder verstanden habe. Paymon...also Lucifers rechte Hand, hat den undankbaren Job bekommen mir Gehennisch beizubringen und ich habe es ihm nicht einfach gemacht. Ich habe ihn bestimmt sechzig Mal nach der Aussprache desselben blöden Buchstaben gefragt, aber er hat sich nie beschwert. Meine...Brüder und mein...Vater haben mir beigebracht wie ich mit meinen Flammen umgehe und ich habe sie dabei mehrmals aus Versehen fast angezündet...”
 

„Fast ist gut...”, murmelte Astaroth, aber bleib still als er einen Stoß in die Rippen von Beelzebub kassierte.
 

„Trotzdem haben sie mich unterstützt.”, fuhr Rin fort. „Ich wurde nicht schief angesehen, weil ich ein Halbblut bin und die meisten Dämonen haben mich sofort akzeptiert, obwohl ich zu den Exorzisten gehört habe. Zwei von ihnen waren am Anfang sehr misstrauisch und öfter gemein zu mir, aber haben sich entschuldigt, als sie ihren Fehler eingesehen haben. Etwas wozu du dich noch nie herablassen konntest. Sie haben mich nicht gehasst oder verantwortlich gemacht als ich...etwas sehr dummes gemacht habe.” Er hob sich Lilith für später auf. „Ich habe endlich Leute kennengelernt, die mich angenommen haben, wie ich bin.”
 

„Aber-”
 

„Kein Aber. Satan ist mein Vater, das habe ich akzeptiert und bin sogar froh deswegen, auch wenn ich mit einigen Sachen, die er hat getan hat, nicht einverstanden bin. Und die Dämonenkönige waren für mich in dem letzten halben Jahr bessere Brüder, als du es in den letzten sechzehn Jahren warst. Ja, sogar der Clown.” Das saß. Yukio zuckte zusammen. Rin war nicht fertig. „Ich habe dir vieles verziehen und bin still geblieben, weil ich dir keine weiteren Probleme bereiten wollte. Jetzt reicht es aber. Ich habe die Schnauze voll. Ich betrachte Gehenna als Zuhause, weil ich dort akzeptiert werde. Du hast dich immer nur beschwert und wolltest, dass alles nach deinem Kopf geht. Also wer ist jetzt selbstsüchtig? Wenn du immer noch denkst, dass alles meine Schuld ist, habe ich dir nichts mehr zu sagen.”
 

Stille herrschte, sogar die Baal waren sprachlos. Am liebsten wäre Rin davon gestürmt, doch dann durchfuhr ihn ohne Vorwarnung ein fürchterlicher Schmerz. Sein Kopf pochte, alles drehte sich und jeder Atemzug wurde zur Qual. Ächzen hinter ihm verriet, dass es seinen Geschwistern nicht anders erging. Jedoch konnte er sich nicht umdrehen, sondern sank auf die Knie. Er bekam noch am Rande mit, wie mehrere Stimmen seinen Namen riefen, dann wurde alles dunkel.
 

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Satan war genervt, wie lange nicht. Fünf Sekunden. So lange müssten die Aveira einmal still stehen damit er sie anzünden konnte. War das wirklich zu viel verlangt?! Aber nein, stattdessen hatten sie aus vergangenen Fehlern gelernt und blieben immer in Bewegung. Des Öfteren entkamen sie seinen Angriffen nur um Haaresbreite. Hätten sie nicht zusammen angegriffen und ihm zusätzlich ihre Handlanger und Dämonen unter Superbias Kontrolle auf den Hals gehetzt, wäre Satan längst siegreich gewesen. Superbia hielt sich wie immer im Hintergrund und würde wohl flüchten falls sich die Sache doch negativ für sie entwickeln würde, Ira und Invidia griffen immer wieder an. Bisher hatten sie nicht einen Treffer landen können, aber dafür hatten sie auch kaum etwas einstecken müssen. Ihm war klar, dass sie nicht wirklich versuchten ihn zu besiegen, sie wollten nur Zeit gewinnen bis Lilith mit dem vermaledeiten Amulett auftauchte. Aus dem Augenwinkel bemerkte er einen Alukah und eine Rakshasa, doch sie endeten nur als verkokelte Leichen. Im ganzen Saal lagen bereits Tote oder Sterbende, alle gehörten zu Lilith. Ein Teil von ihm hätte sie am liebsten möglichst lange für ihren Verrat leiden lassen, doch da die Zeit knapp war, begnügte er sich damit sie zu verbrennen oder mit ihren eigenen Waffen umzubringen. Manche waren von seinen Schatten durchbohrt oder zerfetzt worden, aber dummerweise hatten der Rest daraufhin begonnen den Raum so zu beleuchten, dass es nirgends mehr Schatten gab, die er kontrollieren konnte. Wie er es hasste, wenn Gegner lernten.
 

Ira unternahm einen weiteren Vorstoß, Invidia kam von der anderen Seite. ‚Eins muss ich ihnen lassen. Sie arbeiten gut zusammen.‘
 

Natürlich trafen sie wieder nicht, dafür ertönte eine neue Stimme vom Eingang. „Ihr habt den Spaß ohne mich begonnen? Wie gemein.” Der Dämonengott fuhr herum und starrte das Objekt seines Hasses zornig an. Lilith hatte (wie immer) dieses selbstgefällige Grinsen aufgesetzt und sah sich amüsiert im Saal um. „Es scheint als hätte ich den besten Teil verpasst. Wirklich bedauerlich.”
 

„Wie?”, war alles was der Dämonengott antwortete. Lilith legte den Kopf schief. „Pardon? Ich verstehe leider nicht was du meinst.”
 

„Das weißt du ganz genau.”, knurrte er. „Wie bist du her gekommen ohne dass wir es bemerkt haben und wie hast du die Barriere zerstört?”
 

„Ah, das...nun, ich hatte tatkräftige Hilfe von einigen mächtigen Freunden. Was die Barriere betrifft...” Sie lachte. „Welch Ironie...in gewisser Weise hast du dir es selbst eingebrockt. Dein jüngster Sohn hat mich befreit und ein weiterer hat die ganze Zeit für mich gearbeitet. Deine Söhne waren schon immer deine größte Schwäche.”
 

Satan spürte wie das Blut in seinen Adern gefror, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Lilith fort. „Du hast es immer noch nicht begriffen, wie? Es war von Anfang an Azazel.”
 

Ihre Worte waren wie Messerstiche. „Du lügst!”, fauchte er, doch leider hatte er das Gefühl, dass sie ausnahmsweise die Wahrheit sprach. Die rothaarige Dämonin lachte nur. „Ach wirklich? Denk doch mal nach. Wessen Idee war es denn ursprünglich den Nephilim mit nach Gehenna zu nehmen, mh? Ganz genau, Azazel. Durch ihn habe ich überhaupt von der Existenz des Halbbluts erfahren und davon, dass deine restlichen Bastarde nach Assiah reisen. Er hat bei dem Attentat auf die Ratsmitglieder und Valefor geholfen, er hat Aulak rein gelassen, er hat Jahi auf Astaroth gehetzt und sie gedeckt. Außerdem hat er ihr geholfen die Lieferungen verschwinden zu lassen, Kaliya auf Yukio angesetzt, uns von dem geplanten Ausflug nach Assiah erzählt und natürlich absichtlich Fehler gemacht, als ihr die Barriere neu errichtet habt, sodass sie leicht zu zerstören ist. Ohne ihn wäre ich nie so weit gekommen.~”
 

Der Dämonengott wusste nicht, was er denken oder glauben solle. Etwas sagte ihm, dass Lilith nicht log, aber er konnte nicht glauben, dass Azazel ihn freiwillig verraten würde. Es steckte mehr dahinter. Es musste so sein. Vor allem wenn man bedachte, wie sehr sich sein Zustand in den letzten Monaten verändert hatte. Irgendetwas verschwieg die Dämonin. Er schnaubte. „Ich weiß nicht, was du mit ihm gemacht hast oder womit du ihm gedroht hast, aber du wirst damit nicht durchkommen. Du wirst verlieren, Gehenna wird sich dir nie unterwerfen.”
 

Lilith verzog den Mund. „Das werden wir ja noch sehen. Aber jetzt...” Sie zog ihr Amulett hervor. „...gehören du und der Thron mir.”
 

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Als sich Izumo dazu entschlossen hatte, Exorzistin zu werden, wusste sie bereits, dass sie Dinge erleben würde, die ihre wildesten Vorstellungen übertrafen. Für sie kein großes Problem, aber zusammen mit den Dämonenkönigen in einem Wohnzimmer zu hocken und ihre Todesblicke zu ertragen, war dann doch etwas zu viel des Guten.
 

Als Rin plötzlich zusammengebrochen war, schienen auch die Baal Schmerzen zu haben, allerdings verlor keiner das Bewusstsein. Umso größer war die Sorge um den Nephilim. Nach einigen Diskussionen, Flüchen und Beleidigungen hatten sich die Dämonen Rin geschnappt und waren zusammen mit den Exorzisten zu ihrem Haus zurückgekehrt. Nun saßen sie also im Wohnzimmer, möglichst weit weg von den Dämonenkönigen, welche sich auf zwei der Sofas niedergelassen hatten. Sie selbst hatten sich Stühle aus der Küche geholt oder saßen am Boden. Egyn und Shura (sie hatten eine Weile diskutiert bis sie endlich mit durfte) waren oben bei Rin und Lucifer telefonierte in einem anderen Zimmer. Es herrschte unangenehme Stille, während sich beide Parteien feindselig anfunkelten. Iblis, Astaroth und Amaimon schienen kurz vor einem Mord zu stehen, Beelzebub schaute ebenfalls nicht sonderlich begeistert drein. Samael und Azazel waren dagegen die Ruhe in Person. Der Zeitkönig schien (warum auch immer) der Meinung zu sein, dass nun eine gute Zeit zum Tee trinken war, Azazel starrte gedankenverloren auf den Couchtisch.
 

Die Adepten versuchten zu Beginn teilweise das Starren zu erwidern, doch gaben es ziemlich schnell auf. Zum einem weil es extrem unangenehm war, zum anderen wegen ihrer Sorge um Rin. Was er erzählt hatte, schockte sie, doch sie würden nicht ihren Fehler von damals wiederholen. Sie hatten sich von ihm distanziert, als seine Verbindung zu Satan ans Licht kam und ihn damit sehr verletzt. Das hatte er nicht nochmal verdient. Izumo fiel auf, dass auch Yukio einige säuerliche Blicke kassierte. Wahrscheinlich hatten die Baal bis vorhin nicht gewusst, wie er mit Rin umgegangen war. Zugebenermaßen war die angehende Exorzistin selbst erschrocken gewesen. Sicher, ihr war öfter aufgefallen, dass Spannung zwischen ihnen herrschte, aber dass ihr Lehrer tatsächlich auf seinen eigenen Bruder geschossen und ihm gesagt hatte, er solle sterben, war nun wirklich unangebracht. Je länger sie darüber nachdachte, umso mehr sank ihr Ansehen für den jüngeren Okumura Zwilling. Rin war zwar öfter ein Idiot, aber das was ihm da an den Kopf geworfen wurde, hatte er nicht verdient. Dass ihm dann aber auch noch die Schuld für den Tod des ehemaligen Paladins gegeben wurde, war die Krönung. Der Halbdämon hatte nie genau erzählt, was in jener Nacht geschehen war, nicht einmal Yukio, aber sie konnte sich gut vorstellen, dass es ihn auf ewig gezeichnet hatte. Umso überraschender war es, dass er Satan nun als seinen Vater akzeptierte und sogar mochte.
 

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sich die Tür öffnete. Shura betrat den Raum, gefolgt von Egyn und Lucifer. Alle drei hatten grimmige Gesichtsausdrücke aufgesetzt. „Also? Was ist jetzt? Wie geht's ihm?”, fragte Iblis ungeduldig, doch mit einem Hauch von Besorgnis in der Stimme.
 

Egyn fuhr sich erschöpft durch die Haare und ließ sich. „Ich habe gute und schlechte Nachrichten. Die guten sind, dass Rin nicht zusammengebrochen ist, weil ihm etwas fehlt.”
 

„Also ist es wegen Vater?”, erkundigte sich Amaimon.
 

„Eine andere Erklärung gibt es nicht.”
 

„Also hat sie wirklich...?”, murmelte Beelzebub.
 

„Wahrscheinlich.”, seufzte Samael.
 

„Dann wusste sie also, dass wir weg sind.”, knurrte Astaroth.
 

Iblis nickte düster. „Jemand hat uns verraten.”
 

Shura, Yukio und die Adepten verstanden nur Bahnhof. „Ich unterbreche ja nur ungern, aber wir sind auch noch da.”, fuhr Shura dazwischen. „Würde jetzt mal jemand erklären, was los ist? Warum ist Rin wegen Satan zusammengebrochen?”
 

„Familienmitglieder sind miteinander verbunden. Wir können unter bestimmen Voraussetzungen spüren, wenn einer von uns in Gefahr ist.”, erklärte Lucifer. „In diesem Fall ist jedoch die Verbindung mit Vater irgendwie abgerissen. Das ist schon so schmerzhaft genug, aber aufgrund seiner Flammen ist Rins Verbindung mit ihm nochmal wesentlich stärker als unsere. Darum ist er auch zusammengebrochen.”
 

„Also hat irgendjemand oder irgendetwas Satan kalt gemacht?”, fragte Shima verblüfft.
 

„Tot ist er nicht, aber sehr geschwächt, vielleicht sogar verletzt.”, erwiderte Samael. Izumo meinte Frustration in der Stimme herauszuhören.
 

Die Adepten wechselten Blicke. Wer oder was war bitte stark genug, um den Gott der Dämonen derart in Bedrängnis zu bringen? Shura war die Erste, die sprach. „Ist es diese Lilith?” Der Name erschien vertraut. Die Baal hatten sie bei ihrem letzten Aufenthalt in Assiah erwähnt.
 

Azazel nickt. „Sie ist die Einzige, die in Frage kommt.”
 

„Wer ist sie?”, fragte Bon, offensichtlich noch immer misstrauisch. „Ihr hattet damals eine Rebellion erwähnt?”
 

Die Dämonenkönige wechselten düstere Blicke. „Ich schätze wir kommen nicht drum die ganze Geschichte zu erzählen, wie?”, murmelte Astaroth.
 

Wieder war es Lucifer, der die Erklärung übernahm. „Lilith ist die erste Dämonin Gehennas, sozusagen Vaters Gegenstück, nur ohne die Flammen und nicht so mächtig. Sie war außerdem seine erste Frau.”
 

„Ich dachte, sie wäre Adams erste Frau?”, mischte sich Yukio ein. Es war das erste Mal, dass er sprach seit sie im Haus angekommen waren.
 

Iblis verdrehte die Augen. „Dann denk nicht, sondern hör' zu.”
 

Nachdem er tief Luft geholt hatte, begann Lucifer alles zu erzählen. Wie Satan Lilith als erste Frau genommen und später verlassen hatte, wie sie als Rache fast all seine späteren Ehefrauen tötete oder töten ließ und wie sie Gehenna in einen Krieg gestürzt hatte, nur um mit ihrem Gefolge versiegelt zu werden. Danach berichtete er davon, was sich in dem letzten halben Jahr in Gehenna abgespielt hatte, wie sie alle terrorisiert hatte und sich später durch Rin befreien konnte. Zum Schluss kamen ihre Pläne für Assiah und Gehenna. Als er fertig war, starrten ihn die Exorzisten an. „Also...passiert das alles nur, weil eine Dämonen nicht verkraften konnte, dass Satan ihr den Laufpass gegeben hat?”, hakte Shima nach.
 

„So dämlich es klingt, mehr oder weniger.”, grummelte Beelzebub.
 

„Kann er nicht einfach mit Lilith wieder zusammen kommen und das Problem ist gelöst?”, schlug Miwa vor und sank sofort zusammen, als er mörderische Blicke erhielt.
 

„Hast du sie noch alle?! Hast du nicht zugehört?!”, fauchte Astaroth. „Diese Hure hat unsere Mütter ermordet. Abgesehen davon würde sie nie zufrieden sein, solange wir leben und sie ist eine schlechte Herrscherin. Sie hat damals den Spitznamen "Die irre Königin" bekommen.”
 

Shiemi rutschte unruhig auf ihrem Platz herum. „Also gibt es keine Möglichkeit, das friedlich zu klären?”
 

Egyn schüttelte den Kopf. „Ihr wird nur noch mit Blut verziehen.”
 

„Aber wenn sie euch so sehr hasst, wird sie doch jetzt sicher Jagd auf euch machen. Ihr könnt nicht nach Gehenna zurück.”, stellte Shura fest.
 

Lucifer nickte. „Das stimmt, aber um uns mache ich mir weniger Gedanken. Sie kann uns hier nur schwer aufspüren und selbst wenn, können wir uns wehren. Ich sehe eher bei Rin das Problem. Mit seinen Flammen könnte sie einiges anstellen und dass sie bereits einmal von ihm Besitz ergriffen hat, macht es nicht besser. ”
 

„Und wie kann sie aufgehalten werden?”
 

„Wir müssten das Amulett zerstören. Oder ihr wegnehmen. Wird aber nicht einfach, weil sie das Teil immer um den Hals trägt. Würde mich nicht wundern, wenn sie es sogar im Bett um hätte.”, kommentierte Azazel düster. „Außerdem ist Vater wahrscheinlich der Einzige der sie aufhalten kann.”
 

Damit war der Fall für Izumo klar. „Also befreien wir Satan.”
 

„WAS?!”, entfuhr es Bon. „Du schlägst ernsthaft vor dieses Monster zu befreien?! Er hat einen Haufen Leute umgebracht und unsere Leben ruiniert!”
 

„Buhu.”, erwiderte Azazel schnippisch. „Meine Mutter wurde von einem Haufen wildgewordener Harpyien zerfetzt und ich musste zusehen, aber heule ich deswegen rum oder weigere mich sie als mein Gefolge anzunehmen? Es geht hier um Gehenna und Assiah, dein kleiner Rachefeldzug ist unbedeutend.”
 

Das verschlug ihnen die Sprache.
 

„Abgesehen davon ist Gehenna Assiahs Gegenstück.”, fuhr Amaimon fort. „Wenn wir untergehen, dann tut ihr es auch.”
 

„Eben!”, sagte Izumo schnippisch in Richtung Bon. „Ich bin ganz sicher kein Fan von Satan, aber er klingt auf jeden Fall nach dem kleineren Übel.”
 

Shiemi und Shura wirkten als würde sie zustimmen, Shima und Koneko schienen zu wanken, Bon und Yukio waren offensichtlich dagegen, auch wenn sie meinte die ersten Zweifel im Gesicht des Adepten zu entdecken.
 

„Scheint als ob zumindest eine hier Intelligenz besitzt.”, stellte Astaroth sichtlich zufrieden fest.
 

„Satan ist zu gefährlich. Abgesehen davon haben wir keine Garantie, dass ihre Geschichte stimmt.”, knurrte Yukio.
 

„Immer diese Vertrauensprobleme...”, seufzte Samael.
 

„Wenn du uns nicht glaubt, dann frage Rin. Es wird es bestätigen.”, antwortete Beelzebub.
 

Erneut schien der Brillenträger protestieren zu wollen, doch Shura fuhr dazwischen. „Nehmen wir jetzt mal an, wir würden zustimmen mit euch zusammenzuarbeiten. Was dann?”
 

Der Lichtkönig überlegte kurz. „Wir brauchen so viele Exorzisten wie möglich auf unserer Seite. Dazu kommen die Illuminati und die Hexenzirkel.”
 

„Hexen?”
 

„Sterbliche, die mit Dämonen einen Vertrag abgeschlossen haben, um bestimmte Kräfte und Fähigkeiten sowie ein sehr langes Leben zu erhalten. Sie trinken etwas vom Blut des Dämonen, sodass sie an ihn gebunden sind und sind dadurch verpflichtet ihm zu dienen, wenn er es verlangt. Dieses Blutsband ist fest verankert und kann nicht einfach gelöst werden. So ziemlich alle existierenden Hexen und Hexer gehören zu uns oder Vater, also sollte es nicht schwer sein ihre Unterstützung zu bekommen.”
 

Shura hab eine Augenbraue. „Und das funktioniert?”
 

„Ja, Blut ist eines der mächtigsten existierenden Substanzen. Es wird für verschiedene Rituale und zur Freisetzung bestimmter Fähigkeiten verwendet. Man kann nicht nur Sterbliche dadurch an sich binden, sondern auch Dämonen. Sie müssen uns dienen.”
 

„Also sind sie versklavt?”, presste Bon hervor.
 

Iblis verdrehte die Augen. „Natürlich nicht. Der Vertag ist freiwillig. Manche Familien sind schon seit Jahrtausenden in unseren Diensten und wenn eines der Kinder sich weigert beizutreten, dann ist das in Ordnung. Sie können auch aus dem Zirkel austreten, wenn wir einverstanden sind.”
 

Bevor jemand antworten konnte, hörten sie ein seltsames Geräusch. Alle erstarrten. Es klang wie ein Kratzen und kam von der Haustür. Die Dämonenkönige wechselten sichtlich verwirrt Blicke, Iblis stand auf, um nachzusehen, was los war. Sie hörten wie sich die Tür öffnete, dann einen dumpfen Aufschlag gefolgt von lautem Fluchen. „Du dämliches Fellknäul! Komm her!”
 

Sie hörten wie etwas kleines den Flur entlang flitzte, doch eh sie reagieren konnte, sprang etwas schwarzes, pelziges in das Zimmer und landete halb in Shimas Gesicht, da dieser das Pech hatte am nächsten zur Tür zu sitzen. Nun erkannten sie auch wer es war. Izumo hatte sich schon gefragt, wo er wohl steckte. Kuro verschwendete keine Zeit, sondern sprang von dem geschockten Adepten und landete auf dem Couchtisch. Im selben Moment kam Iblis rein gestürmt. „Jetzt reicht's! Komm her, du blödes Vieh! Diesmal grille ich dich am Spieß!”
 

Kuro reagierte nicht, sondern begann zu miauen, während er nervös auf und ab lief. „Hey, jetzt mal langsam, wir verstehen kein Wort.”, unterbrach Astaroth das Gemaunze. Oh richtig, Dämonen verstanden ihn. Den Exorzisten blieb nichts weiter übrig, als dazusitzen und abzuwarten. Kuro schein endlich fertig zu sein, denn die Dämonenkönige wechselten besorgte Blicke. „Also was hat er gesagt?”, drängelte Shura.
 

„Lilith hat Pandemonium -also die Hauptstadt- angegriffen und wohl inzwischen den Palast übernommen. Die Barrieren sind einfach zusammengebrochen.”, übersetzte Lucifer düster.
 

„Das kann nicht sein, wir haben die zusammen gestern erst neu errichtet. Niemand kann die einfach zerstören!”, knurrte Iblis.
 

„Dann hat einer von euch einen Fehler gemacht.”, erwiderte Samael. Der Feuerkönig sah ihn wütend an. „Wir? Du kannst es genauso verbockt haben!”
 

Der Zeitkönig verdrehte die Augen. „Mir passieren solche dummen Missgeschicke nicht.”
 

„Uns genauso wenig, die Barrieren um unsere Paläste haben wir alle selbst errichtet und da gab es nie Probleme!”
 

„Vielleicht ist euch allen ein Missgeschick passiert.”, warf Shiemi schüchtern ein. „Bei einem Fehler zerbricht doch nicht die ganze Barriere, oder?”
 

Astaroth verdrehte die Augen. „Typisch Sterbliche. Haben keine Ahnung von irgendwas...”
 

„Wenn sich mehrere Personen zusammenschließen, um eine Barriere zu errichten, wird sie dadurch automatisch stärker, aber man darf sich dafür nicht den kleinsten Fehler erlauben. Ansonsten bricht sie bei der nächsten Belastung zusammen wie ein Kartenhaus.”, erklärte Egyn geduldig.
 

Bon runzelte die Stirn. „Überprüft ihr eure Barrieren nicht?” Iblis schnaubte. „Natürlich tun wir das und da haben sie gehalten.”
 

„Vielleicht war der Fehler so klein, dass er erst bei der nächsten stärkeren Belastung deutlich geworden ist?”, schlug Beelzebub vor.
 

„Das erklärt immer noch nicht, woher sie wusste, dass wir weg sind. Wir, unsere Stellvertreter, Vater und Alastor waren die einzigen die davon wussten.”, murmelte Amaimon.
 

Egyn biss sich auf die Lippe. „Irgendjemand muss sich verplappert haben.”
 

„Was schaut ihr alle Iblis und mich an?”, fauchte Astaroth.
 

„Euch ist schon mal was raus gerutscht, was keiner wissen sollte...”, gab Beelzebub zu Bedenken.
 

„Das war in der Mittelstufe bei einer verdammten Arabischklausur!”, verteidigte sich der Fäulniskönig. „Wie lange wollt ihr uns das noch vorhalten?! Abgesehen davon heißt das nicht, dass wir sowas wichtiges rumerzählen.”
 

„Wer war es dann?”
 

„Was weiß ich! Alastor mag uns nicht, aber Lilith hasst er noch mehr und er würde ihr Gehenna nie überlassen. Ankou und Amon sind unsere Kindheitsfreunde, der Rest hat keinen Grund und Shax ist zusammen mit Alastor der beste und älteste Freund von Vater. Er kennt uns alle seit unserer Geburt und ist sogar für Vater zum Elternabend in unsere Schule gegangen, wenn er nicht konnte!”
 

Die Exorzisten beschlossen besser nicht nachzufragen, warum es Elternabende in Gehenna gab. Anscheinend hatten sie dort Schulen wie in Assiah? Die Dämonenkönige wollten weiter diskutieren, doch ausgerechnet Samael fuhr dazwischen. „Anschuldigungen bringen uns hier nicht weiter.”
 

Azazel nickte. „Überlegen wir lieber, wie wir weiter machen. Nur weil Lilith Pandemonium eingenommen hat, bedeutet das nicht, dass unsere Gebiete sich ihr automatisch unterwerfen. Sie wird überall auf Widerstand stoßen.”
 

„Sicher?”, schnaubte Iblis. „Die werden eher alle jämmerlich krepieren.”
 

Shura sah sie nacheinander an. „Ihr sitzt wirklich tief in der Tinte, was?” Wütendes Starren war die Antwort, sie seufzte. „Na gut, ihr habt meine Unterstützung.”
 

Sie wirkten überrascht. Shura, du könntest als Verräterin hingerichtet werden.”, fauchte Yukio sie an.
 

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich habe nicht vor zu sterben. Und wenn sie verzweifelt genug sind, um zu uns zu kommen, ist es wohl übel.”
 

„Ich mache ebenfalls mit.”‚ verkündete Izumo. Shiemi stimmte zögernd zu, gefolgt von Shima. Bon und Koneko wirkten absolut nicht begeistert, aber wollten ihre Freunde nicht alleine lassen. Yukio hätte die Baal offenbar immer noch gerne erschossen und schwieg. Scheinbar wurde dies als Zustimmung gedeutet.
 

„Super, jetzt können wir ja nur gewinnen.”, kommentierte Astaroth bissig.
 

Ein Teil der angehenden Exorzisten konnte da nur zustimmen. ‚Wenn das mal gut geht.‘

Zerbrechlicher Frieden

Bon konnte immer noch nicht glauben, dass er sich soeben mit Dämonen verbündet hatte. Wenn das raus käme, wäre seine Exorzistenkarriere vorbei, bevor sie überhaupt begann. Erstaunlicherweise stellte er fest, dass es ihn nicht wirklich kümmerte. Er war noch nicht bereit Satan zu verzeihen, auch wenn er die blaue Nacht angeblich verursacht hatte, um Rins und Yukios Mutter zu retten. Allerdings rückte es den Dämonengott durchaus in ein neues Licht und wenn er die Dämonenkönige näher beobachtete, musste er sich eingestehen, dass sie anders waren, als er sie sich vorgestellt hatte. Wie sie miteinander umgingen, zeigte eindeutig, dass sie sich zwar öfter stritten, aber dennoch umeinander sorgten. Genau wie Geschwister bei den Menschen. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er sie wirklich für normale Menschen halten können. Er wollte Rin gern glauben und versuchen die Dämonen nicht als Monster anzusehen, sondern sich selbst ein Bild zu machen, aber es war nicht einfach. Außerdem war da noch die Frage, was danach kam. Im Moment waren sie Verbündete, aber sobald Lilith besiegt war, würden sie sich wieder im Kampf gegenüber stehen und Rin hatte klar gemacht, welche Seite er wählte. Konnte er überhaupt weiterhin mit ihm befreundet sein? Die Frustration nahm immer mehr zu. Warum musste er sich plötzlich zwischen Freundschaft und Verpflichtung entscheiden? Innerlich seufzend wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch zu.
 

Alle waren etwas verwirrt, als Lucifer sie nach ihren Namen frage, was Azazel mit „Sollen wir euch etwa Exorzist eins, Exorzist zwei und so weiter nennen?” kommentierte. Interessanterweise wechselten sie Blicke als Shiemi ihren Namen nannte, doch Bon achtete nicht weiter darauf. Nachdem sie sich etwas verunsichert vorgestellt hatten, begannen sie gemeinsam ihr Vorgehen zu planen. Noch immer herrschte Angespanntheit, vor allem Iblis und Astaroth warfen ihnen kalte Blicke zu. Sie zwangen sich, es zu ignorieren. Wenn sie Satan wirklich befreien wollten, mussten sie früher oder später nach Gehenna. Mit Zuversicht erfüllte es sie allerdings nicht gerade. Zu ihrer großen Verwunderung hatte sich Beelzebub inzwischen ein Blatt Papier besorgt und damit begonnen eine Karte von Gehenna zu zeichnen. Azazel half ihm, wenn er etwas vergaß einzutragen. Nach ungefähr fünf Minuten waren sie schon fertig. Zusammen schauten die Exorzisten auf die Karte. Darauf waren neun Bereiche zu sehen, einige Flüsse und Wälder, wichtige Gebäude, Gewässer und Berge. „Warum kannst du so gut malen? Und dann auch noch so genau.”, fragte Miwa etwas verwundert. Der Insektenkönig zuckte mit den Schultern. „Ich zeichne in meiner Freizeit öfter und Azazel hat ein photographisches Gedächtnis.”
 

„Ernsthaft?”, murmelte Shima und sprach damit Bons Gedanken aus. Ein Dämon, der zeichnete? Sammelten sie vielleicht noch Briefmarken und gärtnerten?  
 

„Glaubt ihr, wir sitzen den ganzen Tag auf unseren Thronen und geben Anweisungen? Schön wär's.”, grummelte Azazel.
 

„Aber...bei Samael sehen die Schlachtpläne immer wie Kuchen aus.”, murmelte Shima verwirrt. Die Dämonenkönige brachen in Gelächter aus, während der Zeitkönig entrüstet seine (nicht vorhandenen) Zeichenkünste verteidigte. „Sorry Sammy, aber recht hat er.”, antwortete Azazel schulterzuckend und wandte sich an die Exorzisten. „Und ja, wir haben Hobbies wie jeder andere auch. Beel hat sogar einen Blog zu Insekten und einige seiner Follower sind Exorzisten.” Sie beschlossen einfach nichts mehr zu sagen. Es wurde sonst zu seltsam.
 

„Jetzt aber mal zurück zum Wesentlichen.”, sagte Shura. „Was wollen wir jetzt mit der Karte?”
 

„Planen.”, antwortete Lucifer und deutete auf das Zentrum der Karte, wo ein kleiner Turm zu sehen war. „Dieses Gebiet ist Pandemonium und das ist Vaters Palast, wo sich Lilith im Moment aufhalten wird. Wahrscheinlich ist Vater auch dort. Die zweite Möglichkeit ist ihr eigener Palast, der irgendwo im unerforschten Gebiet liegt.”
 

„Unerforschtes Gebiet?”
 

„Im Gegensatz zu Assiah entwickelt sich Gehenna weiter. Es dehnt sich immer weiter aus, also müssen wir Kundschafter senden, um die entstehenden Gebiete besiedeln zu können. Das kann allerdings sehr gefährlich sein, weil man nie weiß, was dort lauern könnte. Da wir momentan keinen Platzmangel haben, war das jedoch seit einer Weile nicht mehr nötig. ”
 

Egyn schnappte sich derweil einen Stift und setzte einige Kreuze am Rande des Gebietes südlich von Pandemonium. „Hier waren die Dörfer, die sie angegriffen hat. Ihr Palast liegt also wahrscheinlich südlich von Iblis' Reich. Möglichkeit Nummer drei wäre der Tartaros.” Er umkreiste eine kleine Gittertür welche an der Grenze zwischen Iblis' Gebiet (keiner konnte die Buchstaben lesen, also wussten sie den Namen nicht) und Pandemonium lag.
 

„Ist der Tartaros nicht eine Art Grube, wo böse Wesen gefangen gehalten werden?”, erkundigte sich Miwa zögernd. Beelzebub nickte. „In der Mythologie der Sterblichen schon. Es liegt auch teilweise unter der Erde und ist ein Gefängnis, also ist es gar nicht mal weit daneben. Hier landen die übelsten Verbrecher Gehennas. So ziemlich 99% der Insassen sind zum Tode verurteilt oder einige werden dort gefoltert. Bisher ist noch keinem die Flucht gelungen, da es ein riesiges Labyrinth voll mit Fallen und Bestien ist. Bis vor ein paar Wochen.”
 

„Ihr foltert?”, fragte Shiemi entsetzt.
 

„Wie sollen wir sonst an Informationen kommen?”, antwortete Amaimon schulterzuckend.
 

„Lange Rede, kurzer Sinn.”, fuhr Iblis dazwischen. „Im Gegensatz zum Tartaros sind Alcatraz, Bang Kwang, San Quentin, Askaban, ADX Florence, Fuchu und wie sie alle heißen, Disneyland.”
 

Konekomaru holte Luft, wahrscheinlich um den Dämonenkönig darauf hinzuweisen, dass es Askaban nicht gab, aber entscheid sich glücklicherweise um. Immerhin verstanden alle, was er damit sagen wollte. „Ihr glaubt, dass sie Satan in seinem eigenen Palast festhält. Warum nicht in einem von euren?”, hakte Izumo nach.
 

„Unsere jeweiligen Stellvertreter halten in den Palästen die Stellung.”, begann Egyn. „Bei Beelzebub hat Haus Lahash und bei Samael Haus Cain das Kommando übernommen. Dort kommt sie also vorerst nicht rein.”
 

”Allerdings hat keiner mit einem Angriff auf Pandemonium gerechnet, es wäre gut möglich, dass sie ebenfalls überrumpelt werden.”, warf Samael ein. „Wenn Lilith wirklich durch Agneya gekommen ist, kann es außerdem sein, dass es längst ihr gehört.”
 

„Dennoch kennt sie Vaters Palast am besten. Und wenn man ihr Ego bedenkt, will sie sicher dort auf dem Thron sitzen und nicht in ihrem eigenen Palast.”
 

Shura nickte langsam. Das machte wohl Sinn. „Und habt ihr eine Vorstellung, wo sie ihn genau eingesperrt haben könnte? Ich schätze mal, es gibt ein Verlies?”
 

Azazel bestätigte. „Es ist wie im Tartaros ein einziges Labyrinth, aber wir haben als Kinder oft dort unten gespielt, also werden wir uns nicht verlaufen.”
 

„Ihr habt im Verlies gespielt?”, entfuhr es Bon. Der Geisterkönig zuckte mit den Schultern. „Dort gab es gute Verstecke. Vater war nie allzu begeistert davon, aber egal. Jedenfalls hat sie ihn wahrscheinlich möglichst weit weg von der Mitte platziert. Shura sah ihn überrascht an. „Warum?”
 

Die Baal wechselten Blicke. „Seine Kräfte sind dort am stärksten. Mehr können wir nicht sagen.”, antwortete Egyn knapp. Er sah auf die Uhr. Es war bereits kurz vor Mitternacht. „Vielleicht sollten wir Schluss machen für heute. Ich gehe und schaue nochmal nach Rin.”
 

„Können wir ihn sehen?”, fragte Shiemi zaghaft.
 

„Nein.”, kam es von allen Baal wie aus einem Munde. Also konnten sie sich tatsächlich mal einig sein.
 

„Ach und warum nicht?”, knurrte Bon herausfordernd. Rin war ihr Freund, da durften sie ihn ja wohl sehen! Die anderen Adepten protestierten ebenfalls, nur Yukio bleib still. So langsam wurde er dem angehenden Aria richtig unsympathisch. Er hatte immer zu ihm aufgesehen, doch nach dem, was Rin erzählt hatte, war einiges anders. Ja, sie waren damals auch mehr als gemein gewesen, aber Yukio war sein Bruder!
 

Lucifer mischte sich ein, bevor ein Streit ausbrach. „Er braucht noch eine Weile Ruhe. Vielleicht morgen.” Noch immer waren sie dagegen, aber sie wollten sich nicht nochmal mit den Dämonenkönigen anlegen. Der Zwischenfall von vorhin reichte für ein Leben aus. Außerdem sollten sie Rin wohl nicht überwältigen, daher gaben sie widerwillig nach. Sie vereinbarten, sich morgen früh wieder zu treffen, vorerst sollten sie keinen Kontakt mit anderen Exorzisten aufnehmen. Die Dämonenkönige würden dafür versuchen sich mit verschiedenen Hexenzirkeln in Verbindung zu setzen. Da dies nun geklärt war, verschwanden Egyn, Samael und Azazel nach oben, Beelzebub in die Küche und Lucifer griff erneut zum Telefon. Ohne weitere Optionen schnappten sich die Exorzisten ihre Sachen und standen auf. Im Flur stellten sich allerdings Iblis und Astaroth in den Weg. Hinter ihnen lehnte Amaimon an der Wand, wieder mit einem Lutscher in der Hand und scheinbar teilnahmslos, aber man wusste nie.
 

„Gibt es sonst noch was?”, fragte Shura, bemüht ruhig zu sprechen.
 

Astaroth schnaubte. „Es ist uns scheißegal, was Lucifer sagt. Wir vertrauen euch nicht.”
 

„Dann haben wir wohl was gemeinsam.”, knurrte die Exorzistin.
 

Iblis trat bedrohlich näher. „Wenn wir mitbekommen, dass ihr Rin noch mal schadet oder ihn schlecht behandelt oder ihr es wagt uns zu verraten, werden die Exorzisten nicht mehr wissen, welcher Fetzen zu wem gehört hat, wenn wir mit euch fertig sind. Das verspreche ich euch.”, grollte er mit derselben dämonischen Stimme, welche er bereits im Wald benutzt hatte. Seine Augen glühten bedrohlich. Bon bewunderte Shura dafür, dass sie so ruhig blieb. „Haltet ihr euch an die Abmachung, dann tun wir es auch.”
 

„Oh, das werden wir. Dämonen zahlen immer ihre Schulden. Heimzahlen schließt das natürlich auch ein.”
 

„Wir sind vertrauenswürdig.”
 

Der Feuerkönig verdrehte die Augen. „Das sagen sie alle, aber wir wissen, wie ihr Menschen seid. Ihr dreht es euch, wie ihr es braucht und lasst alles andere fallen.”
 

„Wir haben Rin nie fallen gelassen!”, protestierte Shiemi, als sie die Andeutung erkannte. Astaroth lachte kalt auf. „Ja klar. Ihr wart ziemlich schnell weg, als ihr erfahren habt, wer er ist. Mag sein, dass ihr momentan mit ihm klar kommt, aber Menschen sind wankelmütig. Ihr wärt nicht die ersten "Freunde", die dafür sorgen, dass ein Nephilim auf dem Scheiterhaufen landet. Und was dich betrifft...”, er wandte sich an Yukio, welcher noch immer stumm blieb. „...richte nochmal eine Waffe auf unseren kleinen Bruder und du kannst was erleben.” Immerhin schienen sie sich wirklich um Rin zu sorgen. Vielleicht würde ihre Feindseligkeit später zumindest etwas nachlassen.
 

„Was steht ihr dumm da und glotzt? Raus hier!”, fauchte Iblis. Shura hab abwehrend die Hände. „Ist ja gut, wir sind schon weg.” Natürlich spürten sie auf den Weg nach draußen die hasserfüllten Blicke in ihren Rücken. Allerdings war das wohl immer noch besser als ein Messer.
 

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„Endlich sind die weg.”, knurrte Iblis und ließ sich auf das Sofa fallen. Seine restlichen Geschwister hatten sich ebenfalls im Wohnzimmer versammelt. Kuro war nach oben verschwunden. Laut Egyn ging es Rin bereits wesentlich besser und würde, wenn alles gut ging, morgen früh aufwachen.
 

„Worüber habt ihr euch im Flur unterhalten?”, erkundigte sich Azazel. „Ich konnte es oben nur gedämpft verstehen.”
 

Astaroth zuckte mit den Schultern. „Wir haben sie nur daran erinnert, dass sie sich besser an unsere Abmachung halten und Rin nicht schaden.”
 

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass Yukio ihn so schlecht behandelt und auch noch mit einer Waffe bedroht hat!”, entrüstete sich Egyn. „Wären wir nicht mit ihm verwandt, würde ich ihm dafür die Haut abziehen und die Innereien rausreißen...”
 

Iblis musste ein Grinsen unterdrücken. Egyn war eindeutig wesentlich zurückhaltender mit Gewalt, aber bei solchen Dingen war er nicht weniger sadistisch als der Rest. Der Feuerkönig musste sich sogar eingestehen, dass der Wasserdämon ihm manchmal sogar unheimlich war. Er erinnerte sich nur zu gut an diesen Alukah während der Rebellion. Es war kein Wasser in der Nähe gewesen, die Luft war zu trocken gewesen, um etwas daraus zu ziehen und Egyn hatte keine Waffen gehabt. Der Alukah hatte sich in Sicherheit gewogen doch nicht bedacht, woraus sein eigener Körper zu einem großen Teil bestand. Es war kein schöner Anblick gewesen, als der Wasserkönig mit ihm fertig gewesen war. Doch zurück zur Gegenwart.
 

„Geht es eigentlich nur mir so oder fühlt ihr auch keine Verbindung zu ihm?”, erkundigte Beelzebub. „Ich merke zwar, dass er Vaters Blut in sich hat, aber das war's. Als wir Rin getroffen haben, kam der Beschützerinstinkt bei mir sofort, aber bei Yukio war irgendwie nichts.”
 

Der Rest bestätigte, dass es ihnen ebenfalls so erging. „Es war zu erwarten, er ist nun mal ein Mensch.”, seufzte Lucifer. „Und es würde mich nicht wundern, wenn er und Rin sich weiter entfernen. Sie gehören in verschiedene Welten.” Sein Blick wanderte zu Azazel, welcher stumm auf den Tisch starrte. „Ist alles in Ordnung, Aza?”
 

Der Geisterkönig zuckte mit den Schultern. „Ich denke nur an Vater.”
 

Damit hatte er das ausgesprochen, worüber alle grübelten. Während die Exorzisten da waren, hatten sie sich nichts anmerken lassen, doch die Sorge um Satan war groß. Lilith würde ihn zwar nicht töten, aber das war nicht wirklich ein Trost.
 

„Irgendwie holen wir ihn da raus. Wir lassen Lilith nicht gewinnen.”, verkündete Astaroth entschlossen.
 

„Hoffen wir, dass sie uns nicht aufspüren kann. Rin wäre momentan ein gefundenes Fressen für sie.”, murmelte Beelzebub.
 

Iblis schnaubte. „Nochmal lass ich das ganz sicher nicht passieren. Die soll ja die Pfoten von ihm lassen.”  Er erhielt zustimmendes Nicken, dann stand Lucifer auf. „Wir sollten uns jetzt um die Hexenzirkel kümmern und danach besser ins Bett gehen. Ich habe keine Lust, euch morgen raus schleifen zu müssen.”
 

„Hätte Sammy die Exorzisten nicht so verdammt früh herbestellt, wäre das nicht nötig.”, grollte Iblis. Der nächste Morgen würde nicht angenehm werden, das wusste er jetzt schon. Der Zeitkönig verdrehte nur die Augen. „Hör auf, dich zu beschweren. Du wirst es überleben.”
 

„...Ich hasse dich aus tiefster Seele.”
 

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Lilith liebte es wirklich zu gewinnen. Seit Jahrtausenden ersehnte sie diesen Moment herbei und nun war er endlich gekommen. Nun, fast. Noch gehörte Gehenna nicht ganz ihr, Assiah musste sie ebenfalls noch unterwerfen und es den Menschen heimzahlen. Dennoch sie war zuversichtlich, dass dies rasch erledigt wäre. Sicher, die Dämonenkönige und der Nephilim stellten nach wie vor eine Bedrohung dar, doch nicht mehr lange. Das Halbblut würde sie schon bald in die Finger bekommen, Satan war aus dem Verkehr gezogen und Azazel fraß ihr fast aus der Hand. Nur die Stellvertreter nervten nach wie vor gehörig. Agneya, Iblis' Gebiet hatte sie auf den Weg nach Pandemonium eingenommen. Manala, Yggdrasil und Hawaiki, die Reiche von Azazel, Beelzebub und Egyn waren inzwischen gefallen, doch der Rest leistete durchgehend erbitterten Widerstand. Nicht, dass es viel nützen würde. Jegliche Hindernisse wurde ausgemerzt. Es hatte genug Verzögerungen gegeben und sie würde sich nicht von ein paar Adelshäusern und Bürgerlichen ihren Sieg ruinieren lassen. Sie nippte an ihrem Weinglas. Satan hatte eine stattliche Sammlung.
 

‚Bald ist es so weit.‘ Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sich die Tür öffnete und Superbia den Raum betrat. Die älteste Sünde kniete vor ihr nieder. „Majestät, bitte vergebt die Störung.” Wie sie diese Anrede vermisst hatte.
 

„Du kannst dich erheben. Was bringst du mir?”
 

„Avalon, Midgard und Folkwang leisten noch immer Widerstand. Momentan ist Invidia jedoch dabei ein Attentat auf Lord Cain zu verüben. Wenn er stirbt, wird Haus Cain sicher einknicken und Aion gehört euch.” Samaels Reich war also auch bald unter ihrer Kontrolle. Hervorragend. „Konntet ihr Indra bisher aufspüren? Ich habe solche Sehnsucht und ein Wiedersehen ist überfällig.”, fragte sie und kicherte. Wie sie es genießen würde diese Hure zu Tode zu foltern. Superbias Antwort missfiel ihr daher umso mehr.
 

„Bisher leider nicht. Ira leitet die Suche-” Weiter kam sie nicht, denn Lilith war aufgestanden und hatte ihr eine Ohrfeige verpasst. Das Geräusch hallte in dem leeren Saal wieder. „Inkompetentes Pack! Wie schwer kann es sein eine einzelne Zeitdämonin aufzuspüren?! Soll ich etwa gehen und sie selbst suchen?!”
 

„Natürlich nicht!”, antwortete Superbia erschrocken und senkte demütig den Kopf. „Bitte vergebt mir, es wird nicht erneut vorkommen. Wir werden sie finden und wenn ich jeden Stein in Gehenna umdrehen muss.”
 

„Das will ich dir auch geraten haben. Ich dulde kein Versagen. Es ist schlimm genug, dass du dich damals so leicht hast versiegeln lassen. Du solltest mir also besser beweisen, dass du kein nutzloser Klotz Fleisch und Haut bist, verstanden?!” Erneutes Nicken. Seufzend setzte sie sich wieder auf ihren Thron. Nun, es war Satans Thron, aber jetzt war sie die Herrscherin Gehennas und solange er nicht zur Besinnung kam, würde er weiterhin eingesperrt sein. „Hast du zumindest Neuigkeiten zu dem Nephilim und den Baal?”
 

Superbia nickte eifrig, offensichtlich erfreut Ergebnisse präsentierten zu können. „Sie sind nach wie vor in Japan und haben sich dort mit einigen Exorzisten getroffen. Es war eine Exorzisten namens Shura Kirigakure, der Bastardzwilling und mehrere Adepten, alle sind mit dem Nephilim befreundet. Sie haben eine vorrübergehende Allianz gebildet, um euch zu stürzen.” Die Dämonengöttin starrte sie an, dann begann sie für gut zwei Minuten zu lachen. Sie wollten sie mit einigen Exorzisten aufhalten? Wie drollig. „Also ist es tatsächlich gelungen? Wie erbärmlich.”, kicherte sie.
 

„Sie wollen mit weiteren Exorzisten Kontakt aufnehmen und auch die Hexenzirkel zur Hilfe rufen.”, fuhr die blonde Sünde fort. Ihre Erschafferin machte eine abwertende Handbewegung. „Also bitte. Als ob mir ein paar Hexen gefährlich werden können. Gibt es sonst noch etwas, dass ich wissen sollte?”
 

„Das ist vorerst alles. Sie bereiteten sich scheinbar für die Reise nach Gehenna vor, um Satan zu befreien. Aber das wird eine Weile dauern.”
 

„Sehr gut.” Ein irres Grinsen stahl sich auf ihre Lippen. „Lassen wir sie zu uns kommen. Du kannst jetzt gehen. Sag, dass ich nicht gestört werden will, es sei denn es gibt Neuigkeiten bezüglich der Lage in Assiah oder wenn ein weiteres Gebiet kapituliert. Und schicke die anderen los, damit sie Ira helfen.”
 

„Natürlich.” Damit verließ die Aveira den Saal. Lilith ließ derweil einen Handspiegel erscheinen und betrachtete ,noch immer mit diesem wahnsinnigen Grinsen im Gesicht, das Speigelbild darin. Es zeigte Rin, schlafend. „Keine Sorge mein Kleiner, dein Leiden hat bald ein Ende.” flüsterte sie sanft, fast schon liebevoll. „Du, wie dein Vater und Bruder, gehörst mir.”
 

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Manchmal wünschte sich Superbia wirklich, dass ihre Schwestern nie existiert hätten. Sie waren ihre Aufmerksamkeit kaum wert. Während Lilith, ihre Mutter und Erschafferin die Perfektion selbst war, so war Superbia nah daran. Nie würde sie es wagen sich auf eine Stufe mit ihrer Meisterin zu stellen, doch sie konnte stolz verkünden, dass sie über den Rest Gehennas stand. Ihre Schwestern dagegen waren...fehlerhaft. Sie waren bei weitem nicht so hingebungsvoll, wie es angebracht wäre und beschäftigten sich mit unwichtigen Dingen, anstatt alles zu tun, um ihre Königin zufrieden zu stellen. Dafür wurden sie geschaffen, doch sie akzeptierten es nicht. Sie wollten mehr. Sie waren dreist genug, um ihre eigenen Bedürfnisse vor ihre Aufgaben zu stellen. Dies war unentschuldbar. Irritiert knirschte sie mit den Zähnen. Wahrscheinlich vertrieb sich Luxuria mit irgendeinem namenlosen Dämon oder einer namenlosen Dämonin die Zeit in ihren Gemächern, Acedia schlief irgendwo und Gula plünderte zusammen mit Avaritia die Alkoholvorräte. Widerliches Pack.
 

Die Bediensteten bemerkten ihre schlechte Laune und machten, dass sie weg kamen. Auch die Wachen machten einen Bogen. Es war offensichtlich, dass keiner von ihnen begeistert davon war, dass Liliths Leute hier waren, aber früher oder später wären sie gezwungen es zu akzeptieren. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie fast in Luxuria hinein lief. „Hier steckst du also!”, giftete sie ihre Schwester an. „Was hast du getrieben?! Ach, egal. Ich will es nicht wissen. Wo sind die anderen?!”
 

Luxuria hob abwehrend die Hände. „Hey, bleib geschmeidig. Du bekommst nur Falten, wenn du dich weiter so aufregst.”
 

„Beantworte die Frage!”
 

Die jüngere Aveira verdrehte die Augen. „Wir haben nur zu Abend gegessen. Gula und Avaritia sind noch im Esszimmer und leeren einige Flaschen. Acedia ist auch dort, aber schläft wahrscheinlich.”
 

Also machten sie sich wirklich über den Alkohol her. Typisch! Schnaubend fuhr Superbia herum und lief ohne ein weiteres Wort voraus. Luxuria folgte ihr in kurzem Abstand. „Gibt es eigentlich Neuigkeiten? Ich habe gehört, dass Invidia unterwegs ist, um Aion zu unterwerfen.”
 

„Sie soll Lord Cain und notfalls die Familie gleich mit töten. Sein Haus wird dann einknicken und das Gebiet gehört uns.”
 

„Also nehme ich an, dass Mutter zufrieden ist?”
 

„Vorerst. Geschafft ist es aber erst, wenn Gehenna und Assiah vollkommen unter ihrer Kontrolle sind.”
 

„Dachte ich mir schon. Immerhin hat sie Satan wieder, das scheint ihre Laune erheblich gebessert zu haben.”, kommentierte Luxuria und seufzte. „Zu schade, dass er an sie vergeben ist. Er sieht besser aus als alle Dämonen, die ich kenne und ich wette, er ist klasse im Bett.” Superbia legte eine Vollbremsung ein und drehte sich um. „Was stimmt nicht mit dir?!”
 

Sie erhielt ein Schulterzucken. „Was denn? Er hatte insgesamt zehn Frauen und mehrere Affären, da ist das noch nur logisch. Allerdings würde ich zu seinen Söhnen auch nicht nein sagen...vielleicht lässt sie ja doch ein paar am Leben? Wäre sonst schade drum.” Sie leckte sich die Lippen. „Oh, und ich wette, der Nephilim ist noch unberührt. Ich könnte ihm so einiges zeigen...”
 

Warum musste sie so verdammt nervtötend sein?! „Noch ein Wort und ich schwöre, dass dir deine Unsterblichkeit nicht helfen wird!”
 

„Mann, du verstehst wirklich kein Spaß...”
 

„Wenn es nur Spaß wäre!” Endlich waren sie am Esszimmer angekommen und betraten es. Mehrere leere Flaschen mit verschiedensten Weinen und anderen alkoholischen Getränken waren auf dem Tisch verteilt. Acedia schnarchte vor sich hin.
 

„Na schau mal, wer da ist.”, begrüßte Avaritia sie. Ihre Füße lagen auf dem Tisch, in der rechten hielt sie eine halbvolle Flasche. „Und schon werden wir böse angestarrt...na, was passt dir denn diesmal nicht, oh Gebieterin?”
 

„Lass das!”, fauchte die Blondine. „Typisch, dass ihr wieder nur am trinken seid.”
 

„Denk an die Falten...”, murmelte Luxuria. „Halte die Klappe!”, kam die flapsige Antwort.
 

„Du solltest dich echt mal entspannen.”, seufzte Avaritia. „Pandemonium und ein großer Teil Gehennas gehören uns. Der Rest wird folgen, also komm runter.” Superbia funkelte sie wütend an. Warum verstand sie nicht, dass jetzt nicht die Zeit zum Ausruhen war?!
 

„Wie geht es denn nun eigentlich mit den Dämonenkönigen und dem Nephilim weiter?”, erkundete sich Gula. Immerhin eine zeigte Interesse. Aber warum musste es ausgerechnet Gula sein?
 

„Sie sind nach wie vor in Assiah, aber werden sicher bald von selbst zurück kommen.”
 

„Na, siehste.”, mischte sich Avaritia ein. „Also genug Zeit, um mal die Füße hochzulegen.„
 

„Nichts da.”, erwiderte die blonde Sünde unwirsch. „Ihr werdet Ira dabei helfen nach Indra zu suchen.” Kollektives Aufstöhnen ertönte.
 

„Ira kriegt das sicherlich alleine hin, da müssen wir uns nicht einmischen.”, grummelte Luxuria.
 

„Oh doch, das müsst ihr. Mutter hat es selbst befohlen.”
 

Damit war die Diskussion beendet. „All der Stress wegen einer Zeitdämonin...”, murmelte Acedia, welche inzwischen äußert unsanft geweckt worden war. Superbia ignorierte das Gemurre. Je früher dies erledigt war, umso besser.
 

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Rin war noch nie eine Morgenperson gewesen. Wenn er einmal schlief, dann schlief er auch. Nicht selten hatte er sich fünf Wecker stellen müssen, um sich irgendwie aus dem Bett zu quälen, doch selbst das funktionierte leider nicht immer. Irgendwie schaffte er es nach wie vor aller Nase lang zu verschlafen und zu allen möglichen Dingen zu spät zu kommen. Seine Lehrer hatten es irgendwann aufgegeben irgendetwas zu sagen und waren eher überrascht, wenn er pünktlich an seinem Platz saß. Diesmal war es anders. Das erste, was er spürte, war ein weicher Untergrund und die Wärme einer Decke. Dies verwirrte ihn. War er nicht in einem Wald gewesen? Langsam öffnete er die Augen. Er lag in einem fremden Schlafzimmer...nein, Moment. Es war das Zimmer, welches er sich mit Amaimon teilte. Doch wie war er her gekommen? Er dachte angestrengt nach, dann fiel ihm langsam wieder ein, was sich am vorherigen Abend abgespielt hatte. Iblis hatte die Kontrolle verloren und wollte seine Freunde und Yukio angreifen, also hatte er eingegriffen, danach kam ein Streit mit Yukio und dann...Schmerzen. Fürchterliche Schmerzen. Als hätte man einen Teil seines Körpers herausgerissen. Seltsamerweise hatte er tatsächlich das Gefühl, als würde etwas fehlen und damit eine gewisse Leere zurücklassen. Er setzte sich auf und sah sich im Zimmer um. Amaimons Bett war verlassen und ungemacht, einige leere Süßigkeitsverpackungen lagen auf dem Boden herum. Überrascht stellte er fest, dass der Spiegel an der Wand mit einem schwarzen Tuch verhangen worden war. Hatte einer seiner Brüder neuerdings Angst vor Spiegeln?
 

Er stand auf und begann sich anzuziehen. Danach ging er zum Fenster und zog die Vorhänge beiseite. Zu seiner weiteren Verwunderung ging gerade erst die Sonne auf. So früh stand er sonst nie auf. Ob seine anderen Geschwister ebenfalls wach waren? Der Nephilim beschloss einfach nach unten zu gehen. Zumindest auf Amaimon müsste er treffen, falls dieser nicht draußen unterwegs war.
 

Bevor er die Tür erreichte, kam etwas schwarzes in den Raum gehuscht, sprang ihn an und warf ihn fast um.
 

„Riiiiin! Ich bin so froh, dass es dir gut geht!”, ertönte eine nur allzu vertraute Stimme. Der Nephilim war überrascht. „Kuro, was machst du denn hier?”
 

Die Nekomata sah ihn etwas nervös an. „Na ja, Lord Satan hat mich geschickt und ähm...vielleicht solltest du mit deinen Brüdern reden.” Rin runzelte die Stirn. Normalerweise sagte er direkt, was los war. Mit Kuro auf der Schulter verließ er das Zimmer und ging die Treppe hinunter.
 

In der Küche fand er alle Dämonenkönige bis auf Iblis vor. Lucifer und Samael lasen Zeitung, Amaimon machte sich über ein Stück Kuchen her, Azazel trank Kaffee und spielte an seinem Telefon herum, Beelzebub ließ sich eine Schale Müsli schmecken, Egyn knabberte an einem Toast und Astaroth lag mit dem Kopf auf der Tischplatte.
 

„Morgen...”, begrüßte Rin sie noch etwas verschlafen. Alle sahen auf. Egyn begann sofort los zu rattern. „Rin! Geht es dir gut? Tut dein Kopf noch weh-”
 

Azazel fuhr dazwischen. „Bitte nicht so früh am morgen...schlimm genug, dass uns Samael aus dem Bett geworfen hat, da brauchen wir nicht noch deine Hysterie.”
 

„Aber-”
 

„Mir geht es gut, wirklich.”, versicherte Rin hastig, während er sich setzte. Kuro sprang von seiner Schulter und machte sich über eine Schale mit Futter am Boden her. „Aber...was ist gestern Abend passiert? Wo sind die anderen? Woher kamen diese Schmerzen?”
 

„Den Exorzisten geht es gut. Wir konnten sie zu einer Zusammenarbeit bewegen.”, beruhigte der Lichtkönig ihn. „Wir erzählen dir alles, aber zuerst isst du etwas. Wir haben nicht so früh mit dir gerechnet...”
 

Der Nephilim hatte absolut keinen Appetit, aber aß und trank etwas auf das Drängen seiner Geschwister hin. Zwischendurch kam auch ein überaus schlecht gelaunter Iblis dazu. Seine Haare waren zerzaust und immerzu musste er gähnen. „Verdammt sollen Samael und seine Schlafgewohnheiten sein.”, war alles, was er sagte. Scheinbar war er sogar zu müde, um sich über Kuro aufzuregen. Anschließend erfuhr Rin, was nach seinem Zusammenbruch alles geschehen war. Er war entsetzt, als er erfuhr, dass Lilith nicht nur Gehenna übernommen, sondern auch Satan besiegt hatte und es offensichtlich noch einen weiteren Verräter gab. Hörte das denn nie auf? Unangenehmes Schweigen folgte, als Lucifer fertig erzählt hatte. Tausende Gedanken kreisten im Kopf des Halbdämonen umher. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sein Vater dieser rothaarigen Hexe ausgeliefert war. Auch machte er sich Sorgen um die Stellvertreter, Kyrene, Agash, Vaya...sie alle standen in gewisser Weise mit seiner Familie in Verbindung, was würde also mit ihnen passieren? Und was würde mit deren Familien passieren?
 

„Denke gar nicht dran, dir daran die Schuld zu geben.”, verkündete Beelzebub streng. „Wenn einer Schuld trägt, sind wir es. Wir hätten Lilith nicht unterschätzen dürfen und uns ist ein Fehler bei den Barrieren unterlaufen.”
 

„Das halte ich nach wie vor für unwahrscheinlich.”, kommentierte Samael, doch Rin hörte nicht wirklich zu. „Ihr habt erwähnt, dass Shura und meine Freunde mit der Zusammenarbeit einverstanden sind, aber ist mit Yukio? Was hat er dazu gesagt?”
 

Die Dämonenkönige wechselten Blicke. Das bedeutete nie etwas Gutes. „Er war eher..zurückhaltend.”, begann Egyn vorsichtig. „Er hat noch immer Probleme damit uns zu vertrauen und hat, wenn ich mich gerade nicht täusche, kein Wort gesagt. Wir wissen allerdings nicht, ob aus Trotz oder aus Schock wegen deines...Ausbruches.”
 

„Diesbezüglich sollten wir nochmal reden.”, knurrte Astaroth. „Warum hast du nie gesagt, dass er dich nicht nur wie Dreck behandelt hat, sondern dich auch noch umbringen wollte? Der hat sie ja wohl nicht mehr alle beisammen!”
 

Rin zuckte unwillkürlich zusammen. „Ich...ich habe es nicht für wichtig gehalten-”
 

„Ist es aber!”, fuhr Iblis dazwischen. „Und wenn er oder sonst wer dich je wieder so behandelt, komm zu uns. Danach werden die dich nie wieder stören. Keiner legt sich mit unserem kleinen Bruder an und kommt damit davon.” Diese Aussage war rührend und etwas beängstigend zugleich.
 

„Es ist schon ok.”, antwortete der Nephilim hastig. „Ich denke nicht, dass er mir nochmal Probleme bereiten wird. Ich hatte in diesem Moment einfach nur genug und...egal.” Er biss sich auf die Lippe. „Also...ist er immer noch sauer auf mich.”
 

„...Wahrscheinlich.”, seufzte Lucifer.
 

„Vergiss ihn.”, knurrte Iblis. „Er ist ein Arschloch und hat dich nicht verdient. Soll er sich eben von den Exorzisten herumkommandieren lassen.”
 

Rin sah ihn entsetzt an. „Wie kannst du das sagen? Er ist mein Bruder! Und damit auch eurer!” Erneut wechselten sie Blicke. „...Oder nicht?” Hatte er irgendwo etwas verpasst?
 

„Aus biologischer Sicht ist er unser Halbbruder, ja...”, begann Azazel langsam. „Doch da er ein Mensch ist, uns nicht akzeptiert und obendrein dich schlecht behandelt, ist es...kompliziert.”, fuhr Egyn fort. „Bei dir kamen damals unsere Instinkte sofort hervor und wir haben gleich eine Verbindung mit dir gespürt. Bei ihm war das nicht der Fall. Wir haben im Hinterkopf, dass wir mit ihm verwandt sind, aber wir können ihn nicht wirklich als Teil unserer Familie betrachten. Bruder hin oder her, Blutsbande können zerbrechen. Bei uns war ohnehin nie eins vorhanden und bei dir ist es am zerbrechen. Wärt ihr keine Zwillinge, wäre es längst fort.”
 

„Und eins sag ich dir: wenn er wirklich auf dich geschossen hätte, hätte er uns mit uns zu tun bekommen.”, knurrte Iblis. „Manche lernen es erst, wenn man ihnen das Fleisch von den Knochen reißt.”
 

Rin biss sich auf die Lippe.. „Also...gibt es keine Möglichkeit mich je wieder mit ihm zu vertragen?”
 

„Na ja, kommt drauf an.”, begann Azazel langsam.
 

Samael sah ihn scharf an. „Azazel.” Der Geisterkönig zuckte mit den Schultern. „Er hat ja wohl das Recht es zu wissen. Die meisten Nephilim können nur eine Seite ausleben, ihre menschliche oder die dämonische. Du konntest beide erleben, also wirst du dich für eine entscheiden können, sobald du dein unsterbliches Alter erreichst.”
 

Rin sah ihn überrascht an. „Also könnte ich wieder ein Mensch werden?”
 

„Nicht direkt. Du wirst immer zum Teil Dämon sein. Wenn du dich für die Sterblichkeit entscheidest, werden zum Beispiel dein Schweif und einige Instinkte bleiben. Allerdings wirst du logischerweise normal altern und irgendwann an Altersschwäche sterben. Eventuell wirst du sogar deine Flammen verlieren. Wenn du dich dagegen für deine Dämonenhälfte entscheidest, wirst du unsterblich werden, deine Kräfte werden noch stärker sein, du kannst in deine Dämonenform wechseln, von Sterblichen Besitz ergreifen und so weiter.”
 

„Moment, Dämonenform?”
 

Azazel nickte. „Hast du dich je gefragt, warum Dämonen oft mit Hörnern, Flügeln und Schweifen dargestellt werden?”
 

Rin runzelte die Stirn und sah Astaroth an. „Jetzt wo ich drüber nachdenke, als du damals von Shiratori Besitz ergriffen hast, hattest du Hörner. Was ist mit denen passiert?”
 

„Die verstecke ich in dieser Gestalt. Sie sind Teil meiner Dämonenform.”, erklärte er. Da der Nephilim immer noch verwirrt drein schaute, übernahm Lucifer die Erklärung. „Jeder Dämon hat eine Dämonenform. Man könnte es als unsere wahre Gestalt bezeichnen. Wir haben Hörner, unsere Haut verfärbt sich stellenweise oder komplett, manchmal verfärben sich auch die Haare, die Fingernägel werden zu Krallen und unsere Dämonenmale treten hervor. Außerdem verlängern sich die Zähne und Ohren und unsere Stimme wird wesentlicher tiefer und...verzerrter. Das dient unter anderem dazu gegenüber anderen Dämonen Dominanz auszudrücken.”
 

„Und man kann super Sterbliche und Exorzisten mit erschrecken. Ob nun im Kampf oder aus Langeweile.”, steuerte Astaroth bei.
 

Lucifer verdrehte die Augen. „Jedenfalls erschienen in der Dämonenform auch unsere Flügel und manche wachsen auch noch. Alastor ist so ein Kandidat.”
 

„Woah, jetzt wartet mal.”, unterbrach Rin ihn. „Flügel?! Ihr habt Flügel in eurer Dämonenform?!”
 

„Japp, die dienen neben Fliegen auch als Waffe und Schutz.”, bestätigte Astaroth. „Die Außenseite ist  nämlich hart wie Metall und können vielen Waffen stand halten. Die Kanten sind außerdem ziemlich scharf. Allerdings sind sie auch öfter im Weg. Ich werf ständig was mit denen um...”
 

Der Nephilim starrte sie immer noch an. Flügel. Gut, sie hatten alle einen Schweif, aber Flügel?! Er war sich nicht sicher, ob das seltsam oder cool war. „Aber warum seht ihr dann immer so menschlich aus? In Gehenna habt ihr doch keinen Grund euer Aussehen zu verstecken.”
 

„Je länger du in deiner Dämonenform bleibst, desto höher ist die Gefahr, dass du die Kontrolle über dich verlierst und beginnst alles um dich herum anzufallen. Man ist in dieser Form zwar wesentlich stärker, aber sollte nur im Notfalls darauf zurückgreifen. Manche Dämonen rennen auch mit ihren Hörnern rum, aber der Großteil behält nur den Schweif. Den verschwinden zu lassen, könnte nämlich als ein Zeichen von Schwäche ausgelegt werden.”, erklärte Lucifer. Der Nephilim fragte lieber nicht. „Man kann ich auch nur teilwiese verwandeln, aber das bringt jetzt eigentlich nicht viel. Höchstens wenn man einen Lacher braucht. Die meisten Sterblichen kreischen sofort los, wenn sich auch nur die Hand verwandelt.”, seufzte Azazel.
 

„Und das sieht jetzt wie aus?” Er wusste nicht wirklich, wie er sich das vorstellen sollte. Azazel zog daraufhin seine Jacke aus. Er konzentrierte sich und vor Rins Augen begann sich seine linke Hand und der Arm zu verändern. Die Hand wurde komplett schwarz und dunkelgrau, seine schwarzen Fingernägel wurden länger und etwas dicker, sodass sie wie Klauen aussahen. Auch erschienen die bereits bekannten schwarzen Linien, seine Dämonenmalen. So schnell wie alles aufgetaucht, verschwand es auch wieder.
 

Rin fühlt sich plötzlich ziemlich überwältigt. Zuerst erfuhr er, dass Lilith Gehenna übernommen hatte, dann musste er feststellen, dass er dabei war seinen eigenen Zwilling zu verlieren und nun auch noch das. Sicher, sie hatten bereits mehrmals das unsterbliche Alter erwähnt, aber von sowas war nie die Rede gewesen. Wenn er sich korrekt erinnerte, erreichte man das unsterbliche Alter in der Regel zwischen dem 16. bis 25.Lebensjahr (bei reinen Dämonen natürlich noch umgerechnet). Mit 16 hatte er es noch nicht erreicht, aber was wenn es mit 17 so weit war? Wie sollte er sich entscheiden? Wenn er die Unsterblichkeit wählte, konnte er bei seiner dämonischen Familie bleiben, aber was war mit seinen Freunden in Assiah? Sie alle würden altern, irgendwann sterben und verrotten. Shura, Yukio, seine Freunde, die Mönche im Kloster...er würde sie alle überleben. Nur Erinnerungen würden bleiben und wer weiß, ob die nicht irgendwann verblassten. Shiros Tod belastete ihn schon genug, wie sollte er mit so vielen weiteren klar kommen? Dafür würde er jedoch seine Familie verlieren, wenn er sich für die Sterblichkeit entschied. Warum musste immer alles so kompliziert sein?!
 

„Du musst dich nicht sofort entscheiden.”, beruhigte Lucifer ihn. „Vorerst haben wir dringendere Angelegenheiten zu regeln.” Rin nickte stumm, dann fiel ihm der Spiegel im Schlafzimmer ein. „Warum ist eigentlich der Spiegel oben verdeckt?”
 

„Das waren wir.”, antwortete Azazel. „Vielleicht kennst du ja diesen Aberglauben, dass wenn eine Person im Haus und stirbt und sie dann im Spiegel auftaucht, es weitere Tode geben wird, also wurden Spiegel und reflektierende Oberflächen zugehangen. Teilweise macht man das heute noch. Da ist in gewisser Weise was dran, verstorbene Seelen tauchen gerne mal in Spiegeln auf, natürlich ohne jemanden damit umzubringen. Jedenfalls können Spiegel auch benutzt werden, um in andere Welten zu schauen. Also haben wir sie zugehangen damit Lilith nicht versucht uns so zu beobachten oder sogar zu finden. Uns ist es leider erst gestern Abend eingefallen, als wir ins Bett gegangen sind.”
 

„Man kann Spiegel also zum stalken benutzen?”, hakte Rin verwundert nach. „Du kannst sogar andere darin einsperren. Allerdings verliert derjenige dann oft den Verstand.”, fügte Amaimon hinzu. Der Nephilim beschloss in Zukunft großen Abstand zu Spiegeln zu halten.
 

Astaroth schaute derweil zur Uhr. „Scheiße, die Exorzisten kommen in ein paar Minuten. Musstest du sie so früh herbestellen, Sammy?!”, grollte er irritiert. Der Zeitkönig verdrehte nur die Augen. „Hör auf dich zu beschweren. Je früher wir anfangen, umso besser.”
 

Rin hielt sich lieber raus und stand auf, mit Kuro dicht auf den Fersen, um schnell in das Badezimmer zu gelangen. Zwar gab es vier davon, aber er wollte lieber kein Risiko eingehen. Bei seinem Glück wären bald alle vier blockiert und er war wirklich nicht in Stimmung sich um die Reihenfolge zu streiten. Hoffentlich würde das Treffen mit seinen Freunden nicht zu seltsam werden.
 

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Als die Exorzisten das Haus betraten, machte sich in Rin eine gewisse Unruhe breit. Er hatte sie ein halbes Jahr lang nicht gesehen und im Wald hatte er keine wirkliche Gelegenheit gehabt mit ihnen zu sprechen. Die Adepten waren offensichtlich ebenfalls unsicher, wie sie sich verhalten sollten bis zumindest Shiemi sich einen Ruck gab und ihn umarmte. Die anderen begannen nun ebenfalls ein Gespräch zu beginnen. Sie erkundigten sich, wie es ihm ging, erzählten was sich dem letzten Jahr in Assiah alles abgespielt hatte und so weiter. Für einen Moment fühlte es sich an, als wäre er nie weg gewesen. Seine Geschwister hielten sich taktvollerweise im Hintergrund. Yukio dagegen war sichtlich unwohl und sagte nichts außer einem simplen "Hallo.". Gut, wenn die leberfleckige Brillenschlange es so wollte, dann eben auf die Tour. Immerhin war Shura ihm gegenüber nicht wütend. Was sie natürlich nicht davon abhielt ihn in einen Würgegriff zu nehmen, nachdem sie sich erkundigt hatte, wie es ihm ging. „Du verdammter Volltrottel! Was ziehst du hier so 'ne Show ab! Weißt du, was wir uns für Sorgen gemacht haben?!”, schimpfte sie. Samael und Beelzebub, welche ebenfalls im Flur standen, mussten sich Mühe geben, um das Lachen zu verkneifen.
 

„Ähm, hallo?! Rin an Samael und Beel...Hilfe, SOS hier drüben! Ich werde hier grad erwürgt!”, versuchte er ihnen telepathisch mitzuteilen, war sich jedoch nicht sicher, ob es ankam, da ihm noch die Übung fehlte. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hörten sie ihn sehr gut, doch sahen dennoch weiter amüsiert zu. „Wenn sie mich erwürgt, musst ihr Samaels Kram essen!” Dies motivierte den Insektenkönig recht schnell. „Er läuft bald blau an.”, kommentierte er, woraufhin Shura ihn endlich los ließ.
 

Sie gingen in das Wohnzimmer, wo wie schon gestern die Dämonenkönige die Sofas in Beschlag nahmen, während sich die Adepten zusammen mit Shura und Yukio mit den Stühlen begnügten. Rin entschloss sich nach einigem Überlegen dazu, sich an der Stirnseite des Tisches hinzusetzen, sodass er zwischen beiden Parteien saß. Und notfalls dazwischen springen konnte falls etwas schief ging. Kuro machte es sich auf seinem Schoß bequem. Nun konnte der Spaß beginnen. Während seiner Zeit in Gehenna hatte Rin Familientreffen in den frühen Morgenstunde zur absoluten Hölle erklärt. Wenn man sowas veranstaltete, wenn alle Dämonenkönige gerade erst aus dem Bett gekrochen waren, grenzte das schon Wahnsinn. Lucifer und Samael waren irgendwie immer wach, Azazel dagegen war immer müde, ebenso wie Amaimon, Iblis und Astaroth. Am besten ließ man sie dann einfach in Ruhe oder man konnte sich auf einiges gefasst machen. Egyn war nicht wirklich ausgeschlafen, aber auch kein Morgenmuffel, er brauchte ein paar Minuten zum wach werden, dann ging es. Das gleiche galt für Beelzebub. Diesmal sahen sie allerdings etwas mitgenommen auf. Wahrscheinlich hatten sie nicht wirklich schlafen können, wenn sie wussten, was Zuhause los war. Oder eben kaum etwas wussten.
 

Die Adepten sahen ebenfalls nicht wirklich wach aus, aber da sie keine Dämonen waren, bereitete ihm dies eher weniger Sorgen.
 

„Moment hier fehlt doch einer...wo ist Iblis?”, fragte Lucifer.
 

Wie auf Stichwort kam der Feuerkönig in den Raum geschlurft.„Komm ja schon...” Er wandte sich an die Exorzisten. „Wenn mich hier einer anspricht bevor ich meinen fünften Kaffee hatte, kann ich für nichts garantierten. Also Klappe.” Damit ließ er sich auf das Sofa fallen.
 

„Gut, da wir nun alle beisammen sind, können wir ja beginnen!”, verkündete Mephisto ausgelassen. „Hör auf so gute Laune zu haben...”, murmelte Azazel, während Iblis dem Clown einen Blick schickte, welcher „Ich werde dich im Schlaf ermorden.” verkündete. Das waren doch mal tolle Voraussetzungen.
 

„Also wir haben niemanden erzählt, was los ist, wie ihr es wolltet.”, begann Shura. „Kam bei euch was raus?”
 

„Wir haben uns mit einigen Hexenzirkeln in Verbindung gesetzt und bisher haben alle ihre Unterstützung zugesichert.”, antwortete Lucifer. „Zu Gehenna ist dafür jeglicher Kontakt abgebrochen.”
 

„Wen habt ihr denn versucht zu kontaktieren?”
 

„Hexen, unsere Stellvertreter, Verwandte...”
 

„Verwandte?”, fragte Rin verwundert.
 

„Durch unsere Mütter.”, seufzte Egyn. „Wir haben allerdings kaum Kontakt. Manche weil sie gegen die Heirat waren, andere wollten nach den Toden nicht mehr mit uns sprechen und manche sind einfach zu durchgeknallt. Alleine Cousin Azrael hat einen gewaltigen Dachschaden...er steht auf Augen und sammelt die.”
 

Astaroth und Beelzebub erschauderten. Rin sah sie fragend an, woraufhin Astaroth widerwillig zu erzählen begann. „Der hatte dieses Hobby schon als wir Kinder waren und wollte Beelzebub und mir die Augen für seine Sammlung ausstechen. Das kleine Mistvieh hatte schon das Messer in der Hand und ausgeholt, dann kamen seine Mutter und Vater dazu. Wären sie nicht gekommen, hätte er das sowas von durchgezogen.”
 

„Einer der Gründe warum wir auf Familientreffen eher verzichten.”, fügte Amaimon hinzu.
 

„Dann belassen wir es wohl besser dabei.”, kommentierte Shima nervös und zur Abwechslung stimmte da jeder zu. Rin wurde nun außerdem bewusst, dass Amaimon Azrael damals im Wald erwähnt hatte. Das wirkte schon wieder wie eine halbe Ewigkeit.
 

Lucifer lenkte das Gespräch zurück zur Planung. „Zurück zum Wesentlichen. Von Gehenna können wir vorerst keine Hilfe erwarten. Wir wissen nicht, über wie viel Kontrolle Lilith verfügt und wer weiß, was die Aveira treiben-”
 

„Die was?”, fragte Bon verdutzt.
 

„Richtig...vielleicht sollten wir zuerst erklären, womit wir zu rechnen haben.” Der Lichtkönig begann die von Lilith geschaffenen Dämonen zu erklären und beschrieb die Kräfte der Aveira.
 

„Also...die Aveira sind Teile von Liliths Seele und Verkörperungen der sieben Todsünden.”, fasste Izumo zusammen. „Superbia, also der Hochmut kann den Willen anderer kontrollieren. Invidia, der Neid ist eine Gestaltwandlerin und Zorn -Ira- kennt jeden Kampfstil und mit jeder Waffe umgehen?”
 

„Genau.”
 

„Und der Rest?”
 

„Luxuria -Wollust- kann eure Wünsche, Bedürfnisse, Hoffnungen und Ängste sehen und sehr überzeugende Illusionen schaffen. Wenn sie sich dann noch mit Acedia -Trägheit- zusammen tut, kann das richtig übel werden. Sie kann Erinnerungen manipulieren oder sogar auslöschen, andere einschläfern oder betäuben und den Geist beziehungsweise den Verstand anderer einsperren. Das ist so schon unangenehm genug, aber wenn sie dann ihre Kräfte mit Luxuria kombiniert, treibt einen das ganz schnell in den Wahnsinn. Während der Rebellion haben sich plötzlich ganze Einheiten gegeneinander gewandt und zerfetzt. Von ihrem Verstand war nichts mehr übrig. Außerdem kann sie einem die Motivation und damit den Kampfeswillen rauben und ihren eigenen Einheiten geben.”
 

„Bisher klingt sie am schlimmsten.”, stellte Koneko fest.
 

„Je nachdem wie man es sieht. Gula kann Kräfte und Fähigkeiten durch einfache Berührungen kopieren und selbst nutzen, allerdings nur für eine bestimmte Zeit und die blauen Flammen sind nicht betroffen. Avaritia beherrscht Transmutation und Transfiguration. Einfach erklärt: sie kann die Form und Struktur von Gegenständen verändern. Wenn also zum Beispiel ein Wurfmesser auf sie zufliegt, kann sie es ganz einfach zu etwas harmlosen werden lassen. Soweit ich weiß, funktioniert es nicht bei Lebewesen, aber ich würde es nicht ausreizen. Ansonsten kann sie Metalle manipulieren. Das klingt vielleicht im ersten Moment nicht schlimm, aber glaubt mir, sobald der erste Brückenpfeiler auf euch zufliegt, überdenkt ihr diese Einstellung ganz schnell.”
 

Die Exorzisten wechselten Blicke.
 

„Was denn? Angst?”, lachte Astaroth.
 

„Als ob!”, fauchte Shura und wandte sich wieder an Lucifer. „Du sagtest, sie wären Teile von Lilith. Heißt das, dass wir zuerst sie erledigen müssen, damit Lilith sterben kann?”
 

„Wissen wir nicht.”, erwiderte Azazel. „Gut möglich, dass sie sterben wenn Lilith stirbt, vielleicht leben sie auch unabhängig von ihr weiter. Sie sind zwar Teile von ihr, haben aber ihre eigene Persönlichkeit sowie ihre eigenen Gedanken und Vorstellungen. Invidia und Ira sind sehr sadistisch und blutdurstig. Ihnen ist es meist relativ egal, was Superbia ihnen sagt und sie sind auch nicht immer mit Liliths Entscheidungen einverstanden. Superbia würde alles tun was Lilith sagt, der Rest ist weniger fanatisch. Avaritia und Luxuria tun meist, was man ihnen sagt, aber sie sind keine großen Fans von unnötiger Grausamkeit. Sie töten unter anderem keine Kinder. Gula und Acedia sind Mitläufer.”
 

„Tröstet mich jetzt irgendwie nicht so...”
 

„Wie auch immer.”, mischte sich Egyn ein. „Im Moment scheint sie noch mit Gehenna beschäftigt zu sein, aber wir haben sie jetzt oft genug unterschätzt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis sie mit dem Angriff auf Assiah loslegt. Die Erdbeben, die Tsunami und das seltsame Wetter ist erst der Anfang. Sie wird wahrscheinlich ganz Gehenna auf die Menschen hetzen, dann haltet ihr nicht mal eine Woche durch. Erst recht nicht, wenn sich alles und jeder im Zwiespalt befinden.”
 

„Du meinst die Ritterschaft?”
 

„Nicht nur.”, seufzte Beelzebub. „Momentan ist doch in ganz Assiah alles dabei den Bach runterzugehen. Führer verschiedenster Länder würden sich am liebsten gegenseitig in die Luft jagen, manche sind intelligenter als es vielleicht gut ist, während andere nicht mal die Flagge ihres eigenen Landes richtig zeichnen können. Dann mischen sich welche in Kriege ein und sorgen für die nächsten Konflikte und so weiter und so fort. Und ganz nebenbei tragt ihr alle noch zur Vernichtung eurer eigenen Welt bei, weil ihr alles verdreckt oder ganze Tierspezies aussterben beziehungsweise kurz davor stehen.”
 

„Diese Welt ist am verrotten, ganz einfach.”, fügte Azazel hinzu. „Es ist immer dasselbe. Irgendwas passiert, die Leute regen sich einmal auf ohne was zu tun und sobald dann der nächste Twitter Skandal kommt, ist das vorherige Thema vom Tisch. Genauso gut könnt ihr für Lilith gleich eine Willkommensparty schmeißen.”
 

Shura hab eine Augenbraue. „Also...sollen wir mit dem, was passiert an die Öffentlichkeit gehen? Wir sollen gestehen, dass es eine zweite Welt voller Dämonen gibt?”
 

„Eventuell wird es dazu kommen. Der Orden allein ist vielleicht nicht genug.”
 

„Aber dann würde Massenpanik herrschen!”, fuhr Bon dazwischen.
 

„Schau mal raus. Die sind so oder so am durchdrehen.”, knurrte Astaroth. „Und lieber erfahren sie die Wahrheit, als das sich jemand die Situation zunutze macht und irgendwelche Lügen auftischt, um im Vorteil zu sein.”
 

„Du meinst uns Exorzistin.”, stellte Yukio bitter fest. Es war das erste Mal, dass er gesprochen hatte.
 

Azazel zuckte mit den Schultern „Unter anderem. Wäre nicht das erste Mal, dass die Kirche sowas abzieht. Wenn ihr uns nicht glaubt, googelt mal Hexenverfolgung. Oder die Kreuzzüge. Wikipedia hat lange Artikel dazu.”
 

„Vorerst sollen wir uns trotzdem auf die Ritterschaft konzentrieren.”, warf Lucifer schnell ein.
 

Shura nickte. „Ich nehme an, ihr habt einen Plan.”
 

„Ja und eventuell wird der euch nicht gefallen.”
 

Rin hatte befürchtet, dass er sowas sagen würde.

Neue Verbündete?

Rin konnte nicht fassen, wie schwer es war Verbündete zu finden, obwohl sie gegen eine Dämonin kämpften, die die Menschheit versklaven wollte. Inzwischen waren er und seine Brüder seit drei Wochen in Assiah, seit einer Woche sogar in Kōbe und noch immer ging es eher schleppend voran. Hexenzirkel in verschiedensten Ländern hatten ihre Unterstützung zugesichert, die Illuminati machten mit und auch unter den Exorzisten hatte man bereits mehrere Verbündete finden können. Dank Bons tatkräftigem Einsatz gehörten die Myōō Dharani ebenfalls dazu. Dennoch würde es nicht ausreichen. Sie mussten irgendwie die gesamt Ritterschaft auf ihre Seite bekommen oder zumindest einen großen Teil, allerdings sah es diesbezüglich nicht allzu rosig aus. Die Grigori ließen niemanden zu sich und Angel wimmelte Shura stets ab. Außerdem hatten sie vor einigen Tagen eine Nachricht aus Gehenna bekommen. Sie war von Amon und was er schrieb, war nicht erbaulich. Folkwang und Avalon, die Reiche von Astaroth und Lucifer, waren die einzigen, die noch Widerstand leisteten. Der Rest war gefallen und befand sich unter Liliths Kontrolle. Der Kontakt mit den übrigen Stellvertretern war abgebrochen, er wusste nicht, ob sie überhaupt noch am Leben waren. Von Satan hörte man ebenfalls nichts. Vereinzelt gab es Widerstände in ganz Gehenna, doch diese wurden brutal niedergemetzelt. Außerdem waren mehrere Gefangene im Tartaros begnadigt worden und verbreiteten nun Chaos, wo sie nur konnten. Allerspätestens jetzt wurde jedem der Ernst der Lage bewusst. Sobald Avalon und Folkwang fielen, wäre Assiah als nächstes dran. Ihnen lief die Zeit davon.
 

Schlussendlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als irgendwie die Aufmerksamkeit der japanischen Zweigstellte auf sich zu ziehen. Wenn sich herumsprach, dass mehrere Dämonenkönige in Assiah unterwegs waren, würde man früher oder später den Paladin und weitere hochrangige Exorzisten schicken. Dann mussten sie diese irgendwie von ihrem gemeinsamen Problem überzeugen und hoffen, dass die Grigori zumindest auf sie hören würden. Momentan lagen ihre Hoffnungen also gewissermaßen bei Angel. Sie waren alle verloren.
 

Es war bekannt, dass der momentane Paladin absolut nichts von Dämonen hielt und Rin erinnerte sich nur zu gut an den Zwischenfall mit seinem Bein. Hinzu kam, dass er nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte war und sich demzufolge mit normaler Logik nicht unbedingt überzeugen ließ. Am einfachsten wäre es wohl ihm zu zeigen, was auf sie zukam, aber das war nicht wirklich möglich.
 

Demzufolge hatte Lucifer einen bescheuerten, aber wohl einzig machbaren Plan ausgearbeitet: zusammen mit seinen Geschwistern für Aufsehen sorgen, Angel von den anderen Exorzisten trennen und ihn alleine konfrontieren. Paladin hin oder her, nie im Leben konnte er es mit allen Dämonenkönigen aufnehmen. Danach hieß es hoffen, dass er ihnen glaubte. Rin war nicht optimistisch. Ohnehin war ihm in den letzten Wochen so manches durch den Kopf gegangen. Er hatte erfahren, dass auch die Mönche im Stift ihre Unterstützung zugesagt hatten. Scheinbar hatte Shura ihnen einen Besuch erstattet und die Situation erklärt. Sie freuten sich wohl sehr, dass es ihm gut ging und er hätte sie wahnsinnig gerne besucht, aber wusste, dass seine Geschwister darauf bestehen würden, mitzukommen. Wenn man jedoch bedachte, dass einer von einen mit einem LKW in die Kirche gebrettert war und anschließend die Exorzisten bekämpft hatte und sie notfalls auch getötet hätte, erschien es nicht wie die beste Idee. Gut, eventuell würde sich Astaroth Rin zuliebe entschuldigen, aber die Situation wäre dennoch recht unangenehm.
 

Eine weitere Sache, welche ihm Kopfzerbrechen bereitete, war nach wie vor das unsterbliche Alter. Paymon hatte ihm damals gesagt, dass Nephilim in beide Welten gehörten, doch nun hatte er erfahren, dass er sich doch für eine Hälfte entscheiden musste. Irgendwann ließ es ihm keine Ruhe mehr und er war zu Amaimon und Beelzebub gegangen. Der Rest war beschäftigt und er wollte die beiden nicht zu lange aufhalten, also fasste er sich kurz. Diese hatten sich alles wortlos angehört und anschließend einen kurzen Blick gewechselt. „Wir dachten uns schon, dass dich das nicht loslässt.”, seufzte Beelzebub. „Paymon hat in gewisser Weise recht. Egal wofür du dich am Ende entscheidest, du wirst immer ein Nephilim sein und gehörst somit in beide Reiche. Deine Wahl bestimmt nur, ob du unsterblich oder sterblich bist und es wird Einfluss auf deine Fähigkeiten, deinen Geist und deinen Körper haben. Wenn du dich für die Unsterblichkeit entscheidest und somit deine Dämonenhälfte stärkst, kannst du nach wie vor nach Assiah und deine Freunde besuchen und wenn du dich für die Sterblichkeit entscheidest, kannst auch jederzeit zu uns kommen. Allerdings kannst du nicht mehr so lange bleiben, weil deine stärkere menschliche Hälfte dann mit der Dämonenhälfte in Konflikt gerät.”
 

„Also...entscheidet es mit welcher Hälfte ich eine stärkere Verbindung habe, aber ich gehöre trotzdem noch zu Assiah und Gehenna.”
 

Amaimon hatte bestätigt. „Ja. Du wirst immer zu der gewählten Seite neigen, aber so gesehen musst du dich nicht komplett von deiner Menschlichkeit oder Dämonenhälfte trennen.” Nach kurzem Zögern hatte Beelzebub weiter geredet. „Wir werden dich natürlich zu nichts zwingen, aber wir würden uns freuen, dich zu haben. Wir wissen, dass es schwer sein wird, weil du dann irgendwann zusehen musst, wie deine Freunde sterben, aber....na ja...du bist eben unser kleiner Bruder...” Danach waren er und der Erdkönig wieder an die Arbeit gegangen.
 

Rin seufzte leise, als er sich daran erinnerte. Er war den beiden mehr als dankbar, dass sie ihn unterstützten, aber war sich nicht sicher, ob auch all seine anderen Geschwister und vor allem sein Vater es genauso sehen würden. Der Dämonengott hatte ihn lange gesucht, also war es fraglich, ob er ihn so schnell wieder gehen lassen würde. Ein großer Teil von Rin wollte außerdem nicht weg, sondern in Gehenna bei seiner Familie bleiben und Assiah einfach vergessen. Wie sollte er rational eine Entscheidung fällen, wenn seine Instinkte ihn so sehr beeinflussten?! Schnell zwang sich der Nephilim an etwas anderes zu denken. In letzter Zeit zog sich sein Magen stets zusammen, sobald er an Satan dachte. Seitdem die Verbindung zu ihm abgerissen war, hatte er das Gefühl ein riesiges Loch in sich zu haben. Er wusste, dass Lilith Satan nicht umbringen würde, aber tröstend war es nicht. Er richtete sich grummelnd von seinem Bett auf, als er die Türklingel hörte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es wohl Shura sein musste. Er schnappte sich Kurikara und machte sich auf den Weg nach unten in das Wohnzimmer, wo die Exorzistin bereits mit Samael, Egyn und Azazel wartete.
 

„Hey, Shura.”, begrüßte er den Rotschopf. Natürlich hielt sie schon wieder eine Bierdose in der Hand. Hoffentlich hatte sie die selbst mitgebracht und sich nicht in der Küche bedient, sonst würde sie es mit Iblis und Astaroth zu tun bekommen. Sie grüßte zurück, wirkte jedoch etwas angespannt und vor allem müde.
 

„Lange Nacht?”
 

„Versuche es eher mit "lange Woche".”, antwortete sie düster. „Wir bekommen überall Berichte von Dämonensichtungen rein und bei den anderen Zweigstellen und Büros sieht es nicht anders aus. In Asien ist es am schlimmsten, Europa geht noch und beim Rest tauchen langsam die ersten Probleme auf.”
 

Der Nephilim verstand ihre Frustration gut. Im Laufe der letzte Wochen waren immer mehr Dämonen nach Assiah gekommen. Ein kleiner Anteil waren Flüchtlinge, die sich nur verstecken wollten, der Rest gehörte zu Lilith und verbreitete Chaos. Lucifer und Beel waren momentan unterwegs, um einige der Flüchtlinge aufzuspüren und sich ihre Unterstützung zu sichern.
 

Nun kamen auch Iblis, Amaimon und Astaroth dazu. Sie waren den ganzen Tag unterwegs gewesen und hatten sich größte Mühe gegeben, um die Aufmerksamkeit der Exorzisten zu erregen. Da diese dummerweise nicht wussten, wie die Baal aussahen (mit der Ausnahme Amaimons) mussten sie sich sogar extra anstrengen, was sie absolut nicht gewohnt waren. Fairerweise musste man sagen, dass die Exorzisten alle Hände voll zu tun hatten.
 

„Hätte mir jemand noch vor kurzem gesagt, dass es so schwer sein kann Aufmerksamkeit zu erregen, hätte ich denjenigen ausgelacht.”, grummelte Iblis, während er sich auf dem Sofa niederließ. „Man sollte doch meinen, dass spontane Selbstentzündungen die Exorzisten alarmieren würden, aber nein...und wenn man sie dann überhaupt nicht gebrauchen kann, kommen sie scharenweise an. Vielleicht sollten wir beim nächsten Mal einfach unsere Namen und "was here" an eine Wand der Heiligkreuz-Akademie sprühen. Dann hätten sie es um einiges schneller kapiert.”
 

Shura, welche inzwischen mitbekommen hatte, dass es nichts brachte sich auf Iblis' Provokationen einzulassen (außer vielleicht ihn zu amüsieren), verdrehte nur die Augen. Wieder öffnete sich die Haustür und die fehlenden Dämonenkönige betraten den Raum.
 

„Und wie ist es gelaufen?”, fragte Astaroth sofort.
 

„Überraschend gut.”, antwortete der Lichtkönig. „Wir konnten eine große Gruppe sofort überzeugen, eine kleinere ist noch am überlegen.”
 

Azazel verzog den Mund. „Es sollte nichts zu überlegen geben, sie sind verpflichtet uns zu dienen.”
 

„Das stimmt, aber wenn wir sie jetzt zwingen, würde das nur Streiterei geben.”, erinnerte Beelzebub ihn.
 

„Jetzt aber mal zum wesentlichen.”, fuhr Lucifer dazwischen und richtete das Wort an Shura. „Ist alles erledigt?”
 

„Ja, ich habe die Berichte abgegeben. Sie planen heute Abend ein Team unter Angels Führung zu diesem abgelegenen Lagerhaus zu schicken. Ich bin auch mit dabei. Momentan gehen sie noch davon aus, dass nur einer oder vielleicht zwei von euch dort sind.”
 

„Dann funktioniert immerhin mal etwas. Was haben sie für Meister?”
 

„Alles ist dabei und sie alle sind Exorzisten ersten Ranges.”
 

„Klingt gut, dann wird es wenigstens mal interessant.”, kommentierte Astaroth. „Auch wenn wir uns einen Haufen Ärger sparen würden, wenn wir ihm einfach eins überbraten. Dann müssen wir ihn nur noch fesseln und knebeln und den Vatikan erpressen.” Iblis, Amaimon und Azazel nickten zustimmend. Rin wäre ebenfalls sofort dabei.
 

„Meine Unterstützung hättet ihr, aber viel bringen würde das nicht. Die Grigori würden nicht nachgeben und ehrlich gesagt, würde ich Angel auch nicht zurück haben wollen.”, seufzte Shura.
 

Lucifer ignorierte den Einwurf. „Alle kennen den Plan?”
 

Kollektives Aufstöhnen ertönte. „Zum hundertsten Mal, JA!”, knurrte Iblis. Schlussendlich gingen sie den Plan dennoch erneut durch. Lucifer, Samael und Azazel würden sich mit Angel und Shura in einem verlassenen Lagerhaus treffen oder besser gesagt ihnen dort auflauern. Zuvor mussten sie von den übrigen Exorzisten getrennt werden. Dies übernahmen Iblis, Astaroth und Amaimon. Zusammen mit einigen Hexen und Hexern sollten sie die Exorzisten so lange wie möglich beschäftigen und auch feindliche Dämonen zurückhalten. Währenddessen hielten Beelzebub, Egyn und Rin auf dem Dach des Lagerhauses Wache, sodass nicht doch noch jemand dort rein stürmte, wenn er irgendwie an den anderen Dämonenkönige und den Hexenzirkeln vorbeikam. Normalerweise hätten die Baal Rin nicht mitgenommen, immerhin bestand ein hohes Risiko, dass er mit Exorzisten in Kontakt kam, aber sie wollten ihn auch nicht alleine lassen. Keiner hielt es für eine gute Idee, wenn er den Paladin ebenfalls konfrontierte, also blieb nur das Dach.
 

Während Shura sich auf den Weg zurück zur Heiligkreuz-Akademie machte, gingen Rin und seine Geschwister zu dem Lagerhaus. Es war ein viereckiges, graues Gebäude am Rande eines ruhigeren Bezirkes, die Fenster und Türen waren zum größten Teil vernagelt und Graffiti überzogen die Wände. Lange würde es wohl nicht mehr bis zum Abriss dauern. Sie betraten die Halle durch eine Hintertür. Dort warteten bereits die Hexen und Hexer auf sie. Im Gegensatz zu den Märchen waren dies keine alten Männer und Frauen mit grüner Haut, spitzen Hüten, Besen und Warzen. Sie waren äußerlich nicht von normalen Menschen zu unterscheiden, gingen zur Schule oder arbeiten, hatten Familien und Freunde. Dafür hatten sie alle irgendwo auf ihrem ein Symbol, welches sie als Hexe (oder Hexer) und Mitglied eines Coven auswies: ein umgedrehtes Pentagramm mit dem Siegel des Dämonen an den sie gebunden waren in der Mitte und darunter der Name des Hexenzirkels. Laut seinen Geschwistern tauchte dieses Zeichen auf sobald sie ihren Vertrag abgeschlossen und damit der Gruppe beigetreten waren. Traditionell bestanden diese aus 13 Mitgliedern mit einem Hohepriester oder einer Hohepriesterin an der Spitze, doch inzwischen war diese Regel gelockert worden. Dadurch konnten auch ganze Familien beitreten und wurden nicht getrennt. Häufig schlossen sich außerdem kleinere Coven zu einem großen zusammen, die Hohepriester und Hohepriesterinnen übernahmen dann als Rat die Führung.
 

Die Baal verschwendeten keine Zeit, sondern begannen sofort damit Anweisungen zu geben. Dann ging es los. Iblis, Amaimon und Astaroth gingen mit den Hexen und Hexern nach draußen. Rin, Beelzebub und Egyn stiegen die Treppe hoch und betraten das Dach. Nun hieß es abwarten.
 

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Shura war nach wie vor nicht allzu begeistert vom Plan des Lichtkönigs. Zum einen, weil sie gezwungen war den Glatzkopf länger als sonst zu ertragen, zum anderen weil der Ausgang dieser Aktion absolut nicht vorhersehbar war. Sie glaubte nicht, dass Angel seinen Dämonenhass für längere Zeit beiseiteschieben konnte oder bereit war den Dämonenkönigen länger als fünf Sekunden zuzuhören. Besonders Mephisto verachtete er. Ein Rascheln ließ sie und ihre Begleiter zusammenzucken, allerdings stellte es sich nur als eine Katze heraus. Dennoch blieb sie auf der Hut. Die Baal hatten sich vehement geweigert auch nur ein Wort zu den Hexenzirkeln zu verlieren, also hatte sie keine Ahnung, was sie diesbezüglich erwartete. Bisher waren sie auf keine Dämonen getroffen, von einigen Kohletierchen abgesehen.
 

„Ist es wirklich sicher, dass hier Dämonenkönige operieren?”, fragte plötzlich eine Aria der Gruppe. „Irgendwie fällt es mir schwer zu glauben, dass sie sich in abgelegenen Warenhäusern in Industriegebieten verstecken.”
 

Ein Knight verdrehte die Augen. Wenn sich Shura korrekt erinnerte, war er der Bruder. „Dämonen sind gerissen, Naomi. Irgendwas werden sie sich schon dabei denken.”
 

„Ich weiß, aber-”
 

„Ruhe!”, fauchte Angel. „Konzentriert euch gefälligst!” Die Geschwister murmelten eine schnelle Entschuldigung und die Gruppe ging vorsichtig weiter. Shura wurde derweil immer unruhiger. ‚Worauf warten sie? Wir sind gleich da!‘
 

Als hätte jemand ihre Gedanken gelesen, ertönte aus einer Gasse plötzlich ein tiefes Grollen, dann schoss ein Schwarm Kohletierchen hervor und hüllte die Exorzisten ein. „Was zur Hölle?!”, rief einer der Männer. Natürlich bleib es nicht nur bei den Kohletierchen. Mehrere Ghule stürmten hervor, gefolgt von Hobogoblins, Salamandern und Kreaturen, welche sie nicht mal zuordnen konnte. Sie griffen zwar noch nicht an, doch umkreisten die Gruppe. Gleichzeitig hörte sie Iblis' Stimme. „Na, was haben wir denn hier? Dass ihr Exorzisten euch aber auch immer in Sachen reinhängt, die euch nichts angehen.” Er sprang vom Dach und landete einige Meter vor ihnen. „Iblis, Dämonenkönig des Feuers. Was geht?”, stellte er sich vor. Verständlicherweise sahen ihn alle wie vom Donner gerührt an. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass Dämonenkönige so...locker drauf waren. Shura konnte es ja manchmal selbst kaum verstehen. Auch wenn der Dämon nicht so aussah, war er mehrere Jahrtausende alt, doch verhielt sich wie ein Teenager und seine Geschwister waren mit der Ausnahme Lucifers und Samaels nicht besser. Angel war einer der ersten, der sich erholte und zog sein Schwert. „Deine Machenschaften enden hier, Dämon!”
 

Der Feuerkönig war unbeeindruckt. Er verdrehte nur die Augen. „Da stelle ich mich schon vor und werde trotzdem "Dämon" genannt. Das ist nicht mal eine Beleidigung. Könnt ihr nach all den Jahrtausenden nicht mal etwas kreativer werden?”
 

Angels Auge zuckte irritiert. Offensichtlich gefiel ihm Iblis' Art nicht. „Gib auf und beantworte unsere Fragen oder-”
 

„Oder ich werde es bereuen?”, lachte Iblis. „Erzähl mir mal was neues. Und du glaubst, dass du mich besiegen kannst? Niedlich. Ich bin zwar damals einmal sitzen geblieben, aber dumm bin ich nicht. Ihr seid es, die lieber aufgeben sollten. Na egal...” Feuer züngelten auf und verteilten sich über seinen ganzen Körper. „Dann zeigt mal, was ihr Insekten drauf habt. Wir sind gespannt.”
 

„Wir?”, entfuhr es einem Dragoon und wurde weiß wie ein Laken als nun auch Astaroth und Amaimon neben Iblis landeten. „Der Erdkönig?!”
 

„Und Fäulniskönig.”, berichtigte Astaroth. Shura musste sich gar nicht umdrehen, um die Gesichter ihrer Kollegen zu sehen. Alle waren von einem bis zwei der Baal ausgegangen. Allein das wäre eine Herausforderung geworden, doch gleich drei waren unmöglich. Dennoch schien Angel wild entschlossen sich nicht einschüchtern zu lassen, denn er ging in Kampfstellung. Ohne großartige Wahl folgte der Rest des Teams seinem Beispiel.
 

Astaroth grinste. „Gut, dann mal los. Wie schnell könnt ihr rennen?” Damit teilten sich die drei Dämonen auf und griffen von mehreren Seiten an.
 

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Rin trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Scheinbar waren ihre Geschwister auf die Exorzisten getroffen. Er konnte die Flammensäulen sehen. Egyn klingelte derweil Lucifer an und ließ ihn wissen, dass es los ging. Noch immer wusste der Nephilim nicht, was sich Lucifer dabei gedacht hatte ausgerechnet Iblis, Astaroth und Amaimon loszuschicken. Er vertraute ihnen natürlich, aber er hatte immerhin selbst erlebt, dass alle drei oft unberechenbar waren und schnell die Beherrschung verlieren konnten. Egyn und Beelzebub schienen sich dagegen keine Gedanken zu machen, sie gingen einfach ihrer Aufgabe nach. Andererseits hatten sie schon oft mit ihren Brüdern zusammengearbeitet, also mussten sie es wohl am besten wissen. „Scheint als würde es klappen.”, kommentierte Beelzebub plötzlich das Geschehen. „Ihre Auren bewegen sich immer weiter voneinander weg.” Egyn und Rin nickten nur. „Ehrlich gesagt wundert es mich, dass wir hier keinen Ärger haben.”, murmelte Egyn. „Ich dachte wirklich, dass einige von Liliths Leuten von der Aufruhe angelockt werden würden.”
 

„Fordere es besser nicht raus.”, antwortete Beel düster. „Und hoffen wir, dass Lilith am Ende nicht doch noch eine böse Überraschung für uns parat hat”
 

Seine Befürchtung sollte sich schnell bestätigen.
 

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Shura musste den Dämonenkönigen im Stillen etwas widerwillig gratulieren. Bisher funktionierte der Plan reibungslos. Ihre Einheit war komplett verstreut und schaffte es nicht sich neu zu gruppieren. Der Hexenzirkel leistete ebenfalls ganze Arbeit. Viele von ihnen kontrollierten die Shura unbekannten Kreaturen und beschworen immer wieder neue, scheinbar indem sie irgendwelche lateinischen Sprüche rezitierten. Andere beschworen beispielweise Feuer herauf oder manipulierten die Umgebung. Immer wieder hörte sie verschiedenste Beschwörungen. Manche waren sogar auf Japanisch und beinhalteten unter anderem "Brich den Exorzisten das Gebein", was nicht sehr aufbauend war. Sie hatte mit Angel fast das Lagerhaus erreicht. Niemand sonst war zu sehen. Sie hörte wie Angel Verwünschungen vor sich hin murmelte, doch achtete nicht weiter darauf. „Ziehen wir uns in das Lagerhaus zurück.”, sagte sie. Angels Blick durchbohrte sie förmlich. „Wir sollen uns verstecken?!”
 

„Nein, aber dort sind wir vorerst halbwegs geschützt und können Verstärkung anfordern.”
 

„Und sitzen fest.” Dennoch schien der Paladin Pro und Contra abzuwägen, dann nickte er schließlich. „Na schön.” Gemeinsam betraten sie das Lagerhaus. Sie folgten dem Gang und landeten in der Haupthalle. Eine angespannte Stille herrschte und wurde nur von dem Echo ihrer Schritte unterbrochen.
 

„Das ging schneller als erwartet.”, kommentierte eine Stimme plötzlich. Es war Azazel, auch wenn sie ihn nicht sehen konnten. Bevor Angel die Gelegenheit hatte sein Schwert zu heben, schossen bereits die Schatten hervor, entwaffneten ihn und rissen ihn zu Boden. Shura musste sich ein Lachen verkneifen, als sie Angels Gesicht sah. Er konnte einem irgendwie leidtun...fast. Als dann die drei Dämonenkönigen aus dem Schatten traten, fiel er verständlicherweise aus allen Wolken. Shura fand es immer wieder ziemlich unheimlich, wie die Dämonen einfach in den Schatten verschwinden, daraus auftauchen oder sich anschleichen konnten. Besonders Azazel hatte darin ein großes Talent und hatte sie bereits mehrmals gehörig erschreckt, weil er urplötzlich hinter ihr gestanden hatte. Angels Überraschung schlug schnell zu Wut um. „Du Bastard!”, fauchte er Mephisto sofort an. Dieser grinste nur. Offensichtlich genoss er die Misere des Paladins. „Shura! Steh doch nicht einfach rum!”, giftete der Blonde nun seine Kollegin an. Diese seufzte nur. „Tut mir leid, Glatzkopf. Du bist jetzt mal still und hörst zu.”
 

Für einen Moment verschlug dies dem Exorzisten die Sprache, doch nicht für lange. „Ich musste es! Ich wusste, dass du mit diesem Dämonen unter eine Decke steckst!”
 

„Halt doch mal die Klappe, du Knalltüte.”, unterbrach Azazel ihn. „Ich lasse dich jetzt los. Versuche nichts dummes oder du wirst es bereuen. Deine Kollegen sind weit weg, weglaufen bringt nichts, wir sind schneller als du. Kapiert?”
 

Er erhielt nur ein Schnauben, doch dies schien dem Geisterkönig zu reichen. Kaum war er frei, sprang Angel auch schon auf die Füße. Sein Blick wanderte zu seinem Schwert, aber alle wussten, dass er es nie rechtzeitig erreichen würde. „Also gut, das hier muss nicht eskalieren.”, begann Lucifer beruhigend. „Wir wollen nur reden.”
 

Natürlich glaubte der Paladin kein Wort. „Warum sollte ich mir eure Lügen anhören?!”
 

„Du atmest noch. Würden wir dich töten wollen, hätten das draußen auch die anderen übernehmen können.”, erwiderte Azazel. „Jetzt Mund halten und zuhören.”
 

Grummelnd verschränkte der Blonde die Arme und starrte die Dämonenkönige feindseelig an. Lucifer ließ sich nicht beirren. „Ich komme direkt zum Punkt. Wir brauchen deine Hilfe oder besser gesagt die der Ritterschaft. Wir haben eine gemeinsame Feindin und sie wird vor nichts zurückschrecken, um den Sieg zu erringen. Sie hat Gehenna bereits zum Großteil erobert, also ist Assiah auch bald dran.”
 

„Aha und wer soll diese Feindin sein?”, kam die flapsige Antwort.
 

„Ihr Name ist Lilith.”, erklärte der Lichtkönig ruhig. „Sie war die erste Dämonin und erste Königin Gehennas bis Vater sie wegen ihrer...mentalen Instabilität verlassen hat. Seitdem sinnt sie auf Rache und hat vor einigen Jahrtausenden einen Krieg begonnen. Wir konnten sie und ihr Gefolge versiegeln, allerdings hat sie sich im letzten Jahr an Samhain -also Halloween- befreit. Vor einigen Wochen konnte sie in Vaters Palast eindringen, ihn besiegen und Gehennas Thron besteigen. Inzwischen hat sich fast das gesamte Reich unterworfen. Wenn sie damit fertig ist, kommt Assiah dran und eins verspreche ich: dagegen wird die blaue Nacht wie ein Kindergeburtstag wirken. Millionen -nein Milliarden- werden sterben und die Überlebenden wird sie versklaven. Es wäre das Ende beider Welten so wie wir sie kennen.”
 

Für einige Sekunden herrschte Stille, dann lachte der Paladin kalt. „Das ist die schlechteste Lüge, die ich jemals gehört habe. Ihr wollt nur unser Vertrauen gewinnen, um uns dann aus dem Hinterhalt zu vernichten.”
 

Samael verdrehte die Augen und seufzte genervt. „Und erneut hast du deine Unfähigkeit zum logischen Denken bewiesen. Wäre dies wirklich unsere Absicht, müssten wir uns nur zurücklehnen und die Show genießen.”
 

„Er hat recht.”, bestätigte Shura etwas widerwillig. „Wir sind jetzt schon mit den Dämonen überfordert, dabei ist das gerade mal der Anfang. Wenn sie uns vernichten würden wollen, hätten sie längst die Gelegenheit gehabt. Satan hat zur blauen Nacht bereits gezeigt, was er kann. Sie haben es nicht nötig mit uns zu reden, sie könnten uns einfach alle erledigen.”
 

Angel wirkte noch immer unschlüssig, doch dann hörten sie, wie die Tür zum Dach aufflog und schnelle Schritte. Instinktiv zog Shura ihr Schwert. Irgendetwas war dabei, den Bach hinunterzugehen.
 

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Obwohl Shura und Angel sich längst im Lagerhaus befanden, konnten sie dieses seltsame Gefühl nicht abschütteln. Rin hatte das Ôcrio mitgenommen und starrte gedankenverloren darauf, als dieses plötzlich begann rot zu leuchten. Sein Magen verkrampfte sich und auch den beiden Dämonenkönigen entging es nicht. Sie sprangen auf und sahen sich angespannt um. In den Straßen entdeckten sie nichts, dafür jedoch mehrere schwarze Punkte am Himmel, welche sich rasant nährten.
 

„K'wyrskav...”, murmelten Egyn und Beelzebub gleichzeitig. Rin wusste nicht, was das hieß, aber er vermutete, dass es so etwas wie "Scheiße" bedeutete. Diese Vermutung bestätigte sich später sogar, doch er hatte grad wirklich andere Probleme. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schnappten sich die Baal ihren jüngsten Bruder und rannten zurück ins Innere. Egyn lehnte sich sofort über die Brüstung und brüllte nach unten: „Lilith hat uns Furien auf den Hals gehetzt!”
 

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Astaroth hatte so viel Spaß, wie schon seit langem nicht mehr. Zwar durfte er keine Exorzisten töten, doch immerhin konnte er ihnen ordentlich Angst machen. Sie waren alle äußerst erfahren und hatten einen hohen Rang, doch einen Dämonenkönig zu bekämpfen, überstieg dann doch ihre Kompetenzen. Nur ein weiterer Beweis, dass die Ritterschaft im Ernstfall nie einen Krieg gegen Gehenna gewinnen könnte. Sie fürchteten Satan und die Dämonenkönige mit Recht, die blaue Nacht hatte es zusätzlich verstärkt. Kein Wunder, dass viele nach jener Nacht nichts mehr mit den Exorzisten oder dem Übernatürlichen zu tun haben wollten. Diese "Aus dem Auge, aus dem Sinn-Einstellung" hatten die Vergänglichen schon immer gehabt. Nicht zum ersten Mal fragte sich der Fäulniskönig, wann es der Menschheit wohl den Hals kosten würde. Eigentlich sogar schon sehr bald, wenn Lilith nicht aufgehalten wurde.
 

Erneut wich er einer Schusssalve aus. Woher nahmen die Dragoon eigentlich immer die Munition und noch viel wichtiger: wann luden sie überhaupt nach?! Die Tamer hatten ihre Diener heraufbeschworen, welche ihn eher halbherzig angriffen. Mit dem ganzen Chaos, welches in Gehenna herrschte, überraschte es ihn, dass sie überhaupt noch auf den Ruf reagierten. Andererseits hatten einige Exorzisten zu Beginn des Kampfes erhebliche Probleme dabei gehabt ihre magischen Diener heraufzubeschwören, es wäre nur noch eine Frage der Zeit bis sie überhaupt nicht mehr reagieren würden. Natürlich hatte keiner von ihnen eine Chance. Die Aria rezitierten weiter, doch ihre Todesverse bescherten ihm höchstens leichte Kopfschmerzen. Einige Knights griffen von hinten an, aber auch sie hielten nicht lange durch. Er griff einen von ihnen am Hals, hob ihn problemlos mit einer Hand hoch, sodass seine Beine über dem Boden hingen und begann ihn zu würgen. „Ich würde an eurer Stelle aufgeben oder euer Freund hier wird jämmerlich krepieren.” Natürlich bluffte er. Lucifer würde ihm den Schweif lang ziehen, wenn er sich nicht an seine Anweisungen hielt, aber er wollte etwas Unterhaltung haben. Vielleicht verbrachte er zu viel Zeit mit Samael.
 

„Yu! Lass meinen Bruder los, du Monster!”, rief eine der Aria plötzlich. Obwohl sie am ganzen Körper zitterte, versuchte sie bedrohlich zu wirken und starrte den Dämonenkönig herausfordernd an. Astaroth hob eine Augenbraue. Immerhin hatte sie Mumm, das konnte er respektieren. Nur das "Monster" war etwas unangebracht.
 

„N-Naomi...nicht...”, presste der Exorzist, welcher wohl der Bruder war, hervor. Der Fäulniskönig lachte. „Halt dich lieber raus bevor du verletzt wirst, Kleine. Ich schlage Frauen nur ungern. Erst recht nicht, wenn sie hübsch sind.”
 

Naomi schoss die Röte ins Gesicht. Immer wieder witzig, wie leicht sich manche durch solche beiläufigen Kommentare ablenken ließen. Allerdings fing sie sich schnell wieder. „Lass. Ihn. Los! Böses schlummert in ihren Herzen. Gib ihnen nach ihrer Tat und nach ihrem bösen Wesen, gib ihnen nach den Werken ihrer Hände.-” Und da hatte sie doch tatsächlich seinen Todesvers gefunden. Höchstwahrscheinlich Zufall, aber es nervte ihn gehörig. Er wollte gerade angreifen,, als ihm etwas auffiel. Am Himmel erkannte er mehrere schwarze Punkte. Sie näherten sich schnell und schienen zum Lagerhaus zu wollen. Seine Augen weiteten sich, als er erkannte, was es war. „Das ist doch wohl ein Scherz.”, knurrte er und warf Yu zu Boden. Seine Schwester war so überrascht, dass sie nicht daran dachte, zu Ende zu rezitieren. Offensichtlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass er der Aufforderung nachkam, doch der Fäulniskönig achtete nicht weiter auf sie. „Beschäftigt die Exorzisten!”, rief er den Hexen und Hexern in den Schatten zu. Er wollte nicht, dass sich jemand in seinen Spaß einmischte, also hatte er ihnen befohlen sich zurückzuhalten und nur Exorzisten von der Flucht abzuhalten, wenn es nötig war. Nun sah die Sache schon anders aus. Darauf hoffend, dass die anderen es ebenfalls mitbekommen hatten, führte er einen Phasensprung aus.
 

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Shura hatte keine Ahnung, was Furien waren. Sie meinte einmal etwas darüber in einem Sagenbuch gelesen zu haben, doch nichts fiel ihr dazu ein, außer dass es wohl irgendwelche Dämonen der Unterwelt waren. Sie hatte sich nie etwas großartig dabei gedacht, doch offensichtlich existierten diese Wesen und wenn sie die Gesichter der drei ältesten Baal betrachtete, wurde schnell klar, dass sie diese Viecher nicht treffen wollte. Egyn kam dicht gefolgt von Beelzebub und Rin die Treppen runter gesprintet und stand nun vor ihnen. Angel fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er Rin sah. „Du-”
 

„Nicht jetzt!”, kam die gefauchte Antwort. Iblis, Astaroth und Amaimon standen ebenfalls in der Halle. „Wie viele Dämonen hohen Ranges kommen denn noch?!”, empörte sich Angel, doch wurde ignoriert.
 

„Seid ihr sicher, dass es Furien sind?”, hakte Lucifer ernst nach.
 

„Nein Lu, es sind Mini-Flugzeuge. Natürlich sind es Furien!”, fauchte Egyn.
 

„Was sind Furien?!”, fragte Shura schnell, doch die Frage beantwortete sich selbst, denn etwas kam durch die Fenster rein gekracht. Das waren wohl die Furien. Der Rothaarigen bleib fast das Herz stehen, als sie einen genaueren Blick erhaschte. Ihr Körperbau war wie der eines Menschen, doch da endeten die Ähnlichkeiten bereits. Die Köpfe waren kahl, die Ohren lang und spitz. Gelbe Hauer ragten auf ihren Mäulern hervor, die Augen waren komplett schwarz und funkelten tückisch. Arme besaßen die Kreaturen keine, dafür jedoch riesige fledermausartige Flügel mit scharfen Krallen an den Enden, welche die Exorzistin an verkrüppelte Finger erinnerten. Die ledrige, rissige Haut war dunkelgrau und umspannte den Körper so, dass man jeden einzelnen Knochen erkennen konnte, fast als wären Fleisch und Muskeln nicht vorhanden. Die Knochen erweckten den Eindruck, mehrfach gebrochen und anschließend irgendwie wieder zusammengewachsen zu sein. Es ließ alles schief und grotesk wirken. Einzig allein die Stofffetzen, welche wohl als Kleidung dienten, ließen das Geschlecht erahnen.
 

Insgesamt waren es vierzehn dieser Wesen, sie alle wirkten äußert mordlustig. Sie stießen ein lautes Kreischen aus, welches klang, als würde man mit Fingernägeln über eine Tafel kratzen. Alle hielten sich die Ohren zu. Diese Gelegenheit nutzten die Wesen, um anzugreifen. Zu Shuras Entsetzen ignorierten sie die Dämonenkönige und hielten auf sie und Angel zu. ‚Oh, Scheiße.‘
 

Beide sprangen instinktiv nach hinten, doch dank der Baal kamen die Furien nicht weit. Blitzschnell griffen sie ein, während Egyn Rin zurückhielt. Offensichtlich wollte der Nephilim helfen, doch der Wasserkönig war nicht einverstanden. Shura hob ihr Schwert, um anzugreifen, doch der Wasserdämon zog sie zurück. „Furien sind keine gewöhnlichen Dämonen. Ihr beiden könnt nichts tun, also haltet euch zurück.” Angel wollte protestieren, doch wurde erneut angegriffen. Azazel hatte angefangen die Furien in einer anderen Sprache anzuschreien, doch sie reagierten nicht.
 

„Azazel, pfeife sie zurück!”, rief Iblis, während er beiseite sprang, um nicht aufgespießt zu werden. Gleichzeitig beschwor er sein Schwert herauf und ließ seine Flammen auflodern. „Ich versuche es ja!”, fauchte der Geisterkönig frustriert. „Es ist zwecklos, hier in Assiah haben sie keinen Funken Verstand mehr! Aber ich glaube, sie haben es auf den Paladin abgesehen.”
 

„Dann beschützt ihn!”, rief Lucifer quer durch die Halle. Er hatte sich zusammen mit Samael mit einem der größeren Exemplare angelegt. Vielleicht war es sogar die Anführerin?
 

„Was?!”, kam es von Angel, Iblis und Astaroth gleichzeitig.
 

„Was müssen wir hier ständig Exorzisten Babysitten?!”
 

„Ich nehme keine Hilfe von dreckigen Dämonen an!” Das kümmerte die Baal herzlich wenig. Sie konzentrierten sich voll auf ihre Gegner. Egyn blieb bei Rin und den beiden Exorzisten, doch beschwor dennoch seinen Speer herauf und ging in Angriffsstellung. Scheinbar gab es nicht genug Wasser, welches er hätte verwenden können. Shura nutzte die Gelegenheit, um Rin zur Rede zu stellen. „Was sind diese Furien für Viecher?”
 

Rin öffnete den Mund, doch Egyn kam ihm zuvor. „Furien gehören zu Azazel.”, erklärte er, ohne sich umzudrehen. „Sie sind dafür verantwortlich, die Seelen im Hades zu bestrafen und aufzupassen, dass keiner abhaut. Normalerweise verlassen sie den Hades nur sehr selten und nach Assiah kommen sie eigentlich gar nicht, weil sie zu den wenigen Dämonen gehören, die hier komplett am Rad drehen. Sie greifen alles und jeden an und hören nicht mal mehr auf Azazel oder Vater. Wenn man sie jedoch nach Assiah schickt und ihnen ein Ziel gibt, jagen sie dieses dennoch erbittert. Scheint als würde Lilith den Paladin los werden wollen.”
 

Inzwischen hatten die Dämonenkönige neun der Biester zu Fall gebracht. Kaum berührten sie den Boden, zerfielen sie zu Asche. Ob sie nun tot waren oder nicht, war Shura egal, solange sie nicht zurück kamen. Dummerwiese wurden ihre Hoffnungen nicht erhört. Sechs weitere kamen durch die zerstörten Fenster herein. Egyn war gezwungen sich mit einer anzulegen, da diese gefährlich nah kam. Shura, welche ihn bisher noch nicht mit einer Waffe hatte kämpfen sehen, war erneut beeindruckt. Sie verstand nicht viel vom Speerkampf, doch sie erkannte, dass er wusste, was er tat. Verteidigung und Angriff gingen flüssig ineinander über, sodass seine Gegnerin zunehmend in Bedrängnis geriet bis sich schließlich eine Gelegenheit bot. Ohne zu zögern stieß er die Spitze sauber in die Halsschlagader des Biestes. In diesem Moment griff eine weitere Furie von hinten an, doch er zog sofort seinen Speer heraus, wirbelte herum und durchstieß diese ebenfalls. Leider schien er diesmal nicht ganz getroffen zu haben, denn es kreischte auf, umfasste den Speer und zog ihn wieder heraus. Dieser ging sofort zu Bruch. Fluchend zog Egyn einen Dolch aus seinem Stiefel und schnitt der Furie damit die Kehle durch. Schwarzes Blut spritzte, dann zerfiel das Wesen zu Asche. Eine dritte Furie, diesmal scheinbar männlich, griff ebenfalls an, doch der Wasserdämon schnappte sich den Rest des Speers und warf ihn. Er traf genau ins Herz und tötete ihn damit sofort. Die Exorzistin machte eine gedankliche Notiz, es sich nicht mit Egyn zu verscherzen. Zwar erschien er von den Baal noch am nettesten, aber er war genauso tödlich wie sie.
 

„Und da geht ein weiterer Speer zu Bruch.”, kommentierte Samael von der anderen Seite.
 

„Ach, halt den Mund!”
 

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Rin fragte sich, ob seine Brüder immer so viel Ärger hatten, wenn sie in Assiah unterwegs waren. In den letzten Wochen waren sie nicht einmal auf feindliche Dämonen gestoßen und nun da sie sich mit Angel trafen, kam natürlich gleich eine ganze Horde. Hoffentlich würde dies den Paladin davon überzeugen, sich mit ihnen zusammenzuschließen. Endlich waren alle erledigt, weitere schienen nicht zu kommen. „Wie ich diese Viecher hasse.”, grollte Astaroth während er seine Dolche an einem Tuch reinigte. „Aber echt. Die werden immer hässlicher.”, stimmte Iblis zu.
 

„Glaubst du uns jetzt?”, fragte Azazel Angel und warf ihm sein Schwert zu, welches er überrascht auffing. Tatsächlich schien der Paladin ins Wanken zu geraten. Zumindest griff er sie nicht sofort an. „Ich...bin nicht ganz sicher. Aber...” Er seufzte. „Aber ich bin bereit zuzuhören. Ich will mehr über diese Lilith erfahren.” Damit hatte der Nephilim nicht gerechnet, aber beschweren würde er sich nicht. Die Tatsache, dass der dämonenhassende Exorzist bereit war zuzuhören, klang nach guten Voraussetzungen. Der Paladin wandte sich an Rin. „Und du hast auch einiges zu erklären.” Er trat einen Schritt auf ihn zu, woraufhin die Baal ein gefährliches Grollen ausstießen. Gut, dass sie nichts von der Aktion mit seinem Bein wussten, sonst hätten sie dem blonden Exorzisten wohl längst den Garaus gemacht. Lucifer begann alles zu erzählen, was er schon Shura und den Adepten berichtet hatte. Angel schwieg zum Schluss für einige Sekunden, eh er zu sprechen begann. „Nehmen wir an, dass ich euch glaube. Was dann?”
 

„Du musst mit den Grigori reden. Wir müssen uns zusammenschließen.”
 

Angel schnaubte. „Wir sind Exorzisten. Keiner wird freiwillig mit Dämonen zusammenarbeiten.”
 

„Es gibt mehr als genug, die bereit sind. Für den Rest brauchen wir die Grigori. Der Orden muss kämpfen, wenn sie es befehlen.”
 

Noch immer war er nicht ganz überzeugt. „Warum wartet ihr nicht einfach ab bis Lilith uns vernichtet? Das würde euch doch in die Hände spielen.”
 

„Wir brauchen momentan jeden Verbündeten.”, hing sich Egyn rein. „Lilith wird den Orden manipulieren damit sie die Drecksarbeit in Assiah erledigen und das wird nur für noch mehr Chaos sorgen. Lieber seid ihr auf unserer Seite, als auf ihrer und selbst wenn wir uns nicht verbünden, weiß der Orden immerhin Bescheid und tappt nicht in Liliths Falle. Oder das Risiko ist zumindest geringer.” Der Lichtkönig hielt Angel einen versiegelten Umschlag hin. „Das ist eine Nachricht an die Grigori. Meinetwegen könnt ihr die Vorsitzenden aller Zweigstellen zusammentrommeln und wir erzählen alles nochmal.”
 

Der Paladin zögerte kurz, bevor er ihn entgegennahm, einsteckte und verschränkte nun die Arme. „Und was dann? Habt ihr überhaupt einen Plan?”, fragte er knapp.
 

Azazel überlegte kurz. „Wir müssen irgendwie Vater befreien, unsere Armeen zusammenziehen und ihr Amulett zerstören.”
 

„Nach allem, was ich gehört habe, ist das Selbstmord.” Leider musste ihm der Nephilim da zustimmen. Da Lilith Gehenna übernahmen hatte, waren die Dämonenkönige ihre Armeen los. Ausschließlich die Illuminati und die Hexenzirkel hielten geschlossen zu ihnen und das reichte nicht mal ansatzweise. Die Armee Gehennas war groß genug, um Assiah innerhalb weniger Wochen dem Erdboden gleich zu machen, erst recht nachdem nun Liliths Armee dazu kam.
 

„Wir haben nie behauptet, dass er gut ist. Aber wir sind ganz gut im improvisieren.”, murmelte Amaimon schulterzuckend. Das machte doch Mut. Der Blonde rang sichtlich mit sich, dann seufzte er frustriert. „Na gut, ich tu ich es. Ich rede mit den Grigori. Allerdings kann ich nichts versprechen. Und das bedeutet auch nicht, dass wir Freunde sind!”
 

„Darüber sind wir uns im Klaren.”, grinste Samael. „Aber schön, dass sie doch einen Paladin mit einem Funken Intelligenz gewählt haben. Ich hatte bisher diesbezüglich meine Zweifel.~”
 

Er erhielt nur einen giftigen Blick, dann wandte sich Angel an Shura. „Wenn die Grigori erfahren, dass du den Dämonen geholfen hast und sie sich gegen eine Zusammenarbeit entscheiden, könntest du hingerichtet werden. Darüber bist du dir doch hoffentlich im klaren?”
 

Shura nickte ernst. „Das nehme ich in Kauf. Ich tu, was ich für richtig halte.”
 

Angel verdrehte nur die Augen. „Also sind wir hier fertig?” Lucifer nickte. „Falls die Furien nochmal Ärger machen, sage ihr Bescheid. Sie leitet es an uns weiter und wir kümmern wir uns darum. Eine letzte Frage habe ich allerdings noch.”
 

„Die da wäre?”, kam die misstrauische Antwort. Rin war ebenfalls neugierig. Eigentlich war alles geklärt, oder?”
 

Der Lichtkönig wechselte einen kurzen Blick mit seinen Geschwistern, welche grimmig nickten. „Falls die Grigori sich gegen eine Allianz entscheiden sollten...wirst du trotzdem mit uns kämpfen?” Dies erwischte den Exorzisten im Kalten. „Was soll das heißen?”, fragte er scharf.
 

„Nur weil die Grigori nicht einverstanden sind, heißt das nicht, dass du dich unterwerfen musst.”, antwortete Beelzebub. „Wenn du der Meinung bist, dass es besser ist, wenn wir zusammen gegen Lilith vorgehen sollten, kannst du jederzeit mitmachen. Sicherlich würden dir sogar einige Exorzisten folgen.”
 

„Die Grigori sind meine Vorgesetzten! Ich würde mein Amt verlieren!”, entrüstete sich der Blonde.
 

„Was ist dir wichtiger? Dein Amt oder die Zukunft Assiahs und das Leben von Milliarden Menschen?”, hielt Rin dagegen. Angels Mund öffnete und schloss sich, während er den Nephilim überrascht ansah. „Ich...”, er stockte, seine Hände ballten sich zu Fäusten, dann sah er auf. „Ja. Gut. Wenn die Grigori nicht helfen, werde ich euch dennoch unterstützen. Auch wenn ich euch nicht ganz vertraue. Ich werde nicht die Hände in den Schoß legen, wenn Assiah angegriffen wird.” Rin war überrascht und auch die Dämonenkönige wirkten etwas überrumpelt. Soeben war jedoch ihr Respekt für Angel gestiegen. Vielleicht war er als Paladin doch nicht ganz fehl am Platz. Lucifer fing sich schnell wieder und hielt ihm die rechte Hand hin. „Also sind wir im Geschäft?”
 

Für einige Sekunden starrte der Blonde die Hand an, dann schlug er ein, auch wenn er das Gesicht dabei etwas verzog. „Ja, sind wir. Aber ich beobachte euch.”
 

„Ebenfalls.”
 

Mit einem letzten Nicken wandte sich Angel um und ging, Shura folgte ihm. „Wir melden uns sobald wir im Vatikan waren.”, rief sie über ihre Schulter.
 

„Das lief ja wirklich besser als erwartet. ”, kommentierte Beelzebub überrascht, als sie wieder allein waren. Lucifer nickte. „Rufen wir den Zirkel zurück. Wir können jetzt nur abwarten und hoffen.”

Ein ziemlich dämlicher Plan

„Willst du uns verarschen?!”, fauchte Iblis Angel an. „Nach allem, was hier passiert, stellen sich die Grigori immer noch quer?! Was sind das bitte für Arschgeigen?! Und ich dachte immer in Gehenna wäre der Rat zum Kotzen!”
 

Die kleine Gruppe Exorzisten und die Adepten, welche Shura und Angel begleitet hatten, zuckten erschrocken zusammen, sichtlich eingeschüchtert von dem erzürnten Dämonenkönig. Rin konnte ihnen keinen Vorwurf machen. Sogar ihm war mulmig, wenn einer der Baal schlecht drauf oder wütend war. „Iblis, du brennst schon wieder.”, seufzte Samael. „Beruhige dich, bevor du etwas anzündest.” Der Nephilim konnte da nur zustimmen. Momentan befanden sie sich im Maya Hotel, welches sich in Kōbe befand und schon seit Jahren verlassen war. Die Hexenzirkel nutzten es häufig für ihre Treffen, was jedoch nicht bedeutete, dass es Iblis Explosionen aushalten würde. Bei ihrem Glück setzte er das ganze Hotel in Brand, wenn er sich zu sehr aufregte.  
 

Der Feuerkönig schnaubte, jedoch wurden seine Flammen kleiner. „Regt dich das nicht auf?!”
 

„Ich hatte schon damit gerechnet.”, erwiderte der Zeitkönig schulterzuckend. Die Abgesandten der Hexenzirkel tauschten beunruhigte Blicke aus. Zu Rins Verwunderung waren nur drei anwesend, zwei Frauen und ein Mann. Der Mann hieß Akaya und war Japaner mit schwarzen, schulterlangen Haaren und braunen Haaren. Er gehörte zu Azazel. Die Frau neben ihm gehörte zu Egyn und war eine brünette Russin namens Adrijana. Die dritte Hexe hatte aschblonde, lange Haare und grüne Augen. Allerdings sah sie im Gegensatz zu ihren beiden Kollegen äußerst fehl am Platz aus. Während die beiden wirkten, als wären sie zwischen 20 und 30 Jahre alt, sah sie aus wie 12. Sie war außerdem höchstens 1,40 m groß. Natürlich hatte er längst gelernt, dass man das Alter nicht nach dem Aussehen einschätzen konnte, doch befremdlich war es schon. Leider kannte er ihren Namen nicht oder wusste woher sie kam. Er wusste nicht mal zu wem sie gehörte. Sie schien sein Starren zu bemerken, denn ihr Blick richtete sich plötzlich auf ihn. Rin war es etwas peinlich erwischt worden zu sein, doch sie schien es nicht zu stören. Sie grinste ihn an, als würde sie ihn herausfordern zu sagen, was er dachte. Schnell zwang sich der Nephilim dem Clown weiter zuzuhören. „Ich bezweifle, dass die Ritterschaft lange durchhält. Allerspätestens, wenn Lilith mit voller Macht angreift, werden sie angekrochen kommen.”
 

„Wenn es bis dahin nicht schon zu spät ist.”, grummelte Akaya missmutig. „Du solltest nicht immer so negativ sein.”, wies ihn die aschblonde Hexe hin. Sie hatten einen deutlichen Akzent, aber Rin wusste nicht, was es für einer war. „Ich kann schon fast die Gewitterwolken sehen...”
 

„Ach, sei still du Zwerg.”
 

„Hey, das ist jetzt aber ziemlich weit unter der Gürtellinie! Ich bin außerdem älter als du!”  
 

Adrijana warf ihnen giftige Blicke zu. „Genug jetzt, ihr kling wie ein altes Ehepaar.”
 

„Immerhin haben uns andere Exorzisten zugehört.”, warf Shura ein. „Viele in der japanischen Zweigstelle wollen trotz der Entscheidung der Grigori helfen.”
 

„Was auch immer.”, schnaubte Iblis und stand auf. „Wohin gehst du?”, fragte Lucifer.
 

„Ich suche mir ein paar Streuner, Ratten und Tauben, ich muss was umbringen, sonst verliere ich die Beherrschung.” Damit stapfte er aus dem Zimmer, Astaroth folgte ihm. Beelzebub seufzte. „Schätze, ich gehe mal und passe auf, dass er keine Passanten oder Autos anzündet, die sich her verirrt haben.”
 

„Sei so gut.”, murmelte der Lichtkönig, während er sich die Stirn massierte und wandte sich an den Rest. „Wir machen kurz Pause.”
 

Alle nickten. Als der Nephilim zu seinen Freunden gehen wollte, legte Lucifer ihm jedoch eine Hand auf die Schulter. „Kommst du bitte kurz mit? Samael und ich wollten uns nochmal das Siegel auf dem Kōmaken ansehen.”
 

Etwas verwirrt nickte der Halbdämon. Er folgte den beiden älteren Dämonen, dabei kreuzte sich sein Blick mit dem von Yukio, welcher wortlos an einer Wand lehnte. Natürlich schaute er schnell zu Boden. Typisch. Seit ihrem Streit hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt, doch diesmal würde Rin nicht nachgeben und sich entschuldigen, immerhin gab es keinen Grund. Ohne seinen Zwilling eines weiteren Blickes zu würdigen, verließ er das Zimmer.
 

„Warum wollt ihr euch das Siegel ansehen?”, erkundigte er sich. Die beiden Dämonen hatten es bereits untersucht nachdem die Verbindung zu Satan abgerissen war, doch zu ihrer Verwunderung hatte sich nichts groß daran verändert. Dafür spürten sie, dass die Kraft des Siegels immer mehr abnahm. Allerspätentens in 2 Jahren würde es zerbrechen, vielleicht sogar schon in einem. Theoretisch sollte sich Rins Körper zu diesem Zeitpunkt ausreichend angepasst haben, also waren sie nicht weiter darauf eingegangen. Umso seltsamer, dass sie nun wieder damit anfingen.
 

„Wie du weißt sind Gehenna, die Flammen, Vater und damit auch du miteinander verbunden. Es ist also ziemlich merkwürdig, dass das Siegel keine große Reaktion zeigt, obwohl Lilith das Gleichgewicht komplett durcheinander bringt.”, erklärte Lucifer, während er Kurikara entgegen nahm. „Es kann also gut sein, dass das Siegel stärker beansprucht wird, als es den Anschein hat. Samael und ich haben eine Möglichkeit gefunden das Siegel zu verstärken ohne es vorher zerstören zu müssen. Es wird uns hoffentlich etwas Zeit verschaffen, falls es wirklich zu früh damit beginnt, zu zerbrechen.” Der Vorgang dauerte nur wenige Minuten, danach bekam Rin sein Schwert zurück.
 

„Passe weiterhin gut darauf auf. Vater wäre äußerst ungehalten, wenn du stirbst, weil deine vollständigen Kräfte zu früh entfesselt wurden und wir müssen es dann ausbaden.” schärfte Samael ihm ein. Früher hätte der Nephilim ihn böse angesehen, doch inzwischen wusste er, dass der Zeitkönig seine Zuneigung auf etwas ungewöhnliche Weise zeigte. „Wir werden jetzt gehen, scheinbar möchte Okumura-sensei ein Wort unter vier Augen.”, fuhr der zweitälteste Dämonenkönig fort. Rin war verwirrt bis Yukio tatsächlich hervortrat. Scheinbar hatte er hinter der Ecke gestanden. Genervt fragte sich der Halbdämon, ob er gelauscht hatte. Samael schien die Antwort schon zu kennen. „Es gehört sich nicht, andere Gespräche zu belauschen. Hat Shiro dir das nicht beigebracht?” Yukio biss die Zähne zusammen. „Ich wollte nur mit Rin sprechen.” Auf einmal.
 

„Na, das hat ja gedauert.”, kam es spöttelnd von Samael.
 

„Ist das in Ordnung für dich, Rin?”, fragte Lucifer telepathisch.
 

„Klar, geht ruhig. Ich komme klar.”, antwortete er. Immerhin eine Fähigkeit, die inzwischen gut klappte. Die älteren Dämonen verschwanden mit einer pinken Wolke („Eins, zwei, drei!”) und einem goldenen Leuchten. Für einige Sekunden herrschte unangenehme Stille, dann begann Yukio zu sprechen. „Du scheinst dich gut mit ihnen zu verstehen. Sogar mit Mephisto.” Also schlich er drum herum. Gut, dann eben die Tour. Rin zuckte mit den Schultern. „Er ist nervig, aber ganz in Ordnung, wenn man ihn näher kennt. Auch wenn ich ihn manchmal erwürgen will.” Er sah ihn an. „Was willst du? Ich schätze mal, dass du nicht hier bist, um dich zu entschuldigen.”
 

Yukio schien überrascht von seiner Direktheit, aber kam direkt zum Punkt. „Bist du sicher, dass du ihnen vertrauen kannst? Was wenn sie dich manipuliert haben? Vielleicht haben sie sogar an deinen Erinnerungen rumgepfuscht.”
 

Rin schnaubte. „Wenn du nur mit haltlosen Anschuldigen um dich wirfst, kannst du wieder gehen.” Er drehte sich um und wollte Yukio einfach stehen lassen, doch dieser griff seinen Arm. „Ich mache mir Sorgen um dich! Du warst ein halbes Jahr lang in Gehenna und ihnen dort ausgeliefert-”
 

„Ich war ihnen nicht ausgeliefert-”
 

„Sie haben dich gegen deinen Willen mitgenommen oder nicht? Das nennt sich Entführung und wenn sie sich wirklich um dich sorgen würden, dann würden sie nicht zu solchen Mitteln greifen!”
 

Rin bleckte die Zähne. „Witzig, dass das von dir kommt. Du behauptest, dich um mich zu sorgen, aber richtest bei jeder Gelegenheit eine Waffe auf mich. Und ja, sie haben mich gegen meinen Willen nach Gehenna gebracht, aber sie haben mir nie geschadet oder versucht mich zu manipulieren. Sie haben mich besser behandelt als die meisten in Assiah!”
 

Yukio schüttelte den Kopf. „Für mich klingt es eher, als würdest du unter dem Stockholm-Syndrom leiden und entsprechende Hilfe brauchen. Du weißt wahrscheinlich nicht, was das ist-”
 

„Doch weiß ich, dank Azazels Wikipedia-Obsession.”, knurrte der Nephilim gereizt. „Und ich habe kein Stockholm-Syndrom!” In gewisser Weise verstand er, dass Yukio diese Vermutung hatte. Noch vor einem halben Jahr hatte er Satan und die Dämonenkönige gehasst und nachdem sie ihn dann geholt hatten, war davon plötzlich nichts mehr zu sehen. Dennoch irritierte es ihn, dass der Jüngere derartige Anschuldigungen gegenüber seinen Geschwistern und Satan erhob. Er kannte sie nicht, er hatte kein Recht dazu!
 

„Rin-”
 

„Ich will es nicht hören.”, unterbrach Rin den Brillenträger barsch. „Weder Vater noch meine Brüder haben mich manipuliert oder ausgenutzt. Ganz im Gegensatz zur Ritterschaft für die ich nur eine Waffe war.”
 

„Du nennst Satan "Vater"?! Ist es dir so egal, dass Vater sein Leben für dich gegeben hat?!”, fauchte Yukio. „Ach, jetzt also das wieder?”, Rin zwang sich ruhig zu bleiben. „Natürlich bin ich dem Alten unendlich dankbar. Er wird für mich immer ein Vater sein, aber...” Er schluckte. Hoffentlich lag er mit seiner Vermutung richtig. „Ich denke, wenn er gewusst hätte, wie sie wirklich sind, wäre er bereit zum reden gewesen. Und nun da ich die Wahrheit kenne, denke ich, dass er nicht wollen würde, dass ich meiner Familie den Rücken kehre, wenn sie sich um mich sorgen.”
 

„Tja, wir werden es nie erfahren, da er tot ist. Wegen Satan. Und dann wäre da noch Astaroth, der das Stift zerstört und die anderen angegriffen hat. Was würden sie wohl sagen?”
 

„Sie haben sich auch bereit erklärt uns zu helfen! Ach, vergiss es einfach!”, fauchte er, fuhr herum und stürmte aus dem Raum. Konnte Yukio ihn nicht einmal in Ruhe lassen?! „Blöde, leberfleckige Brillenschlange.”, murmelte er irritiert. „Ärger im Paradies?” Er zuckte zusammen und sah auf. Dummerweise hatte er nicht wirklich darauf geachtet, wo er hinlief und stand nun in einem ihm unbekannten Zimmer. Vor ihm, auf einem Tisch, saß die aschblonde Hexe von vorhin. „Tut mir leid, ich wollte nicht lauschen, aber man hat euer Gezeter bis hier her gehört.”, sagte sie, als sie sein Gesicht bemerkte.
 

Na super.
 

„Schon gut.”, grummelte er. Sie hielt ihm die Hand hin. „Christina Reichmann. Ich bin Hohepriesterin eines großen Hexenzirkels in Deutschland, in Bamberg um genau zu sein. Freut mich sehr, dich kennenzulernen!” Etwas zögerlich schüttelte Rin ihr die Hand. Auf dem Handrücken entdeckte er ihr Hexensymbol. Das Siegel war, wenn er sich korrekt erinnerte, Samaels. Also gehörte sie wohl zum ihm. „Okumura Rin.”
 

Christina grinste. „Weiß ich doch. Dein Vater und deine Geschwister waren damals absolut nicht begeistert, als du nirgends aufzufinden warst. Sie haben dich in ganz Assiah gesucht.” Sie hielt inne. „Ich darf dich doch duzen, oder?”
 

„Klar.” Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte, also sah er sich im Zimmer um. Wo wohl seine Freunde waren? „Willst du drüber reden?”, fragte die Hexe plötzlich. Der Nephilim sah sie überrascht an. „Danke, aber ich komme klar.”
 

„Na, wenn du meinst.” Sie legte den Kopf schief. „Warum schaust du mich eigentlich so an?” Also hatte sie es doch bemerkt. „Ähm...es ist nichts.”
 

„Für einen Dämonen bist du ziemlich schlecht im Lügen.”, kommentierte sie. Ihr Blick schien ihn zu durchbohren. Plötzlich wirkte sie trotz ihres Aussehens ziemlich erwachsen. „Lass mich raten: mein Aussehen verwirrt dich. Und warum eine Zwölfjährige Hohepriesterin ist.”
 

„Irgendwie schon.”, gab er etwas peinlich berührt zu. Sie lachte. „Lass dich nicht täuschen. Ich sehe zwar jung aus, aber bin 421 Jahre alt.” Dies überrascht Rin nicht mehr wirklich. Er hatte einmal seine Geschwister nach ihrem Alter gefragt und kaum den Mund zubekommen, als jeder sein Alter genannt hatte. Dagegen war er ein Säugling. Und Christina.
 

„Weißt du zufällig wo meine Freunde sind? Ich habe mich etwas verlaufen.”, murmelte er. Natürlich musste er rot werden. Sie lachte. „Ich zeige dir gerne den Weg. Ich habe momentan sowieso nichts zu tun.” Damit sprang sie vom Tisch und lief voraus.
 

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Shiemi saß mit Izumo auf einem Sofa in einem der scheinbar unendlichen Zimmer, wo sie gemeinsam versuchten ihre magischen Diener heraufzubeschwören. Leider erfolglos. Seit einigen Tagen reagierten sie nicht mehr auf ihren Ruf. Shiemi machte sich große Sorgen um Nii, denn auch wenn er ein Dämon war, betrachtete sie ihn als einen Freund. Sie war nicht sicher, was Izumo empfand, doch meinte Frustration zu erkennen.
 

„Versucht ihr das wirklich immer noch?”, fragte eine Stimme. Überrascht sahen beide auf. Es war Azazel, neben ihm stand Egyn. „Ähm...ja.”, antwortete die Blondine etwas schüchtern. Obwohl sie bereits öfter mit einigen der Dämonenkönige kurz geredet hatte, war sie noch immer sehr nervös in ihrer Gegenwart. Lucifer, Egyn, Beelzebub und Azazel erschienen eigentlich ganz nett, auch wenn letzterer ihr manchmal Gänsehaut bereitete. Mephisto war...nun Mephisto, von Amaimon hielt sie ganz großen Abstand und vor Iblis und Astaroth nahm sie sich ebenfalls in Acht. Sie ließen die Exorzisten ihre Abneigung stets spüren, dennoch blieb sie ihnen gegenüber weiterhin freundlich. Vielleicht würden sie irgendwann nicht mehr so feindseelig sein.
 

„Ihr verschwendet eure Zeit.”, fuhr der Geisterkönig fort. „Sie werden nicht kommen.”
 

„Danke, aber kümmere dich um deinen Kram.”, antwortete Izumo bissig. Azazel zuckte mit den Schultern. „Gut.”
 

Shiemi rang sich nach kurzem Zögern endlich durch, weiter mit ihm zu reden. „Wie geht es dir? Tut dein Kopf noch weh?” In letzter Zeit hatte der Geisterkönig des Öfteren über Kopfschmerzen geklagt, was wohl an der Instabilität zwischen den Welten lag, immerhin war das Geisterreich ebenfalls betroffen. Immer wieder hörte er Stimmen in seinem Kopf und bekam kaum noch Schlaf. Daher hatte er bereits an einigen Treffen nicht teilgenommen. Einmal hatte Shima (er hatte zuvor in Stein, Schere, Papier verloren) versucht ihn aufzuwecken, als sie diesen schlafend auf einem Sofa gefunden hatten. Azazel hatte sich hin und her gewälzt und offensichtlich einen Albtraum gehabt. An diesem Tag hatten sie alle eine wichtige Lektion gelernt: nicht nur schlafende Hunde sollte man nicht wecken, sondern auch keine schlafenden Dämonen. Der Geisterkönig war ohne Vorwarnung hochgefahren, hatte Shima umgeworfen und ihm einen Dolch (woher auch immer er diesen hatte) an die Kehle gepresst. Erst dann war ihm bewusst geworden, wen er da überfallen hatte und ließ glücklicherweise los, während er etwas perplex eine Entschuldigung murmelte. Scheinbar wollten seine Geschwister ihn deswegen nie wecken. Der Geisterkönig nickte nach kurzem Zögern. „Könnte besser sein, aber ich werd's überleben.”
 

Izumo hörte denn beiden nicht zu, sondern zerriss grummelnd das Papier. „Blöde Dämonen.”, grummelte sie vor sich hin. „Die Byakko können nichts dafür.”, kommentierte Egyn, während er sich zusammen mit Azazel mit dem anderen Sofa niederließ. Shiemi war etwas überrascht, denn normalerweise blieb keiner der Baal lange in ihrer Nähe, sondern bevorzugten es unter sich zu sein. Dass sie ihr auch noch einen seltsamen Blick zuwarfen, machte es nicht besser. Hatte sie etwas falsches gesagt oder getan? „Also...”, begann Egyn. „Ihr beiden seid mit Rin befreundet?”
 

„Ja, auch wenn er ein ziemlicher Idiot sein kann.”, grummelte Izumo. „Verstehe. Und ihr kanntet euch seit der Exorzistenschule?”, hakte der Wasserkönig nach. „Na ja, Yuki-chan kenne ich schon länger.” , antwortete Shiemi und errötete. „Wir sind uns begegnet kurz nachdem er Exorzist wurde. Er und der ehemalige Paladin sind oft zu uns in den Laden gekommen. Rin habe ich im Garten meiner Großmutter kennengelernt. Er war mein erster Freund.”
 

Die beiden Dämonenkönige wechselten Blicke. „Und mehr ist da nicht?”, fragte Azazel. Die blonde Adeptin sah ihn verwirrt an. „Was sollte da noch sein?” Neben ihr stieß Izumo ein Geräusch aus, was wie eine Mischung aus einem Schnauben und unterdrücktem Lachen klang. Dies trug nur dazu bei, Shiemi noch mehr zu verwirren. Anscheinend hatte sie wirklich etwas verpasst. Bevor sie nachfragen konnte, kamen auch die restlichen Adepten dazu. Beim Anblick der beiden Baal hielten sie inne. „Was macht ihr denn hier?”, entfuhr es Bon. „Auf dem Sofa sitzen. Sieht man doch.”, erwiderte Azazel trocken, woraufhin das Auge des angehenden Arias und Dragoons zuckte. „Du weißt genau, was ich meine!” Er erhielt nur blankes Starren. Egyn hob beschwichtigend die Hände. „Wir wollen keinen Streit.”
 

„Warum seid ihr dann hier?!”
 

„Sollen wir uns jedes Mal ignorieren, wenn wir aufeinander treffen? Dann wird diese Zusammenarbeit nie was.”
 

„Davon mal abgesehen, sind wir Rins Brüder und ihr seine Freunde. Wir werden also in Zukunft noch öfter aufeinander hocken müssen und da sollten wir uns zumindest halbwegs verstehen. Ob's uns nun passt oder nicht.”, murmelte der Geisterkönig, auch wenn er selbst nicht glücklich darüber schien. Die Adepten sahen sich unsicher an, Azazel verdrehte die Augen. „Egal, ich wollte sowieso noch was erledigen. Man sieht sich.”
 

„Du solltest nicht-”, begann Egyn, doch sein älterer Bruder verschwand bereits in einer schwarzen Wolke. „Ich habe dem Trottel doch gesagt, dass er noch im Bett bleiben sollte.”, murmelte er verärgert. Die Adepten achteten nicht weiter auf ihn. „Hey, Kamiki. Versuchst du immer noch deine magischen Diener heraufzubeschwören?”, fragte Shima.
 

„Natürlich, wonach sieht es sonst aus?”, knurrte sie, doch nach einem weiteren fehlgeschlagenen Versuch gab sie auf. „Das ist nicht fair!”, fauchte sie. „Ich will nicht nutzlos sein!”
 

„Ihr seid nicht nutzlos. Lebende Köder sind immer gut.” kommentierte eine neue Stimme. Astaroth kam dazu und grinste sie gemein an. „Schon Scheiße, wenn man sich immer nur auf andere verlässt und nichts selbst auf die Reihe bekommt, wie?”
 

„H-hey, lass sie in Ruhe!”, verteidigte Koneko sie schnell und sackte etwas zusammen, als er einen bohrenden Blick von dem Verwesungsdämonen bekam. „Exorzisten sollten Dämonen keine Befehle erteilen können. Umso besser, wenn damit endlich Schluss ist.”, knurrte er bedrohlich. Shiemi rutschte nervös auf ihrem Platz umher. „Sagt derjenige, der seine Untertanen alles erledigen lässt!”, fauchte Bon. Der grauhaarige Dämon schnaubte. „Als ob ich den ganzen Tag nichts mache. Ja, ich habe mehr als genug Handlanger und Untergebene, aber ich bevorzuge es wichtige Dinge selbst zu regeln.”
 

„Jetzt hört mit dieser Zankerei auf!”, fuhr Egyn dazwischen. „Du bist alt genug, um dich zusammenzureißen Astaroth!”
 

„Ach, jetzt bin ich wieder Schuld?!”
 

Der Wasserkönig schüttelte seufzend den Kopf. „Du hast angefangen. Wo ist überhaupt Iblis? Ihr wart doch zusammen unterwegs.”
 

„Der lässt 'ne Standpauke von Lucifer über sich ergehen, weil er ein Autowrack in die Luft gesprengt hat.”, antwortete der jüngere Dämon ungerührt. Egyn sah ihn fassungslos an. „Beelzebub war doch bei euch!”
 

„Tja, schätze, er war nicht schnell genug. Und es hat ja keiner gehört, nicht mal ihr.”
 

„Ich schwöre, wenn Gehenna wieder in unserer Hand ist, könnt ihr euch von Vater was anhören!”
 

„Ja, ja.”
 

Die Tür öffnete sich. Herein kam die Hexe von vorhin, gefolgt von Rin. „Ist alles in Ordnung hier? Wir haben laute Stimmen gehört.”, fragte er etwas unsicher.
 

Egyn seufzte. „Schon gut, alle bestens. Komm Astaroth, wir sollten Azazel suchen.” Der Fäulniskönig schien protestieren zu wollen, doch wurde einfach mitgezogen.
 

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Rin war sich ziemlich sicher, dass es mal wieder zum Streit zwischen seinen Geschwistern und seinen Freunden gekommen war, doch beschloss nichts zu sagen. „Hallo Rin.”, begrüßte Shiemi ihn, dann wandte sie sich an Christina. „Entschuldige, aber wer bist du?”, fragte sie etwas schüchtern.
 

„Christina Reichmann, Hohepriesterin des Hexenzirkels in Bamberg, Deutschland. Freut mich, euch kennenzulernen!”, antwortete sie grinsend. „Du bist Hohepriesterin?”, entfuhr es Shima. Christina lachte. „Japp. Ich bin allerdings auch schon 421 Jahre alt.”
 

Suguro runzelte die Stirn. „421? Also wurdest du 1598 geboren. War Deutschland nicht damals katholisch?” Sie nickte und seufzte, schien jedoch nicht genervt zu sein. „Das ist wahr. Ich stamme ursprünglich aus einer sehr gottesfürchtigen Familie.”
 

„Aber warum bist du dann eine Hexe und dienst Dämonen?”, fragte Koneko verwirrt. Das interessierte Rin ebenfalls. Erneut seufzte sie. Wahrscheinlich kam es nicht selten vor, dass sie das alles erzählen musste. „Im Jahre 1610, also als ich 12 Jahre alt war, wurden meine Mutter, meine ältere Schwester Eleanor und ich der Hexerei beschuldigt. Keiner von uns hatte irgendwas mit Hexerei zu tun. Wie ihr vielleicht wisst, waren die Hexenprozesse damals in vollem Gange. Damals regierte Fürstbischof Johann Gottfried I von Aschhausen das Hochstift Bamberg, später auch Würzburg.” Rin hatte keine Ahnung, wo das war oder wer dieser Gottfried war, aber hielt lieber den Mund. Geschichte war nie sein Fach gewesen. Oder Geographie und Religion. Oder Schule allgemein. „Mein Vater wurde getötet, als er uns bei unserer Verhaftung beschützen wollte.”, fuhr Christina fort. Sie klang ruhig, doch in ihren Augen regte sich etwas. „Wir beteten jeden Tag zu Gott und flehten ihn an uns zu helfen, doch nichts geschah. Meine Schwester ertrank bei der Wasserprobe, meine Mutter, welche schon gebrechlich durch eine Krankheit war, starb bei der Folter. Ich betete weiterhin, in der Hoffnung, dass zumindest einige meiner Freunde, welche ebenfalls als Hexen angeklagt wurden, überleben würden. Sie starben alle. Schlussendlich sollte auch ich hingerichtet werden, doch wurde gerettet. Von den Dämonenkönigen. Einige der Angeklagten waren tatsächlich Angehörige eines Hexenzirkels, daher griffen sie ein. Ohne sie wäre ich tot. Ich erkannte, dass es keinen Gott gab. Sollte es ihn doch geben, sind wir ihm egal. Warum sollte er sonst so viel Leid erlauben? Ich wurde von der Kirche, meinem Glauben, verraten. All die Treue wird mit Füßen getreten. Lord Satan und die Baal belohnen hingegen ihre Anhänger. Warum sollte ich Zeit damit verschwenden, jemanden anzubeten, der entweder nicht existiert oder dem ich egal bin? Also habe ich mich für Lord Satan entschieden und es nie bereut. Er allein bringt Freiheit.”
 

Die Adepten sahen sie erstaunt an. Rin war ebenfalls perplex. Er hatte nicht erwartet, dass sie so offen über ihre Vergangenheit sprechen würde. Gleichzeitig war er entsetzt von ihren Erzählungen. Sogar er wusste, dass Hexenverfolgungen richtig übel waren, aber das schien den Rahmen zu sprengen. „Tut mir leid, dass dir sowas passiert ist.”, sagte Shima, offensichtlich nicht sicher, wie er reagieren sollte. „Hast du deinen Vertrag mit Satan gemacht? Du scheinst viel von ihm zu halten.” Die Hohepriesterin schüttelte den Kopf. „Nur wenige haben einen Vertrag mit Lord Satan, da er kaum in Assiah anzutreffen ist. Ich habe meinen Vertrag mit Lord Samael abgeschlossen.”
 

„Na, Gratulation.”, murmelte Izumo. Christina zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, ich habe meine Entscheidung nie bereut. Das einzige, was ziemlich nervt, ist mein Aussehen. Jung auszusehen ist ja schön und gut, aber mit diesem Körper ist es echt unmöglich einen festen Freund zu bekommen. Na, immerhin ist langsam die Grenze erreicht, an der ich wieder altere, wenn auch langsam.” Sie sah auf ihre Uhr. „Ich glaube, wir sollten zurück gehen. Es geht bestimmt gleich weiter.” Ohne ein weiteres Wort drehte sie um und verließ das Zimmer. Rin und die Exwire folgten sie ihr schnell.
 

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Paymon war langsam, aber sicher am verzweifeln. Avalon war als einziges Reich übrig geblieben, welches Widerstand leistete, der Rest war gefallen. Die Randgebiete waren bereits eingenommen, ansonsten standen sie unter Belagerung. Zum Glück hatte Lucifer vor seiner Abreise neue Barrieren errichtet, andernfalls würden sie längst im Dreck kriechen. Die ihm vorliegenden Berichte waren dennoch alles andere als erbaulich. Lilith hatte offensichtlich keine Lust mehr auf Spielchen und griff mit unfassbarer Härte und Grausamkeit an. Gefangene nahm sie nicht. Die Bevölkerung versucht stark zu bleiben, doch alles war äußerst nervenaufreibend. Dass die Dämonenkönige nirgends aufzufinden waren, machte es noch komplizierter. Viele waren froh, dass sie scheinbar entkommen waren, während andere munkelten, dass Lilith sie längst hatte töten lassen. Glücklicherweise glaubten nur vereinzelte Dämonen daran. Wenn schon denn schon würde sie die Söhne Satans öffentlich hinrichten. Dummerweise gab es auch einige, die glaubten, dass die Baal geflohen waren. Obwohl es wenige waren, verbreitete es Unruhe. Ein Teil Paymons hätte die Hilfe der Dämonenkönige sehr begrüßt, aber er wusste, dass sie in Assiah besser aufgehoben waren. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was Lilith mit ihnen anstellen würde, wenn sie die Kinder Satans je in die Finger kriegen sollte. Besonders Rin würde es an den Kragen gehen. Der Lichtdämon erinnerte sich nur allzu gut daran, wie aufgelöst der Nephilim nach ihrer Befreiung war. Vielleicht war Satans Blutlinie irgendwie verflucht, sodass jedes Kind mindestens ein Trauma erleben musste. Seufzend setzte er sich an seinen Schreibtisch und begann eine Nachricht an seinen König zu schreiben. Er hasste es, dies zuzugeben, aber es stand nicht gut um Gehenna. Avalon würde nicht mehr lange standhalten und dann würde er eventuell sterben. Er hasste den Gedanken, Lucifer zu enttäuschen, aber er war am Limit. Er hielt die Nachricht kurz, aber aussagekräftig und schickte sie los. ‚Hoffentlich kommt die an.‘
 

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Invidia saß auf einem Felsen am Rande eines riesigen Sees, vor ihr hatte Leviathan seinen Kopf auf den Sand gelegt und genoss ihre Streicheleinheiten mit halb geschlossenen Augen. Die Sünde lächelte vor sich hin. „Ich habe dich so vermisst, mein Liebling. Tut mir leid, dass ich nicht da war, als Agares mit dir gekämpft hat. Aber keine Sorge, sie bezahlt dafür. Sobald Mutter genug von ihrem Widerstand hat, gehört sie ganz dir. Vielleicht kann ich dir auch ein paar Sirenen besorgen. Immer nur Fisch zu essen, ist doch bestimmt langweilig oder?” Das Seemonster brummte zustimmend.
 

„Hier bist du also.” Die grünhaarige verdrehte die Augen. Hatte man denn keine Ruhe? Sie drehte sich um. „Du nervst, Lux.”
 

„Auch hallo. Glaube mir, ich würde eine Pause ebenfalls begrüßen, doch eine Nachricht ist angekommen.” Invidia nahm den Zettel entgegen und las ihn durch, dann grinste sie. „Die Grigori bocken also weiterhin rum, aber der Paladin will helfen? Na, das ist ja mal was neues.”
 

„Ich würde nicht lachen.”, erwiderte Luxuria. „Mutter ist immer noch wütend, weil die Furien versagt haben.”
 

Invidia zuckte mit den Schultern. „Keiner wusste, dass die Dämonenkönige dort sind. Nicht meine Schuld.”
 

„Das ist ihr herzlich egal. Jetzt komm, wir haben einiges vorzubereiten.”
 

Die jüngere Aveira seufzte. „Schon gut, schon gut.” Sie wandte sich an Leviathan. „Keine Sorge, ich komme nachher wieder, ja? Vielleicht bringe ich dir ein paar Bedienstete aus dem Palast mit. Manche von denen sind so inkompetent.” Dies schien Leviathan etwas milde zu stimmen, denn er zog sich ohne weiteres grummeln ins Wasser zurück.
 

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„Dieser Plan ist noch hirnrissiger als der letzte und das will was heißen.”, kommentierte Shura nachdem die Dämonenkönige ihre nächsten Schritte erklärt hatten. Rin war ebenfalls nicht wirklich von dieser Idee überzeugt, dabei hatte er selbst ein Talent dafür, überstürzt zu handeln und immer mit dem Kopf durch die Wand zu krachen. Andererseits hatten sie nicht wirklich eine Wahl.
 

„Glaub mir, wir hatten schon wesentlich bescheuertere Pläne und die haben auch funktioniert.”, antwortete Iblis schulterzuckend. Angels Auge zuckte. „Ihr wollt nach Gehenna zurückkehren, in Satans Palast einbrechen und ihn befreien, auch wenn ihr nicht wisst, ob er wirklich dort ist. Hinzu kommt, dass dort Lilith, diese Avira und was nicht noch alles den Palast besetzen. Wie kann ein Plan noch dümmer sein?!”
 

„Du wärst überrascht, ja das ist der Plan und es heißt "Aveira", nicht "Avira". Avira ist ein deutsches Antivirenprogramm.”, murmelte Azazel. Christina kicherte.
 

„Das ist trotzdem Wahnsinn!”, stimmte Bon den beiden Exorzisten zu. Die restlichen Adepten und sogar Yukio nickten. „Stimmt, aber Wahnsinn bringt einen oft weiter als Rationalität.”, warf Adrijana ein.
 

„Und wie wollt ihr da bitte rein kommen? Durch ein Fenster?”, fragte Shura, die Stimme voller Sarkasmus.
 

„Es gibt jede Menge Geheimgänge, die in den Palast führen, man muss nur wissen, wo sie sind.”, erwiderte Egyn ruhig. „Und von den meisten weiß keiner was, außer wir und Vater.”
 

„Und nachdem Lilith fort war, sind einige dazu gekommen, also kennt sie sich da kaum aus.”, ergänzte Astaroth.
 

„Und warum schleift ihr Rin mit? Ihr hattet doch selbst gesagt, dass er von euch allen am meisten gefährdet ist.”, hakte Shura nach.
 

„Wir brauchen jemanden, der das Gehennator öffnet. Wir haben keine Zeit darauf zu warten, dass sich eins von selbst öffnet. Außerdem sitzen wir in Gehenna fest, falls wir Vater nicht finden.”, erklärte Lucifer. Shura seufzte. „Gut. Dann komme ich mit.”
 

„Shura!”, empörte sich Angel, doch keiner achtete auf ihn. Rin sah die Rothaarige überrascht an, ebenso wie der Rest. „Dann möchte ich auch mit!”, hing sich Shiemi rein. „Ebenfalls.”, bestätigte Bon, woraufhin Shima, Koneko und Izumo nickten. Der Nephilim war baff und Yukio überrumpelt. Warum sollten sie mit nach Gehenna wollen?
 

„Oh, nein! Vergesst es einfach!”, fauchte Iblis. „Ich spiele nicht noch mal Babysitter!”
 

Lucifer sah ihn scharf an, doch stimmte zu. „Ihr könnt nicht viel ausrichten.”
 

„Es sei denn, ihr seid scharf drauf Köder zu spielen. Hätten wir nichts gegen. Wenn nicht, kenne ich 'ne nette Krokodilfarm hier in Assiah. Ist bestimmt bald Fütterungszeit. ”, grinste Astaroth biestig. Diesmal bekam er einen giftigen Blick von Lucifer und Rin. Izumo funkelte ihn ebenfalls an. „Musst du immer so ein Idiot sein?!”
 

„Nervt es dich?”
 

„Natürlich!”
 

„Dann ja.”
 

„Du bist so ein-”
 

„Genug jetzt!”, fuhr Lucifer dazwischen. „Es bringt nichts, ist zu gefährlich und Schluss!”
 

Shura verschränkte die Arme. „Wir lassen Rin nicht alleine!” Der Nephilim wollte ansetzen, um etwas zu sagen, doch Azazel kam ihm zuvor.„Und was sind wir? Pilze?”, grummelte er und verdrehte die Augen.
 

„Außerdem kommen mehrere Hexen und Hexer mit, da können wir nicht noch euch mitschleppen.”, gab Beelzebub zu bedenken. Shura ließ nicht locker. „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ihr uns nur von Rin fernhalten wollt.”
 

Iblis bleckte die Zähne. „Das ist auf jeden Fall ein Bonus!” Ok, jetzt war aber genug. „Hört auf, euch meinetwegen zu streiten!”, mischte Rin sich ein. Alle Augen richteten sich auf ihn. Sie schienen vollkommen vergessen zu haben, dass er mit im Raum war. „Könnte ihr euch nicht wenigstens fünf Minuten vertragen?!”
 

Bon schnaubte. „Wir lassen dich nicht nochmal allein!”
 

„Ich habe Kurikara, meine Flammen und acht Helikopter-Geschwister!”, antwortete Rin erschöpft.
 

„Wie hat er uns genannt?”, murmelte Amaimon, doch Lucifer bedeutete ihm, ruhig zu sein. „Ich komme klar und ich will nicht, dass ihr meinetwegen in Schwierigkeiten geratet!”
 

„Weil das ja auch das erste Mal wäre.”, antwortete Shima trocken. Rin warf ihm einem Blick zu, der wahrscheinlich Satan stolz gemacht hätte. „Was soll das denn jetzt heißen?!”
 

Der Pinkhaarige überlegte kurz. „Tja, da wäre einmal dieser Ghul, der Izumo-chan-”
 

„Nenn mich nicht so, du Idiot!”
 

„-und Paku-chan angegriffen hat, dann das Camp-Fiasko-”
 

Rin hob abwehrend die Hände. „Ok, ok! Ich hab's kapiert. Wobei beides auf Samaels Mist gewachsen ist.”, murmelte er leise.
 

Lucifer rieb sich irritiert den Nasenrücken. Die Handlung erinnerte ihn sehr an seinen Vater. „Ihr lasst nicht locker, oder?” Er seufzte. „Gut. Ihr dürft mitkommen.”
 

Von allen Fraktionen kam gleichzeitig: „Was?!”
 

Beelzebub legte den Kopf schief. „Haben Iblis und Astaroth dich wieder abgefüllt?”
 

Der Lichtkönig verdrehte die Augen. „Natürlich nicht. Wenn sie unbedingt mitwollen, dann gut.” Er wandte sich an die Exorzisten. „Allerdings auf eigene Verantwortung. Wenn einer von euch verletzt wird oder verloren geht, drehen wir nicht um.”
 

Rin wollte protestieren. „Aber-” Lucifer redete einfach weiter. „Wir machen uns morgen Abend auf den Weg. Bis dahin könnt ihr entscheiden, wer mit will. Allerdings solltet ihr euch gut überlegen, ob ihr die Tamer wirklich mitnehmen wollt. Von allen sind sie dort am verwundbarsten.”
 

Shura nickte. „Gut.”
 

„Das geht nicht, Shura!”, fauchte Angel. „Du kannst nicht nach Gehenna gehen und erst recht nicht Adepten mitnehmen!”
 

Shura grinste. „Momentan bin ich nicht für die Ritterschaft unterwegs und technisch gesehen nicht im Dienst. Ich kann also machen, was ich will und wenn sie unbedingt mitwollen, dann gut. Ich bezweifle, dass ich es ihnen ausreden kann.”
 

Währenddessen war Rin zwischen Dankbarkeit und Nervosität hin und her gerissen. Er war dankbar, dass seine Freunde ihm helfen wollten, doch er war auch besorgt um sie. Was wenn jemanden etwas passierte? Das würde er sich nie verzeihen können. Er bekam am Rande mit, wie seine Geschwister mit den Hexen sprachen, doch achtete nicht weiter darauf. Sobald sie in Gehenna waren, würden sich ihre Wege vorerst trennen. Ihre Aufgabe war es, die Hexenzirkel dort zu mobilisieren. Manche waren bereits nach Assiah geflohen, doch der überwiegende Teil saß in der Dämonenwelt fest und wurde wie Tiere gejagt. Ohne Frage wären sie mehr als bereit im Kampf gegen Lilith zu helfen. Inzwischen war es längst dunkel geworden. Die Exorzisten verabschiedeten sich, doch zuvor zog Rin Shura und seine Freunde beiseite. „Was habt ihr euch dabei gedacht?”, zischte er. „Ihr könntet sterben.”
 

„Ich habe es dir schon mal gesagt, Okumura!”, knurrte Bon. „Vergiss nicht, dass du Freunde hast!”
 

„Aber-” Shura verpasste ihm eine Kopfnuss. „Kein Aber. Es ist beschlossene Sache. Schluss, fertig, bis morgen.” Dann waren sie auch schon weg. Anschließend versuchte Rin Lucifer davon zu überzeugen, es sich anders zu überlegen, doch der Lichtdämon ließ sich nicht einmal mit dem Welpenblick erweichen und der Nephilim hatte diese äußerst wichtige Fähigkeit längst gemeistert. „Blöder Leuchtkäfer.”, murmelte er verdrießlich. Zu seiner Schande fiel ihm eine bessere Beleidigung nicht ein. Sie verabschiedeten sich schlussendlich von den Hexen und kehrten nach Hause zurück. Alle verzogen sich sofort ins Bett, denn sie würden ihre Kraft auf jeden Fall brauchen. Amaimon war überraschend schnell eingeschlafen. Rin lag derweil in seinem Bett und starrte die Decke an. Neben ihm schlummerte Kuro und gab leise, schnurrende Geräusche von sich. Wie konnten alle so ruhig bleiben? Ewig wälzte er sich hin und her, dann seufzte er, warf seine Decke zur Seite und stand auf. Leise ging er die Treppe hinunter und stand nun im Wohnzimmer, wo zu seiner Überraschung noch jemand war. Azazel. Der Geisterkönig saß mit dem Rücken zu ihm, doch Rin konnte erkennen, dass er eine Bierdose in der Hand hielt und diese mit schnellen Zügen leerte. Der Halbdämon spielte mit dem Gedanken einfach wieder ins Bett zu gehen, denn ihn beschlich das Gefühl, dass der drittälteste Sohn Satans alleine sein wollte. „Solltest du nicht im Bett sein?” wurde er plötzlich gefragt. Er zuckte zusammen. „Ich konnte nicht schlafen. Du?”
 

„Ebenfalls.” Azazel nickte zu dem Platz neben sich. „Setz dich.” Rin kam der Aufforderung nach. „Also...warum kannst du nicht schlafen?”, fragte Azazel. Der Halbdämon seufzte. „Ich bin einfach angespannt. Wenn morgen etwas schief geht, sind wir alle erledigt. Dann wollen Shura und die anderen mitgehen und Lucifer erlaubt es auch noch. Was wenn ihnen etwas passiert? Sie sind meinetwegen schon oft genug in Schwierigkeiten geraten.”
 

„Sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was alles schief gehen kann, bringt nichts und macht dich nur fertig.”, antwortete Azazel ruhig. „Ich verstehe, dass du dir Sorgen um deine Freunde machst, aber du kannst ihre Entscheidung nicht ändern. Sei lieber froh, dass du sie hast. Normalerweise haben Nephilim diesbezüglich selten Glück.” Er trank einen weiteren Schluck. „Außerdem scheinen wir alle bei sowas besonders viel Pech zu haben. So ziemlich 99% meiner damaligen Freunde wollten mich nur ausnutzen und dem Rest ging es nicht besser.”
 

Rin wusste nicht wirklich, was er dazu sagen sollte, also nickte er nur. „Warum kannst du nicht schlafen?” Azazel verzog das Gesicht. „Das Übliche. Kopfschmerzen, Albträume und ein Haufen Stimmen, die mir die Ohren volljammern und einfach nicht die Klappe halten. Als ob ich nicht selbst genug Probleme habe. Die Toten haben's wenigstens hinter sich und vergessen mit der Zeit ihr Leben. Ich kann mich dagegen an jedes beschissene verstörende Erlebnis erinnern und all die Bilder. War ja klar, dass ausgerechnet ich mit 'nem fotografischen Gedächtnis verflucht werde. Damit ich ja nicht meine Fehler und meine Dummheit vergesse.” Er trank die Dose aus und zerquetschte sie. Er bemerkte Rins Blick. „Sorry. Schätze mal die Schlaflosigkeit lässt mich irgendwelchen Mist erzählen. Ich warte grad, dass die Medikamente wirken. Ich will endlich schlafen ohne einen Haufen Leichen in meinen Träumen zu sehen. Oder Stimmen zu hören, die mich verspotten. Das zieht echt runter.”
 

„Ok...”, sagte Rin unsicher. Er machte sich langsam erhebliche Sorgen um den geistigen Zustand des Älteren. „Solltest du wirklich Alkohol dabei trinken?”
 

Azazel verdrehte die Augen. „Im Gegensatz zu dem Zeug in Gehenna ist das hier Kinderhustensaft. Da passiert nichts. Ist sowieso nur eine Dose. Und seien wir mal ehrlich: Ich sehe aus, wie ein Drogenabhängiger auf Entzug. Ich sehe überall Tote und höre ständig ihre Stimmen, ich kann nicht schlafen und habe das Gefühl, dass alles dabei ist, den Bach runterzugehen. Da gibt's nicht mehr viel kaputt zu machen.”
 

„Sag das nicht.”, antwortete Rin. „Wenn wir Lilith besiegen-”
 

Der Geisterkönig schnaubte. „Sobald wir Lilith besiegt haben, wird's ruhiger, aber das Ende ist es nicht. Der Kreis dreht sich weiter. Irgendwann kommt der nächste Krieg, sei es in Assiah oder Gehenna. Und glaube mir, ich weiß wahrscheinlich am besten, wozu Menschen fähig sind. Bei mir kommen jeden Tag unzählige Seelen rein, viele sind nicht durch natürliche Ursachen gestorben. So viele von ihnen mussten alles Mögliche mitmachen oder haben eine kranke Scheiße abgezogen, da würde sogar Alastor den Kopf schütteln. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer und weißt du was? Keinen interessiert's.” Er lachte kalt. „Es mag sich zynisch anhören. Wahrscheinlich sogar schon nihilistisch, aber es ist wahr. Ich sage es ja immer wieder. Die Welt ist am verrotten. Keinen interessiert's. Sterbliche leben vor sich hin und beachten nicht, was sich anderswo abspielt. Wenn sie von hören, lassen sie sich einmal drüber aus und dann geht's weiter mit dem Leben. In Gehenna ist es manchmal nicht anders.” Stille folgte, während Rin den älteren Dämonen anstarrte. Azazel redete selten so viel und erst recht nicht darüber. Ja, ihm war schon öfter aufgefallen, dass der Geisterdämon hin und wieder relativ...dunkle Ansichten hatte. Andererseits war er nun mal der König der Toten, das zerrte sicherlich ganz schön an der Psyche. „Es gibt viele Menschen, die sich einsetzen, um das zu verhindern und zu bekämpfen.”, murmelte er.
 

Azazel schüttelte den Kopf. „Nicht genug. Nicht mal ansatzweise.” Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Tut mir leid. Vergiss einfach, was ich gesagt habe.”, murmelte er und stand auf. „Ich gehe wieder ins Bett. Kommst du mit?” Erneut nickte der Nephilim stumm. Sie sprachen auf dem Weg nach oben nicht, sondern murmelten nur ein kurzes „Gute Nacht.” Dann hielt der Geisterkönig jedoch nochmal inne, drehte sich um und ging zu Rin. „Eine Sache noch. Was auch immer in den nächsten Tagen passiert, ist nicht deine Schuld, ok? Und glaube nicht alles, was man dir sagt. Viele Dinge sind nicht so, wie sie scheinen. Also lass dich nicht unterkriegen.” Nach kurzem Zögern wuschelte er seinem jüngeren Halbbruder einmal durch die Haare, dann ging er in sein Zimmer. Rin starrte ihm hinterher. Was um alles in der Welt sollte das grad? Seufzend ging er ebenfalls zurück in sein Zimmer und legte sich wieder ins Bett. Amaimon und Kuro schliefen nach wie vor. Immer wieder musste er an Azazels Worte denken. Offensichtlich war der ältere Dämon genauso nervös wie er und wurde auch noch von anderen Dingen zusätzlich belastet. Wenn das hier alles vorbei war, mussten sie sich wohl wirklich einmal mit ihm unterhalten. Er zwang sich, nicht länger darüber nachzudenken, sonst würde er morgen auf dem Zahnfleisch laufen. Nach einer Weile schlief er endlich ein.

Auf Rettungsmission

Rin fühlte sich am nächsten Morgen wie gerädert. Sein Schlaf war leider nicht sonderlich erholsam gewesen. Er war einige Male wegen seltsamer Träume aufgewacht. Alle waren inzwischen sehr schemenhaft, nur bei einem konnte er sich an mehr Details erinnern. Zwei Gestalten, scheinbar männlich und weiblich standen sich gegenüber. Die männliche, dunkle Gestalt kauerte fast am Boden, die Frau stand einige Meter von ihm entfernt und schien auf ihn herabzusehen. Leises Geflüster war zu hören, doch der Nephilim hatte nur Wortfetzen wie "Worte gebunden", "Blut besiegelt", "Versprechen", "Schicksal" und "Wir sind" verstanden. Wirklich aufschlussreich. Allerdings hatte es sich nicht wie ein Traum angefühlt, sondern wie eine weitere Vision. Er war daraufhin zu Samael gegangen und hatte ihn dazu befragt, doch leider konnte der Zeitdämon nicht weiter helfen, es war alles zu undeutlich und er war wie der Rest damit beschäftigt ihren Trip nach Gehenna vorzubereiten. Er hatte nur erwähnt, dass es verdächtig nach einem mit Blut besiegelten Pakt klang. Sie hatten allerdings keine Zeit sich näher damit zu beschäftigen. Wenn heute etwas schief ging, wäre wahrscheinlich alles vorbei. Also gar kein Druck. Gegen Mittag rief Shura an, um zu verkünden, dass sie, die Adepten und Yukio mit nach Gehenna kommen würden. Es würde das erste Mal sein, dass Exorzisten die Welt der Dämonen betraten. Zumindest freiwillig. Nicht wirklich beruhigend. Allerdings hatten den die Baal beschlossen sich bereits am späten Nachmittag auf den Weg zu machen, also mussten sie sich mit den Vorbereitungen beeilen. Zum wievielten Mal auch immer verfluchte er Lucifer, weil er dies erlaubt hatte. Gleichzeitig hatte er das Bedürfnis Shura den Hals umzudrehen. Sie würde möglicherweise noch halbwegs klarkommen, Yukio hatte ebenfalls ganz gute Karten, Bon war angehender Dragoon, da ging es sicher halbwegs, aber beim Rest sah er schwarz. Shiemi und Izumo wären hilflos, bei Shima und Koneko (und natürlich Bon) war er sich nicht sicher, was das rezitieren bringen würde. Die Todesverse würden einige Dämonen vielleicht verlangsamen oder verletzen, aber mehr nicht. Immerhin waren sie in Gehenna, da machte sich austreiben schlecht. Warum musste immer alles so schwer sein?! Vielleicht sollte er einmal einen Brief an das Leben schreiben.
 

Liebes Leben,
 

ich habe kapiert, dass du ziemlich unfair sein kannst. Höre also bitte auf, es zu demonstrieren, ja?
 

Mit freundlichen Grüßen
 

Okumura Rin
 

Dummerweise würde das wohl leider nichts bringen. Der Nachmittag kam und ging, nichts erwähnenswertes passierte. Die Dämonenkönige waren nervös, doch keiner zeigte es. Noch schlimmer machte es eine Nachricht von Paymon, denn laut ihm würde bald Avalon und damit das letzte Reich fallen. Lilith würde dann nichts mehr im Wege stehen und sie konnte in aller Ruhe Assiah unterwerfen. Rin vertrieb die Anspannung, indem er einige Übungen mit Kerzen machte. Er war eigentlich schon zu fortgeschritten dafür, doch es beruhigte ihn, also sagte niemand etwas. Kämpfen üben war leider nicht möglich, zu groß war das Risiko entdeckt zu werden. Gegen 16:45 Uhr klingelte es zum ersten Mal, im Laufe der nächsten 15 Minuten trafen alle ein. Von den Hexenzirkeln kamen Christina, Akaya, Adrijana sowie ein weiterer Mann und zwei Frauen, deren Namen Rin nicht kannte. Er war immer noch etwas überrascht, dass Yukio mitkam. Entweder, weil er der Lehrer seiner Freunde war, er machte sich zumindest doch etwas Sorgen um ihn oder Shura hatte ihn verdonnert. Andererseits glaubte er nicht, dass die rothaarige Exorzistin irgendjemanden zwingen würde mit nach Gehenna zu kommen. So oder so spielte es keine große Rolle. Er bemerkte am Rande, wie seine Freunde ihre Weihwasservorräte überprüften, während die Vertreter der Hexenzirkel mit Kerzen, Tarotkarten, seltsamen Figuren (Voodoo Puppen?), Runensteinen, Amuletten, Kreide, Tierknochen, Pendeln, Papierstücken und anderen Gegenständen herumwerkelten. Wahrscheinlich benötigten sie diese für ihre Zauber. Die Baal kontrollierten ein letztes Mal ihre Waffen. Azazel war mit einigen Pfeile zugange, welche er vergiftete und entsprechend markierte. Rin hatte Kurikara, den Anhänger von Beelzebub, Iblis' Dolch und die Tränen dabei. Das Auge ließ er hier, immerhin waren sie in Gehenna überall von Feinden umgeben, sodass es wohl nur am leuchten wäre. Als sie endlich fertig waren, gingen sie zusammen in den Keller. Dieser bestand aus einem großem, quadratischem Lagerraum. Mehr als genug Platz, um ein Tor nach Gehenna zu öffnen. Hoffentlich würden sie nicht mitten im Thronsaal des Palastes landen.
 

Es war mehr als unangenehm sich halb den Unterarm aufzuschneiden, aber er riss sich zusammen und sah zu, wie sich sein Blut auf dem Boden ansammelte. Er murmelte die Worte, die sein Vater ihm gelehrt hatte und betete, dass alles klappen würde. Scheinbar hatte das Universum ihn nicht komplett im Stich gelassen. Langsam veränderte das Blut Farbe und Konsistenz und wurde zu der blubbernden, teerartigen Substanz, welche das Gehennator bildete. Er erkannte aus dem Augenwinkel wie Izumo, Koneko und Shiemi erschauderten, Shima und Bon wirkten blass. Der Nephilim begutachtete seinen Unterarm, wo sich der Schnitt bereits verschloss.
 

„Also...da müssen wir lang?”, fragte Miwa zaghaft und etwas grün im Gesicht. Iblis verdrehte die Augen. „Ihr könnt auch gerne auf ein Hochhaus klettern und springen, dann landet ihr in Gehenna ohne durch die Pforte zu müssen.” Lucifer verdrehte die Augen und sah den Feuerkönig genervt an, dieser zuckte nur mit den Schultern. Der Lichtkönig wandte sich an die Exorzisten. „Es ist wichtig, dass ihr ruhig bleibt. Wenn ihr euch wehrt oder zu sehr rumzappelt, verzögert sich alles und ihr könnt sonst wo landen. Außerdem kann es passieren, dass jenen mit einem schwachen Geist die Seele aus dem Körper gerissen wird.”
 

Shuras Augen verengten sich. „Was soll das heißen?”
 

„Al aernyma zekravni re vla'gowr, ki swirczke zwerlevskraw re yškrawon.”, murmelte Amaimon.
 

Die Exorzisten sahen ihn verwirrt an. „Stehlt die Seelen der Schwachen, zerschmettert den Geist der Starken.”, übersetze Azazel monoton. „Das ist das Prinzip nachdem die Gehennapforte selektiert. Gehenna ist nichts für Schwächlinge, sie werden also gleich aussortiert. Ist außerdem quasi das Motto von Gehenna im allgemeinen.”
 

„Und das konntet ihr nicht früher erwähnen?”, knurrte Bon. Der Geisterkönig zuckte mit den Schultern. „Ihr habt nie gefragt.”
 

Samael grinste hämisch. „Dies wäre nun eure letzte Möglichkeit die Bühne zu verlassen. Wie sieht es aus?” Rin drückte im Stillen die Daumen. ‚Lasst es bleiben, lasst es bleiben, lasst es bleiben...‘
 

„Träum weiter.”, erwiderte Shura. Mist. Er sah auf den Boden, als sich etwas um seine Beine schmiegte. Es war Kuro. Er hob ihn hoch. „Rin, versprich mir, dass du vorsichtig bist, ja?”, fragte der Kater, scheinbar den Tränen nah. Er durfte leider nicht mit, daher war er ziemlich aufgelöst. „Klar, wir sind bald zurück.”, versprach der Nephilim, auch wenn ihm nach wie vor unwohl war. Er hatte ein echt mieses Gefühl in der Magengegend. Zu seiner Überraschung wirkte Samael ebenfalls ungewöhnlich angespannt. Hatte er etwas in einer Vision gesehen? Azazel schien auch mit jeder Minute nervöser zu werden. Irgendetwas lag in der Luft.
 

„Nur nochmal zur Erinnerung: Ihr kommt auf eigene Verantwortung mit. Wenn euch etwas passiert oder jemand verloren geht, ist das euer Pech. Wir haben keine Zeit dafür.”, erinnerte Lucifer und warf Shura einige kleine Beutel zu, die sie überrascht auffing. „Was ist das?”
 

„Nehmt euch alle einen. Sie sind dazu da, um euren Geruch zu überdecken.”
 

„Geruch?”, fragte Shiemi.
 

„Ihr stinkt nach Mensch. Wir haben keine Lust deswegen aufzufliegen.”, erklärte Amaimon. „Was ist mit mir?”, erkundigte sich Rin. „Nach all der Zeit, die du in Gehenna verbracht hast, ist das nicht nötig.”, antwortete Lucifer. Er wandte sich an seine Geschwister. „Bereit?”
 

„Absolut nicht.”, gab Egyn zu. „Tja, umso besser. Immer wenn wir irgendwas planen, bricht so oder so der Hades über uns herein.”, murmelte Iblis. „Also immer rein ins Getümmel.”
 

Lucifer, Samael und Azazel gingen zuerst, dann die Hexen mit Shura, Yukio und den Adepten. Anschließend folgte Rin mit den restlichen Dämonenkönigen.

 
 

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Bon war sich nach wie vor unsicher, was er von den Dämonenkönigen halten sollte. Sie waren auf jeden Fall anders als er sie sich vorgestellt hatte. Besonders auffällig war ihre besitzergreifende Art, wenn es um Rin ging. Dem Nephilim selbst schien es nicht aufzufallen, doch seine Halbgeschwister warfen den Exorzisten des Öfteren warnende oder gar drohende Blicke. Auch hatte er häufig das Gefühl, dass die Dämonen Rin möglichst von ihnen fern halten wollten. Wenn schon die Dämonenkönige so drauf waren, dann grenzte es an ein Wunder, dass Satan Rin nicht jeden Tag Dämonen hinterher geschickt hatte, um ihn zu holen. Oder er hatte es getan und sie hatten außerhalb der Barriere gewartet und darauf gelauert, dass er einen Fuß nach draußen setzte. Dieser Gedanke war etwas unheimlich. Immerhin schienen die Baal keine bösen Absichten zu haben und sich nur um den Halbdämonen zu sorgen, dennoch nervte es gehörig. Rin zuliebe hielt er allerdings die Klappe. Meistens. Yukio schien die Sache mittlerweile abgehakt zu haben, was den jungen Adepten ziemlich sauer machte. Kein Wunder, dass Rin inzwischen so sehr an den Dämonenkönigen hing.
 

Trotz aller Zweifel, Hintergedanken und Uneinigkeiten wollte er mit nach Gehenna. Wenn Okumura schon den Helden spielte, dann nicht ohne ihn! Das Tor sah alles andere als einladend aus und dieses Motto machte es doch glatt noch behaglicher. Ein Teil von ihm hoffte, dass es gar nicht so schlimm war und Dämonen nur einen großen Hang zur Dramatik hatten. Samael war immerhin auch so und irgendwoher musste er es ja haben. Nachdem er tief Luft geholt und erfolgreich sämtliche Stimmen ignoriert hatte, die ihn anschrien, dass dies eine absolut hirnrissige Idee war, (der dumme Plan, der dann wahrscheinlich auch noch funktionierte, bewies nur ihre Verwandtschaft zu Rin) betrat er die Pforte. Es war ein seltsames Gefühl. Irgendwie fühlte es sich...lebendig an. Als würde er von einem Tier verschlungen werden. Jedoch zwang er sich ruhig zu bleiben, immerhin hing er an seiner Seele. Es wurde immer dunkler, bis er nicht mal mehr die Hand vor Augen sah. Er konnte sich nicht länger bewegen, von überall hörte er leises Flüstern, Schreie und Zischen. Langsam wurde er nervös. Was wenn etwas schief gegangen war und er für immer hier feststeckte? Würde er enden wie diese körperlosen Stimmen? Schnell schob er den Gedanken beiseite. ‚Keine Schwäche zeigen, keine Schwäche zeigen...‘, wiederholte er gedanklich wie ein Mantra. Dann schlug er plötzlich auf etwas hartem auf. Er roch nach...Gras und Wasser? Bevor er sich orientieren konnte, vernahm er ein lautes Platschen, gefolgt von Fluchen.
 

„ERNSTHAFT?! SO 'NE VERFICKTE SCHEIßE!” Das war wohl Iblis. Er setzte sich langsam auf und musste sich ein Lachen verkneifen. Sie waren am Ufer eines Sees angekommen, während Iblis im Wasser gelandet war. Es war nur wenige Schritte vom Ufer entfernt, aber er wurde dennoch pitschnass und sah aus wie ein begossener Pudel. Schimpfend richtete sich der Feuerkönig auf, nur um auszurutschen und wieder ins Wasser zu klatschen. Als die ersten Dämonenkönige begannen loszulachen, konnten sich auch die Adepten sowie Rin und die Hexen nicht mehr zusammenreißen und lachten schallend los. „KÖNNTET IHR MIR MAL HELFEN?!”, fauchte Iblis.
 

„Hey, ich bin gegen einen Baum geknallt, das ist nicht besser.”, kommentierte Astaroth und rieb sich die Stirn, wo eine rote Stelle war. Rin wirkte peinlich berührt. „Tut mir leid...”
 

„Egal. Ich gewöhne mich langsam dran etwas gegen den Kopf zu bekommen, wenn wir uns begegnen. Dieser Möbelstapel im Wohnheim tat verdammt weh...”
 

„Ich hatte Panik!”
 

Keiner der Exorzisten achtete auf sie, alle sahen sich um. Bon war zugegebenermaßen überrascht, wie normal die Dämonenwelt aussah. Er hatte sich Gehenna irgendwie immer als düsteren Ort vorgestellt, wo überall die Schreie der Verdammten widerhallten und es nur Verzweiflung gab. Stattdessen wirkte alles recht normal. Wenn man mal vom Himmel absah. Dieser war nämlich gold-rot. Außerdem gab es hier zwei Sonnen. Gut, warum nicht? Davon abgesehen fühlte sich die Umgebung anders an. Er wusste nicht, wie er es beschreiben sollte, bedrückend war nicht ganz passend. Auf jeden Fall ließ es seine Haut kribbeln und machte ihn ziemlich nervös. Hinzu kam die seltsame Luft. Im ersten Moment hatte er das Gefühl, dass sie seine Lunge verbrannte. Inzwischen war es nicht mehr ganz so schlimm, aber es fiel ihm dennoch schwer richtig zu atmen. Die Dämonenkönige hatten die Wahrheit gesagt. Gehenna war wirklich kein Ort für Menschen.
 

„So, da wir hier scheinbar von keinen leeren Hüllen umgeben sind, haben es wohl alle durch geschafft. Zu schade.”, kommentierte Astaroth. Am liebsten hätte Suguro dem Fäulniskönig eine reingehauen und ihn ins Wasser geschubst, aber ließ es doch lieber bleiben. Wenn er sich jedes Mal provozieren ließ, würde es nie was werden. Währenddessen hatten sich Egyn, Rin und Christina erbarmt und halfen Iblis, welcher immer noch am Schimpfen war. Immerhin war er dank dem Wasserkönig und seinen eigenen Kräften schnell wieder trocken. Rin half ihm dabei den Seetang aus seinen Haaren zu bekommen.
 

„Das hier ist also Gehenna.”, murmelte Shura während sie sich umsah. „Schätze, Gehenna und Assiah sind wirklich Spiegelwelten.” Sie bemerkte die düsteren Gesichter. „Was? Was habe ich jetzt wieder gesagt?”
 

„Gar nichts.”, antwortete Lucifer. „Es fühlt sich nur alles falsch an. Bei diesem Chaos ist es ein Wunder, dass die Grenze zwischen den Welten überhaupt noch existiert.” Der Rest nickte zustimmend.
 

„Wie meint ihr das?”, hakte Yukio nach. Es war überraschend, dass er überhaupt sprach. „Je mächtiger ein Dämon ist, umso mehr Spuren hinterlässt er oder sie.”, erklärte Egyn. „Und so sehr wie sich Lilith hier grad überall einmischt...ihr könnt euch wohl denken, wie es sich anfühlt.”
 

„In wessen Gebiet sind wir überhaupt gelandet?”, erkundigte sich Shiemi zaghaft. Bevor jemand antworten konnte, stieß Christina plötzlich einen Schrei aus. „PASST AUF!” Ihre Warnung kam den Bruchteil einer Sekunde zu spät. Bon hörte wie Izumo nun ebenfalls aufschrie. Alle wirbelte herum. Die angehende Exorzistin hatte recht nah am Wasser gestanden und dies gefiel einem der Seebewohner offensichtlich gar nicht. Eine dunkelblaue, schuppige Hand mit Schwimmhäuten hatte sich um ihr rechtes Fußgelenk geschlossen und wollte sie ins Wasser ziehen. Ihr Leben verdankte sie Egyns und Azazels schneller Reaktion. Während der Geisterkönig sie schnell festhielt, verwendete der Wasserkönig erstarrtes Wasser, um die Hand der Kreatur abzutrennen. „Alles in Ordnung?”, erkundigte er sich, offensichtlich selbst ziemlich überrumpelt. „Nein!”, fauchte die Adeptin nachdem sie sich von ihrem Schock erholt hatte. Sie schüttelte die Hand ab. „Was war das?!”
 

„Wahrscheinlich ein Kelpie oder ein Kappa. Wir sind wohl am Acherusischen See rausgekommen.”
 

„Sind das nicht Dämonen, die ihre Opfer ertränken und fressen?”, fragte Bon. Von einem Acherusischen See hatte er allerdings noch nie etwas gehört.
 

„Genau. Der Acherusische See liegt genau auf der Grenze zwischen meinem und Azazels Gebiet, aber wenn ich mir den Wald so ansehe, sind wir wohl bei mir gelandet.”
 

„Dann ist das unser Stichwort zu gehen.”, sagte Adrijana. Die Baal nickten und bevor sie sich die Exorzisten versahen, waren sie allein mit den Dämonen. „Also...”, durchbrach Shima die unangenehme Stille. In welche Richtung geht es?” Lucifer öffnete den Mund, doch Iblis unterbrach ihn. „Oh, nein! Du übernimmst nicht die Orientierung!”
 

Egyn seufzte und nickte in eine Richtung. „Wir müssen dort lang. Dann kommen wir direkt an die Grenze.”

„K-könnt ihr uns nicht teleportieren?”, fragte Koneko nervös.
 

„Phasensprünge sind hier nicht möglich. Abgesehen davon hinterlassen die zu viele Spuren. Also laufen wir.”, erklärte Beelzebub. Azazel murmelte etwas vor sich hin, offensichtlich nicht besonders glücklich darüber. „Schaffen wir es wirklich vor Sonnenuntergang zum Palast?”, fragte Shura zweifelnd. Egyn nickte. „Wenn ich mich nicht täusche, sind wir relativ nah an der Grenze. Es müsste klappen. Wenn nicht verbringen wir die Nacht im Wald.”
 

„Dann nichts wie los.”, drängte Shura.
 

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Sie liefen gerade mal fünf Minuten, dann kam bereits der nächste Schock. Dicker Nebel hing über dem See und hüllte teilweise das Ufer ein. Rin hatte ein wirklich beklemmendes Gefühl. Plötzlich blieb Egyn stehen und wandte sich an die Exorzisten. „Haltet euch die Ohren zu. Wir kommen gleich in die Nähe eines Sirenen-Posten. Ihr Gesang lockt euch ins Wasser, sodass sie euch ertränken und fressen können.”
 

„Gibt es auch irgendwelche Wasserdämonen, die uns nicht fressen oder ertränken wollen?”, murmelte Shima. Egyn hörte ihn entweder nicht oder ignorierte ihn. Die Exorzisten kamen der Aufforderung nach. Der Wasserkönig wandte sich an den Nephilim. „Rin, du besser auch. Agares macht der Gesang nichts aus, aber in dir steckt wesentlich mehr Mensch, also kann ich nicht sagen, wie du darauf reagieren wirst.”
 

Er nickte und tat es seinen Freunden gleich. Leise gingen sie weiter bis vor ihnen eine Gestalt auftauchte und mit gezogener Waffe -einem Speer- auf sie zuhielt. Egyn reagierte sofort, beschwor seinen eigenen herauf und blockte den Angriff. Die Spitze kam kurz vor seinem Hals zum stehen. Auch die restlichen Baal hatten ihre Waffen gezogen, doch hielten inne. Rin, welcher Kurikara in der Hand hielt, erstarrte ebenfalls. „Ernsthaft? Du willst mich wieder aufspießen, Kyrie?”, fragte Egyn trocken. Tatsächlich war es Kyrene. Sie schien mehr als überrumpelt, dann ließ sie ihren Speer fallen und fiel dem Wasserdämonen um den Hals. „Egyn!”, quiekte sie überglücklich. „Euch geht's allen gut!”
 

„Kyrene...Luft...”, presste Egyn hervor. Erschrocken sprang sie zurück. „Oh...j-ja, tut mir leid. Aber ich bin wirklich froh, dass es euch gut geht.” Ihr Blick wanderte zu den Exorzisten, welche sie verwirrt anstarrten. „Wer seid ihr denn?”
 

Erst jetzt fiel Rin ein, dass die anderen sie nicht verstanden. „Das sind Shura, meine Freunde aus Assiah und mein jüngerer Zwilling Yukio.” Er wandte sich an die Exorzisten. „Das ist Kyrene, eine Freundin.”
 

Nachdem sich alle kurz vorgestellt hatten, begannen die Baal die Sirene mit Fragen zu löchern. Diese hob abwehrend die Hände. „Leider kann ich euch nicht viel erzählen. Seit einigen Wochen ist eine Ausgangssperre verhängt. Ich darf das Dorf nur zur Arbeit verlassen, ansonsten sitze ich Zuhause fest. Außerdem wurden alle Rationen gekürzt. Es gibt Gerüchte, dass Lilith den Rat auflösen will, mehr weiß ich nicht.”
 

„Da ist man mal ein paar Wochen weg und schon funktioniert nichts mehr.”, kommentierte Samael seufzend. Kyrene hob ihren Speer auf und rammte ihn in den Sand. „Auch wenn ich mich freue euch zu sehen, was tut ihr hier?”
 

„Wir wollen die Hexenzirkel mobilisieren und versuchen Vater zu befreien.”, erklärte Egyn, woraufhin sich die Augen der Sirene weiteten. „Ihr wollt in den Palast einbrechen?! Das ist Wahnsinn! Sogar für euch!”
 

Azazel zuckte mit den Schultern. „Wir improvisieren. Und Vater ist der einzige, der Lilith endgültig besiegen kann.”

„Hast du irgendwas von ihm gehört?”, erkundigte sich Iblis. Kyrene biss sich auf die Lippe. „Leider weiß niemand so wirklich was mit ihm ist. Er hat viele von Liliths Anhängern getötet, als sie in den Palast eingedrungen sind. Danach hat ihn keiner mehr gesehen oder etwas von ihm gehört.”
 

„Und unsere Stellvertreter?”
 

Kyrenes Gesicht hellte sich etwas auf. „Sie sind alle am Leben. Ich schätze Lilith versucht Informationen aus ihnen zu bekommen. Alastor lebt ebenfalls noch und verschreckt wahrscheinlich alle Wachen. Soweit ich weiß, sitzen sie alle im Verlies von Satans Palast.” Erleichterung machte sich in Rin breit. Immerhin eine gute Nachricht. „Wenn ihr wollt, kann ich euch einen Ort zeigen, an dem ihr die Nacht verbringen könnt. Es ist eine Unterkunft für Wächter auf längerer Patrouille, aber die Routen wurden geändert, darum ist es zur Zeit verlassen.”
 

Lucifer schüttelte den Kopf. „Danke, aber wir wollen heute noch zum Palast. Je länger wir warten, umso gefährlicher wird es für Gehenna und Assiah.” Kyrene wirkte nicht glücklich. „Dann solltet ihr aber wissen, dass Lilith mehrere Stadtteile niedergebrannt hat, um an Informationen über euch zu kommen.”
 

Egyn hob eine Augenbraue. „Sie sollte wissen, dass wir in Assiah sind. Waren.”
 

Die Sirene zuckte mit den Schultern. „Seit sie den Thron bestiegen hat, gibt es jede Menge Flüchtlinge, die sich verstecken. Vielleicht ist sie auch mit auf die aus. Jedenfalls würde es mich nicht wundern, wenn sie ganz Gehenna zerstört. Ich sehe sogar von meinem Dorf aus ständig Rauch.” Sie seufzte. „Lasst mich die Unterkunft wenigstens auf einer Karte zeigen, falls ihr doch einen Zwischenstopp machen wollt oder einen Rückzugsort braucht.” Sie beschrieb den Weg und zeichnete die Position auf der Karte ein. Dann schulterte sie ihren Speer. „Ich muss jetzt weiter, sonst wird jemand misstrauisch. Viel Glück und seid vorsichtig, ja?” Sie umarmte Rin und die Dämonenkönige zum Abschied, nickte den Exorzisten zu und verschwand wieder im Nebel. Shima starrte ihr sehnsüchtig hinterher. „Wenn sie eine Sirene ist...darf sie mich gerne jederzeit ertränken...”
 

Dafür kassierte er von Egyn ohne Vorwarnung einen Schlag auf den Hinterkopf. „Wage es ja nicht!”, knurrte er bedrohlich. „Oh...ähm...willst du sie auch haben?”, fragte er etwas nervös und kratzte sich am Kopf. Egyn funkelte ihn an. „Sie ist meine Ex-Freundin, hat momentan einen festen Freund, also Pfoten weg!”
 

„Ok, Ok!”, antwortete Shima schnell. Die Dämonen fassten für die Exorzisten schnell zusammen, was Kyrene gesagt hatte. „Dann brechen wir wohl immerhin nicht umsonst ein.”, murmelte Shura. „Wir sollten weiter. Jede Minute zählt.”, warf Beelzebub ein. Alle nickten und machten sich wieder auf den Weg.
 

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Rin konnte noch immer nicht fassen, dass sie das gerade erfolgreich über die Bühne gebracht hatten. Nach einigen Stunden Fußmarsch, unzähligen "Wann sind wir endlich da-Fragen" und vielen nervenaufreibenden Momenten hatten sie die Grenze sowie die erste Stadtmauer überwunden und standen nun in Pandemonium. Die Sonne war am untergehen, sodass sich der Himmel langsam violett färbte. Bisher lagen sie recht gut in der Zeit. Obwohl sie sich in der größten Stadt Gehennas befanden (Immerhin war alles ein riesiges Gebiet!) waren die Straßen ziemlich leer. Die Ausgangsspeere war wohl ab Sonnenuntergang gültig. Sie mussten also nur den Patrouillen ausweichen und rechtzeitig zum Palast gelangen. Er bemerkte, wie sich seine Freunde staunend umsahen. „Ist das dort...ein Bürogebäude mit einer Drehtür?”, fragte Izumo dumpf. Azazel zuckte mit den Schultern. „Japp. Erschreckend undämonisch, was?”
 

Zugegebenermaßen wirkte die Hauptstadt wirklich befremdlich, denn hier trafen verschiedenste Zeitalter und Baustile aufeinander. Es gab riesige Villen neben Wohnungsblöcken und Bürogebäuden, an einer Ecke standen Häuser, welche augenscheinlich aus dem mittelalterlichen Europa stammen, an der nächsten fand man wiederum Gebäude im asiatischen Stil. Hin und wieder entdeckte man einstöckige Gebäude, anderswo mehrere Etagen. Doch dies zeichnete die Dämonenwelt aus. Zeitepochen, Kulturen und Stile vermischten sich. Die Mode hier war ein weiteres gutes Beispiel. Manche Dämonen liefen wie Amaimon und Mephisto recht schrill rum, andere bevorzugten eher ruhigere Dinge, einige der Adligen (vor allem die Frauen) sahen aus, als wären sie aus dem Mittelalter oder der Renaissance und könnten locker bei "Game of Thrones", "Die Borgias" und wie diese Serie alle hießen, mitmachen. Viele der Mädels in Iblis' Reich liefen dafür wie orientalische Tänzerinnen oder generell recht freizügig herum. Kurz gesagt: feste Kleiderordnungen gab es nicht, jeder trug was ihm am besten gefiel, es sei denn es ging um Arbeitskleidung.
 

„Bin ich nur paranoid oder war das alles viel zu einfach?”, fragte Beelzebub angespannt.
 

„Einfach? Wir wurden mehrmals fast gesehen und ein betrunkener Typ hat uns ein Messer hinterhergeworfen!”, empörte sich Koneko. Die Baal sahen es allerdings anders. „Beel hat recht. Hier stimmt was nicht.”, stimmte Iblis zu.
 

Shura schnaubte. „Also rennen wir hier grad in eine Falle?”
 

„Lilith wird damit rechnen, dass wir früher oder später kommen, also wahrscheinlich.”, seufzte Lucifer. „Lasst mich raten: Das ändert euren Plan nicht mal ansatzweise?”, fragte Izumo.
 

„Nö.”, bestätigte Astaroth. „Ihr und Rin seid wirklich verwandt.”, murmelte Izumo leise vor sich hin. „Klappe!”, zischte Iblis. „Da kommt jemand.” In der Tat waren Schritte und Stimmen zu hören. Sofort drängten sie sich in eine Seitengasse und beobachteten aus dem Schatten heraus, was passierte. Rin schlug das Herz bis zum Hals. Ob das wohl zu hören war? Ein Trupp Wachen kam vorbei und blieb außerhalb ihres Sichtfeldes stehen. „Sicher, dass du was gehörst hast, Amy?”, fragte ein Mann. „Klappe Camael!”, fauchte eine Frauenstimme. „Natürlich bin ich sicher.”
 

„Wahrscheinlich war's nur ein Streuner.”, gab ein anderer Wächter zu bedenken. „Keiner ist so dämlich sich wegen einer Ausgangssperre Ärger einzuhandeln.”
 

„Das sag ich dir.”, schnaubte Dämon Nummer vier. „Ich dachte immer, dass die Gerüchte über die irre Königin zumindest teilweise übertrieben sind, aber die Alte hat ja mal 'nen richtigen Dachschaden. Kein Wunder, dass Lord Satan sich von ihr getrennt hat und keine Kinder von ihr wollte. Ich bewundere ihn, dass er es überhaupt so lange mit ihr durchgehalten hat.”
 

„Halt deinen vorlauten Mund, Druj!”, fuhr Amy ihn an. „Wenn dich jemand hört, landest du schneller in der Todeszelle als du Luft holen kannst!”
 

„Ich denke sowieso drüber nach den Dienst zu quittieren. Ich will nicht für diese Irre arbeiten!”
 

„Du wirst kaum drum 'rum kommen.”, murrte Camael. „Sie will ab sofort den Austritt aus der Armee verbieten. Du müsstest dich schon verkrüppeln lassen, wenn du raus willst. Die Wehrpflicht wird auch wieder eingeführt.”
 

„...Ich will Satan und die Baal zurück.” Sie liefen weiter und hatten die Gasse fast erreicht. Die Dämonenkönige warfen Lucifer einen fragenden Blick zu. Dieser schüttelte den Kopf. „Das ist keine Garantie, dass sie uns nicht doch an Lilith ausliefern.”, flüsterte er. Nach einigen Minuten hörten sie, wie der Wächter, dessen Namen sie nicht kannten, seufzte. „Scheinbar war es wirklich nur irgendein Tier. Gehen wir weiter, ich will endlich fertig werden und nach Hause zu meinem Mann.” Die Wächter stimmten zu und gingen. Als ihre Schritte und Stimmen verstummt waren, verließen die Dämonen und Exorzisten langsam ihr Versteck. „Schätze, wir haben auch mal Glück.”, murmelte Azazel.
 

„Schaffen wir es wirklich so zum Palast?”, fragte Shura zweifelnd. Lucifer schüttelte den Kopf. „Unsere Gruppe ist zu groß. Wir müssen uns aufteilen.”
 

„Das ist zu gefährlich!”, zischte Yukio. Samael zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Wir haben euch gewarnt.~”

„Wir haben keine Wahl.”, sagte Lucifer. „Wenn sie uns erwischen, sterben wir alle. Aber wenn wir uns aufteilen, erwischen sie nicht alle und wir können uns gegenseitig helfen.”
 

Damit kam genau das, was Rin befürchtet hatte. Warum mussten sie unbedingt mitkommen? Nach einigem diskutieren, beschweren und schimpfen, hatten sie endlich die Gruppen eingeteilt. Beelzebub ging mit Astaroth, Koneko und Shima, Egyn mit Azazel und Izumo, Iblis mit Rin und Bon, Shura mit Samael und Amaimon und Lucifer blieb bei Yukio und Shiemi. Wenn das mal alles gut ging.
 

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Shima war inzwischen überzeugt davon, dass Lucifer ihnen genauso das Leben schwer machen wollte, wie seine Geschwister. Warum sonst würde er ihn mit Beelzebub und Astaroth zusammenstecken?! Er hasste Insekten, Beelzebub war der König der Insekten und Astaroth hatte ganz offensichtlich ein Aggressions- und Sadismusproblem. Der Lichtkönig wollte ihn eindeutig ins Grab befördern. Immerhin war Koneko bei ihm. Dieser schien nur leider noch verängstigter als er. „Bewegt ihr euch heute noch oder soll ich eure Existenz gleich beenden, Pinkie Pie und Brillenzwerg?”, fragte Astaroth genervt. An dieser Stelle sollte man vielleicht erwähnen, dass sie sich gerade über die Dächer fortbewegten. Während die Baal dort lang rannten und herumsprangen, als wäre es ein Kinderspielplatz, bekamen die angehenden Aria eine Herzattacke nach der anderen. „Na komm, ich helfe euch.”, seufzte Beelzebub. Dummerweise war seine Definition von Helfen die beiden auf das nächste Dach zu werfen, wo sie recht unsanft und unelegant zu Astaroths Füßen aufkamen. Neben ihnen landete der Insektenkönig. „Tut mir leid, manchmal ist es nicht leicht die eigene Stärke einzuschätzen.” Sie stöhnten nur auf.
 

„Jetzt reiß euch mal zusammen!”, knurrte Astaroth und zog beide auf die Füße. „Wir müssen vor Sonnenaufgang am Palast sein.” Die angehenden Exorzisten waren jedoch vollkommen außer Atem. „K-können wi-ir eine Minute....Pause machen?...B-bitte...”, keuchte Miwa hervor. Der Fäulniskönig verdrehte die Augen. „Werfen wir sie einfach vom Dach. Dann kommen wir endlich mal voran!”
 

„Wir können nicht alle dämonische Ausdauer haben!”, erwiderte Shima bissig. Beelzebub seufzte. „Gut, wir machen zwei Minuten Pause.” Er sprang gegen eine Wand und blieb dort hängen, um seine Umgebung im Auge zu behalten. Ja, er bleib an der Wand haften. Warum auch nicht?! Er war ja der verdammte Herrscher der Insekten. Laut Beelzebub funktionierte dies nur auf manchen Oberflächen und nicht sehr lange, aber es war trotzdem verdammt unheimlich! Seufzend sah der Pinkhaarige zum Nachthimmel. Er war nicht mit dem Himmel in Assiah zu vergleichen. Er war violett, die Sterne (zumindest glaubte er, dass es Sterne waren) leuchteten rot, blau, gold, silbern und grün. Außerdem gab es drei Monde. Viel zu schnell war die Pause vorbei und sie mussten weiter. Womit hatten sie das verdient?
 

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Izumo hockte eingequetscht zwischen Egyn und Azazel in einer engen Gasse und hatte Platzangst. Da wollte man jemanden helfen und schon ging alles den Bach runter. Sie mochte es generell nicht, wenn ihr jemand auf die Pelle rückte und nun war sie zwischen zwei Kerlen eingekesselt. ‘Immerhin sehen sie gut aus...‘ Moment. Innerlich schüttelte sie sich. Wo kam dieser Gedanke her?! Sie könnte verdammt nochmal an Egyns Haaren riechen, wenn sie es wollte, sie waren eindeutig zu nah! „Einer von euch hat sein Knie in meinem Magen!”, flüsterte sie irritiert. „Pscht!”, zischte Azazel. Sie hörte aufgeregte Stimmen und Schritte in der Nähe. Noch war unsicher, ob sie eine der anderen Gruppen gefunden hatten. Endlich wurde es wieder still.
 

„Tja, es ist nichts explodiert und Schreie sind auch nicht zu hören, also haben sie die anderen wohl nicht entdeckt.”, murmelte Egyn. „Was sagen deine Schatten, Azazel?” Izumo musste ein Schaudern unterdrücken, als sie an die Schatten dachte. Das war wirklich mehr als verstörend, wie die sich bewegten. „Scheint alles frei zu sein.”, kam die genuschelte Antwort. Die Adeptin unterdrückte das Verlangen, ihm zu sagen, dass er die Zähne auseinandermachen soll.
 

„Dann nichts wie raus hier, ich bekomme einen Krampf in meinem Schweif!”, flüsterte Egyn. Wie auch immer das funktionierte. Sein Bruder nickte und sie krochen langsam aus ihrem Versteck. Natürlich klappte das nicht so ganz wie es sollte. Irgendwie blieb Egyn hängen und fiel nach vorne, Izumo verlor ebenfalls den Halt und versuchte sich aus Reflex an Azazel festzuhalten, doch zog ihn stattdessen mit. Nun hatte sie also einen Baal unter sich und einer lag auf ihr. Natürlich wurde sie (und auch Egyn, was sie zum seinem Glück nicht sah) knallrot. Großartig. Peinlich berührte Stille herrschte bis sie von Azazel unterbrochen wurde. „Wie viel Schweigegeld willst du?”
 

„Geh einfach runter von mir!”, quiekte sie. Ihre Stimme war ein paar Oktaven höher als angemessen, aber das war ihr gerade egal. Zu ihrer Erleichterung kam er der Aufforderung schnell nach und hielt ihr eine Hand hin, als er stand. Die Adeptin wollte sich nicht noch weiter blamieren und versuchte selbst aufzustehen, aber dies ging nach hinten los. Bevor sie umfallen konnte, griff der Geisterkönig sie schnell und zog sie auf die Füße. Für „D-danke.”, presste sie hervor, noch immer knallrot. Endlich konnte Egyn ebenfalls aufstehen. „Immerhin war Samael nicht hier. Er hätte das wahrscheinlich gefilmt.”, murmelte er ebenfalls peinlich berührt. Er erhielt Nicken von beiden.
 

„Los weiter!”, drängelte Azazel. Vorsichtig schlichen sie weiter und pressten sich in die Schatten der Häuserwände, wenn Patrouillen kamen. Bisher hatten sie keine Probleme gehabt. „Also...”, sagte Egyn langsam. „Du willst den Tamer Meister, richtig? Warum wolltest du mitkommen, obwohl du hier praktisch hilflos bist?” Sie sah den Wasserkönig giftig an. „Ist das jetzt wirklich ein guter Zeitpunkt?!”
 

„Japp, wir müssen nämlich kurz warten.”, antwortete Azazel und zog beide in eine weitere Gasse. Diesmal war sie glücklicherweise breit genug. „Also?”, hakte er nach. Die angehende Exorzistin schnaubte. „Wenn solche Idioten wie Suguro mitgehen, dann muss ich auch mit.”
 

Beide Dämonenkönige sahen sie zweifelnd an. „Glauben wir dir nicht. Du solltest nicht versuchen Dämonen anzulügen.”, kommentierte Azazel und musterte sie prüfend. „Ich bin nicht in Rin verschossen oder sowas.”, knurrte Izumo sofort.
 

„Haben wir doch nie behauptet.”
 

„Ihr scheint zu vergessen, dass ich dabei war, als ihr Moriyama befragt habt und im Gegensatz zu ihr habe ich kapiert, was das sollte.”
 

„Ihr seid also nur befreundet?”, hakte Egyn nach. Izumo zuckte mit den Schultern. „Ja, wie gesagt. Er hat mir und einer Freundin mehrmals geholfen, da ist es nur fair, wenn ich den Gefallen erwidere.”
 

„Für mich klingt es als würde mehr dahinter stecken...”
 

„Ach, lass mich doch!”, knurrte sie ungehalten. Egyn seufzte. „Schon gut, schon gut. Mich würde allerdings trotzdem interessieren warum du schnell bereit warst alles zu akzeptieren und uns sogar helfen willst. Deine Freunde waren nicht wirklich begeistert von Rins Entscheidung.” Für einen Moment hielt Izumo inne, dann zuckte sie mit den Schultern. „Mir war von Anfang an egal, wer seine Familie ist und ihr habt doch selber gesagt, dass Assiah und Gehenna zusammenhängen, also macht es doch nur Sinn euch zu helfen. Abgesehen davon bilde ich mir zu euch lieber eine eigene Meinung als mich vom Strom mitreißen zu lassen. Ihr scheint euch sehr um Rin zu sorgen, also könnt ihr nicht ganz so schlecht sein, wie es alle behaupten.” Azazel und Egyn wechselten überraschte Blicke.
 

„Was?!”
 

Azazel zucke mit den Schultern. „Du bist für dein Alter um einiges intelligenter als so mancher Exorzist. Ist mal eine nette Abwechslung, wenn man unsere Seite betrachtet.” Er wandte sich um. „Gehen wir weiter. Die Luft ist rein.”
 

Erst später wurde Izumo klar, dass sie sich soeben einiges an Respekt verdient hatte.
 

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Rins Auge zuckte.
 

„Heul doch, wenn du ein Problem mit mir hast, Streifenhörnchen.”
 

Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Warum immer er?
 

„Wie hast du mich grad genannt?!”
 

Bitte, nicht schon wieder...
 

„Streifenhörnchen. Du weißt schon, diese kleinen, pelzigen Viecher. Sehen ein bisschen aus wie ein eingelaufenes Eichhörnchen mit Streifen.”
 

Seid still...
 

„Ich weiß, was ein Streifenhörnchen ist!”
 

„Glückwunsch, willst 'nen Keks für?”
 

„Du-”  
 

„JETZT HALTET DOCH ENDLICH MAL DIE KLAPPE UND STREITET EUCH NICHT, WENN ICH IN DER MITTE BIN!”, explodierte Rin so laut wie es ihre momentane Situation erlaubte. Bon und Iblis zuckten zusammen, offensichtlich hatten sie vergessen, dass er hier war. „Dieser Kerl regt mich aber auf!”, zischte Iblis. Bon schnaubte. „Du bist nicht besser!”
 

Rin fuhr sich irritiert durch die Haare. „Könnt ihr denn nicht versuchen euch zumindest zu vertragen, während wir hier sind?! Abgesehen davon werdet ihr doch irgendwas finden, worin ihr euch einig seid oder wo ihr euch versteht?!”
 

„Wie das bitte?”, knurrte Bon. „Was weiß ich denn! Ihr habt beide Piercings, redet meinetwegen darüber!”
 

Der Dämonenkönig und der Exorzist sahen sich an, dann zuckte der Feuerkönig mit den Schultern. „Schätze, ich feiere seine Frisur.” Er erhielt verblüfftes Starren von den beiden jüngeren. „Was denn?”
 

„Das ist das erste, dass dir einfällt?!”, fragte Bon dumpf. Iblis zuckte mit den Schultern. „Ich kenne dich kaum. Hab ehrlich gesagt schon deinen Namen vergessen...”
 

„Ernsthaft?!”
 

„Hey, ich dachte wir würden uns ein paar Mal sehen und dann nie wieder.” Bevor Bon explodieren konnte, schritt Rin ein. Sie saßen momentan in einer Gasse und warteten, dass die Luft rein war, da konnte er die Zeit gleich nutzen, um die beiden hoffentlich zu versöhnen. „Kommt, ihr seid eigentlich gar nicht so verschieden.” Beide gaben ihm Todesblicke, doch er fuhr fort. „Ihr seid beide sehr ehrgeizig, ihr sorgt euch um Freunde und Familie, habt keine Angst eure Meinung zu sagen und treibt viel Sport. Könnt ihr da nicht irgendwie miteinander klar kommen? Bitte? Für mich?” Letzteres war natürlich eher an Iblis gerichtet, immerhin hatte er längst erkannt, dass er einen "Kleiner-Bruder-Bonus" besaß und sie ihm deswegen manches schwer abschlagen konnten. Der Feuerkönig verdrehte die Augen, aber seufzte. Das war schon mal ein gutes Zeichen. „Ich werde langsam weich.”, grummelte er auf Gehennisch vor sich hin, doch nickte dann und wechselte wieder ins Japanische. „Na gut, ich versuche mich mit Stre-.....”
 

„Suguro Ryuji.”, half Bon aus.
 

„...mit Suguro zu vertragen. Zumindest bis das alles hier vorbei ist.”

„Ebenfalls.”, brummte Bon und hielt Iblis widerwillig die Hand hin. „Waffenstillstand?”
 

„Waffenstillstand.”‚ seufzte Iblis und schlug nach kurzem zögern ein. Er stand auf. „Aber wir sollten jetzt mal weiter. Am besten über die Dächer, hier stehen die Gebäude nah beinander. Ich helfe euch hoch.” Rin und Bon nickten zustimmend. Als alle oben waren, ging es schon weiter. Sie waren vielleicht knappe zehn Minuten unterwegs und gerade dabei ein weiteres Gebäude zu besteigen (Iblis war ein paar Meter unter ihnen falls etwas schief ging), als Bon frustriert seufzte. „In Assassin's Creed sieht das immer so einfach aus.”, murmelte er leise, doch die beiden Dämonen konnten ihn gut verstehen. „Du zockst Assassin's Creed?!”, entfuhr es dem Feuerkönig. Bon sah überrascht nach unten. „Ja. Du etwa auch?”
 

„Soll das ein Witz sein?! Klar! Sogar meine Drachen stehen drauf, die schauen mich immer richtig vorwurfsvoll an, wenn ich versehentlich 'nen Zivilisten umbringe. Schade, dass ab Teil drei nur noch Geldmacherei war. Nachdem Desmond weg war, war irgendwie alles vorbei.”
 

Bon nickte zu Rins Überraschung zustimmend. „Das kannst du laut sagen. Die haben doch endlich einen Edensplitter, also warum-” Er stockte. „Du hast DRACHEN!?” Iblis wirkte überrumpelt. „Ja, fünf von ihnen, auch wenn sie noch nicht ausgewachsen sind.”
 

Dem Adepten klappte der Mund auf. „Also...sind sie doch kein Mythos?!” Iblis begann zu grinsen. „Ja, sie existieren. Du magst also Drachen? Wenn du willst, kann ich sie dir bei Gelegenheit zeigen.” Nun war Bon richtig aus dem Häuschen, es fehlte nur noch, dass er zu glitzern begann. Rin war mehr als verblüfft ihn so zu sehen. Normalerweise war er so ernst. „Ernsthaft!? Kein Witz?!”

„Warum nicht? Aber ich sollte dich warnen, sie sind recht...eigensinnig.”
 

„Ähm...ich find's ja super, dass ihr euch so gut versteht, aber...wir hängen immer noch an einer Wand.”, erinnerte Rin sie. Beide zuckten zusammen. „Richtig, weiter geht's.”, nickte Iblis. Während sie weiter kletterten, konnte Rin jedoch ein Grinsen nicht unterdrücken. Vielleicht konnten Bon und Iblis sich tatsächlich verstehen.
 

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Shura kämpfte gegen den Drang zwei der mächtigsten Dämonen Gehennas zu erwürgen. „Würdest du endlich diesen Lutscher wegpacken?! Dieses Geräusch macht mich wahnsinnig!”, fauchte sie Amaimon an. Dieser schaute sie nur ausdruckslos an. Natürlich kam er der Bitte nicht nach. Verdammter Spitzkopf.
 

„Du solltest dich nicht so aufregen, Shura.~”, feixte Samael. „Es wäre doch wirklich schade, wenn so eine hübsche, junge Frau wie du Falten bekommt.” Die Exorzistin schnaubte nur. Und dann noch die Nerven von diesem Typ! „Wie weit ist es noch bis zum Treffpunkt?”, fragte sie, nachdem sie sich gezwungen hatte, ruhig zu bleiben. Amaimon zuckte mit den Schultern, Samael grinste. „Ungefähr eine Stunde.~”
 

Innerlich aufstöhnend ging Shura weiter. Wenn das weiter so ging, würde Satan bald zwei Söhne weniger haben. Wie hielt er die Bande überhaupt seit so vielen Jahrtausenden aus?! Andererseits wäre wohl eher sie erledigt, wenn sie die beiden angriff. Vielleicht war das sogar von Anfang an Lucifers Plan gewesen. Sie und die Adepten erledigen ohne dass Rin je davon erfuhr. Schnell schob sie den Gedanken beiseite. Lucifer schien vertrauenswürdig zu sein. So vertrauenswürdig wie ein Dämonenkönig eben auf Exorzisten wirken konnte. Jetzt zu zweifeln, könnte für alle gefährlich werden, also hieß es Zähne zusammenbeißen und hoffen, dass Amaimon nicht noch mehr Lutscher dabei hatte. Und dass Samael die Klappe hielt. ‚Ja...träum weiter, Shura.‘, dachte sie verbittert,
 

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Yukio war diese Situation mehr als unangenehm. Ein Teil von ihm war froh nicht mit Rin in einer Gruppe zu sein, denn die Spannung zwischen ihnen war praktisch greifbar. Seit seinem zweiten Streit mit ihm hatte er wirklich versucht seine Sicht zu verstehen, doch es ging nicht. Er konnte nicht darüber hinwegsehen, dass er jenen vertraute, die ihr Leben ruiniert hatten. Was wenn sie Rin doch manipuliert hatten? Was wen das gar nicht mehr sein Bruder war, sondern ein Dämon, der seine Haut trug? Er schüttelte den Kopf. Nein, das konnte nicht sein. Früher oder später musste er sich irgendwie mit dem Älteren aussprechen, auch wenn er nicht mal wusste, wo er anfangen sollte. Hinzu kam, dass die Baal ihn ganz offensichtlich nicht in der Nähe des Nephilims haben wollten. Sie ließen Yukio nie aus den Augen, wenn er mit ihm in einem Raum war und warfen ihm teilweise raubtierhafte Blicke zu. Er sah zu Shiemi hinüber. Die Blondine schien ebenfalls nervös, doch gab sich Mühe mutig zu wirken. Er hatte ewig versucht sie dazu zu überreden in Assiah zu bleiben, doch sie wollte davon nichts hören. Könnte es sein, dass Lucifer ihnen einen Gefallen tun wollte, indem er sie in eine Gruppe steckte?
 

„Wenn du dir so unsicher bist, hättest du in Assiah bleiben sollen.”, sagte Lucifer plötzlich. Unwillkürlich zuckte der jüngere Okumura Zwilling zusammen. „Woher-?”
 

„Deine Gedanken schwirren überall umher. Es ist schwer sie zu ignorieren.”, unterbrach der Lichtkönig ihn. Großartig. Also hatten sie alles mitbekommen, was er dachte. Der Dämonenkönig war jedoch noch nicht fertig. „Wenn du dich nicht mit uns vertragen willst, ist das eine Sache, aber Rin hat deine Abneigung nicht verdient. Er leidet ziemlich darunter.”
 

„Das geht dich nichts an.”, antwortete Yukio kalt. Das war offensichtlich die falsche Antwort. Lucifer drehte sich um und der Jüngere erschauderte, als ihn dessen grüne Augen durchbohrten. „Ob es dir jetzt nun passt oder nicht, Rin ist auch mein Bruder. Ich würde sagen, dass er momentan sogar mehr unserer als deiner ist. Es ist also sehr wohl meine Angelegenheit. Ich versuche hier irgendwie den Frieden zwischen allen aufrecht zu erhalten, aber wenn du weiter so machst, kann ich auch andere Saiten aufziehen.” Aus Berichten wusste Yukio, dass der Baal nicht bluffte. „Rin hat auf seinem Nachttisch immer noch ein Foto von euch beiden und Shiro Fujimoto liegen. Er hat euch nicht vergessen, ihr seid ihm nach wie vor sehr wichtig. Also reiß dich gefälligst zusammen. Um es nämlich mal mit den Worten meiner Geschwister auszudrücken: Deine Art ist zum kotzen.”
 

Yukio starrte Lucifer an. Er hatte mit einigem gerechnet, aber nicht hiermit. „Er hat recht, Yuki-chan.”, sagte Shiemi leise. „Ich glaube, es macht ihm wirklich zu schaffen, dass du so ablehnend bist.” Jetzt stellte sich sogar Shiemi auf Lucifers Seite?! Bevor er etwas erwidern konnte, blieb der Lichtdämon wie angewurzelt stehen. „Zurück!”, zischte er.
 

Ohne zu diskutieren, kamen sie der Aufforderung nach. Nun hörten die beiden Exorzisten die Stimmen. Sie kamen in ihre Richtung. Sie sahen sich nach einem Versteck um, doch fanden nichts. Sie mussten wohl oder übel kämpfen. Lucifer teilte diese Erkenntnis und beschwor sein Schwert herauf. Yukio zog derweil seine Pistolen. Alle warteten angespannt, doch dann ertönten Rufe und die Gruppe änderte die Richtung. Schließlich war nichts mehr von ihren Stimmen oder Schritten zu hören. Langsam steckten sie ihre Waffen weg. „Gehen wir.”, sagte der älteste Baal leise.
 

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Rin war äußerst erleichtert, als er mit seiner Gruppe am Treffpunkt ankam. Dieser befand sich einige Straßen entfernt von der äußersten Palastmauer. Zwar kamen Bon und Iblis nun recht gut klar, aber dennoch saß ihnen die Zeit im Nacken. Nachts war das Risiko im Palast erwischt zu werden, wesentlich geringer. Egyns Gruppe wartete bereits. „Ihr habt es also geschafft.”, begrüße der Wasserdämon sie sichtlich erleichtert. „Jetzt erzähle mir nicht, dass du an mir gezweifelt hast.”, grinste Iblis. „Nein, aber an deinem Vermögen dich aus Ärger herauszuhalten.” Der Feuerdämon verdrehte die Augen. „Wirklich witzig.”
 

„Alles klar bei dir, Izumo?”, erkundigte sich Rin. Sie nickte. „Wir leben oder nicht?”
 

Sie warteten einige Minuten, dann hörten sie erneut Schritte. Diesmal war es Shura mit Samael und Amaimon im Schlepptau. „Ist Lucifer hier?”, fragte sie. „Ich will ihn grad wirklich einen Kopf kürzer machen, weil er mich mit diesen beiden Nervensägen in eine Gruppe gesteckt hat!”
 

„Ich dachte mir, dass du mit ihnen noch am besten klar kommen solltest.”, antwortete Lucifers Stimme. Auch er war angekommen. Shiemi und Yukio und folgten in kurzem Abstand. Shura schnaubte nur, Samael grinste. „Also fehlt nur noch eine Gruppe.”, murmelte Azazel. „Hoffentlich sind alle durchgekommen.” Erneut warteten sie in angespannter Stille. Als nach zehn Minuten immer noch keiner kam, wurden sie langsam nervös. „Vielleicht hatte Astaroth genug und die Exorzisten von einem Dach geworfen.”, schlug Amaimon gelangweilt vor.
 

„Mach uns keine Hoffnungen.”, murmelte Azazel leise. Wie auf Stichwort tauchte endlich Beelzebub mit seiner Gruppe auf. Dem Nephilim fiel ein Steinhaufen vom Herzen. Koneko und Shima sahen leicht zerzaust und grün aus. „Was ist denn mit euch passiert?”, fragte Izumo mit hochgezogenen Augenbrauen. „So...viele...Dächer...”, murmelte Shima, offensichtlich ziemlich am Ende. Niemand achtete so wirklich auf das nachfolgende Gemurmel, denn es ging schon weiter.
 

„Sind alle da?”, fragte der Lichtkönig. „Irgendwie ja.”, murmelte Azazel. „Bringen wir es endlich hinter uns.” Einigen wäre eine Pause wohl lieber gewesen, aber sie stimmten zu. Astaroth und Iblis gingen zum Kanaldeckel, welcher nur einige Meter entfernt war und hoben ihn hoch. „Wir gehen in die Kanalisation?!”, entfuhr es Izumo. Auch die restlichen Adepten waren nicht allzu begeistert. „Hey, wenn sich wer beschweren sollte, sind wir es. Immerhin riechen wir das stärker.”, antwortete Beelzebub. „Außerdem ist das eher eine Mischung aus Kanalisation und Katakomben.”
 

„Das macht es nicht besser! Wie sollen wir so in Satans Palast kommen?!”
 

„Die Katakomben sind riesig und man verläuft sich schnell, wenn man sich nicht auskennt. Der ideale Ort, um Geheimgänge anzulegen.”, erklärte Lucifer. Das war doch mal wieder Motivation pur. Bevor jemand protestieren konnte, war er bereits die Leiter hinuntergeklettert.
 

„Las damas primero.”, grinste Iblis in Richtung der Mädels. Shura schnaubte nur und folgte Lucifer. Rin betrachtete etwas nervös das dunkle Loch. ‚Gut, Augen zu und durch.‘ Bevor er es sich anders überlegen konnte, folgte er ihnen in die Tiefe.

Einbrechen für Anfänger

Rin war bisher weder in der Kanalisation noch in irgendwelchen Katakomben gewesen und hätte es wirklich bevorzugt, wenn es dabei geblieben wäre. Sie standen in einem Tunnel, die Wände waren aus Stein, an einigen Stellen war Mauerwerk zu sehen, dasselbe galt für den Boden. In einer Vertiefung in der Mitte floss das Abwasser entlang, links und rechts davon konnte man glücklicherweise entlang laufen ohne nass zu werden. Fackeln mit blauen Feuer erhellten alles, allerdings wirkten die Flammen ziemlich mickrig. Hoffentlich hatte dies nichts schlimmes zu bedeuten. Ihm fielen außerdem mehrere Tierknochen am Boden auf. „Sind alle da?”, fragte Lucifer. Azazel, welcher als letztes runtergekommen war, bestätigte.  „Gut dann los. Passt auf, es kann gut sein, dass sich hier unten Flüchtlinge verstecken und die werden uns wahrscheinlich angreifen. Und bleibt dicht bei uns. Wenn ihr euch hier verlauft und verloren geht, finden wir euch nie wieder.”
 

Sie folgten den Tunnel bis sie in einen weiteren gelangten, dieser war wesentlich größer. Steinsäulen stützen die Decken und an den Wände zogen sich seltsame Skulpturen entlang. Rin zuckte zusammen, als er genauer hinsah. Das waren keine Skulpturen, sondern Schädel. Er erinnerte sich schemenhaft daran einmal eine Dokumentation im Fernsehen zu den Pariser Katakomben gesehen zu haben. Zwar hatte er schnell den Kanal gewechselt, doch er wusste, dass es dort genauso ausgesehen hatte wie hier. „Warum habt ihr hier unten Tote begraben?”, fragte er etwas verstört, während sie langsam weitergingen. Die Exorzisten sahen sich ebenfalls nervös um. „Im Krieg gegen Lilith und der Phase zuvor gab es einen Haufen Tote.”, antwortete Azazel. „Laut offiziellen Angaben mindestens ein Drittel der Bevölkerung Gehennas, aber wahrscheinlich waren es weitaus mehr. Wir hatten keinen Platz und keine Zeit alle entsprechend beizusetzen oder auch nur zu verbrennen, also musste die Kanalisation herhalten. Sie wurde noch bedürftig ausgebaut, um Grundwasserverschmutzung zu verhindern.”
 

„Also wie bei der Pest damals...”, murmelte Koneko leise. Der Geisterkönig nickte. „Genau. Nur wesentlich schlimmer. Und die rote Seuche hat es nicht besser gemacht.”
 

„Rote Seuche?”, hakte Bon nach. „Sie wurde von Lilith geschaffen und ist die schlimmste Krankheit, die Gehenna je heimgesucht hat.”, knurrte Iblis. „Daran sind Millionen jämmerlich zugrunde gegangen. Sogar Verwesungsdämonen und die sind bei Krankheiten normalerweise zäh. Die Betroffenen haben begonnen Blut zu spucken und hervorzuhusten, irgendwann haben sie es erbrochen und es floss aus den Ohren, der Nase, den Augen-”
 

„Ok, bitte keine weiteren Details!”, unterbrach Shima ihn, etwas grün im Gesicht. „Wann sind wir da? Dieser Gestank ist furchtbar!”, sagte Izumo und hielt sich angeekelt die Nase zu. Rin musste ihr im Stillen zustimmen. Der Geruch war wirklich übel. „Wir riechen es noch mehr, also sei du mal still.”, grummelte Astaroth. Sie liefen für einige Minuten stumm weiter. Es dauert nicht lange und der Halbdämon hatte die Orientierung verloren. Hier sah alles gleich aus und überall gab es Abzweigungen. Schließlich bogen sie in einen kleineren Tunnel ein. Inzwischen waren die Knochen auf dem Boden nicht nur von Tieren. Unwillkürlich fragte sich der Nephilim, ob sie verhungert oder gefressen worden waren. Beides war keine angenehme Vorstellung. Schlussendlich blieben sie vor einer gemauerten Wand stehen. „Soooo......weiß einer von euch noch, was wir jetzt machen müssen?”, fragte Iblis. Die Baal sahen sich an, dann zu Lucifer. Dieser schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, ich habe diesen Gang früher häufig genutzt, aber das ist schon mindestens 400 Jahre her.”
 

„Und das fällt dir jetzt ein?!”, fragte Shura ungläubig.
 

„Der Stein dort ist lose.”, wies Amaimon hin und deuteten auf einen der Steine ganz links. Für Rin sahen alle gleich aus, doch Beelzebub machte sich sofort daran den Stein herauszuziehen. Dahinter schien ein Schalter zu sein, er drückte ihn, doch nichts passierte. „Ach, jetzt fällt es mir wieder ein. Man muss auf den Schalter drücken und dabei auf einen weiteren Stein.”, erklärte der Lichtkönig.
 

„Dann sollten wir ihn wohl suchen.”, seufzte Shura. Sie begannen die Wand abzutasten. „Ich glaube, ich habe ihn, hier bewegt sich was.”, meldete Bon. Er übte Druck aus und tatsächlich ertönte ein Rumpeln. Sie traten ein Stück zurück und sahen zu, wie sich der Eingang öffnete. Dann gingen sie vorsichtig hinein. Kaum waren alle drin, schloss sich die Tür und sie standen in vollkommener Dunkelheit. Rin konnte nicht mal mehr die Hand vor Augen sehen und auch seine dämonischen Geschwister waren praktisch blind. Die Luft war stickig und es roch nach Verwesung und Staub. „Schätze, jetzt wissen wir woher Mephisto seinen Geiz hat.”, durchbrach Shura die Stille trocken. „Satan hätte ruhig mal ein paar Fackeln anbringen lassen können.”
 

„Dafür haben wir ja Lucifer und Iblis.”, erwiderte Astaroth. „Hey, sehen wir aus wie eure persönlichen Fackeln?!”, knurrte Iblis. „Weniger Beschwerden, mehr Licht, kleiner Bruder.~”, säuselte Samael. Iblis stieß ein Grollen aus, doch es wurde hell. Er hatte eine Flamme auf seiner rechten Hand, welche endlich einen besseren Blick auf den Gang vor ihnen bot. Er war relativ eng, sie würden im Gänsemarsch gehen müssen. Lucifer ließ ebenfalls eine Lichtkugel in seiner Hand aufleuchten. „Ich gehe an der Spitze, Iblis bildet den Schluss.” Er wandte sich an Rin. „Geh bitte in der Mitte, wir brauchen dort auch Licht.” Rin war überrascht. „Merkt Lilith es nicht, wenn ich meine Flammen benutze? Ihr habt doch etwas von Spuren gesagt.” Zwar hatte er gelernt, wie man seine Aura versteckte, doch sicher war sicher.
 

„Das ist eine sehr geringe Energiemenge, niemand wird etwas merken.”, beruhigte Azazel ihn. Der Nephilim nickte und konzentrierte sich. In seiner rechten Handfläche tauchte eine kleine, blaue Flamme auf. Es war immer wieder befriedigend, wenn sich das Training auszahlte. Er bemerkte aus dem Augenwinkel, dass seine Freunde diese mit gemischten Gefühlen ansahen, aber versuchten sich nichts anmerken zu lassen. Er machte ihnen deswegen keinen Vorwurf. Zwar hatten sie die Flammen schon öfter gesehen, aber sie verbanden diese nun mal mit schlimmen Erinnerungen. Bis vor kurzem war es ihm immerhin selbst nicht anders ergangen. Iblis runzelte allerdings die Stirn. „Das ist zu wenig. Gib ihr mehr Saft.” Zögerlich kam der junge Dämon der Aufforderung nach bis sie eine gute Größe erreicht hatte. Lucifer nickte zufrieden. „Sehr gut.”
 

Er wandte sich um und ging voraus. Seine Geschwister und die Exorzisten folgten ihm. Der Boden war teilweise uneben, an manchen Stellen mussten sie etwas klettern, an anderen wiederum ging es ein Stück hinab. Einmal mussten sie sich alle bücken, da die Decke immer niedriger wurde. Zur Abwechslung war der Nephilim ganz froh, nicht groß zu sein. Besonders Samael hatte hier sicher sein Tun. Nach einer Weile wurde der Gang breiter, aber sie liefen dennoch weiterhin hintereinander. Ab und zu kamen einige Gablungen , doch die Baal schienen zu wissen, wo es lang ging. Zusätzlich gab es mehrere Fallen, doch auch diese kannten die Dämonen auswendig. Endlich standen sie vor einer weiteren Wand. Lucifer wandte sich an Azazel. „Kannst du nachsehen, ob die Luft rein ist?” Der Geisterkönig nickte und sein Schatten huschte durch die Wand. „Ist alles frei.”, sagte er.
 

Daraufhin legte Samael seine Hand auf die Wand und murmelte etwas. Der Ausgang öffnete sich und alle beeilten sich, um endlich aus dem dunklen Gang zu kommen. Sie standen nun auf einem der inzwischen so vertrauten Flure, allerdings war hier recht wenig Dekoration. Wahrscheinlich waren sie in einem der Flügel mit den Unterkünften der Bediensteten gelandet. Als Rin sich umdrehte, wurde ihm bewusst, dass sie durch einen Spiegel gekommen waren. Das Glas war gerade dabei sich wieder vor die Öffnung zu schieben. Shura pfiff leise, während sie sich umsah. „Nette Hütte, das muss man Satan lassen. Wisst ihr wo wir sind?” Iblis bestätigte Rins Vermutung. „Einer der Flügel, wo die Bediensteten leben. Ich glaube der südliche. Der Eingang zum Verlies ist im Norden.”
 

„Also müssen wir auf die andere Seite des Palastes ohne uns erwischen zu lassen?”, fragte Shima dumpf. „So sieht's aus.”, bestätigte der Feuerkönig. „Wir vermeiden die normalen Wege so gut es geht und nehmen die Geheimgänge.”, warf Lucifer ein und wandte sich nach links. „Gehen wir.”
 

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Bon war mehr als überwältigt, als sie endlich im Palast standen. Noch immer fiel es ihm schwer zu begreifen, dass er in Satans Zuhause eingedrungen war. Als Kind hatte er geschworen den Dämonengott für seine Vergehen bezahlen zu lassen und nun war er hier um ihn zu retten. Wie sehr er Ironie doch hasste. Allerdings konnte er seine Gänsehaut nicht zurückhalten. Obwohl er kein Dämon war, spürte er, dass dieser Ort Macht ausstrahlte und die Quelle war nichts nettes. „Spürt einer von euch Liliths oder Vaters Aura?”, fragte Beelzebub plötzlich. Alle Dämonenkönige und Rin schüttelten den Kopf. „Das ist schlecht?”, fragte Shiemi nervös.
 

„Wir dachten uns schon, dass wir Vaters Aura nicht spüren würden, wenn er eingesperrt ist.”, antwortete Egyn. „Doch da wir Lilith nicht spüren, bedeutet das entweder, dass sie nicht hier ist oder ihre Aura verschleiert. Letzteres finde ich eher unwahrscheinlich.”
 

„Also werden wir nicht auf die durchgeknallte Dämonengöttin treffen.”, stellte Shura fest. „Kann ich mit leben.”
 

„Trotzdem ist es seltsam. Sie hat so lange darauf gewartet, um Gehennas Thron zu besteigen. Normalerweise würde sie grad ihren Sieg genießen, also warum ist sie nicht da? Ich kann allerdings die Auren der Aveira spüren. Schwach, aber sie sind alle hier.”, verkündete Azazel düster. Da hatten sie sich wohl zu früh gefreut.
 

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Rin war so angespannt, wie lange nicht. In den letzten Moment war Satans Palast sein Zuhause geworden, doch nun hatte er das Gefühl in der Höhle des Löwen gelandet zu sein. So gesehen entsprach dies ja der Wahrheit. Er fühlte sich hier nicht länger sicher. Alles fühlte sich falsch an. Er spürte Macht, doch diese war absolut boshaft. Ja, die Aura seines Vaters war auch alles andere als Regenbögen und Sonnenschein, aber dennoch verlieh es ihm stets ein Gefühl der Geborgenheit. Hoffentlich konnten sie den Dämonengott schnell befreien, sodass alles wieder in die richtigen Bahnen geriet. „Moment mal...”, murmelte Azazel und blieb abrupt stehen. „Das ist doch...” Er spähte um eine Ecke, dann nickte er den Dämonenkönigen zu. Rin erkannte die Aura ebenfalls und erlaubte sich einen Blick. Dort stand eine Dämonin mit schwarzen Haaren und einem dunkelblauen Kleid.
 

„Psst, Vaya!”, zischte Azazel. Die Dämonin zuckte zusammen und fuhr herum. Sie sah müde aus, aber ihr schien nichts zu fehlen. Ihre Augen weiteten sich, als sie den Geisterkönig entdeckte. Sie warf einen Blick über ihre Schulter, dann huschte sie schnell zu ihnen. Sie war noch verdutzter, als sie die restlichen Dämonenkönige und die Exorzisten erblickte. „Jungs, was macht ihr denn hier?”, fragte sie mit zitternder Stimme. „Es ist viel zu gefährlich! Und sind das Menschen!?”
 

„Vaya, beruhige dich!”, flüsterte Lucifer eindringlich. „Ja, das sind Menschen, Exorzisten um genau zu sein. Wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen!” Die Schwarzhaarige sah ihn unsicher an, ihr Blick wanderte zu den Exorzisten und wieder zu ihm, dann nickte sie. „Na gut. Reden wir in meinem Zimmer weiter, hier könnte uns jeder sehen. Es ist allerdings recht eng für alle...”
 

„Egal, alles ist besser als der Gang.” Sie nickte und drehte sich um. „Wer ist sie?”, fragte Shura Rin flüsternd, nachdem sie sich in Bewegung gesetzt hatten. „Eine Kindheitsfreundin von ihnen. Ihre Zwillingsschwester ist zusammen mit Shax Azazels rechte Hand. Sie arbeitet hier als Dienerin.”
 

Glücklicherweise war Vayas Unterkunft nur ein paar Türen weiter. Sie schloss schnell die Tür auf und scheuchte alle hinein. Dann betrat sie ebenfalls das Zimmer und schloss ab. Rin, welcher bisher noch nie in ihrem Zimmer war, sah sich interessiert um. Es war in etwa so groß wie der Raum, welchen er sich mit Yukio an der Heiligkreuz-Akademie geteilt hatte und recht einfach, aber gemütlich eingerichtet. Sie hatte ein Bett und einen Nachttisch, einen Schreibtisch, ein kleines Bücherregal, einen Kleiderschrank und zwei Truhen. Hinzu kam ein großer Spiegel, sowie mehrere Bilder an den Wänden. Ankou und sie zeichneten beide sehr gern, also waren die Bilder wohl alle von ihnen. Es war wirklich ziemlich eng, aber sie versuchten sich so gut wie möglich zu verteilen. Endlich hatten alle eine halbwegs gute Position gefunden. „Hast du irgendwas von Vater gehört?”, begann Iblis das Gespräch. Die Geisterdämonin schüttelte traurig den Kopf. „Seit Liliths Angriff hat ihn niemand mehr gesehen. Nicht mal die Wachen scheinen etwas zu wissen. Ich habe versucht die Aveira zu belauschen, aber sie haben sich immer über andere Dinge unterhalten.”
 

„Apropos.”, mischte sich Egyn ein. „Ankou sitzt zusammen mit den anderen im Verlies und wird befragt, oder? Haben sie dich wirklich in Ruhe gelassen?” Vaya biss sich nervös auf die Unterlippe. „Sie haben mich befragt, ja. Allerdings wusste ich von überhaupt nichts und sie haben mich nicht als Gefahr angesehen, also haben sie mich gehen lassen. Invidia und Ira haben mich hin und wieder getriezt bis Luxuria gesagt hat, dass sie das lassen sollen. Anscheinend mag sie mich, warum auch immer.”
 

„Japp, manche der Aveira haben tatsächlich etwas Anstand bei einigen Dingen. Wobei ich ziemlich sicher bin, dass sie das nicht von Lilith haben.”, knurrte Astaroth.
 

„Weißt du wenigstens was mit Ankou und dem Rest ist?”, fragte Amaimon. Vaya nickte und begann plötzlich zu schluchzen. Bevor jemand wusste, was los war, begannen Tränen ihre Wangen hinunterzulaufen. „Hey, was habt ihr gesagt?!” fragte Shura etwas erschrocken. Sie ignorierten sie. Azazel versuchte gemeinsam mit Egyn und Lucifer auf die Dämonin einzureden und strich ihr vorsichtig über den Rücken. „Ganz ruhig, sag uns einfach was passiert ist.” Nach einer Weile hatte sich Vaya wieder beruhigt und ein Taschentuch hervorgekramt. „Ankou wurde genau wie alle anderen befragt und gefoltert, aber natürlich hat sie nichts verraten. Sie wusste ja nicht mal wirklich, wo ihr seid. Als sie dann gedroht haben, mich dazu zu nehmen, hat sie angefangen Lügen und Halbwahrheiten zu erzählen, natürlich nichts, was irgendwie schaden würde. Der Rest hat es ihr gleich getan. Paymons, Agares' und Halphas' Familien sind längst untergetaucht, daher hatten sie nichts gegen sie in der Hand. Shax hat keine Familie, Tap wurde ja damals enterbt und rausgeworfen, Amon hat es wie Ankou gemacht, da sie sich sonst an Agash und den Kleinen vergriffen hätten. Inzwischen sind sie jedoch zu dem Entschluss gekommen, dass sie entweder nichts wichtiges wissen oder man nichts aus ihnen heraus bekommt, also sollen sie morgen früh hingerichtet werden.” Erneut entwich ihr ein Schluchzen, woraufhin Azazel sie etwas zögerlich in den Arm nahm. Rin und die restlichen Dämonenkönige wechselten alarmierte Blicke. „Dann müssen wir sie und dich sofort raus schaffen.”, knurrte Iblis. „Aber wie? Ihr schafft es nie euch an den Wachen vorbei zu schleichen.”, antwortete Vaya nervös.
 

„Wir haben uns damals an Vater und den Wachen vorbeigeschlichen, um zu Verabredungen und Feiern zu gehen. Schlimmer kann das hier nicht sein.”, antwortete Iblis ungerührt. Die Dämonin öffnete den Mund, um antworten, als es an der Tür klopfte. „Sofort die Tür öffnen!”, erklang die Stimme eines Mannes. Alle erstarrten. „Oh Mist, ich habe ganz die blöde Patrouille vergessen.”, flüsterte sie entsetzt. „M-Moment, ich bin nackt!”, rief sie dem Mann hinter der Tür zu, dann wandte sie sich an die Dämonenkönige. „Versteckt euch!”, flüsterte sie panisch.
 

„Wo denn bitte?!”, fragte Iblis.
 

„Egal, er darf euch nicht sehen!”
 

Mephisto verwandelte sich ohne weiteren Kommentar in einen Hund, Amaimon in einen grünen Hamster und Azazel in einen Raben. Rin war überrascht. Er wusste, dass sich Mephisto verwandeln konnte, doch Azazel und Amaimon waren neu. Sie waren jedoch nicht die einzigen. Iblis war plötzlich ein Feuersalamander, Beelzebub eine Fliege und Lucifer ein Glühwürmchen. Ja, ein Glühwürmchen. Was bei Gehenna?! Seit wann konnten sich fast alle Dämonenkönige in Tiere verwandeln?! Konnte er das auch?! Der Insekten- und Lichtkönig setzten sich an seine Wand, die vier Baal in Tiergestalt zogen sich unter das Bett zurück. Izumo versteckte im Schrank, Shiemi kletterte in eine der Truhen, Astaroth in die andere. Zum Glück waren diese wohl nicht sonderlich voll. Egyn schob derweil Shura, Rin, Yukio und die restlichen Adepten in das Badezimmer, welches leider ebenfalls recht klein war und wurde anschließend von Vaya in den Schrank geschubst. „Du schon wieder?!”, fragte Izumo fassungslos. „Das war Vayas Idee!”, rechtfertigte er sich.  Ob das wohl gut ging?
 

Nachdem alle versteckt waren, öffnete Vaya die Tür. Rin hörte wie der Wächter den Raum betrat und sein Herz setzte aus, als er zu sprechen begann. „Mit wem hast du gesprochen? Es ist Nachtruhe!”, fragte er streng. „M-Mit niemanden. Ich habe Selbstgespräche geführt.”
 

„Selbstgespräche. Ja klar.” Rin und der Rest wechselten besorgte Blicke. Hoffentlich konnte Vaya ihn irgendwie überzeugen. „Ok, ok. In letzter Zeit habe ich immer wieder die Stimmen der Toten gehört. Sie tun mir leid, also rede ich öfter mit ihnen. Viele sehen mich komisch deswegen an, darum behaupte ich, dass ich Selbstgespräche führe. Dann lassen sie mich schneller in Ruhe.” Diese Lüge wirkte wesentlich glaubwürdiger und wenn man ihren sanftmütigen Charakter bedachte, war es logisch.
 

„...Du hast Mitleid mit Toten und redest deswegen mit ihnen? Ihr Geisterdämonen seid seltsam.”
 

„S-Sind wir gar nicht! Jetzt geht bitte. Ich möchte allein sein und mich in Ruhe auf morgen vorbereiten.”
 

„Richtig, deine Schwester wird morgen hingerichtet. Schade, sie war sehr respektiert.”
 

„Geht jetzt bitte!”, quiekte die Geisterdämonin wütend. Endlich hörten sie, wie sich die Tür wieder schloss. Vaya schloss sie schnell ab, dann flüsterte sie: „Ok, ihr könnt wieder rauskommen!” Als Rin das Badezimmer verließ, wurde er fast von Shima umgeworfen, da der Rest von hinten drängelte. Es dauert also eine Weile bis alle endlich draußen waren. Während Shiemi und die restlichen Dämonenkönige ebenfalls ihr Versteck verließen und sich zurückverwandelten, war Izumo damit beschäftigt Egyn anzukeifen. „Was zur Hölle stimmt nicht mit dir?! Wir hocken in einem Schrank und du begrapscht mich?!”
 

„Erstens heißt es "bei Gehenna" und nicht "zur Hölle" und zweitens: Ich habe dich nicht begrapscht!”, verteidigte sich der Wasserdämon schnell. „Es war verdammt eng da drin! Und dein Knie war zwischen meinen Beinen, das ist auch nicht gerade angenehm!”
 

Wütend funkelte die Adeptin ihn an. „Das war auch Absicht! Irgendwie musste ich dich ja dazu bringen deine Griffel wegzunehmen!”
 

„Um Vaters Willen, ich habe nichts gemacht!”
 

„Ja ja, das sagen alle Kerle!”
 

„Hey, jetzt beruhigt euch mal und kommt aus dem Schrank. Ihr streitet wie ein altes Ehepaar.”, fuhr Lucifer dazwischen. Izumo warf beiden Dämonenkönigen einen letzten giftigen Blick zu, dann kletterte sie nach draußen. Dummerweise war es so eng, dass beide stolperten, die Adeptin zu Boden fiel und Egyn genau auf sie. Beide waren wie erstarrt und knallrot. „Ich wusste gar nicht, dass du sie so jung magst, kleiner Bruder.~”, feixte Samael. Egyn sprang auf und knurrte ihn an. „Halte die Klappe, Samael!”
 

Vaya hielt Izumo eine Hand hin, welche sie etwas zögerlich annahm. Rin wandte sich währenddessen an seine Geschwister. „Seit wann könnt ihr euch alle in Tiere verwandeln?!”, entrüstete er sich. Azazel zuckte mit den Schultern. „Schon lange.”
 

„Und warum habt ihr das nie gesagt?!”
 

„Du hast nie gefragt. Astaroth hat allerdings noch nicht ganz den Bogen raus, darum verzichtet er noch drauf. Ist allerdings nicht sein einziges Problem. Er lässt immer noch Dinge um sich herum verfaulen, wenn er zu aufgeregt ist...”
 

„Das stimmt nicht!”, protestierte der Fäulniskönig empört.
 

„Erzähle das meinem Hähnchen-Sandwich von letzter Woche.”
 

Rin war verwirrter denn je. „Ich dachte nur Moroi verwandeln sich in Tiere?!” Im Nachhinein war diese Annahme Unsinn, Mephisto hatte immerhin längst das Gegenteil bewiesen. Azazel zuckte mit den Schultern. „Vater und wir sind neben den Moroi und Invidia die einzigen, die es können. Wie du dich erinnern wirst, hat Vater Lilith damals bei ihrer Erschaffung geholfen.”
 

Der Nephilim hätte zu gerne noch gefragt, warum Lucifer ein Glühwürmchen war, doch ließ es vorerst auf sich beruhen. Sie hatte immerhin dringendere Angelegenheiten zu regeln. „Egal jetzt. Wie kommen wir nun zum Verlies ohne erwischt zu werden?”
 

„Am besten teilen wir uns auf.”, bestimmte Lucifer. „Wir sind sonst zu viele. Wir lassen die Gruppen so wie sie vorhin waren.” Er wandte sich an Vaya und wechselte ins Gehennische. „Vaya, du gehst mit Azazel mit.” Die Geisterdämonin nickte nervös. Sie planten, wer welchen Weg nehmen würde, sodass sie am Verlies wieder aufeinandertrafen. Glücklicherweise war niemand im Gang, als sie sich hinausschlichen. Die Quartiere der Bediensteten wurden selten stark bewacht. Als sie die Treppe erreicht hatten, trennten sie sich.
 

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Vayas Herz klopfte ihr bis zum Hals. Zwar freute sie sich, dass es den Jungs gut ging und sie Ankou und dem Rest helfen würden, aber Sorgen machte sie sich natürlich dennoch. Lilith würde nicht Ruhe geben bis sie alle Söhne Satans in die Finger bekommen hatte. Damit hätte sie den Dämonengott vollkommen in der Hand und niemand würde ihr mehr im Wege stehen. Zwar gab es bereits Gruppen, die sich zum Widerstand zusammenrauften, aber wenn die gesamte Königsfamilie fiel, wäre dies ein mehr als demoralisierender Schlag. Sie waren für viele in Gehenna die letzte Hoffnung, sogar für jene, die sie eher weniger befürworteten. Alles war besser als die irre Königin. Ihre Eltern hatten ihr einst erzählt, dass Satan am Anfang ein alles andere als gerechter Herrscher war. Er hatte Macht, dies genossen und dementsprechend ausgenutzt, mit Kritik war nicht viel, außer man wollte eine spontane Selbstentzündung am eigenen Leibe erleben. Er war, um es einmal ganz direkt zu sagen, grausam und machthungrig. Lilith hatte es nicht besser gemacht, sondern dieses Verhalten unterstützt und für ihre eigenen Zwecke missbraucht. Schlussendlich durchschaute er sie, trennte sich von ihr und schaffte doch noch irgendwie die Kurve, weil er erkannte hatte, dass es so nicht weiter gehen konnte. Dies war mehr als bewundernswert. Seit seiner Begegnung mit Uriel hatte er sich noch weiter zum Guten verändert und war heute ein Herrscher, dem fast ganz Gehenna freiwillig bis in den Tod folgte. Zugegebermaßen war die Geisterdämonin schon seit sie ein kleines Mädchen war, etwas in den Herrscher aller Dämonen verschossen. Sie war damit nicht die einzige, allein unter ihren Freunden im Palast betraf es viele. Dummerweise wusste der Dämonengott dies sogar, aber natürlich waren sie alle viel zu jung für ihn und er hatte ohnehin kein Interesse an einem weiteren Partner. Dumm gelaufen. Die Baal hatten sie früher sogar mit ihrer Schwärmerei aufgezogen. Am schlimmsten war jedoch dieser eine Zwischenfall...sie schüttelte schnell den Kopf. Allein die Erinnerung ließ sie rot anlaufen und Samael nutzte natürlich jede Gelegenheit, um sie darin zu erinnern. Außerdem verdankte sie Satan einiges, also gab es mehr als genug Gründe sich noch mehr Sorgen um ihn zu machen. Ihr Blick wanderte zu Azazel und Egyn. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie schwer es für sie sein musste. Als ihre Eltern damals an der roten Seuche erkrankt und schlussendlich verendet waren, schien plötzlich alles egal zu sein. Sie hatte wochenlang geweint und sich immer wieder gefragt, ob sie irgendwie hätte helfen können. Satan war zwar am Leben, aber sicherlich machten sich die Jungs Vorwürfe, weil sie nicht da waren, als er sie brauchte. Hinzu kam natürlich die quälende Ungewissheit. Keine gute Mischung. Sie schaute zu dem Mädchen mit den Zöpfen. Noch nie zuvor hatten sie einen Menschen oder gar eine Exorzistin gesehen, wobei diese vom Alter her wohl noch eine Adeptin war. Nach einigem zögern, sprach sie die Vergängliche an. „Hi...ähm...Entschuldige, aber wie heißt du?” Wahrscheinlich würde sie die Adeptin nach dieser Aktion hier nie wieder sehen, aber wenn sie schon in einer Gruppe waren, dann wollte sie wenigstens ihren Namen kennen. Das Mädchen sah sie jedoch verwirrt an. ‚Natürlich, sie versteht mich nicht.‘, dachte Vaya zerknirscht. Sie hatte in der Schule wie jeder andere Latein und einige weitere Sprachen Assiahs gelernt, aber den größten Teil bereits vergessen, da sie es so gut wie nie benutzte. Allerdings sprach die Sterbliche wahrscheinlich sowieso kein Latein oder Altgriechisch. Azazel sagte etwas zu der Exorzistin, wahrscheinlich übersetzte er für sie. „Ähm...Kamiki Izumo.”, antwortete sie unsicher.
 

Vaya lächelte ihr zu. „Ich bin Vaya.” Izumo nickte nur. Die Dämonin zwang sich wieder an ihre Aufgabe zu denken. Bisher waren sie auf keine Hindernisse gestoßen, nur verschiedene Wachposten, denen sie jedoch ausweichen konnten. Sie wollten gerade einen Raum betreten, welcher laut Lucifer den Eingang zu einer geheimen Passage enthielt, doch Egyn fluchte leise, als er versuchte die Tür zu öffnen. „Verschlossen.”, zischte er. Dies war ungewöhnlich. Normalerweise war der Raum immer offen, denn darin befand sich nichts wichtiges. „Lasst mich mal ran.”, flüsterte sie und zog eine Haarnadel aus ihrem Zopf. Es dauerte einige Minuten, doch schlussendlich war ein leises Klicken zu hören und die Tür war entriegelt. „Wow, super Vaya. Wo hast du das denn gelernt?”, fragte Egyn verblüfft. Die Dämonin errötete. „Ich habe mich einmal versehentlich aus meinem Zimmer ausgesperrt. Astaroth und Iblis haben mir daraufhin gezeigt, wie man einfache Schlösser knackt. Falls ich wieder so ein Problem bekomme.”
 

„Ich frage gar nicht, warum sie das können.”, seufzte Azazel und öffnete die Tür.
 

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Manchmal verstand Amaimon seine Brüder einfach nicht. Warum bestand Lucifer darauf, diese Exorzistin-Frau in ihre Gruppe zu stecken? Er mochte sie absolut nicht, immerhin hatte sie damals seine Spielzeit mit Rin unterbrochen und seinen geliebten Behemoth verletzt. Was fand Rin an ihr? Warum hing er immer noch an den Exorzisten und seinem Möchtegern-Zwilling? Sie hatten ihn damals schlecht behandelt, warum sollten sie sich verändert haben? Es war genau wie Astaroth gesagt hatte: Menschen waren wankelmütige Kreaturen. Sie waren noch schlimmere Lügner als Dämonen, undankbar und hielten sich selten an Abmachungen. Er hatte es oft genug selbst erlebt. Immer wieder schlossen Sterbliche Abmachungen mit Dämonen, besonders mit ihm und seinen Geschwistern oder gar ihrem Vater und verkauften dabei meist ihre Seelen. Sie bekamen stets, was sie wollten, aber sobald die Dämonen sich dann ihre Bezahlung holen wollten, war es vorbei. Die Menschen flehten, fluchten, stritten oder griffen sie sogar an, obwohl sie ihren Teil der Abmachung eingehalten hatten. Ja, es gab Dämonen, die ihre Vertragspartner gern über den Tisch zogen, aber dann musste man eben aufpassen. Wer zu dumm war, einen sicheren Vertrag abzuschließen, sollte es einfach sein lassen. Hin und wieder kam es sogar bei Hexen und Hexern vor, die einem Hexenzirkel beitraten und sich somit gegen ein "normales" Leben entschieden. Wer sich bereit erklärte, sich dem Initiationsritual zu unterziehen, musste dies dann auch durchziehen, aber es war schon einige Male vorgekommen, dass der- oder diejenige kalte Füße bekommen und geflohen ist. Wenn man jedoch einmal zugesagt hatte, gab es kein Zurück mehr. Er verstand ohnehin nicht, warum sich manche vor dem Ritual fürchteten. Sie mussten nur einiges Gerede über sich ergehen lassen, danach etwas vom Blute des Dämonen an den sie gebunden waren, trinken und mit ihrem eigenen Blut in einem alten Buch unterschreiben. Wo war das Problem?
 

Während er gedankenverloren an seinem Lutscher herumkaute, wanderte sein Blick zu seinem älteren Bruder. Samael schien etwas an dieser rothaarigen Exorzistin zu finden, aber er konnte einfach nicht nachvollziehen, was es war. Sie mischte sich viel zu oft in Dinge ein, die sie nichts angingen und darauf reagierte der Zeitkönig normalerweise äußerst gereizt. Er war ja schon stinkig, wenn man ohne Erlaubnis sein Zimmer betrat. Wahrscheinlich hatte er einfach zu viel Zeit in Assiah mit den Menschen verbracht. Ihr Vater hätte das nie erlauben sollen. Assiah bot zwar einige Reize, aber die Bewohner nervten gehörig. Nur selten traf man auf Menschen, die in Ordnung waren. Der Rest sorgte nur für Ärger. Erneut kam ihnen eine Gruppe Wachen entgegen, doch Lucifer und Samael hatten ihm verboten sie anzugreifen, solange es sich nicht vermeiden ließ. Total gemein. Er war überraschend einfach sich an ihnen vorbeizuschleichen. Fast wünschte er sich, dass man sie entdecken würde, damit er seine Frustration an den Wachen auslassen konnte, die meisten gehörten ohnehin zu Lilith. Andererseits würden sie dann vielleicht keine Gelegenheit haben ihrem Vater zu helfen. Gut, dann riss er sich eben zusammen.
 

Endlich standen sie vor dem Spiegel mit dem benötigten Geheimgang. „Ist hier hinter jedem Spiegel sowas?”, fragte die Exorzistin dumpf.
 

„Natürlich nicht.”, antwortete Samael und öffnete den Zugang. „Die Dame zuerst.~” Sie verdrehte nur die Augen, dann ging sie wortlos voraus.
 

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Shiemi konnte dunkle Orte noch nie leiden. Sie bekam dort oft ein beklemmendes Gefühl, besonders wenn es auch noch eng war. Leider waren momentan beide Kriterien erfüllt. Viele der geheimen Passagen waren eher eng und düster. Überall lag eine dicke Staubschicht und Spinnenweben hingen an der Decke. Lucifer war die einzige Lichtquelle. Er machte ihr immer noch etwas Angst, obwohl der Dämonenkönig recht vertrauenswürdig erschienen. Für Rin war sie jedoch über ihren Schatten gesprungen und versuchte sich mit den Dämonen zu vertragen. Über die nahende Begegnung mit Satan dachte sie lieber nicht nach. Sie musste mutig sein. So wie Rin und die anderen. Yukio hatte seit seinem Streit mit Lucifer nichts mehr gesagt, scheinbar war er in Gedanken versunken. Sie hoffte wirklich, dass er sich wieder mit Rin vertragen würde. Sie waren doch Geschwister, sogar Zwillinge. Allerdings schienen die Dämonenkönige ebenfalls nicht sonderlich angetan von ihm zu sein. Hoffentlich würde dies nicht zu weiterem Streit führen. Sie unterdrückte ein Quieken als sich ihre Haare in einigen Spinnenweben verfingen. Sie betete, dass sie bald ohne Probleme ankommen würden.
 

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Während die ersten drei Gruppen gut voran kamen, waren die restlichen zwei vom Glück verlassen worden. Eigentlich war Rin gar nicht mehr überrascht. „Was tut ihr denn hier?”, knurrte Iblis Beelzebubs Gruppe an. „Ihr solltet doch längst weg sein!”
 

„Wir saßen fest, eine der Patrouillen musste sich unbedingt genau vor unserem Versteck austauschen und an den Geheimgang, den wir verwenden wollten, kommen wir nicht ran. Wir müssen euren nehmen.”, knurrte Astaroth gereizt. „Gut, wenn wir schon aufeinander hocken, können wir gleich zusammen bleiben.”, seufzte Beelzebub.
 

„Wird die Gruppe dann nicht zu groß?”, hakte Bon nach. Iblis schüttelte den Kopf. „Wir haben keine Zeit zum umplanen. Jetzt leise und weiter geht's!”
 

Koneko und Renzo tauschten beunruhigte Blicke aus, doch protestierten nicht. Sie waren wahrscheinlich froh, dass sie nicht mehr alleine mit den beiden Baal waren. Natürlich kamen sie gerade mal drei Treppen und zwei Gänge weit bis sie auf das nächste Problem trafen. Und dieses war wesentlich übler als irgendwelche Wachen. Die Dämonenkönige blieben wie angewurzelt stehen, dann befahlen sie, dass sich alle verstecken sollten. Glücklicherweise gab es große Stauen (Oder Skulpturen? Rin kannte den Unterscheid nicht. Gab es überhaupt einen?) in den Nischen, hinter denen sie sich gut verbergen konnten. Nun hörte der Nephilim weibliche Stimmen und schnelle Schritte. Es klang wie ein Streit. „Lass mich in Ruhe, Vidia! Ich habe jetzt keine Lust dein Gesicht oder das der anderen zu sehen!”
 

„Wir haben das gleiche Gesicht! Jetzt warte verdammt nochmal endlich!”
 

Dem Nephilim fiel die Nervosität seiner Geschwister auf. Kein gutes Zeichen. Endlich kamen die beiden Streitenden in sein Sichtfeld. Es waren wirklich zwei Frauen. Eine hatte grüne Haare, die andere silberne. Moment. Er wurde bleich. Plötzlich erschien alles klar. Sie waren Aveira! Das Mädchen mit den grünen Haaren war wohl Invidia, die Verkörperung des Neides. Bei der anderen Dämonin war er nicht sicher.
 

Invidia griff ihre Schwester am Arm. „Ich hasse es mich wiederholen zu müssen, Avaritia. Jetzt rede endlich mit mir!”Die Aveira schüttelte sie unwirsch ab. „Als ob es dich interessieren würde, Schwesterlein. Es dürfte außerdem klar sein.”
 

Der verwirrte Gesichtsausdruck der Gestaltwandlerin wich der Erkenntnis. „Es geht um Mutters Befehle.”
 

Avaritia schnaubte. „Auch. Ihre hochwohlgeborene Majestät geht mir echt gehörig auf den Zeiger mit ihrem Gehabe. Sie bestraft mich, weil wir diese verdammte Zeitdämonin nicht finden, obwohl ich nicht mal die Suche leite. Soll sie doch Ira oder Superbia damit nerven, aber mich nicht. Die heimsen sowieso immer die Lorbeeren für meine Leistungen ein.”
 

„Das sollte dich eigentlich nicht überraschen. Warum bist du jetzt auf mich sauer?”
 

Die jüngere lachte kalt. „Natürlich überrascht es mich nicht. Und du hast echt die Nerven mich das zu fragen? Du bist zu Lilith gerannt und hast gepetzt, dass ich ein paar Zivilisten in den Flüchtlingslagern hab laufen lasst, um dir ein paar Pluspunkte zu holen. Du sehnst dich so sehr nach ihrer Anerkennung und frisst ihr aus der Hand wie ein Tier. Das ist einfach nur erbärmlich.” Dafür kassierte sie eine Ohrfeige. „Nenne mich nicht erbärmlich!”, fauchte die ältere. „Abgesehen davon hast du mir oft genug Knüppel zwischen die Beine geworfen und ich dir, da hast du dich nie beschwert!”
 

„Das war vor der Versieglung. Es war einfach unterhaltsam, aber es reicht, ich habe die Schnauze voll. Ich habe es dir schon gesagt: Ich will endlich was für meine Bemühungen haben, aber ich schleime mich nicht ein.” Plötzlich begann sie zu grinsen. „Weißt du, was ich glaube? Du bist neidisch. Du erträgst die Vorstellung nicht, dass ich alleine klar komme und Macht bekomme, während du leer ausgehst. Du hast Angst, dass ich euch alle überflügle. Du hast Angst, dass es die anderen meinem Beispiel folgen und du am Ende ganz alleine dastehst. Also versuchst du mich in den Dreck zu ziehen. Habe ich recht?~”
 

Invidia wurde rot. „Ich bin nicht neidisch auf dich.”
 

„Süße, der Neid steht in deinem Namen.” Der Nephilim glaubte, dass die ältere Sünde nun ausrasten würde, doch zur Verwunderung aller begann sie zu lachen. „Na gut.~ Ja, ich habe es Mutter erzählt, aber nun sei mal nicht so. Ich habe es nur um der alten Zeiten willen getan. Sicherlich vermisst du unsere kleinen Wettbewerbe zumindest etwas.~ Also entspanne dich.” Hatte Avaritia recht und nun versuchte die Gestaltwandlerin es mit einem Themawechsel zu überspielen? Weitere Schritte ließen ihn aufhorchen und sein Magen verkrampfte sich, als er die Person erkannte. Aulak. „Hier seid ihr beiden. Luxuria sucht überall nach euch.”
 

Avaritia verdrehte die Augen. „Was ist denn jetzt wieder? Komm Vidia.” Endlich verschwanden die beiden Sünden, dicht gefolgt von dem Alukah. Dieser drehte sich jedoch noch einmal um und sah sich misstrauisch um. „Hey, was ist?”, rief Invidia zu. Aulak schüttelte den Kopf. „Ich dachte ich hätte was gerochen...egal.” Er verschwand. Rin atmete erleichtert auf. Langsam kamen alle aus ihren Verstecken. „Waren das...?” begann Shima unsicher, woraufhin Beelzebub nickte. „Das waren Invidia und Avaritia, Neid und Habgier. Und Aulak, ein Alukah.”
 

Koneko erschauderte. Offensichtlich war der Halbdämon nicht der einzige, der Aulak unheimlich fand. „Warum haben sie sich gestritten?”, erkundigte sich Bon doch Iblis winkte ab. „Wir erklären es euch auf dem Weg, los!”
 

Nur wenige Minuten später waren sie endlich am gewünschten Archiv angekommen. Die Adepten waren genauso wie Rin und die Baal verwirrt. „Also...heißt das jetzt, dass diese Avaritia genug von Lilith hat und abhauen will?”, fragte Shima.
 

Beelzebub zuckte mit den Schultern. „Sie scheint wirklich genug zu haben, aber weglaufen ist keine Option. Sie kann nirgends hin. Außerdem ist sie noch immer ein Teil Liliths, also würde sie sie schnell aufspüren und vernichten.” Er öffnete die Tür zum Archiv. „Wir haben jetzt aber Zeitdruck, also Beeilung!”
 

Den Adepten blieb der Mund offen stehen. „So viele Bücher...”, murmelte Koneko. „Gründe deinen Buch-Club später, jetzt ist keine Zeit.”, knurrte Astaroth und marschierte auf eines der Regale zu. „Beel, welche Figur war es?”
 

„Die rechte, glaube ich.” Alle zuckten zusammen als Shima plötzlich losquiekte. Sie fuhren herum. Es war Phenex, welcher den pinkhaarigen Adepten äußert verdattert ansah. Seine Augen weiteten sich zusätzlich, als er die restlichen Exorzisten, Rin und die Dämonenkönige entdeckte. „Was tut ihr hier?!”, entfuhr es ihm, Entsetzen stand in seinem Gesicht. „Wenn ihr hier erwischt werdet, ist es vorbei!”
 

Iblis erholte sich als erstes von der Überraschung. „Wir sind hier, um Vater zu finden.”
 

Der Archivar sah ihn an. „Er hätte nicht gewollt, dass ihr euch für ihn in Gefahr begebt! Und ihr schleppt auch noch Vergängliche mit?!” Für einen Moment glaubte Rin, dass nun eine Standpunkte kam, doch dann schüttelte er den Kopf und seufzte. Er ging zu der Figur (ein Drache) rechts vom Regel und zog sie nach vorne. Sofort schob sich das Bücherregal zur Seite. „Geht schnell, ich habe euch nie gesehen.”
 

„Danke Phenex, wir schulden dir was.”, sagte der Insektenkönig erleichtert. Der Dämon schnaubte. „Macht mir zukünftig einfach keinen Ärger.”
 

„Das können wir jetzt nicht versprechen.”, murmelte Astaroth, doch wurde schnell von Iblis mitgeschliffen. Phenex nickte grimmig. „Viel Erfolg.”
 

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Rin war noch nie in seinem Leben so erleichtert gewesen vor einem Verlies zu stehen. Endlich waren alle angekommen, noch dazu ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Azazels Gruppe hatte einen Wächter überfallen, ihm die Schlüssel abgenommen und anschließend den Wächtern vor dem Verlies ein Schlafmittel in die Becher gemischt. Wie sie das geschafft hatten, wusste er nicht, aber es war ihm eigentlich egal. „Was wenn im Verlies doch noch Wachen sind?”, fragte Izumo besorgt.
 

„Dann erledigen wir die eben. Es werden nur wenige sein.”, antwortete Iblis. Seine Worte sollten wohl bestärkend wirkten, doch Rin fühlte sich stattdessen noch angespannter. Die Verliese waren riesig. Darum teilten sie sich ein weiteres Mal in ihre Gruppen auf. Das Suchen der richtige Zelle und ausschalten eventueller Wachen würde dann wesentlich schneller gehen.
 

„Gut, los geht's.”, verkündete Lucifer.
 

Der Abstieg dauerte lange, sehr lange. Je weiter sie gingen, umso kälter und düsterer wurde es. Fackeln mit blauem Feuer waren die einzige Lichtquelle. Hin und wieder hörte er das Tropfen von Wasser. Als sie endlich unten waren, trennten sie sich wortlos. Nun wurde ihm zum ersten Mal die Größe des Verlieses bewusst. Die Gänge waren verwinkelt und ein riesiges Labyrinth. Scheinbar endlos zogen sich Gittertüren an den Wänden entlang. Schwere, rostige Ketten hingen an den Wänden. Steintreppen führten nach oben oder weiter in die Tiefe. Wie groß war das hier? Immer wieder hörte kryptisches Murmeln, Geflüster, Stöhnen und Weinen. Gelegentlich erhaschte er Blicke in die Zellen und wünschte sich, dass er es gelassen hätte. Die Gefangenen waren nur noch Schatten ihrer selbst, offensichtlich ohne einen Funken Verstand. Die Foltergeräte machten es nicht besser. Sein Blick wanderte zu Bon. Dieser war ebenfalls kreidebleich. Er war also immerhin nicht der einzige. Schließlich erreichten sie eine Art Halle, welche den Halbdämonen und den Adepten nur noch mehr ins Staunen versetzten. Sie war ein Durcheinander aus Treppen, Brücken und Plattformen. Eine Schlucht darunter führte in die Tiefe. Der Boden war nicht zu erkennen.
 

„Wie groß ist das hier bitte und wie habt ihr das alles gebaut?!”, fragte Bon fassungslos. „Die Höhle existiert schon seit Anbeginn der Zeit und war ein Teil Helheimrs bis einiges eingestürzt ist. Wir haben nur einiges ausgebaut.”, erklärte Iblis. Suguro runzelte die Stirn. „Helheimr?”
 

„Das Herz Gehennas. Sozusagen.”
 

„Aber warum ist es so riesig?”, hakte Rin nach. „Ich dachte der Tartaros wäre das Hauptgefängnis.”
 

„Der Tartaros ist nochmal wesentlich größer, allerdings entstand er später. Früher war das hier das Hauptgefängnis Gehennas. Heute benutzen wir in der Regel nur die vorderen Bereiche. Die Gefangenen, die ihr hier seht und hört, sind auf Liliths Mist gewachsen.”
 

Wenn dies stimmte, war es kein Wunder, wenn sich Iblis ständig im Tartaros verlief. Alleine das hier war gewaltig. Wie durch ein Wunder schafften sie es endlich zum Treffpunkt. Tatsächlich waren sie auf keine einzige Wache gestoßen. „Und habt ihr was rausgefunden?”, fragte der Feuerkönig. Azazel nickte. „Wir wissen in welchen Zellen sie festgehalten werden und ich habe die Schlüssel mitgehen lassen. Bringen wir es hinter uns.”
 

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Rin konnte die Stellvertreter hören bevor er sie sah.
 

„Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist...grau.”
 

„Halphas, wenn das wieder die Wand ist, hau ich dir eine rein.”, antwortete Amon genervt. „Wir hocken in einer beschissenen Zelle, so viel Auswahl hab ich nicht!”
 

„Ja, ja. Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist blau.”
 

„Das wäre das Feuer.”, seufzte Agares. „Um Satans Willen, könnt ihr endlich ruhig sein?! Ich versuche hier drüben zu schlafen!”, fauchte nun Ankou.
 

„Zur Abwechslung sind wir mal einer Meinung.”, grollte Alastors Stimme. „Bitte fangt nicht wieder an zu streiten.”, kommentierte Shax erschöpft. „Wer hat dieses dumme Spiel überhaupt vorgeschlagen?”, murmelte Tap.
 

„Ihr spielt "Ich sehe was, was du nicht siehst"? Das ist verdammt traurig Leute.”, kommentierte Iblis trocken und lehnte sich an die Wand, als sie endlich vor den Zellen standen. Die gefangenen Dämonen fuhren überrascht herum und sahen die Neuankömmlinge an, als wären sie Geister. Shax, Alastor und Paymon hockten in der ersten Zelle, Amon, Halphas und Tap in der zweiten und die Mädels teilten sich die dritte. „Was bei allen Flammen Helheimrs treibt ihr denn hier?!”, entfuhr es Amon. Astaroth verdrehte die Augen. „Auch Hallo. Freut mich, euch zu sehen. Uns geht's gut, danke der Nachfrage”
 

„Ihr dämlichen Vollidioten!”, fauchte Ankou und stapfte zu den Gitterstäben ihrer Zelle. „Wir sind froh, dass ihr diesem ganzen Mist hier entkommen seid und jetzt brecht ihr hier ein?! Ist die Dummheit der Exorzisten neuerdings ansteckend?!” Rin war wirklich froh, dass seine Freunde kein Gehennisch verstanden. Unwillkürlich sank er etwas zusammen, als sie sich an wandte. „Und ihn schleift ihr mit?! Merkt ihr noch was?! Ihr wisst ganz genau, dass Lilith auf ihn aus ist!”
 

„Jetzt atme mal durch und lass mich die Zellen aufschließen.”, seufzte Azazel. „Ich will mich nicht durch Gitterstäbe unterhalten.” Er verteilte die Schlüssel und sie machten sich daran die Türen zu öffnen und die Dämonen von ihren Ketten zu befreien. „Na endlich.”, murmelte Agares erleichtert und rieb die Male in ihren Handgelenken. Diese hatten scheinbar immer wieder geblutet und waren dabei sich zu entzünden. Der Rest sah nicht besser aus. Sie hatten blaue Flecken, Schnitte, Platzwunden und andere Verletzungen. Scheinbar waren sie zu ausgelaugt für ihre Selbstregeration. Vaya umarmte sofort Ankou, welche zusammenzuckte und sich die Rippen hielt. Die jüngere entschuldigte sich daraufhin etwas panisch. Die Exorzisten hielten sich derweil im Hintergrund. Besonders Alastor schien sie einzuschüchtern. „Es war verdammt dämlich von euch herzukommen.”, knurrte dieser. „Satan würde euch für diese Aktion den Hals umdrehen!”
 

„Wir sind ehrlich gesagt ursprünglich wegen ihm gekommen, aber als wir gehört haben, dass ihr hier seid, haben wir eben einen Umweg gemacht.”, gestand Egyn. „Wenn's dir nicht passt, kannst du gerne in deine Zelle zurück.”, grummelte Azazel. Der ältere Dämon schnaubte nur, dann wanderte sein Blick zu den Exorzisten. „Und ihr habt Menschen mitgebracht?!”, grollte er. Astaroth zuckte mit den Schultern. „Hey, lebende Köder sind immer gut.”
 

„Sie haben darauf bestanden mitzukommen.”, erklärte Lucifer und verschränkte die Arme. Ankous Augen verengten sich. „Moment mal, euch kenne ich doch.”, sagte sie langsam zu den Exorzisten. Diese schienen nun die Stimme zu erkennen. „Du bist diese Dämonin, die die Naga vertrieben hat.”, entfuhr es Bon. Sie verschränkte die Arme. „Genau und daraufhin wollte mich einer ja unbedingt erschießen.”
 

„Wartet, ihr kennt euch?”, fragte Rin überrascht. Ankou nickte und warf Yukio einen mörderischen Blick zu. „Flüchtig. Dein Zwilling hier hielt es für angemessen eine Waffe auf mich zu richten.”
 

„Ich wusste nicht, was du wolltest.”, erwiderte dieser bissig. Sie funkelte ihn an. „Dir ganz offensichtlich den Arsch retten, also würde ich die Klappe halten.”
 

„Also ist das Yukio.”, tippte Agares. „Großartig, noch einer.”, stöhnte Alastor. „Sagt mir, dass der Rest der Bande nicht auch noch mit euch verwandt ist. Ansonsten kündige ich.”
 

Die Dämonenkönige verneinten schnell, dann stellten sich alle vor. Es war mehr als unangenehm. Die Stellvertreter hatten wesentlich seltener mit Menschen zu tun als die Dämonenkönige und waren dementsprechend eher distanziert, wenn auch nicht unhöflich. Allerding hatte Rin das Gefühl, dass Alastor, Amon, Ankou und Halphas sie gedanklich möglichst brutal niederstachen. Schließlich sprach Lucifer an, weswegen sie hier waren. „Wisst ihr was mit Vater ist und wer uns verraten hat?” Die Stellvertreter wechselten Blicke, Rins Herz verkrampfte sich. „Keine Ahnung. Er ist nicht hier. Allerdings erst seit einigen Tagen.”, antwortete Ankou. „Sagen zumindest die Aveira. Zur Abwechslung scheint das mal keine Lüge zu sein. Wir wissen auch nicht, wer ihr geholfen hat.”
 

Die Dämonenkönige sowie die Exorzisten stöhnten auf. „Also war alles umsonst.”, grummelte Izumo. „Das würde ich nicht sagen. Immerhin sind unsere Stellvertreter wieder frei.”, gab Azazel zu bedenken. Shax schüttelte jedoch den Kopf. „Sie hat recht. Wir sind nicht wichtig. Unser Tod hätte keine Bedeutung.”
 

„Sag das nochmal und wir verpassen euch allen noch eine Runde blauer Flecken.”, knurrte Iblis. „Wie geht es euch überhaupt? Kommt ihr hier weg? Kriegt ihr einen Phasensprung hin?”, fragte Egyn nervös. „Es könnte besser sein, aber wir werden es überleben.”, beruhigte Agares ihn. „Allerdings hat Ankou einige gebrochene Rippen und Halphas ziemlich hohes Fieber seit Invidia ihm das Auge rausgerissen hat.” Der Magen des Nephilims drehte sich um. Halphas Auge war zwar nachgewachsen, aber er wollte sich gar nicht ausmalen wie schmerzhaft dies gewesen sein musste.
 

„W-Warum das denn?!”, quiekte Shiemi. Halphas zuckte mit den Schultern. „Sie hatte Langeweile. Zu dem Zeitpunkt hatten sie aufgehört uns zu befragen, aber Superbia, Invidia und Ira haben trotzdem weiter gemacht.”
 

„Wie kannst du so ruhig darüber reden?”, fragte Bon sichtlich verstört.
 

„Invidia hatte schon immer einen ordentlich Knacks in der Psyche. Als ein anderer Gefangener beinahe entkommen ist, hat sie die drei für ihn verantwortlichen Wachen getötet. Und dann noch drei weitere mit der Begründung, dass sie ungerade Zahlen hasst.”
 

Rin machte einen gedanklichen Vermerk, dass er um die Gestaltwandlerin einen extra großen Bogen machen würde. „Nettes Mädchen.”, murmelte Shura. „Aber wo ist jetzt nun Satan?”
 

Shax seufzte. „Wahrscheinlich in Liliths Palast. Lilith ist wohl zur Zeit auch nicht hier.” Er wandte sich an Iblis. „Aber eine gute Nachricht habe ich. Deine Drachen sind hier.” Der Feuerkönig wurde sofort hellhörig. „Sicher?”
 

„Ziemlich. Ich habe gehört, wie sich Superbia über sie beschwert hat.”
 

„Das ist ein großer Umweg.”‚ murmelte Alastor, woraufhin Iblis ihn abschätzig ansah. „Ich lasse sie ganz sicher nicht hier.”
 

„Ich kann Pandemonium ebenfalls nicht verlassen.”, mischte sich Amon ein. „Agash und die Kinder sind noch hier. Sie werden umgebracht, wenn ich gehe.”
 

„Sind sie im Palast?”, fragte Astaroth.
 

„Nein, sie wurden allerdings nach Pandemonium befohlen und dürfen das Haus nicht verlassen, außer zur Schule und für die Arbeit.”
 

„Sie arbeitet immer noch?!”
 

„Muss sie. Lilith hat alle Rationen stark gekürzt und Grundnahrungsmittel sind teuer geworden. Wenn sie nicht arbeitet, könnten sie verhungern. Ihr solltet mal sehen, was am Tag teilweise auf den Straßen los ist.”
 

Lucifer massierte sich den Nasenrücken. „Also brauchen wir mindestens drei Gruppen. Eine verschwindet hier und bringt vor allem Halphas, Ankou und Vaya weg. Eine holt Iblis' Drachen und die dritte sorgt für Ablenkung. Danach holen wir uns Agash und die Kinder.”
 

„Wer ist Agash überhaupt?”, fragte Shura.
 

„Meine Frau.”
 

„Oh...”
 

Plötzlich hörten sie Shima fluchen. Sie wandten sich an ihn. Er hielt seinen Arm, neben ihm standen Ankou und Agares. „Das haben wir gehört, du Perversling!”, knurrte die Geisterdämonin ihn an. „Was?! Ich habe doch nichts gesagt!” Dafür kassierte er einen weiteren Schlag von Agares. „Aber gedacht!”
 

„H-hey-” Der nächste Tritt kam von Ankou. „UND DANN ZIEHST DU AUCH NOCH MEINE SCHWESTER MIT REIN?! SCHÄM DICH!” Jegliche Gnadengesuche wurden ignoriert. Shima wurde von zwei Mädchen verhauen. Lucifer seufzte nur und sah zu wie die beiden Dämoninnen den angehenden Aria halb übers Knie legten. „Lassen wir die Mädels einfach machen und kümmern uns um die Einteilung.”
 

Diesmal waren die Gruppen ziemlich groß. Ankou und Halphas waren verletzt, Vaya, Shiemi und Izumo konnten nichts in einem Kampf beitragen, also sollten sie sich zurückziehen. Mit ihnen gingen Azazel und Beelzebub sowie Shima und Koneko. Gruppe 2, welche notfalls für die Ablenkung sorgte, bestand aus Amon, Astaroth, Samael, Agares, Egyn, Shax, Paymon, Lucifer und Tap. Der Rest, also Iblis, Rin, Bon, Amaimon, Alastor, Shura und Yukio kümmerten sich um die Drachen. Shima, welcher nun einige blaue Flecken hatte und damit laut den anderen Dämonen gut davon gekommen ist, stand möglichst weit weg von den drei Mädchen. Sicher war sicher. Doch sie achteten nicht mehr auf ihn.
 

„Wehe einer von euch stirbt. Dann schleife ich euch aus Devachan zurück und töte euch selbst nochmal für eure Blödheit.”, warnte Ankou alle Dämonen und Nephilim. Alastor schnaubte. „Ich sterbe nicht so leicht. Also Bewegung!”
 

Als sie sich trennten, wanderten Rins Gedanken erneut zu seinem Vater. Hoffentlich ging es ihm gut.
 

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Satan hasste Bannkreise. Er war das mächtigste Wesen beider Welten, doch nun saß er in einem Zimmer und war durch Siegel und Bannkreise fast hilflos. Seine Flammen hatten sich schon vor einer gefühlten Ewigkeit verabschiedet. Wie lange war er überhaupt schon hier? Wie viel Zeit war vergangen seit Lilith ihn vom Thron gestoßen hatte? Wochen? Monate? Jahre? Er konnte es nicht sagen. Für die meiste Zeit war er in einem komaartigen Zustand, gefangen in seinem eigenen Verstand. Er bekam nicht ganz mit, was um ihn herum geschah, aber einige Eindrücke blieben haften. Es war eine mehr als unangenehme Situation. Hinzu kam, dass Lilith ihm scheinbar eine Art Droge verabreicht hatte. Normalerweise ließen ihn derartige Substanzen zum größten Teil kalt, doch diese hatte es in sich. Er verwirrte seinen Geist, ließ ihn manchmal die Realität vergessen und machte unkonzentriert. Diese Hexe (was eigentlich eine Beleidigung für alle Hexenzirkel wäre) hatte besser geplant als erwartet. Dennoch schien sie nach wie vor vergeblich nach seinen Kindern zu suchen. Hätte sie diese schon erwischt, wäre sie längst gekommen, um ihn unter Druck zu setzen. Natürlich tat sie das so oder so. Wie auf Stichwort öffnete sich die Tür und Lilith betrat den Raum. „Es gibt keinen Grund mich so böse anzusehen.”, grinste sie, während sie näher kam. „Freust du dich nicht mich zu sehen?~”
 

Satan schnaubte nur und verschränkte die Arme. „Langeweile wäre mir wesentlich lieber.”
 

‚Oder dich langsam und qualvoll zu verbrennen.‘, fügte er gedanklich hinzu. Theoretisch könnte er sie momentan sogar angreifen, aber er war nicht so dumm es zu versuchen. Wenn sie sich so nah an ihn herantraute, hatte sie sicher Vorkehrungen für einen solchen Fall getroffen. Abgesehen davon würden Azazel oder sein Volk darunter leiden. Mehr als es ohnehin schon litt. Die Dämonin seufzte. „Weißt du, wenn du mich einfach akzeptieren würdest, müsstet du nicht hier festsitzen und nicht um das Leben deiner Söhne fürchten. Du machst es nur allen schwerer.”
 

Der Dämonengott bleckte die Zähne. „Lieber sterbe ich.”
 

„Das ist keine Option.” Sie trat näher heran. „Ich will dich und bekomme immer, was ich möchte.” Ohne Vorwarnung presste sie ihre Lippen auf seine und begann ihn zu küssen. Er war im ersten Moment überrumpelt, doch fing sich schnell wieder. Jedoch stieß er sie nicht weg, dies war zuvor nie gut ausgegangen. Zu seiner Überraschung war sie es, die den Kuss unterbrach. „Ich war bisher geduldig, aber jetzt ist genug.”, flüsterte sie ihm ins Ohr. Er widerstand der Versuchung sie anzuknurren, doch bei ihren nächsten Worten zog sich sein Magen zusammen. „Ich will dich. Jetzt. Ansonsten zahlt Azazel den Preis. Wenn du dich immer dann immer noch stur stellst, kommen deine anderen Söhne dran. Einer nach dem anderen. Die Mädchen werden sich sicher über sie freuen. Besonders über den Nephilim. Also wie sieht es aus?~”
 

Satan spürte wie sein Zorn hochkam, doch schluckte ihn hinunter. Bisher hatte sie seine Söhne nie direkt bedroht. Vielleicht hatte sie gehofft, dass er sie von selbst akzeptieren würde und nun die Geduld verloren. So oder so lag die Entscheidung auf der Hand, so sehr er den Gedanken hasste. Er ignorierte seine Abneigung und küsste sie. Lilith stöhnte leise auf und zog ihn näher heran.„Geht doch. Ich wusste, dass du zur Vernunft kommen würdest.~Ich habe zu lange gewartet.”
 

Er antwortete nicht, sie erwartete es auch nicht. Beide wussten, dass er noch lange nicht aufgab. Lilith hatte vielleicht eine Schlacht gewonnen, aber noch nicht den Krieg.

Drachen und Flucht

„Ich kann immer noch nicht fassen, dass ich mich hierzu hab überreden lassen.”, grummelte Alastor missmutig. Sie hatten gerade ihre Waffen zurückgeholt und waren nun auf dem Weg zu den Drachen. Iblis verdrehte die Augen. „Wir sind auch nicht grad begeistert, aber jetzt ist es so und fertig. Ansonsten kannst du gerne in deine Zelle zurück.”
 

Der ältere Feuerdämon schnaubte nur und sah verächtlich zu Shura und Yukio. „Und was treibt ihr Exorzisten überhaupt hier?”
 

„Dafür sorgen, dass Lilith besiegt und damit keine Gefahr für Assiah wird. Wir sitzen alle im selben Boot, wie du sicher weißt.”, erwiderte Shura gelassen. Alastor lachte kalt. „Hier taugt ihr höchstens als lebende Köder.” Sein Blick wanderte zu Yukio. „Und wie du ein Sohn Satans sein kannst, entzieht sich komplett meinem Verständnis. Da ist mir dein Zwilling tatsächlich lieber.”
 

„Satan ist nicht mein Vater.” antwortete Yukio steif. Rin stöhnte innerlich auf. Jetzt ging das wieder los. So mussten sich seine Geschwister am Anfang gefühlt haben, wenn sie mit ihm geredet hatten. „Ach, dann hat dich die Harpyie gebracht oder was? Sich was einzureden bringt nichts.”
 

Nun war es Yukio, der ihn abfällig ansah. „Du weißt gar nichts.”
 

„Ich weiß so einiges, vor allem wo es besonders weh tut, wenn ich dich umbringe, also pass besser auf, was du sagst.” Alastors Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen. Der Halbdämon zweifelte keine Sekunde lang an, dass er es ernst meinte. „Lass ihn in Ruhe.”, mischte er sich ein bevor er richtig darüber nachdachte.
 

Er gab sich Mühe nicht zusammenzusacken, als er nun die Aufmerksamkeit des Feuerdämonen erhielt. „Eure Verbindung ist beinahe zerbrochen und du hälst trotzdem zu ihm.” Es war eine Feststellung, keine Frage. Zu Rins Überraschung lag darin weder Spott noch Wut sondern aufrichtige Neugier. „Er ist trotzdem mein kleiner Bruder.” Sie sahen sich kurz an, dann wich Yukio seinem Blick aus. Alastor bemerkte es sofort. „Du solltest mal etwas dankbarer sein.”, knurrte er. „Er nimmt dich in Schutz, also benimm dich gefälligst und behandle ihn nicht wie Luft!”
 

Rin traute seinen Ohren nicht. Hatte Alastor gerade wirklich kritisiert, dass Yukio ihn ignorierte? „Versteh mich nicht falsch, ich kann dich immer noch nicht leiden.”, grummelte die rechte Hand Satans, als er den verwirrten Blick bemerkte. „Aber ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, wenn jemand Familienmitglieder im Stich lässt oder sie wie Dreck behandelt. Und Verräter sind am allerschlimmsten.”
 

„Er hat mich nicht verraten-”
 

„Er hat eine Waffe auf dich gerichtet. Streite es nicht ab, ich hab meine Quellen.”
 

Ein Lachen seitens Iblis riss sie aus ihrer Diskussion. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass Alastor dich doch mag. Am Ende werdet ihr noch Freunde.~”
 

„Sag das nochmal und nicht mal Satan wird dir den Arsch retten können!”, fauchte der ältere. Iblis lachte nur erneut. „Alastor hat aber recht.”, meldete sich unerwarteterweise Amaimon zu Wort. „Er könnte dir ruhig mal dankbarer sein und weniger Vorwürfe machen.”
 

„Ich unterbreche eure Familientherapie ja nur ungern, aber ich glaube, da kommt jemand.”, zischte Shura. Tatsächlich waren Schritte zu hören. Alle machten sich kampfbereit. Eine Gruppen von zwölf Wachen kam um die Ecke, ebenfalls mit gezogenen Waffen. „Sofort stehen bleiben!”, befahlen sie. Die beiden Dämonenkönige und Alastor sahen sie unbeeindruckt an. „Mehr habt ihr nicht bei? Wie langweilig.”, quengelte der Erdkönig. Den Wächtern schien nun klar zu werden, dass sie es mit zwei Dämonenkönigen zu tun hatten. Sie alle trugen Liliths Zeichen auf ihren Rüstungen, also gehörten sie offensichtlich zu ihren Anhängern und würden nicht nachgeben. Wirklich praktisch, dass sie noch keine Zeit gehabt hatten, die Siegel überall anzupassen. Man konnte damit die eigenen und Liliths Leute so viel besser voneinander unterscheiden. Der Kampf währte ganze sieben Sekunden. Rin, Yukio und Shura hatten nicht mal die Gelegenheit ihre Waffen zu heben, da lagen schon alle Gegner tot vor ihnen. „Wachen sind wirklich nicht, was sie mal waren.”, seufzte Iblis und betrachtete die Toten abfällig. „Gehen wir. Diese Parasiten hocken immer nah beieinander”.
 

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Allmählich schienen sie sich den Drachen zu nähren, denn die Temperaturen stiegen stetig. „Ich hoffe, die plötzliche Wärme ist kein schlechtes Zeichen?”, fragte Shura. Iblis schüttelte den Kopf. „Die meisten Drachen mögen eher wärmere Gebiete. Manchmal helfen sie da sogar etwas nach, ist also nichts ungewöhnliches.” Sie waren nun endlich an einer schweren Metalltür angekommen. Die beiden Wachen waren schnell ausgeschaltet. Zum Glück hatte einer von ihnen die passenden Schlüssel. „Ich gehe zuerst. Haltet besser etwas Abstand und kommt erst, wenn ich es sage. Sie haben noch nie Menschen gesehen, also Vorsicht.”
 

Alle nickten. Iblis schloss die Tür auf und öffnete sie. Der Raum dahinter war dunkel, doch sie konnten ein leises Knurren sowie das Gerassel von Ketten und Schritte hören. Der Feuerkönig ging langsam hinein. „Wann die Viecher wohl das letzte Mal gefressen haben?”, fragte Alastor trocken, doch der jüngere Feuerdämon ignorierte ihn. „Fafnir, Ladon, Makara, Tannin, Zilant...ganz ruhig. Ich bin's.”, sagte er beruhigend auf Gehennisch, während er versuchte ihre Silhouetten zu entdecken. „Ich hole euch hier raus, also bleibt ganz ruhig.”
 

Erneut ertönte leises Knurren, doch es klang nicht feindseelig. Noch immer war das Rasseln von Ketten zu hören, gefolgt von zögerlichen Schritten. Fafnir kam langsam in den Schein der Fackeln. Als er Iblis entdeckte, kreischte er freudig auf und wollte zu dem Feuerdämonen, doch Ketten hielten ihn zurück. Er jaulte mitleiderregend und versuchte erfolglos dagegen zu kämpfen. Auch die restlichen vier waren nun hervorgekommen und rissen an ihren Ketten, während sie klägliche Laute ausstießen. Irgendwie erinnerte Rin das Ganze ein paar Kinder, die nach ihren Eltern schrien. Zwar kannte er die Drachen bereits, aber es überraschte ihn immer wieder wie menschlich sie waren. Oder dämonisch. Egal. Iblis ging schnell zu ihnen, hockte sich hin und begann Fafnir hinter den Hörnern zu kraulen. „Schon gut, ich bin da. Ihr seid gleich frei.” Darauf hatten die fünf gewartet. Sofort stießen sie den Dämonen um und begannen damit mit ihm zu kuscheln und ihn abzulecken. „H-hey, nicht jetzt! Nicht sabbern!”, protestiere dieser und versuchte sie wegzuschieben, doch eher mit mäßigem Erfolg. Sie freuten sich zu sehr endlich ihre Bezugsperson wiederzuhaben. Nach einigen Minuten konnte er endlich aufstehen. „Ihr könnt reinkommen, aber vorsichtig. Wenn sie sich beruhigt haben, können wir sie losmachen.”
 

Rin und Amaimon betraten langsam den Raum, dicht gefolgt von Alastor und den Exorzisten. Sofort hoben alle Drachen die Köpfe und musterten die Neuankömmlinge. Als sie Rin und Amaimon erkannten, freuten sie sich noch mehr, gegenüber Alastor waren sie eher neutral, doch die Exorzisten verwirrten sie offensichtlich. Sie kauerten am Boden, nur um sich wieder aufzurichten, die Flügel auszubreiten und die Zähne zu blecken. „Ich denke nicht, dass sie uns mögen.”, kommentierte Yukio und musterte die Drachen nervös. Diesen Moment nutzten diese, um ihn anzufauchen, woraufhin er, Shura und Bon einen Schritt zurück machten. „Schon gut.”, redete Iblis beruhigend auf die fünf ein. „Sie sind in Ordnung. Teilweise.”
 

Er wandte sich an die Exorzisten. „Kommt näher. Sie müssen merken, dass ihr keine Gefahr seid, sonst greifen sie an sobald wir sie losmachen.”
 

„Und wie machen wir ihnen das klar?”, fragte Bon ohne die Drachen aus den Augen zu lassen. „Kommt einfach her und lasst euch einmal näher beschnuppern, das reicht meist. Ihr solltet dabei auf jeden Fall Augenkontakt halten. Ansonsten gilt es als Schwäche und ihr zählt damit als Beute. Oder zumindest Personen, denen sie auf der Nase rumtanzen können.”
 

Die drei wechselten einen Blick, dann seufzte Bon. „Gut, dann mal los.” Vorsichtig trat er näher heran. „Rede auf sie ein, das beruhigt sie. Sie verstehen zwar kein Japanisch, aber wenn deine Stimme ruhig ist, sind sie es auch. Meistens.”
 

Der Adept nickte, dann ging er vorsichtig weiter und gab sich Mühe Blickkontakt mit den Drachen zu halten. Diese knurrten leise, doch Iblis bedeute ihm weiter zu gehen. „Ok, ganz ruhig. Ich tu euch nichts. Ich will euch nur helfen.”, sagte er vorsichtig. Die Drachen legten den Kopf schief. Offensichtlich hörten sie zu, auch wenn sie ihn nicht verstanden. Schließlich stand er vor ihnen. „Gehe in die Hocke, streck die Hand aus und lasse sie dran riechen. Wenn du ganz großes Glück hast und sie dich mögen, lassen sie sich sogar streicheln.”, wies Iblis an. Der angehende Exorzist tat dies und wartete gespannt. Die Drachen schnupperten vorsichtig an seiner Hand, dann begann Zilant diese anzustupsen. „Das heißt, dass du sie streicheln sollst. Am besten hinter den Hörnen.”, kommentierte der Feuerkönig. Ziemlich überrumpelt kam Suguro der Aufforderung nach. Zilant schloss die Augen und stieß eine Art Schnurren aus. Bon begann vor sich hin zu grinsen. Er sah aus, als würde er am liebsten einen adoptieren.
 

Iblis nickte zufrieden. „Super. Nächster.”
 

Shura und Yukio sahen sich an. Die Rothaarige zuckte mit den Schultern. „Na, wird schon schief gehen.”
 

Sie wiederholte Bons Schritte. „Ganz ruhig, ich bin hier um euch zu helfen. Fresst also nicht die Hilfe, ja?” Diesmal ließ sich Makara streicheln. „Nicht überraschend. Weibchen haben Frauen oft lieber.” Iblis machte eine Kopfbewegung in Richtung Yukio und bedeute ihm damit, dass er nun dran war. Diesmal lief es nicht ganz so gut. Die Drachen schienen ihn zwar zu akzeptieren, doch beäugten ihn misstrauisch. Iblis erklärte daraufhin, dass sie seine negative Einstellung gegenüber den Dämonen spüren konnten. Dennoch konnten sie die fünf endlich befreien. Es war nicht leicht, denn die Ketten waren schwer und schienen ihnen Schmerzen zu bereiten. Endlich schafften sie es. Natürlich waren die Drachen deswegen ganz aus dem Häuschen. Sie sprangen umher, schlugen mit den Flügeln und landeten sofort wieder. „Was kommt jetzt?”, fragte Shura. Iblis wandte sich zum Eingang. „Wir suchen die anderen.”
 

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Ankou hasste es nutzlos zu sein und andere ihre Schlachten kämpfen zu lassen. Obwohl sie einen der höchsten Ränge in der Armee inne hatte, so machte sie dennoch bei jeder Schlacht mit, anstatt nur Befehle zu geben. Sie hatte Erfahrung und viel Kampfschick, warum sollte sie also herumsitzen? Ebenso war es ihr zuwider, wenn sie eine Last war und dies war momentan der Fall. Mit diesen bescheuerten Rippen konnte sie nicht mal ihren Bogen spannen. Es war recht einfach gewesen ihre Waffen zurückzuholen, aber nun konnte sie diese nicht mal benutzen. Was ein Mist. Halphas schien ähnliche Gedanken zu haben. Das Fieber hatte ihn mehr geschwächt als erwartet. Er schwankte teilweise beim Laufen und war absolut nicht in der Verfassung eine Waffe handzuhaben. Vaya und die Adepten konnten nicht wirklich kämpfen, also mussten sie sich ganz auf Azazel und Beelzebub verlassen. Dank der zweiten Gruppe, welche momentan für die Ablenkung sorgte, trafen sie kaum auf Wachen, doch kurz vor dem Geheimgang, welcher sie nach draußen bringen würde, verließ sie das Glück. „Na, was haben wir denn hier? Ihr geht so schnell?”, fragte eine hämische Stimme. Oh, nicht doch. Sie drehte sich um. „Verpiss dich, Ira!”, knurrte Azazel genervt. Die Sünde lachte gehässig. „Als ob. Die Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen. Stimmt's Leute?”
 

Ankou fluchte innerlich. Ira hatte Freunde mitgebracht. Mehrere Alukah und ein paar Wachen. Was als nächstes kam, ließ sie aus allen Wolken fallen. „Geht!”, befahl Azazel mit fester Stimme. „Ich kümmere mich um sie und komme nach!” Beelzebub dachte gar nicht daran. „Ich lasse dich nicht alleine kämpfen.” Auch der Rest protestierte. „Wir sind nicht so wichtig wie ihr, lass es sein!”, grollte Halphas. Sogar die Adepten schienen dagegen zu sein. „Wir lassen dich nicht zurück.”, knurrte Ankou. Der Geisterkönig schüttelte den Kopf ohne Ira aus den Augen zu lassen. „Es ist wichtiger, euch alle rauszubringen. Ich bin außerdem der drittstärkste von uns. Ein paar Insekten halten mich nicht auf.”  Er erlaubte sich einen kurzen Blick zu seinem Bruder. „Vertraust du mir?” Verwirrt sah der Insektenkönig ihn an. „Was meinst du? Natürlich tu ich das.” Die anderen Dämonen nickten zustimmend.
 

„Oh Gehenna, da kommt einem ja die Kotze hoch.”, knurrte Ira und ging in Angriffsstellung. Ohne zu zögern griff sie an, Azazel blockte den Angriff. „Geht! JETZT!”, befahl er erneut. Ankou wollte ihn nicht zurücklassen. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass dies nach hinten los gehen würde. Außerdem war es grausam. Er war ihr König und vor allem ihr Freund. Gut, wem machte sie was vor? Vielleicht steckte da sogar noch mehr dahinter, so oder so würde sie ihn nicht im Stich lassen. Doch zu ihrem Entsetzen gab Beelzebub nach. „Los!”, knurrte er und rannte los. Die Geisterdämonin warf Azazel einen kurzen Blick zu, entschuldigte sich gedanklich und folgte dem Insektenkönig. ‚Wehe du stirbst mir weg, du Idiot.‘
 

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Samael hatte Spaß wie lange nicht. So sehr er Assiah auch liebte, nichts kam einen guten Kampf in Gehenna gleich. Hochrangige Exorzisten boten hin und wieder eine ganz passable Unterhaltung, aber schlussendlich waren sie ein paar Käfer, die man ganz einfach zerquetschen konnte. Er wagte einen kurzen Blick zu seinen Geschwistern. Lucifer, Egyn und Astaroth schlugen ihre Gegner ohne größere Probleme und auch die Stellvertreter räumten ordentlich auf. Überall lagen tote Wachen, Naga, Moroi, Alukah und Rakshasa. Allerdings wäre es nur noch eine Frage der Zeit bis die Aveira und andere hochrangige Dämonen auftauchten. Dann würde die Sache mehr als interessant werden. Zwar waren nicht all seine Geschwister anwesend, aber dennoch hatten sie dank ihren Stellvertretern recht gute Karten. Solange die Aveira nicht mit dem Amulett ankamen. Daher war Eile geboten, denn sie wollten den Sünden möglichst aus dem Weg gehen, falls diese das Amulett bei sich hatten. Allmählich müsste Iblis Gruppe ebenfalls eintreffen. Wie bestellt kam der Feuerdämon dazu. Seine Drachen waren offensichtlich bei ganz guter Gesundheit, denn sie begannen sofort damit anzugreifen. Trotz ihrer Größe waren sie bereits äußerst tödlich. Rin wollte ebenfalls mitmischen, doch Iblis zog ihn am Kragen zurück. Der Zeitkönig musste grinsen, als er das Gesicht seines kleinen Bruders sah. Dieser versuchte böse zu gucken, doch es ähnelte mehr einem schmollen und war eher niedlich als bedrohlich. Sein Bruder war schon putzig. Er hatte wirklich noch einiges zu lernen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er einen weiteren Angriff, doch er trat einfach beiseite und erledigte seinen Angreifer bevor dieser überhaupt wusste, was los war. Er sah erneut zu Lucifer, welcher ihm zunickte. Das war das Zeichen für den Rückzug. Jeder erledigte so viele Gegner wie möglich, dann begannen sie damit die Halle, in der sie sich momentan befanden, zu verlassen. Samael verschwendete keine Zeit und legte sofort eine Barriere über die Tür, sodass ihre Verfolger nicht durchkamen und einen langen Umweg nehmen mussten. „Alle da?”, fragte Lucifer und sah sich schnell um. Agares nickte. „Verschwinden wir von hier.”
 

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„Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir grad Azazel zurückgelassen haben. Und dann noch mit Ira! Wie konntest du nachgeben?!”, grollte Ankou frustriert. „Azazel ist stark, er wird das schaffen.”, beruhigte Beelzebub sie. Zwar plagte ihn ebenfalls das schlechte Gewissen, doch er hatte vollstes Vertrauen in seinen Bruder. Er hatte bereits weitaus schlimmeres überstanden. „Hoffen wir's. Dass Lilith ihn als Geisel nimmt, ist echt das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können.”, kommentierte Halphas. „Außerdem würde ich mich mehr als scheiße fühlen, wenn er unseretwegen gefangen genommen wird.”
 

„Er ist der drittstärkste der Baal, da wird er doch sicher keine Probleme bekommen?”, fragte Koneko. „Baal hin oder her, manchmal scheinen sie gerne mal zu vergessen, dass sie trotzdem nicht unbesiegbar sind.”, antwortete Ankou düster. Beelzebub seufzte nur. „Das mag stimmen, aber Azazel wird schon klarkommen. Im Krieg gegen Lilith hat er es mit wesentlich größeren Gruppen zu tun bekommen.”
 

„Und diese Ira war die Verkörperung des Zorns, ja?”, hakte Shima nach. „Genau.”
 

„Ok...sind ihre Schwestern auch so attraktiv?” Izumo und Ankou stöhnten gleichzeitig auf. „Wären wir nicht in Eile und der Großteil meiner Rippen gebrochen, würde ich dich durch ein Fenster werfen!”, drohte die Geisterdämonin woraufhin der Aria in Ausbildung beschwichtigend die Hände hob. „Ich bin schon still.”
 

Konekomaru schüttelte nur den Kopf, während Vaya und Shiemi still blieben. „Wäre allerdings mal interessant zu wissen, wo sich der Rest rumtreibt.”, murmelte Beelzebub. „Ich habe keine Lust auf weitere Überraschungen.”
 

Überraschenderweise bekamen sie keine weiteren Probleme. Hin und wieder hörten sie, wie mehrere Wachen durch die Korridore rannten, sichtlich aufgeregt. „Scheint als würden die anderen gut für Ablenkung sorgen.”, kommentiere Halphas. Beelzebub sagte nichts, sondern öffnete eine Tür, welche in eine Art Konferenzraum führte. Darin war ein riesiger, offener Kamin. Der Insektenkönig ging darauf zu, schien irgendeinen versteckten Schalter zu betätigen und die Rückwand öffnete sich. „Nur mal aus Interesse...wie viele Geheimgänge gibt es hier so?”, fragte Ankou. Der Insektenkönig zuckte mit den Schultern. „Eine Menge. Allerdings kennt nur Vater alle. Jetzt aber weg hier!”
 

Das ließen sie sich nicht zweimal sagen.
 

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Alastor hatte wirklich die Schnauze voll für heute. Erst musste er dieses dämliche "Ich sehe was, was du nicht siehst-Spiel" über sich ergehen lassen, dann wurde er von ein paar Rotzlöffeln und Exorzisten gerettet und nun standen sie vor verschlossener Tür, eingekreist von Superbia, Invidia, Gula, Acedia und weiteren Truppen. Wirklich super gelaufen. Am Rande fragte er sich, wo die restlichen drei Aveira steckten und hoffte, dass diese nicht die andere Gruppe angegriffen hatte. Ja, er konnte die meisten dort nicht leiden, aber die Todsünden wünschte er ihnen dann doch nicht an den Hals. Außer vielleicht den Exorzisten, aber die waren ja auch nur Adepten. Er sah zu Rin hinüber. Wenn Lilith ihn in die Finger bekam, würde es für alle übel enden. Jetzt durfte er also noch den Babysitter für einen von Satans Gören spielen. Hätte der Dämonengott nicht einfach kinderlos bleiben können? Allerdings war ihm der Nephilim eindeutig lieber als sein Zwilling. Vorhin erst waren die beiden erneut in irgendeine Diskussion geraten und nach dem, was er am Rande mitbekommen und Ankou erzählt hatte, war der Jüngere das Problem gewesen. Selbst die anderen Dämonenkönigen schienen ihn nicht leiden zu können. Als sich die Zwillinge gestritten hatten, standen Iblis und Astaroth hinter ihnen, hatten Alastor angesehen und daraufhin eine Szene gespielt, in der Alastor den jüngeren Zwilling erstach. Lucifer hatte sie zwar streng angesehen, doch die anderen schienen es ganz unterhaltsam zu finden. Superbias Stimme riss ihn in die Gegenwart zurück. „Es war ziemlich dumm von euch herzukommen.”
 

„Es ist auch ziemlich dumm uns im Weg zu stehen, also geh aus dem Weg, Blondie.”, knurrte Astaroth gereizt und ausnahmsweise stimmte Alastor ihm zu. Superbia schnaubte nur. „An eurer Stelle würde ich aufgeben. Ihr seid in der Unterzahl.”
 

„Das waren wir auch, als wir damals gegen dich gekämpft haben und wir wissen ja alle wie das ausgegangen ist, nicht wahr?~”, feixte Mephisto. Invidia lachte gehässig, als die älteste Sünde vor Scham rot anlief. Acedia gähnte nur, Gula schien nicht wirklich zu wissen, was überhaupt los war. Die beiden waren allerdings noch nie die hellsten Flammen in Helheimr gewesen. „Worauf wartet ihr?! Greift an, ihr Idioten!”, keifte die blonde Sünde. Keiner traute sich zu widersprechen, auch wenn einige offensichtlich nicht allzu begeistert waren. Alastor grinste. Das würde Spaß machen.
 

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Rin unterdrückte ein frustriertes Grollen. Sie taten es schon wieder! Warum mussten sie ihn ständig bevormunden?! Ja, es würde nicht gut für Gehenna oder Assiah sein, wenn er gefangen genommen werden sollte, aber er wollte nicht daneben stehen, während andere kämpften! Shura und Yukio hatten sich einfach in den Kampf gestürzt und hielten sich ganz gut, Bon war bei Rin geblieben und hielt sich raus, immerhin bestand stets die Gefahr, dass er durch Rezitieren einen der Dämonenkönigen oder ihren Stellvertretern schaden würde. Vaya und Agares standen neben ihm. Während Vaya unruhig den Kampf beobachtete, wehrte Agares Angreifer ab. Sie schien alles unter Kontrolle zu haben, also nahm sich der Nephilim die Zeit nach den anderen zu sehen. Iblis und Astaroth kämpften gegen Invidia, Samael gegen Superbia. Die anderen beiden Aveira waren nirgends zu sehen, er tippte darauf, dass es Acedia und Gula waren. Der Rest erledigte die übrigen Angreifer. Diese konnten einem fast leidtun. Nur wenige konnten wirklichen Schaden anrichten, die meisten wurden einfach abgeschlachtet. Shura und Yukio waren so gesehen keine große Hilfe, denn sie waren wesentlich langsamer. Unwillkürlich fragte sich der Nephilim erneut, was passieren würde, wenn der Kampf gegen Lilith vorbei war. Das Bündnis zwischen den Dämonen und der Ritterschaft (besser gesagt einem Teil davon) wäre beendet und sie würden sich erneut im Kampf gegenüber stehen. Inzwischen war mehr als klar, dass die Exorzisten keine Chance hatten. Allerspätestens wenn sein Vater mitmischte, wäre es für sie gelaufen. Auch seine Freunde wären betroffen. Es läge sogar im Bereich des Möglichen, dass sie von jemanden getötet wurden, denn er kannte oder ihm nahe stand. Ob die anderen ähnliche Gedanken hatten? Iblis schien sich beispielsweise recht gut mit Bon zu verstehen, wäre das mit ihrer Zusammenarbeit vorbei? Würde er ihn ohne weiteren Gedanken töten, wenn sie sich je wieder gegenüber standen? Die Vorstellung war mehr als beunruhigend, also gab er es vorerst auf, sich deswegen Gedanken zu machen. Momentan waren andere Dinge wichtiger.
 

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Neid war für Astaroth schon immer eine allzu bekannte Emotion gewesen. Als (ehemals) jüngster seiner Brüder musste er sich des Öfteren einiges von seinen älteren Geschwistern gefallen lassen. Er hatte es immer gehasst, wenn sie Sachen durften, die ihm nicht erlaubt waren oder Fähigkeiten gemeistert hatten mit denen er noch immer Schwierigkeiten hatte. Ein hervorragendes Beispiel war die Tierverwandlung. Leider hatte er zu Beginn manchmal arge Probleme mit seinen Kräften gehabt. Hinzu kam, dass Verwesungsdämonen meist nicht allzu beliebt waren, denn sie wurden oft mit Dreck, Gestank und Tod in Verbindung gebracht. Gut, viele machten auch einen Bogen um Geisterdämonen, weil sich die Bewohner Gehennas nicht mit dem Tod auseinander setzen wollten, sie hingen extrem an ihrer Unsterblichkeit. Wer nicht? Wie auch immer, leider stimmte es, was Azazel sagte. Noch immer passierten ihm gelegentlich kleine Missgeschicke, immerhin war es nie etwas allzu gravierendes. Es war ihm verdammt peinlich, aber ihm blieb nichts übrig als weiter zu lernen. Lange Rede, kurzer Sinn: Neid hatte ihn in seinem Leben bereits öfter begleitet, demzufolge machte er sich schon gewisse Sorgen, während er gegen Invidia kämpfte. Er hatte so gar keine Lust, dass sie seine eigenen Empfindungen gegen ihn verwendete, dass hatte bereits im Krieg ziemlich genervt. Bisher schien sie jedoch kein Interesse daran zu haben, sondern bekämpfte Iblis und ihn nur ohne ihre Kräfte oder Waffen. Sie änderte einige Male ihre Gestalt, doch sie rissen sich zusammen und ignorierten ihr Aussehen. Anscheinend hatte er sie ziemlich durchdringend angestarrt, denn sie begann zu grinsen. „Du kannst ja kaum die Augen von mir lassen. Magst du mich etwa, Rothy?~”
 

Der Verwesungskönig bleckte die Zähne. Wie er diesen verdammten Spitznamen hasste. „Nein danke, ich steh nicht auf durchgeknallt.” Er hielt inne. „Nicht mehr.”
 

Die Sünde lachte. „Dann passt es, ich stehe nämlich eher auf Intelligenz.” Sie versuchte ihm in den Magen zu treten, doch er sprang nach hinten und warf ihr ein Messer entgegen. Da er plötzlich von weiteren Gegnern umgeben war, sah er nicht, ob er getroffen hatte, jedoch fluchte Invidia laut. Offensichtlich hatte er sie erwischt und ihr war klar geworden, dass ihre Selbstheilung nicht eintrat. Sie zog sich zurück. Iblis wollte ihr einen Flammenstoß hinterher schicken, doch musste abbrechen, da Lucifer in der Schusslinie stand. Ohne große Wahl ließen sie von der Gestaltwandlerin ab.
 

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Rin hatte genug. Er hatte die ganze Zeit dumm rumgestanden, es reichte. Seine Flammen hätten den Kampf längst beenden können! Bevor er Kurikura ziehen konnte, gab Lucifer jedoch das Signal zum Rückzug. Tap und Amaimon brachen gemeinsam den Boden auf und trennten ihre Gruppe von Liliths Anhängern, Egyn und Agares errichten zusätzlich eine Eiswand und die Drachen grillten noch einige verbliebene Gegner. „Los, raus!”, rief Lucifer. Sie rannten aus dem Raum und liefen durch die Korridore bis sie endlich vor der Tür eines Archives standen. Diese war verschlossen, doch Alastor hatte ganz offensichtlich die Schnauze voll und trat sie einfach ein. „Das gibt Ärger mit Phenex.”, seufzte Agares. „Und das soll mich interessieren?!”
 

Schritte ließen sie herumfahren. Doch etwas war seltsam, die Schritte klangen unregelmäßig und teilweise schleifend. Ihre Augen weiteten sich, als die dazugehörige Person endlich um die Ecke kam. „Azazel?!”, entfuhr es Egyn. Der Geisterkönig sah gar nicht gut aus. Er stützte sich an der Wand ab, seine Haare waren zerzaust, die Klamotten waren teilweise zerrissen und er hatte mehrere blaue Flecken sowie blutende Schnitte. Er presste außerdem eine Hand auf seine linke Seite, welche stark blutete. „Ihr habt echt aufgeräumt...ich bin auf dem Weg hier her auf keinen einzigen Gegner gestoßen.”, hustete er hervor. Zu Rins Überraschung griffen die Dämonen zu ihren Waffen. „Beweise uns, dass du es bist und nicht irgendein Rakshasa.”, verlangte Alastor.
 

Azazel nickte und überlegte kurz. „Vaya ist seit sie ein Kind ist in Vater verschossen, Lucifer, du hattest als Kind Angst im Dunkeln und magst bis heute keine Dunkelheit, Iblis und Egyns, euer erster Kuss war miteinander, als ihr auf einer Schulfeier zu viel Alkohol getrunken habt. Ankou, wir haben uns mal geküsst als wir Kinder waren, weil wir nicht wussten was das ist und fanden's beide eklig. Astaroth, du hattest immer Angst vor Uphir, dem ehemaligen Hauptheiler in Vaters Palast, was sich ja schlussendlich als berechtigt herausgestellt hat. Samael, du warst in eine unserer Lehrerinnen verschossen-”
 

„Gut, wir glauben dir!”, warf Amon schnell ein, offensichtlich nicht scharf darauf, dass auch Geheimnisse von ihm herauskamen. Rin war währenddessen etwas verstört. Iblis und Egyn hatten sich geküsst?! Gut, sie waren betrunken, aber der nächste Tag war sicher seltsam gewesen. Auch der Rest war mehr als unerwartet. Und Vaya war in seinen Vater verliebt?! Er beschloss, es vorerst gut sein zu lassen. „Was ist passiert? Warum bist du nicht bei den anderen?!, fragte Lucifer scharf. „Wir wurden von Ira und einigen von Liliths Leuten angegriffen. Ich habe sie aufgehalten damit der Rest weiter kann, aber ich musste ordentlich was einstecken. Schätze, ich hab mich doch überschätzt.” Er zuckte zusammen und sog scharf die Luft ein. „Könnten wir jetzt gehen damit sich jemand um das hier kümmert? Ich glaube hier kommen gleich ein paar Organe raus...”
 

Alle nickten und Egyn ging zu ihm, um ihn zu stützen. Der Ältere zögerte für einige Sekunden, doch lehnte sich dann an ihn. Derweil betrat Lucifer den Raum und öffnete den Geheimgang, welcher erneut hinter einem Bücherregal lag. „Beeilung!”, drängte der Lichtdämon und sie kamen der Aufforderung gerne nach. Stumm folgten sie dem Gang bis sie schließlich in einer Art Höhle standen, wo Beelzebubs Gruppe bereits wartete. Der Insektenkönig schien mehr als erleichtert. „Da seid ihr ja endlich. Wir dachten, dass ihr irgendwo festsitzt-”
 

„War auch so, aber wir müssen uns jetzt um Azazel kümmern.”, unterbrach Iblis ihn. Beelzebub erbleichte, als er seinen verletzen Bruder entdeckte, welcher inzwischen das Bewusstsein verloren hatte. Egyn legte ihn hin und sah sich mit Shax und Agares die Wunde an. „Verdammt, ich wusste, dass wir ihn nicht hätten allein lassen sollen!”, zischte Ankou. „Die Wunde ist recht tief, aber die Arterie hat es verfehlt. Glück gehabt.”, verkündete Shax sichtlich erleichtert. „Warum schließt sie sich nicht?”, fragte Shiemi.
 

„Wegen der Waffe mit der sie zugefügt wurde.”, erklärte Agares ohne aufzusehen. „Es gibt spezielle Waffen, die die Selbstregeneration blockieren. Unsere gehören zum Beispiel dazu.” Nach einigen Minuten war die Blutung endlich gestoppt und notdürftig verbunden. „Also, wie geht's jetzt weiter?”, fragte Astaroth. „Wir wissen immer noch nicht, wo Vater oder besser gesagt, wo Liliths verdammter Palast ist. Wir können nirgends hin, weil sie alles übernommen hat, also bleibt nur Assiah, aber da wird sie auch bald angreifen. Schöner Mist.”
 

„Wir haben keine Große Wahl.”, antwortete Lucifer. „Sobald wir Agash und die Kinder haben, sollten wir schnellstmöglich zurück nach Assiah.”
 

Ankou schüttelte den Kopf. „Ihr kehrt zurück nach Assiah, aber wir bleiben hier. Es gibt überall Widerstand gegen Lilith. Wenn wir mit diesen Gruppen in Verbindung treten und sie zusammenziehen, haben wir immerhin ein paar neue Verbündete.”
 

„Ganz sicher nicht, du bist verletzt und der Rest ist nicht grad in guter Verfassung!” ,protestierte Egyn. Die Dämonin blieb stur. „In ein paar Tagen geht's wieder und in Assiah sind wir nicht von Nutzen. Wenn ihr schon das Risiko auf euch nehmt, um uns zu befreien, lasst uns wenigstens etwas tun!”
 

„Sie hat recht.”, mischte sich Shax ein. „Wir sind in Assiah kaum eine Hilfe und das manche von uns noch nie oder irgendwann vor Jahrhunderten dort waren, macht es nicht einfacher.”
 

Lucifer seufzte nur. „Das können wir alles besprechen, wenn wir hier raus sind. Kyrene hat uns einen Ort beschreiben, wo wir hin können ohne entdeckt zu werden. Wir machen uns schon mal auf den Weg dorthin, während ein paar Agash holen. Amon, ich nehme an, dass du gehen willst?”
 

Der Verwesungsdämon nickte. „Dann komme ich mit.”, verkündete Astaroth. „Ebenfalls.”, hängte sich Iblis rein. „Wenn das geklärt ist, können wir ja weiter.”, knurrte Alastor. „Ich hab genug von diesem Ort.” Zur Abwechslung konnte Rin nur zustimmen. Schließlich standen sie wieder in der Kanalisation, wo sich Astaroth, Amon und Iblis von der Gruppe trennten. Der Rest lief noch eine Weile weiter, bis sie endlich ins Freie kletterten.
 

„Also gut, wir verschwinden per Phasensprung. Wir springen am besten zum Rand des Acherusischen Sees, den Rest laufen wir, damit sie die Spuren nicht direkt verfolgen können.”, bestimmte Lucifer. Alastor schien nicht glücklich damit zu sein von ihm Befehle zu bekommen, doch bleib still, immerhin wusste er, was auf dem Spiel stand. „Ich dachte hier sind Barrieren?” fragte Rin verwirrt. „In jeder Barriere, die so große Gebiete abdeckt, gibt es Lücken und die kennen wir mittlerweile gut.”, antwortete Beelzebub. „Jetzt aber los!”
 

Rin hasste Phasensprünge, aber es war ihre einzige Option, also ging er ohne zu murren zu Amaimon. Hoffentlich konnten die anderen ihre Aufgabe ebenfalls erledigen.
 

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Der Phasensprung verlief wesentlich besser als erwartet. Rin verspürte weder den Drang sich zu übergeben, noch landete er auf seinem Hintern. Langsam schien er sich daran zu gewöhnen. Von seinen Freunden, Shura und Yukio konnte man das nicht sagen. Sie alle waren mehr als grün im Gesicht und Shima sah aus, als würde er jeden Moment seinen Magen entleeren. „Wage es ja nicht, mir auf die Stiefel zu reihern!”, drohte Alastor, doch der pinkhaarige Exorzist war zu beschäftigt damit seinen Mageninhalt unten zu behalten, um Angst zu haben. „D-Das....machen wir....bitte....nie wieder.”, presste Shura hervor und alle Exorzisten nickten, während die Dämonen feixten. „Gehen wir weiter, dann können wir endlich Azazel fertig verarzten und uns um Halphas und Ankou kümmern.”, sagte Shax und alle setzten sich wieder in Bewegung. Die Drachen flogen ebenfalls los. Nach einigem Fußmarsch erreichten sie den Außenposten. Dieser war ein Steingebäude auf einem Felsen. es gab einen Wachturm, doch dieser war offensichtlich nicht besetzt. Was sie jedoch alarmierte, war die offene Tür. „...Die sollte doch abgeschlossen sein, oder?”, stellte Amaimon dumpf fest. Sie zogen ihre Waffen. Langsam betraten sie das Gebäude. Nun fiel ihnen außerdem das brennende Licht auf. Sie sahen sich an. Hatte sich Kyrene getäuscht und es gab doch noch Patrouillen, die hier Pausen einlegten? Schritte näherten sich und sie machten sich bereit zum Kampf, doch als die Person dann vor ihnen stand, waren sie mehr als überrumpelt. Rin blinzelte den Neuankömmling überrascht an. Was machte sie denn hier? Indra grinste und warf ihre Haare zurück. „Na, ihr habt euch ja Zeit gelassen. Ich warte hier schon ewig.”
 

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Samael war, um es einmal mit den Worten seiner jüngeren Geschwister auszudrücken, zum Kotzen zumute. Warum musste diese Frau immer wieder auftauchen und Probleme bereiten? Das war normalerweise seine Aufgabe! Zugegebenermaßen hatte er sich gefragt, was sie trieb, immerhin stand sie bei Lilith ziemlich weit oben auf der Liste. Natürlich war dies reine Neugier, er fühlte keinerlei Bindung mit dieser Frau. Sie hatte ihn auf die Welt gebracht, das war's. Für ihn war Ruha seine erste richtige Mutter gewesen und auch seine späteren Stiefmütter hatte er als Mutterfigur akzeptiert. Sie war dagegen eine Fremde. Er wünschte ihr nicht den Tod, aber es würde ihn nicht ansatzweise kümmern, wenn sie Lilith zum Opfer fallen würde. Sie hatte es sich selbst eingebrockt. Allerdings interessierte es ihn sehr, was sie hier tat und vor allem wie sie hergefunden hatte. Offensichtlich wusste die Dämonin, dass sie eventuell herkommen würden. „Super, dabei haben wir die verdammten Adligen grad hinter uns gelassen...”, grummelte Alastor entnervt.
 

„Indra, was tust du hier?”, fragte Lucifer genauso verdattert wie der Rest.
 

Die Zeitdämonin verdrehte die Augen. „Das sollte offensichtlich sein. Ich verstecke mich vor Lilith und möchte mit euch reden.”
 

„Ok, kurze Auszeit!”, mischte sich Shura ein und trat nach vorne. „Wer ist sie?”
 

„Meine Name ist Indra.”, wechselte die Dämonin ins Japanische. „Ich bin Samaels Mutter.” Ach, auf einmal. „Es ist ziemlich vermessen, dich so zu bezeichnen, meinst du nicht auch?”, erwiderte er bissig und verschränkte die Arme. Die Exorzisten sahen ihn verwirrt an, dann die Dämonin und wieder ihn. Ihnen stand der Mund offen, Shura fand zuerst ihre Stimm wieder. „Schätze, ihr seid nicht wirklich gut aufeinander zu sprechen?” Samael antwortete nicht. Er wollte nicht mit Indra diskutieren, vor allem nicht mit den Exorzisten im Raum. Es war schon nervig genug, wenn seine Geschwister dabei waren. „Woher weißt du von diesem Ort?”, fragte er kalt.
 

Die Adlige ließ sich davon nicht beeindrucken. „Kyrene. Ich bin ihr vorhin auf ihrer Patrouille begegnet und sie hat mir erzählt, dass ihr hier seid, von eurem Plan und diesem Ort. Ich habe ein Versteck gesucht, also bin ich hergekommen und habe gehofft, dass ihr hier einen Zwischenstopp einlegt.” Diese Sirene konnte aber auch nichts für sich behalten! „Egal, ich kümmere mich jetzt erst mal um Azazel. Halphas und Ankou, ihr kommt auch mit.”, unterbrach Egyn sie. „Shax, Agares helft ihr mir schnell?” Die beiden Heiler nickten und folgten ihm zusammen mit Ankou und Halphas aus dem aus dem Zimmer.
 

„Warten wir bis sie fertig sind, dann kannst du uns sagen, was du möchtest.”, sagte Lucifer. Indra zuckte nur mit den Schultern. „Ich bin überrascht, dich hier ohne deine Zofe zu sehen. Schleppst du sie normalerweise nicht immer mit?”, stichelte Samael. Indras Gesicht verdüsterte sich für den Bruchteil einer Sekunde, dann wurde es wieder neutral. „Nasu ist tot. Aulak hat ihr das Genick gebrochen und sie ausgesaugt, als sie mir zur Flucht verholfen hat. Meine Familie hatte mich im Stich gelassen und wollte mich ausliefern, ohne sie hätte ich es nicht geschafft. Übrigens weiß inzwischen ganz Gehenna, dass du mein Sohn bist.” Ein Hauch von Bitterkeit lag in ihrer Stimme. Super. Jetzt wussten es also alle. Aber seltsam, dass sie scheinbar an Nasu hing. Tatsächlich hatte der Zeitkönig oft den Eindruck, dass sie die Zofe als ihre Freundin angesehen hatte. Wirklich interessant, dass ihr irgendeine fremde Frau wichtiger als der eigene Sohn war...na was soll's. Es war ihm sowieso egal. Sie verbrachten die Zeit in unangenehmer Stille. Rin hatte zusammen mit einigen seiner Geschwistern die Vorräte geplündert und war dabei das Essen zu machen. Die Drachen hatten es sich auf dem Boden gemütlich gemacht und rollten sich zusammen. Endlich kamen Egyn, Shax und Agares zurück. „Soweit sieht alles gut aus, aber sie werden sich eine Weile ausruhen müssen. Azazel ist immer noch bewusstlos.”, berichtete der Wasserkönig.
 

Nach einer Weile war Rin so weit und sie konnten alle essen. Die Stellvertreter stürzten sich sofort auf das Essen, Egyn brachte Ankou und Halphas etwas vorbei. Samael konnte ihnen keinen wirklichen Vorwurf machen, sicherlich hatten sie in den letzten Wochen nicht viel bekommen. Ihre Gesichter waren zum Teil eingefallen und laut Egyn hatte man bei Ankou die Rippen extrem deutlich gesehen. „Du kannst gut kochen, ich bin überrascht.”, kommentierte Indra. Rin bedankte sich, doch schwieg ansonsten. Offensichtlich wusste er nicht, wie er auf den unangekündigten Besuch reagieren sollte. Schließlich waren sie fertig und warteten darauf, dass sich die Zeitdämonin erklärte. „Also, worüber willst du reden, Indra?”, fragte Lucifer.
 

Diese wirkte kurz verunsichert, dann setzte sie wieder ihr typisches Grinsen auf. „Glaubt es oder nicht, aber ich bin hier, um euch zu helfen.”
 

„Aha und willst du dafür haben?”, unterbrach der Zeitkönig sie trocken. „Ich will mit euch nach Assiah.”, antwortete die Dämonin ohne Umschweife. „Weil dir Lilith am Arsch klebt.”, knurrte Alastor mit verschränkten Armen. Indra verdrehte die Augen. „Unter anderem. Sie ist äußerst nachtragend und würde mich zu gerne umbringen.”
 

Der Zeitkönig lächelte sie kalt an. „Geschieht dir recht.”
 

„...Vielleicht. Allerdings bin ich nicht nur hier, um meinen Hals zu retten. Ich möchte euch helfen.”
 

„Irgendwie fällt es mir schwer, das zu glauben.”
 

„Glaube, was du willst. Es ist die Wahrheit. Gehenna ist mein Zuhause und ich werde nicht dastehen und zusehen wie Ihre Majestät alles zerstört. Und ich werde ganz sicher nicht zulassen, dass sie Satan in der Hand hat.”
 

„Als ob. Er geht dir doch am Arsch vorbei.”, fauchte Alastor an. Sie funkelte ihn an. „Das ist nicht wahr!”
 

„Ach ja? Du bist doch nur mit ihm in die Kiste, weil du dem Miststück eins auswischen wolltest. Wäre es dann nicht zu eurem kleinen Unfall gekommen, hättest du noch viel länger weiter gemacht.”
 

Gut, das tat jetzt irgendwie weh. Aber recht hatte er. Indra seufzte frustriert. „Ja gut, ich habe Mist gebaut, aber ich mag ihn wirklich. Ich habe mir eingeredet, dass es nichts bedeutet hat, aber das ist nicht der Fall. Ich mag ihn immer noch. Und ich will ihn nicht nochmal mit Lilith sehen, das hat er nicht verdient.” Samael hob überrascht eine Augenbraue und sah zu seinen Geschwistern, welche nicht weniger überrascht wirkten. Bisher hatte seine "Mutter" nie offen über ihre Gefühle gesprochen und er hatte den Eindruck, dass sie diesmal nicht log. Die Zeitdämonin fuhr fort, als niemand etwas sagte. „Ich habe ihn kurz vor Lilith Invasion besucht, um ihn zu warnen. Ich hatte mehrere Visionen, eine zeigte, wie die Barriere um den Palst zerbrach. Andere betrafen euch, also bin ich so schnell wie möglich zu ihm gegangen. Dummerweise war ich zu spät. Ich hatte ihm gerade alles erzählt, dann kam der Angriff.”
 

„Was hast du sonst noch gesehen?”, fragte Shax. Das klang in der Tat interessant. Die Dämonin erzählte alles, von ihren Visionen in Assiah bis zu Rin, der in einer Zelle saß und angeblich von ihnen im Stich gelassen wurde, dann wie er gegen sie kämpfte und wie sie schlussendlich selbst Gefangene waren. Als sie hörten, was sie bezüglich Satan gesehen hatte, wechselten alle besorgte Blicke. Nie im Leben würde ihr Vater zu ihr zurück gehen! ‚Außer wenn sie uns in der Hand hätte...und wer weiß, wie es zur Zeit mit seinem geistigen Zustand aussieht.‘, dachte er grimmig. Am Ende herrschte betretende Stille. „Gut, das klingt jetzt nicht so berauschend, aber das sind ja nur Möglichkeiten. Wir wurden im Palast nicht erwischt, also könnte das mit Rins und eurer Gefangennahme längst vom Tisch sein.”, versuchte Agares allen Mut zu machen. „Glaubst du allen Ernstes, dass wir so viel Glück haben?”, fragte Beelzebub dumpf.
 

„Ich dachte, Azazel wäre die wandelnde Depression.”, murmelte Alastor, woraufhin er einen bösen Blick von Shax kassierte. „Hast du noch mehr gesehen, Indra?”, fragte Paymon, woraufhin sie den Kopf schüttelte. „Seitdem hatte ich keine Visionen mehr.”
 

Sie wurden aus ihrer Konversation gerissen, als sie spürten, dass sich jemand näherte. Lucifer ging mit Paymon und Shax nach draußen, um die Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen oder zu erledigen. Nicht mal eine Minute später kam Lilu gefolgt von ihren beiden älteren Schwestern in den Raum geflitzt. Sie rannte fast in Shura rein und legte eine Vollbremsung ein. „Warum hast du denn so ein komisches Oberteil an?”, sagte sie verwundert und sah die Exorzistin mit großen Augen an. Diese verstand natürlich kein Wort. „Lilu, das fragt man doch nicht!” flüsterte Vritra. „Ich finde sie hübsch...”, murmelte Mergi leise.
 

Lucifer, Paymon, Shax, Astaroth, Iblis und Amon kamen nun ebenfalls rein, dicht gefolgt von Agash, welche Jestan auf dem Arm hatte. Sie wirkte erschöpft, aber erleichtert. „Lilu, Mergi, Vitra, lasst bitte die Frau in Ruhe.” Die drei nickten und rannten zurück zu ihrer Mutter. „Hat alles geklappt?”, erkundigte sich Agares. Iblis nickte. „Es war verdammt knapp, aber es ging. Ich glaube sogar, dass ein paar der Patrouillen mit Absicht danebengeschossen haben. Wenn nicht, sollten die nochmal über ihre Berufswahl nachdenken. Agash lächelte ihnen zu. „Danke, dass ihr uns geholfen habt.” Astaroth winkte ab. „Jetzt hör aber mal auf, das war ja wohl das mindeste.”
 

Nachdem sich Agash kurz den Exorzisten und sie sich vorgestellt hatten, gingen Agash, Amon, ihre Kinder, Iblis und Astaroth in die Küche und aßen ebenfalls etwas.
 

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„Wow, Rin kocht ja besser als Mama! Kann er öfter Essen machen?”, fragte Vritra. Der Nephilim lief sofort rot an. Er war mehr als froh, dass es ihnen gut ging. Er hatte zusammen mit Astaroth öfter Amons Familie besucht und dabei die Kinder kennengelernt, welche ihn zu seiner Überraschung sehr mochten. Sie hatten Amon, Iblis und Astaroth bereits auf den neusten Stand gebracht, während die Kinder aßen und sich Agares um Agash kümmerte. Laut ihr ging es dem Kind gut.
 

Da es bereits ziemlich spät war und alle müde waren, gingen sie nach und nach ins Bett. Azazel war noch immer bewusstlos, aber immerhin hatte sich Halphas Fieber beruhigt und Ankou ging es ebenfalls besser. Dennoch hatte er wieder Probleme einzuschlafen. Er machte sich noch mehr Sorgen um seinen Vater als je zuvor. Gleichzeitig wurde er das Gefühl nicht los, dass sich etwas zusammenbraute. Es war überraschend einfach gewesen aus dem Palast zu entkommen. Warum? Seufzend stand er auf und ging langsam aus dem Zimmer um seine Geschwister nicht zu wecken. Er beschloss auf das Dach zu gehen, dort gab es eine große glatte Fläche, wo normalerweise Wächter standen. Dort stellte er fest, dass er nicht allein war. Shax lehnte auf dem Geländer und schaute gedankenverloren in die Ferne. Der Nephilim spielte mit dem Gedanken wieder zu gehen, denn der Dämon schien alleine sein zu wollen. „Du kannst gerne hierbleiben.”, unterbrach der ältere seine Gedanken. Rin zuckte zusammen, doch kam der Aufforderung nach.
 

„Du kannst nicht schlafen?”, fragte der Silberhaarige. Rin nickte. „Nicht wirklich. Und du?”
 

„Ebenfalls. Auch wenn es mir wohl gut tun würde. Ich schätze, du machst dir Sorgen um deinen Vater.”
 

Erneut nickte er. „Klar. Wir haben keine Ahnung, wo er ist. Auch wenn Lilith ihn nicht töten wird, was wenn sie durchdreht, weil er sie nicht zurück will? Sie würde es an ihm auslassen oder an Gehenna und Assiah.”
 

Shax seufzte. „Da hast du leider recht. An Tagen wie diesen bereue ich, mir damals nicht mehr Mühe gegeben zu haben. Ich wusste, dass sie nichts Gutes im Schilde führt und später, dass sie einen schlechten Einfluss auf ihn hat, aber ich habe nachgegeben.”
 

„Du kannst ihn nur beraten, keine Vorschriften machen.”, warf Rin ein. „Für mich klingt es, als hättest du alles getan, was du konntest.”
 

Der Geisterdämon schnaubte. „Das ist nett von dir, aber nicht ganz richtig. Ich habe mit dem Gedanken gespielt Lilith zu vergiften. Ich hatte das Gift sogar schon, aber habe schlussendlich den Moment verpasst und es nicht getan. Hätte ich mir mehr Mühe gegeben, wäre allen einiges erspart geblieben.”
 

„Aber dann hätte er sich vielleicht nicht geändert.”
 

Shax zuckte mit den Schultern. „Gut möglich. Aber genug davon. Man kann die Vergangenheit nicht ändern, also konzentrieren wir uns besser auf die Zukunft.”
 

Der Nephilim stimmte zu. „Gibt es etwas neues zu Azazel?”
 

„Er ist immer noch bewusstlos, aber es dürfte ihm gut gehen. Er ist ziemlich zäh.” Er hielt kurz inne. „Trotzdem bin ich nicht sicher, ob er wirklich mitmachen sollte.” Rin sah ihn überrascht an. „Was meinst du?” Dann traf es ihn. „Du redest von seinen...Problemen in den letzten Monaten, oder?”
 

Er bekam ein düsteres Nicken. „Wir wissen noch immer nicht, was für diese Aussetzer verantwortlich ist und warum seine Dämonenmale plötzlich aufgetaucht sind. Normalerweise würde das bedeuten, dass er die Kontrolle über seine Dämonenhälfte verliert, aber dann hätte es längst passieren müssen. Ich hatte die Theorie, dass es vielleicht ein Trauma ist. Ruhas Tod hat tiefe Wunden hinterlassen und Liliths Rebellion hat es nicht besser gemacht. Er und seine Geschwister waren eigentlich zu jung, um in einem Krieg zu kämpfen, aber wir brauchten ihre Macht. Allerdings ist das alles Jahrtausende her. Es ergibt keinen Sinn, dass es ihm ausgerechnet jetzt so schlecht geht.”
 

„Er hat doch erwähnt, dass die ganzen Toten anstrengend sind. Vielleicht ist es ihm zu viel geworden?”, schlug Rin vor.
 

„Möglich. Aber ich glaube, dass mehr dahinter steckt.”
 

Rin sah ihn neugierig an. „Du machst dir wirklich Sorgen um ihn, was?” Shax lachte leise. „Natürlich. Ich mache mir um alle Sorgen. Satan ist mein ältester Freund, ich berate ihn schon ewig. Deine Brüder kenne ich alle seit der Geburt. Ich habe mich oft um sie gekümmert, wenn es Satan oder ihre Mütter nicht konnten. Ich bin sogar öfter für sie zu Elternabenden in die Schule gegangen, wenn er keine Zeit hatte und habe sie bei Problemen unterstützt. Inzwischen sind sie für mich wie meine eigenen Kinder. Ankou und Vaya kenne ich ebenfalls seit dem Kindesalter, mit den anderen Stellvertretern bin auch befreundet. Mit Alastor ist es eher eine Art Hass-Liebe. Wir respektieren uns, aber sind uns meist nicht einig. So oder so sind sie für mich alle Familie.” Er sah zu Rin und lächelte. „Und ich muss zugegeben, dass du mir auch recht schnell ans Herz gewachsen bist.”
 

Der Nephilim lächelte zurück und es herrschte kurz Stille, dann begann er erneut zu sprechen. „Also denkst du, dass Azazel sich lieber raushalten sollte, damit er sich erholen kann und sich sein Zustand nicht verschlimmert?”
 

„Ganz genau. Dummerweise ist er nun mal der drittstärkste der Dämonenkönige, wir können nicht wirklich auf ihn verzichten.”
 

„Ein Grund mehr Lilith schnell in den Arsch zu treten.”
 

Der Geisterdämon hob eine Augenbraue. „Lass das nicht deinen Vater oder deine Geschwister hören.”
 

„Sie fluchen auch oft. Zumindest Iblis und Astaroth.”
 

„Ja, aber meist nicht vor ihrem Vater. Er kann da streng sein.”
 

Rin verdrehte die Augen, aber musste grinsen. „Irgendwie frage ich mich, was passiert wäre, wenn ich damals nicht bei Shiro sondern in Gehenna gelandet wäre.”
 

Auch Shax begann zu grinsen. „Du hättest keine ruhige Minute gehabt. Der jüngste Dämon wird immer am meisten bemuttert, vor allem wenn er auch noch halb menschlich ist. Und Ankou und Agares hätten nur zu gerne Babysitten übernommen. Sie haben eine Schwäche für Kinder. Du hättest sie mal sehen sollen, als Amons Kinder geboren wurden. Sie waren nur am quieken.”
 

Bei dieser Vorstellung musste der Nephilim ein Grinsen unterdrücken. „Immerhin scheinst du ein paar gute Freunde in Assiah gefunden zu haben.”, fuhr Shax fort. „Diese Shura und die Adepten scheinen an dir zu hängen.”
 

„Ich mache mir nur etwas Sorgen, wenn wir dann auf Vater treffen.”, gestand Rin. „Suguro, Shima und Konekomaru haben wegen ihm einiges in der blauen Nacht verloren. Sie wissen zwar inzwischen weswegen, aber die Toten bringt es nicht zurück.”
 

Der ältere Dämon legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie aufmunternd. „Sie sind mitgekommen, oder nicht? Sicher werden sie dann darüber hinweg sehen können.”
 

Bevor Rin antworteten konnte, waren Schreie zu hören. Sie kamen von unten. Beide sahen sich an, dann rannten sie los. Die Quelle war schnell gefunden. Es war Agash. Der Rest hatte es ebenfalls gehört und standen vor und in ihrem Zimmer. „Agash, was ist los?”, fragte Amon etwas panisch. „W-Was wohl?! Ich hab...Wehen!”, presste diese hervor. „Jetzt?! Kannst du es nicht anhalten oder so?!”, fragte Iblis scheinbar ebenfalls etwas panisch. Dafür kassierte er einen Tritt gegen das Schienenbein von Ankou. „Man kann doch keine Kinder anhalten!”
 

„WOHER SOLL ICH DAS WISSEN?! ICH BIN KEIN MÄDCHEN! UND SOLLTEST DU DICH NICHT AUSRUHEN?!”
 

„Ok, jetzt mal ganz ruhig!”, fuhr Lucifer dazwischen. „Egyn, Agares und Shax. Ihr hattet eine Heiler Ausbildung, habt ihr auch was zu dazu gelernt?” Shax schüttelte den Kopf, Agares und Egyn sahen sich an. „I-Ich hatte es, aber ich weiß nicht, ob ich das kann.”, antwortete der Wasserkönig etwas hysterisch. „Dann überlass es Agares bevor du umkippst.”, seufzte Astaroth. „Entschuldige mal?!”
 

Agares holte tief Luft. „Gut, ich habe das noch nie gemacht, aber so schwer kann es ja eigentlich nicht sein...Ankou kannst du mir ein wenig helfen oder geht das mit deinen Rippen nicht?”
 

Die Geisterdämonin schüttelte den Kopf. „Passt schon. Jetzt aber los!” Sie scheuchten alle hinaus und schickten sie los, um zu holen, was sie brauchten. Anschließen schlossen sie die Tür. Amon durfte nicht mit rein. Keiner ging zurück ins Bett, sie würden bei dem Lärm nie einschlafen können. Nur Azazel war noch immer bewusstlos. Amon lief nervös auf dem Gang hin und her, was Rin ziemlich nervös machte, aber er beließ es dabei. Immerhin hatte der Dämon allen Grund nervös zu werden. Seine Kinder waren ebenfalls aufgeregt und hüpften auf dem Gang herum. Astaroth hatte sich dazu breit schlagen lassen können, Jestan zu halten. Da Agash bereits mehrere Kinder zur Welt gebracht hatte, sollte es eigentlich nicht lange dauern, aber jede Minute schien sich ewig hinzuziehen. Nach einer knappen Stunde war endlich das Schreien eines Kindes zu hören. Nach weiteren zehn Minuten durfte Amon endlich zu seiner Frau. Die Kinder gingen mit rein, der Rest bleib draußen. Dennoch konnte Rin einen kurzen Blick erhaschen. Agash lag erschöpft in ihrem Bett, in den Armen hatte sie ihr Neugeborenes. Es hatte wie sie lavendelfarbene Haare. „Es ist, wie schon vermutet, ein Junge.”, berichtete Agares. Sie und Ankou waren fast so zerzaust wie Agash. Amon setzte sich neben seine Frau auf das Bett und nahm vorsichtig sein Kind entgegen. „Wie nennt ihr ihn?”, fragte Ankou. „Forcas.”, antwortete Amon abwesend, offenbar noch immer von der plötzlichen Ankunft seines Sohnes überrumpelt. Seine Töchter waren genauso aufgeregt.
 

Lucifer nickte den anderen zu. „Lassen wir ihnen jetzt mal Zeit für sich.” Astaroth gab noch schnell Jestan ab, dann schlossen sie leise die Tür.
 

„Ich glaube, ich verzichte auf Kinder.”, murmelte Ankou. „Das Danebensitzen war schon schlimm genug!”
 

„Gehen wir wieder ins Bett.”, schlug Shax vor. „Wenn sie uns brauchen, können sie rufen.” Alle waren einverstanden. Shax nickte Rin kurz zu, dann trennten sich ihre Wege. Der Nephilim kletterte in sein Bett und diesmal schlief er fast sofort ein.

Von Geistern und Verrätern

Rin wurde von den Schreien eines Babys geweckt. ‚Was zum Henker...?‘, fragte er sich noch im Halbschlaf und setzte sich langsam auf. ‚Warum schreit hier ein Baby?!‘ Sein Hirn ratterte vor sich hin, dann fielen ihm die Ereignisse der letzten Nacht ein. Agash hatte endlich ihr Kind bekommen und nun mit Amon einen weiteren Sohn. Er schaute zu den Betten seiner Geschwister, doch diese waren leer. Wie immer war er wohl der Langschläfer. Murrend quälte er sich unter seiner warmen Decke hervor und suchte seine Klamotten zusammen. Danach schnappte er sich Kurikara und ging in das Esszimmer. Dort saß bereits Ankou zusammen mit Agash, Shura und den Adepten am Tisch. Während die Exorzisten frühstückten, schaute sich die Geisterdämonin Karten an, Agash stillte Forcas. Die Kinder saßen auf dem Boden und spielten etwas. Vom Rest war nichts zu sehen. „Morgen. Wo sind denn alle?” grüßte Rin. Sie hoben den Kopf. „Morgen.”, kam das leise Gemurmel. Offensichtlich waren sie noch nicht wach. „Hey, Rin.” antwortete Ankou, wesentlich munterer. „Unterwegs oder irgendwo im Gebäude verstreut. Halphas ruht sich noch aus, genauso wie Azazel, aber er war zwischendurch schon wach und hat gegessen.”
 

„Und deine Rippen?”
 

„Tun noch etwas weh, aber morgen bin ich sicher wieder fit.” Sie faltete die Karte zusammen und stand auf. „Ich bin in meinem Zimmer, wenn mich jemand sucht.” Rin nickte und setzte sich mit an den Tisch. „Alles klar bei euch? Wo ist Yukio?”, fragte er, während er nach dem Brot griff. Shura zuckte mit den Schultern. „Ja, ist alles ok. Yukio ist am Schmollen, schätze ich. Wir haben ihn seit er aufgestanden ist, nicht mehr gesehen.” Der Nephilim nickte und wandte seine Aufmerksamkeit an die Verwesungsdämonin. „Glückwunsch zu deinem Kind übrigens.”, gratulierte er auf Gehennisch. „Dankeschön. Ich bin wirklich froh, dass alles so gut gelaufen ist.”, erwiderte sie.
 

„Warum verstehst du eigentlich, was sie sagen?”, fragte Bon plötzlich.
 

„Das ist Gehennisch. Ich habe es in den letzten Monaten gelernt.”
 

„Stimmt, du hattest erwähnt, dass dieser Paymon dich unterrichtet hat.”, nuschelte Shima mit halbvollen Mund.
 

„Hey, erst aufkauen und dann sprechen!”, wurde er von Mergi gerügt. Er sah sie überrumpelt an. „Was?”
 

„Sie sagt, dass du erst aufkauen und dann reden sollst.”, übersetzte Rin und musste sich ein Lachen verkneifen, als er Shimas Gesicht sah. „Mergi, nicht so vorlaut!”, sagte Agash streng. „'Tschuldige Mama...”
 

Die Tür öffnete sich erneut und Christina betrat den Raum. „Hi Rin!”, zwitscherte sie. „Schön, dass du alles gut überstanden hast.~”
 

„Hallo Christina.”, begrüßte er die Hexe. „Seit wann bist du denn hier?”
 

„Ich bin mit Akaya und Adrijana vor einer knappen Stunde gekommen nachdem mir Lord Samael eine Nachricht geschickt hat. Der Rest ist leider tot.”, seufzte sie und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie nicht so weit sind, aber sie haben nicht gehört. Schade, aber zu jammern bringt ja nichts.”
 

„Na, ihr Tod scheint dich ja zu treffen.”, kommentierte Shura. Die Hexe zuckte mit den Schultern. „Natürlich tut es mir leid, aber ich kannte sie nicht wirklich und irgendwo war es ihre Schuld. Sie waren nicht so weit, es wurde ihnen abgeraten mitzugehen und sie haben nicht gehört. Also eigentlich wie ihr.”
 

„Du kannst uns also auch nicht leiden.”
 

„Das habe ich nie gesagt. Ich bin nicht sonderlich gut auf Religionen zu sprechen, aber das heißt nicht, dass ich euch automatisch hasse. Bisher habt ihr mir keinen Grund gegeben. Wir haben erst ein Problem, wenn ihr meinen oder einen der anderen Hexenzirkel angreifen. Dann bringe ich euch natürlich um.”, erklärte die Aschblonde im Plauderton.
 

„...Schätze das ist fair.”
 

Lilu zupfte derweil an Izumos Rock. Die Adeptin sah sie überrascht an. „Können du und deine Freundin mit uns spielen? Bitte?”
 

Sie blinzelte verwirrt. „Wie bitte?”
 

„Sie fragt, ob du und Shiemi mit ihr spielen könnt.”, half Rin aus. Die beiden Mädchen sahen sich verwundert an. „Warum sollten Dämonenkinder mit Exorzisten spielen wollen?”
 

„Ich glaube Kindern ist das relativ egal.”
 

„Biiiiiiteeeee?”, bettelte Lilu mit großen Augen. Ihre Schwestern setzten nun ebenfalls einen Welpenblick auf. Izumo sah fragend zu Agash. Diese zuckte mit den Schultern. Scheinbar hatte sie nichts dagegen. „Was sagst du dazu, Moriyama?”
 

Shiemi rutschte nervös umher. „Uhm...Ich spiele gern mit Kindern...”
 

Izumo wandte sich an Lilu, welche sie erwartungsvoll ansah. „Ok...”, murmelte sie etwas zögerlich. Das Dämonenkind verstand dies offenbar, denn ihre Augen leuchteten auf und mit überraschender Stärke zog sie die Adeptin vom Stuhl. Mergi schnappte sich Shiemi. Zusammen setzten sie sich auf den Boden und begannen munter los zu plappern.
 

Agash stand auf. „Wenn es euch nicht stört, lasse ich euch kurz mit den Kindern allein. Ich bringe Forcas wieder ins Bett und muss nach Jestan sehen. Wenn sie nicht hören, greift ruhig etwas durch.”
 

Rin nickte und sie verließ das Zimmer.
 

„So...aber jetzt mal was anderes.”, fuhr Christina fort, während sie dabei war, sich eine weitere Voodoo-Puppen zu basteln. „Findet ihr auch, dass Lord Azazel irgendwie...komisch drauf ist?”
 

Bon zuckte mit den Schultern. „Wir kennen ihn kaum, also können wir es schlecht beurteilen.”
 

„Vorhin habe ich ihn etwas gefragt, aber er hat mich nur kurz angesehen, sich weggedreht und mich dann einfach stehen lassen. Total unhöflich!”, knurrte Izumo unerwarteterweise und sah vom spielen auf. Rin zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich ist er einfach noch müde. Er braucht am Morgen immer ewig, um wach zu werden.”
 

Sie schnaubte. „Mit den anderen Dämonenkönigen hat er aber geredet. Natürlich immer auf Gehennisch, man versteht also kein Wort! Ich begreife den Kerl nicht. Als ich mit ihm unterwegs war, ging eigentlich alles ganz gut und jetzt ignoriert er uns.” Rin biss sich auf die Lippe. „Na ja, er hat sich in den letzten Monaten schon immer mal komisch verhalten, also solltest du es vielleicht nicht so persönlich nehmen.” Mehr wagte er nicht zu sagen und es fragte auch keiner nach.
 

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Yukio saß auf seinem Bett und überlegte fieberhaft wie er mit Rin reden konnte, ohne dass erneut ein Streit ausbrach oder er von einem Haufen wütender Dämonen massakriert wurde. Dummerweise war er noch wie vor vollkommen planlos, wo er überhaupt anfangen sollte. Obwohl sie nur ein halbes Jahr lang getrennt voneinander gewesen waren, hatte er das Gefühl eine ganz andere Person vor sich zu haben. Zwar hatte sich die Persönlichkeit seines Bruders nicht wirklich verändert, aber er wirkte dennoch anders. Es war schwer zu beschreiben. Besonders irritierte ihn, wie nahe er den Dämonen bereits zu stehen schien, obwohl er sie gerade mal ein paar Monate kannte. Und da sollte man glauben, dass keine Manipulation dahinter steckte. Seufzend fuhr er sich durch die Haare. Wenn er wieder mit diesen Behauptungen loslegte, würde Rin ihm nie zuhören, also würde er sich diesbezüglich zurückhalten müssen. Er hob den Kopf, als er angesprochen wurde. „Schmollst du immer noch?” Es war Ankou. Warum hatte er ihre Schritte nicht gehör? „Nein, tu ich nicht.”, erwiderte er bissig. Die Dämonin lehnte sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen. „Lass mich raten: Du fragst dich, wie wir Rin manipuliert haben, damit er uns vertraut und wie du ihn davon überzeugen kannst, dass wir die Bösen sind.”
 

„Ich überlege, wie ich mich mit ihm aussprechen kann, wenn du es genau wissen willst.”, knurrte der Exorzist genervt. „Tja, dann viel Glück dabei. Bisher hast du diesbezüglich so ziemlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Und solange du nicht deinen Dämonenhass in den Griff bekommst, sehe ich weiterhin schwarz. Rin wird es merken, wenn du dich verstellst.”
 

„Ach, und was schlägst du sonst vor?”, fauchte Yukio. Ankou verdrehte die Augen. „Dafür, dass du angeblich so intelligent bist und so schnell deine Meister gemacht hast, bist du wirklich verdammt dumm. Es liegt doch auf der Hand, aber gut. Ich erkläre es so einfach wie möglich.” Sie sprach nun langsamer und deutlicher, als würde sie mit einem Kleinkind reden. „Hör auf immer auf Rin hinabzusehen und ihm Vorschriften zu machen. Behandle ihn nicht wie eine tickende Zeitbombe, lass ihn ausreden, schiebe ihm nicht die Schuld zu oder beleidige ihn, respektiere seine Entscheidungen und versuche nicht ihm deine Ansichten aufzuzwingen. Erst wenn du ihn als einen Ebenbürtigen siehst, wirst du ihn erreichen. Das ist übrigens einer der Gründe, warum er ganz gut mit uns klar kommt. Wir behandeln ihn nicht wie ein kleines ungezogenes Gör, obwohl ihm eine Kopfnuss hin und wieder vielleicht ganz gut tun würde. Oh, es würde auch sehr helfen, wenn du aufhörst ihn ständig mit Waffen zu bedrohen. Wird sicher wahre Wunder bewirken. Klar soweit oder soll ich es nochmal erklären, Yuki?~”
 

Sie grinste spöttisch. Yukio widerstand dem Drang auf sie zu schießen. Bisher hatte er ihr eher Gründe gegeben ihn zu hassen, also hatte er es wohl irgendwo verdient. „Gut, danke.”, presste er hervor. Er wollte an ihr vorbeigehen, doch sie streckte einen Arm zur Seite und blockierte ihn damit. Etwas überrascht sah er sie an. „Was noch?”
 

„Lass dir eins gesagt sein.”, sagte sie in einer seltsam monotonen Stimmlage, während ihre Augen gefährlich funkelten. „Stell dich uns besser nicht in den Weg. Es ist uns egal, wer dein Vater ist, du gehörst längst nicht mehr dazu. Wenn du versuchst Rin oder einem der anderen irgendwie zu schaden, gibt's Ärger. Lord Satan wollte, dass wir ihn beschützen und wir Dämonen erfüllen immer die Wünsche unseres Meisters. Ganz egal, was es kosten möge.” Yukio spürte wie ihm ein Schauer über den Rücken lief. Die Dämonin war wesentlich kleiner als er, aber äußert einschüchternd.„Deine Drohungen sind nicht nötig.”, antwortete er so gelassen wie möglich. Ankou lachte leise. „Drohungen? Ich wollte dich nur erinnern, dass Unfälle passieren können und der menschliche Körper ist ziemlich schwach und fragil. Er zerbricht gerne mal unreparierbar.”
 

Der jüngere Okumura Zwilling antwortete nicht, sondern ging einfach an ihr vorbei. Diesmal hielt sie ihn nicht auf, aber er spürte ihren bohrenden Blick den ganzen Flur entlang.
 

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Rin war gerade dabei seinen Teller wegzustellen, als sich erneut die Tür öffnete. Yukio kam herein. Sofort konnte man die unangenehme Stimmung zwischen ihnen spüren. „...Guten Morgen, Rin.”, sagte der Brillenträger. Der Nephilim war etwas überrascht. Normalerweise ging er immer sofort, wenn er merkte, dass er im selben Raum war. „Kann ich dich bitte kurz sprechen? Alleine?”
 

„Ähm...klar.”, antwortete er noch überraschter. Izumo wandte sich an die Kinder. Inzwischen hatte sie bemerkt, dass die drei zumindest Englisch konnten. „How about we go play in another room? I think I saw some paper and pens.”, sagte sie. Die drei nickten sofort, standen auf und liefen hinaus dicht gefolgt von Shura und den Adepten. Christina ließ sich dagegen Zeit. Als sie an ihm vorbei ging, bleib sie kurz stehen und stellte sich auf ihre Zehenspitzen. „Falls er wieder gemein zu dir ist, besorge mir einfach ein Haar oder einen Fingernagel von ihm. Ich bastle dir dann eine Voodoo-Puppe mit der du ihn etwas ärgern kannst.~”, flüsterte sie ihm ins Ohr und grinste frech. Rin würde natürlich nicht auf ihr Angebot zurückgreifen, aber lächelte ihr zu. „Danke Christina, aber ich glaube nicht, dass es nötig sein wird.” Sie zuckte mit den Schultern. „Ich fange trotzdem schon mal an.~”, verkündete sie ausgelassen.
 

Die Tür fiel ins Schloss und die Zwillinge waren alleine. Es herrschte kurz betretende Stille, dann ergriff Yukio das Wort. „Ich wollte mich entschuldigen. Es war nicht in Ordnung, wie ich mich verhalten habe. Ich mache mir Sorgen um dich, aber ich schätze meine Angst hat mich nicht klar denken lassen. Ich hätte nie eine Waffe auf dich richten oder dich anschreien sollen. Es tut mir leid.” Rin starrte den jüngeren überrumpelt an. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht hiermit. Yukio entschuldigte sich? Das gab es nicht lange nicht. Ansonsten hatte er ihm immer nur Vorwürfe an den Kopf geworfen und die Schuld nie auf sich genommen. Dennoch war er nicht ganz willens ihm so schnell zu vergeben. „Ok, ich unterbreche dich jetzt mal, falls du noch mehr sagen willst. Ich find's super, dass du dich entschuldigst und alles, aber das ist einfach nicht mehr genug. Du hast schon in der Vergangenheit angeblich einiges bereut, nur um mich dann später wieder anzugiften. Wenn du es diesmal wirklich ernst meinst, dann beweise es. Zeig mir, dass du mich wirklich akzeptierst, sei dem Rest nicht mehr so feindseelig gegenüber und höre auf ständig meine Meinung ändern zu wollen.”
 

Yukio biss sich auf die Lippe und trat von einem Fuß auf den anderen. „Rin, ich bin kein Halbdämon wie du, sondern ein normaler Mensch und obendrein noch Exorzist. Es ist nicht einfach für mich, einfach Dämonen zu vertrauen.” Zwar verstand der Nephilim das Problem des jüngeren, aber er blieb hart und verschränkte die Arme. „Das ist ja alles verständlich, aber dem Rest gelingt es auch irgendwie, also wirst du doch wohl über deinen Schatten springen können. Ich verlange nicht, dass ihr alle beste Freunde werdet. Ich habe einfach genug davon, dass sich alle gegenseitig an die Kehle springen. Außerdem bist du immer noch mein kleiner Bruder, ich möchte mich nicht zwischen ihnen und dir entscheiden müssen.” Für einen Moment herrschte Stille, dann nickte Yukio langsam. „Ok. Ich beweise es dir und werde mein Bestes geben, um nicht mehr mit den Dämonen aneinander zu geraten. Ich möchte dich nicht nochmal verlieren.” Zwar war sich Rin nach wie vor nicht sicher, ob er es dies tatsächlich schaffen würde, aber es war für den Beginn besser als gar nichts. Er wollte sich umdrehen und mit Yukio das Zimmer verlassen, doch zuckte zusammen, als er die Tür öffnete. Eisige Kälte schien seinen Rücken hochzukriechen und seine Nackenhaare stellten sich auf. Für den Bruchteil einer Sekunde meinte er eine Frau gesehen zu haben, eine Sirene, wenn er sich nicht täuschte. Das seltsamste war jedoch, dass ihr Gesicht blutüberströmt war. Bevor er genauer hinsehen konnte, war die Gestalt verschwunden. „Rin? Was ist?”
 

„...Nichts. Gar nichts. Gehen wir einfach.” Mit einem mulmigen Gefühl im Magen, verließ er den Raum.
 

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Eine knappe Stunde kehrten die Dämonenkönige und Stellvertreter zurück. Rin erfuhr, dass Agash und die Kinder, die Hexen sowie Indra, Vaya und die Drachen mit nach Assiah kommen würden, während der Rest in Gehenna blieb und versuchte die Widerstandsgruppen zu mobilisieren. Die Hexen hatten bereits die Hexenzirkel in Gehenna auf ihre Seite gebracht, doch diese würden erst später dazu kommen. Fürs erste mussten sie zurück nach Assiah, hier konnten sie nichts mehr tun. Die Exorzisten würden nicht mehr lange in Gehenna bleiben können und Lilith suchte nun noch vehementer nach Rin und seinen Geschwistern. Momentan saßen sie in einer Art Gemeinschaftsraum und warteten auf Lucifer, Paymon, Azazel, Egyn und Agares. Die Kinder spielten zusammen in einer Ecke, Jestan krabbelte immer wieder zu den Drachen und wollte ihnen am Schwanz ziehen, was Agash und Iblis (welcher neben ihnen am Boden saß) jedoch zu verhindern wussten. Die Drachen beobachteten derweil mit großem Interesse Indras Begleiterin, eine violette Schlange. Rin hatte zuvor gar nicht gewusst, dass sie eine hatte. Izumo hatte vorhin aus heiterem Himmel los geschrien und war auf einen Tisch gesprungen. Die restlichen Adepten hatten es ihr beinahe nachgetan, als sie den Grund entdeckte hatten. Die Schlange war ungefähr einen halben Meter lang und relativ dünn, allerdings wussten sie nicht wie gefährlich sie war. Indra war kurz darauf reingekommen, hatte sich entschuldigt und sie einfach aufgehoben. Nun schlängelte sich das Tier um ihren Arm und Indra streichelte sie. Scheinbar hieß die Schlange Lamia. „Wann kommen sie denn endlich?”, stöhnte Amon. „Sie werden schon noch kommen, hab einfach mal etwas Geduld.”, antwortete Shax ohne von seinem Buch aufzusehen. „Sie haben uns aber hergerufen, da könnten sie ruhig mal pünktlich sein.”, schnaubte Izumo.
 

„Mich würde mal interessieren, was Egyn und Agares treiben. Ist nicht alles längst erledigt?”, seufzte Halphas.
 

„Ist diese Agares eigentlich in Egyn verschossen?”, fragte Shura plötzlich. Alle sahen sie überrascht an. „Na, was denn? So wie sie ihn immer anschaut...”
 

„...Ich weiß grad nicht, ob ich lachen oder heulen soll.”, murmelte Iblis.
 

„Hä?”
 

„Ja, ist sie. Aber Egyn bekommt es nicht mit. Das geht schon seit einigen Jahrhunderten so.”, fasste Beelzebub  zusammen. „Aber sagt bloß nichts.” Bevor die Exorzisten antworten konnten, kamen die fehlenden Dämonen bis auf den Geisterkönig hinzu. „Azazel hat sich nochmal hingelegt, wir können anfangen. So viel gibt's ja nicht zu bereden.”, seufzte der Lichtkönig. „Lilith könnten jeden Tag Assiah angreifen, also sollten wir möglichst schnell die Exorzisten warnen.” Er wandte sich an Shura. „Konntest du jemanden drüben erreichen?” Shura nickte. „Dafür, dass wir in einer anderen Welt sind, ist der Empfang echt gut. Na egal. Ich hab' dem Glatzkopf gesagt, dass wir Satan nicht finden konnten und Lilith wahrscheinlich bald mit ihren Angriffen los legt. Er war nicht grad begeistert, aber war wohl zu erwarten. Hoffen wir mal, dass der Vatikan sich endlich aufraffen kann uns zu helfen.” Alastor hustete, was verdächtig nach „Als ob!” klang, doch Lucifer ignorierte ihn. „Gut, dann wissen sie immerhin schon Bescheid. Die Hexenzirkel sind ebenfalls dabei, mehr können wir hier also nicht tun.”
 

„Dann solltet ihr so schnell wie möglich verschwinden. Laut den Sirenen sind ihre Truppen schon an der Grenze, also werden sie in ein paar Stunden in dieser Gegend landen.”, kommentierte Ankou. Das war wirklich nicht viel Zeit. „Dann sollten wir wohl sicher stellen, dass keiner merkt, dass wir hier waren.”, antwortete Egyn.
 

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Eineinhalb Stunden später hatten sie alles zusammengepackt und standen vor dem Außenposten. Rin hatte gerade die Gehennapforte geöffnet und betete, dass sie nicht in einer Raubtierhöhle oder dergleichen landen würden. Ankou umarmte Vaya, während sich Amon von seiner Frau und seinen Kindern verabschiedete. Ihnen war nicht wohl dabei, getrennt zu werden, aber in Gehenna war es momentan zu gefährlich. „Passt ja auf.”, grummelte Alastor. „Ich hab keine Lust, mich von Satan einäschern zu lassen, weil ihr zu dumm zum überleben wart.”
 

„Aw, du machst dir ja wirklich Sorgen.~”, stänkerte Samael. Der Feuerdämon ignorierte ihn einfach. Die Drachen schnupperten neugierig am Gehennator, doch wagten sich nicht näher heran. Sie hatten beschlossen, dass Iblis mit ihnen zuletzt gehen sollte. Lucifer ging zuerst, gefolgt von Samael und Azazel. Dann kamen Rin und die Exorzisten. Zur Erleichterung des Nephilims kamen sie in einem Wald raus und nirgends war etwas gefährliches zu sehen. So weit so gut. Schließlich waren alle da. Shura zog ihr Handy hervor. „Ich habe Empfang und Internet. Scheinbar sind wir wirklich in Japan gelandet. Gar nicht schlecht, Rin.”
 

„Die Luft ist total komisch.”, kommentierte Mergi und verzog das Gesicht. Den anderen erging es nicht anders. Indra wirkte sogar etwas angeekelt. Rin war überrascht. Was stimmte nicht mit der Luft? „In Assiah ist die Luft anders. Das liegt zum Beispiel daran, dass wir in Gehenna so gut wie keine Abgase haben. Die Luft ist dort viel sauberer.”, erklärte Egyn auf Gehennisch. Auch die Drachen schienen die Veränderungen zu bemerken. Sie sprangen umher, schnüffelten überall und liefen aufregt im Kreis. „Iblis, lass sie ja nicht losfliegen.”, warnte Lucifer.  „Können Menschen ohne Mashō Drachen überhaupt sehen?”, fragte Bon plötzlich. Die Dämonenkönige wechselten Blicke. „Na ja, Drachen fallen nicht in die Kategorie Dämon.”, sagte Iblis langsam. „Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung...”
 

„Ein Grund mehr vorsichtig zu sein.”, stellte Egyn fest. „Springen wir am besten gleich zur Unterkunft.” Die Adepten wurden sofort grün. „Bitte nicht schon wieder.”, presste Shima hervor. „Ach, hör auf zu jammern.”, grollte Astaroth. Glücklicherweise übergab sich niemand. Rin hatte außerdem beschlossen, so bald wie möglich Phasensprünge zu lernen. Dann müsste er sich nicht immer mitnehmen lassen und dieses seltsame Gefühl ertragen müssen.
 

Nachdem sich die Hexen verabschiedet hatten (Christina hatte Rin tatsächlich eine Yukio-Voodoo-Puppe zugesteckt), lieferten sie schnell Vaya, Indra, die Drachen und Agashs Familie in der Unterkunft ab, welche an einem Waldrand lag, dann ging es direkt weiter zu Angel. Iblis blieb ebenfalls bei ihnen. Zum einen weil jemand die Drachen im Zaum halten musste, zum anderen weil sonst Gefahr bestand, dass das Haus in die Luft flog. Keine der Frauen wusste auch nur ansatzweise wie man technische Geräte bediente und sicher war sicher. Astaroth und Azazel wollten ebenfalls bleiben, doch wurden mitgeschliffen. Der Nephilim fand dies etwas harsch, immerhin war der Geisterkönig noch immer nicht ganz auf der Höhe. Nicht mal fünf Minuten später trafen sie sich bereits mit Angel und einigen weiteren Exorzisten. Rin hatte keinen blassen Schimmer, wer die anderen waren. Wahrscheinlich hochrangige Mitglieder des Ordens und Zweigstellenleiter. Sie alle starrten die Dämonenkönige argwöhnisch an, doch diese ließen sich nicht davon beeindrucken. „Also nur um es zusammenzufassen.”, knurrte Angel. „Ihr konntet zwar in den Palast einbrechen, aber Satan war nicht dort. Stattdessen habt ihr irgendwelche anderen Dämonen befreit und einige von ihnen inklusive mehrerer Drachen mit nach Assiah gebracht. Das war nicht unsere Abmachung!” Die Dämonenkönige verdrehten die Augen. „Wir haben keinerlei Abmachungen getroffen.”, sagte Lucifer, bemüht ruhig zu bleiben. „Ja, wir sind ursprünglich gegangen, um Vater zu retten, aber er war nun mal nicht da. Liliths Palast zu finden ist ein Ding der Unmöglichkeit und auf gut Glück in die äußeren Gebiete zu gehen, würde nur ein Haufen Tote zur Folge haben. Also haben wir die Gelegenheit genutzt, um unsere Stellvertreter und Iblis' Drachen zu retten.”
 

„Und der Rest?”
 

„Wie gesagt ist eine die Schwester der rechten Hand Azazels, dann noch die Familie von Astaroths rechter Hand und eine...Bekannte unseres Vaters. Sie ist eine Seherin und hat eine Menge Kontakte in der Unterwelt Gehennas.”
 

„Was ist eine Seherin?”, fragte eine Exorzistin.
 

„Ein Dämon mit der Fähigkeit in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu schauen.”
 

„Ich dachte, Samael wäre König der Zeit.”, hakte Angel nach. Mephisto schien genervt, doch antwortete. „Das ist wahr. Ich bin ebenfalls ein Seher, doch das bedeutet nicht, dass mein Gefolge davon ausgeschlossen ist. Die Fähigkeit ist meist genetisch bedingt. Vater ist ebenfalls ein Seher sowie manche Hexen und Hexer in meinen Diensten.”
 

„Trotzdem hat die ganze Aktion nichts gebracht außer Zeit zu verschwenden.”, grummelte einer der Exorzisten.
 

„Wir haben die Hexenzirkel auf unserer Seite und die anderen ziehen die Widerstandsgruppen zusammen, also hör auf zu flennen oder wir schicken dich mal rüber, dann kannst du es ja besser machen. Wenn sich hier jemand beschweren sollte, sind wir es.”, fauchte Astaroth sichtlich genervt. Der Exorzist schien etwas antworten zu wollen, doch überlegte es sich klugerweise anders.
 

„Hat sich der Vatikan nochmal gemeldet?”, wechselte Shura schnell das Thema. Angel schüttelte düster den Kopf. „Nein, sie schweigen beharrlich, haben mich meines Amtes enthoben und vorgeladen. Natürlich habe ich sie ignoriert. Inzwischen machen einige weitere Zweigstellen mit, aber viele sind noch unschlüssig oder stehen hinter den Grigori.”
 

„Tja, nach allem was wir wissen kann es gut sein, dass Lilith heute noch angreift. Wenn sie dann nicht zur Vernunft kommen, könnte es eng werden.”, gab Egyn zu bedenken. „Allerdings vermute ich, dass sie auf jeden Fall mit nach Assiah kommen wird, um den Angriff anzuführen. Mit etwas Glück schleift sie Vater mit. Sie wird niemanden sonst anvertrauen ihn zu bewachen.”
 

„Sicher, dass sie ihn nicht längst getötet hat? Er ist eine große Gefahr und wird wohl kaum zurück zu ihr gehen. Man kann niemanden zwingen einen zu lieben...”, überlegte eine weitere Exorzistin. „Ja, aber man kann sie einsperren und warten, dass das Stockholmsyndrom einsetzt.”, antwortete der Wasserkönig dumpf. „Und ja, sie wird ihn nicht umbringen. Vielleicht mentale Folter und versuchen seinen Willen zu brechen, aber nicht töten.”, seufzte Samael. „Weil das ja auch so viel besser ist.”, flüsterte Rin.  „Abgesehen davon würde Gehenna und damit auch Assiah sterben, wenn er stirbt. Falls er das überhaupt kann.”, erinnerte Egyn.
 

„Also sitzen wir jetzt einfach herum, warten, dass sie eingreift und hoffen, dass sie Satan mitnimmt?”, fragte Angel etwas ungläubig, woraufhin Amaimon zustimmend brummte. „Falls das nicht der Fall sein sollte, dann versuchen wir einen von Liliths Anhängern gefangen zu nehmen. Die meisten wissen wo ihr Palast ist.”, entschied Lucifer. Astaroth verdrehte die Augen. „Oh ja, es hat ja schon super damals mit Aym und Stihi geklappt. Sogar bei Vater und Alastor haben die nicht kapituliert.” Lucifer schüttelte den Kopf. „Mag sein, aber nicht all ihre Anhänger sind so fanatisch. Manche helfen ihr nur für persönliche Vorteile.” Während sie weiter diskutierten, ließ Rin seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Es war nichts besonderes, ein normaler Konferenzraum. Doch dann kam erneut diese Kälte, welche er schon vorhin in Gehenna gespürt hatte. Auf der anderen Seite des Zimmers saß ein Mann in Exorzistenuniform auf einem Stuhl. Er war gerade eben eindeutig noch nicht dort gewesen. Rin keuchte leise auf, als ihm eine riesige blutende Wunde in der Magengegend auffiel. Er war zwar weder Heiler noch Arzt, aber sich ziemlich sicher, dass ein Mensch eine derartige Wunde nicht überleben würde. „Hey, Okumura! Alles klar?”, riss in Bons Stimme aus seinem Schock. Er zuckte zusammen und sah ihn an. Alle starrten ihn an. Hatten sie sein Keuchen gehört? „...Ja, alles in Ordnung. Ich war in Gedanken.”
 

Seine Geschwister wechselten Blicke. Offensichtlich glaubten sie ihm nicht. Dasselbe galt für Shura und die Adepten. Jedoch hatte der Nephilim keine wirkliche Lust allen zu erzählen, dass er plötzlich seltsame Gestalten sah. Er würde es nachher in Ruhe seinen Brüder erzählen, aber die Exorzisten mussten es ganz sicher nicht wissen. Unauffällig sah er zu dem Mann hinüber nur um festzustellen, dass er nicht mehr da war. Natürlich nicht. Er war heilfroh, als das Treffen endlich vorbei war. Er verabschiedete von Shura, Yukio und seinen Freunden und konnte endlich zurück zur Unterkunft. Kaum öffneten sie die Tür, da kamen ihnen auch schon die Drachen entgegen gestürmt, dicht gefolgt von Iblis. „Nein, runter! Weg von der Tür! Hinsetzen!” Glücklicherweise hörten die fünf diesmal auf ihn. „Na ein Glück kommt hier kein Postbote vorbei.”, murmelte Astaroth, während Azazel wieder nach oben ging, um sich hinzulegen. „Hallo Iblis. Ist alles gut gegangen? Wo sind die anderen?”, erkundigte sich Lucifer. Der Feuerkönig zuckte mit den Schultern. „Joar, hätte schlimmer sein können. Vaya war ganz hin und weg vom Kühlschrank und vom Fernseher. Ich hab den Kleinen irgendwelche Kinderfilme angemacht, was echt ein Fehler war. Jetzt singen sie in Dauerschleife irgendwelche Disney und My little Pony Lieder. Vaya schaut mit, aber singt immerhin nicht. Sie versteht ja glücklicherweise kein Englisch. Meinen Drachen scheint's auch zu gefallen. Agash kümmert sich um Forcas und Indra ist auf ihr Zimmer geflüchtet nachdem die ersten Lieder los gingen. Kann ihr da keinen Vorwurf machen.” Astaroth schnaubte. „Kann ich nur zu gut verstehen. Ich hatte manchmal schon Ohrwürmer wegen ihnen.”
 

„Wie kommt es überhaupt, dass sie Englisch können?”, fragte Rin verwundert. „Agash übt immer mit ihnen und solche Filme erleichtern es nochmal.”, erklärte der Verwesungskönig. „Aber egal jetzt. Was war vorhin wirklich los?”
 

„Setzen wir uns erst mal, dann kann Rin alles erzählen.”, schlug Egyn vor. Alle nickten und gingen ins Wohnzimmer, wo die Kinder und Vaya wie die Orgelpfeifen auf dem Sofa saßen und "Der Glöckner von Notre Dame" schauten.
 

„Rin...”, erklang ein klägliches Maunzen. Der Grund war schnell gefunden. Auf der Gardinenstange hockte Kuro, unter ihm saßen die Drachen und schauten zu ihm hinauf. Offenbar hatte Iblis ihn also bereits her geholt. „Ich glaube, sie wollen mich fressen. Sag Lord Iblis bitte, dass er sie wegnehmen soll!”, jammerte der Kater halb schluchzend. Der Nephilim musste ein Lachen unterdrücken. Er wusste bereits, dass die fünf nur neugierig waren und ihn deshalb belagerten. Allerdings war er ja nicht herzlos, also wandte er sich an Iblis. „Könntest du die fünf bitte dort bitte wegpfeifen?” Der Feuerkönig sah auf. „Ach komm, sie und der Flohsack sind doch grad dabei Freunde zu werden.”
 

„Iblis...”, mischte sich Lucifer warnend ein. Der Angesprochene seufzte. „Na gut.”
 

Endlich ließen die Drachen auf Befehl des Feuerdämonen von Kuro ab und gesellten sich zu Vaya und den Kindern, wo sie gespannt den Film mitschauten. Agash hatte Forcas auf dem Arm und behielt Jestan im Auge, welcher wieder auf dem Boden umher krabbelte. Sie sah auf, als alle saßen. „Gibt es etwas neues?” Lucifer schüttelte den Kopf und wandte sich an Rin. „Also was war das vorhin? Du sahst ziemlich verstört aus.” Der Nephilim rutschte unruhig auf seinem Platz umher. Jetzt oder nie. Er erzählte von der Sirene in Gehenna und dem Exorzisten, dass beide scheinbar verletzt waren und dann sofort verschwanden. Als er fertig war, sahen sich die Dämonen alarmiert an. Das konnte kein gutes Zeichen sein. „Was ist los?”, fragte er nervös. „Na ja...”, begann Iblis, doch wurde von Vaya unterbrochen, welche sich anscheinend vom Film los reißen konnte. „Du hast Geister gesehen.”, sagte sie gerade heraus. Er starrte sie an. „Du machst Witze.”
 

Sie schüttelte den Kopf. „Ich arbeite zwar nicht beim Totengericht, aber Geister erkenne ich überall. Entweder es waren Personen, die noch nicht weiter können oder sie sind aus Devachan entkommen. Immerhin wird die Grenze immer instabiler, also wäre es keine Überraschung.”
 

„Aber warum hat Azazel vorhin nicht auf diesen Mann reagiert? Und warum sollte ich plötzlich Tote sehen sollen?!”
 

„Azazel ist es gewohnt Tote zu sehen. Und diese verlorenen Seelen fühlen sich von ihm angezogen.”, sprang Lucifer ein. „Wahrscheinlich lässt es ihn inzwischen ziemlich kalt, sodass er kaum noch darauf achtet. Oder er hat es satt seltsame Blicke zu bekommen, weil er scheinbar mit der Luft redet. Warum du plötzlich Geister sehen kannst, ist eigentlich klar. Deine Kräfte nehmen zu und wie wir ja bereits festgestellt haben, hast du schon mal das Seher-Talent von Vater geerbt. Es würde mich nicht wundern, wenn du von uns allen Fähigkeiten besitzt.” Stimmt, da war was gewesen. Rin seufzte entnervt. „Ich will aber keine Toten sehen!” Die beiden bisher waren ja noch ganz ansehnlich gewesen, aber was wenn er mal jemanden sah, der ertrunken war oder dem der Schädel gespalten worden war? Nein, danke. Zu seiner Enttäuschung schüttelte Vaya den Kopf. „Das kann man leider nicht beeinflussen. Du wirst sie immer sehen und hören können.”
 

„Bestimmt kann Azazel dir irgendwie helfen damit klar zu kommen.”, fügte Egyn aufmunternd hinzu. Rin nickte nur. An Tagen wie diesen wünschte er sich fast, dass er einfach das Stift des Alten übernommen hätte und fertig. Zwar hatte er mit Religion absolut nichts am Hut, aber wenigstens wäre es ein einfaches Leben ohne durchgeknallte Dämonengöttinnen, Geister und nervtötende Paladine geworden. Gut, Ex-Paladine. Sie redeten noch eine Weile darüber, wie wohl ihre Stellvertreter klar kamen und sie vielleicht Liliths Palast finden konnten, dann stand er auf und begann das Abendessen vorzubereiten. Einige seiner Geschwister boten an zu helfen, doch er lehnte ab. Er wollte lieber ein wenig alleine sein. Umso überraschter war er, als sich die Tür öffnete. „Du bist ja wirklich fleißig.”, kommentierte Indras Stimme. „Von den anderen kann keiner kochen und Vaya und Agash würden wahrscheinlich was in die Luft jagen.”, antwortete er ohne sich umzudrehen. Indra summte nur zustimmend. „Wie kommt es eigentlich, dass du kochen kannst?” Rin wurde sofort misstrauisch. „Warum interessiert dich das?”
 

Die Dämonin zuckte mit den Schultern. „Mir ist langweilig. Mit deinen Geschwistern kann ich kaum reden. Und was hast du schon zu verlieren?” Das stimmte wohl. Er zögerte kurz, dann begann er zu erzählen. „Ich weiß nicht, ob du es weißt, aber ich wurde vom ehemaligen Paladin Shiro Fujimoto aufgezogen. Wir haben in einem Stift gelebt, zusammen mit vier weiteren Priestern. Keiner von uns konnte kochen, also haben wir quasi von Tiefkühlessen und Take out gelebt. Ich habe dann später versucht hin und wieder zu kochen und bin irgendwann richtig gut geworden, also hab es immer übernommen.”
 

„Und es hat sie nicht gestört, sich von einem Kind bekochen zu lassen?”
 

„Sie hatten jetzt nicht grad eine große Wahl.”
 

Sie lachte leise. „Wohl wahr. Es war sicher nicht einfach, das alles hinter sich zu lassen.” Der Nephilim sah sie überrascht an. Das hatte er nicht erwartet. „Nein, aber ich schätze, es musste sein.” Er zögerte kurz. „Tut mir leid für das, was mit Nasu passiert ist.”
 

Indra hielt inne. Sie hatte einen Gesichtsausdruck aufgesetzt, denn er nicht deuten konnte. „...Danke, aber du solltest dich nicht entschuldigen. Es war immerhin nicht deine Schuld, sondern meine. Sie war meine einzige Freundin und ich habe es dennoch nicht geschafft ihr zu helfen.” Sie lachte kalt. „Letztendlich zeigt es nur, dass man alleine am besten dran ist. Es ist gut, dass sie weg ist. Dann kann ich mich wieder ganz auf mich konzentrieren.”
 

Rin schwieg. Es war mehr als offensichtlich, dass sie die letzten beiden Sätze nicht ernst gemeint hatte. Wahrscheinlich wusste sie nicht wirklich wie sie mit der Trauer umgehen sollte, also redete sie sich ein, dass es ihr egal war. Allerdings kannte er sie kaum, also beschloss er, es vorerst nicht anzusprechen. „Stimmt es, was Alastor gesagt hat? Hast du dich nur mit Vater eingelassen, weil du Liliths eins auswischen wolltest?” fragte er plötzlich. Er wusste nicht, wo dieser Gedanke herkam, aber er wollte es wissen. Indra zuckte zusammen und wich seinem Blick aus. Für einige Sekunden war es still, dann seufzte sie. „Ich gestehe, dass es ein Grund war. Lilith war meine beste Freundin, ich habe ihr vertraut und sie auch unterstützt nachdem Satan sie rausgeworfen. Sie war für mich wie eine Schwester bis sie mich sehr...verletzt hat. Ich habe mich dazu entschlossen es ihr heimzuzahlen und was wäre da besser als mit dem Mann, den sie liebt, anzubändeln? War es verwerflich? Auf jeden Fall, aber es war mir egal. Ich wollte, dass es weh tut. So gesehen war es mehr als voreilig, immerhin wusste ich von ihrer...obsessiver Natur. Ehrlich gesagt, bin ich nicht mehr sicher, was sich damals genau in mir abgespielt hat. Es ist ohnehin irrelevant. So oder so verlief es nicht wie geplant. Aus einer gemeinsamen Nacht wurden immer mehr und wir begannen normal Zeit miteinander zu verbringen. Ich hatte den Männern längst abgeschworen, also redete ich mir ein, dass es bedeutungslos war. Dann war ich plötzlich schwanger und ich...ich bin in Panik verfallen. Ja, Samael abzuschieben war sicher nicht die eleganteste Lösung, aber effektiv. Er hatte eine Familie, ich musste nicht den Zorn meiner ertragen, alle profitierten davon.” Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin wirklich vom Thema abgekommen. Um deine Frage nun zu beantworten: Ja, ursprünglich wollte ich Lilith eine Lektion erteilen. Im Nachhinein habe ich mich wohl wie ein bockiges Kind verhalten. Allerdings ist mir dein Vater nicht egal. Ich mag ihn sehr und will nicht, dass er nochmal unter dieser rothaarigen Furie leiden muss. Hasse mich wenn du willst, es spielt keine Rolle. Über uns allen schwebt ein Damoklesschwert, wir können uns Zankereien nicht leisten.”
 

Rin sagte nichts und ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen. Gut, er fand es nicht gut, dass sie seinen Vater ausgenutzt hatte, um es Lilith heimzuzahlen, aber immerhin hatte sie die Wahrheit gesagt und sorgte sich wirklich um ihn. Außerdem hatte er nun den Eindruck, dass Lucifer recht hat. Indra war nicht so desinteressiert wie man im ersten Moment glaubte. Wahrscheinlich hing sie wirklich mehr an Samael als sie zugeben wollte. Wer weiß, vielleicht schafften es die beiden sich irgendwie auszusprechen, wenn alles vorbei war. „Danke. Dass du ehrlich warst, meine ich.”
 

Sie lächelte und zum ersten Mal seit er sie kannte, wirkte es aufrichtig. „Du bist wirklich zu gutmütig für diese Welt, oder? Du hast es nicht verdient in diese ganze Sache reingezogen zu werden.” Er blinzelte verwirrt. Wie bitte? Mehr sagte sie allerdings nicht. „Dann will ich mal nicht weiter stören.” Sie wandte sich um, doch bleib nochmal im Türrahmen stehen. „Eine Sache noch. Ich weiß, du hast keinen Grund mir zu glauben, aber...pass auf, wenn du in Azazels Nähe bist. Irgendetwas an ihm fühlt sich...falsch an.” Bevor der Nephilim etwas sagen konnte, war sie bereits verschwunden.
 

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Der Abend und der folgende Tag gingen recht schnell vorbei. Die drei Frauen bekamen neue Klamotten ebenso wie die Kinder. Indra war zunächst etwas verwirrt, weil sie noch nie eine Jeans getragen hatte, doch beschwerte sich immerhin nicht. Das Abendessen verlief recht ereignislos. Sie alle aßen ihre Portionen und unterhielten sich mit Rücksicht auf Vaya, Agash und den Kindern auf Gehennisch. Rin störte es nicht wirklich, denn er hatte inzwischen schon öfter mit seinen Geschwistern auf Gehennisch statt Japanisch geredet und so seine Fähigkeiten ausgebaut. Er hatte immer noch einiges zu lernen, aber wurde besser. Die Kinder berichteten stolz, dass sie ein paar neue englische Worte gelernt hatte, während sich Vaya freute, dass sie herausgefunden hatte wie man eine Fernbedienung und die Mikrowelle benutzte. Sie war schon manchmal niedlich. Indra und Azazel schwiegen zum großen Teil. Hin und wieder schienen sich die beiden giftige Blicke zuzuwerfen, aber keiner achtete darauf. Rin musste erneut an ihre Worte von gestern denken. „Eine Sache noch. Ich weiß, du hast keinen Grund mir zu glauben, aber...pass auf, wenn du in Azazels Nähe bist. Irgendetwas an ihm fühlt sich...falsch an.”
 

Was meinte sie? Seine Geschwister hatten offensichtlich nichts gemerkt und er hatte bereits bewiesen, dass er es war. Wo war das Problem? Anscheinend schien auch Samael etwas zu bemerken, denn er warf seiner Mutter immer wieder seltsame Blicke zu. Wahrscheinlich fragt er sich ebenfalls, was sie gegen Azazel hatte. Nachdem sie den Tisch abgeräumt hatten, schickte Agash die Kinder zum Zähne putzen und dann ins Bett, auch wenn diese lautstark protestierten. Sie waren erst ruhig, als sie versprach ihnen eine Geschichte vorzulesen. Die Dämonenkönige hatten einige Nachrichten von ihren Stellvertretern bekommen und werteten sie gemeinsam aus, doch Rin war nicht wirklich in Stimmung sich zu beteiligen. Er könnte ohnehin nicht viel beitragen. Stattdessen setzte er sich ins Wohnzimmer und schaute Fernsehen. Indra trieb derweil der Geier weiß was. Leider fand er nichts interessantes und beschloss etwas nach draußen zu gehen. Der Bannkreis war mehrere Meter vom Haus entfernt, also konnte er sich zumindest etwas die Beine vertreten. Er ging zurück in die Küche, um Bescheid zu geben. Seine Geschwister waren zunächst nicht begeistert, doch nachdem er versprach innerhalb der Barriere zu bleiben, sie notfalls anzurufen und zurück ins Haus zu kommen, wenn etwas nicht stimmte, ließen sie ihn widerwillig gehen. Es war bereits dunkel, doch dies störte ihn nicht weiter. Er schlenderte ein wenig umher bevor er sich am Fuße einer großen Tanne setzte. Fast rechnete der Nephilim mit einem Angriff, doch nur das Rauschen des Windes war zu hören. Er war gerade dabei die Augen zu schließen, als ihn erneut diese Kälte überkam. Mit einem unruhigen Gefühl öffnete er die Augen und stand auf. Vor ihm stand eine Frau mit kurzen, schwarzen Haaren und weißer Haut. Ihre Augen waren kalt und leblos, das Make-up verschmiert, ihr weißes Tanktop und ihre kurze Hose waren zerrissen und verdreckt. Sie hatte mehrere blaue Flecken und Schnitte, allerdings konnte er keine tödlichen Wunden entdecken. Ihr Gesicht kam ihm seltsam bekannt vor, dann fiel ihm ein, dass er sie in den Nachrichten gesehen hatte. Sie war im letzten Jahr auf dem Nachhauseweg von einer Party verschwunden und wurde überall gesucht. Angestrengt überlegte er, was er tun sollte. Bisher war er noch nie angegriffen worden, wie sollte er sich also verhalten? Er erinnerte sich aus manchen Filmen, dass man nicht mit Geistern reden darf, da man sie sonst einlud. Andererseits war sie ohnehin bereits innerhalb der Barriere und dann war sie doch sicher nichts böses, oder? Er hätte vorhin wirklich Azazel dazu befragen sollen, aber der hatte sich ja erst zum Abendessen blicken lassen. „Vertraue ihr nicht.”, ertönte plötzlich eine Stimme. Er kannte sie nicht, jedoch war sie weiblich und hallte wieder. War es dieser Geist? Ihr Mund bewegte sich nicht, doch er war sich sicher, dass sie mit ihm sprach.
 

„Was?”, fragte er verwirrt.
 

„Du bist in Gefahr. Du darfst ihr nicht vertrauen. Lauf weg. Lauf weg!” Erschrocken stolperte er zurück und griff Kurikara. Wenn er sich recht erinnerte, konnten seine Flammen Geister vernichten. Das hatte zumindest Azazel erwähnt.
 

„Bitte, du musst gehen!”, flehte die Stimme nun verzweifelt. Bevor er jedoch zurück zum Haus rennen konnte, hörte er Schritte. Er warf einen weiteren Blick zu dem Geist, nur um festzustellen, dass sie weg war. „Rin, ist alles klar?”
 

Er entspannt sich. Es war Azazel. „Ja. Nein...also eigentlich ja. Ich wurde von einem Geist angesprochen.” Der Geisterkönig hob eine Augenbraue. „Erzähle mir alles.” Das tat er. Azazel hörte stirnrunzelnd zu, dann nickte er seufzend. „Ja, das ist nicht ungewöhnlich. Solche unruhigen Seelen wandeln oft umher ohne zu begreifen, dass sie schon tot sind. Sie durchleben dabei oft ihre letzten Stunden als sie noch am Leben waren. Wahrscheinlich ist sie im Wald auf jemanden getroffen und wollte diesen vor ihrer zukünftigen Mörderin warnen. Eine andere Möglichkeit ist, dass ihren Tod teilweise realisiert hat, glaubt ihre Mörderin wäre noch hier und dich deswegen vor ihr warnen wollte. Genau kann ich es erst sagen, wenn ich sie sehe.”
 

„Aber sie ist abgehauen.”
 

„Wer weiß. Sie wird ihre Gründe gehabt haben.” Sie setzten sich wieder hin und er bot dem Nephilim eine Flasche Schorle an, welche er entgegen nahm und einen großen Schluck trank. Es hatte einen seltsam süßlichen Geschmack, aber da er die Marke nicht kannte, dachte er nicht darüber nach. Er bot sie auch Azazel an, doch dieser schüttelte den Kopf. „Danke, ich habe meins bei.” Er zog eine Büchse Bier hervor, öffnete sie und nahm einen Hieb.
 

„Also, was sagen die anderen?”, erkundigte sich Rin. Der Geisterkönig zuckte mit den Schultern. „Es gibt nicht viel zu erzählen. Sie konnten ein paar Truppen rekrutieren und machen immer weiter. Wir haben nochmal ein paar Strategien besprochen, mehr gibt es nicht zu bereden. Ich dachte mir, dass ich mal nach dir sehe und hier bin ich.” Der Nephilim nickte und nahm einen weiteren Hieb aus der Flasche. „Was ist?”, fragte er, als Azazel ihn anstarrte. Dieser zuckte mit den Schultern. „War nur in Gedanken.”
 

„Ok...”, der Halbdämon beschloss das Thema zu wechseln. „Warum kannst du eigentlich Indra nicht leiden?”
 

„Bist du ihr mal begegnet? Man kann ihr nicht vertrauen. Sie ist abgehauen, während Aulak ihrer kleinen Freundin das Genick gebrochen hat. Auf sowas willst du dich verlassen? Abgesehen davon hat sie ihren eigenen Sohn abgeschoben.”
 

„Sie schien wirklich traurig wegen Nasus Tod zu sein und sie scheint auch zu bereuen, was sie mit Samael gemacht hat. Vielleicht ist sie wirklich nicht so schlecht.”, gab Rin zu bedenken. Azazel schnaubte. „Als ob. Wir hatten bisher schon riesen Glück gehabt. Die Aveira hätten euch in Liliths Palast ziemlich schnell besiegen können, wenn auch Avaritia und Luxuria da gewesen wären.”
 

Rin zuckte mit den Schultern. „Na ja, wir-” Er stockte. „Moment mal...woher weißt du das?!”
 

Azazel sah ihn überrascht an. „Was meinst du?”
 

„Dass Avaritia und Luxuria nicht dabei waren. Und dass Aulak Nasu das Genick gebrochen hat.”
 

Der Geisterkönig verdrehte die Augen. „Ihr habt es mir erzählt.”
 

Doch der Nephilim schüttelte mit den Kopf, stand langsam auf und machte einige Schritte zurück. Er war seltsam wacklig auf den Beinen, aber bemerkte es kaum. „Nein, das stimmt nicht. Wir haben gesagt, dass wir von den Aveira angegriffen wurden, aber wir haben nie gesagt, dass Avaritia und Luxuria gefehlt haben. Als Indra von Nasu erzählt hat, warst du bewusstlos. Wir haben dir später nur gesagt, dass Aulak sie umgebracht hat, aber nicht wie!”
 

Stille herrschte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er zuckte zusammen, als Azazel antwortete. „...Ach, wirklich? Mein Fehler.” Seine Stimme klang erschreckend emotionslos. Dann begann er plötzlich leise zu lachen. Es wurde schnell lauter und er stand auf. „Du bist cleverer als ich dachte, du halbblütige Ratte.”
 

Bevor Rin die Chance hatte sein Schwert zu ziehen oder wegzulaufen, wurde er mit übermenschlicher Stärke gegen den Stamm der Tanne geworfen. Er ächzte laut, als die Luft aus ihm gepresst wurde und sein Rücken bedrohlich knackte. „Scheinbar habe ich dich tatsächlich unterschätzt. Solchen Idioten wie Iblis, Astaroth oder Amaimon wäre es wahrscheinlich nicht aufgefallen.”, kommentierte der Schwarzhaarige fast schon gelangweilt. Rin sah ihn mit entgeistert an. „Was zur Hölle soll das?!”, fauchte er verwirrt. Jetzt verstand er ganz nichts mehr. Was war hier los?! Azazel verdrehte die Augen. „Du bemerkst meinen Ausrutscher, aber bist zu dumm zum denken. Kommst du nicht langsam mal drauf? Ich bin der Verräter. Ich war es, der die Barrieren manipuliert hat. Die ganze Zeit über habe ich Lilith gedient, ohne dass es irgendjemand mitbekommen hat. Offensichtlich sind Luci und Sammy bei weitem nicht so clever wie sie denken.”
 

„Verarsch mit nicht!”, presste Rin hervor. Das musste einfach ein schlechter Witz sein. Azazel war der Verräter?! Das konnte nicht wahr sein! Ein Schauer überkam ihn, als er das manische Grinsen des älteren Dämonen sah. „Aw, du verstehst es nicht? Na ja, du warst schon immer langsam.” Der Nephilim wollte aufstehen, doch der Schwarzhaarige trat ihm hart in die Rippen, sodass er erneut zusammensackte. Dann griff er ihn ohne Vorwarnung an den Haaren und zog ihn hoch. „Ehrlich gesagt warte ich schon verdammt lange auf diesen Moment. Wenn du wüsstest, wie oft ich dir den Hals umdrehen wollte...und unseren Brüdern ging es wohl nicht anders.”
 

Angst wich der Wut. „Was-?!” Er unterdrückte ein Fluchen, als Azazel noch fester zog. „Ach, komm. Jetzt erzähl mir nicht, dass du erwartest hast, dass wir dich einfach so akzeptieren. Du hättest nie geboren werden sollen. Vater hatte so viele Frauen und versprochen, dass er keine weitere nehmen würde, aber dann kam deine bescheuerte Mutter vorbei, hat ihm schöne Augen gemacht und Tada, wir hatten dich am Hals. Die Exorzisten hatten nur einen Job, nämlich sie auf dem verdammten Scheiterhaufen zu verbrennen und haben's vergeigt. Und als ob die Beleidigung nicht ausreichen würde, bekommt auch noch eine Promenadenmischung wie du die Flammen. Der Thron wäre wahrscheinlich an Lucifer, Samael, Iblis oder mich gegangen, aber nein. Du musstest ja unbedingt alles ruinieren, obwohl du nicht mal ein vollwertiger Dämon bist, sondern irgendein Unfall! Hätte Fujimoto seinen beschissenen Job richtig erledigt, hätten wir ein Problem weniger, aber natürlich nicht! Dieser dämliche Trottel musste ja unbedingt seine weiche Seite entdecken. Als ob Dämonen und Menschen wirklich zusammen leben könnten. Wir stehen weit über ihnen, Sterbliche sind einfach nur Dreck. Andererseits sollte man wohl nicht zu viel von den Menschen erwarten.”
 

Im Gehirn des Halbdämonen ratterte es. Azazels Worte taten weh, aber irgendwas stimmte hier nicht. Er hatte das Gefühl, dass mehr dahinter steckte. „Warum würdest du das tun?”, presste er hervor. „Warum solltest du für Lilith arbeiten?” Der ältere schnaubte. „Vaters Zeit ist abgelaufen. Er ist längst nich mehr dazu in der Lage zu herrschen und ich habe genug davon immer in den Hintergrund gedrängt zu werden. Jetzt kommt meine Gelegenheit und die werde ich nicht verstreichen lassen. Gehenna würde wenn es weiter so läuft nur zugrunde gehen und wenn die anderen nicht eingreifen, dann ich eben!”
 

Rin biss sich auf die Lippe und sein Blick wanderte zu Kurikara. Irgendwie musste er da doch ran kommen können. Dummerweise hatte Azazel einen sehr festen Griff, also versuchte er seine anderen Geschwister oder eine der Dämoninnen telepathisch zu erreichen. Erfolglos. Er wollte seine Flammen zu beschwören, doch auch dies gelang ihm nicht. Er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Die Umgebung begann immer mehr zu verschwimmen, sein Körper fühlte sich taub und schwach an. „W-Was hast...du...getan?”, brachte er mit großer Mühe hervor. Erneut lachte Azazel. „Nur was in deine Flasche gemischt. Dachte, das wäre die einfachste Methode.” Endlich ließ er seine Haare los und der jüngere fiel zu Boden. Dieser musste alles geben, um bei Bewusstsein zu bleiben. Azazel hob sein Schwert auf. „Weißt du....ich habe mich schon immer gefragt, was passiert, wenn das hier zerbricht. Dein Dämonenherz ist darin eingeschlossen, also wird es wohl entweder freigesetzt oder du stirbst direkt. Andererseits würde mich Lilith häuten, wenn du hier drauf gehst, also probiere ich es wohl lieber ein anderes Mal aus.”
 

Rin konnte nicht mehr antworten. Was auch immer ihm untergejubelt worden war, machte ihm sehr zu schaffen. Der Geisterkönig seufzte. „Das dauert mir zu lange.” Ohne zu zögern, trat er dem jüngeren ins Gesicht, sodass dieser nun endgültig das Bewusstsein verlor.

Konflikte

Indra saß in dem Zimmer, welches sie sich mit Vaya teilte und suchte ein Buch, um den Abend zu vertreiben. Dummerweise hatte sie nur wenige auf Gehennisch gefunden, Japanisch konnte sie nicht lesen, also blieben nur Englisch, Spanisch und Deutsch. Nach einigem Überlegen hatte sie sich für das spanische Buch entschieden, immerhin sprach sie Latein fließend. Spanisch sollte als eine weitere romanische Sprache daher kein großes Problem darstellen. „La casa de los espiritus...Das Haus der Geister? Na ja, besser als nichts.”, murmelte sie und begann zu lesen. Es gefiel ihr sogar ganz gut, jedoch fiel es ihr schwer sich zu konzentrieren. Seufzend legte sie ein Lesezeichen in das Buch, schloss es und legte es auf ihren Nachttisch. Dann stand sie auf und verließ leise das Zimmer , sodass sie die Kinder, welche nebenan schliefen, nicht weckte. Als die Dämonin jedoch an einem weiteren Zimmer vorbei kam, hielt sie inne. Seltsames rotes Licht drang daraus hervor. Wenn sie sich nicht täuschte, war es das Schlafzimmer von Rin, Amaimon und Beelzebub. Für einen Moment zögerte Indra, dann stieß sie die Tür komplett auf. Das rote Leuchten kam aus einer Tasche. Sie beugte sich darüber und erbleichte, als sie erkannte, was es war. ‚Gar nicht gut.‘ Ohne groß zu zögern, schnappte sie sich die Glaskugel und rannte nach unten (Jeans waren wirklich praktisch, in einem Kleid könnte sie nie so rennen!). Sie riss die Küchentür auf und stürmte in das Esszimmer, wo die Baal überrascht aufsahen. Alle waren anwesend, bis auf Rin und Azazel. ‚Oh, nicht doch.‘
 

„Indra, was ist-”, begann Egyn, doch die Zeitdämonin unterbrach ihn unwirsch. „Wo ist Rin?!”
 

„Draußen mit Azazel. Warum-”, Lucifer hielt inne. Ihm war der Gegenstand in Indras Hand aufgefallen, ebenso wie dem Rest. „...Scheiße.”, war alles, was der Lichtkönig sagte, dann sprintete er an Indra vorbei nach draußen, der Rest folgte. Vaya, Agash und Indra blieben etwas zurück. Mergi, Lilu und Vritra kamen derweil sichtlich verschlafen die Treppe runter getappelt, anscheinend hatten sie Indra gehört und waren davon aufgewacht. „Mama, was ist denn los?”, murmelte Vritra. „Geht bitte wieder nach oben.”, antwortete diese nervös. In diesem Moment kamen die Baal zurück. „Er ist weg!”, fauchte Iblis. „Und von Azazel fehlt auch jede Spur!”
 

„Seid ihr sicher? Haben sie vielleicht einfach nur den Bannkreis verlassen und sind dort auf Ärger gestoßen?”, fragte Vaya beunruhigt. Lucifer schüttelte düster den Kopf. „Azazel würde den Kreis nie verlassen und ich bezweifle, dass Rin abgehauen ist. Er weiß, was auf dem Spiel steht.”
 

Egyn raufte sich die Haare. „Aber wo sind sie dann?!”, quiekte er am Rande der Hysterie. „Egyn, ganz ruhig-”, versuchte Beelzebub auf ihn einzureden, doch der jüngere Dämonenkönig dachte gar nicht daran. „Azazel und unser Baby-Bruder sind verschwunden! Wie soll ich da ruhig bleiben?! Oh Gehenna, sie könnten verletzt sein oder Liliths Schergen haben sie gefangen! Als ob Vater nicht schon reichen würde! Lucifer, du bist der Verantwortliche, wie konntest du das zulassen?! Wahrscheinlich wird sie ihn damit erpressen und bevor wir uns versehen, sind sie wieder zusammen! Und wenn sie wieder von Rin Besitz ergreift, könnte sie nicht nur ganz Assiah in Schutt und Asche legen, sondern würde ihn damit wahrscheinlich in den Wahnsinn treiben!”
 

„Egyn-”, versuchte Samael ihn zu unterbrechen, doch wurde stattdessen wütend angefunkelt. „Du solltest mal ganz still sein, immerhin ist dieser ganze Schlamassel deine Schuld. Wage es ja nicht, dich dumm stellen!”, fügte er hinzu, als der Zeitkönig den Mund öffnete. „Du und deine bescheuerte Wette oder besser gesagt deine miserable Vorstellung von Unterhaltung haben alles ruiniert! Du hättest ihn einfach nehmen und nach Gehenna bringen sollen, wie Vater es dir befohlen hat. Der Paladin hätte keine Chance gegen dich gehabt, aber Neeeeein! Stattdessen hast du deine vollkommen dämliche Wette mit ihm abgeschlossen, Rins Kräfte versiegelt und ihn für 15 Jahre in Assiah versauern lassen, während wir alle Kontinente auf den Kopf gestellt und ganze Städte niedergebrannt haben, um ihn zu finden!”
 

„Ich habe ihm damit das Leben gerettet.”, warf Mephisto ein, doch der Wasserdämon schnaubte nur. „Diese ganze Aktion wäre nicht nötig gewesen, wenn du ihn direkt nach Hause gebracht hättest! Stattdessen hast du unseren Baby-Bruder bei den Exorzisten in Assiah gelassen, wo er wegen seiner versiegelten Kräfte immer nur Ärger gehabt hatte. Der Paladin hatte doch keine Ahnung, wie man mit einem Nephilim umgeht! Jeder Dämon weiß, dass Dämonenkinder den Schutz und die Führung ihrer Eltern und Geschwister brauchen, weil sie sonst nur für Chaos sorgen oder in Schwierigkeiten geraten! Du hast dir aber nie die Mühe gemacht, dich auch nur ansatzweise um ihn zu kümmern sondern genießt nur das Chaos oder greifst ein, wenn es dir irgendwie nützt! Und als du ihn dann endlich hattest und ihn eigentlich nach Gehenna bringen solltest -schon wieder-, hast du nochmal alles geändert und Vater dazu überredet ihn vorerst in Assiah zu lassen, wo er zum großen Teil nur von Menschen umgeben ist, die ihm schaden wollen oder wie ein Monster behandeln! Wäre er bei uns aufgewachsen, wäre er glücklich gewesen, er hätte seine Fähigkeiten unter Kontrolle und Lilith hätte keine Chance gehabt! Aber Neeeeiiiiin! Sammy musste ja wie immer seinen Kopf durchsetzen! Wegen dir mussten wir in sein Wohnheim einbrechen, haben dabei wahrscheinlich nur Panik bei ihm ausgelöst und mussten ihn anschließend gegen seinen Willen mitnehmen! Du solltest dich schämen! Du bist ein miserabler älterer Bruder und ich schwöre zu Vater, dass wenn Rin oder Azazel irgendetwas passiert, dann werde ich dafür sorgen, dass du den Tag deiner Geburt bereust!”
 

Autsch. Sogar Indra war bei seinen Worten etwas zusammengesackt und das wollte etwas heißen. Zudem fand sie es äußerst beeindruckend, wie selten er hatte Luft holen müssen. Die anderen Dämonenkönige sowie die Kinder, Vaya und Agash sahen Egyn völlig überrumpelt an, während Samaels Auge leicht zuckte. „Bist du dann fertig?”, fragte er mit hochgezogener Augenbraue. „Oh, glaube mir, ich hätte noch so einiges zu sagen, aber wir haben jetzt keine Zeit! Wie finden wir sie?!”
 

Bevor jemand antworten konnte, ertönte ein seltsames Geräusch. Es war Samaels Handy. Was hatte er denn für einen Musikgeschmack?! Er schaute etwas entnervt auf das Display, dann seufzte er und nahm an. „Hallo Shura, was verschafft mir denn die Ehre?”, fragte er in seiner typischen, unbeschwerten Tonlage auch wenn alle wussten, dass dies momentan nur Show war. Lucifer fackelte nicht lange und riss seinem jüngeren Bruder das Telefon aus der Hand. „Tut mir leid, ich bin's. Wir haben ein Problem.”, erzählte er düster. „Rin und Azazel sind verschwunden, wir befürchten gerade das Schlimmste und könnten ein paar extra Leute gebrauchen, die mit uns den Wald absuchen. Mit etwas Glück sind sie noch in der Nähe.” Er hielt kurz inne und hörte zu. „Ja, ja. Ich weiß, das hätte nicht passieren dürfen...Nein, natürlich nicht!...Es ist mir egal, wer kommt und wenn es der Papst ist, Hauptsache sie helfen!...Alles klar, dann bis gleich und danke.” Er legte auf und gab Mephisto das Telefon zurück.
 

„Du hast jetzt nicht wirklich die Exorzisten um Hilfe gebeten.”, kommentiere Astaroth dumpf. Lucifer sah ihn streng an. „Es geht hier um zwei unserer Brüder und wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können.” Zwar murrte der Verwesungskönig vor sich hin, doch sagte nichts weiter. Sie benachrichtigten die Hexenzirkel und versuchten erfolglos Azazel und Rin anzurufen. Währenddessen legte Indra die Glaskugel, welche inzwischen wieder ihren normalen goldenen Schimmer hatte, auf dem Tisch ab. Anschließend wartete sie zusammen mit den restlichen Dämonen auf die Ankunft der Exorzisten.
 

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Iblis stand kurz davor etwas in die Luft zu jagen. Es war schon schlimm genug, dass sie ihren Vater verloren hatten und nun verschwanden auch noch gleich zwei ihrer Brüder?! Und obendrein war einer gerade mal 16! Er fand es immer wieder erstaunlich, wie schnell Menschen wuchsen. Immerhin würde er mit dem erreichen seines unsterblichen Alters endgültig aufhören zu altern. Vorausgesetzt er entschied sich für seine Dämonenhälfte. Die Stimmung war mehr als angespannt, jeder hing seinen Gedanken nach. Amaimon und Beelzebub knabberten auf ihren Fingernägeln herum, Egyn lief auf und ab, während er mit seinen Haaren spielte, Lucifer massierte sich die Schläfen, Astaroth lehnte an einer Wand und wippte mit dem Fuß. Die Kinder weigerten sich zurück ins Bett zu gehen und saßen stumm am Tisch. Endlich klingelte es und er stand auf, um die Tür öffnen. Neben Shura waren zusätzlich Yukio (Mist), die Adepten und ein weiterer Exorzist, welcher sich als Kaoro Tsubaki, vorstellte, gekommen. Interessanterweise schien er ehrlich besorgt, also hatte der Feuerkönig vorerst nichts gegen seine Anwesenheit. Bei Gehenna, und wenn der (inzwischen ehemalige) Paladin selbst vorbei käme, es wäre ihm egal. Er wollte einfach nur seine Geschwister zurück. Er erinnerte sich nur zu gut daran, als im Krieg Amaimon und Astaroth für kurze Zeit in Gefangenschaft geraten waren. Er, seine Geschwister und ihr Vater hatten verständlicherweise auf heißen Kohlen gesessen. Dass die jüngeren Geschwister oder in Satans Fall die eigenen Kinder in Gefahr waren und sie nichts tun konnten, um zu helfen, war wohl ein Albtraum für jeden Dämonen mit Familie.
 

„Was ist passiert?! Wie konntet ihr meinen Bruder verlieren?!”, fauchte Yukio, als er das Esszimmer betrat. „Ach, auf einmal sorgst du dich, oder was?”, knurrte Astaroth. Shura seufzte genervt. „Jungs bitte, nicht nochmal. Mich würde es aber ebenfalls interessieren, was passiert ist.”
 

„Wir wissen es ja selbst nicht!”, entrüstete sich Egyn, während er weiterhin auf und ab lief. „Wir waren hier im Esszimmer, er ist eine Weile raus. Wir haben ihm eingeschärft, dass er innerhalb der Bannkreise bleiben soll. Später ist Azazel nachgegangen, dann kam plötzlich Indra mit dem Ôcrio reingestürmt und er war nirgends aufzufinden.”
 

„Was ist ein O-Okro?”, fragte Shiemi.
 

„Ôcrio, nicht Okro.”, berichtete Beelzebub. Er erklärte schnell, was es war, dann erzählte Indra, wie sie es gefunden hatte. Astaroth und Amaimon hatten sich derweil draußen umgesehen und tatsächlich etwas gefunden. „Eine Bierdose und eine Flasche Schorle? Was soll uns das bringen?”, fragte Suguro genervt. Astaroth verdrehte die Augen. „Die Dose hat Azazel mit nach draußen genommen, ebenso wie die Flasche. Die war für Rin. Allerdings riecht sie seltsam.”
 

Lucifer runzelte die Stirn. „Inwiefern?” Der Verwesungskönig zuckte mit den Schultern. „Seltsam eben. Wirkt fehl am Platz.” Er gab die Flasche weiter und alle Baal bestätigen, dass etwas komisch roch. Weder Shura noch die anderen rochen etwas ungewöhnliches, aber sie hatten auch keine Dämonensinne. „Ach Scheiß drauf.”, murmelte Astaroth und nahm einen Schluck aus der Flasche, was Proteste seitens seiner Geschwister auslöste. „Hast du den Verstand verloren!? Wir wissen nicht, was da drin ist!”, empörte sich Egyn. Der Verwesungskönig spuckte die Flüssigkeit jedoch sofort in die Spüle. „Mandragora.”, knurrte er.
 

„Mandragora?”, fragte Bon verwundert.
 

Ihr kennt es vielleicht als Alraunen. Die hier in Assiah hat aber nichts mit der ursprünglichen in Gehenna zu tun.”, erklärte Egyn. „Je nach Dosis und in Verbindung mit anderen Pflanzen wie zum Beispiel Goldfunken, kann es entweder als Schmerzmittel oder eben als Betäubungs- und Schlafmittel verwendet werden. Typisch ist, dass es ziemlich süß schmeckt.” Er nahm ebenfalls einen Schluck und nickte, während er es ebenfalls ausspuckte. „Ja, das ist Mandragora.”
 

Iblis runzelte die Stirn. „Warum sollte das jemand da rein mischen? Und wer war es?”
 

Stille folgte bis Samael, dass aussprach, was alle befürchteten. „Ich schätze, Azazel ist unser Verräter.”
 

„Wie kannst du das vorschlagen!?”, empörte sich Egyn. „Du beschuldigst gerade einen unserer Brüder des Verrats!”
 

„Darüber bin ich mir vollkommen im Klaren und glaube mir, es gefällt mir genauso wenig.”, antworte der Zeitkönig grimmig. „Allerdings spricht einiges dafür. Nur er hatte die Flasche in der Hand und er ist, von Astaroth abgesehen, der Einzige, der Medikamente einnimmt, um besser einzuschlafen. Es ist sogar das von dir eben beschriebene. Er musste sich also nicht einmal etwas zusammenmischen. Wahrscheinlich hat er zudem absichtlich einen Fehler gemacht, um die Barriere zu zerstören.”
 

„Ich würde es eher dir zutrauen, absichtlich einen Fehler zu machen, um dann das Chaos zu genießen!”, fauchte der Wasserkönig. Iblis sah ihn überrascht an. Das war eine ganz schöne Anschuldigung und dann auch noch aus Egyns Mund. Samael bleckte die Zähne und machte einen bedrohlichen Schritt nach vorne. „Vielleicht solltest du besser überlegen, was du sagst. Ansonsten kann ich dich gerne zurück in die Kreidezeit schicken!”
 

„Versuch's doch!”, forderte der jüngere ihn heraus.
 

„Egyn hat aber nicht ganz Unrecht.”, mischte sich Astaroth ein. „Und das vorhin stimmte auch. Deinetwegen ist die ganze Scheiße ja überhaupt erst den Bach runter gegangen!”
 

„Halte dich da raus, Astaroth! Du verstehst doch ohnehin nur etwas von Prügeleien, Alkohol und One-Night stands! Genau wie Iblis!” Oh, das hatte er jetzt nicht gesagt.
 

„Halte doch einmal deine selbstgefällige Klappe, du arrogantes Arschloch!”, giftete Iblis zurück. „Du schimpfst immer auf deine Mutter, aber bist selbst nicht besser!” Indra zuckte zusammen, doch keiner achtete auf sie. Die Adepten sahen nur mit offenen Mündern zu. Da der Streit inzwischen auf Gehennisch ablief, verstanden sie kein Wort. Die restlichen Baal waren einfach nur überrumpelt. „Genau so sieht's aus!”, pflichtete Astaroth Iblis bei. „Du bist genau wie sie! Alle gehen dir am Arsch vorbei und du denkst nur an dich selbst! Du bist nur sauer, weil du jetzt mal zur Rechenschaft gezogen wirst. Tja, Sorry Euer Hochwohlgeboren. Diesmal halten wir nicht die Klappe!”
 

Samael lachte spöttisch. „Ach wirklich? Wenn ich mich recht erinnere, wart ihr beiden auch schon recht selbstsüchtig. Besonders als Rin dazu kam. Iblis, wolltest du ihm nicht den Hals umdrehen und es dann wie einen Unfall aussehen lassen? Immerhin ist der menschliche Körper so fragil. Und du Astaroth hattest auch nicht gerade nette Worte übrig. Ihr habt nun wirklich nicht das Recht mir etwas vorzuwerfen. Außerdem muss ich mich nicht gegenüber den Söhnen einer Alkoholikerin und einer Ehebrecherin rechtfertigen.”
 

„Das reicht!”, versuchte Lucifer erfolglos einzugreifen. Astaroth trat vor und wollte Samael die Faust ins Gesicht hauen, doch Beelzebub und Amaimon hielten ihn zurück. „Es reicht jetzt!” fauchte der Insektenkönig. Iblis schnaubte nur und sah zu dem Erdkönig. „Typisch, dass du wieder zu Sammy hälst. Warum lässt du dich eigentlich immer von ihm rumschubsen?! Hast du kein Rückgrat?!”
 

„Ich halte nicht zu ihm, aber ihr solltet euch jetzt nicht streiten.”, antwortete dieser monoton. „Sie haben recht. Es ist genug-”, bestätigte Lucifer, doch wurde von Astaroth unterbrochen. „Halte du dich raus! Dieser Mistkerl hat meine Mutter beleidigt!”
 

„Ich verstehe dich ja-”
 

„Nein, tust du nicht, weil deine Mutter gestorben ist, bevor du sie kanntest! Du hast überhaupt keine Ahnung, also tu verdammt nochmal nicht so, als würdest du das begreifen können! Du bist genauso schuld! Hättest du Sammy mal etwas mehr unter Druck gesetzt, hätten wir Rin längst finden können, aber du warst ja mit deinem dämlichen Kult oder was auch immer das ist, beschäftigt!” Der Lichtkönig sah aus, als hätte er eine Ohrfeige bekommen. Bevor er sich erholen konnte, gingen die Streitereien schon weiter. Inzwischen fuhren sich alle Dämonenkönige gegenseitig an. Die Kinder hatten angefangen zu weinen, Agash, Izumo, Shiemi und Shura redeten auf sie ein. Währenddessen gaben Indra und Vaya ihr bestes, um die streitenden Dämonen zu beruhigen, doch es wurde stattdessen immer schlimmer. Iblis wusste selbst nicht, woher diese ganze Wut überhaupt kam, es interessierte ihn momentan auch nicht. Ohne auf den Rest zu achten, drehte er sich um und stürmte aus dem Zimmer, Lucifers Ausruf ignorierend. Er verließ das Haus und knallte wutentbrannt die Tür zu. Sie konnten ihn alle gerade mal so was von kreuzweise!
 

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Azazel öffnete einem leisen Stöhnen die Augen und riss sofort die Arme hoch, als ihn das Sonnenlicht traf. „Sonnen, haut ab!” knurrte er genervt und wollte sich rumdrehen, was sich als schwerer Fehler herausstellte. Sein ganzer Körper schmerzte und als er versuchte sich aufzusetzen und anschließend aufzustehen, knickte er sofort ein. „Was war letzte Nacht nur los?”, murmelte er verwirrt und sah sich etwas desinteressiert in dem Zimmer um. Es war ziemlich karg eingerichtet, aber dies war nur zu erwarten. Immerhin war hier kein Gast. Langsam und vor sich hin fluchend stand er auf. Erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Klamotten blutig waren und er sich ziemlich sicher, dass es seins war. „Mann, ich fühle mich wie zu meiner Abschlussfeier...”, murmelte er. Er hatte damals etwas zu tief ins Glas geschaut und sich am nächsten Tag entsprechend gefühlt Und sich im Laufe des Abends eventuell ein paar Mal übergeben. Er wurde durch das Aufreißen seiner Tür aus seinen Grübeleien gerissen. Genervt verzog der Schwarzhaarige das Gesicht. „Verpiss dich Luxuria und lass mich in Ruhe leiden, ja?!”, fauchte er.
 

„Na, du bist ja wie immer ein richtiger Sonnenschein.”, kam die trockene Antwort. Der Geisterdämon sah die Todsünde giftig an. „Ich hab ja wohl jeden verdammten Grund dazu! Was willst du? Wenn du nur hier bist, um dich lustig zu machen, hau einfach ab und vögle irgendwelche Wächter oder was auch immer du in der deiner Freizeit tust.”
 

„Wow, unhöflich. Ich war nur neugierig. Ich habe gehört, dass du eine weitere...Sitzung mit Verin hattest.”
 

Azazel antwortete nicht sofort sondern schwieg, während langsam die Erinnerungen zurückkamen. Verin war seit er hier angekommen war, sein neuer "bester Freund". Er hatte versucht ihn abzustechen, der Mistkerl hatte ihm dafür die Beine gebrochen. Es war wirklich Hass auf den ersten Blick gewesen. „Verin ist gar nichts.”, spie er abfällig aus. „Im Gegensatz zu Alastor und seinem Malebranche ist er ein Stümper. Ihr solltet euch was besseres einfallen lassen.” Er rieb sich seinen schmerzenden Kopf. „Was ist überhaupt passiert?”
 

„Du weißt es nicht mehr?”
 

„Sonst würde ich nicht fragen, du Genie.”
 

Luxuria rümpfte die Nase. „Nur weil für dich momentan alles schlecht läuft, musst du das nicht an mir auslassen.”
 

„Du bist mit dafür verantwortlich, also halt die Klappe und verschwinde endlich. Ich will dein Gesicht nicht mehr sehen.”
 

„Autsch. Na schön, dann gehe ich eben wieder.” Sie wandte sich um, doch hielt nochmal an der Tür inne. „Mach dich lieber fertig, du hast einiges zu erledigen. Ich würde mich aber vorher umziehen.” Darauf wäre er ja selbst nie gekommen. Endlich verschwand sie. Immerhin hatte sie ihn diesmal nicht angebaggert. Er biss die Zähne zusammen, während er sein Oberteil auszog und sich ein neues nahm. Danach setzt er sich erneut auf das Bett, schloss die Augen und erinnerte sich daran, was letzte Nacht geschehen war.
 

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Azazel stand neben Liliths Thron und ignorierte die bohrenden Blicke der Anwesenden. Er hatte den Blick gesenkt und versuchte möglichst harmlos zu wirken. Nebenbei gab er sich größte Mühe sich alles, was gesagt wurde, zu merken, aber es war nicht einfach. Ihm war bei seiner Ankunft eine Droge verabreicht worden, die seine Kräfte zum Teil blockierte und seinen Verstand benebelte. Es war nicht sein erster Kontakt mit Drogen, aber das waren damals Substanzen, die ihm geholfen hatten für die Prüfungen zu lernen. Lucifer und Samael hatten sie ebenfalls genommen und anfangs lief alles gut. Dann kamen natürlich die Nebenwirkung und obendrein hatte ihr Vater auch noch Wind davon bekommen. Das hatte wirklich Ärger gegeben. Diese hier waren jedoch wesentlich stärker und ließen ihn jetzt schon halb durchdrehen. Lilith ließ sich natürlich nicht davon stören, sie grinste vor sich hin, während sie sich anhörte, was irgendwelche Dämonen zu sagen hatten. Ihr Angriff auf Assiah stand kurz bevor, also liefen die letzten Vorbereitungen. Da sie nun Rin hatte, sah es wirklich übel für die Menschenwelt aus. Nicht, dass ihn die Menschen wirklich kümmerten. Unter anderen Umständen wäre Azazel höchstens angepisst, weil ihm dies mal wieder einen Haufen Papierkram bescheren würde. Andererseits war es ohnehin fraglich, ob er seine Position überhaupt behalten durfte. ‚Immerhin muss ich mich dann nicht um dieses Chaos im Totenreich kümmern.‘, dachte er mit Galgenhumor.
 

Endlich entließ Lilith ihre Leute. Er atmete erleichtert auf. Noch viel länger hätte er nicht hier rumstehen können. Die Dämonengöttin erhob sich ebenfalls, woraufhin er einen Schritt zurück trat. Je weiter er von ihr weg war, umso besser. Für einen Moment hoffte er, dass sie ihn einfach ignorieren würde, aber natürlich war das Wunschdenken. „Du wirkst ziemlich angespannt. Stimmt etwas nicht, Azzy?”, fragte sie mit ihrer widerlichen süßen Stimme. Der Geisterkönig biss die Zähne zusammen. Er hasste es, wenn ihn jemand so nannte. Seine Mutter hatte ihm damals diesen Spitznamen gegeben und seit sie gestorben war, wollte er nicht mehr so angesprochen werden. Erst recht nicht von der Person, die ihren Tod zu verantworten hatte! Offensichtlich missfiel Lilith sein Schweigen, denn ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Schädel. „Ich habe dir eine Frage gestellt, Azazel.”, sagte sie in einer drohenden Tonlage. Was hatte diese Frau bitte für Stimmungsschwankungen?!
 

„Du weißt ganz genau, was los ist!”, knurrte er. Sie hob eine Augenbraue. „Oh?”
 

„Tu nicht so! Unsere Abmachung war eindeutig, du solltest die Pfoten von meinen Geschwistern lassen und jetzt sitzt mein jüngster Bruder in einer beschissenen Zelle!”, fauchte er.
 

„Erstens hat er das dir zu verdanken und zweitens habe ich zugestimmt, dass deine Brüder in Ruhe lasse, solange du den Mund hälst. Allerdings war der Nephilim noch nicht geboren, daher betrifft ihn das natürlich nicht.”, erwiderte sie beinahe gelangweilt und betrachtete ihre Fingernägel. Azazel widerstand dem Drang die Zähne zu blecken. So sehr es ihn anstank, Lilith war ihm momentan weit überlegen. Sie hatte damit begonnen ihn langsam zu umkreisen, was ihn äußert nervös machte, doch er gab sein bestes, um es sich nicht anmerken zu lassen. Wenn er jetzt Schwäche zeigte, würde es nur schlimmer werden. „Ich dachte, du wüsstest, worauf du dich eingelassen hast, aber stattdessen scheinst du dich immer nur zu beschweren. Deine Geschwister sind am Leben, ich bekomme endlich, was mir zusteht. Ich sehe wirklich nicht das Problem.~” Sie stand nun hinter ihm und trat langsam näher. Er widerstand dem Drang sich umzudrehen oder zusammenzuzucken, als sie sich gegen ihn lehnte und mit einer Hand über seine Wange strich. So musste sich eine Maus fühlen, die zwischen den Tatzen einer Katze saß. „Allerdings kann sich alles schnell ändern, wenn du nicht anfängst dich zu benehmen.”, flüsterte sie ihm ins Ohr. „Der Nephilim ist nützlich, aber nicht unbedingt notwendig für meine Pläne. Es wäre doch wirklich schade, wenn jemand so junges sein Leben lassen muss, mh? Andererseits könnte ich ihn auch den Mädchen überlassen. Invidia und Ira hätten sicher ihren Spaß dabei ein paar Foltermethoden an ihm auszuprobieren und ihn anschließend langsam umzubringen. Wenn du möchtest, kannst du die Stücke, die sie von ihm übrig lassen, haben.” Sie kicherte, während sich Azazels Magen umdrehte. „Oh und Luxuria hätte natürlich ebenfalls ihre Freude, wenn auch im anderen Sinne. Sie mag junge und unschuldige, wenn du verstehst, was ich meine.~ Ich denke, ich werde sogar dich und später dann den Rest der Familie zusehen lassen. Würde es sie kümmern? Einige waren immerhin nicht sehr begeistert von ihm, oder?”
 

„Er hat nichts damit zu tun, also lass ihn in Ruhe.”, presste Azazel hervor. Lilith andere Hand hatte sich um einen Hals gelegt, wo sie mit ihren Fingernägeln einige Kratzer hinterließ. Noch drückte sie nicht zu. Erneut kicherte sie. „Du machst dir also wirklich Sorgen um ihn, was? Das ist niedlich. Er ist nur ein Nephilim, ohne seine Flammen wäre er nur die Verschwendung einer Seele.” Sie hielt kurz inne. „Oder vielleicht reiße ich lieber seine Seele heraus und mache ihn zu einer willenlosen, leeren Hülle? Mmmh...er würde noch einfache Befehle ausführen können, aber seine Flammen wären weg und es wäre nicht annähernd so unterhaltsam...dennoch hat es seinen Reiz...Hach, so viele Möglichkeiten von denen man wählen kann. Tja, glücklicherweise hat es ja keine Eile.”
 

„Du-”, begann Azazel, doch wurde unterbrochen, als Lilith ihm die Luftröhre zudrückte. „Habe ich dir erlaubt zu sprechen?”, zischte sie und trat ihm in die Kniekehlen, woraufhin er sofort zusammensackte. Bevor er sich davon erholen konnte, war ihre Hand bereits in seinen Haaren vergraben und riss seinen Kopf nach oben, sodass er in ihr ins Gesicht sah. Ihre goldenen Augen waren rot geworden, ein typisches Anzeichen für ihre Wut. „Ich glaube, du hast deinen Platz vergessen. Du gehörst mir. Mir gehört deine Seele, dein Geist und dein Körper, ich kann damit machen, was ich will. Wenn ich dir sage, dass du dein ehemaliges Reich niederbrennen und alle kleinen Bauern abschlachten sollst, tust du es. Wenn ich dir sage, dass du dir das Herz raus reißen sollst, dann tust du es. Wenn ich dir sage, dass du deine Geschwister häuten und ihre Knochen zertrümmern sollst bis ihre Selbstregeneration nicht mehr eintritt, dann passiert es so. Wenn ich dir sage, dass du deiner kleinen rechten Hand und ihrer Schwester die Organe rausreißen und sie zwingen sollst, sie zu essen, zögerst du nicht. Und wenn ich dir befehle, den Geist des Nephilims zu zerstören, dann hat er am nächsten Tag nicht mal mehr bis drei zählen zu können. Ist das klar?”
 

„Ja.”, presste Azazel hervor. Liliths Griff verstärkte sich. „Ja, was?”
 

Als er nichts sagte, verpasste sie ihm eine Ohrfeige, die ihn Blut schmecken ließ. „Ja, was?”, wiederholte sie flüsternd. Der Geisterdämon schluckte widerwillig seinen Stolz runter. Nicht, weil er Angst um sich selber hatte sondern weil er wusste, dass seine Geschwister sonst den Preis zahlen würden. „Ja, Gebieterin. Mein Leben gehört Euch.” Als sich ihre Augen verengten, fuhr er fort. „Meine Seele gehört Euch, ebenso wie mein Körper und mein Geist. Ich lebe, um Euch zu dienen. Der...rechtmäßigen Königin Gehennas.” Jedes einzelne Wort war eine Tortur. Am liebsten hätte er sich den Mund mit Weihwasser ausgewaschen. Ja, das würde hochgradige Verätzungen nach sich ziehen, aber das wäre es so wert. Lilith lächelte grausam, während ihre Augen wieder die normale Farbe bekamen und tätschelte ihm fast zärtlich den Kopf. „So ist es gut. Das war doch nicht so schwer, nicht wahr?~” Sie lehnte sich näher heran, sodass sich ihre Gesichter fast berührten. „Benimm dich weiterhin, dann werden wir keine Probleme haben und du wirst belohnt werden. Immerhin wäre all das nie ohne dich möglich gewesen.~” Dann, ohne irgendeine Vorwarnung, lehnte sie sich noch weiter nach vorne und für einen Moment schien es, als würde sie ihn küssen wollen, doch dann leckte ihm über die rechte Wange, als wäre sie eine Katze. ‚WTF?!‘, war alles, was er denken konnte. Er war so überrumpelt, dass er im ersten Moment nicht mal daran dachte sie weg zu stoßen. „Was bei Gehenna stimmt nicht bei dir?!”, fauchte er nachdem er sich erholt hatte.
 

Sie grinste verspielt. „So einiges, Schätzchen.~ Aber das macht das Leben so interessant. Der Wahnsinn steckt in jedem von uns, es hilft uns beim überleben und dabei voranzukommen. Vielleicht solltest du es auch einmal probieren. Ich frage mich, wie du dich verhalten würdest, wenn dein Verstand zerstört ist...ich schätze, wir werden es bald herausfinden.~” Endlich ließ sie seine Haare los, sodass er erneut fiel und nun auf dem Boden saß. Er sprang schnell auf die Füße und wollte einfach nur noch in ein Bett, doch sie war noch nicht fertig. „Sicherlich ist es nicht einfach für einen, wenn man seine Familie, Freunde und die eigene Heimat willentlich verraten hat. Das schlechte Gewissen muss dich sicherlich innerlich auffressen.”, fuhr sie in einem gespielt mitleidigen Ton fort. „Und wenn man dann noch bedenkt, dass dies nicht passiert wäre, wenn du nicht so ein Feigling gewesen wärst. Wärst du damals nur nicht weggerannt...”
 

„Hör auf.”, flüsterte der Dämonenkönig und spürte wie sich seine Hände verkrampften. „Warum denn? Dachtest du, du könntest ewig vor deinen Sünden davon laufen? Du armer Junger. Du hast immer nur Ärger und Unglück gebracht. Wärst du nicht gewesen, wäre deine Mutter noch am Leben. Eine Schande.” Ihre Stimme klang mitleidig, aber ihr Grinsen war spöttisch. Azazel spürte, wie eine Vision dabei war, sich einen Weg in seinen Verstand zu bannen. Er wusste, dass es Lilith war, die ihn mit hochgebrachten Erinnerungen und Visionen quälen wollte. Es war immerhin nicht das erste Mal. „Hör auf!”, verlangte er mit leicht zitternder Stimme. Natürlich ignorierte sie ihn. Wieder stand er in der Wüste und erlebte alles aus der Sicht seines jüngeren Ichs. Er hatte jedoch keine Kontrolle, er war lediglich ein stiller Zuschauer. „Wärst du nicht weggelaufen sondern hättest sie beschützt, wäre sie noch am Leben.”, schnurrte Lilith beinahe. „Du hättest an ihrer Stelle sterben können, aber feige wie du warst, hast du dich verkrochen.
 

„Nein...”, er zitterte, während er gezwungen war, die Erinnerung erneut zu erleben. „Sieh hin, immerhin war es deine Schuld!” Er konnte nicht wegsehen. Er musste erneut zusehen, wie seine Mutter zerfleischt wurde. Doch damit war nicht genug. „Du warst immer der Außenseiter, von so vielen verachtet und gefürchtet. Gleichzeitig bist du immer vor allem weggelaufen.” Weitere Erinnerungen kamen hoch. Wie er alleine in seinem Klassenzimmer saß, während einige seiner Klassenkameraden vor der Tür tuschelten und gemeine Dinge über ihn sagten, er ignorierte es und starrte stur in sein Buch. Er sah sich, wie er von zwei älteren Dämonen auf der Schultoilette zusammengeschlagen wurde und sich anschließend für den Rest des Unterrichts in einer Kabine einschloss, wo er vor sich hin weinte. Die nächste Vision zeigte ihn, Samael, Egyn und Beelzebub auf dem Weg nach Hause von der Schule, wo sie von mehreren erwachsenen Dämonen eingekreist wurden. Sie konnten nichts tun, um sich zu wehren. Einer der Dämonen hob Samael hoch und begann ihn zu würgen woraufhin sich ein weiterer zu Azazel runter beugte. „Du willst doch nicht, dass deinem Bruder etwas passiert, oder? Also komm schön mit und schrei nicht.” Er nickte nur verängstigt. Er sah noch viele weitere Erinnerungen, wie beispielsweise seine Reaktion auf Rins Geburt, welche zugebenermaßen nicht allzu gut gewesen war, sowie eine, die sich erst vor knapp drei Jahren abgespielt hatte. „Bitte nicht, bitte! Ich will nicht sterben!”, flehte ein junger Mann, während Tränen seine Wangen hinunterliefen. „Meine Frau bekommt bald unser Kind, ich kann sie nicht alleine lassen! Bitte habt Gnade.” Azazel seufzte nur. „Ich habe dir fünf Jahre gegeben und die sind jetzt rum. Ein Deal ist ein Deal. Ich habe meinen Teil eingehalten, jetzt bist du dran. Das Leben ist nicht fair, komm klar damit und sei froh, dass ich dich im Gegensatz zu anderen Dämonen nicht über den Tisch gezogen habe.”
 

„Meine Güte, du kannst ja wirklich richtig gefühlslos sein.”, kommentierte Lilith vergnügt.
 

„Es reicht...hör auf...”, presste der Schwarzhaarige hervor.
 

„Wie heißt das Zauberwort?~ Nein, sage gar nichts, du hast ohnehin kein Mitspracherecht. Aber die Wahrheit tut wirklich weh, nicht wahr? Du hast dich immer mehr zurückgezogen und dabei nur an dich gedacht. Deine Geschwister mussten genauso leiden, doch du hast dich in deinem Elend begraben. Du hast deine Pflichten zwar erfüllt, aber gleichzeitig hast du immer mehr den Kontakt mit anderen abgebrochen und dich verschlossen. Doch deine Emotionen konntest du schlussendlich nicht ganz los werden und darum hast du alle verraten. Wie ich Ironie doch liebe. Ich kann es kaum abwarten die Gesichtsausdrücke deiner restlichen Geschwister zu sehen, wenn ihnen bewusst wird, dass du sie die ganze Zeit über betrogen hast. Werden sie dir vergeben oder dich verstoßen? Werden sie versuchen dich töten oder am Leben lassen, damit du in der Einsamkeit leiden kannst? Ich bin wirklich sehr gespannt.~”
 

„Dann genieße die Show solange du kannst. Du wirst diese Sache hier nämlich nicht gewinnen.”, erwiderte der Geisterkönig. Er war selbst überrascht wie gefasst seine Stimme war.
 

„Pardon?”, fragte Lilith scharf woraufhin der jüngere ihr direkt in die Augen sah. Sie waren verengt, aber nicht rot. Er beschloss, es darauf ankommen zu lassen. „Du unterschätzt sie, wie du Rin unterschätzt. Er ist zwar ein Nephilim, aber keineswegs schwach. Er ist stärker als so mancher reinblütiger Dämon und du wirst nur die Zähne an ihm anbeißen. Aber um ihn geht es jetzt nicht. Du glaubst wirklich, dass Gehenna ganz dir gehört, wenn wir fallen? Da liegst du daneben. Es wird immer Widerstand geben. Gehenna hasst dich und du kannst sie nicht ewig unter Kontrolle halten, es sei denn du willst sie alle töten und die Herrscherin von nichts sein. Gehenna wird sich nicht beugen, mein Vater und meine Geschwister werden sich nicht beugen und es werde es auch nicht. Also fahr zum Hades!”
 

Für einen Moment war es still im Thronsaal. Lilith hatte offensichtlich nicht damit gerechnet, dass er noch genug Energie hatte, um derart Widerstand zu leisten, aber es kümmerte ihn im Moment einen Dreck. Rin würde hierfür nicht bestraft werden, sie zog ihn nur heran, wenn Azazel einer Aufforderung nicht nachkam. In diesem Fall würde der Geisterdämon allein für seine Worte zahlen. Er bekam auch sofort die Quittung. Diesmal warf ihn die Ohrfeige um und er schmeckte erneut Blut. Er wartete darauf, dass sie weiter machte, doch zu seiner Überraschung begann sie zu lachen wie eine Irre. Gut, so sehr überraschte es ihn nicht. Sie war nun mal wahnsinnig. „Du glaubst wirklich, dass ihr eine Chance habt?!”, kreischte sie beinahe und lachte noch lauter. „Narr! Ich bin im Moment die mächtigste Dämonin Gehennas! Satan ist aus dem Verkehr gezogen, alle Reiche gehören mir und deine Geschwister sind wahrscheinlich dabei sich gegenseitig anzuschreien und die Schuld zu geben. Die alte Machtbasis ist längst vernichtet, das neue goldene Zeitalter kann beginnen und diesmal werdet ihr mir nicht im Wege stehen! Nie im Leben schafft ihr es mich erneut zu versiegeln oder gar zu töten. Es ist vorbei. Schachmatt. Du bist noch verzweifelter als ich dachte.”
 

Er antwortete nicht sofort. Zwar hatte sie nicht Unrecht, aber er wusste, dass man den Ausgang eines Krieges nicht zu schnell beurteilen sollte. Ein paar Fehler ihrerseits und alles konnte wieder zusammenbrechen. Offensichtlich missfiel der rothaarigen seine Stille, denn erneut durchfuhr ein stechender Schmerz seinen Schädel. „Wie es scheint, hast du deine Lektion noch immer nicht gelernt. So gesehen könnte ich dich einfach töten, aber ich denke, dass du weiterhin nützlich sein kannst.”, stellte sie kalt fest und hielt kurz inne. „Allerdings kann ich nichts gebrauchen, was mir nicht gehorcht. Du bist zu starrköpfig. Offensichtlich muss dies korrigiert werden. WACHEN! HOLT SOFORT VERIN HER!” Auf ihren Rauf hin öffnete sich einige Minuten darauf die Tür und ein Dämon, welcher nur ein wenig kleiner als Alastor und fast so muskulös war, betrat den Raum und kniete nieder. Seine grünen Haaren waren wirr und verklebt, wahrscheinlich mit dem Blut seiner neuesten "Aufträge". In seinen roten Augen lag ein wahnsinniges Funkeln. Azazel verzog das Gesicht als ihm der Geruch von Blut, Schweiß und was nicht noch alles entgegenkam. Wann hatte dieser Kerl zuletzt geduscht? Er schien jedoch nichts von Hygiene zu halten, denn seine Zähne waren gelb, manche sogar schon schwarz. Seine Fingernägel waren ebenfalls vollkommen verdreckt. „Ihr gerufen habt, meine Königin?”, grunzte er. Lilith nickte, auch wenn über ihr Gesicht kurz Ekel huschte. „Wie es scheint, hat Azazel noch immer einige rebellische Tendenzen. Treib sie ihm doch aus, ja?~”
 

„....Hä?”, bekam sie zur Antwort. Azazel musste sich ein Lachen verkneifen, als er das Gesicht der Dämonin sah. Die Dämonen, welche bei ihr für das Foltern zuständig waren, gehörten nicht gerade zu den intelligentesten Vertretern ihrer Spezies. „Folter ihn. Brich seinen Willen. Sorg dafür, dass er sich nicht länger widersetzt.”, erläuterte sie seufzend. „Ich bezweifle, dass du es diese Nacht schaffen wirst, also bearbeite ihn nur für einige Stunden und entlasse ihn vorerst. In den nächsten Tagen können wir dann weiter machen.”
 

„Wie Ihr wollt, meine Königin.” Er stand auf und wandte sich an Azazel. „Hoch steh.”, grunzte er, woraufhin der Geisterkönig innerlich die Augen verdrehte und gegen den Drang ankämpfte, ihn zu berichtigen. Er versuchte aufzustehen, doch in seinem Kopf drehte sich alles, sodass er wieder zusammensackte. „Ich fürchte, er ist nicht allein dazu im Stande.”, kommentierte Lilith. Verin grunzte bestätigend, kam auf Azazel zu, zog ihn unsanft hoch und schliff ihn hinter sich her. Dieser biss die Zähne zusammen. Er wurde nicht einknicken, egal was passierte. Das letzte, was er von Lilith sah bevor sich die Türen schlossen, war ihr raubtierartiges Grinsen.
 

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Azazel öffnete die Augen und sog scharf die Luft ein. Das war also passiert. Kein Wunder, dass ihm alles weh tat. Allerdings war dann wirklich noch gut weggekommen. So oder so war das wert gewesen. Wenn er ihr schon diente, dann ganz sicher nicht auf den Knien. Er zog sich fertig an, dann richtete er sich auf und verließ das Zimmer, auch wenn er jetzt schon genug von diesem Tag hatte.
 

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„Ähm...WAS ZUM TEUFEL IST HIER GRAD PASSIERT?!”, explodierte Bon, woraufhin Shiemi und die Kinder zusammen zuckten. Vaya spielte nervös mit ihren Zopf, während Agash beruhigend auf ihre Kinder einredete. Lucifer, welcher zusammen mit Beelzebub am Tisch saß, rieb sich die Stirn. Amaimon war Samael gefolgt und versuchte auf ihn einzureden. „Unsere Brüder verhalten sich unmöglich und sind dabei sich zu zerstreiten. Das ist passiert.”, seufzte er düster. An Suguros Stirn trat eine pochende Ader hervor. Shura schenkte dem keine wirkliche Beachtung. Sie war noch immer zu überrumpelt. „Und worum ging es?!”
 

Beelzebub seufzte. „Egyn war vorhin ziemlich am Ende, weil Rin und Azazel verschwunden sind und hat dann Samael die Schuld an allem gegeben, weil er Rin ja überhaupt erst in Assiah bei Fujimoto versteckt hat. Da es entgegen Vaters Befehlen passiert ist, zählt das eigentlich schon fast als Verrat. Als ihr dann angerufen habt, hat sich die Lage nochmal beruhigt. Dann kam Samaels Vermutung, dass Azazel der Verräter ist, Egyn hat ihm daraufhin vorgeworfen, dass er das war, um Chaos zu verbreiten.”
 

Shura nickte. Soweit hatte sie alles verstanden. Ab da hatten sie jedoch die Sprache gewechselt. „Und dann?”, bohrte Izumo nach.
 

„Tja, Samael hat das natürlich nicht auf sich sitzen gelassen, Astaroth und Iblis haben sich eingemischt, sie haben sich gegenseitig beleidigt, der Rest wurde mit reingezogen und so weiter. Jedenfalls ist es lange her, dass wir uns so sehr gestritten haben. Sie standen kurz davor aufeinander los zu gehen.”
 

Die Adeptin schnaubte. „Kerle. Wie bringen wir sie dazu, sich zu vertragen?!”
 

„Es ist nicht nur ihre Schuld.”, mischte sich Indra unerwarteterweise ein. „Ihr seid mit Satan und damit auch mit Gehenna verbunden. Es ist nicht überraschend, dass das zerstörte Gleichgewicht euch derartig beeinflusst.”
 

Lucifer nickte. „Das mag stimmen, aber wir können es uns nicht leisten zu streiten.” Er stand auf. „Ich gehe und rede mit Iblis und Astaroth. Beel übernimmst du bitte Egyn?” Der Insektenkönig nickte und stand auf. Shura und dem Rest bleib erneut nichts anderes übrig als abzuwarten.
 

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Satan hatte nicht damit gerechnet jemand anderen als Lilith oder eine der Aveira in seiner Zelle zu sehen. Dass es dann auch noch ein bekanntes Gesicht sein würde, überraschte ihn umso mehr. Jedoch ließ er sich nichts anmerken. „Lange nicht gesehen, Kaliya. Nachdem du in Assiah versagt hast, dachte ich, du wärst tot.”
 

Die Halb-Naga verzog das Gesicht. „Es gibt wesentlich schlimmere Dinge. Und wie man sieht, darf ich zur Zeit putzen und Essen verteilen.”Sie schob das Tablett mit dem Essen in den Bannkreis und lachte leise. „Aber wer hätte gedacht, dass der allmächtige Satan auch mal hilflos in einer Zelle landen könnte. Muss echt frustrierend sein, wenn man als mächtigstes Wesen beider Welten hier fest sitzt. Fast schon demütigend. Erbärmlich.”
 

Der Dämonengott verdrehte nur die Augen. „Du solltest still sein. Was du damals getan hast, war schon eher erbärmlich. Du hast Halphas schamlos ausgenutzt, so getan als würdest du ihn lieben und ihn dann fast umgebracht. Er hat bis heute keine Frau und keinen Mann mehr angesehen.” Das schien zu sitzen, denn Kaliya drehte den Kopf weg. „Das war nicht gespielt. Ich habe ihn wirklich geliebt, aber hatte keine Wahl. Er hat sich gegen Lilith gestellt und damit gegen mich.”
 

„Rede das nur ein. Du bist nur ein hinterhältiges Miststück, ansonsten hättest du dich nicht auf Liliths Seite gestellt.”
 

„Sie ist meine Meisterin!”
 

„Es gab mehr als genug Naga, die sich auf unsere Seite gestellt haben. Du warst nur feige und wolltest deine Haut retten.”, hielt der Weißhaarige dagegen. Bevor die Attentäterin antworten konnte, öffnete sich die Tür erneut. Diesmal war es Lilith. „Kaliya, du kannst gehen.”, fauchte sie barsch. Diese zuckte zusammen, verneigte sich dann und floh praktisch aus der Zelle. Die Dämonin wandte sich an Satan. „Tut mir leid, dass ich letzte Nacht nicht kommen konnte. Ich hatte einiges zu tun.”
 

„Oh keine Sorge, ich habe dich absolut nicht vermisst.”, kam die trockene Antwort. Sie lächelte nur. „Aber ich nehme doch an, dass du deine Kinder vermisst, nicht wahr?~”
 

Seine Augen verengten sich sofort. Wenn sie schon so anfing, war irgendwas im Busch. „Was hast du getan?”
 

Sie lachte. „Noch gar nichts, aber das kann sich immer ändern.” Sie schnippte mit den Fingern und zu seinem Entsetzen hielt sie Kurikara in der Hand. „Das ist wirklich ein schönes Schwert. Sein Dämonenherz ist darin eingeschlossen, oder? Was passiert wohl, wenn es zerbricht?~”, fragte sie verspielt, während sie das Schwert betrachtete. „Woher hast du das?”, zischte Satan gefährlich, das Schlimmste erwartend. Lilith grinste nur. „Wie du sicher weißt, bin ich mit dem Nephilim noch nicht fertig.”
 

„Lass verdammt nochmal die Pfoten von ihm!”, explodierte der ältere. Leider waren seine Flammen noch immer blockiert, also kamen sie nicht raus, um seiner Aussage Ausdruck zu verliehen. Dumm gelaufen. In seinem Kopf arbeitete es jedoch weiter. Wie konnte das passieren? Seine anderen Söhne waren mehr als fähig auf ihn aufzupassen, wie konnte er da gefangen werden?
 

„Also bitte, kein Grund mich anzuschreien.”, erwiderte sie unbeeindruckt und ließ das Schwert wieder verschwinden. „Solange er, Azazel und du euch benehmt, sollte alles gut sein.”
 

Satan widerstand dem Drang ihr eine Ohrfeige zu geben. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass sie die unausgesprochene Drohung ernst meinte. Demzufolge küsste er sie wie immer widerwillig zurück, als sie ihre Lippen auf seine presste. „Also dann, wir haben einiges nachzuholen, da ich ja letzte Nacht nicht kommen konnte, nicht wahr?~”
 

Er verzog angewidert das Gesicht. Als ob er eine Wahl hätte.

Hilflosigkeit und Frustration

Rin kam mit einem leisen Stöhnen zu Bewusstsein. Für einen Moment glaubte der Nephilim erblindet zu sein, denn er war von scheinbar undurchdringlicher Dunkelheit umgeben. Er wusste nicht, wo er war. Es war kalt, der Boden war scheinbar aus Stein ebenso wie die Wand, die er am Rücken spüren konnte. Ein leichter Geruch von Blut, Schweiß, Metall, Rost und anderen unschönen Dingen lag in der Luft. Er setzte sich langsam auf und lehnte gegen die Wand. Dabei hörte er das metallische Rasseln von Ketten und schnell wurde ihm klar, dass es von ihm kam. Er griff nach seinem Handgelenk, nur um festzustellen, dass seine Befürchtung wahr war. Schwere Ketten schnitten ihm ins Fleisch, was er seltsamerweise zuvor nicht bemerkt hatte. Sein Körper wirkte generell taub und der unverwechselbare Geschmack von Blut war in seinem Mund. Er war wirklich in Schwierigkeiten. Vorsichtig wollte der Nephilim aufstehen, aber die Ketten und seine geschwächten Beine ließen es nicht zu. Schritte waren nun zu vernehmen, dann hörte er, wie ein Schlüssel im Schloss umgedreht wurde. Die Tür zu seiner Zelle schwang mit einem lauten Quietschen auf. Er zuckte zusammen und bedeckte sein Gesicht, als ihn das Licht traf. Es war zwar nicht viel, aber wenn man zuvor in kompletter Dunkelheit hockte, reichte es schon aus. „Du bist also endlich wach. Das hat ja wirklich lang gedauert.” sprach ihn eine genervte Frauenstimme an. Sein Herz setzte aus, als er der Stimme erkannte. Superbia. „Der Tritt ins Gesicht war ganz schön ordentlich, überrascht also eigentlich nicht wirklich.”, gab eine ihm unbekannte Stimme zu Bedenken. Endlich gewöhnten sich seine Augen an die neuen Lichtverhältnisse. Langsam ließ er die Arme sinken und blinzelte etwas orientierungslos. Tatsächlich standen vor ihm drei Frauen, eine war wie schon vermutet Superbia, die anderen beiden kannte er nicht. „Oh Gehenna, ist der niedlich!”, entfuhr es der bisher stummen Frau. „Kann ich ihn behalten?!” Was? Warum war er denn jetzt schon wieder niedlich?! „Luxuria, benimm dich!”, wurde sie von der ältesten Sünde angefahren. „Ach komm, schau ihn dir doch mal an! Er ist total knuffig! Was sagst du, Ira?”, hielt Luxuria dagegen. „Wird sicher Spaß machen ihn leiden zu sehen.”, antwortete die letzte Sünde grinsend. Also war sie Ira. Er hatte jetzt schon so ein Gefühl, dass sie keine Freunde werden würden. Instinktiv wollte er nach seinem Schwert greifen, doch natürlich hatte er es nicht und die Ketten sowie einige Bannkreise blockierten seine Flammen. Es wäre ja sonst zu einfach. „Was wollt ihr?! Wo bin ich?!”, fauchte er sie an, doch klang leider eher verwirrt als wütend. „Aaaww, er hat Angst vor uns.~”, feixte eine neue Stimme. Im Türrahmen lehnte eine Frau mit grünen Haare, verschränkten Armen und grinste dreckig. Sie erkannte er ebenfalls. Invidia. Und wenn er sich richtig erinnerte, hatten seine Geschwister sie als extrem durchgeknallt beschrieben. Warum zog er immer die Psychos an? Bevor er ihre Aussage abstreiten konnte, stand sie auch schon vor ihm und starrte auf ihn herab, noch immer mit diesem Raubtiergrinsen. „Azazel hat dich ja ganz schön erwischt, du warst verdammt lange k.o. Aber man kann wohl nicht viel von einer Promenadenmischung wie dir erwarten.~ Übrigens bist du im ehemaligen Palast deines Vaters.” Rin bleckte die Zähne bevor er es sich anders überlegen konnte und bekam dafür sofort die Quittung in Form eines Trittes in den Magen. Gut, selbst schuld. „Erbärmlich.”, kommentierte Ira, während sie ebenfalls näher trat. „Und wegen ihm die ganze Aufregung? Wir sollten ihn einfach umbringen und Satan zusehen lassen. Wird bestimmt ein unterhaltsamer Ausraster. Und Azazel kann gleich mitmachen.”
 

Azazel. Die Erinnerung an seine Worte trafen ihn wie ein Fausthieb. Das konnte einfach nicht stimmen. Er konnte kein Verräter sein. Mit irgendwas hatten sie ihn sicher in der Hand, er ist nur ein sehr guter Schauspieler oder dergleichen. So musste es einfach sein. Oder all das hier war ein einziger riesiger Albtraum. „Das hier ist echt und kein Albtraum, das kann ich dir versichern.”, unterbrach Superbia seine Gedanken. Mist, hatte sie seine Gedanken gelesen?! „Dein Bruder hat dich im Stich gelassen und die anderen Baal haben lieber ihre eigene Haut gerettet. Sie haben dich verraten. Keiner wird dir mehr helfen, nicht mal dein Vater. Du bist ganz allein.~” Rins Magen verkrampfte bei ihren Worten. Sein Vater. Er war dann sicher ebenfalls hier. Konnte er ihn vielleicht irgendwie erreichen? Luxuria seufzte. „Liebling, bevor du auf dumme Gedanken kommst, lass es bleiben. Du sitzt schon ziemlich tief im Tartaros, also solltest du nichts tun, um es noch schlimmer zu machen. Unsere Mutter ist nicht für ihre Vergebung bekannt.” Der Nephilim ignorierte sie und starrte hasserfüllt Superbia an. „Lügnerin!”, fauche er. Dafür kassierte er eine Backpfeife. „Nicht so vorlaut, du Missgeburt.”, zischte sie. „Oooooooh, Bibi ist saaaaaaaaaaueeeer.~”, lachte Invidia mit einer kindischen Sing-Sang-Stimme. Sofort lief die Blondine rot an. „Du wagst es-”
 

„Das reicht jetzt.”, wurde sie unterbrochen. Das war wirklich nicht Rins Tag. Noch jemand hatte seine Zelle betreten, doch es war keine Aveira, sondern ihre Meisterin selbst. „Lilith.”, knurrte er hasserfüllt. Sie lächelte spöttisch. „Schön, dass wir uns endlich wiedersehen. Es ist viel zu lang her.~” Der Nephilim schnaubte, doch dachte immerhin diesmal daran nicht seine Zähne zu zeigen. „Eigentlich hatte ich gehofft, dich nie mehr zu sehen.” Die Dämonin lachte. „Tja, ich hatte dir doch gesagt, dass ich dich noch gebrauchen könnte. Andernfalls wärst du längst tot. Also benimm dich lieber.” Letzteres hatte einen gefährlichen Unterton, welcher Rin einen Schauer bescherte, doch er weigerte sich, klein beizugeben. „Nochmal lass ich dich nicht rein. Du verschwendest deine Zeit.”, knurrte er. „Wo sind Azazel und mein Vater? Was hast du mit ihnen gemacht?!” Die Rothaarige grinste gehässig. „Oh, keine Sorge. Ihnen geht es gut. Azazel hat momentan eine...schwierige Phase, aber das ist bald vorbei. Warum willst du das überhaupt wissen? Er hat dich verraten.”
 

„Glaub ich nicht. Irgendwie hast du ihn reingelegt oder ihn erpresst.”, knurrte der Halbdämon. Lilith verdrehte die Augen. „Wie niedlich. Luxuria, hol ihn her.” Die Sünde beeilte sich um den Befehl auszuführen. Die beiden ließen nicht lange auf sich warten. Azazel sah übel aus. Er hatte noch schlimmere Augenringe als zuvor und seine Augen waren gerötet. Außerdem hatte er einige Schnitte im Gesicht. Was war passiert? Lilith grinste raubtierhaft. „Dein kleiner Bruder hatte Sehnsucht, also dachte ich mir, ich gebe dir die Gelegenheit zum Hallo sagen.~” Azazel starrte ihn kurz an, dann sah er zur Seite. Sein Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte. Lilith lachte als sie Rins Gesicht sah. „Du wolltest sagen?”
 

„D-Das kann nicht sein.”, stotterte Rin. „Das ist ein Trick!” Die Dämonenkönigin lachte erneut, stellte sich hinter den Geisterkönig, legte eine Hand auf seine Hüfte und den Kopf auf seine Schulter. Azazel reagierte nicht, er wich noch immer Rins Blick aus. „Es ist kein Trick. Dein Bruder hier war schlau genug, um zu erkennen, welche Seite gewinnen wird. Es wäre klug seinem Beispiel zu folgen.~”
 

„Ich will es von Azazel hören!”, knurrte Rin. „Azazel, was ist hier los?! Das ist alles nur ein Missverständnis, oder?! Du bist nicht der Verräter, richtig?! Warum solltest du das tun?! Und deine Worte bevor du mich bewusstlos geschlagen hast, waren nicht ernst gemeint! SIEH MICH VERDAMMT NOCHMAL AN UND ANTWORTE!”, fauchte er, als er ignoriert wurde. Zu seiner Überraschung sah Azazel ihn wirklich an. Für einem Moment schien Reue darin zu liegen, doch dies wich schnell der Gleichgültigkeit. „Nein, es ist die Wahrheit. Ich bin der Verräter. Ich habe die Barriere manipuliert. Ich habe Kaliya auf Yukio gehetzt. Ich habe Jahi gedeckt und noch vieles mehr. Und ich habe jedes einzelne Wort ernst gemeint. Du hättest nie geboren werden dürfen. Es war ein Fehler von Vater dich zu behalten. Er hätte dich einfach irgendwo aussetzen oder dich gleich los werden sollen. Keinem Nephilim sollte die Ehre zufallen, seine Flammen zu tragen.” Wäre es biologisch möglich, wäre Rins Herz zerbrochen. Er starrte den älteren Dämonen an, in der Hoffnung, dass er einen kranken Witz machte, doch der Schwarzhaarige sah ihn nur kalt an. Er wandte sich an Lilith. „War's das, Meisterin? Ich will wieder in mein Bett.”
 

„Sicher, geh ruhig.~” Er nickte und ging ohne Rin auch nur einmal anzusehen. „Das muss weh tun. Echt dumm gelaufen.”, kommentierte Invidia gehässig. „Was hast du erwartet? Du würdest nie hier her gehören.”, setzte Superbia einen drauf. „Hey, immerhin war es schön solange es hielt.”, grinste Ira. Luxuria sagte nichts, sondern sah Rin mit einem seltsamen Gesicht an. War es Mitleid? Es war ihm gleich. „Du solltest lieber schnell deinen Platz lernen, Nephilim.”, verkündete Lilith. „Unterwirf dich mir und wir werden keine Probleme haben. Dir kann niemand mehr helfen. Niemand hält uns auf.” Damit verließen sie die Zelle und ließen ihn in vollkommener Dunkelheit zurück. Rin winkelte die Beine an und vergrub sein Gesicht darin. Warum musste ihm das passieren? Tränen brannten in seinen Augen, doch er machte sich nicht die Mühe sie wegzuwischen. Er hatte Angst. Er wollte zu seinem Vater. Oder zu einem seiner Brüder. Während seiner Zeit in Gehenna hatte er sich so sehr an sie gewöhnt und dank seiner Instinkte fühlte er sich ohne sie vollkommen allein und verlassen. Sie hatten in einer Sache recht: Er war nur ein Kind. Er war ein Kind, welches verdammt nochmal seine Familie und ein paar Umarmungen nötig hatte! Doch sein Vater saß in einer Zelle, Azazel war scheinbar ein Verräter und die anderen würden nie her gelangen. Er ballte die Hände zu Fäusten. Nein. Er würde nicht aufgeben. Er würde weiter kämpfen. Er würde einen Ausweg finden und seinen Vater sowie Azazel finden und helfen. Nie im Leben war er ein Verräter. Es konnte nicht sein. ‚Ich werde einen Weg finden. Nie im Leben lasse ich Lilith gewinnen.‘
 

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„Egyn, das ist lächerlich! Jetzt hör auf rumzubocken und schließe bitte endlich auf!”, kam Beelzebubs Stimme von der anderen Seite der Tür. Der Wasserkönig dachte jedoch gar nicht daran. Er wollte einfach nur seine Ruhe haben und antwortete mit einem simplen und äußerst trotzigem: „Nein.” Frustriertes Seufzen seitens des Insektenkönigs war zu hören. „Wir haben dafür keine Zeit-”
 

„Ich komme nicht wieder runter. Samael kann mir gestohlen bleiben und der Rest momentan auch.”, knurrte der Blauhaarige. Beelzebub grollte frustriert. „Bist du ein Kleinkind?! Während du hier hockst und beleidigst bist, sind Rin und Azazel in Gefahr! Wir haben alle unsere Mütter verloren, willst du etwa, dass wir noch zwei Geschwister verlieren?!” Dies riss Egyn aus seiner Trotzphase. Er hatte die beiden vollkommen vergessen! Wie konnte das passieren?! Bevor sein Bruder ein weiteres Wort von sich geben konnte, war der Wasserdämon aufgesprungen, hatte die Tür entriegelt und sie aufgerissen. „WARUM HAST DU DAS NICHT EHER GESAGT?!” Damit sprintete er die Treppe hinunter und ließ einen äußerst verdatterten Insektendämonen zurück. „Ähm...ok...das war einfacher, als ich dachte.”, murmelte er blinzelnd und eilte seinem Bruder hinterher.
 

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Lucifer hatte es derweil nicht ganz so leicht. Der Lichtkönig hatte nur mit Iblis und Astaroth reden wollen, um sie wieder zur Vernunft zu bringen, doch natürlich kam es anders. Er war nicht weiter überrascht, als er nach draußen ging und dort einen brennenden Feuerkönig vorfand, welcher munter Bäume abfackelte. Nebenher fluchte er abwechselnd auf Gehennisch und Spanisch. Astaroth hielt klugerweise Abstand, doch wirkte nicht minder angesäuert. Die Drachen beobachteten das Ganze am Boden kauernd. Das würde kein Spaß werden. „Iblis das reicht jetzt! Den Wald niederzubrennen wird nichts bringen und höchstens die Sterblichen herlocken!”, rief der Lichtkönig barsch. „Sollen sie doch.”, knurrte Astaroth. „Ich könnte grad echt was zum umbringen gebrauchen und ein paar Menschen wird keiner vermissen.” Der Lichtdämon widerstand dem Drang ihn deswegen anzufahren. Er wollte den Konflikt lösen, nicht verschlimmern. Iblis wandte sich nun an ihn nachdem er einen weiteren Baum verkohlt hatte. „Sag mir verdammt nochmal nicht, was ich tun soll! Abgesehen davon kannst du mir nicht erzählen, dass dich Samael nicht auch ankotzt!”
 

„Samael hat Mist gebaut, das stimmt.”, gab der ältere Dämon zu. „Aber jetzt ist nicht die Zeit-” Iblis unterbrach ihn. „Ach und wann dann?! Nächste Woche?! In drei Monaten?! In einem Jahrhundert?! Vorausgesetzt natürlich wir leben da noch und sind nicht Liliths Sklaven! Jeder seiner Entscheidungen hat uns nur noch tiefer in den Abgrund getrieben! Uns steht das Wasser bis zum Hals und seine Hoheit kann sich natürlich trotzdem nicht dazu herablassen, mal seine Fehler einzugestehen oder 'ne Lösung zu suchen! Stattdessen beleidigt er lieber uns und Astarte, weil er ein verdammter Feigling ist! Er sieht andere gern im Dreck, um sich besser zu fühlen und weil er nie drüber hinweg gekommen ist, dass seine verdammte Hurenmutter ihn nicht wollte. Tja, ich kann sie verstehen! Ich hätte ihn auch nicht behalten!” Lucifer gab sich Mühe, ruhig zu bleiben. Iblis' Worte waren harsch und teilweise wahr, aber sich gegenseitig die Schuld zu geben, brachte niemanden etwas. Hinzu kam, dass alles in der Hitze des Streites gesagt wurde und besonders Iblis ließ sich da gern mitreißen. „Iblis hat Recht!”, bestätige Astaroth. „Ich hab die Schnauze voll, meinetwegen kann er sich zum Hades scheren! Und Amaimon kann er gleich mitnehmen, der kriecht ihm ja ständig in den Arsch! Wie jemand so rückgratloses Dämonenkönig werden konnte, werde ich nie kapieren.”
 

„Amaimon hängt an ihm, aber das heißt nicht, dass er kein Rückgrat hat.”, erwiderte der Blonde ruhig. „Ich weiß, dass ihr sauer seid, ihr habt jeden Grund dazu, aber jetzt zu streiten bringt gar nichts. Vater-”
 

„Oh nein, jetzt komm mir nicht mit Vater!”, fuhr Iblis ihn an und stapfte auf ihn zu bis ihre Gesichter sich fast berührten. „Er hat diese Scheiße lang genug geduldet! Wenn er mal eher durchgegriffen hätte, wäre das nicht passiert! Hätte er sich damals an die verdammte Abmachung abgehalten und sich nicht mit dieser Exorzistin eingelassen, wäre Lilith noch gefangen und Gehenna würde nicht vor die Hunde gehen-” Weiter kam er nicht, denn ohne eine Vorwarnung trat Lucifer einen Schritt zurück und verpasste dem Feuerkönig eine Ohrfeige, die ihn gegen einen Baum schleuderte. Der Schlag hallte auf der Lichtung wieder, abgesehen davon (und dem Knistern des Feuers) war es ruhig. Astaroth sah den Lichtkönig mit offenem Mund an, während sich Iblis stöhnend aufrichtete. Sogar die Drachen schienen Lucifer entsetzt anzustarren. „Es reicht jetzt, Iblis.”, fuhr der älteste Baal fort, als wäre nichts passiert. Seine Stimme war ruhig und leise, doch ein bedrohlicher Unterton schwang darin mit, der den beiden jüngeren Baal einen Schauer über den Rücken laufen ließ. „Ich verstehe deine Wut und deine Frustration, aber du gehst zu weit. Samael hat einiges an Problemen verursacht und er wird dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Doch bis dahin erwarte ich, dass ihr euch alle verdammt nochmal zusammenreißt. Und wage es ja nicht, noch einmal Vater oder Rin die Schuld zu geben, ob nun indirekt oder nicht. Vater hätte anders reagieren sollen, das ist wahr, aber es steht uns nicht zu ihn zu verurteilen. Wir können unsere Meinung sagen, aber schlussendlich ist es seine Entscheidung, wie er sich verhält. Was Rin angeht: Du weißt ganz genau, was er sich für Vorwürfe nach dem ganzen Samhain-Fiasko gemacht hat, obwohl er nichts getan hat. Er hat sich ewig deswegen fertig gemacht und war psychisch mehr als angeschlagen. Solltest du also nochmal auf die Idee kommen, ihm sowas anzuhängen, dann werde ich dafür sorgen, dass du es bitter bereust. Diesmal sehe ich nochmal darüber hinweg, weil ich weiß, dass du dich ebenfalls um ihn sorgst, momentan zu wütend bist, um klar zu denken und wir alle von dem gestörten Gleichgewicht beeinflusst werden. Haben wir uns verstanden?” Noch immer herrschte Stille. Iblis wischte sich langsam das Blut von dem Gesicht, dann wandte er sich an Lucifer und nickte. Sein Gesichtsausdruck verriet er nicht, was er dachte. „Ja.” Astaroth nickte nur schnell. „Gut.”, antwortete Lucifer knapp und wandte sich um. „Gehen wir zurück ins Haus. Oh und Iblis, sei so gut und lösche vorher bitte die Flammen, ja?” Seine Stimme hatte wieder den normalen Tonfall angenommen, doch die beiden jüngeren Dämonen schwiegen weiterhin. Ein Fingerschnippen ließ die Flammen verschwinden, dann folgten sie und die Drachen ihrem Bruder zurück ins Haus.
 

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„Wie lange willst du hier noch sitzen, Bruder?”, fragte Amaimon, während er mal wieder einen Lutscher im Mund hatte. Gingen die ihm denn nie aus? „Eine Weile.”, antwortete der Zeitkönig knapp. „Geh einfach zurück, sicherlich wird Lucifer auch ohne mich in der Lage sein, Anweisungen zu geben. Zumal ich ja anscheinend nur für Ärger sorge.” Der jüngere Dämonenkönig legte den Kopf schief. „Na ja, du hast schon ganz schön die Regeln gebogen. Du solltest Rin zweimal holen und hast es nicht getan. Und er ist bei den Exorzisten gelandet.” Samael sah ihn giftig an. „Also habt ihr euch jetzt alle gegen mich verschworen, wie?”
 

„Nein, aber es stimmt. Auch wenn der Rest wohl unnötig war. Vor allem das mit dem Verrat, aber Egyn übertreibt gern mal. Ist jedenfalls meine Meinung.”, erwiderte der Erdkönig schulterzuckend und setzte sich im Schneidersitz auf das Bett. Samael sagte nichts. Er wusste, dass die Anschuldigungen seiner Brüder möglicherweise einen winzigen Tropfen Wahrheit enthielten und dass vieles, was sie gesagt hatten, nur im Eifer des Streites rausgerutscht war, aber wütend war er trotzdem. Und dann wurde er auch noch als Verräter beschuldigt! Absolut lächerlich! Er war es gewesen, der im Krieg gegen Lilith Verrat vorgetäuscht und damit sein Leben riskiert hatte! Es war seine Idee gewesen, ohne diesen Einfall hätten sie wahrscheinlich verloren. Er hatte sich der Ritterschaft angeschlossen, um sie auszuspionieren und Knüppel zwischen die Beine zu werfen und nun hatte dieser kleine Wasserlurch die Nerven ihm Verrat vorzuwerfen?! Dieses Balg hatte offensichtlich seinen Platz vergessen! „Glaubst du, dass es Azazel und Rin gut geht?”, fragte Amaimon plötzlich. Er sah überrascht zu dem grünhaarigen Dämonen hinüber. Er hatte seinen Lutscher bereits fertig und nagte nun an seinen Fingernägeln. Es schien ihm wirklich zu schaffen zu machen. Innerlich verfluchte sich der ältere Baal. Er hatte seine jüngeren Geschwister komplett vergessen. Zwar liebte er Unterhaltung, aber er wollte nicht, dass einer seiner Brüder ernsthaft verletzt wurde. Gut, bei dem Kampf im Wald hatte Amaimon einige Verbrennungen erlitten, welche teilweise sehr lange gebraucht hatten, um zu verheilen, aber er hatte es ja überlebt. Das konnte auch mal passieren. „Ich weiß es nicht. Wenn Azazel wirklich der Verräter ist, steht es übel für alle. Rin hat nicht die Kraft, um sich ewig gegen Lilith zu wehren und Vater hat sie damit ebenfalls in der Hand. Es würde mich nicht wundern, wenn sie Azazel und Rin benutzen will, um seinen Willen zu brechen.”, antwortete er ungewöhnlich ernst. Der Erdkönig schwieg, doch er spürte seinen bohrenden Blick. „Ist es das wirklich wert?”, murmelte der Erdkönig. Inzwischen war sich Samael nicht mehr sicher. War das alles hier seinen Stolz wert? Er seufzte genervt. „Ist ja gut, wir gehen zurück.” Manchmal konnten seine Brüder so nerven.
 

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Egyn saß mit verschränktem Armen am Küchentisch und wartete zusammen mit Beelzebub und dem Rest auf die anderen Dämonenkönige. Es herrschte eine peinlich berührte Stille, woran er wohl eine gewisse Mitschuld trug. Immer wieder schaute er auf sein Handy, in der Hoffnung eine Nachricht von einem Mitglied seines Hexenzirkels zu bekommen. Leider meldete sich niemand. Kuro saß halb heulend am Boden und ließ sich kaum beruhigen. Endlich kam Lucifer mit Astaroth, Iblis und den Drachen im Schlepptau zurück. Zu seiner Überraschung waren alle drei still, dann fiel ihm Iblis Wange auf, welche kallrot war. „Iblis, was ist denn mit dir passiert?”, fragte Beelzebub verwundert. Der Feuerkönig wich seinem Blick aus. „Lucifer hat ihm eine gescheuert.”, murmelte Astaroth dumpf. Allen klappte der Mund auf. „Du hast was getan?!”, fragte Egyn entsetzt. Der Lichtkönig zuckte mit den Schultern. Schließlich kamen Amaimon und Samael ebenfalls zurück. Der Zeitkönig sah Egyn, Iblis und Astaroth giftig an, sie starrten ihn nicht weniger wütend an. Sie hatten genug von seinen ewigen Spielchen, das konnte er ruhig spüren. Lucifer seufzte genervt. „Das ist jetzt einfach nur noch kindisch. Wollt ihr euch jetzt ernsthaft alle anschweigen?”
 

„Ja, so sieht's aus.”, knurrte Astaroth trotzig. Egyn biss sich auf die Lippe, Iblis blieb stumm, Samael bleckte die Zähne. Bevor Astaroth die unausgesprochene Herausforderung annehmen konnte, wurden sie jedoch angeschrien. Allerdings nicht von Lucifer oder einem der Exorzisten sondern von Vaya. „ARGH! IHR SEID ALLE SOLCHE VERDAMMTEN VOLLIDIOTEN!”, fauchte sie frustriert und warf die Hände hoch. „WAS BEI ALLEN ERZDÄMONEN IST DENN EUER PROBLEM?! DANN HAT SAMAEL EBEN MIST GEBAUT, NA UND?!”Alle starrten sie wie vom Donner gerührt an, doch sie war nicht fertig. „Ihr verhaltet euch alle gerade wie ein Haufen verzogener, adliger Gören, die ihren Willen nicht bekommen!”
 

„Hey!”, kam es gleichzeitig vom Licht- und Insektenkönig, aber sagten nichts weiter, als sie einen mörderischen Blick bekamen. „Jetzt rede ich!”, fuhr sie sie an. „Azazel und Rin sind weg und ihr habt nichts besseres zu tun als rumzuzicken?! Ich verstehe ja, dass ihr angespannt seid, aber das ist kein Grund euch anzuschreien und euch zu beleidigen.” Sie wandte sich an Samael. „Du solltest dich schämen, weil du Rin zu deiner Unterhaltung missbrauchst hast und Aeshma und Astarte mit rein gezogen hast! Egyn, es ist gut, wenn man andere verteidigt, aber du kannst nicht einfach Samael beschuldigen! Iblis und Astaroth, auch wenn er euch beleidigt, dürft ihr dass nicht als Entschuldigung nehmen, es gleich zu tun. Ich denke, das Indra ihre Gründe hatte und ihr nicht alles so egal ist, wie sie tut. Sie hätte einfach abhauen können, als sie ihre Visionen hatte, aber stattdessen ist sie zu Lord Satan gegangen, um ihn zu warnen und jetzt ist sie gekommen, um uns zu helfen. Also hört auf, immer auf ihr herumzuhacken! Beschimpft auch nicht Amaimon, weil er ausnahmsweise mal einen Streit stoppen wollte! Und Astaroth dein Kommentar mit Uriel war mehr als unpassend!” Interessanterweise schien Indra etwas peinlich berührt und starrte auf den Boden, um Samaels Blick auszuweichen. Die restlichen angesprochenen wirkten ebenfalls beschämt. „Es ist verständlich, dass ihr euch alle Sorgen macht und man in der Hitze des Streites auch Dinge sagt, die man später bereut. Es ist nicht das erste Mal, dass ihr euch streitet, also solltet ihr wissen, dass sowas nichts bringt. Anstatt euch gegenseitig anzupöbeln, solltest ihr lieber froh sein, dass ihr einander habt! Astaroth, du bist damals fast sitzen geblieben, weil unter anderem Befana dir absichtlich falsche Noten eingetragen hat und musstest deswegen eine Zusatzprüfung schreiben. Wer hat da ewig mit dir gelernt?”
 

„...Lucifer, Samael, Azazel und Amaimon.”, murmelte der Verwesungskönig etwas kleinlaut.
 

„Iblis, wer hat dir damals aus der Patsche geholfen, als dich die Exorzisten gefangen haben?”
 

„Samael.”, kam die hervorgepresste Antwort.
 

„Und Samael, als dich damals Karina betrogen hat und alle dachten sie wäre aus Versehen von dir schwanger geworden und du hast sie deswegen sitzen gelassen, wer hat da euren Vater beruhigt und dir gut zugeredet?” Der Zeitkönig verdrehte die Augen. „So ziemlich alle. Iblis und Astaroth haben den Dämonen zusammengeschlagen mit dem sie mich betrogen hat. Und alle in der Schule, die es angesprochen haben.”
 

„Ganz genau! Ich könnte jetzt ewig weiter machen, aber dafür ist keine Zeit! Rin und Azazels Zeit läuft ab und egal ob Azazel nun ein Verräter ist oder nicht, beide sind in Gefahr. Ich bezweifle, dass er es aus eigenem Willen getan hat. Was würde abgesehen davon euer Vater sagen, wenn er hiervon wüsste?!”
 

„Wahrscheinlich Bettvorleger aus uns machen.”, brummelte Amaimon. „Oder uns eine scheuern und sagen, dass wir uns verdammt nochmal endlich zusammenreißen und zeigen sollen, dass wir es würdig sind, Dämonenkönige zu sein.”, ergänzte Beelzebub. Vaya nickte. „Ganz genau! Er verlässt sich auf euch, also vertragt euch jetzt gefälligst oder es setzt was!”
 

„Ich habe keine Ahnung, was sie grad gesagt hat.”, hing sich Shura rein. „Aber sie hat recht. Wenn ihr euch jetzt die Schädel einschlagt, wird das nie was werden.” Für einige Sekunden herrschte Stille, dann ergriff Egyn das Wort. „Tut mir leid, Samael. Ich hätte dich nicht beschuldigen sollen.” Der Zeitkönig nickte und murmelte zusammen mit den restlichen Dämonenkönige ebenfalls eine Entschuldigung. „Gut, wenn das hier geklärt ist, können wir uns dann endlich mal um Rin kümmern?!”, fragte Izumo etwas bissig. Lucifer öffnete den Mund, doch wurde vom Klingeln eines Telefons unterbrochen. Diesmal war es Iblis' Handy. Er zog es schnell hervor, sah auf den Bildschirm, nahm an und stellte es auf Lautsprecher. „Ignacio, ¿qué hay de nuevo?”, fragte er. Egyn erkannte den Namen. Wenn er sich nicht täuschte, war Ignacio ein Hohepriester von einem Hexenzirkel in Spanien, welcher dem Feuerkönig diente. Der Hexer ratterte alles in einer atemberaubenden Geschwindigkeit herunter, doch der Wasserdämon konnte heraushören, dass sie leider kein Glück hatten. Verdammt. „Entiendo. No estoy soprendida. Te llamo luego, ¿vale?...Sí. ¡Hasta luego!” Iblis seufzte und legte auf. „Das war wohl nichts. Wir sind in 'ner Sackgasse.”
 

„Ach kommt, ihr seid Dämonenkönige. Da wird es euch doch wohl gelingen, einen Nephilim zu finden!”, entrüstete sich Bon. „Hatte Astaroth ihn nicht auch gefunden?!”
 

„Das war Zufall!”, knurrte der Verwesungskönig. „Ich bin erst auf ihn gekommen, als er meinen Wirtskörper wegen dieser Tauben angegriffen hat.”
 

„Ähm...was?”, murmelte Shima verwirrt. Der Dämonenkönig verdrehte die Augen. „Egal jetzt. Jedenfalls können wir ihn nicht so einfach finden. Seine Aura ist verschwunden, ebenso wie Azazels.”
 

„Könnt ihr wenigstens herausfinden, was sich zwischen den beiden abgespielt hat?”, fragte Tsubaki. Alle schauten zu Samael. Dieser seufzte. „Ja, ich könnte die Zeit etwas zurückdrehen, um zu sehen, was passiert ist, aber es würde eine ziemliche Menge Energie kosten und dann stehen Liliths Anhänger schon in wenigen Minuten vor unserer Haustür.”
 

„Falls Azazel wirklich euer Verräter ist, dann wissen sie sowieso schon, wo ihr seid!”, hielt Shura dagegen. „Vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit.”, mischte sich Indra ein und zog den Anhänger, welchen sie normalerweise unter ihrem Oberteil trug, hervor. An der Kette hing eine Sanduhr. „Ein Herz des Kronos.”, stellte Egyn fest. Shura runzelte die Stirn. „Kronos?”
 

„Er war der Erzdämon der Zeit und des Raumes bevor ich den Thron bestieg.”, erklärte Samael, während er Indra einen mörderischen Blick zuwarf. „Er ist zuvor in Ungnade gefallen und hat sich später auf Liliths Seite gestellt. Ich habe ihn dann im Kampf besiegt und getötet.”
 

„Erzdämon ist die Bezeichnung für die erste Generation Dämonen nach Vater.”, erklärte Lucifer, als er die verwirrten Gesichter bemerkte. „Für unsere acht Elemente gab es früher je einen Erzdämonen, aber die sind zum Großteil tot. Andere sind Anführer der großen Adelshäuser wie Abaddon, Cain, Ajax, Sariel, Isis...Die Aveira sind die Erzdämoninnen der sieben Todsünden. Aber egal jetzt. Wie bist du an sowas gekommen, Indra?” Die Zeitdämonin zuckte mit den Schultern. „Das ist nicht weiter wichtig. Ob du es glaubst oder nicht, ich habe Zuhause noch eins rumliegen.”
 

„Und was macht das Ding?”, hakte Izumo ungeduldig nach. „Man kann damit auch die Zeit zurückspulen und sehen, was sich in seiner Umgebung zuvor zugetragen hat, aber es kostet nur wenig Energie und kann auch von Nicht-Zeitdämonen benutzt werden.”, erklärte Beelzebub. „Hexen benutzen das sehr gern.” Egyn war versucht Indras Idee zu unterstützen, doch Samael hatte andere Pläne. „Ich brauche deine Hilfe nicht, ich kann die Zeit sehr gut ohne das kontrollieren.”, knurrte er in Richtung Indra. Diese hob eine Augenbraue. „Hast du nicht eben gesagt, dass es riskant ist, weil es Liliths Anhänger herlocken könnte?” Der Zeitkönig verdrehte die Augen. „Wie Shura bereits sagte, wissen sie wahrscheinlich sowieso schon wo wir sind. Deine Hilfe nehme ich nur über meine Leiche an, also bringen wir es einfach schnell hinter uns und verschwinden.” Damit fuhr er herum und stapfte aus dem Zimmer. Indra seufzte leise, dann folgte sie mit den restlichen Dämonenkönigen sowie den Exorzisten. Vaya und Agash bleiben zusammen mit den Kindern, den Drachen und Lamia zurück. Astaroth zeigte die Stelle, wo sie die leere Dose und die Flasche gefunden hatten. Samael zählte von drei an rückwärts und die Umgebung verschwamm. Als es sich wieder legte, schien sich zunächst nicht geändert zu haben, doch Egyn wusste es besser. Sie sahen sich nun die Vergangenheit an. Rin ließ nicht lange auf sich warten. Für einige Minuten geschah nichts, doch dann öffnete er plötzlich die Augen, stand auf und starrte auf eine Stelle, sichtlich überrascht. Der Wasserkönig vermutete, dass er wieder einen Geist sah. Der plötzliche Temperaturwechsel bestätigte dies. Sie sahen zu, wie er scheinbar erschrocken nach Kurikara griff, nur um von Azazel unterbrochen zu werden. Nun wurde es spannend. Sie begannen sich über den Geist zu unterhalten, doch dummerweise blieben sie nur bei Gehennisch, also mussten sie für die Exorzisten übersetzen. Egyn war etwas überrascht, weil Azazel Bier trank, es war eher untypisch für ihn, aber er zwang den Gedanken beiseite. Er musste sich konzentrieren! Sie hörten weiterhin zu und sahen sich überrascht an, als Azazel Dinge sagte, die er nicht wissen konnte. Rin war dies ebenfalls nicht entgangen und als er den Geisterkönig zur Rede stellte, brach Gehenna los. Shiemi und Izumo stießen einen erstickten Schrei aus, als Azazel den jüngeren gegen einen Baum schleuderte. „Was ist sein verdammtes Problem?!”, entfuhr es Bon. Keiner antwortete, alle starrten auf das Drama vor ihnen. Von dort an wurde alles noch schlimmer. Egyn traute seinen Ohren nicht, als er Azazel reden hörte. Das klang nicht nach seinem Bruder. Absolut nicht. Ja, zu Beginn waren sie nicht begeistert von Rin gewesen, doch dies gehörte längst der Vergangenheit an. Hatte sein Bruder wirklich so einen tiefen Groll gehegt? Er konnte es sich nicht vorstellen. Schließlich trat Azazel dem Nephilim ins Gesicht woraufhin er zusammenzuckte und die Mädchen erneut erstickte Laute von sich gaben. Er sah zu den anderen. Astaroth und Iblis sahen mit einer Mischung aus Wut, Verwirrung und Hilflosigkeit zu, Amaimon wirkte einfach nur baff, Beelzebub versuchte das ganze offensichtlich zu verstehen und Lucifer und Samael waren schwer zu lesen, doch sicher erging es ihnen nicht anders als dem Rest. Die Exorzisten sahen nicht besser aus. Suguros Hände waren zu Fäusten geballt, ebenso wie Yukios. Tatsächlich schien er kurz davor zu stehen auf jemanden zu schießen, vorzugsweise Azazel. Shura und Tsubaki beobachteten ernst das Geschehen ebenso wie Shima, wobei dieser zusätzlich noch verstört wirkte. Konekomaru und Shiemi hatten den Mund mit einer Hand bedeckt, in ihren Gesichtern spiegelte sich Entsetzen wieder. Izumo starrte stur auf das Geschehen vor ihr, doch zitterte leicht, als würde sie kurz vor einem Ausbruch stehen. Indras Gesicht zeigte ebenfalls keine Regung, doch auch hier glaubte er, Wut zu erkennen. Sie sahen zu wie Azazel Kurikara nahm und Rin aufsammelte, einen letzten Blick zum Haus warf und dann verschwand. Ohne ein Wort zu verlieren, drehte Samael die Zeit wieder vorwärts und sie befanden sich in der Gegenwart. Stille herrschte, dann begann Iblis zu sprechen. „Tja, schätze damit wäre die Sache wohl klar.” Alle nickten zustimmend. „Also war es wirklich Azazel.”, knurrte Shura. „Nein. War er nicht.”, erwiderte Lucifer düster. Den Exorzisten klappte der Mund auf. „WAS?!”, entfuhr es allen gleichzeitig. „Ihr verlasst euch zu sehr auf eure Augen.”, kommentierte Amaimon monoton, was nur für noch mehr Verwirrung sorgte. Lucifer erbarmte sich und begann zu erklären. „Das hier war nicht Azazel. Die Täuschung wirkt zwar echt, aber ist nicht fehlerfrei. Wahrscheinlich war das eine Rakshasa.”
 

„Woher wollt ihr das wissen?”, hakte Bon nach. „Der "Azazel" hier hat die Dose mit der rechten Hand geöffnet.”, sagte Lucifer langsam. „Er hat damit auch nach Rins Kopf gegriffen und alles andere vorwiegend mit rechts getan. Azazel ist aber Linkshänder. Was er gesagt hat, passt nicht zu Azazel. Er hatte nie Interesse am Thron, sein Reich allein reicht ihm und ist stressig genug. Rin hat erwähnt, dass der Geist ihn vor einer "sie" gewarnt hat und hat damit ganz offensichtlich "Azazel" gemeint. Sie hat gemerkt, dass er das nicht ist.”
 

„Darum hat er nicht geantwortet...”, murmelte Izumo plötzlich. Als sie überraschte Blicke erhielt, fuhr sie fort. „Seitdem wir wieder in Assiah sind, hat er...oder sie immer nur in Gehennisch geredet, sonst nichts. Als ich ihn etwas gefragt habe, hat er nicht geantwortet. Ich dachte, er wäre nur unhöflich, aber wenn es stimmt, was ihr sagt, dann lag es nur daran, dass er mich nicht verstanden hat.” Das klang logisch. Wenn wirklich eine Rakshasa dahinter steckte, konnte sie keine Sprache außer Gehennisch. „Wahrscheinlich.”, stimmte Egyn zu. „Allerdings glaube ich nicht, dass es eine einfache Rakshasa war.” Iblis nickte. „Stimmt. Eine Rakshasa hätte sich zurückverwandelt, wenn sie das Bewusstsein verliert.”
 

„Also war es Invidia?”, fragte Shiemi leise. Offensichtlich hatte sie zugehört. „Japp.”, grummelte Astaroth. „Das würde die Verletzung erklärten. Als ich gegen sie gekämpft habe, wurde sie von einem meiner Wurfmesser verletzt, aber ich habe nicht gesehen wo, weil sie abgehauen ist.”
 

„Also hat Azazel nie gegen Ira gewonnen sondern wurde von ihr besiegt und wahrscheinlich gefangen genommen. Vielleicht haben die fehlenden Aveira mitgeholfen. Invidia hat dann seine Gestalt angenommen und so getan, als wäre die Verletzung vom Kampf mit Ira. Die konnte sie als Ausrede benutzen sich immer zurückzuziehen damit sie nicht auffliegt, weil sie sich null in Assiah auskennt oder überhaupt eine Sprache hier spricht.”, fasste Iblis düster zusammen. Egyn traf nun eine furchtbare Erkenntnis. „Dann haben wir Azazel zurückgelassen?!”
 

„Wie konntet ihr das nicht mitbekommen?! Er ist euer Bruder?!”, hinterfragte Shura, womit sie dummerweise nicht ganz unrecht hatte. „Er...Sie hat Sachen erzählt, die nur Azazel wusste!”, hielt Astaroth gegen. „Und wir haben momentan echt andere Probleme als darauf zu achten, ob alle die richtige Hand benutzten!”
 

„Also war es eine Lüge, dass ihr Rin los werden wolltet?”, fragte Tsubaki ernst. Die Baal zuckten zusammen und wechselten verstohlene Blicke. „Naaaaa jaaaa, kann gut sein, dass wir damals im Eifer des Gefechtes einige...graphische Drohungen ausgesprochen haben, welche eine Menge gebrochener Knochen, Feuer und Weihwasser involviert haben.”, murmelte Iblis kleinlaut und äußerst beschämt. „Also wolltet ihr ihm doch schaden!”, fauchte Bon, woraufhin Iblis abwehrend die Hände hob. „Das war Jahre her und wir bereuen ja, das gesagt zu haben. Wir waren nicht begeistert von ihm, was doch verständlich ist, wenn man bedenkt, dass Vater sich mal wieder eine Frau angeln musste und dann auch noch eine Exorzistin. Oh, und obendrein bekommt er die Flammen, obwohl ich der Feuerkönig bin! Aber wir haben uns beruhigt und er kann ja auch nichts dafür, also gibt's kein Grund ihn zu hassen. Wir haben nie versucht ihm zu schaden!”
 

Shura seufzte. „Gut, das scheint die Wahrheit zu sein, aber wir wissen immer noch nicht, was jetzt genau los ist. Ihr habt euren Verräter immer noch nicht.”
 

„Scheiß drauf, wir suchen Invidia und wenn wir sie nicht finden, gehen wir eben zurück nach Gehenna und stellen sie dort zur Rede!”, fauchte Astaroth. „Ich habe die Schnauze voll von dieser Herumschleicherei!”
 

„Wie können die Details nachher besprechen.”, mischte sich Samael ein, während er auf sein Handy schaute. „Christina hat etwas gefunden.”
 

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„Kyrene? Hörst du mir zu? Kyrie? KYRENE!”
 

Die Angesprochene zuckte erschrocken zusammen und zwang sich in die Gegenwart zurück. Vor ihr saß eine Sirene mit langen weiß-blauen Haaren und wippte ungeduldig mit dem Fuß. Es war Erato, ihre älteste Schwester. Sie waren gerade von ihrer Patrouille zurück und tranken einen Tee in der Küche. Neben ihr saß Keto, die zweitälteste Tochter in der Familie. Sie hatte ihren Kopf auf eine Hand gestützt und wirkte wie so oft gelangweilt. Einige Strähnen ihres violett-grünen Haares hingen ihr im Gesicht, doch sie schenkte dem keine wirkliche Beachtung. „Ja, hast du was gesagt?”, fragte Kyrene verwirrt. Erato verdrehte die Augen. „Egal. Du bist ja sowieso mit deinen Gedanken woanders.”, erwiderte sie giftig. Großartig, jetzt war sie beleidigt. Erato hatte es schon immer geliebt im Mittelpunkt und war entsprechend säuerlich, wenn man sie ignorierte. „Es tut mir leid, ich...mir gehen einfach andere Dinge durch den Kopf.”, murmelte Kyrene kleinlaut. Die älteste Sirene schien immer noch ein wenig eingeschnappt, doch ihre Augen wurden etwas sanfter. „Du machst dir wieder Gedanken wegen Egyn und den anderen, nicht wahr?”
 

„Natürlich tut sie das, du Hohlkoralle.”, knurrte Keto. „Seitdem Lilith den Laden schmeißt, geht hier alles vor dir Fenriswölfe. Und dank dieser bescheuerten Ausgangssperre bin ich arbeitslos.” Sie warf einen verächtlichen Blick zur Essensration dieser Woche, welche die beiden Schwestern mitgebracht hatten. „Was ist das dort überhaupt?! Sagt mir nicht, dass das für uns alle sind. Das reicht doch nie im Leben! Wir sind sieben Personen! Neun wenn Vater und Charybdis diese Woche nach Hause kommen sollte.”
 

„Tja, die Rationen wurden wieder gekürzt und der größte Teil besteht aus altem getrockneten Fisch. Der Rest ist billiges Brot und fast ranziger Käse.”, blubberte Erato. „Ich fasse es nicht, dass die erwarten, dass wir sowas essen. Das muss irgendein schlechter Scherz sein!” Kyrene sagte nichts dazu. Ihre Schwestern waren schon irritiert genug, Keto sogar noch mehr als sonst und das wollte etwas heißen. Die zweiälteste Sirene war äußerst streitlustig, unhöflich, leicht zu reizen und hatte fast keinen Respekt vor Autoritätspersonen. Hinzu kam ihr ständiger Sarkasmus und Hang zur Ironie. Kurz gesagt war es nicht einfach mit ihr, aber natürlich liebte Kyrene sie sehr. Erato war ebenfalls anstrengend, wenn auch auf andere Weise. Sie liebte Aufmerksamkeit von sowohl Männern als auch Frauen und konnte ziemlich arrogant sein. Hinzu kam, dass beide ihren Gesang gerne ausnutzten, um für Ärger zu sorgen, auch wenn sie nie für zu große Schaden sorgten. Nun saßen sie jedoch alle hier fest, was vor allem für Keto unerträglich war. Sie war Söldnerin, aber das konnte sie sich nun abschminken. Zuvor hatte sie wie Kyrene und Erato als Wächterin gearbeitet, aber die nahmen momentan keine neuen Leute an, also hieß es zuhause hocken oder auf dem Feld und im Fischfang arbeiten, was ihr erster Job gewesen war. Wirklich keine allzu berauschenden Optionen. „Aw, Papas Prinzessin reicht das Essen nicht aus?”, stichelte Keto.
 

„Ach, halt die Klappe! Du magst es genauso wenig!”
 

„Ich heule aber nicht rum!”
 

„Wer jammert denn hier, dass es langweilig ist?!”
 

Kyrene vergrub ihr Gesicht in den Händen. „Bitte streitet euch jetzt nicht auch noch. Wir drehen sonst erst recht durch.”
 

„Ja, ja, ist gut.”, knurrte Keto genervt und verschränkte die Arme. Erato nahm schweigend einen Schluck aus ihrer Tasse, während Kyrene wieder in Gedanken versank. Sie hatte sich wirklich sehr gefreut, dass es Egyn und dem Rest gut ging. Sogar über Iblis hatte sie sich gefreut, auch wenn zwischen ihnen eine Hass-Liebe herrschte. Natürlich hatten die Vergänglichen sie überrascht, aber nach dem, was man so hörte, waren alle entkommen. Zum Glück. Hoffentlich hatte es Indra auch geschafft. Ein dumpfer Schlag ließ alle drei Schwestern aufsehen. Sie hatten jedoch schon eine Vermutung, was es war, daher ließen sie nicht weiter stören. Die Tür flog auf und die viertälteste -also die nach Kyrene- Schwester kam rein gestürmt. „Hey, hey, hey!”, quietschte sie aufgeregt. „Wisst ihr schon, was-?” Sie flog über die Stufe, welche  vor dem Essbereich war, bevor sie den Satz beenden konnte. Keto rollte mit den Augen. „Stufe, Galatea.”, murmelte sie genervt. Galatea sprang schnell wieder auf und strich ihre blau-rosanen Haare beiseite. Sie flog immer über diese Stufe, wenn sie hier rein gerannt kam, daher war keiner mehr überrascht. Die Sirene war die Tollpatschigkeit in Person. Und auch öfter etwas schwer von Begriff. Kyrene würde sie nie als dumm betrachten, nur etwas...verpeilt, leicht abzulenken und vergesslich. Da sie weder Sarkasmus noch Ironie verstand, irritierte sie zusätzlich Keto. Allerdings war sie fast immer fröhlich, sorglos und naiv, also konnte man ihr nicht lange böse sein. „Aaaaaalsoooo, habt ihr schon das neuste gehört?! Habt ihr?! Habt ihr?! Habt ihr?! Es ist schlimm!”, ratterte sie herunter, während sie wie ein Flummi auf und ab hüpfte. „Um Satans Willen, setz dich hin und hör auf zu zappeln!”, fuhr Keto sie an. Erato verdrehte nur die Augen, als sich Galatea neben Kyrene setzte. Erst fiel ihnen auf, dass die jüngere ungewöhnlich angespannt war. „Jetzt raus mit der Sprache, Galatea!”, verlangte Erato. Sie nickte. „Lilith hat diesen Nephilim gefangen! Und angeblich war es Lord Azazel, der ihn ausgeliefert hat! Er war von Anfang an ein Verräter!” Die Sirenen starrten sie an. „...Hast du schon wieder Fisch oder irgendwelche Algen zweifelhafter Herkunft gegessen?”, fragte Keto trocken. Die jüngere schüttelte den Kopf. „Nein! Das habe ich von jemanden gehört, der kennt eine Harpyie und die kennt einen, der hat eine Schwester und die hat einen ehemaligen Klassenkameraden-”
 

„Komm zum Punkt!”
 

„Das hat sich in Liliths Palast ziemlich schnell verbreitet. Er hat absichtlich einen Fehler bei der Errichtung der Barriere gemacht, damit Lilith Pandemonium einnehmen kann und jetzt hat er ihr diesen Nephilim gebracht, wie hieß er nochmal?”
 

„Rin...”, flüstere Kyrene entsetzt und hielt sich eine Hand vor den Hand. Das konnte nicht wahr sein. Nicht Azazel. Er konnte kein Verräter sein und er würde nie im Leben einen seiner Brüder hintergehen. Das musste ein Fehler sein! Und Rin hatte es nicht verdient bei Lilith zu landen. „Tja, schätze mal, Satan ist zwei Söhne los.”, murmelte Keto, wofür sie giftige Blicke von  Kyrene erntete. „Was denn? Ist doch so. Die beiden sind tot. Es ist kein Geheimnis, dass sie alle Kinder von Satan hasst. Oder sie benutzt sie um ihn zu erpressen. Wahrscheinlich foltert sie sie, während er zusehen muss. Würde mich nicht überraschen.” Galatea rutschte unruhig umher. „Sag doch sowas nicht.” Keto schnaubte nur. „Komm schon, wir wissen alle, dass das wahr ist. Ehrlich gesagt wundert es mich, dass wir noch nicht dran sind, wenn man bedenkt, dass Kyrie mal mit Egyn und ich mit Iblis zusammen war.”
 

„Beschwöre es nicht noch herauf.”, fuhr Erato dazwischen. „Aber Keto hat recht. Die beiden kommen da nie mehr raus. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Azazel sie wirklich verraten hat. Andererseits habe ich sowieso nie begriffen, was so in einem Kopf vor sich geht. Ehrlich gesagt, hatte ich immer das Gefühl, dass er psychisch nicht grad gesund ist.” Kyrene knallte ihren Becher auf den Tisch, sodass er unter der Wucht zerbrach und der Tee herumspritzte. „Kyrie!”, empörte sich Erato, doch sie ignorierte ihre Schwester. „Ihr wisst doch gar nichts! Azazel wirkt vielleicht etwas seltsam, aber es ist ganz sicher kein Verräter und erst recht kein Psychopath! Und Rin ist stärker als ihr denkt.”
 

„So gut kennst du ihn auch wieder nicht.”, schnaubte Keto.
 

„Mag sein, aber ich kenne seine Geschwister und ihr dürftet wissen, dass das in der Familie liegt. Also hört auf Leviathan an die Wand zu malen!”
 

„Das nennt man realistisch sein.”, sagte Keto etwas versöhnlicher. „Es ist vorbei. Assiah ist als nächstes dran und nach dem, was ich gehört habe, plant Lilith uns Sirenen mit einzusetzen. Du weißt, was passiert, wenn wir für Sterbliche singen, nicht wahr? Sie werden sich gegeneinander wenden, sie werden alles und jeden niedermetzeln, ohne einen Funken eigenen Willen. Die Leichen werden wochenlang die Straßen verstopfen. Der Rest wird für immer versklavt sein.” Kyrene biss sich auf die Lippe. Natürlich hatte sie davon gehört. Lilith plante schon seit langem sich die Sirenen zunutze zu machen. Ihr Gesang konnte nicht nur andere anlocken sondern sie auch manipulieren. Zu Beginn war es meist noch schleichend. Die Betroffenen selbst bemerkten keine großen Veränderungen, doch schon nach einer Weile wurde sie immer willenloser und taten was man ihnen befahl ohne groß nachzudenken. Noch einfacher war es, sie dazu bringen miteinander zu streiten oder gar zu kämpfen, da reichte schon ein Lied aus. Sie konnten andere sogar auf diese Weise dazu bringen, sich in sie zu verlieben. Je mehr Personen ihnen verfielen, umso mächtiger wurden sie und umso unwiderstehlicher waren ihre Stimmen. Wer einmal in dem Netz gefangen war, kam in der Regel nicht mehr raus, sie bestimmten dann jeden Schritt. Man könnte die Opfer noch befreien indem man die verantwortlichen Sirenen besiegten, aber ein Trost war es in diesem Fall nicht. Kyrene und ihre Geschwister sangen sehr gerne zusammen, Erato und Keto sangen manchmal auch, um etwas Chaos zu stiften, aber dabei kam es nie zu großen Schäden. Der Gedanke, dass sie ihre Stimmen nun für so einen grausamen Plan gebrauchen sollten, war unerträglich. Es gab gute Gründe, dass Sirenen nicht nach Assiah durften. Zum Teil reichte schon ihre Anwesenheit aus, um für Chaos zu sorgen. Kyrene war einmal mit Egyn nach Assiah gegangen und hatte für einige Aufregung gesorgt. Erst standen sie in einem Laden und Egyn wollte gerade für etwas bezahlen, als der Verkäufer sie plötzlich ansah und ihr alles Geld entgegengehalten und ihr halb seine Liebe gestanden hatte. Während sie damit beschäftigt war, zu beteuern, dass sie nichts gemacht hatte, kamen noch mehr Leute in den Laden, weswegen sie schnell verschwinden mussten bevor es richtig eskalierte. Kurz darauf kam es dann zum nächsten Zwischenfall, welcher in einer ziemlichen Prügelei endete. Im Nachhinein betrachtet war es ja schon ganz witzig, auch wenn Egyn ein wenig verzweifelt war. Das war aber alles Spaß gewesen. Diesmal würde es Tote geben. ‚Jungs, passt bitte auf euch auf.‘, flehte sie im Stillen.

Taumeln

Als Bon Shuras Anruf erhalten hatte, glaubte er zunächst an einen schlechten Scherz. Rin Okumura war ohne jeden Zweifel ein Magnet für Ärger, doch dass er und ein Dämonenkönig, welcher noch dazu zufällig die viertmächtigste Person Gehennas war, verschwanden, war mehr als abwegig. Doch natürlich war es genau so gekommen. Andererseits schienen die Baal Ärger ebenfalls magisch anzuziehen. Es lag wohl in der Familie. Er hoffte wirklich, dass diese Christina etwas herausgefunden hatte. Während er, die restlichen Exorzisten und die Baal sich auf den Weg zu ihr machten, blieben Beelzebub und der Rest zurück. Ihre Aufgabe war es, alles zusammenzupacken und es zu einer anderen Unterkunft zu bringen. Die Drachen kamen ebenfalls mit ihnen, sie wollten nicht wieder auf Iblis warten. Die Stelle, welche die Hexen beschrieben hatten, war nicht sehr weit weg. Sie standen nun auf einer weiteren Lichtung, wo bereits mehrere Hexer und Hexen warteten. Sie alle waren damit beschäftigt sich umzusehen oder zu telefonieren. Christina, welche sie zuerst bemerkt hatte, kam zu ihnen hinüber. „Ihr könnt hier sicher die Spuren des Gehennatores spüren, wohl noch besser als wir.”, begann sie ohne Umschweife. „Wir haben außerdem dort drüben zwei Leichen gefunden. Ein Junge und ein Mädchen. Relativ jung, vielleicht 16 bis 19 Jahre alt. Ich vermute, dass sie ein Paar waren.” Sie deutete auf die andere Seite des Waldrandes, wo tatsächlich etwas lag, jedoch mit Tüchern verdeckt worden war. „Wir sind noch nicht sicher, was genau passiert ist, aber wir glauben, dass sie entweder aus Versehen hier rein gestolpert kamen, als sich die Pforte geöffnet hat und dafür sterben mussten oder sie wollten Rin helfen, wer weiß. Jedenfalls konnten wir keine Waffe finden, aber beide haben im Bauchbereich eine heftige Wunde. Ich denke mal, dass Invidia ihren Arm in eine Klinge verwandelt und die damit aufgespießt hat. Die Klinge ist auf der anderen Seite wieder ausgetreten. Adrijana sagt, wenn sie da nicht schon gestorben sind, hat sie der folgende Blutverlust erledigt. Aber sie kann es nicht wirklich genau sagen solange sie keine Obduktion durchführt. Aber schlussendlich ist es wohl egal wie sie gestorben sind.” Bon fragte sich, woher sie wusste, dass es Invidia war, immerhin hatten sie es erst vor ein paar Minuten herausgefunden. Andererseits hatte der Zeitkönig ihr noch eine Nachricht geschrieben und es ihr sicher darin erzählt. „Es ist auch unwichtig.”, lehnte Samael den Vorschlag sofort ab. „Habt ihr sonst noch etwas gefunden?” Christina nickte. „Wir haben ein paar Blutspuren entdeckt. Zu den beiden dort kann es nicht gehören, es war zu weit weg.” Iblis ging daraufhin zu der Stelle auf die Christina deute und kniete sich hin. „Japp, das ist Rins Blut.”, bestätigte er grimmig. „Woher weißt du das?”, fragte Izumo. Iblis zuckte mit den Schultern. „Es riecht nach ihm. Jeder hat seinen eigenen Geruch und wir Dämonen prägen uns immer den von Familienmitgliedern ein. Das kann einiges erleichtern, um jemanden zu finden.” Shura schnaubte. „Ihr seid wirklich wie Raubtiere, was?”, fragte sie dumpf. Für einen Moment lang glaubte Bon, dass die Exorzistin die Dämonen damit beleidigt hatte, doch sie zuckten nur mit den Schultern. „Was machen wir jetzt mit den Leichen?”, mischte sich Adrijana ein, welche ebenfalls dazu gekommen war. „Die Wucht hinter dem Angriff war gewaltig. Kein normaler Mensch kann sowas schaffen. Auf ein Tier passen die Verletzungen nicht. Selbst Laien werden da stutzig sein.” Die Baal wechselten Blicke. „Schafft die Leichen weg und platziert sie irgendwo in einem verlassenen Gebäude damit die Polizei sie dort findet. Wir ziehen dann ein paar Fäden damit sie bei dir landen. Du musst dir wohl irgendwas passendes einfallen lassen.”, bestimmte Lucifer. Die Russin sah Egyn fragend an, woraufhin er nickte. Also gehörte sie wohl zu ihm, wenn sie ihn um Erlaubnis fragte. „Was passiert jetzt?”, erkundigte sich Shura. Lucifer fuhr sich seufzend durch die Haare. „Leider ist es mehr als unwahrscheinlich, dass Rin noch hier ist. Sie werden längst in Gehenna sein. Momentan können wir uns nur neu sammeln und unsere Truppen zusammenziehen. Außerdem wird ihr Angriff auf Assiah nun nicht mehr lange auf sich warten lassen, also müssen wir bereit sein.”
 

„Wir sollen Okumura im Stich lassen?!”, entfuhr es Koneko. Der Rest protestierte ebenfalls und Bon starrte den Lichtkönig wütend an. Als ob er einen Freund zurück ließ! „Wir können momentan nichts für ihn oder Azazel tun.”, mischte sich Samael ungewöhnlich ernst klingend ein. „Noch einmal in den Palast einzubrechen wäre Selbstmord. Wir müssen jetzt abwarten und den richtigen Augenblick erwischen.” Yukio bleckte die Zähne. „Und wenn der nicht kommt?!”
 

„Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Sie wird einen Fehler machen.”, warf Beelzebub ein. „Dann könnte es längst zu spät sein.”, antwortete Izumo kopfschüttelnd. „Wir haben keine Wahl und damit Schluss.”, fuhr Lucifer etwas barsch dazwischen. „Wir erledigen hier alles, dann gehen wir zurück.” Sie entließen die Hexen und machten sich auf den Weg zum Treffpunkt. Per Phasensprung landeten sie am Rande der Heiligkreuz-Akademie. Wie immer war der Phasensprung buchstäblich zum kotzen, aber glücklicherweise fiel es Bon immer leichter seinen Mageninhalt unten zu behalten. Er war sich nämlich ziemlich sicher, dass Iblis ihn knusprig grillen würde, wenn er ihm auf die Schuhe spucken sollte, egal ob sie sich nun besser verstanden oder nicht. Die anderen warteten schon. Agash und die Kinder waren natürlich nicht dabei. Nur wenige Minuten später standen sie wieder in einem Konferenzraum. Diesmal waren neben Angel und den Zweigstellenleitern auch die Lehrer dabei. Der blonde Paladin sah alles andere als glücklich aus. „Bekommt ihr überhaupt nichts gebacken!?”, fauchte er die Baal an, kaum dass sie den Raum betreten hatten. „Erst geht ihr nach Gehenna, versagt und jetzt hat Lilith auch noch ein Gefäß?! Ihr werdet es doch wohl schaffen auf einen 16-Jährigen aufzupassen! Und ihr schimpft euch Dämonenkönige?!”
 

„Ach, halt die Luft an, du erbärmliche Entschuldigung für einen Paladin!”, knurrte Astaroth genervt. Doch der Blonde dachte gar nicht dran. „Ihr habt selbst gesagt, dass-”
 

„Oh um Satans Willen, könnte irgendjemand diesem Jammerlappen die Zunge rausschneiden?!”, fauchte Indra irritiert. Nun richtete sich der Blick des Paladins auf sie. „Und du bist?!”, giftete er sie an. Die Zeitdämonin sah ihn an, als wäre er eine Kakerlake. „Wir sind also auf "Du" Basis? Gut zu wissen. Mein Name ist Indra. Hättest du jetzt bitte die Freundlichkeit den Mund zu halten? Andernfalls schneide ich deine Zunge heraus und ich würde ungern meine Hände mit Blut besudeln. Erst recht nicht mit dem eines Menschen.” Oh Junge. Sofort lief Angel rot an. „Du wagst es mir zu drohen?!” Sie grinste. „Genau das habe ich gerade gemacht, oder? Also sei jetzt still oder die Exorzisten werden sich einen neuen Paladin suchen müssen. Bisher scheinst du deine Arbeit sowieso nicht sonderlich gut erledigt zu haben, wenn man das komplette Chaos in Assiah betrachtet. Würdest du so viel Anstrengung in deine Arbeit stecken wie in deine Haarpflege, wären wir ein ganzes Stück weiter. Also Mund halten, hinsetzen und zuhören. Wir wollen nicht unsere Zeit mit einem impertinenten Vollidioten verplempern.” Das Gesicht des Paladins war unbezahlbar. Einige der Dämonenkönige, aber auch Shura und vereinzelte Exorzisten mussten ein Lachen unterdrücken. Noch interessanter wurde es, als sie die Drachen entdeckten. „Aw, sind die süß!”, entfuhr es einer Exorzistin. Angel sah die Sache anders. „Was sind das für Viecher?!”Die Drachen bleckten die Zähne, Iblis erschien ebenfalls beleidigt. „Drachen, Einstein. Aber kommen wir jetzt mal zum Wesentlichen. Wir haben ein verdammt großes Problem.”
 

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Ein paar Stunden später konnten die Dämonen endlich das Gelände verlassen. Ihre Nerven lagen blank, sie wollten einfach nur noch weg. Allerdings hatte Lucifer seine Zweifel, dass es ihnen gelingen würde, einzuschlafen. Sie sprangen zu einem der Hauptquartiere der Hexen. Äußerlich sah es wie ein gewöhnliches Anwesen aus, doch in Wirklichkeit tummelten sich darin Angehöriger verschiedener Hexenzirkel. Wie erwartet konnte keiner schlafen, von den Kindern einmal abgesehen. Am frühen Morgen kam dann die Nachricht, dass die beiden Menschen von letzter Nacht gefunden worden waren. Samael machte sich daraufhin auf den Weg, um dafür zu sorgen, dass die Leichen bei Adrijana landeten. Es war immer ziemlich nervig, wenn Sterbliche wegen Kreaturen aus Gehenna starben und sie dann alles wieder gerade biegen mussten. Die ganzen Verschwörungstheoretiker weltweit machten es nicht besser. Grigori Rasputin war ein äußert gutes Beispiel. Er war ein Hexer in Egyns Diensten gewesen. Nicht wenige hatten diesen als heiligen Teufel oder als einen Dämonen bezeichnet oder zumindest einen Pakt mit dem Teufel nachgesagt. Verwunderlich war es nicht. Immerhin war er verdammt schwer zu töten gewesen. Er hatte mehrere Attentate überlebt. An seinem Todestag hatte er Unmengen von mit Zyankali vergiftetem Kuchen und Madeirawein zu sich genommen, ohne sich daran zu vergiften. Dann hatte man ihm dreimal in die Brust geschossen und schlussendlich in den Newa geworfen. Und das beste an der Geschichte? Er war nicht etwa seinen Verletzungen erlegen, sondern schlicht und ergreifend erfroren. Hätte man ihn also nicht in den Fluss geworfen, wäre er einfach wieder aufgestanden und munter seines Weges gegangen. Auch hatte er der Zarin äußert nahe gestanden und sie beeinflusst sowie den Untergang der Romanow Familie vorhergesagt. Verständlicherweise rankten sich daher heute noch zahlreiche Legenden und gelegentlich Verschwörungstheorien um ihn. Dass jedoch die Exorzisten ordentlich nachgeholfen hatten, da die russische Zweigstelle Rasputin für einen Dämon gehalten hatte (was ja gar nicht mal so weit weg von der Wahrheit war), wussten die wenigsten. So oder so war der Lichtkönig erleichtert, als alles erledigt war. Seine restlichen Geschwister waren ebenfalls beschäftigt. Sie mussten sich wieder mit allen Hexenzirkeln in Verbindung setzten, vorerst die Kontrolle über die Coven unter Azazel übernehmen und Gehenna kontaktieren. Später würden sie zusammen zu den Exorzisten gehen und ihnen bei der Verteidigung helfen. Der Lichtkönig würde seine Brüder nur sehr ungern allein mit ihnen lassen, denn sie waren momentan äußert gereizt und wenn sie dann in einen Streit mit den Exorzisten gerieten, würde wahrscheinlich Blut fließen und ihre zerbrechliche Zusammenarbeit wäre vorbei. Das konnten sie sich momentan nicht leisten, so sehr es ihnen widerstrebte. Gegen Mittag kam dann die nächste Katastrophe. Iblis hatte einen Brief von Halphas erhalten. Darin stand, dass Lilith nun ganz Gehenna verkündet hatte, dass es Azazel gewesen war, der absichtlich die Barriere manipuliert und die ganze Zeit über für sie gearbeitet hatte. Leider sprach einiges dafür. In der Öffentlichkeit sah man ihn nicht mehr, aber laut einigen Dienern im Palast, behielt Lilith ihn immer in der Nähe. Was nun genau stimmte, wusste keiner. Von Rin wussten sie leider nichts, genau wie von Satan. Indra ließ dafür die nächste Bombe platzen und sie alle waren nicht glücklich darüber. „Sag mal, hackt's bei dir?!”, fuhr Iblis sie an. „Du hattest Hinweise darauf, dass Azazel dich eventuell umbringen will und hast nichts gesagt?!”
 

„Wollt ihr mir wirklich weis machen, dass ihr mir geglaubt hättet?”, antwortete sie säuerlich. „Wenn ich ohne Beweise zu euch gekommen wäre und dann Azazel beschuldigt hätte, wäre ich doch gleich wieder rausgeflogen.”
 

„Und warum hast du das nicht schon gestern Abend gesagt?!”, schimpfte Egyn. Die Zeitdämonin wirkte daraufhin etwas peinlich berührt. „Ehrlich gesagt habe ich da nicht mehr an das Attentat gedacht.” Samael schnaubte. „Gibt es sonst noch etwas, das du uns vorenthalten hast?” Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe euch alles erzählt.”
 

„Na, da haben wir ja Glück.” Welch Ironie, dass sowas ausgerechnet aus Samaels Mund kam. Er sollte da ganz still bleiben. Sie beschlossen einstimmig den Exorzisten nichts zu sagen. Die Bastarde würden dann nur versuchen Azazel bei der nächsten Gelegenheit zu erschießen. Noch immer angesäuert machten sich die Baal auf den Weg zu den Exorzisten, um bei der Verteidigungserrichtung mitzuhelfen.
 

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Rin hatte kein Ahnung wie lange er in dieser Zelle gehockt hatte. Es könnten nur Stunden gewesen sein, vielleicht auch Tage. Es gab hier unten kein Licht, es war somit unmöglich die Zeit zu bestimmen. Meistens schlief er oder döste vor sich hin. Mehr konnte er nicht tun, denn die blöden Ketten hielten ihn ja davon ab von seinen Flammen Gebrauch zu machen. Beelzebub hatte recht gehabt. Es war verdammt frustrierend, wenn man von irgendwelchen Zeichen und Linien aufgehalten werden konnte. Das Geräusch eines Schlüssels, welcher im Schloss gedreht wurde, ließ ihn hochfahren. Die Tür schwang auf und wieder wurde er geblendet. Wie lange konnte man nochmal in vollkommener Dunkelheit verbringen bevor man blind wurde? „Also Nephilim, wie sieht es aus?”, fragte ihn Superbias Stimme. Seine Augen gewöhnten sich zu seiner eigenen Verwunderung recht schnell an die wechselnden Lichtverhältnisse. Neben der ältesten Sünde waren auch Luxuria, Avaritia und ein blauhaariges Mädchen dabei. Laut seinen Brüdern war nur Acedia blauhaarig, also musste sie es wohl sein. „Antworte. Jetzt.”, fuhr die blonde Sünde ihn an. Der Nephilim starrte sie an, dann sagte er mit fester Stimme: „Nein.” Stille folgte, eine Stecknadel wäre zu hören gewesen. „Nein?”, fragte Superbia ruhig nach. „Nein.”, bestätigte der Halbdämon. „Lilith kann mich mal. Ich helfe ihr nicht. Ich werde weder meine Familie noch meine Freunde verraten, sondern Lilith in den Arsch treten!” Ein seltsames Geräusch kam von Avaritia. Es klang wie unterdrücktes Lachen. Superbia warf ihr einen genervten Blick zu, dann wandte sie sich wieder abschätzig an ihn. „Falsche Antwort.” Damit drehte sie sich um und ging. Die restlichen Sünden machten keinerlei Anstalten ihr zu folgen, sie bleiben wo sie waren. „Das hättest du nicht tun sollen.”, sprach Luxuria ihn an. „Weil es auch so viel besser wäre, dieser Psychohexe zu helfen.”, knurrte Rin. „Es bringt nichts seinen Kopf für andere hinzuhalten.”, kommentierte Avaritia und streckte sich. „Du hast dir damit nur einen Haufen Ärger eingebrockt. Aber sei's drum. Ich bin weg. ” Mit diesen Worten ging sie ebenfalls. Luxuria starrte ihn noch immer an. „Was?!”, fauchte er. Sie schüttelte nur den Kopf. Kurz darauf kamen Invidia und Ira in die Zelle. Ira hielt eine brennende Fackel, welche sie in die Wandhalterung steckte, danach zogen sie die schwere Tür zu und schlossen erneut ab. Dann wandten sie sich wieder an ihn. Acedia und Luxuria konnte er nicht ansehen, was sie dachten, doch dafür verpasste ihm das Grinsen der anderen beiden Aveira eine Gänsehaut. Invidia trat nach vorne. „Das wird Spaß machen. Zeit dich schreien zu lassen.~”
 

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Ogygia ertrank im Regen. Die Straßen standen unter Wasser und Dreck verstopfte die Kanaldeckel der Hauptstadt Hawaikis. Nur vereinzelt liefen Passanten umher, die meisten beeilten sich, um schnell ihre letzten Besorgungen zu erledigen und endlich nach Hause zu können. Derartig heftiger Niederschlag war in Egyns Reich nicht ungewöhnlich, allein während der Regenzeiten konnte es wochenlang andauern. Diese war allerdings längst vorbei, weswegen viele diese Entwicklung mit Sorge betrachteten. Ja, sie waren Wasserdämonen, aber in überfluteten Städten und Dörfern wollten sie nicht leben. Es war nur ein weiteres Zeichen dafür, dass Lilith Gehennas Gleichgewicht zerstörte. Midgard, Amaimons Reich, welches hauptsächlich von der Landwirtschaft lebte und ansonsten aus Wald bestand, war stellenweise kahl. Pflanzen und ganze Waldstücke starben ab, Ernten gingen ein, scheinbar ohne jeden Grund. Avalon, das Reich der Lichtdämonen lag in ständiger Dunkelheit, Seelen und Entitäten sorgten für Randale in Manala und inzwischen auch in Assiah. Ganz Gehenna schien langsam vor sich hin zu rotten. Viele spekulierten, dass es vor allem an Satans Abwesenheit lag. Ohne ihn würde bald alles zusammenbrechen wie ein Kartenhaus. Seufzend zog Agares ihre Kapuze tiefer ins Gesicht und trottete weiter die Straße entlang. Shax, Amon und Paymon waren ihr dicht auf den Fersen. „Was für ein Wetter.”, murmelte Shax. „Da vermiss ich doch fast die Zelle im Palast. Dort war es immerhin trocken.” Amon und Paymon brummten zustimmend. Agares ignorierte sie und bog in eine Seitengasse ein. „Wir sind fast da.”, raunte sie ihnen zu. „Denkt dran den Kopf unten zu behalten. Das letzte, was wir jetzt brauchen, sind irgendwelche Idioten, die uns die Wachen auf den Hals hetzen.” Amon schnaubte. „Die meisten von denen müssten selbst in 'ner Zelle hocken, da werden sie sicher nicht so dumm sein, zu den Wachen zu rennen.” Paymon schüttelte den Kopf. „Aber sie könnten versuchen mit ihnen zu verhandeln. Sie liefern uns aus und dürfen dafür ungestört ihre Geschäfte weiterführen.” Sie standen nun vor einem scheinbar verlassenen Steingebäude. Fenster und Türen waren vernagelt, doch die Wasserdämonin wusste, dass es alles andere als verlassen war. Sie gingen zur Rückseite des Gebäudes, welches zum Großteil von einer Kletterpflanze überwuchert worden war. Dort, ziemlich weit rechts, waren mehrere Bretter, die man beiseiteschieben und somit ins Innere gelangen konnte. Vorsichtig quetschten sie sich hindurch und folgten einem Gang, welcher sie unter das Gebäude in einen stillgelegten Abschnitt der Kanalisation führte. Dort würde heute ein Markt stattfinden, jedoch kein normaler. Es war einer der größten Schwarzmärkte in dieser Stadt. Man bekam dort fast alles und seit Lilith den Thron bestiegen hatte, waren die Waren begehrter denn je geworden. Vorräte kosteten nun ordentlich Geld, Luxusgegenstände gab es nicht für die normale Bevölkerung. Selbst einfache Stoffe waren lächerlich teuer geworden. Damit war eine gewaltige Kluft zwischen dem Adel, den Reichen und dem gemeinen Volk entstanden. Es hatte die einfachen Leute extrem abhängig von mächtigen Familien gemacht. Nachdem sie eine weitere Tür geöffnet hatten, fanden sie sich in einer weiteren, riesigen Halle wieder. Einfache Stände und Bretterbuden waren eng beinander aufgebaut worden, ohne jegliche Systematik oder Organisation. Es war wie so oft krachend voll. Dämonen und andere Kreaturen drängten sich um die Stände. Manche waren Verbrecher, andere Flüchtlinge und wieder andere wollten einfach nur ihren Familien helfen. Es wurde gefeilscht und geboten, jeder wollte so viel wie möglich ergattern. Für jeden gab es irgendetwas nützliches. Waffen, Ausrüstung, Kleidung, Nahrungsvorräte und gefälschte Dokumente waren die häufigsten Dinge. Agares ließ ihren Blick umher schweifen. Genau wie bei ihrem letzten Besuch, gab es ein reichhaltiges Angebot. In Haut gewickelte Bücher, Kräuter und Medizin, Drogen, Amulette, getrocknete Zutaten wie sie Hexen und Schamanen verwendeten, Knochen, Krallen und Zähne, Schrumpfköpfe, Tiere, Tier-Eier, verschiedene Pulver, Plunder aus Assiah (Sie unterdrückte ihr inneres aufgeregtes Gequieke) und vieles mehr. „Wie in Satans Namen sollen wir hier Danag finden?”‚ murmelte Amon und sah sich ebenfalls um. „Rumfragen ist momentan nicht grad die beste Strategie.”
 

„So viele Alukah mit roten Haaren gibt es nicht, das wird schon irgendwie.”, beruhigte Shax ihn. „Beeilen wir uns.” Leider wurde es doch nicht so einfach. Man musste immer wieder aufpassen, dass man nicht in den Gegenstrom geriet und durfte nicht schüchtern mit den Ellbogen sein. Gleichzeitig gaben sie sich Mühe den Blick gesenkt zu halten. Nicht jeder kannte ihre Gesichter, aber es waren genug und keiner von ihnen wollte nochmal in einer Zelle landen. Endlich schien Shax etwas gefunden zu haben und winkte sie hinüber. Danag war ein typischer Kleinverbrecher und vor allem in Drogenhandel, Schmuggel, Dokumentenfälschung und kleinere Diebstähle involviert. Getötet hatte er allerdings noch nie, er war also noch relativ harmlos. Nun, so harmlos wie ein Halbfeuerdämon, Halbalukah eben sein konnte. Er war inzwischen schon so oft im örtlichen Gefängnis gewesen, dass er quasi die Lebensgeschichten aller Wächter kannte und immer munter mit ihnen plauderte. Er war zudem immer recht entspannt, wenn er mal wieder bei seinen Machenschaften erwischt und verhaftet wurde. Außerdem hatte er ihnen in der Vergangenheit bereits öfter geholfen, er war also gar kein so schlechter Kerl. Geld würde er jedoch trotzdem wollen. Während sie langsam näher traten, sahen sie sich seinen Stand näher an. Wie so oft bot er Drogen und gefälschte Dokumente an, hinzu kamen diesmal auch einige Lebensmittel und Ware aus Assiah. Seit die Grenze so instabil geworden war, dass sich ständig Gehennatore öffneten, hatten sie diese immer häufiger. „Hallo Danag. Lange nicht gesehen.”, begrüßte Shax das Halbblut. Danag schien absolut nicht überrascht zu sein, sie zu sehen. „Ah, wenn des nicht meine alten Freunde sind. Ich hatte mich schon gefragt, wann ihr kommt.”, grinste er und setzte seine Sonnenbrille ab, mit der er seine Augen versteckte. Agares unterdrückte ein Schaudern. Wie bei allen Alukah war die Hornhaut komplett schwarz. Die Iris war dagegen gold, was seiner Feuerdämonenhälfte zu verdanken war. Wenn man das schwarze in den Augen und die Zähne ignorierte, konnte er durchaus als Dämon durchgehen. „Du hast uns also erwartet.”, stellte Paymon fest. Danag zuckte mit den Schultern. „Ich hatte so 'ne Ahnung. Ich hab gehört, dass ihr dabei seid, Widerstandsgruppen gegen Lilith zu versammeln. War also nur eine Frage der Zeit bis ihr vorbei schaut.” Als sie sich alarmierte Blicke zuwarfen, hob er abwehrend die Hände. „Schon gut, es sind nur Gerüchte, es ist euch keiner auf der Spur.” Erleichtert atmete Agares aus. Sie hatten sich viel Mühe gegeben, um alles geheim zu halten, aber sie hatten bei weitem nicht die Ressourcen, die sie eigentlich brauchten. Die Ausgangssperren, die Kürzungen der Vorräte und die verstärkten Patrouillen machten es nicht einfacher. Besonders durch das Militär wurde zur Zeit hart durchgegriffen, viele die der eigentlichen Königsfamilie treu geblieben waren, mussten fliehen oder warteten bereits auf ihre Hinrichtung. Deserteure wurden ebenfalls mit dem Tode bestraft und es gab Hinweise, dass die Wehrpflicht wieder eingeführt werden sollte. In anderen Worten: Die einfache Bevölkerung war am Arsch und die Adligen machten sich einen Bunten, auch wenn Agares bezweifelte, dass dies lange anhalten würde. Lilith würde dem Rat nie erlauben weiter zu bestehen, sie war zu paranoid dafür. Auch glaubte sie nicht daran, dass die Dämonin den Aveira etwas von ihrer Macht abgeben würde. Sie zwang sich wieder dem Gespräch zuzuhören. „Also, was bekomme ich dafür, wenn ich euch helfe?”, grinste Danag. „Was immer du willst. Geld. Alkohol. Noch bestehende Anklagen werden fallen gelassen. Egal.”, antwortete Shax. Der Halb-Alukah tippte sich nach nachdenklich gegen das Kinn. „Verlockend. Aber wenn die irre Königin rausbekommt, dass ich euch geholfen habe, wäre das nicht gut. Weder für mein Leben noch für's Geschäft. Aber reden wir anderswo drüber. Hier versteh ich kaum ein Wort.” Er winkte einen seiner Kumpanen heran, damit er auf den Stand aufpasste und machte sich zusammen mit den Stellvertretern auf den Weg zu einer abgelegeneren Stelle am Rande der Halle. Dort war ein relativ großer Lagerraum, dessen Tür er öffnete und sich darin gegen die Wand lehnte. Mit verschränkten Armen sah er sie erwartungsvoll an. „Wie gesagt, ihr solltet mir lieber was gutes bieten. Ist nichts persönliches, ich mag euch, aber mein Leben mag ich nun mal mehr.” Amon schnaubte. „Dir ist doch sicher klar, dass Lilith dich mit deinen kleinen Verbrechen nicht so leicht vom Hacken lassen wird, wie wir es immer getan haben? Sie sieht deinesgleichen als Ungeziefer an. Willst du das wirklich riskieren?” Danag überlegte erneut bevor er nickte. „Schätze ihr habt da nicht ganz Unrecht...ach Scheiß drauf, ich sag euch, was ihr wissen wollt.” Agares war überrascht. „Wir hätten nicht gedacht, dass du dich so einfach überzeugen lassen würdest.” Sie bekam ein Schulterzucken zur Antwort. „Ich hatte nie viel für den ganzen Politik Kram übrig, aber selbst ich kapiere, dass es uns unter Satan und seinen Bälgern besser ging. Da sind sich sogar viele hier auf dem Schwarzmarkt einig. Aber es wird euch kosten.” Sie versicherten ihm schnell, dass er belohnt werden würde, dann begann er zu erzählen. „Manche Sachen sind natürlich nur Gerüchte, man hört zur Zeit viel in der Unterwelt, aber da viele Geschäfte mit Leuten im Palast machen, sollte vieles stimmen. Satan geht's wohl den Umständen entsprechend gut, er ist eben eingesperrt und hat am Lilith am Hals. Armer Kerl, aber immerhin ist sie mehr als attraktiv. Interessanter wird's schon bei Azazel und diesem Nephilim. Was war sein Name noch gleich? Was aus Assiah, oder? Na egal. Jedenfalls sieht man Azazel immer mal, aber er sieht aus wie auf 'nem Drogentrip. Extrem blass, tiefe Schatten unter den Augen, die Haare sind total schlaff und wahrscheinlich sogar am ausfallen...und er hat ordentlich an Gewicht verloren. Sein Gesicht ist eingefallen. Außerdem haben wohl schon einige beobachtet, dass er hin und wieder Blut hervor hustet. Scheint jedoch nicht die rote Seuche zu sein. Er ist jedenfalls so gut wie immer an Liliths Seite, aber verhält sich ruhig. Einige sagen, dass sie ihn längst gebrochen hat. Zum Nephilim kann ich nicht viel sagen, er hockt in einer Zelle. Angeblich will sie ihn benutzen, um Assiah zu erobern, mehr weiß ich nicht.” Sie nickten beunruhigt. Sie machten sich wirklich Sorgen um den Geisterkönig und natürlich um Rin. Wie auch die Baal glaubten sie nicht daran, dass Azazel wirklich ein Verräter war. „Und weiter?”, hakte Paymon nach.
 

„Na ja, wie ihr ja wisst, haben sich die meisten Adelshäuser recht schnell unterworfen, aber so einige warten nur darauf sie wieder vom Thron zu stoßen. Sogar einige, die Satan eher negativ betrachtet haben, wären bereit ihm dabei zu helfen wieder auf den Thron zu kommen. Ich kann euch nachher mal 'ne List geben. Ansonsten ist Lilith momentan dabei die Sirenen zusammenzutrommeln.” Das war neu. „Die Sirenen?”, fragte Shax, obwohl er bereits eine üble Vorahnung hatte. Danag nickte. „Sie will sie auf die Vergänglichen loslassen und natürlich auf die Dämonenkönige und denen, die ihnen folgen.”
 

„Aber sie sind immun gegen den Gesang, weil Satans Blut in ihren Adern fließt.”, gab Amon zu bedenken. Der Alukah grinste bitter. „Lilith hat ,wenn man meinen Quellen glauben darf, eine Möglichkeit gefunden, das zu umgehen. Sie werden genauso betroffen sein wie alle anderen. Und ich glaube ich muss euch nicht erzählen, was passiert, wenn sie auch noch alle Baal unter Kontrolle hat. Dagegen war der Krieg gegen sie 'ne Kissenschlacht.” Die Dämonen starrten ihn mit offenen Mündern an. „...Das ist ein Scherz oder?”, fragte Shax.
 

„Nö. Und wenn es schon die Baal trifft, sind du und Alastor genauso am Arsch, Erzdämonen hin oder her. Die Sirenen machen natürlich nicht freiwillig mit, aber sie haben nicht wirklich 'ne Wahl.”
 

„Super. Als ob sie nicht schon genug Macht hat.”, seufzte Paymon. „Kannst du uns noch etwas zu Liliths Züchtungen sagen? Wir hören immer wieder Gerüchte darüber.”
 

„Jepp. Scheinbar hat sie Uphirs alte Aufzeichnungen gefunden. Ihr wisst schon, die über die illegalen Züchtungen, verbotene Alchemie und das Verschmelzen von Lebewesen?” Agares spürte wie sich ihr Magen umdrehte. Wenn Lilith wirklich dieses verbotene Wissen benutzte, dann prost Mahlzeit. „Ja, davon haben wir gehört.” Wer hatte das nicht? Die anderen nickten zustimmend. Danag nickte. „Angeblich arbeitet sie an neuen Dingen. Unter anderem versucht sie angeblich unter anderem Sirenen-Alukah Hybriden zu züchten.”
 

„Du machst Witze.”
 

„Seh' ich aus, als würde ich Scherze machen? Oh, und an den Dämonen, die in Zellen sitzen, experimentiert sie auch munter rum. Man munkelt, dass sie erreichen will, dass sie ihr bedingungslos gehorchen und nicht mehr sterben. Quasi wie solche Zombie Teile auf die Menschen in Assiah so stehen.”
 

„Was für Teile?”, fragte Amon verwirrt. Der Halbdämon zuckte mit den Schultern. „Vor einiger Zeit kam so ein komisches Heft aus Assiah rüber, da war das drin. Sind eigentlich wie Ghule, nur ohne Intelligenz und die alles töten wollen.”
 

„Also will Lilith sie zu etwas machen, dass ohne Reue tötet, blutdurstig ist, nicht sterben kann und auf sie hört?”, fasste Paymon zusammen.
 

„Genau. Sie wird's wohl nicht bis zu ihrer Invasion schaffen, aber verstörend genug ist es. Heißt wohl, dass sie Satans Flammen irgendwie benutzen kann, um sich neue Haustiere zu basteln.”
 

„Tja, sie hat Ambitionen. Das muss man der Hexe lassen.”, murrte Amon. „Hey, kein Grund die armen Hexen zu beleidigen.”, murmelte Agares. „Jetzt aber nochmal kurz zurück zu den Adligen.”, lenkte Shax das Gespräch zu einem anderen Thema. „Sicher kennst du noch mehr Leute, die uns im Kampf mit Lilith helfen würden, nicht wahr?” Danag grinste. „Klar doch. Dann hört mal gut zu.”
 

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Die nächsten zwei Wochen waren für die Dämonenkönige unerträglich. Sie erfuhren nur wenig über ihre beiden Brüder oder ihren Vater und was sie hörten, war mehr als besorgniserregend. Dafür wussten sie nun, dass Lilith plante, Sirenen einzusetzen, sowie neue vorher noch nicht existierende Wesen. Da kam doch wirklich Freude auf. Allerdings sahen sie momentan das größere Problem bei den Sirenen. Mit ihren Stimmen konnten sie Menschen und den Großteil der Dämonen bezirzen, es würde folglich ein gewaltiges Chaos geben, wenn sie keine Vorkehrungen trafen. Hinzu kam, dass die Dämonengöttin angeblich eine Möglichkeit gefunden hatte, sie ebenfalls zu verhexen. Wenn dies stimmte, mussten sie sich gut vorbereiten. Vaya hatte derweil seit Rins Verschwinden genug davon immer nur doof daneben zu stehen (Vayas Worte, nicht die Worte der Baal) und übte nun mit Egyn regelmäßig Nahkampf. Sie hatte bereits einige grundlegende Techniken von Ankou gelernt, also stellte sie sich sogar recht geschickt an. Sie musste nur aufhören sich zu entschuldigen, wenn sie Egyn traf und zu Boden warf. Richtig interessant würde es jedoch werden, wenn die Dämonen, Illuminati und Exorzisten aufeinander trafen. Hoffentlich schlugen sie sich nicht gegenseitig die Köpfe ein. Momentan war es Abend und sie warteten in einem verlassenen U-Bahn Tunnel auf die Ankunft ihrer Stellvertreter, sowie einiger Dämonen ihrer Elite Einheiten. Laut Berichte hatten sich hier unten schon öfter Gehennatore geöffnet, also hofften sie, dass sie wirklich hier rauskamen. Nicht gerade eine gute Strategie, aber ohne Rin hatten sie niemanden, der eine Gehennapforte öffnen konnten, es blieb ihnen somit keine andere Wahl. Das war wohl der einzige Vorteil der geschwächten Barrieren. Endlich öffnete sich die Pforte und tatsächlich hatten sie Glück. Ihre Stellvertreter inklusive Alastor und der Eliteeinheiten standen vor ihnen. „Ihr lebt ja noch. Beeindruckend.”, kommentierte Alastor trocken. Lucifer verdrehte die Augen. Er hatte jetzt wirklich keine Nerven. „Tja, tut mir leid dich zu enttäuschen. Ist euch jemand gefolgt?” Kopfschütteln seitens der Stellvertreter. „Nein, aber wir sollten hier trotzdem nicht ewig rumhocken.”, gab Ankou zu bedenken und sah sich um. „Wo sind wir hier überhaupt?”
 

„In einer verlassenen U-Bahn Station.”, antwortete Lucifer. „Jetzt kommt. Wir können hier keinen Phasensprung ausführen, weil die Exorzisten hier vor einigen Jahren Bannkreise platziert haben.”
 

„Können sie die nicht entfernen?”
 

Lucifer zuckte mit den Schultern. „Sie behaupten, dass es zu viele sind. Vielleicht vertrauen sie uns auch einfach nicht.”
 

„Ich würde es an ihrer Stelle nicht anders machen.”, brummte Halphas. „Gibt es etwas neues von Rin, Azazel oder Vater?”, fragte Egyn hoffnungsvoll. Shax schüttelte niedergeschlagen den Kopf. „Leider nein. Man hört so gut wie nichts vom Palast. Da sie Assiah noch nicht angegriffen haben, scheint Rin noch Widerstand zu leisten, aber sicher nicht mehr für lange. Hoffen wir auf das Beste.” Sie standen nun vor einer Gabelung. „Wir müsse nach-”, begann der Lichtkönig nur um von Iblis unterbrochen zu werden. „Oh nein, ganz sicher hören wir nicht auf dich, wenn es um Orientierung geht.” Er wurde wütend angefunkelt. „Ich kann mich ja wohl bei zwei Wegen für den richtigen entscheiden!” Die Baal, die Stellvertreter und Lucifers Eliteeinheiten wechselten vielsagende Blicke. „Gehen wir einfach nach links.”, seufzte Egyn. Endlich erreichten sie die Oberfläche. Die Dämonen sahen sich neugierig um, immerhin waren die meisten von ihnen noch nie in Assiah gewesen. Sie entwickelten ein sehr großes Interesse an Ampeln, Hydranten, Autos, Verkehrsschildern und den Anzeigetafeln. Besonders Agares wirkte äußert aufgeregt. Samael zog sein Handy hervor, Beelzebub eine Karte und zeigte sie den Neuankömmlingen. „Wir sind hier und dort müssen wir hin.” Er zeigte es auf der Karte und alle nickten. „Und so muss das Gebäude aussehen.”Diesmal zeigte er ihnen das Bild auf Samaels Handy. Wieder nickten alle. Um einen Phasensprung auszuführen, musste man wissen wie der Ort an den man wollte, aussah. Am besten sollte man zusätzlich wissen, wie weit der momentane und gewünschte Aufenthaltsort in etwa war, um Verwechslungen zu vermeiden. Natürlich könnten die Baal sie einfach mitnehmen, aber falls etwas passierte und sie getrennt wurden, wäre es fatal, wenn die Dämonen nicht wussten, wo sie hin mussten. Sicher war also sicher. Sie hatten keine Lust, sie irgendwo in der Antarktis oder in Australien aufzulesen. Oder in einer Polizeistation, weil sie mit Waffen rumrannten. Es war nicht besonders viel auf den Straßen los, daher würde es wohl niemanden auffallen, wenn plötzlich mehrere Leute verschwanden. Hofften sie. Falls doch, dann dumm gelaufen. Sie hatten echt andere Sorgen. Lucifer atmete erleichtert auf, als sie endlich wieder im Hexenquartier standen. Während sich Amon auf den Weg zu seinen Kindern und Agash machte, bezog der Rest ihre Unterkünfte für die Nacht. Ab morgen würden sie in der Heiligkreuz-Akademie bleiben. Davon war keiner begeistert gewesen, aber es gab dort zum einem mehr Platz, um die Truppen unterzubringen, welche noch kommen würden und zum anderen würde es zweifellos zu Liliths ersten Zielen gehörten. Die Schüler der Akademie waren vorerst nach Hause geschickt worden, offiziell wegen dem ständig wechselnden, extremen Wetter und erhöhter Erdbebengefahr. Dies war nicht mal gelogen. Das Gelände war wirklich stark betroffen. Leider währte ihre Ruhe nicht lange, denn erneut klingelte sein Telefon. Schon wieder einer seiner Hohepriester. Seufzend nahm er den Anruf entgegen. Langsam ging es in die heiße Phase.
 

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Rin lag zusammen gerollt auf dem Boden seiner Zelle, den Schweif fest zwischen die Beine geklemmt und am zittern. Er konnte nicht mehr, er wollte nicht mehr. Er hatte sich auf Schmerzen eingestellt, doch dies war mehr als er je hätte erwarten können. Wie konnte man sowas mögen? Manche der Aveira hatten sichtlich Spaß daran, aber weshalb? Sicher, er hatte von Sadisten gehört, Shiratori war immerhin einer gewesen (oder war das Astaroths Einfluss?), aber es selbst am eigenen Leibe zu erleben, war anders. Was jedoch eindeutig schlimmer war als die körperlichen Schmerzen, waren die Angriffe auf seine Psyche. Zu Beginn war es noch irgendwie wegzustecken gewesen. Sie hatten ihn größtenteils verspottet, ihm gesagt er wäre wertlos und niemand würde ihm helfen oder sich auch nur für ihn interessieren. Das Problem war, dass man es irgendwann glaubte, wenn man es immer wieder hörte. Dann war es noch schlimmer geworden. Sie hatten ihn mit Visionen und Illusionen geplagt, ihn mit Dingen konfrontiert, die er lieber vergessen wollte und manipulierten seine Erinnerungen. Er sah sich in Assiah, wo er nur verachtet und gehasst wurde, dann war er in Gehenna, wo er von seiner Familie terrorisiert wurde. Sie verletzten ihn, misshandelten ihn und lachten ihn aus. Er wusste, dass es nicht echt war. Diese Erinnerungen waren falsch. Doch die Dämonenkönige hatten recht gehabt. Wenn sich Luxuria und Acedia zusammen taten, war es ein einziger Albtraum. Oft nahm Invidia die Gestalt von Leuten an, die ihm wichtig waren und folterte ihn dann. Sogar Shiros Gestalt hatte sie bereits angenommen, woher auch immer sie von ihm wusste. Mit jedem Tag, der verging, fiel es ihm schwerer Realität und Lüge zu unterscheiden. Hatte Yukio ihn versucht zu erschießen? Hatte sein Vater ihn jemals verbrannt, weil er Widerwirte geäußert hatte? War er zusammengeschlagen worden, wenn seinen Halbbrüdern langweilig gewesen war? Er hatte keine Ahnung mehr. Was wenn es stimmte? Was wenn seine angebliche Familie ihm das wirklich angetan hatte? Seine Albträume wurden immer intensiver, der Hunger und der Durst waren beinahe unerträglich. Dennoch weigerte er sich aufzugeben. Immer wenn Lilith seine Zelle betrat, leistete er Widerstand, egal wie schwer es ihm inzwischen fiel. Ein Teil von ihm wollte allerdings nur, dass es endete. Leider waren Lilith und die Aveira nicht die einzigen, die ihn gerne quälten. Aulak hatte ihm gegenüber einen gehörigen Groll entwickelt und ließ es sich nicht nehmen immer wieder vorbei zu schauen. Die Besuche liefen meist gleich ab, doch an den ersten konnte er sich am deutlichsten erinnern. Der Alukah hatte sich ihm grinsend genährt und nur gesagt, dass ihm diesmal keiner helfen konnte. Dann war er plötzlich über ihm gewesen, die Zähne waren in voller Länge draußen. Was danach kam, wusste der Nephilim nicht mehr. Er war später aufgewacht, sehr geschwächt und orientierungslos. Als er an seinen Hals gegriffen hatte, konnte er dort die bereits verschlossene Wunde spüren. Damit war klar gewesen, was passiert war. Der Alukah war noch öfter gekommen und hatte sogar begonnen seine Kräfte gegen den Nephilim zu verwenden, um ihn gefügig zu machen und zu demonstrieren, dass er ihrer Gnade ausgeliefert war. Laut Aulak hatte sein Blut eine fast schon berauschende Wirkung. Na danke. Warum er nicht längst an Blutverlust gestorben war, blieb ein Rätsel. Wahrscheinlich regenerierte er Blut schneller als normale Menschen. Er zuckte zusammen, als sich die Tür öffnete. Doch es waren weder Lilith noch Aulak oder eine der Aveira, sondern einer der Wachen, der ihm Essen brachte. Es waren nur zwei Scheiben Brot und etwas Wasser, aber für Rin sah es aus wie ein Festmahl. Dennoch traute er dem Frieden nicht. Bisher hatte man immer hungern lassen und wenn Essen kam, musste er immer irgendwas tun, um es sich zu "verdienen". Der Wächter stellte es wortlos vor ihm ab, ohne ihn anzusehen. Hatte er Mitleid mit ihm? Gut möglich. Bringen würde es nur nichts. „Wo ist der Hacken?”, krächzte Rin hervor. Es wunderte ihn, dass er nach dem ganzen Schreien noch sprechen konnte. „Gibt keinen. Luxuria und Avaritia meinten, dass du es nötig hast.”, kam die knappe Antwort. Damit drehte er sich um und ließ ihn wieder in der Dunkelheit zurück. Zuerst spielte der Nephilim mit dem Gedanken, das Essen und Wasser einfach stehen zu lassen. Wer wusste schon was da drin war? Andererseits knurrte sein Magen und er war vollkommen ausgetrocknet. Er beschloss es zu riskieren. Das Brot war trocken und das Wasser schmeckte etwas schlammig, aber es war ihm egal. Als der Teller und der Becher leer waren, lehnte er sich wieder gegen die Wand. Allerdings währte die Ruhe nicht lange. Die Tür öffnete sich erneut und Avaritia betrat die Zelle. Der Nephilim war überrascht. Sie hatte sich bisher noch nie hier blicken lassen. Hin und wieder wurde er in einen anderen Raum gebracht und er meinte sie dort gelegentlich gesehen zu haben, allerdings nur als stille Beobachterin. Was wollte sie von ihm? Die Silberhaarige starrte ihn an. „Du bist echt am Ende.”, kommentierte sie. Rin schnaubte. „Ach wirklich? Danke für die Info. Hätte ich nie selbst bemerkt.” Sie lachte kurz auf. „Du bist nicht leicht klein zu bekommen, was? Du verschwendest aber deine Zeit. Du kannst nicht gewinnen.”
 

„Ich hab die Rede schon bekommen. Wenn das alles ist, kannst du wieder gehen.”, brachte der Halbdämon hervor. Sie verdrehte die Augen. „Ich versuche hier, dir 'nen Gefallen zu tun. Je länger du es hinauszögert, umso schmerzhafter wird es für dich und umso nerviger für uns.”
 

„Warum haben du und Luxuria mir Essen bringen lassen?”, fragte Rin, ihre Aussage komplett ignorierend. Die Aveira zuckte mit den Schultern. „Hey, wir sind nicht herzlos. Luxuria hat sogar irgendwie Mitleid mit dir...abgesehen davon bringst du uns nicht, wenn du tot bist. Klar, Lilith braucht dich nicht unbedingt, aber schlechte Laune hätte sie trotzdem. Und wenn sie schlechte Laune hat, ist das schlecht für uns. Glaub mir, es ist besser ihr einfach zu geben, was sie will. Dieses Miststück wird ziemlich ungemütlich, wenn sie ihren Willen nicht bekommt. Sie ist da wie ein kleines Kind.” Rin sah sie verwundert an. „Du scheinst nicht viel von ihr zu halten. Warum arbeitest du dann für sie?” Sie lachte kalt. „Ich bin ein Teil von ihr. Oder war es mal. Wenn ich versuche mein eigenes Ding zu machen, bin ich schneller weg als ich mit Gula 'ne Flasche Alkohol weg bekomme. Außerdem könnte ich nirgends hin. Satan und deine Geschwister oder generell Gehenna sind nicht grad angetan von uns. Sie würden mich töten.” Der Nephilim schüttelte den Kopf. „Nur weil du ein Teil von ihr bist oder warst, heißt das lange noch nicht, dass du alles tun musst, was sie dir sagt. Du hast deine eigene Persönlichkeit und eigene Ziele, oder? Ihr solltet selbst entscheiden können.” Zu seiner Überraschung hielt Avaritia inne und sah ihn durchdringend an. Er konnte die Emotion jedoch nicht benennen. „Es spielt keine Rolle.”, sagte sie langsam. „Ernsthaft, mein Rat: Gib auf. Du wirst nie gegen sie bestehen. Mach es dir und allen anderen einfach.” Er antwortete nicht und sie schien es nicht zu erwarten. Erneut wurde er allein in der Zelle zurückgelassen. Eine weitere Woche verging. Zumindest glaubte er, dass es eine Woche war. Seine Albträume wurden immer schlimmer, die Illusionen stetig realer. Inzwischen glaubte er, dass sein Vater und seine Geschwister ihn vielleicht wirklich verletzt hatten und er es nur verdrängte. Er wusste nicht mehr was real und was Einbildung war. Er war am Ende. Er wollte, dass es aufhörte. „Hey. Sieh mich gefälligst an.”, sagte Astaroths Stimme und kickte ihn mit dem Knie in den Magen. Er rührte sich kaum. „Was? Bist du schon am Ende? Erbärmlich. Aber was kann man schon von einer Missgeburt wie dir erwarten?”
 

„......”
 

„Vater hätte dich einfach umbringen sollen, dann hätten wir einiges an Sorgen weniger. Das hier ist alles deine Schuld.”
 

„......”
 

„Langweilig. Jetzt sagst du nicht mal was? Heeeeey, ich rede mit dir.” Der Halbdämon schwieg weiterhin. Bevor Astaroth (Invidia) ihn zusammenschlagen konnte, öffnete sich die Tür. Es war Lilith, diesmal allein. Sie hatte zuvor ein paar Mal Azazel mitgenommen. Dieser hatte nie irgendeine Regung gezeigt, egal in welchem Zustand er war. Einige Male war er sogar ebenfalls von ihm gefoltert worden, aber das könnte durchaus nur Invidia gewesen sein, oder? So oder so war er ihnen allen wohl wirklich egal. „Das reicht jetzt. Ich rede mit ihm.”, sagte die Dämonengöttin. Als sie alleine waren, schwieg sie für einige Sekunden, doch ergriff schließlich das Wort. „Du hast es endlich eingesehen, oder? Dass du wertlos bist. Dass du deiner sogenannten Familie nur Unglück gebracht hast. Gut, du bist ihnen sowieso egal. Deine Freunde hassen dich. Du hast niemanden mehr. Ich kann dir aber die Schmerzen nehmen. Alles was du tun musst, ist mich rein zu lassen.” Etwas sagte Rin, dass dies eine schlechte Idee war. Sie versuchte ihn zu manipulieren. Jedoch war die Stimme so winzig, dass er sie einfach ignorierte. Sie hatte recht. Er war wertlos. Er hatte niemanden mehr. Er war in dieser Hölle gefangen, er wollte, dass es aufhörte und sie war die einzige, die ihm helfen konnte. Ihn hasste sowieso jeder. Es machte keinen Unterschied mehr. Damit traf er seine Entscheidung. „....Ich lasse dich rein.” Die einzige Antwort, die er bekam, war ein raubtierhaftes Grinsen.

Das Lied der Sirenen

Satan wurde langsam, aber sicher nervös. Schon seit einer knappen Wochen war Lilith nicht mehr gekommen, von kurzen Besuchen abgesehen. Zuvor hätte er wirklich nichts dagegen gehabt, aber nun da sie Rin und Azazel hatte, bereitete es ihm große Sorgen. Natürlich sagte ihm keiner irgendetwas, stattdessen durfte er den ganzen Tag in diesem Raum sitzen, eingekerkert zwischen Bannkreisen und Siegeln. Mehr als peinlich. Beinahe war er froh, als sich die Tür öffnete. aber wirklich nur fast. „Hast du mich vermisst?”, grinste Lilith. Er verzog das Gesicht. „Es war mir um einiges lieber die Mauersteine zu zählen als deine Gegenwart zu ertragen.” Sie verdrehte die Augen. „Sei nicht so melodramatisch, das steht dir nicht. Ich bin nur hier, um dir zu sagen, dass wir nach Assiah gehen.”
 

„Oh toll. Neue Steine zum zählen.”, antwortete Satan bissig. Natürlich war er mehr als neugierig, aber ließ es sich nicht anmerken. Lilith ließ sich nicht beirren. „Der Nephilim ist eingeknickt. Du hast mir mit deinen ganzen Bälgern wirklich einen großen Gefallen erwiesen.~” Dem Dämonengott wich die Farbe aus dem Gesicht. „Was hast du getan?!”, fauchte er. Sie grinste nur. „Ich gebe zu, dass er länger durchgehalten hat als erwartet, aber schlussendlich zerbrechen sie alle. Wir mussten ihm nur einige falsche Erinnerungen geben und ihn mit Illusionen und Visionen bearbeiten. Am Ende musste er leider einsehen, dass er wertlos und ungewollt ist. Zu Schade.~”
 

Satan wusste sofort, was passiert war und was diese Visionen und falschen Erinnerungen höchstwahrscheinlich gezeigt hatten. „DU VERDAMMTES MISTSTÜCK!”, explodierte er und wollte zu ihr gehen, um sie zu erwürgen, doch natürlich hielten ihn die Barrieren zurück, woraufhin er ein animalisches Grollen ausstieß. Er spürte wie sich seine Pupillen verformten und die Dämonenmale auftauchten, doch es interessierte ihn nicht. Die Rothaarige zeigte sich unbeeindruckt und lachte. „Was hast du erwartet? Er ist schwach. Er ist leicht zu manipulieren. Ich habe mich übrigens entschieden die Baal ebenfalls am Leben zu lassen und als Haustiere zu behalten. Es wäre so viel unterhaltsamer sie zusehen zu lassen, wie sie alles verlieren und ihren Willen zu brechen. Ich denke, ich fange mit Astaroth an und arbeite mich dann nach dem Alter hoch. Wenn ich dann erst mit ihnen und dem Halbblut fertig bin, werden sie sich nicht mal an ihre Namen erinnern. Oh, übrigens habe ich eine Möglichkeit gefunden, dass sie für Sirenengesang genauso empfänglich sind wie gewöhnliche Dämonen. Ich kann sie also gleich mit benutzen, um Assiah ins Chaos zu stürzen.~” Satan zitterte vor Wut. Noch nie zuvor hatte er so viel Hass für eine einzelne Person verspürt. Er glaubte ihr, wenn sie sagte, dass sie seine Söhne irgendwie mit den Sirenen erreichen konnte. Wenn es ihr gelingen sollte, wäre es für Gehenna und Assiah endgültig vorbei. Doch er schrie sie nicht erneut an. Das wäre zu einfach und würde ihr nur Genugtuung bringen. „Ich werde dich nicht töten.”, flüsterte er, jedoch laut genug, sodass sie ihn verstehen konnte. „Oh?”, fragte Lilith. Satan sah ihr direkt in die Augen. „Ich werde dich nicht töten.”, wiederholte er mit dunkler Stimme. Sie war verzerrt, ein weiteres Zeichen für seine extreme Wut. „Noch nicht. Zuerst werde ich dir alles nehmen, was dir irgendetwas bedeutet. Dann lasse ich dich zusehen, wie alles, was du dir aufgebaut hast, in Flammen aufgeht und zu Asche wird. Und dann wirst du leiden. Ich werde dein Fleisch und deine Haut verbrennen und abziehen, dir sämtliche Knochen brechen, dich in Weihwasser ertränken und deinen Verstand zerschmettern. Es wird nichts mehr von dir übrig bleiben und wenn du dann auf Knien um den Tod bettelst, werde ich ihn dir langsam und qualvoll bringen.”

Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte Lilith aufrichtig besorgt. Es schien sogar, als würde sie einen Schritt zurücktreten wollen, doch sie fing sich schnell wieder. „Leere Worte. Sonst nichts.”, war alles, was sie sagte. Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Raum und ließ Satan wieder allein. Dieser hatte sich inzwischen wieder halbwegs beruhigt, zumindest so weit, dass seine dämonischen Merkmale verschwanden. Dennoch konnte er nicht anders als sich umzudrehen und seine Faust mit voller Kraft in die Wand zu schlagen. Natürlich gab das Gestein nicht nach und Blut lief seine Hand hinunter, doch es kümmerte ihn nicht. Er hatte nicht nur als Herrscher versagt, sondern jetzt auch noch als Vater. Er hatte damals keine Kinder gewollt, weil er sie für eine Schwäche gehalten hatte, doch schlussendlich war es ganz allein seine Schuld gewesen, dass alles den Styx runter gegangen war. Der Dämonengott ballte die Hände zu Fäusten. Noch war es nicht vorbei. Lilith würde einen Fehler machen und dann würde er zur Stelle sein. Sie würde auf jeden Fall bezahlen und wenn es ihn umbrachte. Wenn er schon unterging, dann riss er sie mit sich in den Abgrund.
 

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Genauso wütend war auch Azazel, nur aus einem anderen Grund und dieser hieß Jahi. Wie so oft hatte er sich nicht getraut, schlafen zu gehen, zu sehr fürchtete er sich davor, also war er in den Gängen umhergewandert, die Müdigkeit und Erschöpfung ignorierend. Er hatte die Feuerdämonin seit Samhain nicht mehr gesehen, umso größer war die Überraschung, als er sie aus einem der Räume herauskommen sah. Offensichtlich hatte sie ihn nicht entdeckt, denn sie lief einfach weiter. Er folgte ihr leise und als er sicher war, dass sie vollkommen alleine waren, griff er sie und presste sie gegen die Wand. Eine Hand legte er um ihren Hals. „Nenne mir einen guten Grund, weswegen ich dir nicht die Kehle durchschneiden sollte!”, zischte er ihr zu. Jahi wirkte mehr als erschrocken, doch riss sich schnell zusammen. „Ich hatte mich schon gefragt, wann wir uns wohl wiedersehen würden.”, stieß sie hervor. „Also scheinen die Gerüchte wohl zu stimmen. Du bist wirklich ein Verräter. Schätze, dann haben wir was gemeinsam-” Der Griff des Geisterdämonen verstärkte sich. „Wage es ja nicht, uns auf eine Stufe zu stellen!” Jahi sah ihn kalt an. „Du arbeitest für Lilith, hast deine Brüder und deinen Vater damit betrogen und nach dem, was man so hört, hast du Rin ausgeliefert. So verschieden sind wir also wirklich nicht.” Er bleckte die Zähne und kämpfte gegen den Drang an, seine Zähne in ihre Kehle zu rammen. So viel Kontrolle hatte er noch, er würde sich von seinen Instinkten nicht zu einem Tier machen lassen. Jahi lachte leise. „Ich habe wohl einen Nerv getroffen, wie?” Azazel antwortete nicht, sondern starrte sie weiterhin feindseelig an. „Du hast mir immer noch keinen Grund genannt, warum ich dich nicht einfach umbringen sollte.”
 

„Bist du wirklich scharf auf ein Wiedersehen mit Verin? Wenn Lilith es nicht gleich selbst übernimmt.”
 

„Sie würden nie erfahren, dass ich es war. Wir sind allein und manche der Wachen werden gerne mal handgreiflich. Vielleicht hat dich einer bedrängt, du hast dich gewehrt, also hat er dich erledigt. Wäre nicht das erste Mal. Du wirst nur eine weitere namenlose, unbedeutende Tote sein.” Nun war es Jahi, die die Zähne bleckte. „Weißt du, das war einer der Gründe, warum ich euch verraten habe. Ihr seid allesamt verdammte Heuchler. Du bist nicht besser als ich, aber siehst dich im Recht. Aber anders als wir, bekommt ihr nie die Konsequenzen zu spüren. Immer sind die anderen Schuld und was und wer euch nicht passt, wird eben aus dem Weg geschafft. Genau wie meine Mutter.” Azazels Augen verengten sich. Ihre Mutter? „Was hat Aeshma damit zu tun?”, fragte er. Die Feuerdämonin schnaubte. „Tu nicht so. Es war doch Satan, der sie umgebracht hat, weil er nicht wollte, dass sie überall rumerzählt, dass er sie sich einfach genommen hat.” Der Geisterdämon blinzelte verwirrt, doch dann verstand er. Lilith hatte Jahi, Aym und Stihi angelogen und behauptet, dass Satan sie sich ohne ihr Einverständnis genommen und schließlich umgebracht hatte, als sie ihm zu langweilig wurde. Das war wirklich unter der Gürtellinie, aber es sollte ihn wohl nicht überraschen. „Du liegst falsch. Vater hat sich nie jemanden gegen seinen Willen genommen. Sie hätte Zuflucht bei ihm suchen können, aber war zu stolz dafür und als Lilith kam, um sie töten, hat sie alles erzählt, was sie wusste. Danach war sie nutzlos und Lilith hat sie umgebracht. Vater wusste bis vor kurzem gar nicht, dass sie tot war. Du und deine Geschwister wurden rein gelegt.” Diesmal weiteten sich Jahis Augen. Schock stand ihr im Gesicht, dann schnaubte sie abfällig. „Lügner.” Azazel schüttelte den Kopf. „Nein. Lilith ist die Lügnerin.” Damit ließ er sie los und sie sank zu Boden. Schritte näherten sich. „Pass besser auf. Beim nächsten Mal werde ich nicht zögern.”, murmelte er. Ohne ihre Antwort abzuwarten, stürmte er davon.
 

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‚Ok...das ist jetzt wirklich ziemlich unangenehm.”, dachte Egyn etwas nervös und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Nach einer äußert unruhigen Nacht und einigen weiteren Vorbereitungen wie neue Truppen empfangen, welche früh am Morgen gekommen waren, hatten sie sich erneut mit den Exorzisten inklusive Adepten verschiedenster Länder getroffen. Diesmal waren allerdings ihre Stellvertreter sowie die Eliteeinheiten dabei und das sorgte für einige Anspannung. Die Dämonen starrten die Exorzisten an, diese starrten wiederum die Dämonen an. Besonders Alastor wurde mit einer gewissen Vorsicht betrachtet, was wohl daran liegen könnte, dass er aussah, als würde er sie am liebsten alle brutal niedermetzeln. So weit weg war es nicht von der Wahrheit und er war eindeutig nicht der einzige, der diesen Wunsch hegte. Amon und Halphas schienen ebenfalls nach den Waffen greifen zu wollen, ebenso wie mehrere der Elitesoldaten. Den Exorzisten ging es nicht anders. Es würde den Wasserkönig nicht überraschen, wenn sie schon überlegten, was wohl die Todesverse waren und wie viele Kugeln sie brauchen würden. Immerhin waren die Illuminati nicht auch noch hier, sonst wären wohl schon längst Köpfe gerollt. Er sah zu Lucifer und Samael, welche alles, was sie erfahren hatten für die Exorzisten zusammenfassten. Nicht zum ersten Mal beneidete er sie dafür, dass sie in fast jeder Situation einen kühlen Kopf bewahrten, sogar wenn Familienmitglieder in Gefahr waren. Er wäre an ihrer Stelle vollkommen überfordert. Seitdem seine Mutter den Verstand verloren hatte und schlussendlich starb, hatte er große Verlust- und Trennungsängste entwickelt, welche trotz psychologischer Behandlung immer noch große Teile seines Lebens bestimmte. Entweder er hing zu sehr an anderen Personen oder es fiel ihm schwer engere Beziehungen einzugehen, weil er Angst hatte, die Person zu verlieren. Es konnte ein wahrer Teufelskreis sein. Die beiden älteren Dämonenkönige hatten ihren Bericht nun beendet und die Exorzisten wechselten beunruhigte Blicke. „Also...kurz gesagt sind wir am Arsch?”, fragte Shura. „Wenn Lilith wirklich mit ihren neuen Haustieren und den Sirenen anrückt, wird's auf jeden Fall ungemütlich.”, bestätigte Beelzebub. „Das Wissen wurde damals nicht umsonst verboten.”
 

„Ihr habt einen Uphir erwähnt. Wer ist das?”, fragte Tsubaki. „Er war früher der Hauptheiler in Vaters Palast und in ganz Gehenna für seine Forschungen und Fähigkeiten bekannt.”, erklärte Lucifer. „Wir waren noch Kinder, als er im Palast arbeitete, aber wir hatten immer ein seltsames Gefühl in seiner Nähe. Er hat uns immer wieder ziemlich seltsam angestarrt. Das ist zwar noch nichts allzu schlimmes, aber dann begannen wir und einige Bedienstete immer häufiger krank zu werden und zwar meist nach irgendwelchen Behandlungen oder Routineuntersuchungen bei ihm. Azazel, Egyn, Vaya und ich sind sogar einmal zusammengebrochen. Es wurde eine Untersuchung durchgeführt, aber nichts wurde gefunden. Uphir kündigte dennoch seine Stelle im Palast mit der Begründung, er wolle in Gehenna herumreisen und dabei neue Erkenntnisse für seine Forschungen sammeln. Wir erfuhren erst Jahre später, was er damit eigentlich meinte. Es verschwanden plötzlich Kinder, junge Männer und Frauen. Alle Spuren verliefen im Sand bis man endlich einen Hinweis bekam. Es stellte sich heraus, dass Uphir hinter ihrem Verschwinden steckte. Er hatte sie als Testobjekte für seine Forschungen verwendet.”
 

„Ich werde das sicher bereuen, aber...wie sahen diese Forschungen aus?”, fragte Shura. Der Lichtkönig zögerte bevor er antwortete. „Er versuchte verschiedene Spezies von Dämonen zu verschmelzen und das meine ich wortwörtlich. Er verwendete Alchemie um ihre Körper zu verbinden, teilweise kreuzte er sie auch mit Tieren. Was heraus kam, war mehr als grotesk. Das waren Wesen ohne Verstand und tierischen Instinkten. Dann wollte er außerdem eine Möglichkeit finden, um wahre Unsterblichkeit zu erreichen. Er entfernte Teile des Gehirns und beobachtete die Auswirkung auf die Betroffenen. Dann entnahm er die Gehirne, Organe und das Dämonenherz und versuchte sie in einen anderen Körper zu stecken...und er experimentierte viel mit den Regenarationsfähigkeiten. Wie viel Schaden zugeführt werden kann, bevor man stirbt, was gegen welche Dämonen eines Elements besonders effektiv war, wie viel Weihwasser man schlucken kann, ohne dass das Innere komplett verätzt wird, wie das Nervensystem und damit auch die Muskeln auf verschiedene Einflüsse reagieren, Reaktionen auf Parasiten...und das ist alles noch halbwegs harmlos.” Die Exorzisten waren alle kreidebleich. Egyn konnte es ihnen nicht verübeln. Uphirs kranke Experimente gehörte zu einem der grausamsten Verbrechen Gehennas. Er wollte gar nicht wissen, was passiert wäre, wenn er weiterhin im Palast gearbeitet hätte. Sie wären vielleicht als Kinder Opfer geworden. Verdammt, Astaroth und Beelzebub waren als Erwachsene fast Opfer geworden. Noch heute wurde Uphir gerne als Horrorgestalt benutzt, um kleine Kinder dazu zu bringen, sich zu benehmen. „Und was ist mit ihm passiert?”, hakte Angel nach. „Tot.”, antwortete Iblis. „Er starb bei der Flucht. All seine Labore und Einrichtungen wurden niedergebrannt, seine Aufzeichnungen vernichtet und seine Kreationen vom Schwarzmarkt genommen. Aber scheinbar wurde irgendwas übersehen.”
 

„Offensichtlich.”, murmelte Angel. „Was machen wir wegen der Sirenen? Kann man ihren Einfluss irgendwie unterbinden?”
 

„Auch wenn es dumm klingt, Ohrstöpsel sind da wohl die beste Option.”, sprang Egyn ein. „Allerdings ist das nur eine Notlösung. Die Sirenen hassen Lilith und folgen ihr sicher nur, weil sie gezwungen werden, also wird jemand bei ihnen sein, der aufpasst, was sie tun. Wenn wir die ausschalten, können die Sirenen ihre Opfer dann selbst freilassen.”
 

„Trotzdem müssen wir unbedingt herausfinden, ob Lilith wirklich eine Möglichkeit gefunden hat, euch ebenfalls zu verhexen.”, schaltete sich Agares ein. „Sie hat sicher einige Asse im Ärmel und wird einen Plan haben, um an euch ranzukommen.”
 

„Können wir es nicht machen wie damals Odysseus?”, fragte ein Zweigstellenleiter mit schwerem Akzent. „Er hat die Ohren seiner Besatzung mit geschmolzenen Wachs verschließen lassen und konnte somit ihre Insel passieren.” Richtig, die Sterblichen im alten Griechenland hatte sogar eine Legende dazu gehabt, welche sogar gar nicht so falsch war. Allerdings hatten sich die Sirenen nie in den Tod gestürzt nachdem sie versagt hatten. Sie konnten zwar ziemliche Drama-Queens sein, aber so schlimm war es dann doch nicht. „Das wäre vielleicht möglich, aber ziemlich aufwendig.”, räumte der Wasserdämon ein. „Schlussendlich kommt es darauf an, wie mächtig die Sirenen sind. In der Regel singen sie zuerst ein Lied, womit sie jemanden unter ihre Kontrolle bringen und dann noch ein weiteres, um sie zum Beispiel zum Kampf anzustacheln. Wir müssen es also möglichst schnell beenden.”
 

„Sie singen also richtige Texte?”
 

Egyn bestätigte. „Am Anfang singen sie meist Vokalise, also nur auf Vokale, um Aufmerksamkeit zu bekommen und die ersten unter ihren Einfluss zu bekommen, dann fangen sie an Texte zu singen. Ab dann wird es richtig gefährlich. Allerdings müssen wir theoretisch nur die Hauptstimme ausschalten.”
 

„Die Hauptstimme?”, hakte ein Exorzist nach. Der Wasserdämon nickte. „Sie können nicht alle in der gleichen Laustärke singen, sonst übertönen sie sich gegenseitig. Darum übernimmt eine Sirene immer die Hauptstimme, der Rest den Begleitgesang, um dem ganzen mehr Durchsetzungskraft zu verleihen beziehungsweise die Hauptstimme zusätzlich zu harmonisieren.” So hatte es ihm zumindest seine Mutter erklärt. Sie war früher Sängerin gewesen, noch dazu eine der bekanntesten Gehennas bevor sie seinen Vater getroffen und geheiratet hatte. Da sie Sirenenblut in sich hatte, hatte sie viel über den Gesang gewusst und konnte anderen damit die Köpfe verdrehen, wenn sie es wollte. Außerdem hatte er es öfter bei Kyrene und ihren Schwestern beobachtet. Während Erato in der Regel die Hauptstimme übernahm, sorgte der Rest für die Unterstützung. Keto hatte die tiefste Stimme von ihnen, Galatea die höchste und Kyrene war etwas höher als Erato, weswegen sie sich alle gegenseitig gut ergänzten. Er selbst war ebenfalls ein guter Sänger und hatte die Sirenenstimme seiner Mutter geerbt, doch wenn er die benutzen wollte, musste er sehr tief graben und es war zudem äußerst kraftaufwendig, weswegen er sie nie verwendete. Eventuell war er dadurch so oder so gegen den Sirenenzauber immun, egal was sich Lilith ausgedacht hatte. „Haben die Sirenen Todesverse, die wir gegen sie verwenden können?”, fragte ein weiterer Exorzist. Egyn schüttelte den Kopf. „Nicht dass ich wüsste. Wie gesagt, müssen wir die Bewacher ausschalten und die Hauptstimme unterbrechen oder wir müssen den Sirenen den Flucht ermöglichen.”
 

„Und Lilith?”, fragte Shura nach. „Hat sie irgendwelche Todesverse?” Astaroth zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich nicht. Sie ist in gewisser Weise Vaters Gegenstück und er hat keine.”
 

„Das muss sich doch irgendwie rausfinden lassen.”, beharrte Izumo. „Kannst dich ja gern daneben stellen und ihr einmal die Bibel vorlesen. Wir lachen dich dann aus sicherer Entfernung aus.”, antwortete Halphas trocken, woraufhin Amon, Alastor und einige der Baal begannen zu lachen. Die Adeptin funkelte ihn wütend an, doch Lucifer kam ihr zuvor. „Leute, verkneift es euch.” Er wandte sich erneut an die Exorzisten. „Selbst wenn es euch gelingen sollte, andere Dämonen auszutreiben, sie würden einfach zurückkommen. Die Grenze zwischen den Welten wird zusammenbrechen, wenn es weiter so geht. Ich fürchte, die Tamer werden ebenfalls nicht von großem Nutzen sein.” Egyn seufzte innerlich und begann langsam wieder mit seinen Gedanken abzuschweifen. Das meiste Gerede kannte er ohnehin bereites und die Gespräche drehten sich zum Teil im Kreis. Stattdessen fragte er sich, ob wohl Kyrene und ihre Familie in Assiah waren. Erato und Keto hatten schon in Gehenna gerne für etwas Chaos mit ihrem Gesang gesorgt, aber das taten viele Sirenen und es sorgte nie für zu großen Schaden. Diesmal würde es dagegen eine Katastrophe nach der anderen geben. Ein seltsames Kribbeln riss ihn aus seinen Grübeleien. ‚Was?‘ Er sah zu seinen Geschwistern. Sie und alle anderen Dämonen im Raum hatten sich versteift. Sie hatten es also ebenfalls gespürt. Das konnte nur Ärger bedeuten. „Was ist los?”, fragte Angel scharf. Sie antworteten nicht sofort, sondern tauschten alarmierte Blicke aus. Das Kribbeln wurde stärker, dann wurde es zu stechenden Kopfschmerzen, welche schließlich verschwanden. Dennoch wussten alle, was es bedeutete. „Lilith ist hier. Sie und ihre Anhänger sind in Assiah eingedrungen.”‚ verkündete Lucifer düster. Bevor Angel etwas erwidern konnte, ertönte ein Alarm. „......Schätze mal, die Pizza, die ich mir bestellt habe, wird nicht kommen.”, grummelte Iblis. Seine Geschwister, die Exorzisten und die Stellvertreter warfen ihm einen vernichtenden Blick zu, woraufhin er die Hände hob. „Ok, ok. Sorry.” Ohne ein weiteres Wort machten sich alle bereit, um die Angreifer zurückzudrängen.
 

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„Entschuldigt Hohepriesterin, ich habe hier eine Anfrage aus Griechenland.”
 

Christina nickte dem Hexer zu. „Ich rufe gleich zurück, ich muss mich erst um das hier kümmern.”
 

„Hohepriesterin Reichmann, einer Eurer Schüler hat sich aus Peru gemeldet. Es gab Komplikationen und er benötigt Hilfe.” Die Hexe unterdrückte einen Aufstöhnen. „Schickt ihm, was immer er braucht.” Ohne auf eine Antwort zu warten, lief sie weiter. Erneut wurde sie aufgehalten. Diesmal war es eine Novizin. „Vergebt mir Hohepriesterin, ich habe einen dringenden Brief für euch.” Musste sie sich wirklich um alles kümmern?! „Gib es Blutpriesterin Shaina, ich habe keine Zeit.”, wimmelte sie das junge Mädchen ab. Endlich kam sie in ihrem Zimmer an, doch nun klingelte ihr Handy. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Genervt nahm sie den Anruf entgegen. „Ich hoffe, das ist wichtig Adrijana. Ich habe alle Hände voll zu tun!”
 

„Wäre es nicht wichtig, würde ich nicht anrufen.”, antwortete die Russin gehetzt. „Die beiden Leichen sind weg und sie dürfen auf keinen Fall zu anderen Lebewesen gelangen!”
 

„Was? Warum?”, fragte die Aschblonde verwirrt.
 

„Ich habe mir die beiden nochmal angesehen und dabei seltsame innere Verletzungen festgestellt. Es sah aus, als wären sie von innen heraus gefressen worden. Ich habe es mir also näher angesehen und dabei ein paar Parasiten gefunden. Es scheint eine mutierte Version von Mlakzot-Parasiten zu sein. Du weißt schon, die man früher in Gehenna zur Folter gezüchtet und verwendet hat?” Christina erschauderte. „Ja, die kenne ich.”
 

„Gut. Jedenfalls scheint das eine neue, wesentlich aggressivere Variante zu sein, die sich extrem schnell vermehrt und...na ja...von Menschen Besitz ergreifen können. Quasi wie bei Zombies nur gefährlicher. Wenn wir nichts unternehmen, werden sie sich überall ausbreiten!” Die Hohepriesterin schluckte. „Aber wo kommen die her?”
 

„Ich schätze mal, das ist einer dieser Wesen mit denen Lilith gearbeitet hat oder hat experimentieren lassen. Ich weiß nicht, wie sie nach Assiah gekommen sind, aber wir hatten Glück, dass keiner auf der Lichtung infiziert wurde. Jetzt aber los, wir müssen sie finden und den Dämonenkönigen Bescheid sagen!”
 

„Alles klar, ich setze sofort ein paar meiner Leute drauf an. Ich melde mich dann bei dir.” Sie legte auf und holte tief Luft. Auch das noch. Als ob sie nicht schon genug zu tun hatte. Sicher, sie hatte als eine Hohepriesterin immer zu tun, aber seit dem Konflikt mit Lilith wurde es immer schlimmer. Sie zwang sich zur Konzentration. Es war keine Zeit für Selbstmitleid. Nachdem sie einige ihrer Leute von der Situation unterrichtet hatte, wollte sie sich eigentlich bei Lord Samael melden, doch dieser ging nicht an sein Telefon. Kurzerhand schreib sie ihm eine SMS. Besser als nichts. Sie war gerade dabei ihre Runensteine für ein Ritual vorzubereiten, als ein Novize hereingestürmt kam. Sie sah ihn wütend an. „Ich bin dabei ein wichtiges Ritual vorzubereiten! Was erlaubst du dir-?!”
 

„Bitte vergebt mir, aber es ist ein Notfall! Es gibt Meldungen über eine Gehennapforte, die-” Er wurde unterbrochen, als sich ein seltsames Kribbeln gepaart mit Kopfschmerzen anbahnte. Es hatte also begonnen.
 

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Amaimon starrte ausdruckslos auf die angreifende Horde und musste seine Enttäuschung verbergen. ‚Das ist alles? Mehr hat sie nicht geschickt? Wie langweilig.‘, dachte er ungerührt. Wenn man bedachte, dass so ziemlich ganz Gehenna vor ihr buckelte, hätte sie ruhig ein paar mehr Truppen schicken können. Gut, er sollte sich wohl nicht beschweren, aber er könnte wirklich etwas brauchen, um seinen Frust anzubauen. Abgesehen davon war es zu lange her, dass er richtig mit jemanden spielen konnte. Seine Brüder beobachteten das Ganze mit steinernen Gesichtern. Noch hielten die Barrieren, aber die Stadt war größtenteils ungeschützt und je mehr Lilith eroberte, umso mächtiger würde sie werden. „Sollen wir wirklich ausnahmslos jeden angreifen?”, fragte Egyn ein wenig nervös. „Nicht alle folgen ihr freiwillig...” Iblis schnaubte. „Und wie sollen wir sie bitte unterscheiden? Wir haben keine Wahl. Entweder sie oder wir.” Die restlichen Baal nickten, ohne ihre Blicke abzuwenden. „Bringen wir es hinter uns.”, murmelte Lucifer und zog sein Schwert. Der Rest tat es ihm gleich und zog die Waffen. Amaimon sah kurz zu den Exorzisten. Sie alle starrten auf die angreifenden Dämonen, manche verängstigt, andere grimmig und manche entschlossen. Ihm wäre es wirklich lieber, wenn sie sich raushalten würden, sie wären nur im Weg. Dummerweise hatte er diesbezüglich nichts zu sagen. „Dann los geht's. Ihr kennt die Strategie.”, sagte Lucifer und alle nickten. Lilith würde schnell lernen müssen, dass sie noch lange nicht am Ende waren.
 

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Der Kampf war hart und brutal, also genau was Shura erwartet hatte. Zugegenermaßen hatte sie ein mehr als mulmiges Gefühl, doch riss sich zusammen. Sie standen ihren Gegner nicht alleine gegenüber, sondern hatten sieben Dämonenkönige sowie mehrere erfahrene Kämpfer auf ihrer Seite. Wer hätte gedacht, dass sie sich jemals mit einem derartigen Gedanken trösten würde? Es musste wohl nicht erwähnt werden, dass die Baal und ihre Leute wesentlich mehr Schaden anrichteten, als die Exorzisten es jemals könnten. Ein Teil fragte sich, wie sie ihre Verbündeten von den Gegnern unterscheiden konnten, doch beschloss, dass es schlussendlich keine Rolle spielte. Sie mussten sich auf die Verteidigung konzentrieren. Noch hielten die Barrieren, doch sicher nicht mehr lange. Während sie gegen einige Ghule kämpfte, bemerkte sie zudem weitere, ihr unbekannte Dämonenarten. Einige hatten beispielsweise schwarze Augen, dies waren wohl die Alukah. Die Baal hatten ihnen geraten sich von denen fernzuhalten, eine Berührung konnte schon fatale Folgen haben und sie hatte so gar keine Lust sich leer saugen zu lassen. Sie war gerade dabei ihr Schwert aus einem sterbenden Ghul zu ziehen, als sie Astaroth entdeckte. Er war mehrere Meter von ihr entfernt und zielte...auf sie?! Bevor sie überhaupt zusammenzucken konnte, kam sein Messer, doch sie war nicht das Ziel gewesen, sondern ein Moroi, der sich von hinten an sie angeschlichen hatte. Kreischend brach dieser zusammen. Als sie sich wieder zum Verwesungskönig umdrehte, war dieser jedoch wieder verschwunden. ‚Zwar kann er uns immer noch nicht leiden, aber immerhin kann man sich auf ihn verlassen, wenn man ihn zum Verbündeten hat.‘, dachte sie düster. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass zwei Hexen in Bedrängnis gerieten, also machte sie sich kurzerhand auf den Weg, um ihnen zu helfen. Egal ob nun Dämon, Exorzist oder Hexe, sie alle saßen im selben Boot. Wenn sie untergingen, dann zusammen.
 

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Kyrene war noch nie in ihrem Leben so nervös gewesen. Noch immer hoffte sie, dass alles nur ein Albtraum war und sie jeden Moment aufwachen würde. Doch leider es war Realität. Sie, ihre Schwester und einige weitere Sirenen waren in Assiah und standen nun auf irgendeinem Platz in einer japanischen Stadt. Die Sirene war so angespannt, dass sie gar nicht wirklich darauf achtete, was sich in den letzten Jahren verändert hatte. Den restlichen Frauen erging es nicht anders. Galatea zitterte am ganzen Körper, während Erato und Keto versuchten sie flüsternd zu beruhigen. Es war immer wieder überraschend wie fürsorglich die beiden sein konnten. Erato war extrem eifersüchtig gewesen, als sie Geschwister und damit weniger Aufmerksamkeit bekommen hatte und Keto war ständig von allem und jedem genervt. Dennoch konnte man sich auf sie verlassen, wenn es drauf an kam. Sie wollte ebenfalls auf ihre kleine Schwester einreden, doch ein ziemlich gemein aussehender Dämon brüllte die Gruppe an. „Was steht ihr so unnütz rum, ihr dämlichen Fischweiber?! Bewegt euren Arsch und macht euch bereit zu singen! Und wagt es ja nicht schief zu singen oder die Menschen auf uns zu hetzen, sonst reiße ich euch persönlich die Stimmbänder aus!” Einer der anderen Wärter lachte dreckig. „Dann pass aber auf, dass sie das überleben. Ich will ein paar von ihnen gerne mal persönlich näher kennen lernen.” Sein Blick wanderte zu Galatea, welche sich daraufhin wimmernd hinter Erato und Keto versteckte. Die beiden Sirenen warfen dem Wärter vernichtende Blicke zu und Kyrene ballte die Hände zu Fäusten. Wie gerne würde sie jetzt ihren Speer haben, um diesem Widerling eine Lektion zu erteilen! „Ich kann nicht singen, ich bin zu aufgeregt. Ich werde schief singen. Er reißt mir die Stimmbänder raus.”, flüsterte Galatea verängstigt. „Reiß dich zusammen, es gibt keinen Grund!”, zischte Keto. „Wir haben das schon so oft gemacht, diesmal ist es nicht anders! Konzentrier dich einfach auf die Melodie, den Text haben wir hundertmal geübt.”
 

„Keto hat recht.”, flüsterte Erato. „Du kannst das, Tea. Es ist nicht schwer.”
 

„Außerdem bin ich auch noch da.”, schaltete sich Kyrene ein und versuchte der jüngeren aufmunternd zuzulächeln, auch wenn es schwer fiel. „Ich werde versuchen etwas höher als sonst zu singen, da fällt es sicher nicht auf, wenn du mal eine Note verpatzt.” Galatea nickte unruhig, aber etwas zuversichtlicher. „Wir kriegen das hin.”, murmelte Erato. „Entweder die Menschen oder wir, da fällt die Wahl nicht schwer.” Schließlich war es soweit. Viele der anderen Sirenen waren zu anderen Teilen der Stadt gebracht worden, sodass Kyrene und ihre Schwestern alleine waren. Sie standen nun auf einem flachen Gebäude, unter ihnen kämpften Liliths Diener gegen Exorzisten, während Menschen panisch durcheinander liefen. Kyrene entschuldigte sich innerlich bei den Vergänglichen, die sie gleich ins Verderben reißen würde, dann begannen sie und ihre Schwestern mit ihrem Gesang. Erato würde wie so oft die Hauptstimme übernehmen, sie den Begleitgesang. Für den Anfang waren es nur Vokale, womit sie bereits erste Aufmerksamkeit erhielten. Dann begannen sie mit der ersten Strophe.
 

Es ist Zeit für uns're Showtime, kommt wir laden euch ein!

Wer uns're Stimmen hört, ist schnell betört.

Lasst euch vom Willen befreien, kein Grund gleich zu schreien.

Es gefällt euch, tut nicht so keusch!

Dies ist erst der Anfang, es fällt der letzte Vorhang.
 

Bisher lief alles gut. Die Worte kamen klar und deutlich, es gab keine schiefen Töne. Wie immer harmonierten sie gut zusammen, doch diesmal hatte es einen bitteren Beigeschmack.
 

Freier Wille ist eine Illusion, hier ist Endstation.

Vergesst eure Sorgen, ihr seid schon verdorben!

Wehrt euch nicht, es ist eure Pflicht!

Das Schicksal unausweichlich ist, nur damit ihr's wisst.

Eure Welt ist fort, folgt einfach uns'rem Wort!
 

Kyrene spürte wie die ersten unter ihren Bann gerieten. Viele erstarrten. Sie machte einfach weiter und redete sich ein, dass sie einfach nur zum Spaß zusammen sangen und nicht, um einen Haufen Unschuldiger zu versklaven.
 

Uns're Macht so groß, lässt euch nie mehr los.

Unterwerfen solltet ihr euch gern, alles andere liegt doch fern.

Jedes Wort, dass wir weben, ist für euch ein Segen.

Ihr seid uns verfallen, haltet uns nicht zum Narren!

Es ist längst zu spät, egal wie sehr ihr fleht!
 

Manche versuchten sich zu wehren, doch nicht lange. Es war immer dasselbe. Sie waren von dem Moment an verdammt, in dem sie ihren Gesang gehört hatten.
 

Freier Wille ist eine Illusion, hier ist Endstation.

Vergesst die Flucht, wir sind eure Sucht!

Ihr seid an uns gebunden, habt eure Meister gefunden.

Das Schicksal unausweichlich ist, nur damit ihr's wisst!

Eure Welt ist fort, folgt einfach uns'rem Wort!
 

Es war schon immer irritierend gewesen, wie ironisch die Texte sein konnten. Sie sangen davon, dass ihre Opfer an sie gefesselt waren und sie ihre Meister waren, doch selber ging es ihnen genauso. Das Schicksal war wirklich unausweichlich.
 

In uns'rem Netz gefangen, müsst ihr nicht länger bangen.

Ihr gehört längst uns, also sichert euch uns're Gunst!

Kniet nieder, werd't belohnt, während Gehenna über allem thront!

Ihr könnt nicht uns besiegen, alle werden unterliegen.

Dämonen haben diese Runde gewonnen, aller Kampfeswille ist euch entronnen!
 

Was die Sirene am meisten beschämte, war die Tatsache, dass sie das Gefühl ihrer zunehmenden Macht genoss. So viele unter ihrem Bann zu haben und sich von dieser Kraft zu nähren, war berauschender als jede Droge, jegliche Lust oder Alkohol. Kein Wunder, dass viele Sirenen so gerne Chaos stifteten oder manchmal richtig machthungrig wurden. Sie liebten dieses Gefühl zu sehr.
 

Freier Wille ist jetzt tot, ihr seht nur noch rot!

Die Spielzeit neigt sich dem Ende, ihr seid in unseren Händen.~
 

Kyrene spürte keinen Widerstand mehr. Sie zwang sich die letzte Strophe zu singen.
 

Kein Grund für Rebellion, genießt einfach die Sensation!

Egal wie sehr ihr es versucht, alle seid ihr verflucht.

Sagt, dass ihr uns wollt, auf ewig Respekt zollt!

Zeit für uns're Belohnung und das Ende der Verschonung.

Es ist endlich vorbei, Sklaven eilt herbei!
 

Tretet näher...niemand hält uns jetzt noch auf!
 

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„Warum müssen es immer Alukah sein?”, murmelte Iblis grimmig, als er ein weiteres der blutsaugenden Biester in Flammen einhüllte. Er warf einen flüchtigen zu den Exorzisten. Sie schlugen sich für einen Haufen Sterblicher nicht schlecht, zumindest manche von ihnen. Er entdeckte Shura, welche mit einer für Menschen beachtlichen Ausdauer kämpfte. Sie war talentiert und noch dazu ziemlich hieß. Wäre sie keine Vergängliche gewesen, hatte der Feuerdämon sie wahrscheinlich auf ein Date eingeladen. Allerdings hatte er bereits menschliche Partner in der Vergangenheit gehabt und das war nie gut gegangen. Es gab außerdem mehr als genug gut aussehende Dämonen Zuhause, also hatte er es nicht wirklich nötig sich in Assiah umzusehen. Höchstens mal für eine Nacht, wenn er Stress abbauen musste. Vorsichtig war er natürlich trotzdem, andernfalls würde sein Vater ihn häuten. Seine Brüder waren derweil ebenfalls fleißig und töten einen Gegner nach dem anderen. Allerdings hatte der Feuerkönig ein ungutes Gefühl. Es kamen keine neuen Gegner. Lilith hatte doch sicher gewusst, dass sie eventuell hier waren, also warum hatte sie nur so wenige Truppen geschickt? Im schlimmsten Fall war diese ganze Aktion hier nur eine Ablenkung. Ihm bleib jedoch keine Zeit lange nachzudenken, denn natürlich musste er in Bewegung bleiben. Eine knappe halbe Stunde später war der Kampf bereits vorbei. Das war viel zu schnell. Irgendwas hatte Lilith vor. Überall lagen Verletzte und Sterbende, doch Iblis beachtete sie kaum, er war zu tief in Gedanken. „Das war viel zu einfach.”, hörte er Egyn murmeln. „Einfach? Von wegen!”, schnaubte Angel. „Scheiße, ich hatte gehofft, dass der endlich drauf geht.”, murmelte Astaroth verdrossen. „Dem schließe ich mich an.”, flüsterte Indra, welche plötzlich neben ihm stand. „Es war zu einfach.”, bestätigte Samael. „Ich vermute, dass alles eine Ablenkung war. Sie hätte sonst mehr Truppen geschickt.”
 

„Die Frage ist dann, was ihr Hauptziel ist.”, kommentierte Alastor, welcher sich mit den Stellvertretern zu ihnen gesellt hatte. Allen ging es gut, sie sahen nur etwas zerzaust aus und Agares hatte einen leicht blutenden Schnitt an der Wange. Die Antwort kam nur kurz darauf. Sie waren gerade dabei sich ein Bild davon zu machen, wie viele Leute sie verloren hatten, als eine Exorzistin angerannt kam und schwer atmend vor Angel stehen blieb. „T-Tut...mir leid...i-i-ich....”, keuchte sie hervor. „Was?!”, fuhr Alastor sie an, woraufhin sie zusammenzuckte. „Ich habe schlechte Neuigkeiten.”, sagte sie schnell. „Ihr hattet recht, das hier war nur eine Ablenkung. Lilith hat den Vatikan angegriffen und ihn zum großen Teil zerstört. Sie benutzt ihn als neue Hauptbasis. Wir wissen nicht, ob die Grigori noch leben.” Manchmal war es so scheiße recht zu haben. Angel war blass geworden. „D-Das kann nicht sein!”, entrüstete er sich. „Der Vatikan ist das sicherte Gebäude der Welt, wenn es um Dämonenangriffe geht! Die Bannkreise und Barrieren-”
 

„Sind zusammengebrochen.”, unterbrach sie ihn. „Und zwar wegen blauer Flammen. Sie haben den Schutz und jede Person, die sich in den Weg gestellt hat, vernichtet.” Alle wandten sich sofort an die Baal, welche beunruhigte Blicke wechselten. „Rin...”, murmelte Samael. „Sicher, dass das nicht Satan war?”, fragte Shura angespannt. „Dafür müsste Lilith ihn aus dem Bannkreis lassen und das wäre ihr Ende. Sie kann Vaters Macht dann nicht mehr im Zaun halten.”, antwortete Amaimon monoton wie immer. „Abgesehen davon kann sie von Rin Besitz ergreifen, weil er ein Nephilim ist. Die Methode ist sicherer.”, warf Beelzebub ein. Shura kaute unruhig auf ihrer Lippe. „Also hat sie von Rin Besitz ergriffen?” Seufzend nickte Lucifer. „Höchstwahrscheinlich. Allerdings kann es gut sein, dass Azazel und Vater dann auch irgendwo im Vatikan sind.”
 

„Dann sollten wir das schnell überprüfen und sie befreien.”, warf Ankou ein. Alle nickten und machten sich an die Arbeit.
 

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„Eines muss man den Menschen lassen. Ihre Baukunst ist durchaus passabel.”, kommentierte Lilith und betrachtete die umliegenden Gebäude. Sie standen auf dem Platz vor dem Petersdom, umgeben von Leichen und Liliths Gefolgsleuten. Azazel sagte nichts. Sie erwartete ohnehin keine Antwort. „Eure Hoheit, was sollen wir mit den Überlebenden machen?”, fragte eine Naga und nickte in die Richtung einer am Boden kauernde Gruppe. Es waren sechs Exorzisten, die das Inferno zuvor irgendwie überlebt hatten. Manche hatten schwere Verletzungen, einer würde sterben, wenn er nicht behandelt wurde. Sie alle starrten Lilith verängstigt an. Doch der Geisterdämon kannte die Antwort schon. „Was für Überlebende?”, fragte die Dämonin gelangweilt. Damit starben auch die restlichen sechs. Azazel verkniff sich einen Kommentar. Es war feige verletzte, wehrlose Gefangene zu ermorden, auch wenn es Exorzisten waren. „So da dies nun geklärt ist...was ist mit den Anführern der Exorzisten? Die Grigori, nicht wahr?”, fragte Lilith und wandte sich an ihn. „Die Grigori konnten entkommen, zusammen mit vielen Würdenträgern, darunter auch dem Papst. Aber die Führungsebene der Ritterschaft ist damit vorerst verstreut. Unwahrscheinlich, dass sie sich schnell erholen werden.” Lilith verzog unzufrieden das Gesicht. „Eigentlich wollte ich die Anführer der Exorzisten allesamt vernichten...aber sei's drum. Diese kleine Machtdemonstration dürfte mehr als deutlich gewesen sein. Nur Narren werden sich mir in den Weg stellen.”
 

„Sie haben sich nach der blauen Nacht weiterhin gegen uns gestellt. So einfach ist es nicht. Schätze Euer genialer Plan war schlussendlich doch nicht so genial, Hoheit.” Diesmal konnte er den Spott aus seiner Stimme nicht raus halten. Liliths Augen funkelten gefährlich wie der einer Raubkatze, doch bevor sie den Geisterkönig für sein loses Mundwerk bestrafen konnte, wurden sie erneut unterbrochen. „Bitte vergebt die Störung, Majestät.”, entschuldigte sich ein Dämon. „Wir haben eine weitere Überlebende gefunden.” Besagte Überlebende wurde von zwei weiteren Dämonen zu ihnen geschliffen. Es war eine Frau und sie war eindeutig schwanger. Azazel war überrascht. Was hatte eine schwangere Frau hier verloren? Selbst wenn sie Exorzisten war, gab es nicht Mutterschutz oder wie das hieß? Die Frau wirkte zwar verängstigst, doch versuchte es zu überspielen. „Nehmt eure dreckigen Klauen von mir, ihr verdammte Höllenbrut!”, fauchte sie auf Italienisch. Sie hatte wirklich Glück, das hier keiner außer Azazel die Sprache verstand. Liliths Augen hatten sich verengt. „Was hat das zu bedeuten? Wo habt ihr sie gefunden?”
 

„Sie hat sich zwischen einigen Trümmerhaufen versteckt, Majestät.”, antwortete einer der Dämonen. „Keine Ahnung was eine Schwangere dort treibt.”
 

„Wenn ihr glaubt, dass ihr gewonnen habt, irrt ihr euch!”, knurrte die Frau, noch immer auf Italienisch. „Weder die Ritterschaft noch die Menschheit wird jemals vor Satan knien!” Natürlich glaubte sie immer noch, dass sein Vater für das hier verantwortlich war. Wenn sie nur wüsste. Lilith seufzte frustriert. „Ich verstehe kaum ein Wort. Azazel, du übersetzt. Frag sie wer sie ist und was sie hier zu suchen hat.” Azazel tat genau das. Die Frau sah ihn feindseelig an. „Ich werde euch gar nichts sagen, erst recht nicht einem Dämonenkönig!”
 

„Glaub es oder nicht, ich will noch weniger hier sein als du.”, knurrte er genervt. „Wenn du an deinem Leben und dem des Kindes hängst, würde ich dir raten auf die Fragen zu antworten. Unsere glorreiche Anführerin hier hat nämlich gehörig einen an der Klatsche. ” Tatsächlich hatte diese Frau eine kleine Überlebenschance. Warum auch immer schien Lilith etwas Herz zu zeigen, wenn es um Kinder und Schwangere ging. Sie hatte nie selbst welche getötet und sie öfter gehen lassen. Ihre Anhänger haben dagegen natürlich selten Halt gemacht, also viel änderte es nicht. „Ich bin Exorzistin und war nur hier, um mich mit meinem Mann zu treffen. Ich wollte ihm einige Unterlagen bringen, die er vergessen hat.”, presste sie nach einigem Zögern hervor. „Dann kam euer Angriff. Aber es ist nicht vorbei. Satan wird nie gewinnen!”
 

„Er hatte mit diesem Angriff nichts zu tun, er ist-”
 

„Azazel, du sollst übersetzen, nicht Lebensgeschichten mit ihr austauschen.”, unterbrach Lilith ihn kalt. Er übersetzte schnell, was sie gesagt hatte, woraufhin die Dämonengöttin anfing zu lachen. „Gut dann übersetzte das hier.” Sie wandte sich an die Frau. „Ich werde dich leben lassen, weil ich gute Laune habe und weil ich will, dass du eine Nachricht an deinen Orden überbringst, Exorzistin. Sag den Grigori, dass nicht Satan hinter den Angriffen steckt, sondern ich, Lilith. Ich bin die rechtmäßige Königin von Gehenna und nun werde ich Assiah unterwerfen und die Menschheit für alles zahlen lassen, was sie uns angetan haben! Die Dämonenkönige werden fallen, Satan wird sich mir unterwerfen und der Rest wird mir folgen oder sterben. Sollten sich die Exorzisten mir anschließen, werde ich es vielleicht in Betracht ziehen sie zu verschonen. Verstanden?~”
 

Azazel übersetzte alles, woraufhin die Frau blass wurde. „Aber die blauen Flammen-”
 

„Genug! Sag ihr, dass sie jetzt gehen soll oder stirbt. Und sie sollte meine Güte lieber nicht vergessen.” Er verkniff es sich, auf die ganzen verbrannten Leichen hinzuweisen, was nun wirklich nicht von Güte zeugte. Glücklicherweise nahm die Exorzistin den Hinweis ernst und machte, dass sie weg kam. „Endlich. Azazel, komm mit mir. Wir haben viel vorzubereiten.” Ohne große Wahl folgte er ihr. „Wie du sicher weißt, werden deine restlichen Brüder versuchen Satan und eure kleine Blutschande zu befreien. Ich nehme an, du kennst deine Rolle?”
 

„Ja.” Sie sah ihn mit roten Augen an. „...Eure Hoheit.”, fügte er widerwillig hinzu. Ihre Augen nahmen wieder ihre normale, goldene Farbe an. „Gut. Denke daran, dass ich sie möglichst lebend möchte. Es wäre zu langweilig, wenn sie jetzt schon sterben.” Er nickte langsam, die Hände zu Fäusten geballt. „Nun, du weißt, was du zu tun hast. Ich werde jetzt deinem Vater und kleinen Bruder einen Besuch abstatten. Ich bin sicher, sie können es kaum abwarten von meinem Sieg zu hören.~”
 

‚Als ob Rin noch irgendwas dazu sagen könnte.‘ Er sah ihr nach, dann wandte er sich abrupt um und lief in die entgegengesetzte Richtung. ‚Immerhin ist es für mich bald vorbei, wenn alles gut geht.‘
 

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Die Nachricht vom Fall des Vatikans verbreitete sich schnell. Viele waren panisch, denn der Vatikan war stets als sicherstes Gebäude bekannt, zumindest gegen Dämonenangriffe. Doch wenn Lilith wirklich Rin unter ihrer Kontrolle hatte, konnten sie sich auf einiges gefasst machen. Angel war zusammen mit mehreren Exorzisten aufgebrochen, um nach Zivilisten zu sehen und bei Evakuierungen zu helfen. Egyn beneidete sie nicht. Momentan war er damit beschäftigt den Heilern unter die Arme zu greifen. Es hatte einige Tote und Verletzte auf beiden Seiten gegeben, was sie mit ihren überlebenden Gegnern tun sollten, wussten sie noch nicht, daher wurden sie vorerst eingesperrt. Er sah auf, als er Beelzebubs Aura spürte. „Bist du fertig hier, Egyn? Wir haben gerade eine Nachricht von den Grigori bekommen.” Der Wasserdämon nickte und stand auf. „Also haben sie den Angriff wirklich überlebt. Dann nehme ich an, dass sie sich jetzt doch mit uns verbünden wollen?”, fragte er, während sie durch die Gänge liefen. Der Insektenkönig nickte. „Wie es der Zufall will, gab es eine Überlebende, die gehen durfte und den Exorzisten eine Nachricht überbringen sollte. Lilith hat ihnen ein Ultimatum gestellt. Entweder sie folgen ihr oder sie sterben. Schätze das hat die Grigori endlich überzeugt, dass wir die Wahrheit gesagt haben.”
 

„Wurde auch Zeit. Ehrlich gesagt würde ich ihnen am liebsten sagen, dass sie uns mal kreuzweise können, aber da hängt wohl zu viel dran.”, grummelte Egyn. Beelzebub lachte. „Iblis hat sich schon beschwert, dass die "Ostereier" jetzt plötzlich angekrochen kommen. Aber besser spät als nie.” Sie erreichten den Versammlungsraum. Mehrere Zweigstellenleiter und Shura waren dort, doch vom Paladin fehlte jede Spur. Lucifer sah auf. „Da seid ihr ja. Wir fangen gleich an, sobald der Paladin dazu kommt.” Astaroth trommelte ungeduldig mit seinen Fingern auf der Tischplatte, weswegen ihm mehrere Exorzisten immer wieder nervöse Blicke zuwarfen. „Auf diese Pfeife können wir gut verzichten. Der braucht ewig...”
 

„Er ist an der Evakuierung beteiligt.”, zischte ein Zweigstellenleiter bissig. Astaroth verdrehte die Augen. „Heul doch. In Gehenna wäre das schon fünf Mal erledigt gewesen.”
 

„Ach ja? Und trotzdem wurdet ihr ziemlich schnell überrannt, nicht wahr?”, erwiderte der Exorzist angriffslustig. Astaroth und einige andere Dämonen standen auf und machten einen drohenden Schritt auf ihn zu, doch ausgerechnet Samael mischte sich ein. „Nun hört schon auf mit diesem Kindergarten, es ist peinlich.”, seufzte dieser. „Wie gut, dass du nie für Drama gesorgt hast.”, kam die gemurmelte Erwiderung vom Verwesungskönig, doch er setzte sich wieder hin. Egyn nutzte den kurzen Moment des Friedens, um sich im Raum umzusehen. Er entdeckte Rins Freunde und Yukio, welche sich leise in einer Ecke unterhielten. Zu seiner Überraschung unterhielten sich Izumo und Shiemi leise mit Ankou und Agares. Vaya saß daneben und hörte zu, auch wenn sie nichts verstand. Derweil redete Shura ausgerechnet mit Indra. Was die beiden miteinander zu schaffen hatten, war ihm ein Rätsel, aber es war ja nicht verboten. Einige Hexen und Hexer waren ebenfalls hier. Manche sprachen etwas zögerlich mit Exorzisten, doch alles schien friedvoll abzulaufen. Endlich öffnete sich die Tür und Angel betrat den Raum. Er hielt direkt auf Lucifer zu und machte sich gar nicht die Mühe Hallo zu sagen. „Jemand will zu euch. Glaube ich zumindest, ich verstehe nämlich kein Wort von ihrem Gebrabbel!”, begann er ohne Umschweife. Der Lichtkönig sah ihn verwirrt an. „Nochmal langsam, bitte. Wovon sprichst du?”
 

„Ich war gerade auf den Rückweg, als ich plötzlich auf ein Mädchen mit rosa-blauen Haaren getroffen bin. Sie war offensichtlich kein Mensch, von euren Beschreibungen her, ist sie eine Sirene. Als sie mich gesehen hat, hat sie sofort angefangen irgendwas zu erzählen und hat mit den Armen rumgefuchtelt. Ich habe mehrmals gesagt, dass ich sie nicht verstehe, aber sie hat immer weiter gemacht und wurde immer schneller. Irgendwann sind dann eure Namen gefallen und sie hat mir auf den ganzen Rückweg ein Ohr abgekaut!” Moment. Rosa-blaue Haare und sehr gesprächig? Die Baal wechselten Blicke. „War sie zufällig kleiner als ich?”, fragte Egyn. „Relativ hohe, quietschige Stimme, redet schnell und ohne Luft zu holen, ziemlich hyperaktiv, die ganze Zeit am Auf- und ab hüpfen wie ein Flummi? Oh, und hat sie hier drin schon irgendwas kaputt bekommen?”
 

Angel blinzelte verwirrt. „Ähm...ja. Sie hat eine wertvolle Statue zerstört, als ich mich für vielleicht drei Sekunden weggedreht habe!” Damit war der Fall klar. „Galatea.”, seufzten alle Baal wie aus einem Munde.
 

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„Egyn!”, quiekte die Sirene überglücklich und warf sich ihm um den Hals. „Ihr lebt alle noch!” Der Wasserkönig schnappte nach Luft. Sirenen waren wirklich stärker als sie aussahen. Galatea begann nun vor sich hin zu brabbeln, wie froh sie war, dass es allen gut ging und das sie schon wieder aus Versehen etwas kaputt gemacht hatte, es ihr aber leid tat. Das übliche also. „Ok, Galatea, jetzt fahr bitte mal einen Gang runter.”, unterbrach er sie. „Und halte vor allem still.”, fügte Samael hinzu. Endlich beruhigte sich die Sirene, doch kaum trat sie einen Schritt zurück, stieß sie gegen den Tisch woraufhin ein Glas herunterfiel und zu Bruch ging. „Whoopsie....Tut mir leid, das war ein Versehen!”, murmelte sie und wurde sofort rot. Als sie zu Iblis sah, wurde sie noch röter. Na, das ging ja gut los. „Kann jetzt mal jemand erklären woher ihr diese Sirene kennt?”, fragte Shura. „Sie ist Kyrenes jüngere Schwester. Die Sirene, die wir in Gehenna getroffen haben.” Er wandte sich wieder an Galatea. „Was tust du überhaupt hier?” Sie zuckte mit den Schultern. „Weiß ich ehrlich gesagt selbst gar nicht. Ich war mit meinen Schwestern, also Ato, Keto und Kyrie , auf einem großen Platz, wo wir singen sollten. Das haben wir auch gemacht, aber dann sollten wir irgendwo hingehen und ich bin irgendwie falsch abgebogen, dann bin ich ewig rumgerannt und irgendwann habe ich dann den blonden Mann dort getroffen. Ich habe an seinen Klamotten erkannt, dass er Exorzist ist und habe die anderen sagen hören, dass sie mit euch zusammenarbeiten, also bin ich zu ihm hin, aber er hat mich leider nicht verstanden. Also habe ich immer weiter erzählt, in der Hoffnung, dass er mich zu euch bringt und das hat er dann auch gemacht. Er war dann ganz schön böse, als ich diese Statue mit den Flügeln umgeworfen habe. Könnt ihr ihm bitte sagen, dass es mir ganz dolle leid tut und ich seine Haare mag? Die sehen so fluffig aus.~ Oh, übrigens habe ich vorhin Essen gerochen! Gibt es hier Essen?! Bestimmt! Ich habe echt Hunger, in Gehenna gab es kaum was. Ist das Essen wie in Gehenna? Hier gibt's doch auch Fisch, oder? Oh, wartet mal! Wer ist denn die Frau da drüben? Sie hat ja bunte Haare und so ein komisches Oberteil...ist sie auch eine Sirene? Wahrscheinlich nicht, sie hat ja keine Schuppen...na egal, jedenfalls ist es hier echt seltsam.” Sie hatte wieder begonnen auf und ab zu hüpfen, Astaroth ließ resigniert seinen Kopf auf den Kopf fallen. „Warum hat Vater bei Sirenen keine Stummtaste eingebaut...”, murmelte er. Galatea ließ sich nicht stören und erzählte munter weiter. Inzwischen philosophierte sie über die Musterung des Bodens und der Wände sowie über die Farbe des Teppichs. Unglaublich wie schnell sie unkonzentriert wurde und über alles redete, nur nicht über das worum es ursprünglich ging. Allerdings war Egyn das schon von seiner Tante gewohnt, da sie wesentlich mehr Sirene abgekommen hatte als seine Mutter. Immer wenn er zu Besuch war oder sie kam, musste er den neuesten Tratsch und die aktuellen Einrichtungstrends über sich ergehen lassen. Gleich zusammen mit der Frage, ob er denn nun mal wieder eine Freundin hatte und andere peinliche Dinge. Seine Geschwister und sein Vater blieben davon meist auch nicht verschont. Schließlich schafften sie es die gesprächige Sirene zu beruhigen und erzählten alles den Exorzisten. Als sie Galatea jedoch sagten, dass sie hier in Sicherheit war, schüttelte sie den Kopf. „Ich kann nicht hier bleiben, ich muss zurück zu den anderen.”, sagte sie unruhig. „Wenn die Wärter denken, ich bin weggelaufen, dann werden sie bestraft. Ich will nicht, dass ihnen meinetwegen die Stimmbänder rausgerissen werden!” Egyn fuhr es kalt den Rücken runter. Die Stimmbänder waren ein Teil, welcher bei den Sirenen nicht nachwuchs. Sie waren für immer stumm und konnten nie wieder singen, was für sie unerträglich war. Eine stumme Sirene, war eine tote Sirene, meistens jedenfalls. „Du kannst nicht zurückgehen, wahrscheinlich haben sie es längst bemerkt.”, versuchte Beelzebub sie umzustimmen, doch sie blieb stur. „Ich gehe zurück. Ich lasse sie nicht allein!” So ging es eine Weile hin und wer bis sie schließlich zustimmten. „Eine letzte Sache bevor du gehst.”, sagte Lucifer. „Weißt du etwas von Vater, Azazel oder Rin?” Galatea legte den Kopf schief. „Ist Rin der Nephilim?”
 

„Ja.”
 

„Dann weiß ich etwas! Sie sind im....ähm....Fat....Kati...Watkan...”
 

„Vatikan?”, half Iblis aus. Erneut errötete Galatea und nickte. „Genau. Ich habe sie darüber reden hören.” Also waren sie wirklich dort. „Hat Lilith ihr Amulett immer bei sich?”, fragte nun Lucifer. Galatea überlegte. „Das was sie um den Hals trägt? Das funkelt total schön, ich möchte auch so eins...”
 

„Galatea...”, seufzte der Lichtkönig.
 

„Oh, richtig. Ja, das trägt sie immer, zumindest immer dann, wenn ich sie gesehen habe.” Sie stellen noch ein paar Fragen, dass verabschiedeten sie sich widerwillig von der Sirene, Egyn brachte sie noch zum Rand der Akademie, dann kehrte er zurück. Lucifer hatte bereits ein Treffen mit den Grigori ausgemacht, es würde also mehr als interessant werden. ‚Vater, Rin und Azazel. Bitte haltet noch eine Weile durch. Wir holen euch da raus.‘, flehte er im Stillen.

Die Macht der Sirenen

„Komm schon...komm schon...jetzt mach hin, du verdammte Klapperkiste!”, fauchte Azazel frustriert den Computer an, welcher gefühlt aus der Kreidezeit stamme. Dafür dass die Exorzisten zum Teil recht beeindruckende Technologie hatten, waren ihre Bosse verdammt mies ausgestattet. Das letzte Mal hatte er einen solchen Computer in den 90ern verwendet! Gut, das war übertrieben, aber so fühlte es sich zumindest an. Genervt starrte er auf den Ladebalken, welcher sich quälend langsam voran schob, als würde er ihn verspotten wollen. Einmal sprang die verdammte Leiste sogar ein Stück zurück! Der Geisterkönig stöhnte auf. Es war lächerlich einfach gewesen in das System zu kommen, was vor allem daran lag, dass irgendein Genie einen Zettel mit dem Passwort in einer Schublade abgelegt hatte. Wohlgemerkt die Schublade des Tisches, auf dem der PC stand. Irgendjemand hätte dafür so gefeuert werden müssen. Nett wie diese Person war, hatte sie sogar seine E-Mail Daten aufgeschrieben. Trottel. „So, wo ist jetzt ihr Mailprogramm...”, murmelte er und klickte sich durch die Programme bis er endlich fand, was er suchte. Er loggte sich mit den Daten des wahrscheinlich toten Mitarbeiters ein, erstellte eine neue E-Mail, hing den Anhang daran und schickte sie los. ‚Hoffentlich schauen sie auf ihr Handy...‘, dachte er und fuhr schnell den PC runter. Dann schlich er sich langsam aus dem Zimmer. Er öffnete die Tür und lugte vorsichtig raus. Die Luft war rein, also ging er leise weiter. Er hörte einige Stimmen, darunter auch Jahis, doch er ignorierte sie und lief vorbei. Zugebenermaßen schämte er sich inzwischen dafür, wie er sie angegangen war. Ja, sie war eine Verräterin, doch er selbst war nicht besser. Sie hatten sich aus verschiedenen Gründen dafür entscheiden, doch welches Recht hatte er, sie zu verurteilen? In seiner momentanen Position absolut keins und immerhin hatte Jahi einen irgendwo nachvollziehbaren Grund. Hätte jemand seine Geschwister auf dem Gewissen würde er ebenfalls die Verantwortlichen um jeden Preis zerstören wollen, auch wenn er sich dabei mit zwielichtigen Leuten einlassen müsste. Er presste sich in den Schatten einer Säule, als er Schritte hörte. Stumm ließ er die Patrouille passieren, dann huschte er weiter durch die Gänge. Es ging nun abwärts und nach einer Weile stand er endlich vor der Tür, die er suchte. Er zog den Schlüssel hervor, welchen er vorhin Acedia gestohlen hatte, als sie mal wieder eingeschlafen war. Welcher Schlaumeier war nur auf die Idee gekommen, der Verkörperung der Trägheit wichtige Schlüssel zum bewachen anzuvertrauen?! Nun, er würde sich sicher nicht beschweren. Er schloss die Tür auf und betrat leise das Zimmer. Es war sehr spartanisch eingerichtet. Es gab einen Tisch, einen Stuhl und ein Bett, wobei Bett schon großzügig war. Eher war es ein Haufen aus Decken, Laken und einer Isomatte. Darauf lag Rin, wie immer in Albträumen gefangen und sich wild umher wälzend. Schweiß stand ihm auf der Stirn, seine Haut war blass und er zitterte wie Espenlaub, obwohl Azazel ihm bereits eine zusätzliche Decke besorgt hatte. Der Geisterkönig schloss vorsichtig die Tür hinter sich, um keine Wächter herzulocken und setzte sich neben seinem kleinen Bruder auf den Boden. Dieser stöhnte und wimmerte leise. Azazel begann ihm vorsichtig durch die Haare zu streichen. „Ist schon gut, ich bin da. Lilith ist weg.”, flüsterte er etwas hilflos. Er wusste nicht, ob Lilith die Albträume verursachte oder ob es an der momentanen Situation lag. Die Folter hatte dem Nephilim stark zugesetzt und die Besitzergreifung hatte es nicht besser gemacht. Es hatte ihm wirklich das Herz zerrissen, als Lilith ihn zur Konfrontation gezwungen hatte und Rin ihn angefleht hatte, zu sagen, dass das alles nicht stimmte. Hätte er jedoch nicht bei Liliths krankem Spiel mitgemacht, hätte sie Rin noch übler zugerichtet. Andererseits schien es keinen Unterschied mehr zu machen. Der Halbdämon hatte sich inzwischen beruhigt und war näher an ihn herangerückt. Seine Atmung war regelmäßiger geworden und sein Gesicht entspannter. Der ältere Dämon seufzte leise. Wie konnte das passieren? Wie konnte alles so schnell aus den Fugen geraten? So war es nicht geplant, es sollte ganz anders kommen! Rin war in die ganze Sache reingezogen worden, obwohl er absolut nichts dafür konnte. Warum riss er mit seinen Entscheidungen immer andere ins Verderben? Allerdings fiel ihm keine andere Möglichkeit ein, wie er es damals sonst hätte lösen können.„Irgendwie hole ich dich hier raus...ich weiß noch nicht wie, aber mir fällt schon was ein...”, flüsterte er dem Nephilim zu, was er natürlich nicht hörte. Er saß für einige Minuten stumm da, dann er stand auf, um wieder zu gehen. Es würde jeden Moment eine Patrouille kommen und wenn die ihn erwischte, hatte er ein Problem. Rin protestierte mit einem leisen Wimmern. „Ich komme wieder sobald ich kann.”, versprach er leise, dann ging er zur Tür, zog sie zu und schloss ab. Er erstarrte, als er Schritte hörte. Warum hatte er nicht zuerst seinen Schatten rausgeschickt, um die Lage zu peilen?! Dummerwiese war es keine Wache, sondern Avaritia. Ganz toll. Sie hielt inne, als sie ihn entdeckte. „Azazel? Was tust du hier?”, fragte die Sünde. Er sagte dummerweise, das erstbeste, was ihm einfiel. „...Ich schlafwandle...?” Seine Fähigkeit zu Lügen war schon besser gewesen. Avaritia verdrehte die Augen. „Mit Klamotten und Schuhen?”
 

„...Ja?”
 

Die Aveira schnaubte. „Du warst schon besser im lügen. Lass mich raten: Du warst bei deinem Bruder.” Azazel sagte nichts, sondern verschränkte die Arme. Das deutete Avaritia als ein Ja. „Dir ist schon bewusst, dass du was erleben kannst, wenn das jemand merkt?” Er zuckte mit den Schultern. „Was interessiert es dich? Du rennst wahrscheinlich eh gleich zu Lilith, egal was ich sage.”
 

„Nein. Werde ich nicht.”
 

Er hob ungläubig eine Braue. „Es fällt mir schwer, das zu glauben.” Nun war es Avaritia, die mit den Schultern zuckte. „Ich kann verstehen, dass du zu ihm willst, auch wenn die Umstände...na ja sind. Und ich bin keine Petze. Es nervt schon immer, wenn Superbia oder Vidia das machen, um sich einzuschleimen. So tief sinke ich nicht. Allerdings will ich was für im Gegenzug, dass ich die Klappe halte. Sollte mich aber einer fragen, lüge ich nicht für dich.” Der Geisterkönig überlegte kurz, dann nickte er. „Gut, ich sollte es besser wissen, aber ich hab wohl kaum noch was zu verlieren. Was willst du haben?” Die Aveira grinste. „Ich will zwei Sachen. Ich will, dass du mir Englisch beibringst. Ich habe genug davon, nichts in Assiah verstehen zu können. Und ich will, dass du mir zeigt, wie man mit einem von diesen Teilen umgeht, auf die die Menschen immer rumtippen.” Gut, damit hatte er nicht gerechnet. Englisch lernen war verständlich, aber der Rest war seltsam. „Du meinst Handys?” Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wo sie davor sitzen. Und unten tippen, während sie oben hinschauen.” Endlich fiel der Groschen. „Computer. Warum willst du das wissen?” Ihr Grinsen wurde noch breiter. „Nachdem was ich so mitbekomme, kriegt man dort schnell Informationen her. Und die sind momentan mehr als wertvoll. Der Rest geht dich nichts an.”Azazel wog schnell Pro und Contra ab. Es würde Tage brauchen, um ihr das grundlegende beizubringen und sie würde noch länger brauchen, um wirklich zu wissen, was wichtig war und was nicht. Seufzend nickte er. „Na gut, abgemacht.”
 

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Lucifer war erleichtert, dass sie endlich ihre Abmachung mit den Grigori hatten. Damit hatten sie alle Exorzisten hinter sich, doch noch immer würde es schwierig werden. Liliths Anhänger breiteten sich rasend schnell aus. Sie hatten bereits den Großteil Europas übernommen und arbeiteten sich Richtung Asien weiter. In Amerika waren sie ebenfalls fleißig zugange. Viele Staatsoberhäupter waren mit der plötzlichen Bedrohung überfordert, aber das konnte man ihnen kaum verübeln. Ihre Armeen waren dafür da, um gegen Bedrohungen zu kämpfen, die von anderen Menschen ausgingen, nicht von übernatürliche Wesen. Viele Länder hatten längst kapituliert, andere versuchten sich noch zu wehren. Allerdings war es nur eine Frage der Zeit bis sie ebenfalls einknicken würden. Viele Grenzen waren dicht, der Flugverkehr war komplett lahm gelegt. Niemand konnte sein Land verlassen. Überall drohte Anarchie, Wissenschaftler und Militär versuchten derweil verzweifelt herauszufinden, wie sie sich wehren konnten. Leider war inzwischen ein Großteil der Welt dazu in der Lage Dämonen zu sehen. Das würde eindeutig schwere Folgen haben, auch für die Zeit nach dem Krieg mit Lilith. Wenn es eine Zeit danach geben sollte. Bisher war die Heiligkreuzakademie sowie die umliegende Stadt noch halbwegs verschont geblieben, aber irgendwann würden sie die Massen nicht mehr abwehren können. Mit jeder Stunde wuchs Liliths Macht, Sirenen sorgten für Chaos und verschafften ihr damit entschiedene Vorteile. Dummerweise hatten sie keine Ahnung, wo sich die Sirenen überall aufhielten, aber dieses Problem sollte sich schnell lösen. Er war gerade auf dem Weg zu einem Treffen, als er plötzlich vor Astaroth stand und dieser hatte interessante Neuigkeiten. „Hey, hast du in deine Mails geschaut?”, fragte er. Der Lichtkönig sah ihn an, als hätte er nach tanzenden Keksen gefragt. Gab es überhaupt noch Internetverbindungen?! „Ich habe momentan ganz andere Sorgen!”, knurrte er, woraufhin der jüngere beschwichtigend die Hände hob. „War ja nur 'ne Frage. Wir haben alle eine Mail bekommen, aber kennen die E-Mail Adresse nicht. Aber laut Siegel kommt es vom Vatikan.” Lucifer runzelte die Stirn. „Sicher? Ich dachte alle Menschen dort sind tot? Und Lilith und ihre Leute wissen nicht mal, wie man einen Computer startet. Oder man dafür den Stecker in die Steckdose stecken muss.”
 

„Dachten wir auch. Jedenfalls stand nur drin, dass dort bei den Kreuzen die momentane Position der Sirenen sind und wir uns beeilen sollen, weil die jeden Tag wechseln. Im Anhang war dann eine Karte.” Nun war der blonde Dämon ganz baff. „Meinst du, das war Azazel?”, fuhr Astaroth fort. „Er ist der einzige, der das könnte.” Lucifer nickte langsam. „Gut möglich...aber wie ist er an einen Computer gekommen ohne dass es jemand merkt? Für mich klingt das nach einer Falle.”
 

„Tja, wie es der Zufall wollte, waren einige Hexen in der Nähe und die konnten bestätigen, dass zumindest einige der Positionen stimmen.” Er hielt inne. „Apropos Hexen...Christina hat angerufen und wir haben noch ein Problem.” Lucifer schnaubte. Er hatte wirklich genug. „Aber natürlich. Es ist ja nicht so als müssten wir uns mit genug Mist rumschlagen. Also was jetzt? Haben sie wieder aus Versehen etwas heraufbeschworen und es läuft Amok? Fressen die Sirenen die Menschen? Hat Galatea den japanischen Palast niedergebrannt? Oder hat sich einer der Novizen wieder mit meinen Leuten in den Haaren?” Astaroth schüttelte den Kopf. „Schätze mal, dir sagen die Mlakzot-Parasiten was? Lilith scheint an denen etwas experimentiert zu haben und jetzt...ähm na ja, ist "REC" angesagt?” Lucifer blinzelte den Dämonen an, dann...„WILLST DU MICH VERARSCHEN?!” Ja, auch seine Geduld hatte Grenzen.
 

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„Malkzot-Parasiten? Will ich es überhaupt wissen?”‚ fragte Angel erschöpft klingend. Iblis konnte ihm nicht mal verübeln. Momentan prasselten die Probleme förmlich auf sie ein. „Nicht wirklich.”, antwortete Agares. „Sie wurden ursprünglich zur Folter eingesetzt, aber galten dann als ausgestorben. Im Gegensatz zu den Parasiten hier in Assiah, nisten sie sich nicht nur ein, sondern ergreifen Besitz von Lebewesen. Sowohl Lebenden als auch Toten. Sie sind wesentlich intelligenter und greifen andere Lebewesen an, um sich zu verbreiten und neue Nahrung -also Fleisch- zu bekommen. Man kann sie jedoch mit Weihwasser und den entsprechenden Todesversen austreiben.”
 

„Und die da wären?”
 

„Die mit der Heuschreckenplage. Buch Moses war es oder? Aber keine Ahnung welche genau.”, antwortete Beelzebub schulterzuckend. „Wir kennen nur unsere eigenen Todesverse...und noch ein paar andere, aber mehr nicht.”
 

„Also müssen wir uns jetzt auch noch um diese Parasiten kümmern.”, grummelte Shura recht unenthusiastisch. Samael schüttelte den Kopf. „Die Zirkel sind mehr als geeignet sich der Sache anzunehmen. Momentan ist unser Problem der Gesang der Sirenen. Da Lilith in gewisser Weise Chaos repräsentiert, wird sie von Minute zu Minute stärker.”
 

„Und was passiert dann mit den Sirenen? Bekommen sie irgendwelche neuen Fähigkeiten?”, fragte Bon. Egyn nickte. „Je stärker sie werden, umso mehr können ihre Stimmen bewirken. Irgendwann erreichen und halten sie einen sehr hohen Ton, der Dinge wie Glas zerbrechen lässt und andere lähmt oder paralysiert. Hin und wieder können sogar Druckwellen dabei entstehen. Ansonsten können sie auch Lieder singen, die einen in den Wahnsinn treiben, gleich den Tod bewirken oder anderen Lebenskraft aussaugt. Oh und natürlich bekommen sie verbesserte Reflexe, Heilung, Geschwindigkeit und Widerstandskraft. Richtig gefährlich wird es, wenn sie den Höhepunkt erreichen. Viele tendieren dazu dann etwas...machthungrig zu werden.”
 

„Heißt?”
 

„Rage Mode. Gar kein Spaß.”, kommentierte Iblis. Sirenen konnten schon so biestig genug sein, aber wenn sie quasi voll aufgeladen und sauer waren, konnte es richtig ungemütlich werden. „Da greifen sie einen mit allem an, was sie haben. Ihre Zähne kommen hervor, die Klauen...sie nehmen also quasi ihre wahre Gestalt an, nur blutdurstiger und hässlicher.”
 

„Wie hässlich?”, erkundigte sich Shima, woraufhin der Feuerdämon dreckig grinste. „Kennt ihr "The Hills Have Eyes"?”
 

„Genug jetzt, das ist doch vollkommen egal!”, fuhr Lucifer dazwischen. „Auf jeden Fall wissen wir jetzt, wo die Sirenen sind. Aber ich denke, dass es eine Falle ist. Galatea ist viel zu einfach entkommen und sie ist zu Fuß nie im Leben so weit gekommen. Irgendetwas ist da faul.”
 

„Könnte es nicht wieder Invidia sein?”, fragte Shura. Die Baal sahen sich an, dann schüttelten sie die Köpfe. „Glaubt uns, Galateas Art ist unnachahmlich. Sie glaubt immer noch, dass Kinder von Harpyien gebracht werden. Da hätte nicht mal Invidia eine Chance.”, sagte Egyn trocken. „Aber selbst wenn es eine Falle ist, wir können sie nicht weiter Chaos stiften lassen. Außerdem wird sich einiges ändern, wenn wir die Sirenen auf unserer Seite haben. Wir können Kämpfe beenden, bevor sie los gehen.”
 

„Dazu müssen wir erst mal an sie ran kommen, ohne uns gegenseitig den Schädel einzuschlagen.”, knurrte Alastor. „Und wir sollten nicht alle auf einmal losstürmen.”
 

„Ich kann gehen.”, schlug Agares vor. „Mir macht ihr Gesang nichts aus.”
 

„Aber nur solange sie noch keine bestimmte Stärke erreicht haben und diese Grenze ist wahrscheinlich längst überschritten.”, hielt Egyn dagegen. „Wenn Lilith abgesehen davon wirklich eine Möglichkeit gefunden hat, auch uns zu beeinflussen, wäre jeder erledigt. Da sie allerdings zu meinem Gefolge gehören, habe ich die Verantwortung für sie, also gehe ich auf jeden Fall.”
 

„Ich komme mit.”, meldete sich Shax an. „Ich dachte, du wolltest nicht mehr kämpfen?”, hinterfragte Amaimon, woraufhin der ältere Dämon mit den Schultern zuckte. „Soll ich hier rumsitzen und hoffen, dass alles gut geht? Abgesehen davon würde Satan es mir ziemlich übel nehmen, wenn ich euch allein lasse. Wie ihr euch erinnert, hat er mich damals zu eurem Vormund gemacht, falls er unpässlich ist oder ihm etwas passiert.”
 

„Da waren wir Kinder, wir sind jetzt erwachsen...”, murmelte Iblis. Shax wirkte amüsiert. „Ihr zieht Ärger trotzdem noch immer magisch an. Vom Alter her seid ihr zwar erwachsen, aber geistig...na ja, es ist ausbaufähig.” Der Feuerkönig wollte protestieren, doch man ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. „Wenn Egyn und Shax gehen, komme ich erst recht mit!”, beharrte Agares. „Ich auch.”, mischte sich Ankou ein. „Ich komme ebenfalls mit. Und Amaimon. Wahrscheinlich werden viele Wasserdämonen dort sein, also kann ein Erddämon nicht schaden.”, ergänzte Lucifer und Amaimon nickte.„Tja, dann schätze ich, ich komme auch mal mit. Wird sicher interessiert.”, verkündete Shura. „Aber mal etwas anderes...Sirenen können andere durch ihren Gesang beeinflussen. Hat da die sexuelle Orientierung eine Bedeutung? Also hetero kann nur vom anderen Geschlecht beeinflusst werden, Asexuelle sind immun und so weiter?” Die Dämonen wechselten Blicke. „Stimmt eigentlich...”, murmelte Halphas. „Macht das was aus? Bisher habe ich erlebt, dass Sirenen beide Geschlechter manipulieren können, aber so ziemlich alle Dämonen sind bisexuell...” Egyn schüttelte den Kopf. „Das hat damit nichts zu tun. Einer weiblichen Sirene würde es zum Beispiel schwerer fallen eine heterosexuelle Frau dazu bringen sich in sie zu verlieben, aber sonst bleibt der Einfluss gleich. Wobei Lilith eventuell auch männliche Sirenen hergeschickt hat, um ganz sicher zu gehen.” Lucifer nickte zustimmend. „Ein Grund mehr sicher zu gehen. Ich habe Ohrstöpsel besorgt und sie segnen lassen. Ich habe zwar keine Ahnung, ob das irgendwie hilft, aber schaden kann es nicht. Allerdings werden sie wohl nur bis zu bestimmten Frequenzen helfen. Verlasst euch nicht zu sehr darauf.” Alle nickten. „Welche Gruppe nehmen wir uns zuerst vor?”, fragte Shura. Egyn deutete auf eines der Küstengebiete. „Dort. Je schneller wir sie vom Wasser wegbekommen umso besser. Wenn sie nämlich im Wasser sind, verstärken sich ihre Kräfte nochmal und sie heilen und erholen sich von Kraftverlusten schneller.”
 

„Wir sichern das Gebiet ab und sorgen für Ablenkung.”, bot Alastor an. Lucifer nickte. „Dann haben wir einen Plan. Wir treffen uns in zwei Stunden.” Damit lösten sie die Versammlung auf, um sich vorzubereiten. Iblis hatte keine wirkliche Lust mit einem der Exorzisten zu reden, also verschwand er schnell aus dem Zimmer und in einen Nebengang. Er brauchte die Vorbereitungszeit nicht wirklich, also beschloss er einfach umherzuwandern und zu sehen, was die restlichen Dämonen trieben. Er hielt inne, als er ein leises Jammern vernahm. Verwundert folgte er dem Geräusch und fand einen weinenden Kuro vor. Es sollte ihn wohl nicht weiter überraschen. Der Cat Sidhe hatte seit Rins Verschwinden unaufhörlich gejammert. Der Feuerkönig konnte es verstehen, immerhin hatte er laut Rin bereits einen Meister verloren und er schien auch an dem Nephilim zu hängen. Egyn hatte sich so gut um ihn gekümmert wie es ging, aber er hatte eben nicht rund um die Uhr Zeit. Der Brillenzwerg schien sich ebenfalls hin und wieder um ihn zu kümmern, doch er achtete nicht wirklich darauf. Für einen Moment wollte er einfach weitergehen, aber so herzlos war er dann doch nicht. „Weiterhin zu heulen, wird auch nichts helfen, Flohschleuder.”, sprach er den Kater an. Dieser unterbrach sein Gejammer kurz, nur um dann weiter zu machen. Iblis musste wirklich an seiner Feinfühligkeit arbeiten. Seufzend setzte er sich neben ihn auf den Boden. „Hey, ich vermisse Rin auch, genau wie Azazel. Aber nur rum zu heulen bringt nichts.” Kuro sah ihn schniefend an. „Aber was wenn er stirbt? Ich konnte Shiro schon nicht helfen, ich will nicht noch Rin verlieren. Und Lord Azazel soll auch nicht sterben.”
 

„Sie werden nicht sterben. Wir finden sie und helfen ihnen.”, beruhigte Iblis ihn. Er hatte keine Ahnung, was er hier tat. Trösten war Egyns oder Lucifers Fachgebiet. Er hatte in etwa das Feingefühl eines Betonklotzes. „Und du kannst mithelfen, aber nur, wenn du aufhörst hier rum zu sitzen und zu flennen. Das wird weder Rin noch Azazel helfen.” Kuro schien zu überlegen, dann nickte er. „Ihr habt recht. Rin braucht mich, da kann ich nicht hier sitzen und traurig sein! Kann ich irgendwie helfen?” 'Iblis hielt kurz inne, dann nickte er. „Ich glaube ja...was hälst du eigentlich von Stränden und Sirenen?”
 

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Ankou saß auf einem Fenstersims in einem Gang und schaute gedankenverloren nach draußen. Sie sah mehrere Exorzisten und einige Dämonen, die sich fertig machten, doch ihr gingen momentan ganz andere Dinge durch den Kopf. Sie hatte keine wirkliche Zeit gehabt, sich darüber Gedanken zu machen, sie war immer beschäftigt gewesen und am Abend dann gleich eingeschlafen. Nun da sie eine Atempause hatte, musste sie an Azazel denken. Sie konnte immer noch nicht begreifen, dass es er der Verräter sein sollte. Sie kannte ihn, seitdem sie Kinder waren und sie hatten fast jeden Tag zusammen gespielt. Als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, waren nur er, Lucifer und Samael geboren. Ruha hatte ihren Eltern damals vorgeschlagen, dass sie, Vaya und die Jungs sich zum spielen treffen könnten. Immerhin waren sie so gut wie gleich alt und sie lebten sogar im selben Gebäude. Keine der beiden Parteien war sonderlich begeistert gewesen. Zuerst kamen sie überhaupt nicht miteinander klar, doch nach einer Weile war irgendwie alles gut gegangen. Sie hatten zusammen Palastbediensteten Streiche gespielt, Essen aus der Küche geklaut, sich in die Wälder und umliegende Gegend geschlichen und Geheimgänge erkundet. Sie hatten sich sogar schon nackt gesehen, als sie im Palastgarten schwimmen waren, aber sich damals natürlich nicht geschämt. Die wenigsten Kinder achteten immerhin auf sowas. Der Rest kam dann langsam hinzu. Je länger sie darüber nachdachte, umso mehr Erinnerungen kamen hoch. Zum Beispiel als sie sich damals in das Haus der alten, angeblich verrückten Hexe geschlichen hatten, einem Jikininki auf einem Todestempel-Gelände entkommen waren oder auch wie sie trotz des ausdrücklichen Verbots in dem Kerker Verstecken gespielt hatten. Jedoch hatte sie sich immer mit dem Geisterkönig am verbundensten gefühlt. Er war der erste Junge, den sie geküsst hatte, auch wenn keiner von ihnen damals wusste, was das überhaupt war. Sie hatte ihn unterstützt, als er seine Mutter und später seine Stiefmütter verloren hatte. Natürlich hatte Ruha ihm am härtesten getroffen, doch sie hatte ihr bestes gegeben, um ihm zu helfen. Manchmal hatten sie, Vaya und seine Brüder sich gemeinsam in sein Zimmer geschlichen, damit er nicht alleine mit seinen Albträumen war. An anderen Tagen war einfach zuhören genug oder ihn zu seinen Therapien bei den Heilern zu begleiten. Seine Veränderungen waren erschreckend gewesen, aber sie war immer bei ihm geblieben. Als Satan und Anansi heirateten, war Azazel mehr als wütend gewesen und wollte Beelzebub nicht als Bruder akzeptieren, als dieser geboren wurde. Auch hier hatte sie ihm beigestanden und ihm so gut es ging geholfen. Er sollte erkennen, dass das Leben weiter ging. Sicher, es war schlimm die Mutter zu verlieren, doch mit Anansi und Beel bekam er zwei neue Familienmitglieder, was er schlussendlich einsah. Dies bedeutet natürlich auch, dass sie ihm bei den nachfolgenden Stiefmüttern und ihren Toden ebenfalls zur Seite gestanden hatte. Nur bei Rins Geburt war es sehr knifflig gewesen. Ihn damals zu beruhigen war absolut nicht einfach gewesen. Später waren sie in dieselbe Schule gegangen, wo sie zusammen lernten und als (freundschaftliche) Verabredungen auf Schulfeste gingen. Sie war sogar seine Tanzpartnerin im Gesellschaftsunterricht gewesen. Danach hatten sie an der Militärakademie so gut wie immer zusammen trainiert sowie sich gegenseitig geholfen. Dies war auch bitter nötig gewesen, denn manche der Ausbilder waren entweder ziemlich durchgeknallt oder komplette Arschlöcher gewesen. Ankou hatte irgendwann aufgehört zu zählen wie oft sie ihn gedeckt hatte, weil er wieder mal verschlafen hatte. Einmal musste sie ihm sogar Zeit verschaffen, weil er bei einer Übung im Wald seine Waffe verloren hatte. Wenn sowas passierte, bedeutete das gehörigen Ärger. Also hatte sie zusammen mit einigen seiner Brüder ihre Vorgesetzten abgelenkt damit er die Waffe suchen konnte. Satan sei Dank mit Erfolg. Dann war da noch der Tag, an dem ihr die Position als seine rechte Hand angeboten worden war. Zwar teilte sie sich diese mit Shax, aber sie war dennoch so glücklich wie lange nicht gewesen. Es war ein großer Vertrauensbeweis gewesen. Und eine Erleichterung für Satan. Endlich gab es jemanden, der Azazel notfalls mal in den Hintern trat, wenn er faul wurde oder spät dran war. Ankou hatte immer all seine Termine im Kopf (er eigentlich auch, aber er hatte es nicht so mit Zeiten einhalten) und schliff ihn notfalls hin, wenn es sein musste. Er beschwerte sich öfter deswegen, aber er wohl ganz dankbar deswegen, da er nie mehr tat als sich darüber zu beschweren und sie noch im Amt war. Allein die Tatsache, dass er ihr (demzufolge auch Vaya) immer dieses Schokoladen- und Keks Eis, welches sie so sehr liebte, aus Assiah mitbrachte, zeigte dies. Ihr waren damals von ihm sogar zwei Schattenwolfwelpen überlassen, die ein neues Zuhause brauchten. Natürlich wohl wissend, dass Ankou schon immer einen wollte. Der Geisterkönig wirkte so oft desinteressiert, aber das stimmte nicht. Er war etwas kompliziert, doch Satan, die Dämonenkönige, Shax, Vaya und sie kannten ihn wohl am besten und keiner hatte diesen angeblichen Verrat kommen sehen. Es steckte mehr dahinter. Es musste mehr dahinter stecken. Azazel würde nie jemanden verraten. Er war ihr König und noch viel wichtiger ihr Kindheitsfreund. Doch stimmte das noch? Kannte sie ihn wirklich so gut? Falls er wirklich ein Verräter war oder vielleicht von Lilith gezwungen wurde...wie konnte sie die Vorzeichen nicht erkennen?! Sie hätte merken müssen, dass es mehr als Stress und eine seltsame Krankheit war. Sie hätte ihm wahrscheinlich helfen können. Ihm helfen müssen. Stattdessen hatte sie seine Ausreden akzeptiert und nicht weitergebohrt. Ein schwerer Fehler. Vertraute er ihr nicht mehr? Waren sie längst keine Freunde mehr, sondern einfach nur Arbeitskollegen? Es war ziemlich lange her, dass sie gemeinsam etwas unternommen hatten. War es möglich, dass sie sich auseinandergelebt hatten? Je mehr sie grübelte, umso lauter wurden die Vorwürfe. Sie hätte ihn besser unterstützen sollen. Sie hätte notfalls die verdammten Antworten raus prügeln sollen! Vielleicht hatte er sich von allen im Stich gelassen gefühlt. Dann würde sie an allem eine Mitschuld tragen. Sie spürte wie Tränen in ihren Augen brannten, jedoch waren es Frust- und Wuttränen. Sowohl auf sich selbst als auch auf Azazel. Warum konnte dieser Idiot nicht einmal offen sein?! Warum hatte sie ihn diesmal nicht gedrängt, ihr zu sagen, was nicht stimmte, sondern einfach alles ignoriert und geglaubt, es würde besser werden?! Sie war einfach nur blind gewesen und nun saß Lilith auf dem Thron, Satan und Rin in einer Zelle und Azazel...keiner wusste, wo er war. Mit einem frustrierten Schnauben zog sie die Beine an und legte ihren Kopf auf den Knien ab. Unwillkürlich musste sie nun an Satan denken. ‚Es muss furchtbar sein, wenn man festsitzt und zusehen muss wie zwei der eigenen Kindern leiden. Das würde wahrscheinlich jeden einknicken lassen. Sogar Lord Satan.‘, stellte sie nüchtern fest. Er war wohl von allen dreien noch am sichersten, aber bei den anderen beiden war alles ungewiss. Vor allem Rin musste für Lilith wie ein Stück rohes Fleisch sein. Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten, als sie sich erinnerte, was ihr die Baal über Indras Visionen erzählt hatten. Offensichtlich hatten sie den Nephilim gefoltert, wenn sie nicht sogar noch dabei waren. Dabei war Rin vollkommen unbeteiligt an ihrer Versiegelung gewesen. Er hatte ihr nie geschadet, aber es war der momentanen Königin Gehennas egal. Es sollte die Geisterdämonin wohl nicht weiter überraschen, aber zumindest ein kleiner Teil von ihr hatte gehofft, dass in Lilith zumindest ein kleiner Funken Mitgefühl steckte. Sie hatte in der Vergangenheit Schwangere und kleine Kinder verschont, also vielleicht würde sie ihn in Ruhe lassen, wenn sie feststellte, dass er keine Bedrohung war. Tja, Fehlanzeige. Ankou versuchte immer ihre persönlichen Gefühle aus derartigen Dingen herauszuhalten, doch diesmal war eindeutig eine Grenze überschritten. Es war schlimm genug, dass Lilith vermutlich alle Frauen Satans ermorden ließ, aber was sie seit ihrer Entsiegelung abgezogen hatte, ging auf keine Drachenhaut! Sie wollte die Dämonengöttin sterben sehen und zwar möglichst qualvoll. „Ankou, ist alles in Ordnung?”, fragte jemand und sie zuckte zusammen. Es war Shax. „Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken.”, entschuldigte sich der Erzdämon. Ankou schüttelte langsam den Kopf. „Es war meine Schuld. Ich hätte besser auf meine Umgebung achten sollen. Setz dich ruhig.”
 

Shax sagte nichts, kam der Aufforderung jedoch nach. „Brauchst du etwas oder weswegen bist du hier?”, fragte Ankou, bemüht möglichst normal zu wirken. Die Antwort überraschte sie. „Ich bin wegen dir hier. Streite es bitte nicht ab. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck nur zu gut. Du machst dir Sorgen und ich nehme an, dass es dabei um Satan und Rin geht, aber natürlich vor allem Azazel. Es war nicht deine Schuld, hör auf mit den Vorwürfen.” Dies erwischte sie im kalten. Sie öffnete und schloss ihren Mund, unsicher was sie sagen sollte. Shax lächelte etwas wehmütig.  „Es ist ziemlich offensichtlich, was dir durch den Kopf geht.” Sie biss sich auf die Unterlippe und überlegte kurz. „Sicher machst du dir genauso Vorwürfe und Sorgen, oder nicht? Hast du das mit Azazel kommen sehen?” Der ältere Dämon zögerte. „Natürlich tu ich das. Ich habe es genauso wenig kommen sehen wie jeder andere. Aber es bringt nichts, sich schlecht zu machen. Anstatt Fehler zu beklagen, müssen wir sie wieder richtig stellen. Ich habe Azazel nicht aufgegeben und möchte ihm helfen.” Ankou nickte, dann stellte sie eine Frage, die ihr ebenfalls auf der Zunge brannte. „Was glaubst du? Also, glaubst du, dass Azazel uns aus freien Stücken verraten hat? Er hätte aber keinen Grund! Als Ruha gestorben ist, hat er Satan an den Kopf geworfen, dass er ihn hasst, aber das meinte er doch nicht ernst...Wir kennen ihn alle und er würde sowas niemals tun!” Shax schwieg wieder für einige Sekunden, dann seufzte er. „Ich kann es mir genauso wenig vorstellen. Aber Lilith ist gerissen. Ich vermute, dass sie irgendetwas gegen ihn in der Hand hat. Zumal wir nicht wissen seit wann er für sie arbeitet. So oder so werden wir erst wissen, wenn wir ihn selbst fragen.”
 

„Aber...was kommt dann? Selbst wenn sie ihn irgendwie bedroht hat, würde es Verrat sein und darauf...” Sie stockte. „Darauf steht der Tod.”, beendete der silberhaarige Dämon ihren Satz. „Allerdings würde ich mich nicht daran festbeißen. Sollte das mit dem Verrat stimmen, wird er sich vor dem Militärgericht und vielleicht vor dem Rat verantworten müssen. Wenn wirklich besondere Umstände vorliegen, ist es sehr wahrscheinlich, dass er leben darf. Abgesehen davon bezweifle ich, dass Satan ein Todesurteil hinnehmen würde. Genauso wenig wie die anderen und ich. Aber vielleicht sollten wir über etwas anderes reden. Es bringt nichts sich jetzt dunkle Gedanken zu machen.” Er überlegte kurz. „Was hälst du bisher von den Exorzisten?” Die Dämonin zögerte. „Ich schätze, es könnte schlimmer sein.”, sagte sie langsam. „Manche von denen scheinen ja ganz vernünftig zu sein. Auch Rins Freunde sind so gesehen in Ordnung...”
 

„Aber?”
 

„Muss ich es wirklich sagen? Du siehst doch selbst, wie manche von ihnen uns ansehen. Als wären wir irgendwelche Monster, die sie bei der kleinsten Provokation gleich anspringen.” Sie schnaubte. „Wäre dies der Fall wäre dieser idiotische Paladin und der Okumura Zwilling längst im Hades.” Shax seufzte. „Yukio scheint es dir ja angetan zu haben.”
 

„Erzähl mir nicht, dass du ihn magst.”
 

„Das nicht, aber ich verstehe ihn irgendwo. Er hatte es nicht leicht.”
 

„Das ist keine Entschuldigung. Die anderen hatten es auch nicht gerade einfach, von Rin mal ganz zu schweigen.” Sie beschlossen die Diskussion abzubrechen, als Vaya dazu kam. „Tut mir leid, habe ich euch bei etwas gestört?”, fragte sie. Ankou schüttelte den Kopf. „Nein, alles gut. Ist etwas passiert?” Die jüngere nickte. „Ein paar Exorzisten haben sich mit einer Gruppe Dämonen angelegt. Ich habe versucht sie zu beruhigen, aber sie wollten nicht hören. Die anderen finde ich leider nicht...” Shax seufzte. „Schon gut, wir kümmern uns darum.” Etwas genervt standen sie auf und machten sich auf den Weg nach draußen, um den Streit zu schlichten bevor etwas schlimmeres geschah. Zuvor griff Vaya ihren Zwilling jedoch am Arm. „Seid bitte vorsichtig, wenn ihr zu den Sirenen geht, ja? Ich wünschte, ich könnte mit...” Ankou schüttelte den Kopf. „Du bist noch nicht so weit. Abgesehen davon brauchen wir jemanden, der sich um die Drachen und um Behemoth kümmert.” Wo der Hobogoblin überhaupt herkam, wusste keiner so wirklich. Er war plötzlich einfach aufgetaucht, aber natürlich freute sich vor allem Amaimon. Die Dämonin seufzte. „Ja, ich weiß.” Damit trennten sich ihre Wege. ‚Na hoffentlich geht das gut...‘
 

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Tosend erreichten die Wellen den Sandstrand, Möwen kreischten und es duftete nach Salzwasser. Am liebsten wäre Kyrene sofort ins Wasser gesprungen und eine Runde geschwommen. Sie liebte es neue Gewässer zu erkunden. Man entdeckte so viele neue Fische, Muscheln und Pflanzen. Vor einigen Jahren war sie zusammen mit Egyn nach Australien gereist, wo er ihr das Great Barrier Reef gezeigt hatte. Sie war begeistert gewesen, aber auch traurig, denn große Teile des Riffs starben ab. Egyn hatte ihr daraufhin erklärt, dass die Menschen ein gewaltiges Problem mit Umweltverschmutzung hatten, was natürlich auch die Meere betraf. Müll und giftige Stoffe landeten darin und es würde wohl nur eine Frage der Zeit sein bis das gesamte Ökosystem zerstört wäre. Er selbst verstand nicht, warum sie so verantwortungslos waren. Kyrene war genauso planlos. Doch nun war nicht die Zeit darüber nachzudenken. Sie waren nicht zum Vergnügen hier. Sie sah zu ihren Schwestern, welche ebenso sehnsüchtig auf das Wasser starrten. Besonders Galatea schaute drein, als würde sie am liebsten ganz weit weg schwimmen. Sie hatten einen gehörigen Schreck bekommen, als die Sirene verschwunden war und waren noch überraschter, als sie plötzlich wieder vor ihnen stand und erzählte, dass sie einen Mann mit fluffigen Haaren begegnet war und mit den Baal gesprochen hatte. Nun betete Kyrene, dass sie nicht herkamen, denn dies war sicherlich eine Falle gewesen. Sie wollten ihnen nicht schaden. Noch immer hofften sie, dass Lilith nur bluffte und nicht wirklich eine Möglichkeit hatte, sie zu kontrollieren. Sie selbst hatte schon selbst erlebt, dass sie Dämonenkönige eigentlich immun gegen ihren Gesang waren. Erato, Keto und zwei der Drillinge, Skylla und Circe waren damals eifersüchtig gewesen, weil Kyrene mit Egyn ausging. Als dann die Dämonenkönig zu einem Fest da waren, hatten sie deswegen versucht sie mit ihrem Gesang dazu zu bringen sich in sie zu verlieben. Galatea hatten sie ebenfalls irgendwie überreden können, auch wenn es klar war, dass sie keine Ahnung hatten, was sie da taten. Zu ihrem Entsetzen hatten ihre Stimmen nichts bewirkt. Sie hatten daraufhin begonnen miteinander zu streiten und sich gegenseitig beschuldigt schief gesungen oder die Melodie nicht getroffen zu haben. Die Baal fanden es eher amüsant und Charybdis, ihren Bruder und den ältesten der Drillinge hatte das ganze Drama gar nicht gejuckt, da er mit irgendeinem anderen Mädchen geflirtet hatte. Kyrene hatte sich ziemlich geschämt, aber die Dämonenkönige hatten ihr versichert, dass andere schon extremeres getan hatten, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie hatte lieber nicht nachgefragt. „Ich möchte nach Hause.”, murmelte Galatea, welche neben ihr im Sand saß. „Mir gefällt es hier nicht. Ich vermisse Mama und Papa.”
 

„Glaubst du, uns macht das Spaß?”, knurrte Keto. Galatea sagte nichts, woraufhin sie seufzte. „Wir wollen ja auch nach Hause, aber es geht eben nicht.” Erato schwieg und stocherte mit ihrem Fuß im Sand, offensichtlich in Gedanken versunken. Kyrene dachte derweil an Tlaloc, ihren festen Freund. Nun, inzwischen Ex-Freund. Zu ihrem Entsetzen hatte dieser schnell zugestimmt Lilith zu unterstützen. Als sie ihn zur Rede gestellt hatte, hatte er argumentiert, dass er überleben wollte und es nicht wert war, für eine Königsfamilie zu sterben, die sich im Exil befand. Sie hatte versucht ihn umzustimmen, doch dann zu hören bekommen, dass sie nur gegen seine Entscheidung war, weil sie Egyn nach wie vor schöne Augen machte. Tlaloc war schon immer eifersüchtig gewesen, weil sie früher zusammen ausgegangen waren und nach wie vor Freunde waren. Er wurde schon oft sauer, weil Kyrene weiterhin die Muschelkette trug, die Egyn ihr damals geschenkt hatte. Es war bei den Sirenen Tradition, dass einer der beiden Partner (bei heterosexuellen Pärchen war es meist der Mann) dem anderen selbstgemachten Schmuck schenkte, wenn die Beziehung etwas ernster wurde. Je nach Aussehen des Schmuckes hatte er verschiedene Bedeutungen. Beispielsweise konnten andere dadurch erkennen, ob die besagte Sirene vergeben oder gar verlobt beziehungsweise verheiratet war oder sie nach wie vor offen für weitere Partner war. Egyn kannte diesen Brauch, er hatte ihn von seiner Mutter gelernt und diese hatte ihm auch beigebracht, wie man solche Ketten herstellte. Tlaloc war jedenfalls öfter mit Egyn aneinandergeraten, wenn dieser zu Besuch war. Der Wasserdämon schien ebenfalls nicht allzu angetan von ihm und er war normalerweise jemand, der mit fast allen klar kam. Hinzu kam, dass Kyrene es bevorzugte nur einen Partner zu haben und es etwas langsamer angehen zu lassen und nicht schon nach der ersten Woche ins Bett zu hüpfen, doch Tlaloc konnte das gar nicht nachvollziehen. Er wollte mehrere Partner und nicht so lange warten. Zwei Dinge hatten das Fass schlussendlich zum überlaufen gebracht. Erstens: Sie hatte ihn in ihrem Schlafzimmer gefunden, zusammen mit drei anderen Sirenen. Sie war so geschockt, dass sie zuerst gar nicht wütend wurde. Er hatte daraufhin erklärt, dass es ihre Schuld war, weil sie ihn ewig hingehalten hatte und sie alleine nie ausreichen würde, um ihn zufrieden zu stellen. Zweitens: Er gab zu, dass er sich eigentlich auch an Galatea ranmachen wollte, obwohl Kyrene ihn hatte schwören lassen, dass er nicht versuchte sich eine ihrer Schwestern zu schnappen. Dies würde nur zu Streit führen. Abgesehen davon hasste sie es, wenn sich jemand an ihrer jüngeren Schwester vergriff. Galatea war zwar älter als die Drillinge, aber wesentlich kindlicher. Sie glaubte bis heute, dass die Harpyien die Babys brachten! Erato und Keto, welche ebenfalls mitgekommen waren, hatten ihn daraufhin mit allen möglichen Flüchen und Schimpfwörtern vollbombardiert und als sich Kyrene endlich gefangen hatte, hatten sie ihn zusammen zusammenschlagen und dann aus dem Haus geworfen, inklusive seiner Freundinnen. Dann hatte sie sich die Augen ausgeheult und Keto und Erato hatten sie getröstest, aber ewig bleib keine Zeit, denn sie mussten weiter nach Assiah. Sie lächelte leicht, als sie an die Empörung ihrer beiden älteren Schwestern dachte. Ja, sie waren anstrengend, aber sie standen immer hinter ihr. Eigentlich war sie sogar ganz froh Tlaloc los zu sein. Nicht nur er sondern auch seine Eltern waren fruchtbar gewesen. Diese hätten es am liebsten gesehen, wenn endlich ein Kind kommen würde. Abgesehen davon waren alle drei der Meinung gewesen, dass eine Frau den Haushalt zu machen, die Kinder zu bekommen und zu erziehen hatte. Sie hatten immer versucht, Kyrene dazu zu bringen ihren Job als Wächterin zu kündigen. Als ob. Sie wollte nicht von jemanden abhängig sein und noch keine Kinder bekommen. Nun war sie endlich diesen ganzen Druck los. Die Rufe der Wächter holte sie zurück in die Gegenwart. Anscheinend war es Zeit für die nächste "Show". Diesmal sollten sie Menschen auf andere Menschen hetzten, die noch nicht ihrem Zauber unterlagen. Zweifellos war dies nur eine weitere Machtdemonstration. Zunächst mussten sie jedoch Menschen herlocken. Einige waren ihnen aus der Stadt gefolgt, doch dies reichte nicht. Gemeinsam kletterten die Sirenen auf einen kleinen Felsen. Kyrene zwang sich zur Konzentration, dann begannen sie zu singen. Inzwischen hatten sie fast ihre maximale Stärke erreicht. Es fehlte nur noch ein wenig mehr Einfluss. Um die Menschen zu locken, würde ein einfaches Vokalise reichen. Es war eine ihrer simpelsten Fähigkeiten und würde keinerlei Anstrengung mit sich bringen. Es dauerte nicht mal eine Minute, dann waren sie komplett in ihrem Gesang versunken. Umso überraschter waren sie, als sahen, wie sich einige Wächter etwas zuriefen und eine Richtung rannten. Die Schwestern wechselten Blicke. Irgendetwas sagte ihnen, dass etwas kurz davor stand, den Styx runter zu gehen.
 

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Agares ließ vorsichtig ihren Blick über den Strandabschnitt schweifen, gleichzeitig darauf achtend, dass keiner der Wächter auf sie aufmerksam wurde. Sie zählte nur eine Sirenengruppe, aber mindestens zwei Dutzend Bewacher. Lilith war diesmal wirklich auf Nummer sicher gegangen. Fragend schaute die Wasserdämonin zu den drei Dämonenkönigen, doch diese schüttelten die Köpfe. Also beobachteten sie weiter. Sie hatten sich die Ohrenstöpsel bereits reingesteckt, sie hörten demzufolge kaum etwas und mussten sich durch Telepathie verständigen. Zumindest die Dämonen. Shura und die restlichen Exorzisten konnten nur zuhören. Dennoch erkannten sie, wie die Sirenen begannen zu singen und damit langsam aber stetig immer mehr Menschen anlockten. Hoffentlich würden die anderen mit ihrer Ablenkung beginnen bevor sie die Sterblichen aufeinander hetzten. Wie auf Stichwort kam Unruhe innerhalb der Wächter auf. Einige verließen ihre Einheit und liefen alle in dieselbe Richtung. Die Ablenkung funktionierte. Lucifer gab ihnen daraufhin ein Zeichen und sie kletterten vorsichtig die Felsen hinunter. Nun war es wichtig schnell zu sein. Der Strand war ein relativ offenes Gelände, nur ein paar Felsen boten hin und wieder Deckung. Folglich bewegten sie sich möglichst flink von Versteck zu Versteck. Agares spähte vorsichtig hervor und sah zu der Sirenengruppe. Ihre Augen weiteten sich, als sie diese erkannte. Dem Rest erschien es gleich zu gehen. Es waren Kyrene und ihre Schwestern. Die Drillinge waren nicht dabei, aber zumindest Galatea. Um jedoch in ihre Nähe zu kommen, mussten sie erst die Wächter ausschalten. Die Dämonen zogen ihre Dolche und schalteten damit jeder einen Feind aus. Damit waren sechs weg. Dummerweise ging von diesem Moment an alles schief. Einer der Wachen drehte sich in dem unpassendsten Moment um und entdeckte sie. Gleichzeitig begann der Boden zu beben, woraufhin sie Amaimon strafend ansahen. „Das war ich nicht!”, verteidigte dieser sich sofort. Nun sahen sie die Flammensäulen und zwar dort, wo der Rest momentan für Ablenkung sorgte. Etwas musste schief gegangen sein. Bevor sie jedoch länger darüber nachdenken konnte, waren sie bereits von Feinden umgeben. ‚Na, das läuft ja wieder mal super.‘, dachte Agares grimmig. Die Sirenen schienen zunächst verwirrt, doch als ihre Wächter sie anbrüllten, begannen sie erneut zu singen. Diesmal war es ein Lied und sie wusste sofort, dass es zum anstacheln war. Sie hatte schon oft mit Sirenen zu tun gehabt und kannte die meisten Texte auswendig.
 

Habt ihr schon davon gehört? Alle hier sind empört.

Was ist so schön am Frieden? Man möchte doch lieber siegen!

Willst du im Leben was erreichen, darfst du vom Ziel nicht abweichen!

Wer Rücksicht nimmt hat verloren, alle haben sich verschworen!

Kämpf' für dich allein, dann kommst du überall hinein!
 

Also kämpfe!

Hol was dir zusteht!

Kämpfe!

Worauf wartest du noch?!

Kämpfe!

Kämpfe! Kämpfe jetzt sofort!
 

Natürlich wirkte es fast augenblicklich. Die Wasserdämonin wollte gar nicht darüber nachdenken, wie mächtig die Sirenen inzwischen waren. Wenn man bedachte wie viele Menschen ihnen bereits zu Füßen lagen, würde es wohl nicht mehr lange dauern bis sie ihre komplette Stärke erreicht hatten. Die Vergänglichen hatte keine Chance. Einige fielen bereits übereinander her, andere wirkten zumindest wesentlich aggressiver. Dummerweise kam keiner von ihnen nah genug an die Sirenen ran und die angreifenden Dämonen gaben Agares und Egyn kaum Gelegenheit auf ihre Kräfte zurückzugreifen. Sie schafften es einfach nicht, sich das Wasser vom Meer zur Hilfe zu holen. Sie befürchteten, dass sie während der nötigen Bewegungen zu sehr auf dem Präsentierteller sitzen würde. Frustriert spießte die Wasserdämonin einen weiteren Gegner auf. Glücklicherweise hatten sie ihren Speer noch einmal geschärft. Die Sirenen sangen ungestört weiter.
 

All der Hass und die ganze Wut, zeig's alles, nur Mut!

Du bist stark, weißt es besser, also zieh endlich das Messer!

Stich alle nieder und sie belästigen nie wieder.

Brich die Knochen, das Genickt, nun leiten wir das Geschick!

Es spritzt das Blut, zerstöre diese dreckige Brut!
 

Und wir sagen Kämpfe!

Kämpfe für uns!

Du willst jetzt kämpfen!

Was für ein Genuss.~

Kämpfe, kämpfe, na los!

Mach endlich Schluss!
 

Nun griffen die Menschen ebenfalls an. Diese waren zwar keine Herausforderung, aber Agares und die anderen wollten eigentlich nicht unnötig Unschuldige töten. Gut, bei Amaimon war sie sich nicht sicher. Ihr fiel auf, dass einige der angreifenden Dämonen ebenfalls unter dem Bann der Sirenen standen, was ihr zusätzlich ein schlechtes Gewissen bereitete. Gegner zu töten war eine Sache, aber jemanden, der keine Kontrolle über seine Handlungen hatte, eine ganz andere. Immerhin könnte sie genauso gut einem Kameraden, einem Familienmitglied oder einem Freund gegenüberstehen. Verdammt, wenn man den Gerüchten glauben konnte, könnte es sogar einen der Baal oder der Erzdämonen treffen! Sie bemerkte, dass die Exorzistin (Shura war ihr Name, den sollte sie sich wirklich mal merken) etwas in Bedrängnis geraten war und beschloss ihr auszuhelfen. Der Rest schlug sich bisher gut. Shax und Ankou hatten ihre Macht kombiniert und starke Winde heraufbeschworen. Damit waren Fernangriffe seitens ihrer Gegner schon mal wesentlich unpräziser und andere Angreifer wurden einfach umgeworfen. Amaimon hatte derweil einige Gegner buchstäblich einbetoniert. Sand war ziemlich launisch, doch für ihn war es kein großes Problem. Lucifer hielt sich noch zurück, er wollte nicht versehentlich einen von ihnen blenden. Die Sirenen hatten die letzte Strophe erreicht.
 

Die Köpfe rollen so wie wir wollen.

Es fühlt sich richtig an! Nun sind all unsere Feinde dran!

Deine Freunde sind als nächstes an der Reihe, genieße ihre Schreie.

Befreie dich von ihnen, du willst nur uns dienen!~

Einigkeit ist eine Last, also macht euch gefasst.
 

Hast du etwa noch Hintergedanken? Ahaha...Keine Sorge, die bringen wir ins Wanken.
 

Kämpfe!

Keine Gnade!

Kämpfe!

Töte!

Lass sie schreien!

Keine Angst, es ist schon sehr bald vorbei!~
 

Agares und Egyn hatten es endlich geschafft sich Wasser aus dem Ozean zu holen und damit die verhexten Menschen sowie mehrere Dämonen festzufrieren. Die Wasserdämonin schaute zu den Sirenen hinüber und stellte erschrocken fest, dass ihre Augen nun komplett weiß-bläulich waren und zu glühen schienen. Ihre Finger sowie Fingernägel waren länger geworden und die Zähne gewachsen. Dies war der erste Hinweis darauf, dass sie ihre volle Macht erreicht hatten. Dummerweise bedeutete dies, dass nun die erste Stufe von dem, was Iblis vorhin passenderweise "Rage Mode" getauft hatte, erreicht war. Dabei verfielen die betroffenen Sirenen in eine Art Macht- und Blutrausch, welcher sie extrem aggressiv, unberechenbar und fast schon unzurechnungsfähig machte. Bei normalen Dämonen gab es dies natürlich ebenfalls, aber Sirenen waren wesentlich biestiger. Es war mehr als wahrscheinlich, dass Kyrene und ihre Schwester sich nun ganz darauf konzentrieren würden, sie umzubringen. An Tagen wie diesen fragte sich Agares wirklich, ob Satan bei der Erschaffung betrunken gewesen war. Der Rest war nun ebenfalls darauf aufmerksam geworden und die Sirenen hatten erneut mit singen begonnen, diesmal jedoch ohne Texte. Wahrscheinlich bereiteten sie sich darauf vor, den hohen Ton zu singen. Das durfte nicht passieren. Ansonsten würden alle Sterblichen inklusive der Dämonen den Verstand verlieren oder gar sterben. Und natürlich würde es Agares und den Rest ebenfalls schaden. Sie staunte nicht schlecht als plötzlich Halphas auf der Matte stand. „Schnappt euch die Sirenen und verschwindet, hier wimmelt es gleich von Liliths Leuten!”, hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf. „Das glaube ich wohl kaum.”, schnaubte eine zweite Stimme. Oh nicht doch. Ein grünes Leuchten erschien und Invidia stand vor ihnen. „Habt ihr wirklich vergessen mich zum Schlachtfest einzuladen? Ich bin verletzt.” Sie gingen in Angriffsposition, aber es wurde schnell klar, dass etwas nicht stimmte. Warum war sie alleine gekommen? Die Antwort darauf kam schnell. Das Wasser hinter begann zu schäumen und Wellen zu schlagen, dann brach einer riesiger Schädel gefolgt von einem langen Hals und einem noch gewaltigerem Körper hervor. Die Kreatur stieß ein ohrenbetäubendes Kreischen aus, was ihnen trotz der Ohrenstöpsel fast das Trommelfell zerriss. ‚Leviathan...hier?!‘, dachte die Wasserdämonin entsetzt. ‚Hoffentlich erkennt er mich nicht...‘ Genau in diesem Moment richteten sich die giftgrünen Augen des Seemonsters auf sie und mit einem lauten Brüllen griff es an.
 

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Christina hatte wirklich keine Lust mehr. Erst der ganze Ärger mit Liliths Anhängern und jetzt noch dämonische Parasiten. Warum konnte es nicht einmal einfach sein? Allerdings würden Beschwerden nicht helfen. Sie mussten die beiden Infizierten finden, welche sich anscheinend im angrenzenden Wald rumtrieben. Normalerweise wäre dies keine Aufgabe für eine Hohepriesterin, aber sie wollte sicher gehen. Sie zuckte zusammen, als es im Gebüsch raschelte, doch es waren nur zwei der Späher. „Wir haben mehrere Tierkadaver gefunden. Die Bissspuren passen auf die eines Menschen.” Sie nickte und ging leise weiter. Sie waren bereits einigen infizierten Tieren begegnet und hatten diese getötet sowie verbrannt. Zusätzlich hatten sie vorsichtshalber noch Weihwasser auf die Asche gekippt. Ihre Gruppe bestand zusammen mit ihr aus 14 Personen. Sie hoffte wirklich das dies reichte. Allerdings fiel ihr auf, dass noch zwei fehlten. „Wo sind Jason und Priya?”, flüsterte sie den Spähern zu. Diese zuckten mit den Schultern. „Wir haben sie nicht gesehen. Sie sind zusammen nach Westen. Zu diesem Steinkreis.” Die Gruppe tauschte nervöse Blicke. Die beiden waren eigentlich erfahren, es sollte nichts passieren, aber wenn sie doch in Schwierigkeiten waren...Christina wollte nicht darüber nachdenken. „Dann geht es eben weiter zum Steinkreis.”, flüsterte sie. Alle nickten. Sie erreichten den Steinkreis, wo sie Priya fanden. Diese lag am Boden, die Kleidung blutgetränkt und mit schweren Verletzungen. Das würde sie nicht überleben. „Priya, was ist passiert?! Scheiße ist das viel Blut!”, fragte eine der Hexen an der Grenze der Hysterie. Christina hockte sich neben die sterbende Hexe und versuchte halbwegs den Blutfluss mit ihren Händen zu stoppen. „D-Das....nicht nur...Parasiten...”, flüsterte Priya. „Jason....besessen....mein F-F...leisch...Wen..i..”, sie brach ab und sackte zusammen. Schnell suchte Christina ihren Puls, doch konnte nur noch den Tod feststellen. Mist. „Was meinte sie damit? Jason ist besessen?!”, fragte ein Hexer perplex. Christina nickte langsam und besah sich die Leiche näher. Es fehlten eindeutig einige Fleischbrocken. „Wenn es nicht die Parasiten waren, die es gefressen haben...was war es dann...?”, murmelte sie. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Wenn sie richtig lag, steckten sie in richtig großen Schwierigkeiten.
 

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Shura hatte gedacht, dass sie inzwischen nichts mehr umhauen könnte. Ganz offensichtlich gab es so einiges was sie noch nicht wussten, daher hatte sie sich inzwischen darauf eingestellt das Unerwartete zu erwarten. Ein riesiges Seemonster war dann aber schon etwas zu viel des guten. Die Baal hatten Leviathan erwähnt und beschrieben, doch die Erzählungen verblassten im Vergleich zum echten Wesen. Aus dem Maul ragten gefühlt mehr Zähne als das Biest Schuppen hatte. Beides sah messerscharf aus. Die riesigen Pranken waren mit scharfen Krallen bestückt und sie sah einen langen Schweif auf dem Wasser peitschen. Als das Vieh dann noch in den Angriffsmodus ging, war es ganz vorbei. Einige der Exorzisten schrien auf, doch auch mehrere der Dämonen traten einen Schritt zurück. Zu ihrem Glück schien Leviathan Agares im Visier zu haben. Diese schaffte es mit Mühe auszuweichen. „Meine Güte, er ist aber auch nachtragend!”, schimpfte Agares. Jetzt fiel Shura auch ein, dass die Wasserdämonin erwähnt hatte, dass sie schon mal Leviathan mit einigen Leuten in einen Hinterhalt gelockt und ihn dort verletzt hatte. Sie hatte sogar eine Tätowierung am Bein, welches für Leviathan stand und daran erinnerte. Für Shura sah es aus wie ein Unendlichkeitszeichen mit einem doppelten Kreuz darauf, aber gut. „Ähm, Zeit für Plan B?!”, fragte Egyn. „Wir haben einen Plan B?”, erkundigte sich Amaimon verwundert. „Ja, ausweichen, nicht gefressen werden und auf einen Plan C hoffen!”, erwiderte Halphas und sprang beiseite, um nicht von Leviathans Schweif erwischt zu werden. Dummerweise hatten sich nun auch die festgefrorenen Gegner befreit. „Augen zumachen! Halphas hilf mir!”, hörte Shura Lucifer rufen und sie tat es ohne zu zögern. Sie konnte sich denken, was er vorhatte und wollte nicht ausprobieren, was passierte, wenn man den Lichtkönig ansah, während der richtig loslegte. Obwohl sie sogar die Arme über das Gesicht hielt, drang immer noch Helligkeit durch ihre Augenlider. Zudem erhöhten sich die Temperaturen schnell. Allerdings war es ziemlich schnell vorbei. Sie öffnete langsam die Augen und ließ die Arme sinken. Ein großer Teil ihrer Angreifer lag am Boden, viele pressten die Hände auf die Augen, andere bewegten sich gar nicht mehr. Leviathan war wieder auf Tauchstation gegangen, Invidia war ebenfalls weg. Die Sirenen schien der Angriff entweder nichts ausgemacht zu haben oder sie hatten sich irgendwie geschützt. So oder so sahen sie nun richtig sauer aus. Ihre Haut war geschuppter, die ohnehin schon gefährlich aussehenden Krallen waren zu riesigen Klauen geworden, dazwischen waren Schwimmhäute entstanden. Außerdem waren Flossen an den Armen und scheinbar auch am Rücken gewachsen. Seltsame, schwarze Linien (Dämonenmale oder Adern?) zogen sich über das Gesicht, den Oberkörper und die Arme sowie die Beine. Am beängstigten fand sie jedoch die Zähne, welche eine beachtliche Länge und Schärfe erreicht hatten. Offensichtlich fanden sie es gar nicht gut, dass ein beachtlicher Teil ihrer Opfer außer Gefecht war. Erst jetzt fiel Shura auf, dass ihr Gesang immer lauter und deutlicher wurde. Das war bestimmt nicht gut. Ihre Vermutung bestätigte sich, als mehrere der Dämonenkönige sie angreifen wollten und Egyn alle warnte, dass sie sich die Ohren zuhalten sollten. Shura hatte gerade noch Zeit der Aufforderung nachzukommen, dann hatten die Sirenen diese hohe Note erreicht, vor denen sie gewarnt worden waren. Obwohl Shura sich die Ohren zuhielt und noch immer die Stöpsel drin waren, fühlte es sich an, als würden sich Nadeln in ihr Hirn bohren und ihr Schädel jeden Moment zerbersten. Den Dämonen ging es dabei sicher noch schlechter, immerhin hatten sie ein noch besseres Gehör. Ehe sie sich versah, war sie zu Boden gesunken und noch immer hielten die Sirenen den Ton. Wie konnten sie den so lange halten?! Die Schmerzen wurden immer schlimmer. Hatte Egyn nicht erwähnt, dass man den Verstand verlieren konnte? Dann riss der Ton abrupt ab. Shura blinzelte verwirrt. In ihren Ohren klingelte es und sie hatte fürchterliche Kopfschmerzen. Sie schwankte leicht, als sie versuchte aufzustehen und sah sich noch etwas orientierungslos um. Die restlichen Exorzisten wirkten genauso neben der Spur, mehrere hatten das Bewusstsein verloren. Die verbliebenen Opfer der Sirenen waren allesamt zusammengebrochen. Ob sie tot oder bewusstlos waren, ließ sich nicht erkennen. Die Dämonen hatten sich bereits hochgerappelt. Jetzt entdeckte Shura die restlichen Baal sowie deren Stellvertreter, Alastor und Kuro in Groß. Scheinbar hatten diese die Sirenen irgendwie angegriffen und sie damit vom Felsen geworfen. „Sorry, dass es so lange gedauert hat, wir hatten ein paar Probleme.”, sagte Iblis, aber bevor jemand etwas sagen konnte, griffen die Sirenen erneut an. Jedoch nicht mit ihrem Gesang, sondern mit ihren Krallen und Zähnen. Die Sirene mit den blau-silbernen Haaren, welche die Hauptstimme übernommen hatte, sprang auf Shura zu, Galatea stürzte sich auf Samael, Kyrene auf Egyn und die Sirenen mit den violett-grünen Haaren griff einen Exorzisten an. Shura stieß ein Ächzen aus, als sie zu Boden gerungen wurde. Die Sirene war wirklich stärker als sie aussah. Jedoch schaffte die Rothaarige es sie mit einem gut platzierten Tritt von sich zu stoßen. Daraufhin stieß die Sirene ein widerliches Kreischen auf und riss den Mund auf. Und zwar weiter, als es eigentlich möglich sein sollte. Konnten sie etwa ihre Kiefer aushängen? Sie beschloss sich später darüber Gedanken zu machen, da sich die langen und äußerst scharfen Zähne mit beachtlicher Geschwindigkeit näherten. Zwar hatte sie ihr Schwert bereits in der Hand, doch bevor sie es nutzen konnte, griff Amon ein und warf die Sirene zu Boden, wo er sie zusammen mit Astaroth festhielt. Die Sirene kreischte und wand sich, aber schaffte es nicht, sich zu befreien. Dem Rest erging es ähnlich. Iblis hatte Kyrene von Egyn gezerrt und hielt sie mit dessen Hilfe am Boden. Samael machte sich gar nicht die Mühe, sondern hatte Galatea einfach in ein Zeitfeld gesperrt bis Lucifer und Halphas sie festhalten konnten. Der Exorzist hatte nicht ganz so viel Glück. Er war von der Sirene gebissen worden und blutete stark, doch Ankou und Shax hatten sie bereits am Boden, während Agares sich um die Verletzung kümmerte. Als Egyn ihr zunickte, nahm Shura erleichtert die Ohrenstöpsel raus. Der Rest tat es ihr nach. „Verdammt, ich habe ganz vergessen, wie sich dieser Ton anhört. Ich kann immer noch nicht glauben, dass es möglich ist, solche Höhen zu erreichen und auch noch so lange zu halten.”, murmelte Astaroth und rieb sich sein Ohr. „Was passiert jetzt mit den Sirenen?”, fragte ein Exorzist und nickte zu den Sirenen. Diese wanden sich immer noch, aber wesentlich langsam als vorher. Sie wirkten erschöpft. „Wir warten ab bis sie sich beruhigt haben und ihre Stärke wieder ein normales Maß erreicht hat.” ,erklärte Egyn. „Es kostet einiges an Kraft den Ton zu halten und da sie damit einen großen Teil ihrer eigenen Leute außer Gefecht gesetzt haben, schwächt sie das nochmal. Jetzt wird es nicht mehr lange dauern bis sie wieder ihre normale Gestalt annehmen. Davor werden sie wahrscheinlich ohnehin das Bewusstsein verlieren.” Kyrene versuchte ihm derweil in den Arm zu beißen, natürlich erfolglos. „Erst mal sollten wir versuchen herauszufinden wo Leviathan und Invidia-” Weiter kam Agares nicht. Wie auf Stichwort brach Leviathan erneut aus den Fluten hervor. Einige Menschen, die wieder ihr Bewusstsein erlangt und scheinbar frei vom Einfluss der Sirenen waren, schrien auf. Leviathan interessierte es jedoch nicht wirklich, er hatte es erneut auf ihre Gruppe abgesehen. Invidia war nun ebenfalls aufgetaucht und saß auf dem Felsen, welchen eben noch die Sirenen in Beschlag genommen hatten. Sie grinste hinterhältig, während die Dämonen in Kampfstellung gingen. ‚Na das kann was werden...‘
 

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Egyn starrte hasserfüllt die grünhaarige Sünde an, welche die Dreistigkeit besaß, ihr Gesicht zu zeigen. Noch immer konnte er nicht glauben, dass sie wirklich auf ihren billigen Trick reingefallen waren. Anderseits war sie schon immer sehr hinterlistig gewesen und hatte ein ausgesprochenes Talent dafür andere zu täuschen. Sie war gut, das musste man ihr lassen. Falls Invidia seinen Blick bemerkte, ließ sie es sich nicht anmerken. „Ich hatte mich schon gefragt, wann ihr endlich kommen würdet. Ihr habt euch wirklich Zeit gelassen.”
 

„Also wusstest ihr, dass wir kommen.”, stellte Shax fest. „Ihr habt Galatea absichtlich entkommen und in der Stadt landen lassen.” Die Sirenen hatten inzwischen das Bewusstsein verloren und nahmen langsam wieder ihre normale Gestalt an. Eine Sorge weniger. Egyn hoffte, dass sie sich schnell erholen würden. Die Aveira verdrehte die Augen. „Natürlich haben wir das. Sie ist nun wirklich nicht die hellste Flamme Helheimrs, also war sie perfekt dafür. Wir wussten nicht wo ihr seid, also haben wir einfach sie geschickt. Irgendein Trottel würde schon verstehen, dass sie zu euch will. Und mit dem ganzen Chaos, das hier herrscht, habt ihr ja keine Probleme gehabt die Gruppe hier zu finden.” Von der Karte sprach sie nicht. ‚Also wissen sie wirklich nicht davon?‘, fragte sich Egyn. ‚Dann war es Azazel...oder sie wollen uns reinlegen...?‘ Er hatte keine Ahnung mehr, was er denken sollte. Azazel war sein Bruder, er kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er kein Verräter sein würde. Andererseits hatte er sich in den letzten Monaten mehr als verdächtig verhalten und es erklärte die Zerstörung der Barriere. Schlussendlich würden sie es erst erfahren, wenn sie ihn selbst fragten. Er konzentrierte sich wieder auf Invidia, als sie zu sprechen begann. „Ach übrigens Grüße von Azazel und dem Nephilim. Der ist zwar ganz schön am Ende, aber passiert eben. Du müsstest doch ganz froh sein, oder Luci?~ Endlich zwei Quälgeister weniger um die du dich kümmern musst.” Es musste wohl nicht erwähnt werden, dass die Dämonenkönige das alles andere als lustig fanden. Egyn bleckte die Zähne und ballte die Hände zu Fäusten. Selbst Lucifer und Samael waren wütend, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht sah. „Halte die Klappe, du dämlicher, grüner Wischmop!”, knurrte Astaroth. „Wo sind sie?!”
 

„Ach, jetzt interessiert es euch? Vor einiger Zeit wärt ihr noch froh gewesen das Halbblut los zu sein...”
 

Lucifer schnaubte. „Komm uns nicht damit an. Das haben wir längst hinter uns gelassen.” Invidia hob eine Augenbraue. „Hört auf, euch etwas einreden. Ich kann den Neid in euch spüren. Tief vergraben, aber er ist da. Lasst den Nephilim doch einfach fallen, für ihn ist es sowieso vorbei. Rettet euch lieber selbst. Wenn ihr euch ergebt und Lilith helft, wird sie sicher Gand walten lassen. Vielleicht könnt ihr sogar eure Titel behalten. Ihr müsste sie nur als Königin akzeptieren.” Alle Baal brachen daraufhin in Gelächter aus. „Lilith helfen und sich ihr unterwerfen?!”, lachte Iblis. „Klar, wenn wir schon dabei sind, heirate ich noch Ira und bekomme Kinder mit ihr. Du hast wirklich 'nen noch größeren Sprung als ich dachte. Lass es bleiben, du kannst uns nicht manipulieren.” Egyn konnte da nur zustimmen. Bildete sie sich wirklich ein, dass sie Lilith nach allem, was passiert war, helfen würden? Invidia zuckte mit den Schultern. „Einen Versucht war es wert. Aber ernsthaft, warum solltet ihr euch mit dem Nephilim weiter aufhalten? Es wäre doch so viel einfacher ihn zu töten oder noch besser: Wartet einfach ab. Dann hättet ihr ein Problem weniger. Wir können nicht mehr aufgehalten werden. Und das alles nur, weil Samael damals nicht eingegriffen hat...Aber hey, immerhin wird Lilith euch nicht umbringen, sondern will euch behalten. Dann hat sie neben dem Nephilim noch mehr Ersatz, wenn es ihr mit Satan mal langweilig sein sollte.~” Egyn wusste genau, dass die Sünde sie nur anstacheln und gegeneinander wenden wolle, doch da machten sie ganz sicher nicht mit. Sie hatten genug und griffen an. „LEVIATHAN HOL SIE DIR!”, rief Invidia, dann verschwand sie. Das Seemonster kam der Aufforderung sofort nach und sie waren gezwungen sich zu trennen. Die Exorzisten machten, dass sie so weit wie möglich von Leviathan wegkamen und wehrten dafür neu dazu gekommene Dämonen ab. Kuro startete derweil einen Angriff auf Leviathan und biss ihn in den Arm. Kreischend versuchte dieser den Kater wegzustoßen, jedoch erfolglos. Diesen Moment nutzten Egyn, Iblis, Samael, Shax und Ankou, um auf Kopf und Hals zu springen und anzugreifen. Samael und Iblis zerstörten je ein Auge, Shax und Ankou griffen den Kehlkopf an und Egyn rammte seinen Speer in eine empfindliche Stelle des Schädels. Natürlich zerbrach das blöde Ding wieder mal. ‚Nicht schon wieder. Lucifer bringt mich um...‘, dachte er etwas resigniert und sprang ab. Er landete einige Meter von den Sirenen entfernt. Da der Rest Leviathan ganz gut unter Kontrolle hatten (momentan trieben sie das erblindete Monster in die Richtung mehrerer Felsen, während Agares, Beelzebub, Amon und Halphas den Exorzisten halfen), beschloss er nach den Mädchen zu sehen. Diese kamen nun ebenfalls zu Bewusstsein. „Argh, verdammte Sonne! Mein Schädel...”, beschwerte sich Keto und setzte sich langsam auf. Der Rest tat es ihr gleich. „Auie...mein Kopf tut weh...”, murmelte Galatea und rieb sich die Stirn. Egyn kniete neben Kyrene. „Ist alles in Ordnung?” Sie nickte langsam. „Ich glaube ja...aber was ist passiert?” Der Wasserdämon zögerte, doch anscheinend sprach sein Gesicht Bände. „...Wir sind durchgedreht, oder?”, fragte Erato. „.....Ein klein wenig...”, murmelte er. „Kyrene hat versucht mich zu erwürgen, Keto und Erato haben Exorzisten angefallen und Galatea Samael.” Ein lautes Kreischen seitens Leviathan, lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder zum Kampf. Offensichtlich hatte das Wesen nun genug. Es blutete es mehreren Wunden, war blind und orientierungslos. Mit einem letzten Fauchen tauchte er wieder unter. Erleichterung machte sich in ihm breit. Es würde eine ganze Weile dauern bis Leviathan sich wieder erholt hatte. Er sah zu den Exorzisten. Die Angriffswellen hatten aufgehört, doch zu seiner Verwunderung konnte er Agares nicht entdecken. Dann griff Kyrene ihn am Arm. „Invidia hat Agares!” Er folgte ihrem Blick und stelle entsetzt fest, dass sie recht hatte. Die Grünhaarige hatte sich die Wasserdämonin gegriffen, die heftig am Kopf blutete. Dem Rest war es ebenfalls aufgefallen. Beelzebub und Amon standen ihnen am nächsten und versuchten Invidia anzugreifen, doch diese verschwand einfach mit Agares. Egyn hatte das Gefühl, als hätte jemand einen Eimer Eiswasser über ihm ausgekippt. ‚Scheiße, nein...‘

Letzte Vorbereitungen

Egyn war am durchdrehen. Nicht etwa weil die Sirenen mal wieder nackt herumrannten. Nein, diesmal trugen sie tatsächlich Klamotten, auch wenn sie etwas knapp waren. Er drehte durch, weil Agares, seine rechte Hand und Vertraute von Invidia entführt worden war. Wo kam sie überhaupt her?! Während des Kampfes gegen Leviathan war die grünhaarige Sünde nirgends aufzufinden gewesen, nur um am Ende einfach aufzutauchen und sich die nächstbeste Geisel zu schnappen?! Die Dämonenkönige waren allesamt wütend wie schon lange nicht. Erst ihr Vater, dann Azazel und ihr Babybruder und jetzt Agares, es reichte nun wirklich! Derweil saß Galatea im Sand und heulte sich die Augen aus, denn ihr war bewusst geworden, dass durch ihren Gesang viele Menschen und Dämonen gestorben waren. Sie hatte schon ein schlechtes Gewissen, wenn sie versehentlich eine kleine Spinne umbrachte, demzufolge musste ihre Untröstlichkeit wohl nicht erwähnt werden. Ihre Schwestern gaben ihr bestes um sie zu beruhigen, jedoch half einfach nichts. Erst als Kuro (wieder in klein) zu ihr ging und auf ihren Schoß kletterte, beruhigte sie sich wieder ein wenig. Obwohl der Kater inzwischen klatschnass von ihren Tränen war, beschwerte er sich nicht, sondern bleib bei ihr und ließ sich umarmen. Der Wasserkönig wandte sich an Ankou, als diese zu sprechen begann. „Was passiert jetzt? Auch wenn ich es hasse, das zu sagen, wir können nichts für Agares tun. Sie sind wahrscheinlich längst in der Vatikanstadt.” Die Dämonen nickten düster. Sie hatten inzwischen die Nachricht erhalten, dass andere Gruppen ebenfalls erfolgreich mehrere Sirenen befreit hatten, aber auf dem Rest der Welt sorgten sie noch immer für Chaos. Lucifer seufzte resigniert. „Wir kehren am besten vorerst zur Akademie zurück. Die anderen Gruppen sollen sich um die restlichen Sirenen kümmern. Wir können nicht mehr warten, sondern müssen so schnell wie möglich Vater und die anderen befreien.” Zustimmendes Gemurmel erklang und sie bereiteten sich vor aufzubrechen. Inzwischen waren weitere Gruppe, bestehend aus Exorzisten und Dämonen angekommen, die damit begannen die Leichen und Verletzten wegzuschaffen. Egyn und die anderen achteten nicht groß darauf, sondern schnappten sie die Exorzisten, die zu ihrem Team gehörten sowie die Sirenen und sprangen zur Heiligkreuz-Akademie. Diesmal übergab sich einer der Exorzisten, doch Egyn ignorierte es einfach. Er wollte einfach nur den Angriff auf den Vatikan möglichst schnell über die Bühne bringen.
 

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Christina stützte sich schwer atmend an einem Baum ab und verfluchte ihr "Glück". Natürlich musste sie mit ihrer Vermutung richtig liegen. Sie hatten es nicht nur mit Parasiten zu tun, sondern auch noch mit einem verdammten Wendigo und damit mit einer Art Dämon, welcher sogar in Gehenna sehr gefürchtet war. Sie waren anthropomorphe Wesen, äußerst gewieft bei der Jagd und lauerten ihrer Beute in Dunkeln auf, wo sie Stimmen nachahmten, um sie zu sich locken und sie zu fressen. Dummerweise waren die Mistviecher sogar für andere Dämonen sehr schwer zu töten, sie selbst hatten also gar keine guten Karten. Mit ihr waren sie noch sieben Überlebende, der Rest war Jason zum Opfer gefallen oder besser gesagt dem Wendigo, der von ihm Besitz ergriffen hatte. Diese konnten nicht einfach von Menschen Besitz ergreifen, stattdessen suchten sie diese in bestimmten Gebieten heim, plagten sie mit Wahnsinn und trieben sie zum Kannibalismus. Brachten sie ihr Opfer erfolgreich dazu Menschenfleisch zu essen, konnten sie es übernehmen und nur noch mit Feuer vertrieben werden. Blöd nur, dass bereits einer der Feuerhexer tot war und vom anderen jede Spur fehlte. Was würde sie jetzt nicht für ein Feuerzeug oder einige Streichhölzer geben. Ein weiterer qualvoller Schrei ertönte, der schon bald abriss. ‚Da waren es nur noch sechs.‘, dachte sie bitter und lief langsam weiter, während sie frustriert auf ihrem Handy herum tippte, nur um schlussendlich ein Seufzen auszustoßen und es zurück in ihre Tasche zu stecken. Sie waren leider auf sich gestellt, denn es gab keinen Empfang und mit ihrer Magie konnte sie ebenfalls nichts bewirken. Noch immer wusste sie nicht wie sie das hier überleben sollte. Wenn sie sich korrekt erinnerte, hatte Astaroth es ebenfalls einmal alleine und vollkommen unerwartet mit einigen Wendigowak zu tun bekommen, aber er war immerhin ein Dämonenkönig und sie eine einfache Hexe. Sie hatte in den letzten 400 Jahren einiges an Macht gesammelt, sie wäre sonst keine Hohepriesterin geworden, aber gegen einen solchen Gegner hatte sie keine Chance. Wieder war ein Schrei zu hören, nur noch fünf waren jetzt übrig. Sie hielt inne, als sie ein seltsames Geräusch hörte, dann näherte sie sich vorsichtig und schaute aus einem Busch hervor. Vor ihr lag die Leiche einer Hexe, welche es mit als erstes erwischt hatte und über ihr hockte der vermisste Jugendliche, welcher sich an ihr satt fraß. Nun musste sie schnell sein. Da Samael ihr Meister war, konnte sie einige Zeitzauber ausführen, aber diese waren sehr kraftzerrend. Sie würde für ihren Gegner vielleicht zehn Sekunden die Zeit anhalten können, dann musste sie es mit Weihwasser überschütten und den passenden Todesvers verwenden oder es verbrennen. Da sie jedoch keinerlei Zugriff auf Feuer hatte, blieb wohl nur das erste. Hoffentlich konnte sie damit die Parasiten austreiben. Danach konnte sie sich immer noch überlegen, was sie mit der Leiche der beiden Gefallenen machte, denn diese war nun auf jeden Fall infiziert. „Samael und Kronos gebt mir eure Stärke.”, murmelte sie und konzentrierte sich auf ihren Zauber, während sie die Flasche mit dem Weihwasser hervorzog. Ihr Zauber funktionierte, sodass sie sofort angriff. Der Jugendliche (eigentlich der Parasit, der in ihm steckte) stieß ein lautes Kreischen aus, aber konnte nicht mehr fliehen. Ohne weitere Möglichkeit begann sich der Parasit aus dem Körper heraus zu fressen. Es war wirklich kein schöner Anblick. Auf dem ersten Blick sah das Wesen aus wie ein fetter, roter Wurm, jedoch hatte es sechs Beine, welche mit einer Art Widerhaken bestückt waren. Das Maul war kreisförmig und mit scharfen Zähnen besetzt. Dieses Ding wollte man wirklich nicht in sich haben. Nun da es jedoch keinen menschlichen Körper mehr hatte, war es wesentlich ungefährlicher geworden. Es begann damit davon zu kriechen, doch Christina stellte ihren Fuß (sie war froh, dass sie hohe Stiefel antrug auf es und begann mit rezitieren. Glücklicherweise hatte sie sich zuvor den Todesvers aufgeschrieben. „Und der Pharao rief Mose und Aaron eilends und sprach: Ich habe gesündigt gegen den Herrn, euren Gott, und gegen euch! Und nun vergib doch meine Sünde nur dieses Mal, und fleht zu dem Herrn, eurem Gott, dass er nur diesen Tod von mir wegnehme!” Der Dämon wand sich, doch sie sprach weiter. „Da ging er vom Pharao hinaus und flehte zu dem Herrn. Und der Herr wandte den Ostwind in einen sehr starken Westwind, der die Heuschrecken aufhob und sie ins Schilfmeer warf. Es blieb nicht eine Heuschrecke übrig im ganzen Gebiet Ägyptens.” Mit einem lauten Kreischen wurde der dämonische Parasit aus Assiah vertrieben. Es blieb nur eine undefinierbare Masse zurück. Normalerweise wäre es undenkbar, dass eine Hexe oder ein Hexer jemals etwas religiöses rezitierten würde, aber unter diesen Umständen war sie mehr als bereit eine Ausnahme zu machen. Sie wandte sich an die tote Hexe. „Es tut mir leid Selena. Ich hätte bei dir sein sollen.”, murmelte sie. Jetzt musste sie sich nur noch um Parasit Nummer 2 und den Wendigo kümmern. ‚Überhaupt kein Problem...ich brauche dringend Urlaub.‘, dachte sie und zuckte zusammen, als einige Zweige knackten. Zu ihrer Erleichterung waren es nur eine Hexe und zwei Hexer ihrer Gruppe. Einer gehörte zu Iblis, einer zu Amaimon und die Hexe zu Beelzebub. „Sie sind alle tot.”, sagte die Hexe ohne Umschweife. „Wir konnten aber immerhin einen der Parasiten austreiben.” Christina nickte, auch wenn sich ihr Magen zusammen zog, denn es hatte eindeutig zu viele Tote gegeben. „Ich habe den anderen erledigt. Bleibt also nur noch der Wendigo und die Leichen müssen verbrannt werden.” Alle nickten und der Hexer kümmerte sich darum. „Vielleicht sollten wir lieber verschwinden und den Baal Bescheid geben.”, schlug die Hexe vor. „Alleine nehmen wir es niemals mit einem Wend-” Weiter kam sie nicht, da der besagte Wendigo plötzlich aus dem Gebüsch sprang und sich auf sie stürzte. Sie war tot bevor jemand etwas tun konnte. Dann richteten sich die weißen, blutunterlaufenen Augen auf Christina, welche unwillkürlich erschauderte. Trotz funktionierender Beine lief das Wesen, welches sie früher als Freund betrachtet hatte, stark nach vorne gebeugt und verwendete die Hände zur Hilfe. Das Fleisch sowie die Haut waren grau und runzlig, an manchen Stellen war es sogar schwarz geworden. Aus dem lippenlosen Mund ragten mehrere scharfe Zähne. Die Haare auf dem Kopf waren ausgefallen und eine Art kleines Geweih war gewachsen. Es stieß ein leises Grollen aus und begann sich langsam auf sie zuzubewegen. Die beiden Hexer reagierten jedoch schnell und retteten damit wohl ihr Leben. Während einer die Füße des Biestes in der Erde versinken ließ, beschwor der andere Flammen und versuchte es zu verbrennen. Der Wendigo schrie auf und riss sich los, nur um scheinbar wahllos den Erdhexer anzuspringen, ihn umzureißen und anschließend davon zu rennen. ‚Verdammt!‘,
 

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Iblis hatte wieder einmal das Bedürfnis, etwas in die Luft zu jagen. Momentan war einfach alles zum kotzen. Zwar hatten die anderen Gruppen noch eine Menge Sirenen befreien können, doch das war nur ein geringer Trost. Kaum waren sie wieder in der Heiligkreuz-Akademie gewesen, hatten sie einen Anruf von Christina bekommen, in dem sie von einem Wendigo berichtete. Folglich durften er, Halphas und einige weitere Feuerdämonen noch mal los stapfen und das Vieh erledigen. Glücklicherweise waren sie zumindest dabei erfolgreich gewesen und konnten schnell wieder zurück. Bei einem weiterem Treffen mit den Grigori und Zweigstellenleitern hatten sie sich schlussendlich darauf geeinigt, dass ein Angriff auf den Vatikan nun unausweichlich war. Sie hatten immer mehr Hinweise darauf bekommen, dass ihr Vater dort war und ohne ihn konnten sie Lilith höchstwahrscheinlich nicht besiegen. Dummerweise würden sie mindestens eine Woche für die Vorbereitungen brauchen, eher sogar noch länger. Egyn sprang derweil wegen Agares im Dreieck und ließ sich nicht einmal von Lucifer beruhigen, was jedoch nachvollziehbar war. Allerdings waren sie schnell gezwungen sich wieder auf andere Dinge zu konzentrieren, denn sie hatten erneut Truppen aus Gehenna bekommen. Scheinbar hatten manche der Adelshäuser genug von Lilith und waren nun mit ihren Leute angerückt. Inzwischen kamen die Dämonen aus Gehenna wie sie wollten, daher wunderte es niemanden mehr. Ihn überrachte es eher, dass die Menschen überhaupt noch Widerstand leisteten. Erst vorhin hatten sie die Nachricht bekommen, dass Russland und Skandinavien nun offiziell unter Liliths Herrschaft standen. Die Opferzahlen waren natürlich überwältigend. Es gab bereits Bemühungen sich mit den noch freien Ländern in Verbindung zu setzen und sich mit diesen zu verbünden, allerdings hielt Iblis dies für Zeitverschwendung, da sie ohnehin nicht viel tun konnten. So oder so waren ihm die anderen Länder momentan vollkommen schnuppe, er wollte nur seine Brüder und seinen Vater wiederhaben und Gehenna zurückerobern. Der Feuerdämon war so in Gedanken, dass er fast in Bon hinein rannte, welcher gerade um die Ecke bog. Bei ihm waren die restlichen Adepten sowie Yukio, aber er hatte jetzt keine Lust ihm böse Blicke zuzuwerfen. „Stimmt es, was Shura erzählt? Wir greifen den Vatikan an?”, fragte Bon ohne Umschweife, woraufhin Iblis nickte, doch nicht anhielt, sondern weiter lief. Die Exorzisten folgten ihm. „Also ist Rin auch dort?”, fragte Yukio angespannt. Der Feuerkönig zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich. Ebenso wie Vater und Azazel. Aber mit Sicherheit kann's keiner sagen.”
 

„Also stürzen wir wieder auf gut Glück los?”, seufzte Izumo. Iblis unterdrückte ein Schnauben. „Wer sagt, dass ihr mitkommt?” Dies löste sofortige Empörung aus. „Rin ist unser Freund! Er braucht uns!”, protestierte Shiemi, was ihr Augenverdrehen einbrachte. „Ihr würdet nur im Weg stehen. Du und das Fuchsmädchen sind nutzlos, Pinkie Pie kippt um, sobald er 'ne Spinne sieht und der Brillenzwerg hat Angst vorm eigenen Schatten. Und vor uns.” Bon warf ihm einen mörderischen Blick zu. „Hör auf, sie bei jeder Gelegenheit schlecht zu machen!” Diesmal konnte der Baal sich das Schnauben nicht verkneifen. „Ich sag hier nur die Wahrheit. Wenn ihr unbedingt gehen und sterben wollt, bitte sehr. Ich habe jetzt echt andere Probleme.” Sie erreichten einen der Säle, wo sich bereits mehrere Exorzisten und Dämonen tummelten. In einer Ecke wurde Angel von einigen Sirenen belagert, welche offensichtlich ganz begeistert von seinen Haaren waren und nun wissen wollten, wie er diese so hinbekam. Natürlich war dieser mehr als überfordert, was nicht zuletzt daran lag. dass er sie nicht verstand. Immerhin könnten sie sich auch gerade darüber unterhalten, welche Beilage mit ihm am besten schmeckte, ohne dass er je davon erfahren würde. Mal wieder typisch, aber unterhaltsam. „Ich muss mich jetzt mit den Führern einiger Häuser treffen, also geht und nervt Lucifer oder Samael, wenn ihr unbedingt mit wollt. Aber wie gesagt: Ihr rennt in 'ne Todesfalle und Rin wäre sicher nicht begeistert, wenn er erfahren muss, dass seine Freunde tot sind.” Damit ließ er sie sichtlich überrumpelt zurück.
 

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Vaya nahm ihren Teller mit Essen entgegen und sah sich etwas verloren in der Halle um. Normalerweise traf sie sich immer mit Ankou zum essen, doch die Dämonin war leider beschäftigt, also stand sie nun alleine hier, ohne jemanden zu kennen und unsicher wohin sie sich setzen sollte. Die Rationen waren zugeteilt und es gab nicht wirklich feste Zeiten, daher konnte man nie vorher sagen wie voll es hier wurde. Sie entdeckte mehrere Exorzisten, welche natürlich zum Großteil einen auffälligen Abstand zu den Dämonen hielten. Nur wenige Mutige hatten sich in die Nähe von Dämonen gesetzt oder saßen sogar mit ihnen an einem der Tische, doch diese konnte man an einer Hand abzählen. Anscheinend gab es doch ein paar, die am Frieden interessiert war. Gerade als sie darüber nachdachte, sich einfach in eine stille Ecke zu verziehen, entdeckte sie eine einzelne Sirene, welche an einem Tisch saß. Sie stocherte in ihrem Essen herum, scheinbar mit den Gedanken woanders. Vaya beschloss, dass es nichts schaden konnte, sie anzusprechen. Sie näherte sich der Sirene und lächelte sie an. „Hallo. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich mich zu dir setze?” Die Sirene hob sichtlich überrascht den Kopf und sofort fielen Vaya geröteten Augen auf. Hatte sie geweint? Langsam nickte die Pinkhaarige. „Ja, klar.”
 

„Dankeschön.” Damit setzte sie sich ihr gegenüber. „Wie heißt du? Ich bin Vaya.”
 

„Galatea.”, antwortete die Sirene und lächelte ebenfalls. Der Name kam der Dämonin bekannt vor. „Bist du Kyrenes Schwester?” Galateas Miene hellte sich sofort auf. „Ja. Du kennst sie?” Die Schwarzhaarige zuckte mit den Schultern. „In gewisser Weise. Meine Schwester ist die Generalin von Azazels Armee und ich kenne die Jungs schon seit wir Kinder sind. Ich habe also immer mal Dinge von ihr gehört und bin ihr öfter flüchtig begegnet. Wo ist sie denn? Sind deine restlichen Geschwister auch hier? Oder deine Eltern?” Galatea zuckte mit den Schultern. „Mama, Papa, Charybdis, Circe und Skylla sind weg, keine Ahnung wo sie sind. Keto ist mit einigen Leuten trainieren gegangen, Erato redet mit Egyn und Kyrene wollte sich eigentlich nur was zu essen holen, aber sie kommt einfach nicht wieder.”
 

„Ich bin sicher, dass es deinen Eltern und Geschwistern gut geht. Und Kyrene wurde sicher nur aufgehalten.”, versuchte Vaya die geknickte Sirene aufzuheitern, aber es schien nicht wirklich zu funktionieren. „Tut mir leid, wenn ich zu neugierig bin, aber ist alles gut? Du schaust so traurig.” Galatea biss sich auf die Lippe. „Wegen mir sind ganz viele Vergängliche und Dämonen gestorben, nur weil ich gesungen habe, aber ich wollte das doch gar nicht. Das einzige, woran ich gut bin, ist zeichnen, basteln und singen. Ansonsten mache ich immer alles falsch, weil ich so tollpatschig bin. Erato hat schon öfter gesagt, dass ich total nutzlos bin und Keto, dass ich nerve. Sie haben sich zwar beide entschuldigt und gesagt, dass sie es nicht so gemeint haben, aber ich glaube, sie haben recht. Und selbst wenn ich was tu, was ich gut kann, endet es schlecht für andere. Ich werde nie wieder singen!” Die Geisterdämonin sah sie überrascht an, dann legte sie ihr Besteck ab, stand auf und setzte sich neben sie. „Sag sowas nicht. Jeder hat Stärken und Schwächen und auch wenn du etwas tollpatschig bist, das gehört eben dazu. Deine Schwestern haben sowas sicher nur gesagt, weil sie sich in dem Moment um etwas gesorgt hatten oder einen schlechten Tag hatten. Sonst sind sie doch bestimmt immer für dich da, oder?” Als Galatea nickte, fuhr sie fort. „Ich habe mich ebenfalls schon mit meiner Schwester gestritten und wir haben da beide manchmal Sachen gesagt, die wir gar nicht so meinten. Die Jungs -also Egyn und die anderen- haben sich erst vor kurzem ziemlich heftig gestritten und Dinge gesagt, die sehr weh taten, aber sie meinte es nicht so. Sie machen sich Sorgen und haben es dann einander ausgelassen. Deine Tollpatschigkeit mag vielleicht manchmal stören, aber jeder hat sowas mal. Ich habe einmal versehentlich bei einem Fest einen Führer eines großen Hauses mit Wein bekippt, weil ich gestolpert bin. Dann habe ich als Kind mit einem Ball ein Fenster zerbrochen und in dem Raum dahinter ist ebenfalls einiges zu Bruch gegangen. Erst vor ein paar Wochen habe ich in der Küche etwas umgerissen und damit eine Kettenreaktion ausgelöst. Wir mussten einen Haufen Gläser, Tassen und Teller wegwerfen. Klar ist einem das erst peinlich und man wird vielleicht noch angefahren, aber niemand wird dich je dafür hassen. Was dein Singen betrifft: Ich kann das nachvollziehen, also dass du Angst hast. Ja, es ist schade um die Dämonen und die Sterblichen, aber du hattest keine Wahl und wurdest gezwungen. Es gibt viele, die für Lilith kämpfen, obwohl sie das nicht wollen, allerdings müssen sie irgendwie ihre Familie schützen und versorgen. Die Opfer werden nicht umsonst gewesen sein, Lilith wird besiegt werden. Außerdem ist es ja nicht so, dass Sirenengesang immer nur schlecht ist. Ihr könnt singen ohne jemanden zu verhexen und hin und wieder singt ihr doch auf Festen, das finden viele sehr schön.” Galatea schien zunächst überrascht, dann grinste sie und fiel Vaya um den Hals. „Danke, dass du sowas sagst, du bist echt nett! Können wir Freunde sein?”
 

„Oh....Ähm...”, murmelte die Geisterdämonin überrumpelt, woraufhin Galatea etwas zusammensackte und sie wieder los ließ. „S-Schon ok, wenn du nicht willst. Ich versteh das...die meisten in meinem Dorf wollten auch nie mit mir befreundet sein, weil sie mich zu seltsam finden.” Vayas Augen weiteten sich und sie schüttelte heftig den Kopf. „N-Nein, so war das nicht gemeint! Ich war nur etwas überrascht. Wir können gerne Freunde sein.” Kaum hatte sie den Satz beendet, fiel Galatea ihr erneut um den Hals und bedankte sich hundertmal. Vaya erwiderte die Umarmung und seufzte innerlich. Immerhin eine Person, die mal Glück hatte.
 

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Derweil starrten Yukio und die Adepten Iblis hinter her. Seitdem die Dämonenkönige von ihrer Befreiungsaktion zurückgekehrt waren, hatten sie mehr als schlechte Laune. Izumo konnte es jedoch gut nachvollziehen. Anscheinend waren mehr von Liliths Leuten da gewesen als es zunächst den Anschein erweckt hatte und dann war Agares von Invidia verschleppt worden. Waren Entführungen ihr Hobby?! Sie verdrehte die Augen, als Yukio begann vor sich hin zu grummeln. „Dieser Mistkerl...”
 

„Ähm...vielleicht hat er nicht Unrecht?”, murmelte Shima und zog den Kopf ein, als er den Todesblick des jüngeren Okumura Zwillings zu spüren bekam. „Das denke ich ebenfalls.”, bestätigte Konekomaru. „Er hat schon recht. Moriyama und Kamiki können nicht viel ausrichten, weil ihre Begleiter nicht mehr erscheinen. Shima schiebt spätestens bei den Insektendämonen Panik und ich bin ebenfalls eher weniger zu gebrauchen...” Shiemi trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Ich möchte Rin aber helfen...” Izumo sah sie scharf an. „Und wie bitteschön? Wir können ohne unsere Begleiter nicht viel machen. In Gehenna haben wir schon kaum genützt und dort sind wir nur rumgeschlichen, diesmal müssen wir kämpfen. Iblis hat recht. Wir sind nur Adepten, werden dort wahrscheinlich sterben und damit ist keinem geholfen. Wer weiß, ob die Aria überhaupt noch helfen werden. Wenn die Grenze schon so instabil ist, kann man die Dämonen wahrscheinlich austreiben wie man will und sie kommen immer wieder.” Yukio schwieg kurz, dann seufzte er. „Ich will nur meinen Bruder zurück.”
 

„Das wollen wir alle.”, murmelte Bon. Stille folgte , jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Schließlich durchbrach Shima das Schweigen. „Ich denke, wir sollten mal mit Shura reden. Vielleicht gibt es inzwischen irgendwas neues. Die Dämonen sollten wir lieber nicht fragen. Sie sehen aus als würden sie gleich jemanden abstechen.” Da hatte er nicht Unrecht. Viele Dämonen wirkten ziemlich gereizt und Izumo hatte keine Lust, sich da mit einem anzulegen. Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach der Exorzistin.
 

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Dunkelheit und Kälte. Taubheit und doch zugleich Schmerzen. Das war alles, was Rin momentan registrierte. Er wusste nicht, wo er war oder wie viel Zeit verstrichen war. Schemenhaft erinnerte sich der Nephilim an...eine Stadt...schreiende Menschen...blaues Feuer und..Lachen. Kam es etwa von ihm? Warum sollte er lachen, wenn offensichtlich Menschen starben? Alles fühlte sich wie ein seltsamer Traum an, andererseits wirkte es zu real dafür. Er erinnerte sich an die Schreie, an den Geruch von Feuer und Blut. Es musste passiert sein oder war es vielleicht nur eine weitere Vision gewesen? Tausend Fragen schwirrten in seinem Kopf herum. War er momentan wach oder träumte er? Lebte er überhaupt noch? So wirklich deutlich war es nicht. Irgendwie bekam er am Rande mit, dass er wohl lag. Es war kein blanker Boden, aber relativ hart. Auf ihm schien eine Decke zu liegen, dennoch zitterte er am ganzen Körper. Ihm war kalt, aber gleichzeitig spürte er wie kalter Schweiß seinen Rücken und sein Gesicht hinunterlief. Hin und wieder hatte er etwas warmes, vertrautes neben sich gespürt und war dann näher heran gerückt, doch es war immer schnell verschwunden. Schlussendlich entschied er sich, dass er gerade nicht träumte, sondern wach war, auch wenn er das Gefühl hatte, dass sein Gehirn im Schneckentempo arbeitete. Mit einem leisem Stöhnen versuchte er sich aufzusetzen, doch seine Arme fühlten sich wie Wackelpudding an. Wovon war er so erledigt? „Du bist also endlich wach. Wurde auch Zeit. Ich steh' hier kurz davor Selbstgespräche zu führen.”, kommentierte eine Stimme. Rin zuckte zusammen und hob den Kopf, um die Person zumindest anzusehen. Er war ziemlich dunkel im Raum, nur eine einzelne Lampe, welche auf einem Tisch stand, spendete etwas Licht. Der Nephilim erkannte mit einigen Schwierigkeiten eine Frau mit silbernen Haaren. Moment...er kannte sie. „Avaritia?”, murmelte er matt und versuchte sich erneut aufzusetzen. Diesmal nutze er die Wand zu Hilfe und war erfolgreich. Kettenrasseln verriet ihm, dass er immer noch angekettet war. Verwirrt starrte er die Aveira an. Was tat sie hier? Die Sünde antwortete nicht sofort, sondern nahm zuerst einen Schluck aus einer Flasche. „Japp. Hab den undankbaren Job bekommen, dich zu bewachen. Warum auch immer das plötzlich für nötig gehalten wird. Du warst eine Woche lang fast durchgehend bewusstlos.” Eine Woche? Rin hatte jegliches Zeitgefühl verloren. „Wo sind wir?”
 

„In irgendeinem Vatikangebäude. Besser gesagt in einem unterirdischen Verlies. Würde mich interessieren, warum die sowas haben. Lässt einen einiges hinterfragen, was?” Der Magen des Halbdämons verkrampfte sich. „Also habt ihr den Vatikan erobert?” Avaritia lachte kurz auf. „Eher du. Oder Lilith in deinem Körper. Na egal. War ein ganz schöner Anblick. Du hast verdammt viele Gebäude niedergebrannt und fast alle getötet, bis auf sechs Personen, aber um die hat man sich noch anschließend gekümmert. Übrigens haben wir schon längst mit dem Rest Assiahs begonnen. Wir haben jetzt fast ganz...Erop...Eura...Europa? Wie auch immer es nun heißt. Vor 'ner Woche erst hat sich wieder ein Land ergeben nachdem du beinahe die ganze Hauptstadt niedergebrannt hast. Moskau hieß sie, glaube ich...” Rin wurde schlecht. „Ich...Ich habe Menschen getötet?”, flüsterte er entsetzt, doch Avaritia verdrehte die Augen. „Ja, sogar eine Menge und du hast einen Haufen Gebäude niedergebrannt. Passiert im Krieg. Kein Grund da so 'ne Welle drum zu machen.” Sie hielt inne, als sie Rins Gesicht sah. „Es sei denn, du hast noch nie jemanden getötet?”
 

„Natürlich habe ich noch nie jemanden umgebracht! Ich bin 16!”, entfuhr es Rin. Er konnte nicht glauben, dass bereits so viel Zeit vergangen war und so viele gestorben waren, ohne dass er es mitbekommen hatte. Wenn Avaritia ihn nicht anlog, war Lilith momentan am gewinnen und es war alles seine Schuld. „Falls es dich tröstet, Japan haben wir erst teilweise erobert. Gut möglich, dass deine Freunde noch am Leben sind, auch wenn ich mir keine großen Hoffnungen machen würde. Die werden sowieso bald tot sein.” Er starrte sie giftig an. „Warum könnt ihr mich nicht einfach in Ruhe lassen?! Und wie kann dir das alles egal sein?!”, fragte er sie, eher verzweifelt als wütend klingend. Die Sünde zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Hey, ich mache hier nur meinen Job. Du hattest eben das Pech zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Schlussendlich ist es mir ehrlich gesagt egal, wenn alle draufgehen, solange wir Assiah erobern. Zumindest solange sich Lilith dran hält, dass ich auch was abbekomme. Ansonsten kümmere ich mich nur um mich. Warum sollten mich andere interessieren? Wenn sich jeder um sich selbst kümmert, ist für alle gesorgt. Ich helfe niemanden, wenn nichts für mich rausspringt.” Es war wohl nicht weiter überraschend, dass die Verkörperung der Habgier diesen Standpunkt vertrat. „Und was passiert als nächstes?”, fragte er matt. Es war wohl sinnlos zu versuchen der Aveira ein schlechtes Gewissen zu machen, daher konnte er zumindest versuchen mehr über Liliths Pläne zu erfahren. Dagegen tun konnte er zwar nichts, aber vielleicht würde er sich nicht mehr ganz so hilflos fühlen, wenn er zumindest etwas wusste. Avaritia zuckte mit den Schultern. „Alles wie bisher. Chaos verbreiten. Menschen umbringen und versklaven. Versuchen deine Brüder zu finden, damit endlich der Widerstand der Exorzisten und Dämonen einknickt. Übrigens will Lilith sie wohl leben lassen und als Haustiere behalten. Ich beneide sie nicht...an ihrer Stelle würde ich mir da lieber die eigene Kehle durchschneiden und sicherheitshalber das Herz rausreißen.” Also waren seine restlichen Geschwister mehr oder weniger in Sicherheit. Allerdings löste dies bei ihm keine Erleichterung aus, sondern...Angst. Der Gedanke an Satan oder einen der Dämonenkönige reichte aus, um seinen Atem stocken zu lassen und ihn zum zittern zu bringen. Bevor er es verhindern konnte, kamen jene Erinnerungen hoch, welcher er einfach nur vergessen wollte. Erinnerungen daran, wie sie ihn verletzt, gequält und gedemütigt hatten. All die Bestrafungen, die ständige Angst vor kleinsten Fehltreten und das Gefühl der Hilflosigkeit hatten sich in seinen Verstand gebrannt. Inzwischen war er überzeugt davon, dass diese Erinnerungen echt sein mussten. Sie waren zu detailreich, zu lebhaft um es nicht zu sein. Erneut wurde dem Nephilim schmerzhaft bewusst, dass er alleine da stand und Liliths Gnade ausgeliefert worden zu sein. Er bemerkte Avaritias prüfenden Blick, zweifellos hatte sie seine innere Panik mitbekommen, doch kommentierte es nicht. Stattdessen griff sie erneut zu ihrer Flasche und nahm einen weiteren großen Schluck. Diesmal konnte der Halbdämon den Alkohol riechen. „Die Sterblichen wissen einfach nicht, was guter Alkohol ist. Das hier ist ja schon fast Hustensaft ”, grummelte die Aveira. „Aber was besseres gibt's eben nicht...” Bevor sie noch etwas sagen konnte, war ein Klopfen von der Tür zu hören. Eine männliche Stimme war zu hören, doch Rin verstand kein Wort, da der Dämon einen ziemlich schweren Dialekt hatte. Genauso gut hätte er sich eine Wolldecke in den Mund stopfen können. Avaritia verstand ihn jedoch offensichtlich, denn sie antwortete und erhob sich. „Ich bin kurz weg. Die Tür wird abgeschlossen und die Ketten blockieren all deine dämonischen Kräfte, also versuche gar nicht erst abzuhauen.” Rin nickte stumm, schloss die Augen und lehnte sich resigniert gegen die Wand. Er hörte wie die schwere Tür zufiel und abgeschlossen wurde, doch er hatte nicht mehr die Energie sich deswegen zu ärgeren. Stattdessen wünschte er sich einfach nur, dass es endete.
 

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„Also langsam gehst du mir echt verdammt auf die Nerven. Jetzt sag mir endlich, was ich wissen will!”, fauchte Invidia und rammte ihr Knie in Agares Brustbein, woraufhin ein unschönes Knacken ertönte. ‚Das wäre dann wohl wieder gebrochen, gleich zusammen mit mehreren Rippen.‘, stellte sie stumm fest. Sie war nun schon eine knappe Woche hier, doch bisher hatte Invidia noch keinen Erfolg verzeichnen können. Sie bekam eine Ohrfeige. Die Wasserdämonin spürte wie ihr frisches Blut aus der Nase lief. Gleichzeitig hustete sie es auch hervor, dennoch gab sie Invidia ein gehässiges Grinsen. „Mach mit mir, was du willst. Ich verrate dir nichts.” Die Sünde schnaubte, griff in Agares' Haare und riss ihren Kopf hoch. Die Dämonin biss die Zähne zusammen und weigerte sich auch nur ein Geräusch von sich zu geben, egal wie weh es tat. Sie hatte schon einmal Invidias Folter überstanden, da schaffte sie es ein weiteres Mal. „Du hälst dich wohl für ganz schlau, oder?! Du dämliches Miststück denkst, du wärst was besseres?! Von wegen! Du wirst nur eine weitere namenlose Leiche sein, die den Weg pflastert!”
 

„Und du wirst nur eine weitere namenlose Handlangerin Liliths sein, an die sich in einem Jahrhundert sowieso keiner mehr erinnert.”, presste Agares hervor. Das schien zu sitzen, denn die Aveira stieß ein Knurren aus und rammte sie in die Steinwand. Diesmal entfuhr der Wasserdämonin ein leises, schmerzerfülltes Keuchen und sie hustete erneut Blut hervor. Außerdem war sie sie ziemlich sicher, dass ihre Lungen von ihren gebrochenen Rippen gequetscht wurden. Dennoch setzte sie weiterhin ihr unbeeindrucktes Gesicht auf. Invidia presste sie nun gegen die Wand, griff nach ihrem Hals und drücke leicht zu. „Ich frage noch ein Mal.”, zischte die Gestaltwandlerin ihr ins Ohr. „Wo. Sind. Die. Dämonenkönige?” Die Weißhaarige lachte leise. „An einem Ort an dem du sie niemals finden wirst. Und bevor du wieder fragst: Ich sage nichts über ihre Pläne. Da musst du dich schon selbst auf die Suche machen, also lass es endlich gut sein. Wenn du mich töten willst, dann tu es endlich. Ich habe keine Angst davor zu sterben.” Invidia schnaubte. „Als ob ich dich so leicht davon kommen lasse. Glaub ja nicht, ich hätte vergessen, was du mit meinem Liebling gemacht hast.” Wütend sah Agares sie an. „Dein "Liebling" hat einen Haufen Verletzter angegriffen, die nur von einem kleinem Trupp bewacht worden. Sollte ich etwa abhauen und Leviathan alle umbringen lassen? Wohl kaum. Nehme es nächstes Mal vielleicht einfach an die Leine. Diesmal schien es auch nicht gerade effizient gewesen zu sein.” Sie schnappte nach Luft, als sich der Griff um ihren Hals versteckte. „Vielleicht sollte ich dir doch für eine Weile die Zunge rausschneiden.”, zischte Invidia düster, doch begann dann erneut wie eine Irre zu grinsen. Gut, sie war auch irre. „Aber schon traurig. Du wirst hier krepieren wie ein irgendein Sterblicher im Graben und Egyn wird niemals erfahren, dass du ihn liebst. Nicht dass du je eine Chance bei ihm hattest.” Agares bleckte die Zähne, aber wurde quer durch den Raum geworfen bevor sie antworten konnte. Mit einem Ächzen krachte sie erneut in das Gestein. Für einen Moment drehte sich alles, doch sie bekam durchaus mit, dass sich Invidia näherte. „Dass du dir wirklich Hoffnungen gemacht hast. Als ob ein Halbblut wie du eine Chance hättest. Widerlich.”, fuhr die Grünhaarige fort. „Du bist nur irgendein Unfall, der entstanden ist, als deine Mutter mal Langeweile hatte. Wahrscheinlich hat sie dich nur nicht im nächsten Fluss ertränkt, weil es mehr Rationen gibt, wenn man Kinder hat. Und ich wette, dein Vater wurde nicht von Exorzisten umgebracht, sondern hat sich selbst erledigt, als ihm klar geworden ist, was er da in die Welt gesetzt hat.”
 

„Halte die Klappe!”, knurrte die Wasserdämonin. „Du weißt gar nichts. Weder über meine Familie noch über Egyn.” Invidia wirkte amüsiert. „Ach wirklich? Ich weiß mehr als du glaubst.” Die Dämonin hatte nicht mal Zeit zum blinzeln, da war die Sünde schon bei ihr und zwang etwas in ihren Mund. Agares wollte es ausspucken, doch Invidia zwang sie es zu schlucken, indem sie ihr die Luft komplett abschnürte. Sie spürte wie was immer es war, sofort in ihren Blutkreislauf schoss. Das war sicher nichts Gutes. „Was...Was hast....du....mir gegeben?!”, presste sie unter großer Anstrengung hervor. „Nichts was dich töten wird. Das wird nur dafür sorgen, dass Realität und Einbildung verschmelzen. Halluzinogene heißen sie, oder?”, kam die Antwort. „Normalerweise würden das ja Lux und Cedia übernehmen, aber sie sind gerade beschäftigt, also muss ich das eben auf die altmodische Weise lösen.” Leider wirkte die Droge schnell. Am Rande bemerkte Agares das bereits bekannte grüne Leuchten. Vor ihr stand nun nicht mehr Invidia sondern Egyn. ‚Nein...warum ausgerechnet diese Gestalt? Nicht schon wieder!‘, dachte sie etwas panisch. „Agares? Ist alles in Ordnung?”, hörte sie Egyns Stimme. Er klang aufrichtig besorgt, doch sie wusste, dass es ein Trick war. Sie wollte Invidia sagen, dass sie abhauen sollte, aber sie konnte einfach keine zusammenhängenden Worte bilden. "Egyn" näherte sich ihr und kniete schließlich vor ihr. Sie zuckte zusammen als er die Hand ausstreckte, ihr eine blutige Haarsträhne aus dem Gesicht strich und ihr sanft über die Wange strich. Dabei lächelte er ihr behutsam zu. ‚Scheiße...sie...sieht wirklich aus...wie er. Vielleicht...Nein! Das ist nicht echt!‘, rief sie sich ins Gedächtnis. „Hey, es ist ok. Ich helfe dir. Du bist in Sicherheit.”, beruhigte er sie. „Ich möchte dir helfen, aber dafür brauche ich zuerst deine Hilfe. Wo sind die anderen?” Agares schüttelte den Kopf. „G-Geh...w-w-weg....bist nicht...Egyn...”, murmelte sie. Der Dämonenkönig blinzelte überrascht, dann sah er sie mitleidig an. „Es tut mir leid, dass ist alles meine Schuld. Ich hätte besser aufpassen sollen. Ich verstehe es, wenn du misstrauisch bist. Du musstest wirklich viel mitmachen, aber jetzt ist alles in Ordnung. Du bist in Sicherheit, ich helfe dir. Sage mir nur, wo die anderen sind. Bitte? Wo sind sie? Wo sind meine Brüder?” Die Wasserdämonin schluckte und schloss die Augen. ‚Es...Es klingt genau wie Egyn...die Stimme...die Art...wie er redet...ist er...? Nein, er kann nicht hier sein. Kann nicht sein...‘
 

„Bitte, ich brauche deine Hilfe. Ich muss sie finden bevor Lilith es tut oder sie werden sterben!”, hörte sie ihn flehen, nun mit eindeutiger Verzweiflung in der Stimme. „Bitte. Ich...Ich will sie nicht auch noch verlieren.”, fuhr er leise fort. ‚Stimmt...Egyn hatte schon seine Mutter verloren, wenn er dann noch seine Geschwister verlor, würde ihn dies zerstören. Jedoch...‘ Agares sah ihr Gegenüber an. „Sie...Sie sind...” Egyn beugte sich etwas nach vorne, um ihre Worte besser zu verstehen. „Dort......wo du.....sie nicht finden wirst, Invidia.”, beendete die Weißhaarige ihren Satz abfällig. Der falsche Egyn bleckte die Zähne und verpasste ihr eine Ohrfeige. „Dämliches Halbblut.”, zischte er. „Du bist sowas von nutzlos und wunderst dich, weswegen ich dich nicht haben will. Als ob ich jemals so tief sinken würde mich mit einer wie dir einzulassen.” Er fuhr damit fort, sie niederzumachen. Ab und zu schlug er wieder einen freundlicheren Ton an und versuchte sie so dazu zu bringen etwas zu sagen, dann ging er wieder dazu über sie zu beleidigen. Dennoch gab die Wasserdämonin nicht nach. Sie würde nicht brechen.
 

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„Hey Shura, hast du eine Ahnung, weswegen uns die Dämonenkönige herbestellt haben?”, wurde die Exorzistin von einer ihrer Kolleginnen gefragt. Die Rothaarige zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Klang aber wichtig. Ich nehme mal an, sie wollen noch einige Dinge für unseren Angriff auf den Vatikan klären.” Inzwischen waren die Vorbereitungen so ziemlich abgeschlossen, sodass der Angriff bald beginnen konnte. Unruhig wartete sie darauf, dass es los ging. Nach einigen Minuten schienen endlich alle da zu sein und Lucifer ergriff das Wort. „Wir haben alle viel zu tun, also halte ich mich kurz. Dank dem ganzen Chaos sind Tamer nicht mehr dazu in der Lage auch nur ein Kohletierchen zu beschwören, aber wir brauchen jede Hilfe. Darum haben wir uns etwas überlegt, damit es trotzdem funktioniert. Es ist nur eine Theorie, aber wir müssen es möglichst schnell ausprobieren. Besser gesagt ihr.”Er hielt ein Stück Papier hoch. Darauf war ein Siegel gezeichnet worden, anscheinend mit Blut. „Wie ihr wisst, können wir Dämonen rufen, wann immer wir wollen. Die Hexenzirkel nutzen das bereits zu ihrem Vorteil indem wir ihnen diese Zettel mit unserem Siegel und einem Blutstropfen geben. Sie nutzen uns dann sozusagen als Anker für die beschworenen Dämonen. Bei euch Normal-Sterblichen wird das wahrscheinlich nicht reichen, also haben wir hier das komplette Siegel mit unserem dazugehörigen Blut gezeichnet.” Er warf einen kurzen Blick auf das Papier. „Das ist Beelzebubs Siegel. Freiwillige?” Eine Exorzistin trat hervor, die Shura als Lena erkannte, eine Exorzistin der indonesischen Zweigstelle. „Mach es einfach wie sonst.”, kommentierte der Lichtkönig und die Blondine nahm den Zettel entgegen. Shura sah gespannt zu. Wenn das wirklich funktionierte, hätten sie wesentlich mehr Leute für den Angriff. Tatsächlich konnte Lena erfolgreich ihre Beschwörung durchführen. „Was ist mit Dämonen, die zu Azazel gehören? Ich bezweifle, dass ihr etwas von seinem Blut rumliegen habt.”, fragte plötzlich Angels Stimme. Wo kam der wieder her? Allerdings war die Frage berechtigt. Lucifer schüttelte den Kopf. „Nein, haben wir nicht. Darum haben wir es mit Shax' Blut versucht. Er ist zwar nicht Azazel, aber dennoch ziemlich mächtig. Eventuell reicht es, aber selbst wenn solltet ihr euch nicht darauf verlassen.” Erneut probierten es einige Exorzisten aus und zu ihrer großen Erleichterung klappte es erneut. Daraufhin wurden die übrigen Zettel verteilt, allerdings wurden allen eingeschärft, dass sie diese nicht verschwenden sollten, da sie nur begrenzt vorrätig waren. Shura holte sich ebenfalls einen, dann wandte sie sich dem Ausgang zu und wollte eigentlich gehen, jedoch war der Raum so voll, dass sie kaum vorbei kam. Sie beschloss sich einfach irgendwo hinzusetzen und darauf zu warten, dass sich alles etwas gelegt hatte. Sie entdeckte Iblis, welcher mit seinen Drachen zugange war, neben ihm saß Astaroth, der mit verschränkten Armen den Exorzisten zusah. Da Shura ohnehin nochmal mit einem der Dämonenkönige reden wollte, ging sie auf sie zu. Die Drachen hoben interessiert die Köpfe und beäugten sie zunächst etwas argwöhnisch, doch schienen sie dann zu erkennen, da sie sich wieder beruhigten und Iblis zuwandten. „Habt ihr kurz Zeit?”, erkundigte sich die Exorzistin. Astaroth zuckte mit den Schultern. „Schätze schon. Wir warten grad nur, dass diese Prügelei vorbei ist.” Shura nickte und setzte sich auf einen Stuhl, nebenbei wanderte ihr Blick zu den Drachen, welche mehr als glücklich schienen, dass sie Iblis wieder Zeit für sie hatte. Sie waren gerne mal eingeschnappt, wenn er sie ignorierte. Dennoch schien er sich recht gut um sie zu kümmern, denn seit ihrer Ankunft in Assiah waren sie nicht nur ein Stück gewachsen, sondern wirkten zudem viel gesünder. Zumindest im Vergleich dazu, wie sie sie im Verlies vorgefunden hatten. Womit fütterte Iblis die Drachen eigentlich? Sie fraßen doch sicherlich eine Menge, also wo bekam er das her? Im Stillen hoffte sie, dass nicht irgendwelche herumstreunenden Tiere als Futter hatten herhalten müssen. „Also...”, begann sie, als keiner der beiden Dämonen etwas sagte. „Gibt es nochmal irgendwas neues zum Vatikan?” Iblis schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich, sogar die Kohletierchen wissen kaum was, außer dass Lilith von dort aus von ihre Angriffe koordiniert, aber das wussten wir ja schon. Allerdings hat sich jetzt bestätigt, dass sie Rin immer noch als Waffe verwendet. Sie hat erst vor 'ne Woche fast ganz Moskau abgefackelt und damit die Russen zur Kapitulation gezwungen. Schätze mal, sie wird die Strategie beibehalten.” Astaroth schnaubte. „Mich würde es nicht wundern, wenn sie am Ende alles niederbrennt. Dann ist sie zwar die Königin eines Aschehaufen, aber das wird sie wahrscheinlich nicht mal stören.” Shura nickte und zögerte kurz bevor sie die nächste Frage stellte. Hoffentlich löste sie damit kein Minenfeld aus. „Wisst ihr noch was über Rin?” Beide Dämonen schüttelten düster den Kopf. „Sie hält ihn nach wie vor irgendwo fest und lässt ihn wohl nur raus, wenn sie ihn braucht. Aber wir wissen nicht genau wo er ist oder wie es ihm geht. Gut möglich, dass er längst wie Salacia drauf ist.”, murmelte Iblis. „Salacia?”, fragte Shura überrascht. Sie hatte den Namen bereits einmal gehört, doch war sich nicht ganz sicher wo. „Egyns Mutter. Sie ist für eine ganze Weile verschwunden, dann wieder aufgetaucht, aber hatte komplett den Verstand verloren.”, erklärte Astaroth. „Lilith hat gegenüber Rin erwähnt, dass das ihr Verdienst ist.” Die Exorzistin schluckte und musste ein Schaudern unterdrücken. Sie wollte gar nicht wissen, was der Dämonin widerfahren war oder ob sich Rin in einer ähnlichen Situation befand und sie ihn überhaupt noch wiedererkennen würden. Außerdem musste sie eingestehen, dass Egyn ihr deswegen leid tat. „Und Azazel?”, fragte sie, in der Hoffnung zumindest dort etwas positives zu hören, doch natürlich wurde sie erneut enttäuscht. „Wir haben nichts mehr von ihm gehört.”, murmelte Iblis und strich Makara etwas gedankenverloren über den Kopf. „Wir wissen noch nicht mal, ob die Mail wirklich von ihm war oder ob er überhaupt noch in Italien ist.” Sie schwiegen, doch nach einigen Minuten hatte sich das Gerangel endlich gelegt und Shura stand auf. Keiner der Dämonenkönige machte Anstalten ihr zu folgen, daher verabschiedete sie sich und verließ den Saal, um noch einmal zu trainieren. Aufgrund der Uhrzeit rechnete sie nicht damit jemanden vorzufinden und war daher umso überraschender, als sie jemanden in der Trainingshalle hörte. Offenbar hatte Ankou den gleichen Einfall gehabt und nutzte die Ruhe zum Einzeltraining aus. Sie schien Shura gehört zu haben, denn sie drehte sich um und nickte ihr kurz zu. „Du weißt wohl auch nichts mit dir anzufangen, wie?” Die Rothaarige zuckte mit den Schultern. „Alles ist besser, als rumzusitzen und auf das nächste Treffen zu warten. Ich hasse es, einfach rumzusitzen.”
 

„Dann haben wir wohl etwas gemeinsam.”, erwiderte die Dämonin und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. „Lust zusammen zu trainieren?” Dies erwischte Shura im Kalten. Die Dämonin war bisher immer auf Abstand gegangen und schien nicht wirklich angetan von ihr zu sein, was wohl verständlich war, wenn man bedachte, dass sie eigentlich Feinde waren. Ankou schien ihren verwirrten Gesichtsausdruck zu bemerken, denn sie hob eine Braue. „Ist das Angebot wirklich so überraschend? Ich persönlich finde Training zu zweit immer effektiver, als wenn man alleine auf irgendwelche Ziele einschlägt.” Nach kurzem Zögern beschloss Shura einfach ehrlich zu sein. „Das schon, aber du und der Rest habt uns bisher wie die Pest gemieden. Ich hätte nicht gedacht, dass du etwas mit einem von uns zu tun haben willst.” Sie bekam ein Augenrollen zur Antwort. „Wir haben Abstand gehalten, weil die ganze Situation schon unangenehm genug und um Streitereien aus dem Weg zu gehen. Allerdings scheinst du zu den Vernünftigen zu gehören, also habe ich nicht wirklich ein Problem mit dir. Davon mal abgesehen sehe ich keinen Sinn hier Freunde zu machen. Bald sind wahrscheinlich sowieso wieder verfeindet und selbst wenn nicht, würde es am Ende nur unangenehm enden.”
 

„Warum das?”
 

Wieder verdrehte Ankou die Augen. „Wir sind unsterblich, ihr seid es nicht. Wenn man sich als Dämon mit einem Sterblichen befreundet, muss man zusehen wie derjenige altert und schlussendlich stirbt. Klar Dämonen können auch sterben, aber nicht an Altersschwäche und es kommt daher seltener vor. Darum versuchen die Baal auch nicht zu enge Beziehungen mit Mitgliedern der Hexenzirkel aufzubauen. Die leben zwar länger als normale Menschen, aber irgendwann sind sie trotzdem weg. Ist natürlich leichter gesagt als getan. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass zumindest Iblis hin und wieder welche abschleppt.” Das wiederum überraschte Shura nicht wirklich. Der Feuerkönig schaute ja manchmal sogar Exorzistinnen hinterher. „Darf er das überhaupt?” Erneut zuckte die Dämonin mit den Schultern. „Klar, solange er niemanden zwingt oder schwängert...Satan würde sonst durchdrehen, aber zurück zum Thema: Wollen wir nun trainieren oder nicht?” Die Exorzistin hob eine Braue. „Sicher, dass du nicht einfach nur eine Entschuldigung suchst, mich zu schlagen ohne Ärger zu bekommen?” Ankou lachte unerwarteterweise. „Genau dasselbe hat einmal Rin gesagt, als ich mit ihm trainiert habe. Also bist du dabei?” Shura überlegte kurz, dann nickte sie. Zwar würde Ankou sie wahrscheinlich zusammenfalten, aber sie würde es später mit weiteren Dämonen zu tun bekommen, daher konnte ein wenig Extratraining nie schaden. „Na schön, ich bin dabei.”
 

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„Eine Woche. Wir foltern diese verdammte Wasserdämonin schon seit einer Woche, jetzt hast auch du es versucht und noch immer haben wir nichts aus ihr rausbekommen. Kannst du mir verraten, warum das so ist?”, fragte Lilith in einer scheinbar ruhigen Stimmlage, doch Invidia kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie kurz vorm Explodieren stand, was ihre roten Augen und die Aura noch einmal zusätzlich bestätigten. Dennoch versuchte sie sich nicht ihre Nervosität anmerken zu lassen, sondern überspielte es wie so oft. „Sie ist widerspenstiger als gedacht, das ist nicht meine Schuld.”, schmollte sie. „Die anderen bekommen auch nichts aus ihr raus, aber-”
 

„Kein "Aber" und dein "Die Anderen haben es auch nicht geschafft" kannst du dir sparen. Es ist deine Aufgabe, also denke gar nicht daran dem Rest die Schuld zuzuschieben.”, wurde sie scharf unterbrochen. Die Gestaltwandlerin schwieg, denn Lilith schien momentan etwas...instabil und das wollte etwas heißen, wenn es von ihr kam. Sie konnte nun hören, wie die Dämonengöttin etwas vor sich hin murmelte, offenbar eher zu sich selbst als zu der Sünde. „Ich finde sie schon und wenn ich ganz Assiah niederbrennen muss.” Ein Klopfen riss sie aus ihrem Gemurmel und die Grünhaarige atmete erleichtert auf. Jetzt würde es immerhin den Idioten treffen, der dumm genug war, einfach hier vorbeizuschauen. „Welcher Idiot...”, murmelte Lilith, dann rief sie den Neuankömmling herein, welcher sich als Berith herausstellte. Er kniete vor der Dämonenkönigin nieder, dann richtete er sich schnell wieder auf, da auch er Liliths Angespanntheit spürte. „Entschuldigt bitte die Störung Majestät, ich habe Neuigkeiten.” Die Dämonin schnaubte ungehalten. „Die sollten besser gut sein. Ich finde immer noch Stücke von dem Kerl, der mich das letzte Mal grundlos genervt hat, in meinen Haaren.” Der Zeitdämon ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, Invidia verdrehe nur die Augen. Sie konnte Berith auf den Tod nicht ausstehen, unter anderem da dieser meinte, er wäre besser bei der Informationsbeschaffung als sie. Abgesehen davon traute sie ihm nicht mal ansatzweise. Zugegebenermaßen traute sie niemanden wirklich, aber die ehemalige rechte Hand Samaels ließ bei ihr sämtliche Alarmglocken schrillen. Was würde sie nicht dafür geben, ihn auszuweiden und anschließend an Leviathan zu verfüttern. Ihr Liebling hatte es dringend nötig, denn die verfluchten Baal und Anhängsel hatten ihm viel Schaden zugefügt. „Natürlich, sonst würde ich Euch nicht belästigen.”, antwortete der Zeitdämon schnell. „Leider muss ich berichten, dass die Sirenen in Japan sich allesamt den Dämonenkönigen angeschlossen haben. Sie bekommen täglich neue Truppen, sowohl Dämonen als auch Sterbliche. Anscheinend haben sie außerdem eine Möglichkeit gefunden, wie Exorzisten wieder Dämonen beschwören können.” Mussten eigentlich immer dann schlechte Nachrichten kommen, wenn sie gerade mit im Zimmer war? Andererseits würde es diesmal wohl Berith treffen, daher war sie relativ entspannt. Wie sie erwartet hatte, war die Königin Gehennas alles andere als begeistert. „Und was stehst du dann hier rum?! Geh und bringe es in Ordnung, du Idiot!”
 

„Bei allem Respekt, ich fürchte, dass liegt inzwischen außerhalb meiner Möglichkeiten. Schlussendlich bin ich nur hier, weil ich glaube, dass ihr Angriff kurz bevor steht. Sie haben keine andere Wahl mehr, ohne Satan können sie diesen Krieg nicht gewinnen und das Halbblut werden sie ebenfalls befreien wollen.” Lilith verdrehte die Augen. „Das wusste ich selber, da brauche ich dich nicht dazu. Aber sei's drum, die Sirenen sind ein Ärgernis, aber wir haben noch mehr als genug in anderen Teilen Assiahs.” Sie hielt kurz inne, scheinbar in Gedanken. „Wenn ich jedoch genauer darüber nachdenke, macht es wohl mehr Sinn einfach abzuwarten bis sie zu uns kommen. Die paar Tage machen wirklich keinen Unterschied mehr, schätze ich...” Invidia war erleichtert, als sie dies hörte. Nun musste sie sich zumindest nicht mehr um Agares Gedanken machen, sondern konnte sich wieder um ihre anderen Pflichten kümmern. „Invidia, du kannst gehen.”, sagte Lilith, doch bevor die Grünhaarige sich in Bewegung setzen konnte, fügte sie noch etwas hinzu. „Übrigens würde ich euch beiden raten, euch zu bemühen wieder mal etwas nützliches zu tun. Ich habe keine Verwendung für Versager. Invidia, du hast es nicht geschafft etwas aus Agares zu bekommen und Berith, deine Informationen zu den Dämonenkönigen und ihren Truppen lässt mehr als zu wünschen übrig. Ihr erinnert euch doch sicher noch an Aeshma, als sie keinen Nutzen mehr hatte, nicht wahr? Wobei ich ihren Tod zumindest Satan zuschieben und damit ihre Kinder manipulieren konnte. Ihr dagegen wärt nur weitere namenlose Versager. Verstanden?” Beide Dämonen nickten steif und Invidia verließ den Saal ohne dass sie sich gegenseitig nur eines Blickes zu würdigen.
 

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Zwei weitere Tage waren vergangen seitdem sie eine Möglichkeit gefunden hatten, den Tamer das Beschwören zu ermöglichen, heute sollte endlich der Angriff starten. Obwohl es nicht Egyns erster Kampf war, verspürte er eine Nervosität als hätte er noch nie zuvor einen Speer in der Hand gehabt. Wahrscheinlich weil diesmal so viel vom Ausgang abhing. Als sie damals Lilith versiegelt hatte, konnte er in der Nacht zuvor kaum schlafen und war am nächsten Morgen vollkommen durch den Wind gewesen. Rückblickend betrachtet war es kleines Wunder, dass er sich während der Versieglung genug zusammenreißen konnte. Schlussendlich hatte er ein letztes Mal den Stand einiger seiner Truppen überprüft, um sich irgendwie abzulenken. Dennoch wurde er von Minute zu Minute unruhiger, was nicht nur daran lag, dass er ständig an seinen Vater, seine gefangenen Geschwister und Agares denken musste, sondern auch an Kyrene, Erato und Keto. Diese hatten sich nämlich in einem Anflug von Größenwahn dazu entschlossen ebenfalls mitzukämpfen. Daraufhin hatte er es ihnen verbieten wollen, doch gegen drei Sirenen hatte man nicht mal als Wasserkönig eine Chance. Er war schon damals nervös gewesen, weil Kyrene sich geweigert hatte, ihren Wächterposten aufzugeben und einmal sogar an einer Expedition in das unerforschte Gebiet teilnehmen wollte, obwohl die Sterberate beachtlich war. Jedoch hatte die Sirene sich nicht davon abbringen lassen und er konnte nicht mitkommen. Diesmal war es genau dasselbe. Zwar konnte er nicht bestreiten, dass die drei Schwestern durchaus mit dem Speer umgehen konnten, aber wirkliche Kampferfahrung hatte außer Keto keine von ihnen. Er hatte Kyrene damals noch ein paar Tricks gezeigt, aber ob ihr das wirklich bessere Chancen auf Überleben gab? „Egyn, bist du das?”, fragte plötzlich jemand. Die Stimme kam ihr sehr bekannt vor, daher hielt er an und wandte sich um. ‚Lass mich falsch liegen...‘ Natürlich lag er nicht daneben und stand nun einem Dämon mit schwarz-blonden Haaren und violetten Augen gegenüber. „Hallo Seth. Ich hätte nicht gedacht, dass du auch hier bist.”, sagte Egyn knapp. Er hatte gehofft den Zeitdämonen nie wieder zu sehen, nachdem dieser von der Schule geflogen war. Seth und seine Freunde hatten ihm und seinen jüngeren Geschwistern mehrere Jahre lang das Leben schwer gemacht bis sie nach einem Vorfall endlich verwiesen worden waren. Seitdem hatte er ihn nicht mehr gesehen. Ihm fiel sofort auf, dass Seth sehr nervös war, doch dies überraschte ihn nicht weiter, denn früher hatte sich keiner ihrer Peiniger jemals Gedanken darüber gemacht, dass sie eines Tages über ihnen stehen würden. „Ähm...ja. Ich bin gestern angekommen. Eher ging es nicht.”
 

„Aha. Dann ist der Rest deiner Familie sicher ebenfalls hier.”, stellte Egyn fest, auch wenn es ihn nicht wirklich kümmerte, doch Seth schüttelte den Kopf. „Mein Vater ist tot. Invidia hat ihn umgebracht und meinen Bruder und meine Schwester gleich mit. Darum bin ich jetzt der Führer des Hauses.” Dies überraschte Egyn. „Lord Cain und deine Geschwister sind tot...? Tut mir leid für dich.” Zwar konnte er weder Lord Cain, noch Seth leiden, aber er wünschte niemanden ein Familienmitglied zu verlieren. Zu seiner Mutter sagte Seth nichts, daher schwieg Egyn ebenfalls diesbezüglich. Der Zeitdämon zuckte mit den Schultern. „Meine Beziehung mit ihnen war ohnehin nicht die beste.” Der Wasserdämon nickte langsam. „Was ist mit Loki, Ishtar und Nija?” Zumindest in ihrer Schulzeit hatten sie immer aufeinander gehockt, also sollte er sich wohl darauf vorbereiten sie wieder ertragen zu müssen. Seths Gesicht verdüsterte sich. „Loki ist tot. Er und sein Haus wollten mit einigen anderen Adelshäusern einen Aufstand gegen Lilith anzetteln und wurden dafür alle umgebracht. Ishtar sitzt seit Jahren im Knast. Sein Vater ist überraschenderweise gestorben und es kam heraus, dass er einen Haufen Spielschulden bei einigen zwielichtigen Leuten hatte. Die Familie war komplett ruiniert, seine Mutter war längst abgehauen, also musste Ishtar für irgendwelche Verbrecherbosse arbeiten, um allein die Schulden abzuarbeiten. Er hatte es dann irgendwann geschafft, aber ihm hat das Leben so gut gefallen, dass er dabei geblieben ist. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nichts mehr mit ihm zu tun, aber nach dem was ich gehört habe, war er dann am Drogenhandel, Entführungen mit Lösegeldforderung, illegalem Glücksspiel und wo nicht noch alles beteiligt. Am Ende wurde er dann erwischt und die Organisation für die er gearbeitet hat aufgelöst, aber das war schon vor vielen Jahren. Kann gut sein, dass er wieder draußen ist. Und Nija...” Er holte tief Luft. „Wir waren noch eine Weile zusammen, aber irgendwann hat sie mich für einen anderen Adligen sitzen gelassen, der eigentlich viel zu alt für sie war. Natürlich war sie ihm irgendwann zu langweilig, also hat er sie fallen gelassen. Ihre Familie wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben und ich habe alle Kontaktversuche ignoriert. Wahrscheinlich arbeitet sie inzwischen in irgendeinem Rotlichtviertel, wer weiß.”
 

„Verstehe.”, sagte Egyn. Zwar war er überrascht über das, was er hörte, aber er hatte noch andere Aufgaben und musste daher weiter. „Ich muss dann aber los, ich habe noch zu tun. Bis dann.” Er wollte gehen, doch der Zeitdämon hielt ihn auf. „Warte! Ich...muss dir nach was sagen.” Egyn schnaubte gereizt. „Was denn? Sind dir inzwischen doch ein paar Beleidigungen eingefallen, die du mir an den Kopf werfen könntest oder ist es doch eine Idee, um mich zu demütigen? Das hast du in den letzten Jahren doch sicher vermisst. Was auch immer es ist, spar es dir. Ich habe jetzt wirklich andere Probleme als mich mit irgendeinem selbstverliebten, gehässigem Arschloch rumzuplagen. Also lass mich einfach und meine Brüder einfach in Ruhe oder ich spieße dich mit meinem Speer auf.” Er war selbst von seinen Worten überrascht, doch er war momentan einfach zu angespannt, um sich zurückzuhalten. Seth war rot geworden und sah beschämt zu Boden. „Ich...Nein. Ich möchte mich entschuldigen.” Der Wasserdämon sah ihn verwirrt an und glaubte fest daran, sich verhört zu haben. „Ich weiß, das macht nichts wieder gut und ist wahrscheinlich viel zu spät.”, fuhr Seth unsicher fort. „Aber trotzdem: Es tut mir leid. Ich war wirklich ein Arschloch und ich verstehe schon, dass du mich nicht leiden kannst. Du warst eigentlich immer nett zu mir und hast versucht, dass friedlich zu klären, aber ich habe es immer abgelehnt. Das habe ich allerdings erst eingesehen, nachdem ich meinen Abschluss an der anderen Schule gemacht habe. Ich hatte damals ziemliche Probleme Zuhause und es dann vor allem an dir und deinen Brüdern ausgelassen. Schätze ich war eifersüchtig, weil du... na ja, ihr konntet euch immer aufeinander und auf euren Vater verlassen, während ich Zuhause genauso gut gar nicht hätte existieren können und eigentlich nur 'ne Absicherung war, falls meinem Bruder was passiert. Es kommt noch mehr dazu, aber es ist egal und ich weiß, dass das kein guter Grund ist für mein Verhalten. Also nochmal: Entschuldigung. Ich will mich schon seit Jahren entschuldigen, aber immer wenn ich vorm Palast stand, habe ich doch noch Schiss bekommen. Da ich nachher vielleicht drauf gehe, wollte ich das nur sagen...und...ja...also....” Er stammelte nun irgendetwas vor sich hin und Egyn unterbrach ihn. „Ok, ich gebe zu, ich habe damit nicht gerechnet. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich dir wirklich verzeihen kann.” Seth nickte langsam, scheinbar etwas bedrückt. „Ja, das verstehe ich. Ich wollte es nur sagen-”
 

„Ich war noch nicht fertig.”, sagte der Blauhaarige. „Was du getan hast, war mehr als daneben und ich hatte gehofft dich nie wieder zu sehen. Aber es spielt jetzt keine Rolle. Die Sache ist Jahre her, wir haben uns beide verändert und momentan haben wir größere Probleme. Also mach dir deswegen jetzt keinen Kopf. Überlebe das heute und wir reden weiter. Ok?” Der Zeitdämon wirkte überrascht, doch nickte. „Ok. Und Viel Glück. Ich glaube übrigens nicht, dass Azazel ein Verräter ist. Wir befreien ihn schon, zusammen mit Lord Satan und deinem anderen Bruder.” Der Wasserkönig nickte. „Danke, dir auch viel Glück.” Nach einigen Minuten fand er Beelzebub und Amaimon, doch es blieb keine Zeit ihnen von Seth zu erzählen, denn diese waren ebenfalls mit anderen Dingen beschäftigt. Momentan war es nur wichtig, dass sie erfolgreich waren.

Der Angriff beginnt

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Zum ersten Mal seit vielen Jahren verspürte Lucifer Nervosität bei dem Gedanken in die Schlacht ziehen zu müssen. Um sich selbst hatte er zwar keine Angst, aber genau wie alle anderen wusste er, was auf dem Spiel stand. Einen so direkten Angriff auf den Vatikan hatte es noch nie gegeben und wenn Lilith mitkämpfte, würde es auf jeden Fall eine sehr große Herausforderung werden. Sie würden von mehreren Seiten verschiedene Gebäude sichern, also war er nun zum gefühlt hundertsten Mal dabei den genauen Plan genau durchzugehen. Die Ritterschaft hatte angeordnet, dass jeder Exorzist mitkämpfen musste, solange die körperliche Verfassung es zuließ, Adepten eingeschlossen, daher hatten sie sich genau abstimmen müssen. Er war mehr als gespannt wie der erste große Kampf mit Dämonen, Hexenzirkeln, Illuminati und Exorzisten, die Seite an Seite kämpften, wohl ausgehen würde. Die Illuminati waren überall in Rom und dem Rande der Vatikanstadt verteilt, um weitere Angreifer in Schach zu halten. Dummerweise hatte die Motivation aller einen gehörigen Dämpfer bekommen, da einige Exorzistenzweigstellen doch noch abgesprungen waren und sich Lilith unterworfen hatten. Glücklicherweise hatten sie das gemacht, bevor sie den Plan ausgearbeitet hatten, sonst hätten sie wieder ganz bei null anfangen können. Er beobachtete aus dem Augenwinkel wie einer seiner ehemaligen Ausbilder an der Akademie einige Truppen zusammenstauchte, wobei er nicht ganz sicher war, weswegen. Jedoch hielt er sich lieber raus, denn er hatte nicht wirklich Lust sich damit herumzuärgern. Er drehte sich um, als er eine vertraute Aura hinter sich spürte. „Wir wären alle so weit, Lucifer.”, berichtete Paymon und sah ihn erwartungsvoll an, woraufhin der Lichtkönig nickte. „Alles klar, dann los.”
 

‚Zeit uns den Rest unserer Familie zurück zu holen.‘
 

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Samael war mehr als überrascht, als sie Liliths ersten Verteidigungsring relativ schnell zu Fall brachten. Die anwesenden Rakshasa und Moroi schienen nicht allzu begeistert von ihrer Aufgabe gewesen zu sein und waren mehr als schlampig, sodass auch die später eintreffenden Alukah nichts mehr brachten. Sie waren ohne Probleme zum Johannesturm vorgedrungen, nun ging es weiter zum Governatoratspalast, wo sich seine Truppen mit Amaimon und Iblis trafen, anschließend würden sie zum Petersdom vorrücken, derweil blieben einige Leute zurück, um das Gebiet hielten. Lucifer und Astaroth trafen sich an der Akademie der Wissenschaften und stießen dann zu ihnen, während sich Beelzebub und Egyn direkt auf dem Weg zum Petersplatz machten, um ihn zu sichern bevor der Rest eintraf. So weit so gut. Die Truppen sicherten wie abgesprochen das eroberte Gebiet und mehrere Exorzisten und Dämonen begaben sich in Stellung, um mögliche Angriffswellen in Schach zu halten. Dem Zeitkönig entgingen nicht die teilweise vernichtenden Blicke, die sich beide Parteien zuwarfen, doch bisher arbeiteten glücklicherweise alle gut zusammen. Er erteilte noch einige Befehle, unter anderem, dass jeder der sich unerlaubt nährte oder ihr Gebiert durchquerte, getötet werden sollte, dann begann er etwas ungeduldig, nach Iblis und Amaimon Ausschau zu halten. Amaimon dürfte jeden Moment kommen, doch Iblis hatte eine wesentlich kürzere Strecke, weswegen es ihn verwunderte, dass er noch nicht hier war. Anscheinend war er auf Widerstand gestoßen, aber solange das Signal zum Abbruch nicht kam, würde sich niemand von seinem Posten wegbewegen. Schließlich traf Amaimon mit seinen Truppen ein. „Wie sieht es aus?”, erkundigte sich der Zeitdämon bei dem Jüngeren. „Alles frei. Ich habe ein paar verloren, aber nicht viele.”, informierte dieser ihn und sah sich um, während er Behemoth über den Kopf strich. „Wo ist Iblis?” Samael zuckte mit den Schultern und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen eine Wand. „Es scheint, als wäre unser Bruder auf Widerstand gestoßen. Hoffen wir, dass er sich nicht wieder überschätzt.” Amaimon brummte zustimmend und schaute in die Richtung, in der Iblis' Leute sein sollten. „Ich bin übrigens auf Exorzisten gestoßen, die für Lilith kämpfen. Ich habe sie alle getötet.”, berichtete er langsam und fuhr fort, als sein Bruder schwieg. „Wir hätten uns nicht auf sie verlassen sollen. Menschen sind zu wankelmütig und feige.” Dies ließ den Älteren grimmig lächeln. „Das war zu erwarten. Sie haben immer noch nicht begriffen, dass es hier um das Überleben beider Welten geht und nicht um das eigene.” Der Erdkönig antwortete nicht, sondern sah mit leicht verengten Augen zu den Exorzisten, offensichtlich misstrauisch. „Sie werden uns verraten, wenn sie denken, dass wir verlieren, nicht wahr?” Mephisto summte zustimmend. „Höchstwahrscheinlich. Während unserer Zeit in Assiah hat sich immer wieder gezeigt, dass Sterbliche sich zu sehr der Gier, Feigheit und ihren Vorurteilen hingeben. Wahre Loyalität findet man selten. Daher sollten wir bereit sagen, sie endgültig auszulöschen, wenn es so weit kommen sollte.” Amaimon nickte und zog einen neuen Lutscher aus der Tasche. Gemeinsam warteten sie auf ihren fehlenden Bruder.
 

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Iblis hatte in der Tat nicht ganz so viel Glück wie seine Brüder, seine Gruppe war in ein wahres Alukah Nest gerannt, welche munter versuchten möglichst vielen Gegnern das Blut auszusaugen. Einige hatte es bereits erwischt, vorwiegend die Exorzisten, doch die Dämonen bleiben dennoch nicht verschont. Er war gerade dabei einem jüngeren Dämonen die Haut zu retten, als er von hinten angesprungen wurde. Die Alukah hing ihm um den Hals und versuchte zuzubeißen, doch Iblis steckte einfach sich selbst in Brand, sodass sie fluchend losließ. Diesen Moment der Ablenkung nutzte er, um ihr den Kopf abzutrennen. Witzigerweise war dies eine Mythe der Menschen, die zur Abwechslung richtig war. Alukah (oder eben Vampire bei Sterblichen) konnten tatsächlich mit normalen Waffen getötet werden, wenn man sie enthauptete oder ihr Herz durchbohrte. Sofort zerfiel der Körper zu Asche und er wandte sich an seinen nächsten Gegner. Nach einer Weile gewannen sie langsam die Oberhand, doch die Alukah gaben einfach nicht nach und rissen einen nach dem anderen in den Tod. Iblis entdeckte eine Exorzistin, welche in Bedrängnis geraten war und versuchte ihren Angreifer von sich zu stoßen. Der Feuerdämon zögerte nicht lange, holte aus und enthauptete den Blutsauger. Die Exorzistin sah ihn überrascht an, weil sie ausgerechnet von einem Dämonenkönig gerettet worden war, aber das war ihm momentan egal. Er ließ keinen seiner Mitkämpfer sterben, wenn er es verhindern konnte. Eventuell würde er sich später für die geretteten Exorzisten in den Hintern beißen, aber sei es drum. Sein Blick wanderte zu Keto, welche sich ebenfalls gut schlug und einige Wasserdämonen deckte. Er hoffte wirklich, dass ihr nichts passierte, denn er mochte sie, genau wie ihre restlichen Geschwister, sogar Kyrene, auch wenn er es niemals zugeben würde. Er duckte sich, um einem weiteren Angriff auszuweichen, diesmal sprangen Makara und Zilant den Alukah an und zerfetzten ihn. Offensichtlich war es doch ganz gut, dass er seine Drachen mitgenommen hatte. Der Kampf dauerte noch eine Weile an, dann waren endlich alle Alukah tot oder außer Gefecht gesetzt und sie konnten weiter vorrücken. Amaimon und Samael waren mit ihren Truppen bereits am Treffpunkt. „Ihr habt lange gebraucht, dabei war euer Weg wesentlich kürzer.”, kommentierte der Zeitdämon. „Wir sind in einige Alukah gerannt.”, grummelte der Feuerkönig. „Ich habe fast die Hälfte vom rechten Flügel verloren und vom linken fast alle Exorzisten.” Eine gewisser Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit, denn der wahre Kampf lag noch vor ihnen und mit jedem Tote auf ihrer Seite schwanden ihre Chancen. Allerdings bleib ihm keine Zeit dafür sich zu ärgern, denn eine Botin brachte ihnen die Nachricht, dass sie weiter vorrücken konnten und sie setzten sich erneut in Bewegung.
 

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„Unfassbar, dass die hier eine Akademie der Wissenschaften haben. Wirkt ganz schön heuchlerisch, wann man bedenkt wie scharf die immer drauf waren, dass Menschen dumm bleiben damit sie nicht in Frage gestellt werden. Und Typen wie Kopernikus, Darwin und Galileo haben sie ausgelacht oder mit der Inquisition bedrängt...”, grummelte Astaroth vor sich hin und betrachtete abfällig das Gebäude, was ihm einige giftige Blicke der Exorzisten einbrachte, die er gekonnt ignorierte. „Das ist mir gerade ziemlich egal, wir haben jetzt wichtigeres zu tun.”, erinnerte Lucifer ihn, was den Verwesungskönig nur mit den Schultern zucken ließ. Sein Blick wanderte daraufhin über ihre Leute. Sie hatten einige verloren, doch glücklicherweise nicht viele. Zu seiner Überraschung lebten dieses Fuchsmädchen und Pinkie Pie noch, obwohl er ihnen schlechte Chancen eingeräumt hatte. Noch immer störte ihn die Entscheidung der Ritterschaft jeden Exorzisten einzusetzen. Adepten standen eher im Weg und taugten höchstens als lebender Schutzschild. Ihm war das mehr oder weniger egal, doch es nervte ihn gehörig und er hatte genug davon, ständig Angriffe abbrechen zu müssen, weil irgendein Anfänger in seine Schusslinie stolperte. Er hob den Kopf, als sich mehrere Kohletierchen näherten und ihm berichteten, dass seine Geschwister allesamt ihre Position erreicht hatten und Beel und Egyn den Petersplatz zum großen Teil gesichert hatten. Er gab Lucifer Bescheid, dann ging es direkt weiter.
 

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Bis heute fragte sich Beelzebub, welches Genie damals auf die Idee gekommen war, das Hauptquartier der Exorzisten unter dem Petersdom zu bauen. Die Vatikanstadt war so groß, warum musste das dann ausgerechnet unterirdisch sein? Das war nur mehr Stress für alle! Kaum hatte er das gedacht, musste er feststellen, dass er schon wie Azazel klang. Na, das konnte was werden. Egyn hatte derweil seinen ersten Speer zerbrochen, doch da er immer mehrere dabei hatte, sollte er hoffentlich keinen Ärger haben. Nur gut, dass keiner ihrer früheren Ausbilder mitbekam, dass er noch immer regelmäßig seinen Speer schrottete, sonst würden sie ihn wahrscheinlich direkt zurück zur Militärakademie schleifen. Er hatte damals schon bei seinen praktischen Prüfungen gehörige Punktabzüge deswegen bekommen und war öfter nur mit Ach und Krach in eine höhere Klasse aufgestiegen. Beelzebub hatte sich damals auf den Guandao spezialisiert und kämpfte damit bis heute, doch kaputt hatte er diesen nur selten bekommen. Egyn dagegen schien ein Talent dafür zu haben, obwohl er ein guter Speerkämpfer war. Der Insektendämon wich dem Angriff des Verwesungsdämonen aus, tötete ihn schnell und wandte sich an mehre Leaper, die ihn ansprangen. Sie waren ebenfalls schnell besiegt, was unter anderem auch seinem Begleiter Serqet lag, einem riesigen Skorpion. Im Gegensatz zu denen in Assiah, hatte er jedoch zwei Stachel und ein Maul mit zwei Paar großen Giftzähnen. Er war etwas größer als ein normales Auto, doch wenn er ausgewachsen war, würde er ungefähr so lang wie Bus sein und doppelt so hoch. Er erlaubte sich einen kurzen Blick in Egyns Richtung, welcher zusammen mit Kyrene gegen einige Moroi kämpfte. Für das geübte Auge war es offensichtlich, dass die Sirene nicht regelmäßig kämpfte, doch dafür schlug sie sich gut. Er duckte sich, sodass ihn der Stachel eines Mantikors verfehlte und sprang beiseite als dieser erneut zustieß. Zu seinem Glück und zum Pech des Tieres, steckte nun der Stachel fest, was ihn allerdings nicht weniger tödlich machte. Er konnte zwar kein Feuer speien wie ein Drache, aber er hatte immer noch sehr scharfe, giftige Zähne und riesige Pranken mit denen er nun nach dem Insektendämon schlug. Beelzebub sprang ein Stück zurück, doch nutzte sofort das Ungleichgewicht seines Gegners aus, brachte ihn zu Fall und Serqet rammte seinen Stachel in den Körper. Als sich der Insektenkönig sicher war, dass der Mantikor wirklich liegen blieb, sah er sich erneut um, nur um festzustellen, dass sie endlich gewonnen hatten. Vereinzelte Dämonen und Tierwesen liefen noch herum, doch waren hoffnungslos unterlegen. Nachdem er eine Nachricht an seine Geschwister geschickte hatte, ging er zu Egyn, der in eine Diskussion mit Kyrene vertieft war. „Nein, ich ziehe mich nicht zurück!”, fauchte diese den Wasserkönig an. „Das war nur ein kleiner Kratzer, ansonsten kam ich super klar und im Gegensatz zu dir, habe ich meinen Speer nicht kaputt bekommen. Wie schaffst du das überhaupt jedes Mal?! Bei Galatea würde ich es ja verstehen-”
 

„Galatea würde damit gar nicht erst kämpfen, sondern sich selbst bewusstlos schlagen.”, unterbrach Egyn sie sichtlich gereizt. „Ich mache mir nur Sorgen um dich. So ein Kratzer kann fatale Folgen haben, wenn die Klinge vergiftet ist.” Die Sirene funkelte ihn an und schien sich gerade noch davon abbringen zu können, die Zähne zu blecken. „Ich habe mich auch nie hingestellt und gesagt, dass du nicht im Krieg gegen Lilith kämpfen sollst, obwohl ich besorgt war! Das ist eine Entscheidung, die man selbst treffen muss, du bist nicht mein Boss!”
 

„Ich bin dein König!”, erinnerte Egyn sie bissig, woraufhin Kyrene noch gereizter reagierte. „Ach, jetzt die Tour, ja?!”
 

„Wenn es sein muss, dann ja!”
 

„Um Satans Willen, wenn du mir nicht vertraust dann-”
 

„Ich vertraue dir doch!”, versicherte Egyn ihr schnell. „Allerdings habe ich schon im letzten Krieg genug Freunde sterben sehen, da will ich dich nicht dazu zählen müssen.” Kyrene seufzte, dann wandte sie sich an Beelzebub. „Sag du ihm bitte, dass er unvernünftig ist!” Der Insektendämon widerstand der Versuchung die Augen zu verdrehen, denn momentan war er wirklich nicht in der Stimmung Vermittler zu spielen, doch ihm bleib scheinbar keine große Wahl. „Egyn, du kannst Kyrene bei dieser Entscheidung keine Vorschriften machen. Kyrene, du musst vorsichtiger sein. Jetzt aber weiter im Text, wir haben Zeitdruck. Ich habe den anderen Bescheid gegeben, sie dürften also jeden Moment eintreffen.” Beide nickten und Kyrene sah etwas unsicher zum Petersdom. „Also liegt das Hauptquartier der Exorzisten unter diesem...wie hieß es nochmal?”
 

„Petersdom. Eigentlich Basilika Sankt Peter oder San Pietro in Vaticano, wenn man genau sein will.”, antwortete Beelzebub. „Wenn ich mich recht erinnere ist es eine Memorialkirche irgendeines Apostels.” Kyrene verstand offenbar kein Wort, Egyn sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Seit wann beschäftigst du dich mit Kirchen?”
 

„Azazel. Er kannte den Wikipedia Artikel quasi auswendig.”, erklärte der ältere Baal und lächelte etwas wehmütig. Er zwang sich schnell nicht an seinen Bruder zu denken und begann nach seinen Geschwistern Ausschau zu halten. Kurz darauf waren endlich alle eingetroffen und ihr eigentlicher Angriff konnte beginnen.
 

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„Sie haben beinahe den Petersplatz erreicht, Majestät. Sie werden bald eindringen.”, informierte Kaliya die Herrscherin Gehennas. Lilith antwortete nicht oder ließ sich anmerken, ob sie überhaupt zugehört hatte, sondern blickte scheinbar tief in Gedanken verloren in ihren Handspiegel. Die Halbnaga schwieg, nicht sicher wie sie reagieren sollte. „Eure Befehle?”, fragte sie vorsichtig, nachdem eine knappe Minute vergangen war. „Meine Befehle sind klar.”, antwortete Lilith, ohne sie nur eines Blickes zu würdigen. „Lasst sie zu uns kommen, trennt sie und verwendet die Wasserdämonin als Köder. Holt euch einen Baal nach dem anderen und tötet den Rest.” Endlich steckte sie den Spiegel weg, doch zu Kaliyas Überraschung zog sie einen Dolch hervor. „Vielleicht wäre eine weitere Dosis nicht schlecht...nur zur Sicherheit...”, murmelte die Dämonengöttin zu sich selbst und begann mit der Klinge ihre Handfläche aufzuschneiden. Kaliya blinzelte verwirrt. Hatte sie etwas verpasst? Natürlich machte Lilith sich nicht die Mühe ihre Handlungen zu erklären, sondern zog eine kleine Phiole hervor, in der sie ihr Blut tröpfeln ließ. Während ihre Hand heilte, betrachtete sie kritisch ihr Blut. „Etwas mehr als sonst, aber das ist sogar ganz gut...” Sie winkte Kaliya zu sich heran, die sich noch immer keinen Reim aus dem ganzen machen konnte. „Gib das hier Superbia, sie weiß, was zu tun ist.” Noch immer verwirrt, nickte die Attentäterin und nahm das Blut entgegen. „Sonst noch etwas?”
 

„Nein, du kannst gehen.” Kaliya nickte und verbeugte sich ein letztes Mal, dann ging sie. Lilith lehnte sich derweil auf ihrem Thron zurück und stütze ihr Kinn auf der Hand ab. ‚Endlich laufen alle Fäden zusammen. Sie werden gar nicht wissen, wie ihnen geschieht. Das merken sie erst, wenn es zu spät ist.‘
 

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Satan saß auf dem Boden seines kargen Raumes, die Augen geschlossen und hochkonzentriert. Seitdem er gefangen genommen worden war (was immer noch peinlich war), hatte er keinen Zugang mehr zu seinen Kräften gehabt. Die Siegel und Banne machten es ihm unmöglich, auch nur eine kleine Flamme heraufzubeschwören oder gar mit jemanden in Kontakt zu treten. Dennoch hatte er immer wieder versucht irgendwie einen Riss oder eine Schwachstelle in seinem Gefängnis zu finden, womit er bisher leider keinen Erfolg gehabt hatte, doch er weigerte sich aufzugeben. Er war nach wie vor der mächtigste existierende Dämon, da würde er sicher nicht vor ein paar Bannkreisen kapitulieren. Hin und wieder war es ihm tatsächlich gelungen, etwas von außerhalb zu spüren und dies war immerhin ein kleiner Sieg. Dabei war ihm sofort aufgefallen, dass eine gewisse Spannung in der Luft lag, als würden sie auf irgendwas warten. Mit einer gewissen Neugier versuchte er weiter vor zu dringen, nur um auf Widerstand zu stoßen und erneut zurückgedrängt zu werden. Der Dämonengott zog scharf die Luft ein, öffnete die Augen und stand wieder auf, um sich auf das Bett zu setzen, wo er sich gegen die graue Steinwand lehnte. ‚So wird das nie was werden. Ich komme gefühlt keinen Millimeter voran.‘, gestand er sich frustriert. Er würde nicht aufgeben, aber für heute hatte er offiziell genug. Mit einem leisen Seufzen ließ er seinen Kopf gegen die Wand sinken und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Von der ständigen Frustration und Langeweile abgesehen, war wohl das größte Problem hier die ständige Grübelei, die ihn heimsuchte wie eine verlorene Seele. Ein Teil von ihm konnte nicht anders als sich zu fragen, ob er dieses ganze Dilemma nicht irgendwo verdient hatte. Früher war er nicht besser als Lilith gewesen, vielleicht sogar noch schlimmer. Er ist der Gott Gehennas, hatte seine Macht genossen sowie bedenkenlos ausgenutzt und wer sich gegen ihn stellte starb oder wurde eingesperrt, da er sich mit diesem Abschaum gar nicht erst hatte befassen wollen. Zwar hatte er nie einfach ganze Dörfer zerstört oder zerstören lassen, weil ihm etwas nicht passte, aber wenn er wegen irgendetwas wütend gewesen war, hatte sich sein Volk auf etwas einstellen können. Schlimm war vor allem seine extreme Langeweile gewesen, welche er in der Regel losgeworden war, indem er sich mit zahllosen Dämonen die Nächte vertrieben, massenhaft Alkohol getrunken oder seine Diener im Palst eingeäschert hatte. Meist hatten sie nichts verbrochen und wenn doch, waren seine Strafen in der Regel mehr als unfair und grausam gewesen. Rückblickend betrachtet konnte er nur sagen, dass er wirklich ein tyrannisches Arschloch gewesen war, das wahrscheinlich irgendwann einfach Assiah erobert und die Bewohner versklavt hätte, schlicht und ergreifend, weil er es konnte. Das einzig Gute, was man über ihn sagen konnte war, dass er zumindest bei einigen Dingen etwas zurückhaltender war. Kinder beispielsweise hatte er immer als wahnsinnig nervtötend gesehen und wollte auch keine in seiner Nähe haben, aber wenn es dann doch eine Situation gab, in der sich damit beschäftigen sollte, weil irgendein kleines Gör mal wieder etwas gestohlen hatte, waren diese nie getötet oder in das Verlies geworfen worden. Außerdem hatte er sich tatsächlich dazu überreden lassen, die Regel einzuführen, dass jeder seinen Thron haben könnte, wenn dieser ihn besiegte, um zumindest ein wenig Kritik verstummen zu lassen. Nicht etwa, weil ihn die Meinung anderer interessierte, sondern er genervt von dem ständigen Gejammer war, aber egal. Die wenigen Personen auf die er damals zumindest etwas gehört hatte, waren Alastor, Shax, Lilith und Vassago, Amons Vater, welcher jedoch im ersten Krieg gegen Lilith gefallen war. Er wusste nicht mehr wie es überhaupt dazu kaum, dass er sie als Freunde betrachtet hatte. Seine Erinnerungen daran wie Lilith damals zu seiner Frau wurde, waren wesentlich klarer. Satan hatte nie wirklich an Liebe geglaubt, daher war er sich nicht mal sicher, ob er Lilith wirklich geliebt hatte oder es einfach Lust gewesen war. Je länger er darüber nachdachte umso offensichtlicher wurde es, dass er mehr als dumm gehandelt hatte. Nachdem er von Liliths...Yandere (So hatte es Iblis doch genannt, richtig?) Tendenzen erfahren hatte, wäre es schlauer gewesen sie los zu werden bevor sie richtig Ärger machen konnte. Wer weiß, vielleicht hatte er wirklich angefangen sie zu mögen und hatte sich deswegen nur von ihr getrennt, aber sie nicht umgebracht. Was dann aber der fatale Schlag in ihr Gesicht gewesen sein muss, waren seine anderen Frauen und dass er mit ihnen Kinder bekommen hatte, obwohl er sich während ihrer gemeinsamen Zeit immer geweigert hatte. Irgendwo verständlich, dass sie da durchdreht, auch wenn es nicht die Morde entschuldigt. Zum wohl tausendsten Mal verfluchte Satan sich, weil er nicht auf Alastor, Shax und Vassago gehört hatte und nun war das Karma gekommen, um ihm mit Anlauf in den Arsch zu treten. Ein Schrei riss ihn aus seinen Gedanken und ließ ihn hochfahren. Für einen Moment war er verwirrt, doch bevor er überhaupt versuchen konnte, festzustellen woher der Schrei kam, riss er plötzlich ab. Der Dämonengott verengte die Augen. Was auch immer die Anspannung von vorhin zu bedeuten hatte, etwas war dabei den Styx runterzugehen.
 

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Bon war noch immer nicht sicher wie sie es geschafft hatten in das Hauptquartier der Exorzisten einzudringen. Die Ritterschaft war schon immer stolz auf ihre angeblich uneinnehmbare Zentrale gewesen und nun brachen die Verteidigungen zusammen als beständen sie aus dünnem Glas. Andererseits war es vermessen gewesen zu glauben, dass sie tatsächlich fähig dazu waren, alle acht Baal zurückzuhalten, vor allem wenn diese mit einer Armee anrückten. Er war zusammen mit mehreren Exorzisten und Shima in der Gruppe von Iblis gelandet, welcher zusammen mit Egyn und seinen Truppen ordentlich aufräumte. Ganz offensichtlich hatten sie keine Lust mehr es auf die nette Art zu probieren, sondern walzten jeden nieder, der ihnen im Weg stand. Einige feindliche Exorzisten hatte ihre Waffen verloren und wollten sich scheinbar ergeben, doch Iblis sah das absolut nicht ein und sie endeten als Aschehaufen bevor sie auch nur schreien konnten. Egyn war zu seiner Überraschung nicht besser, er war arbeitete genauso ruchlos. Besonders unheimlich war die Tatsache, dass er seine Kräfte als Wasserkönig auf eine sehr grausame Weise verwenden konnte. Wie allgemein bekannt war, bestand jedes Lebewesen zu einem Großteil aus Wasser und genau das machte sich der Dämon zunutze. Er konnte somit nicht nur seine Gegner bewegungsunfähig machen, sondern ihre Gliedmaßen solange verdrehen bis sie brachen oder gar abrissen. Der angehende Exorzist musste sich ziemlich zusammenreißen, als er dies zum ersten Mal gesehen hatte, doch immerhin beendete Egyn es schnell. Dennoch musste er zugeben, dass er inzwischen etwas Bammel vor dem Wasserkönig hatte. Von allen Baal war er wohl der netteste, aber stille Wasser sind tief und Egyn war das perfekte Beispiel dafür. Er wollte es sich wirklich nicht mit ihm verscherzen. Der Kampf wurde immer brutaler, überall lagen Sterbende und Verletzte, doch er hatte keine Zeit nachzusehen, ob jemand dabei war, den er kannte. Er zuckte zusammen als plötzlich ein ihm unbekannter Dämon gegenüberstand und eine Art Erdwesen zu sein schien, doch bevor er reagieren konnte, tauchten zwei Sirenen auf, die er als Kyrenes Schwestern erkannte. Wenn er sich nicht täuschte, hießen sie Erato und Keto. Die beiden erledigten das Wesen ohne Probleme und wandte sich dann an ihn, in ihren Blicken lag jedoch Abschätzung. „Éxorkistor-Zkorias!”, zischte Keto, dann wandten sie sich ab und stürzten sich wieder in den Kampf. Der Adept und auch seine Freunde waren schon öfter so genannt worden, daher hatte er schlussendlich Lucifer gefragt, was es bedeutete. Seine Antwort war: "Exorzisten Abschaum" gewesen. Wirklich nett. Er ging hinter einem Tisch in Deckung, um den Wurfmessern einiger Naga zu entgehen und fragte sich so langsam, was er hier eigentlich verloren hatte. Natürlich wollte er nicht einfach herumsitzen, während andere kämpften, aber er war immer noch Adept und konnte nicht wirklich etwas hilfreiches beitragen. Bisher hatte er nur einige Dämonen besiegen können, allesamt mittleren oder niederen Ranges. Er hoffte wirklich, dass die anderen bisher alles überstanden hatten und sie Rin helfen konnten. Noch immer war Bon unsicher wie er Satan gegenüber stehen würde, denn nun wusste er zumindest, dass dieser für die blaue Nacht einen guten Grund gehabt hatte, die Toten brachte es jedoch nicht zurück. Erschrocken zuckte er zusammen, als plötzlich jemand neben ihm sah, doch entspannte sich wieder, da es nur Shima war. Dieser atmete schwer und schien sich weit weg zu wünschen. „Hast du diesen Riesenskorpion gesehen?! Und die ganzen anderen Riesenkrabbelviecher?! Das ist doch krank!”, beschwerte sich dieser fast schon hysterisch. Bon unterdrücke ein Augenrollen, wobei er ihm irgendwie Recht geben musste. Diese ganzen Wesen aus Gehenna waren schon schlimm genug, aber riesige Insekten setzten noch einen drauf. „Weißt du etwas von den anderen?”, erkundigte er sich, während er an dem Tisch vorbeispähte, um sicher zu stellen, dass sie niemand überraschte. Shima schüttelte den Kopf. „Ich habe vorhin kurz Moriyama gesehen, aber ansonsten nichts. Oh, und Okumura-sensei habe ich auch gesehen, er war in der Gruppe unter Lucifer.”
 

„Hoffen wir, dass keiner der Dämonen auf die Idee kommt, ihn zu erledigen. Sie schienen immerhin nicht gerade begeistert von ihm zu sein.”, murmelte Bon. Shima zuckte mit den Schultern und spähte ebenfalls an dem Tisch vorbei. Dies sollte sich als eine gute Entscheidung, denn so sahen beide den Kelpie auf sich zufliegen. Beide machten dass sie wegkamen und fragten sich gleichzeitig, was ein Wasserdämon hier trieb, auch wenn es etwas wie ein Pferd aussah...mit Flossen an den Beinen und einer Art Seetang als Mähne und Schweif. Andererseits hatten die Baal sie davor gewarnt, dass sie hier auf vorher unbekannte Dämonen treffen würden. Bon gab dem Vieh keine Gelegenheit aufzustehen, sondern verpasste ihm direkt einen Kopfschuss, darauf hoffend, dass dies reichen würde. Nach einiger Zeit war das Gemetzel vorüber und Liliths Leute zogen sich zurück. „Sichert die Eingänge und kümmert euch um die Verletzten. Sucht ob jemand von Liliths Leuten noch am Leben ist, den wir befragen können. Die Toten können warten.”, wies Egyn an und die Dämonen setzten sich umgehend in Bewegung. Iblis begann damit das Blut von seiner Schwertklinge zu wischen, während sich einige seiner Drachen über einige Leichen ihrer toten Gegnern hermachten, doch der Feuerkönig pfiff sie schnell zurück. Beide Adepten genossen die kurze Pause und hofften, dass es bei dem Rest ebenfalls gut lief. Schließlich kam Halphas und berichtete, dass einer von Liliths Schergen noch am Leben war. Egyn und Iblis warfen sich einen kurzen Blick zu, dann folgten sie dem Feuerdämonen.
 


 

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Egyn betrachtete den Dämonen vor ihnen abfällig und musste es sich verkneifen, diesem ins Gesicht zu treten. Er war eine sehr geduldige und vergebungsvolle Person, doch inzwischen war diese Grenze weit überschritten, sodass es ihm jetzt egal war, wen er verletzen oder töten musste, um sein Ziel durchzusetzen. Hinzu kam, dass der Dämon ein ehemaliger Insasse des Tartaros war und auch wenn sich der Wasserkönig nicht an seine genauen Vergehen erinnern konnte, so musste es doch ziemlich übel sein, wenn er dort gelandet war. Daher tat es ihm nicht mal ansatzweise leid, dass der Mann eine Klinge in seinem Bauch stecken hatte. Hoffentlich krepierte der Mistkerl möglichst qualvoll. „Ich frage dich noch einmal. Wo sind Vater, Azazel und Rin?”, zischte Iblis dem Dämonen zu, offensichtlich dabei die Geduld zu verlieren. Der Dämon lachte nur, was jedoch schnell in ein Husten überging und ihn Blut spucken ließ. Egyn schnaubte und rammte sein Bein in die Magengegend seines Gegenüber, was das Messer noch ein kleines Stück tiefer reindrückte und ihn schmerzerfüllt aufkeuchen ließ. „Wir haben dir eine Frage gestellt.”, sagte der Wasserdämon kalt. „Wo sind sie? Entweder du verrätst es uns oder ich verspreche dir, dass ich deine Innereien einzeln rausreiße und an dich verfüttere!” Iblis warf ihm einen Seitenblick zu, doch Egyn ignorierte es und starrte den anderen Dämonen weiterhin eindringlich an. Dieser schien sich für einen Moment zu verspannen, doch dann grinste er. „Du bluffst-” Bevor jemand reagieren konnte, hatte sich Egyn das Messer geschnappt, aus ihm heraus gezogen und in die Wunde rein gegriffen. Der Dämon stieß einen schmerzerfüllten Laut aus und versuchte Egyns Hand aus seiner Verletzung zu ziehen, doch der Wasserkönig griff nur noch tiefer, während er mit der anderen Hand eine nur allzu bekannte Bewegung machte. Der ehemalige Gefangene stieß einen Schrei aus, als sich sein Bein begann zu verdrehen. „Das ist erst der Anfang.”, grollte Egyn. „Ich kann dir auch gerne das Bein brechen oder es ganz abreißen und wenn du dann immer noch nicht redest, mach ich das mit deinen restlichen Gliedmaßen. Deine Selbstheilung kann ich dabei übrigens blockieren, demzufolge wirst du langsam ausbluten. Also wie sieht es aus?”
 

„D-Du..kranker Bastard!”, stieß sein Opfer hervor. „Du hast sie nicht mehr alle! Kein...anständiger Wasserdämon würde-” 
 

„Was Anstand betrifft, solltest du wohl still sein. Immerhin bist du sicher nicht im Tartaros gelandet, weil du eine Tasse geklaut hast.”, erinnerte der blauhaarige Baal ihn scharf. „Und es geht hier um meine Familie, also wenn ich so weit gehen muss, dann sei es so.” Er bewegte seine Hand eine Stück weiter, was den Knochen knacken ließ, doch als er noch immer keine Antwort bekam, brach er ihn. Iblis zuckte zusammen, offensichtlich hatte er nicht erwartet, dass sein Bruder seine Drohung durchziehen würde, doch dieser war noch nicht fertig. „Wie sieht's aus?”
 

„J-Ja gut, ok! I-Ich...sage euch alles, was ich weiß, aber bitte, hör auf damit!”, presste der Dämon hervor. „Ich weiß nicht genau, wo Satan ist, aber er müsste irgendwo in den unteren Ebenen sein. Azazel sitzt in keiner Zelle, ich habe ihn vorhin bei den Aveira gesehen. Der Nephilim ist auch irgendwo, keine Ahnung wo.” Als er bemerkte, dass die beiden Baal alles andere als zufrieden waren, fuhr er hastig fort. „Aber ich weiß, wo die Wasserdämonin ist! Agares oder?” Egyns Augen weiteten sich, dann sah er den Dämonen misstrauisch an. „Wirklich?” Er erhielt ein hastiges Nicken. „Natürlich! Sie ist im nordöstlichen Teil, Trakt zwei, in einem der hinteren Räume. Man kann es kaum verfehlen. Wegen eures Angriffes wird sie kaum bewacht sein. Mehr weiß ich wirklich nicht.” Iblis und Egyn wechselten Blicke, dann zuckte der Feuerkönig mit den Schultern. „Gut, wir glauben dir.” Bevor ihr Gefangener etwas sagen konnte, hatte Iblis ihm den Kopf abgetrennt und sie wandten sich zum gehen. „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du verdammt gruslig sein kannst, Egyn?”, fragte er, woraufhin Egyn seinem Blick auswich. „Tut mir leid, ich war etwas...angespannt.”
 

„Das war eher ein Kompliment, aber egal. Was machen wir jetzt mit Agares?”
 

„Wir befreien sie.”, erwiderte Egyn als wäre es selbstverständlich, doch Iblis schüttelte den Kopf. „Ich will ihr ja auch helfen, wenn wir können hier nicht einfach weg.” Zwar hatte er damit recht, doch der Wasserdämon gab nicht so schnell auf. „Also soll ich sie im Stich lassen?! Das kann nicht dein Ernst sein!” Normalerweise würde Iblis zustimmen, doch er wusste, dass sie nicht einfach gehen konnten. Andererseits wollte er natürlich Agares helfen. Glücklicherweise kam es nicht zum Streit, denn erneut kam Halphas zu ihnen und berichtete, dass sie weiter vorrücken konnten und die nächstem Teile der ehemaligen Exorzistenbasis sichern sollten. Egyn erwischte hierbei genau das Gebiet, in dem sich Agares befand. Ohne lange zu zögern, machten sie sich auf den Weg.
 

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Avaritia  drehte den Schlüssel im Schloss und öffnete die schwere Verliestür. Der Nephilim war genau so wie sie ihn zurückgelassen hatte: am Boden liegend, zusammengerollt, flach atmend und zitternd. Die Aveira war nie besonders mitfühlend gewesen, wenn man für Lilith arbeitete, durfte man das gar nicht sein, allerdings versetzte ihr es dennoch einen kleinen Stich. Zu Beginn wusste sie nicht genau, was für ein Gefühl das war, doch dann wurde ihr bewusst, dass sie Mitleid mit ihm hatte, etwas wofür sie sich zu Beginn noch über Luxuria lustig gemacht hatte. Es war nicht ganz klar, woher dies überhaupt kam, denn eigentlich sollte er ihr nichts bedeuten, doch etwas an ihm hatte sie geändert. Rin war anders als all die anderen Dämonen, auch als seine Brüder oder Satan. Er war ein Dämon und doch irgendwie nicht. Das Halbblut hatte sie nicht gehasst, weil sie ein Teil Liliths war, sondern sie als eine unabhängige Person mit eigener Persönlichkeit, Vorstellungen, Wünschen und Ängsten gesehen. Das war ihr bisher noch nie passiert. Da sie nun mal eine Verkörperung von Liliths Habgier war, sahen sie viele einfach nur als eine Art Duplikat der Dämonengöttin und gingen davon aus, dass sie alles für sie ohne zu murren erledigte, doch nichts lag ferner von der Wahrheit entfernt. Mit jedem Tag, der verging wuchs die Abneigung der Silberhaarigen gegen ihre "Mutter". Für sie waren sie nichts weiter als Schachfiguren, geschaffen um ihren Willen durchzusetzen und für Terror zu sorgen. Sie sah sie nicht als gleichwertige Wesen, sondern als Marionetten, genau wie den Nephilim und Azazel und würde sie ohne zu zögern los werden, wenn sie keine Verwendung mehr für sie hatte. Dennoch bleib Avaritia, denn es gab nirgends einen Platz für sie, weder in Gehenna noch in Assiah. Alle Dämonen auf Satans Seite und auch manche unter Lilith verachteten sie und würden sie töten. In Assiah kannte sie sich gar nicht aus und würde schon daran scheitern sich etwas zu essen zu besorgen. Wobei dies wohl noch das geringste Problem war, notfalls könnte sie sich etwas im Wald jagen, doch die Exorzisten würden ihr folgen, sie immer jagen bis sie am Ende der Klippe angelangt war. Es gab kein Entkommen für sie, es bleib nur zu hoffen, dass sie wirklich von Liliths endgültigem Sieg profitieren und nicht einfach "entsorgt" werden würde. Rin hatte sich derweil immer noch nicht gerührt, obwohl er wach war. Avaritia biss sich auf die Lippe und trat langsam näher. ‚Alles was hier passiert...er hatte nichts damit zu tun. Er ist einfach nur geboren und das hat ausgereicht, um auf Liliths Liste zu landen.‘, stellte sie grimmig fest und dachte daran, dass Rin dies nicht verdient hatte, sie mochte ihn irgendwie und wollte ihm eigentlich nicht weiter schaden, doch sie hatte keine Wahl. Hier überlebten nur die Starken und im Moment hieß es entweder er oder sie, da fiel die Entscheidung nicht schwer. Die Sünde dachte immer zuerst an ihr eigenes Wohlbefinden, das der anderen stand an zweiter Stelle. Sie hatte nie Freunde gehabt, würde nie welche haben, also warum sollte man unnötige Güte zeigen? Mit grimmiger Entschlossenheit bückte sie sich , griff den Nephilim am Arm und zog ihn auf die Füße. Rin protestierte nur mit einem leichten Grollen, doch sie zog ihn einfach mit sich. Wenn Liliths Plan aufging, würde heute die exilierte Königsfamilie fallen.
 

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Die Räumlichkeiten waren schnell gesichert, sodass Egyn endlich Gelegenheit hatte, Agares zu helfen. Zusammen mit Kyrene, Keto und Erato, welche freiwillig mit ihm gekommen waren, durchsuchte er die Räume, während seine restlichen Truppen sowie Iblis und seine Leute alles weiter absicherten. Nach einigem Suchen fanden sie endlich den Raum, in dem die Wasserdämonin festgehalten wurde. Sie sah absolut nicht gut aus. Blut klebte in ihren Haaren und sie hatte mehrere Verletzungen. „Mir gefällt das nicht...”, murmelte Keto. Die anderen waren ebenso angespannt, doch da sie vorerst nichts entdecken konnten, rannte Egyn zu Agares und löste ihre Fesseln. „Geht es ihr gut?”, fragte Kyrene besorgt. „Das können wir später noch klären, verschwinden wir von hier, mir juckt es schon in den Flossen...”, murmele Erato. Egyn nickte zustimmend, doch zuvor versuchten sie die Wasserdämonin aus ihrer Bewusstlosigkeit zu holen, während Kyrene draußen Wache hielt. Schlussendlich gelang es ihnen und mit einem leisem Stöhnen öffnete sie die Augen, nur um zusammenzuschrecken, als sie Egyn entdeckte. „Nein, geh weg! Ich falle da nicht drauf rein!”, schrie sie und versuchte von ihm wegzurutschen, doch der Wasserkönig hielt sie fest. „Agares, beruhige dich! Ich bin es, Invidia ist nicht hier!” Verständlicherweise glaubte ihm die Weißhaarige kein Wort und sie versuchte nun ihn wegzuschieben, doch Egyn zog sie in eine Umarmung. Agares erschlaffte überrascht. „Ich bin's. Du bist in Sicherheit.”, murmelte Egyn ihr zu und strich ihr etwas zögerlich über den Kopf. „Ich hab dir damals einen Goldfisch aus Assiah besorgt und du hast dich total gefreut deswegen. Als wir zum ersten Mal deine Familie besucht haben, sind deine jüngeren Geschwister ganz aufgeregt gewesen, als ich da war, eine hat sogar gefragt, ob wir zusammen sind und du bist knallrot deswegen geworden.” Er fuhr damit fort einige Erlebnisse aufzuzählen bis Agares sich beruhigt hatte und ihm glaubte, dass er es wirklich war. Schüchtern erwiderte sie die Umarmung und für eine Weile herrschte Stille bis eine vertraute Stimme ertönte. „Naw, das ist ja wirklich rührend. Ernsthaft, man will kotzen.” Sie zuckten zusammen und die Sirenen gingen sofort in Angriffsposition. „Invidia.”, knurrte Egyn und sah die grünhaarige Sünde hasserfüllt an. Diese grinste und warf ihren Kopf in den Nacken, als sie lachte. „Hey, Iggy! Ich hoffe doch, du weißt es zu würdigen, dass deine Freundin noch lebt. Sie war eeeeecht neeeeervig, da hat es einiges an Überwindung gekostet, sie nicht töten.” Der Wasserkönig bleckte die Zähne, richtete sich auf und beschwor seinen Speer. Er bemerkte nun, dass die Sünde nicht alleine war, sondern von mehreren ihrer Leute begleitet wurde. „Wie seid ihr hier her gekommen? Iblis und der Rest haben doch alles abgesichert! Und wo ist Kyrene?!”, grollte Keto und hielt ihr drohend ihren Speer entgegen. Die Dämonen lachten nur und Egyn bereitete sich darauf vor, anzugreifen. „Wir haben so unsere Wege und was die Sirene betrifft...” Wie auf Stichwort zog einer ihrer Leute Kyrene in ihr Sichtfeld. Blut lief ihre Schläfe hinunter, doch zumindest war sie noch bei Bewusstsein. Erato und Keto stießen ein Fauchen aus, doch als der Dämon, welche ihre Schwester festhielt, ihr ein Messer an den Hals hielt, erstarrten sie. „Na das ist doch mal ein glücklicher Zufall für uns.”, kommentierte die Gestaltwandlerin boshaft. „Wenn sich einer bewegt, dann stirbt sie und denk nicht mal dran deine Kräfte zu verwenden, Egyn. Ich habe das Amulett bei mir und werde es benutzen.” Um ihre Worte zu beweisen, hielt sie den besagten Gegenstand in die Luft. „Was willst du von uns? Uns zu töten wird dir nichts bringen, genauso wenig wie uns zu befragen.”, zischte der Wasserkönig, was zu einem Kicheranfall seitens Invidia führte. „Nein, leider falsch geraten. Wir werden dich benutzen, um deine restlichen Geschwister auszuschalten. Das könnten wir sicher auch alleine, aber sicher ist sicher und ein weiterer Baal auf unserer Seite schadet nie.”
 

„Er wird euch nicht helfen, egal was passiert!”, stieß Kyrene hervor, doch die Sünde ignorierte sie. „Sicherlich hast du schon davon gehört, dass wir eine Möglichkeit gefunden haben, euch für den Sirenengesang anfällig zu machen, sogar dich, auch wenn du selbst zum Teil Sirene bist. Alles was wir brauchen, ist eine Sirene mit großer Macht und dieses kleine Amulett hier. War übrigens echt schwer, das so zu verbessern.”
 

„Du kannst du nicht machen!”, fauchte Erato. „Ach ja, wer will mich aufhalten? Du vielleicht?”, schnaubte Invidia. Derweil arbeitete es in Egyns Kopf. Er durfte sich auf keinen Fall verhexen lassen, doch wenn sie das Amulett benutzte, wäre er seine Kräfte los und noch dazu würden sie vermutlich die anderen töten. Er war in einer Sackgasse und das wussten alle im Raum. Invidia wandte sich an die Sirenen. „Na los, singt!”
 

„Fahr zum Hades!”, spie Keto ihr entgegen, doch Invidia verdrehte nur die Augen und winkte jemanden heran. Es waren mehrere Sirenen, offensichtlich waren sie vorbereitet gekommen. „Singt!”, befahl sie erneut. Die Sirenen warfen Egyn einen entschuldigenden Blick zu, dann begannen sie der Aufforderung nachzukommen, während das Amulett das vertraue rote Leuchten abgab, dann wurde alles dunkel.

Konfrontation

„Uff, wo stecken Egyn und die Sirenen? Sie sollten längst zurück sein!”, beschwerte sich Iblis und lief genervt auf und ab. Sein Bruder hatte wirklich Nerven sich so viel Zeit zu lassen! Keiner antwortete, immerhin war der Feuerkönig schon geladen genug, da musste man ihn nicht noch unnötig reizen, indem man ihm eine falsche Antwort gab. „Ich bin mir sicher, dass er bald wieder kommt.”, beruhigte Halphas ihn und einige Dämonen nickten. Iblis kannte mehrere von ihnen aus seiner Zeit an der Militärakademie, aber bisher hatten sie keine Zeit zum reden gehabt, immerhin waren alle mit den Vorbereitungen beschäftigt gewesen und im Moment war er zu angespannt, um sich mit irgendjemanden zu unterhalten. „Halphas hat recht, Iblis.”, bestätigte einer von ihnen. „Wahrscheinlich machen die Sirenen Egyn das Leben schwer. Wäre nicht das erste Mal, dass er mit ein paar Mädels überfordert ist.” Einige lachten, ohne es böse zu meinen, doch Iblis ignorierte sie. „Keiner weiß, wo er ist und die später hinter her sind, falls er Unterstützung braucht, sind auch nicht wieder gekommen. Da stimmt was nicht!” Während er das sagte, kam Beelzebub dazu, offensichtlich ebenfalls besorgt. „Ich stimme zu. Hier ist was faul, sie hätten längst zurück sein sollen. Ich habe ein paar Exorzisten gefragt, ob sie etwas wissen, aber sie haben keine Ahnung.” Eine Dämonin aus Iblis' Eliteeinheit verdrehte die Augen. „Bei allem Respekt, ich würde nicht allzu viel auf das Gerede von Exorzisten geben, die lügen doch sobald sie den Mund öffnen. Ich kann es kaum abwarten, dass endlich alles vorbei ist und wir sie nicht mehr jeden Tag sehen müssen.” Ein Insektendämon zuckte mit den Schultern. „Eigentlich sind manche der Exorzisten ganz in Ordnung, erst gestern ist einer bei einem Streit dazwischen gegangen und hat wirklich versucht zu vermitteln.”
 

„Jetzt haltet den Mund, geht zurück auf eure Posten und hört auf über die Exorzisten zu diskutieren! Das letzte, was wir jetzt gebrauchen können, sind Unstimmigkeiten!”, fuhr Beelzebub sie an. Alle murmelten eine Entschuldigung und zerstreuten sich wieder. „Das wird langsam echt anstrengend. Ich dachte, sie würden sich nach all der Zeit mal beruhigen, aber stattdessen habe ich das Gefühl, dass es immer schlimmer wird.”, richtete der Insektenkönig das Wort an Iblis, welcher mit den Schultern zuckte. „Wir kämpfen schon so lange gegen die Exorzisten, wäre seltsam gewesen, wenn wir uns plötzlich alle vertragen. Aber das ist mir jetzt echt schnuppe, ich will wissen, was mit Egyn und den Mädels los ist.” Wie auf Stichwort öffnete sich eine Tür und ein Dämon kam hereingestürmt, komplett außer Atem und mit mehreren Verletzungen. Iblis erkannte den Dämonen als einen von Egyns Leuten, der ihm gefolgt war und wechselte einen kurzen Blick mit Beelzebub, dann gingen sie auf ihn zu. „Was ist passiert? Wo ist Egyn?!”, drängelte der Feuerkönig ungeduldig, während Halphas einen Heiler für den Verletzten suchte. „Er...Er hat uns angegriffen...der Rest ist tot!”, presste der Dämon hervor. „Was?!”, entfuhr es Beelzebub und starrte ihn an. „Egyn hat euch angegriffen?” Der Dämon nickte mit schmerzverzerrten Gesicht. „Ich glaube aber nicht, dass es seine Schuld war. So wie er aussah, stand er unter dem Einfluss von Sirenen.” Beide Baal wechselten erneut alarmierte Blicke. „Also hat es wirklich funktioniert...”, murmelte der Insektenkönig. „Mist, ich dachte, zumindest er wäre wegen seinem Sirenenblut immun...Wo ist er jetzt?”
 

„In einer Ebene unter uns...irgendwo...” Weiter konnten sie ihn nicht ausfragen, denn der Heiler kam dazu und begann damit sich um den Dämonen zu kümmern, denn dieser stand kurz vor der Bewusstlosigkeit. Iblis schickte Nachrichten an seine Geschwister, doch war nicht sicher, ob sie wirklich durchkamen. Nur kurz darauf kam jedoch eine Botschaft von Samael zurück, welche nur zwei Sätze enthielt: "Rückt weiter vor, wir treffen uns vor Lagerraum B4. Lasst genug Leute zurück, um die Stellung zu halten, Astaroth schickt außerdem ein paar Exorzisten." Sofort gaben sie die Befehle weiter, was für etwas Verwirrung sorgte, denn so war es ursprünglich nicht geplant gewesen, aber niemand beschwerte sich oder hinterfragte die plötzliche Planänderung. Sie erreichten schnell den Treffpunkt, wo Samael mit einigen Leuten wartete. „Was genau habt ihr euch dabei gedacht, Egyn alleine gehen zu lassen?”, fragte er etwas erschöpft klingend. „Es sollte alles frei sein und er kann ja wohl normalerweise selbst auf sich aufpassen!”, entgegnete der Insektenkönig ein wenig flapsig. „Wo ist der Rest, wissen sie Bescheid?” Der Zeitdämon nickte. „Mehr oder weniger. Zu Lucifer kommen wir momentan nicht durch, aber Astaroth hat sich schon auf den Weg gemacht. Der Rest hat alles abgesichert, es sollte keine weiteren Überraschungen mehr geben. Egyn kann nicht mehr verschwinden und wir können die Verantwortlichen hoffentlich gleich mit ausmerzen.” Iblis nickte nur. „Also rücken wir alle weiter vor?” Samael bestätigte und erklärte kurz den Plan. „Oben ist alles gesichert, wir müssen uns also nur immer weiter nach unten arbeiten. Astaroth hilft Lucifer, dann kommen sie nach und Amaimon dürfte ebenfalls unterwegs sein. Unten trennen wir uns nochmal. Wir gehen zu dritt und nehmen einige Leute und Exorzisten mit. Wenn sie schon Egyn überraschen konnten, sollten wir kein Risiko eingehen. Sobald wir ihn wieder haben, geht es weiter.” Keiner protestierte und sie machten sich gemeinsam auf den Weg.
 

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„Ganz ehrlich Kyrie, du hattest einen Job und versagt. Was ist denn so schwer daran zu schreien, wenn man angegriffen wird?!”, fauchte Erato, was ihr einen giftigen Blick von der jüngeren Sirene einbrachte, den sie jedoch nicht sehen konnte. Sie waren in getrennten Zellen gelandet und konnten sich nur durch ein kleines Loch in der Wand unterhalten. „Es war nicht meine Schuld! Invidia hatte eine andere Gestalt angenommen und mich überrumpelt!” Erato schnaubte missbilligend. „Oh ja, weil es auch vollkommen neu ist, dass Gestaltwandler für Lilith arbeiten. Hätte echt keiner ahnen können! Und jetzt sitzen wir hier fest...das haben wir davon uns einzumischen!” Kyrene biss auf die Lippe und schaute etwas beschämt zu Boden. Sie musste zugeben, dass ihre Schwestern nicht ganz unrecht hatten. Es war teilweise ihre Schuld, dass sie festsaßen. „Macht ihr nicht so viele Vorwürfe, es sind schon ganz andere auf Invidia reingefallen.”, ertönte eine leise Stimme. Sie sah sofort zu Agares, mit der sie sich die Zelle teilte und bisher bewusstlos an der Wand gelehnt hatte, natürlich noch immer gefesselt. „Geht es dir gut, Agares?”, fragte Kyrene besorgt und die Wasserdämonin nickte. „Es geht schon. Was ist mit euch und Egyn?” Die Sirenen zögerten kurz. „Uns geht es gut, aber Egyn hat es erwischt. Er ist unter der Kontrolle einiger anderen Sirenen. Tut uns leid.”, erklärte Erato, doch Agares schien nicht überrascht. „Das habe ich mir schon gedacht. Es ist alles meine Schuld.”, seufzte sie. „Ich war unvorsichtig und habe mich von Invidia überraschen lassen.” Kyrene versuchte sie zu trösten. „Das hätte jedem passieren können, ich bin sicher, dass dir niemand Vorwürfe macht-”
 

„Können wir jetzt mal das Thema wechseln?! Ich fühle mich wie zu einer Gruppentherapie!”, fuhr Keto unwirsch dazwischen. „Überlegen wir uns lieber wie wir hier raus kommen! Es ist sowas von demütigend hier zu sitzen!” Erato lachte kalt. „Solange du nicht irgendwo ein verstecktes Messer hast, mit denen wir die Fesseln durchschneiden können, wird das nichts.” Kaum hatte sie das ausgesprochen, öffnete sich leise die Tür und eine Dämonin betrat Kyrenes und Agares Zelle. Die Sirene kannte sie nicht, doch die Wasserdämonin sah den Neuankömmling mit weit aufgerissenen Augen an. „Du?!”
 

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Der Vorstoß verlief beinahe reibungslos, auch wenn sie an mancher Stelle auf harten Widerstand trafen. Schlussendlich trennten sie sich von der Hauptgruppe und machten sich auf die Suche nach Egyn, doch lange mussten sie nicht umherwandern. Wissend, dass sie wahrscheinlich erwartet wurden, gingen sie vorsichtig die Gänge entlang bis sie Kampfeslärm und einige Schreie hörten. Sie beschleunigten ihr Tempo und standen nun in einem großen, runden Raum, wo einige Dämonen, die anscheinend zur falschen Zeit am falschen Ort gelandet waren, gegen Egyn kämpften und haushoch verloren. Einer von ihnen war zu Boden gefallen und der Wasserdämon holte mit seinem Sperr aus, doch Iblis reagierte schnell und ließ eine Feuerwand zwischen den beiden entstehen. Mit einem lauten Fauchen fuhr Egyn herum und sah ihn hasserfüllt an. Unwillkürlich hatte er ein Déjà-vu, denn genauso hatte sein Bruder ihn schon mal angesehen, als die Aveira sie damals gegeneinander aufgebracht hatten. Der Wasserdämon bleckte die Zähne und stieß ein Knurren aus, woraufhin der Rest in Position ging. „Warum sollten wir nochmal mitkommen?!”, fragte ein Exorzist, doch die Dämonen ignorierten ihn. Egyn griff sofort an und sie waren gezwungen zurückzuschlagen. Glücklicherweise waren sie ihm zu dritt mehr als gewachsen und wenn man unter dem Sireneneinfluss stand, litt auch die Angriffsweise darunter. Es reichte um normale Dämonen zu besiegen, doch die drei Baal hatten keine wirklichen Probleme. Gemeinsam gelang es ihnen den Wasserdämonen in die Enge zu treiben und seine Waffe zu zerstören. Er versuchte erneut sie anzugreifen, doch wurde gegen die Wand geschleudert, wo er mit einem schmererfüllten Laut liegen blieb. Dennoch erlaubten sie sich noch nicht den Triumph. Nie im Leben hatten die hierfür verantwortlichen Sirenen ihn alleine überwältigt, sie mussten Hilfe gehabt haben. Abgesehen davon war er noch immer bei Bewusstsein und würde jeden Moment wieder aufstehen. Wie auf Stichwort hörten sie wie jemand hinter ihnen langsam klatschte. „Nicht schlecht, Jungs. Andererseits wäre es wohl peinlich gewesen zu verlieren.” Iblis unterdrückte ein Aufstöhnen, als er Invidias Stimme erkannte. „Ich dachte mir doch, dass hier was stinkt.”, knurrte er und wandte sich an die Gestaltwandlerin, welche leider nicht allein war. Bei ihr waren Ira, Avaritia sowie mehrere Dämonen und einige Exorzisten, die sich nicht sehr wohl in ihrer Haut zu fühlen schienen. „Mehr hast du nicht mitgebracht? Das wird schnell gehen.”, kommentierte Samael und machte sich kampfbereit. Der Rest tat es ihm nach, während Egyn sich langsam wieder aufrappelte. Ira seufzte genervt. „Wir hatten darauf gesetzt, dass Egyn euch nach und nach erledigen würde, aber da ihr hier zu dritt aufgekreuzt seid und er immer noch dagegen ankämpft, ist alles ruiniert...na was soll's.” Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich nehme mal nicht an, dass ihr vorhabt zu kapitulieren?”
 

„Darauf kannst du dich verlassen!”, knurrte Beelzebub. „Wo sind Vater, Rin und Azazel?” Er schaute kurz zu Egyn hinüber, doch dieser griff nicht an, sondern stützte sich an der Wand ab und zitterte. Offensichtlich kämpfte er wirklich noch dagegen an. Natürlich lachte Invidia nur hämisch. „Ist nicht meine Schuld, dass ihr nicht auf eure Geschwister aufpassen könnt. Ich dachte, es würde viel schwerer werden, sich den Nephilim zu schnappen, aber ihr habt ihn ja quasi auf dem Silbertablett serviert. Scheint als wärt ihr ihn gerne los geworden...Na ja egal. Er war ohnehin schwach. Er ist so schnell eingeknickt...” Iblis stieß ein Grollen aus und ohne die Reaktionen seiner Brüder abzuwarten, griff er an.
 

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Shura sprang mit einem Hechtsprung beiseite und entging knapp dem Vorstoß einer Harpyie. Als ob die Furien in diesem Raum nicht schon gereicht hätten! Sie beschloss nun offiziell, dass Dämonen mit Flügeln eindeutig zu ihren meist gehassten Dämonen gehörten. Zu ihrem Glück waren diese jedoch weniger an ihr interessiert, sondern vielmehr an den Sirenen, denn Sirenen, Furien und Harpyien konnten sich untereinander absolut nicht ausstehen. Woran das lag, wusste sie nicht, es war ohnehin unwichtig. Sie sah sich um und bemerkte dabei einen Exorzisten, der mit seinen Pistolen auf Ankou zielte, also griff sie an. Bisher hatte sie nur selten Menschen getötet, aber eine große Wahl hatte sie nicht. Der Exorzist bemerkte sie erst, als es zu spät war und Shura beendete sein Leben schnell. Dann lief sie weiter in Ankous Richtung, da sie von mehreren Dämonen umkreist wurde. Diese waren jedoch keine normalen Dämonen, sondern wirkten wie eine seltsame Mischung aus Sirene, Alukah und noch irgendetwas undefinierbarem. Sie ließ sich jedoch nicht irritieren, sondern ging in den Angriff über. Da sie nicht sicher war, wie man diese Viecher genau tötete, schlug sie einfach allen den Kopf auf. Zu ihrer Erleichterung reichte dies aus und die abgetrennten Köpfe sowie die Körper zerfielen zu Asche. Ankou nickte ihr kurz zu, dann stürzte sie sich erneut in das Getümmel. Ihre Gegner waren ihr inzwischen so nah gekommen, dass Pfeil und Bogen nicht wirklich etwas brachten, daher wechselte sie in den Nahkampf. Shura hatte damit gerechnet, dass sie ein Schwert oder eine Lanze benutzen würde, doch als sie stattdessen zwei schwarze Fächer hervorzog, war sie mehr als verwirrt. Jedoch wurde schnell klar, dass es keine gewöhnlichen Fächer waren. Schneller als irgendjemand begreifen konnte, was los war, hatte Ankou sich bewegt und schnitt einem Dämonen mit der Fächerkante den Hals auf, während sie mit dem anderen eine Klinge abblockte. Damit hatte Shura nicht gerechnet. Sie wusste, dass Fächer auch manchmal als Waffen eingesetzt worden, wie zum Beispiel die Tessen in Japan, aber das sie sowas konnten, war ihr neu. Andererseits hatte sie sich nie wirklich damit beschäftigt, daher konnte sie sich täuschen. Sie beschloss später zu fragen und konzentrierte sich weiter auf den Kampf. Sie entdeckte Alastor, welcher gegen mehrere Furien kämpfte und offensichtlich keine Hilfe brauchte, daher hielt sie Ausschau nach Konekomaru und Izumo, die sie vor kurzem aus den Augen verloren hatte. Noch immer verfluchte sie die Grigori für die Entscheidung sogar die Exorzisten in Ausbildung mitkämpfen zu lassen. Dämonen auszutreiben war eine Sache, aber das hier war Krieg und dort hatten Kinder absolut nichts verloren! Bisher hatte es weitaus mehr Tote unter den Exorzisten gegeben als unter den Dämonen und der größte Teil waren Adepten oder junge, noch relativ junge Exorzisten. Schließlich entdeckte sie die beiden Exwire, welche in einer sehr misslichen Lage steckten. Sie waren von mehreren dieser Hybrid-Wesen umgeben und wussten sich offenbar nicht wirklich zu helfen. Koneko rezitierte unaufhörlich, aber wenn man bedachte, dass diese Art Dämonen vor kurzem noch gar nicht existiert hatten, war es mehr als unwahrscheinlich, dass er den passenden Todesvers finden würde. Izumo verteidigte ihn so gut es ging mit ihren Füchsen, doch es waren einfach zu viele. Shura wollte sich in Bewegung setzen und ihnen helfen, doch Shax war schneller. Innerhalb weniger Sekunden waren die beiden ihre Gegner los und konnten zumindest kurz Atem holen. Nun fiel Shura auf, dass sich Izumo anscheinend verletzt hatte, denn sie sank plötzlich auf die Knie und zerriss die beiden Zettel. Dann sah die Rothaarige das Blut, das langsam das Oberteil vollsog. Zu ihrer Erleichterung ließ Shax sie nicht alleine, sondern verteidigte sie vor weiteren Angriffen. Sie hatten beinahe gewonnen, daher konnte er es sich leisten, den beiden zu helfen. Koneko kniete neben Izumo, doch schien unschlüssig zu sein, was er tun sollte. Shura hätte zu gerne geholfen, doch wurde von einem Reaper sowie einigen Ghulen angegriffen , sodass sie gezwungen war, diese zuerst zu erledigen. Eine Wasserdämonin nahm ebenfalls Maß, um sie anzugreifen, doch eine Sirene war schneller, riss die Dämonin um und versenkte ihre Zähne im Kehlkopf ihrer Gegnerin. Doch damit war nicht genug, denn sie und eine männliche Sirene machten sich nun über den Körper her wie verhungernde Straßenhunde. Wenn sie sich jedoch die abmagerten Körper anschaute, war es nachvollziehbar. Offenbar war in Gehenna wirklich eine Nahrungsknappheit gewesen. Die Exorzistin wandte den Blick ab. Sie hatte zwar nichts gegen Blut, aber zuzusehen wie jemand zerfetzt wurde, musste dann doch nicht sein. Schließlich war es endlich vorbei und sie rannte sofort zu den beiden Adepten. Shax kniete bereits neben Izumo und kümmerte sich um ihre Wunde. ‚Stimmt, er hatte mal erwähnt, dass er Heiler ist.‘, erinnerte Shura sich und kniete neben die beiden. „Wie geht es dir?”, erkundigte sie sich mit besorgter Stimme. „Geht schon...”, murmelte die Adeptin etwas benommen. „Danke, dass du ihnen geholfen hast.”, bedankte sich die Rothaarige etwas zögerlich bei dem Dämon, doch Shax winkte ab. „Exorzisten hin und her, ich lasse keine Kinder sterben, wenn ich es verhindern kann.”, erwiderte er ruhig und wandte sich wieder an Izumo. „Das schlimmste ist fürs erste überstanden, aber oben scheint noch etwas zu sein, also müsste ich dein Oberteil weiter hoch ziehen. Ist das für dich in Ordnung oder möchtest du lieber auf eine Heilerin warten?”
 

„Heilerin bitte...”, murmelte Izumo. Shax nickte und nach einigen Minuten kam eine Dämonin, die sich um den Rest kümmerte. Da nun die unmittelbare Gefahr gebannt war, stand Shura wieder auf und schaute sich weiter um, während Koneko bei Izumo blieb. „Du kämpfst gar nicht schlecht.”, ertönte Ankous Stimme neben ihr und sie sah auf. Die Dämonin wischte Blut von ihren Fächern und sah sie fragend an. „Alles in Ordnung?” Shura nickte. „Klar warum sollte ich es nicht sein? Ich habe schon ganz andere Dämonen erledigt. Nichts für ungut.” Ankou zuckte mit den Schultern. „Verstehe schon. Aber dein Gesichtsausdruck war seltsam und du hast vorhin die hier angestarrt.” Sie hielt einen ihrer Fächer hoch. „Noch nie einen gesehen?”
 

„Nicht wirklich. Aber netter Trick.”, gab Shura zu. „Ist das erste Mal, dass ich jemanden mit sowas habe kämpfen sehen.”
 

„Die sind unter adligen Frauen relativ beliebt, weil sie leicht zu verstecken sind und nicht sofort als Waffe zu erkennen sind.”, erklärte die Geisterdämon und öffnete einen der Fächer. Auf den ersten Blick sah er vollkommen normal aus, doch beim mehreren Hinsehen erkannte man, dass er aus mehreren scharfkantigen Metalllamellen bestand. „Man kann mit ihnen manche Angriffe abwehren, sie werfen, als Schlagwaffe verwenden und vor allem schneiden. Angeblich sind manche sogar dafür geeignet jemanden zu enthaupten.”, fuhr Ankou fort. „Und wo hast du die hier? Du bist nicht adlig, oder?”, erkundigte sich Shura. Es würde noch eine Weile dauern bis es weiter ging, da konnte man sich genauso gut unterhalten und bisher klang es auf jeden Fall interessant, was die Geisterdämonin erzählte. „Nein, die gehörten ursprünglich Azazels Mutter, nach ihrem Tod hat er sie irgendwann bekommen, konnte jedoch nicht viel mit anfangen. Schlussendlich hat er sie mir geschenkt, als ich mein unsterbliches Alter erreicht habe.”
 

„Er scheint dich ziemlich zu mögen und du ihn.”, stellte Shura fest, woraufhin Ankou die Augen verdrehte. „Wir sind Kindheitsfreunde.” Das hatte sie zwar schon mal gesagt, aber Shura konnte es sich nicht verkneifen weiterzubohren. „Sicher, dass er nicht auf dich steht und du auf ihn?”, fragte sie mit einem Grinsen, welches Mephisto alle Ehre gemacht hätte. Die Geisterdämonin war nicht amüsiert. „Nie im Leben!”, knurrte sie. „War nett mit dir zu reden, aber ich muss weiter.” Damit stürmte sie davon und ließ eine noch immer grinsende Shura zurück. In manchen Dingen ließ sich die schwarzhaarige Dämonen genauso schön ärgern wie Rin oder Yukio.
 

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Während Shura einen Moment der Ruhe genießen konnte, hatte Yukio noch immer alle Hände voll zu tun. Vor ihm stand eine Art riesiger Wolf, nur mit dem Unterschied, dass dieser auf zwei Beinen lief und viel größer war. Zunächst hatte er gedacht, es wäre ein Werwolf, auch wenn er nie an ein solches Wesen geglaubt hatte, doch inzwischen wusste er, dass es einer dieser Moroi war, Dämonen, die sich in Tiere verwandeln konnten. Sehr, sehr große Tiere mit viel zu vielen Krallen und Zähnen. Seine Kugeln schienen eher weniger zu helfen, wobei ihm auffiel, dass zumindest geweihtes Silber effektiv war. Offenbar waren nicht alle Legenden und Mythen der Menschen falsch. Leider wurde die Munition immer knapper und noch immer kamen neue Gegner dazu. Er beneidete beinahe die Dämonen, denen ging die Munition niemals aus. „Yukio, pass auf!”, rief ihm Izumis Stimme zu, doch er hatte keine Zeit mehr zum reagieren und wurde von einem Salamander angesprungen. Er hörte wie Izumi schnell etwas rezitierte und zu seiner Erleichterung ließ der Dämon von ihm ab. „Alles in Ordnung?”, erkundigte sich der Exorzist besorgt und Yukio nickte, während er seine Pistolen einsammelte. „Ja, danke. Tut mir leid für die Umstände.”, antwortete er, doch Izumi winkte ab. „Hey, jeder braucht mal Hilfe. Sei einfach weiterhin vorsichtig.” Dies war leichter gesagt als getan, denn obwohl sie sich anstrengten, war nach wie vor kein Ende in Sicht und sie mussten immer mehr Verluste einstecken. Schlussendlich rettete ausgerechnet Astaroth den Tag, denn dieser war ebenfalls mit seinen Truppen angerückt, sodass sie den Kampf endlich beenden konnten. Liliths Leute hatten offenbar nicht mit Verstärkung gerechnet und begannen sich zurückzuziehen, während der Rest schnell dezimiert wurde. Yukio atmete erleichtert auf und holte sich schnell Munitionsnachschub bei einem Exorzisten. Nur kurz darauf hörte er Shiemi seinen Namen rufen. „Yuki-chan!” Er fand sich fast sofort in einer Umarmung wieder, die ihn beinahe umriss. Während er sein Gleichgewicht wiedererlangte, entdeckte er Astaroth, welcher mit einem seltsamen Gesichtsausdruck Shiemi ansah. Was war sein Problem? Allerdings schien der Verwesungskönig nun Izumi zu erkennen, denn er verzog kurz das Gesicht und verschwand so schnell wie er aufgetaucht war. Nicht wirklich überraschend, wenn man die Umstände ihrer letzten Begegnung bedachte. Derweil war Izumi nicht wirklich überrascht, dass Yukio aus dem heiterem Himmel von einem Mädchen umarmt wurde, denn auch er und die anderen kannten sie durch ihre regelmäßigen Besuche in ihrem Laden und hatten zudem die restlichen Adepten vor einigen Tagen kennen gelernt. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht! Und auch Ihnen Izumi-san!”
 

„Keine Sorge, uns geht's gut, Moriyama.”, beruhigte der Mönch sie schnell. Unterdessen kamen die restlichen Bewohner des Stiftes hinzu. „Alles klar bei dir Yukio?”, fragte Nagatomo besorgt, woraufhin der Brillenträger nickte. „Ja mir geht's gut.”, murmelte er, doch achtete nicht wirklich darauf, was sie danach sagten, denn er hielt Ausschau nach den beiden Dämonenkönigen, in der Hoffnung, endlich ein paar Informationen zu bekommen. Schlussendlich entdeckte er sie etwas abseits. Astaroth schien wegen etwas aufgeregt zu sein, denn er gestikulierte wild, allerdings waren sie zu weit weg, um zu verstehen, worüber sie sprachen. Andererseits würden sie sich wahrscheinlich nur wieder auf Gehennisch unterhalten, also würde er ihn ohnehin nichts mitbekommen. Die anderen schienen bemerkt zu haben, dass er nicht zuhörte und folgten seinem Blick. „Das ist doch Lucifer, oder?”, stellte Kyodo fest. „Wer ist der andere?” Nach kurzem Zögern beschloss Yukio die Wahrheit zu sagen, immerhin würden sie es früher oder später herausfinden. „Astaroth.” Die Reaktion darauf war mehr als verständlich. Alle verkrampften und wirkten mehr als angespannt, während sie den Verwesungskönig anstarrten, bis Maruta die Stille durchbrach. „Kann es sein, dass sie sich streiten?” Tatsächlich wirkte es so, denn auch wenn sie nichts verstehen konnten, waren Gestik und Mimik eindeutig. War etwas passiert? Sie spielten bereits mit dem Gedanken zu ihnen zu gehen und nachzufragen, aber die beiden Dämonen waren sich wohl doch einig geworden. Astaroth winkte nun Amon heran und gab ihm offenbar Anweisungen, danach trennten sie sich wieder. Schlussendlich hatten sie keine Gelegenheit mit einem der Baal zu sprechen, da es weiter in die tieferen Ebenen ging, wo sie hoffentlich auf den Rest treffen und vor allem Rin finden würden.
 

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„Wie tief runter geht es hier denn?”, beschwerte sich Astaroth missmutig. „Keiner braucht so viele Etagen...”
 

„Das hier ist die Hauptquartier der Ritterschaft, von hier aus werden alle Zweigstellen weltweit koordiniert, dann kommen noch die Forschungslabore, Büros, Versammlungsräume, Waffenkammern, Trainingsräume, Krankenstationen, Zellen, wahrscheinlich auch Quartiere und was nicht alles.”, erinnerte Lucifer ihn. „Bei Vaters Palast ist es nicht anders.” Astaroth machte zwar ein zustimmenden Laut, aber schien nicht ganz bei der Sache zu sein. Der Lichtkönig beschloss ihn darauf anzusprechen, bevor irgendetwas deswegen schief ging und die Antwort überraschte ihn. „Die Exorzisten, die vorhin bei Yukio und Blondie standen, sind die aus diesem Stift, also auch gegen mich gekämpft haben.”
 

„Und?”, fragte Lucifer verwirrt nach. „Und?!”, knurrte Astaroth. „Weißt du, wie seltsam das wäre, wenn ich jetzt auf die treffen würde? Das letzte Mal, als wir uns begegnet sind, habe ich versucht sie umzubringen und eine ihrer Wände mit einem LKW eingerissen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie immer noch schlecht auf mich zu sprechen sind. Da habe ich jetzt keine Lust mich mit denen auseinanderzusetzen.” Lucifer verdrehte die Augen. „Du weißt schon, dass du um eine Entschuldigung nicht drum herum kommen wirst? Rin würde drauf bestehen.” Dies schien außer Frage zu stehen, da Astaroth nur verächtlich schnaubte. „Warum sollte ich mich entschuldigen?! Ich habe nur getan, was ich sollte. War doch deren Pech, wenn die sich mir in den Weg stellen!” Der Lichtkönig ließ nicht locker. „Du solltest nicht vergessen, dass sie davon ausgegangen sind, dass wir ihm schaden wollen. Sie haben ihn verteidigt obwohl sie wussten, wer er ist und sie einem Dämonenkönig gegenüberstanden. Schon irgendwo bewundernswert.” Der Verwesungskönig sah ihn giftig an. „Dein Ernst?” Lucifer schüttelte nur seufzend den Kopf. Seine Brüder konnten wirklich unfassbar stur sein.
 

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Invidia stieß ein schmerzerfülltes Keuchen aus, als sie mit großer Wucht mit dem Rücken auf den Boden aufschlug. Sie konnte spüren wie ihre Wirbelsäure brach, nur um sich wenige Sekunden darauf wieder zusammenzusetzen. Die Sünde sprang schnell wieder auf, den scharfen Schmerz im Rücken ignorierend. Zu ihrem Missfallen stellte sie fest, dass der Großteil ihrer Leute bereits tot war und sie keine Chance mehr auf einen Sieg hatten. Anscheinend hatten sie sich diesmal wirklich überschätzt, auch wenn sie es hasste, dies eingestehen. Der Sieg gegen Satan hatte sie unvorsichtig werden lassen. Warum ausgerechnet sie hier her geschickt worden war, bleib ohnehin ein Rätsel. Ira und Avaritia waren hier in ihrem Element, aber sie war eine Attentäterin. Sie griff aus dem Hinterhalt an und nutzte Täuschungen zu ihrem Vorteil, direkte Konfrontationen mied sie in der Regel. Allerdings hatte sie keine andere Wahl als den Anweisungen Folge zu leisten. Sie wusste nicht, was Gula, Superbia und Luxuria trieben, sie wusste nur, dass Acedia bereits dabei war, ihren Gegner die Motivation zu nehmen und den eigenen Truppen zu geben, doch viel zu bringen, schien es nicht. ‚Wenn sie wieder eingeschlafen ist, dann Gnade ihr Satan!‘, dachte sie düster und wich einem Exorzisten aus. Sie hörte wie sich eine Tür öffnete und sich weitere Schritte näherten. Leider waren es nicht ihre Leute, sondern weitere Gegner. Amaimon war dazu gekommen, zusammen mit Agares, den gefangenen Sirenen und den Sirenen, die Egyn verhext hatten. Frustriert fletschte die Gestaltwandlerin die Zähne. Wie waren die aus ihren Zellen entkommen?! „Verschwinden wir von hier, das ist zwecklos!”, rief sie ihren Schwestern zu und diese schienen ihrer Meinung zu sein. Die Dämonenkönige versuchten sie aufzuhalten, allerdings erfolglos. Ohne sich noch einmal umzudrehen, machten sie sich auf den Weg zu Lilith, um ihr Bericht zu erstatten.
 

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Amaimon hatte wieder mal keine Ahnung was hier los war. Er hatte nur zu seinen Geschwistern aufschließen wollen, doch war stattdessen auf Agares, Kyrene, Keto und Erato getroffen und hatte erfahren, dass Egyn unter dem Einfluss einiger Sirenen stand, weswegen sie ihm schnell helfen mussten. Nur kurz darauf hatten sie die verantwortlichen Sirenen gefunden und die Dämonen, die sie bewacht hatten, waren schnell besiegt, daher gingen sie direkt weiter. Als sie endlich Egyn erreicht hatten, bot sich ein Bild der Verwüstung. Die Wände und der Boden des Saales hatten Risse sowie Krater und waren teilweise aufgebrochen. Überall lag loses Gestein, Leichen und einige zerstörte Möbel. Die Säulen hatten ebenfalls leiden müssen. „Irgendwie kommen wir immer zu spät für den Kampf...”, stelle Tap ein wenig überrascht fest, doch Amaimon sagte nichts dazu und ging zu seinen Geschwistern, die versuchten Egyn am Boden zu halten. Dieser wehrte sich weiterhin vehement und versuchte sich erfolglos zu befreien. „Was ist denn hier passiert?”, fragte er etwas verwundert, was ihm einen böse Blick von Iblis einbrachte. „Ach, wie gnädig von dir auch mal vorbeizuschauen!” Amaimon zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. „Wir haben eigentlich Lucifer gesucht, aber stattdessen Agares und den Rest getroffen.” Erst jetzt fiel den dreien auf, dass die Wasserdämonin hier war. „Agares alles in Ordnung?! Brauchst du einen Heiler?”, fragte Beelzebub besorgt, doch die Weißhaarige schüttelte den Kopf. „Ich bin schon versorgt, Danke. Aber was ist mit Egyn?”
 

„Will sie offenbar immer noch umbringen.”, kommentierte Keto trocken, woraufhin sie von Kyrene angefunkelt wurde. „Das ist nicht witzig!” Unterdessen waren die Sirenen nach vorne getreten, die Egyn zuvor verhext hatten und schauten etwas betreten zu Boden. „W-Wir können das wieder rückgängig machen!” Iblis schnaubte. „Ihr habt den Schlamassel doch überhaupt erst angefangen!”
 

„Wir hatten keine Wahl! Lilith hat uns erpresst! Hätten wir es nicht getan, hätte sie uns nur getötet und irgendwann hätte sie jemand gefunden, der es tut.”, verteidigte sich die zweite Sirene, deren Namen Amaimon ebenfalls nicht kannte, daher wurde sie kurzerhand als Sirene 2 betitelt. „Das "Warum" ist jetzt egal, macht es einfach rückgängig.”, wies Samael an und die Sirenen kamen der Aufforderung nur zu gern nach. Glücklicherweise war es nicht allzu schwer Egyn zurückzuholen. Erinnern konnte er sich an nichts und entschuldigte sich tausendmal, nachdem sie erzählt hatten, was passiert war, aber niemand gib ihm die Schuld. Immerhin war damit Liliths Amulett vorerst wertlos. Anschließend befragten sie noch Agares und die Sirenen, wie sie entkommen waren. Die Wasserdämonin zögerte zunächst und als sie schließlich antwortete, waren die Baal mehr als überrascht. „Du willst uns allen Ernstes erzählen, dass Jahi einen Sinneswandel hatte?!”, knurrte Iblis, woraufhin sie unschlüssig mit den Schultern zuckte. „Ich weiß ja auch nicht, was in ihrem Kopf vorgeht. Sie war es auf jeden Fall und als ich gefragt habe, warum sie das tut, meinte Jahi nur, dass sie jetzt die Wahrheit kennt. Was auch immer das heißen soll...danach ist sie direkt wieder verschwunden, sonst hätte ich weitere Fragen gestellt.” Keiner wirkte überzeugt. Jahi hatte sich bereits als sehr hinterlistig herausgestellt, daher wollte es keiner riskieren, ihr zu vertrauen. Abgesehen davon hatten sie noch einen Kampf zu beenden, danach wäre Zeit für derartige Angelegenheiten.
 

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Izumo konnte immer noch nicht glauben, wie schnell sich ihre Verletzung verschlossen hatte. Man konnte von Dämonen halten, was man wollte, aber sie verstanden definitiv etwas von erster Hilfe. Inzwischen hatten sie sich mehrere Etagen nach unten gearbeitet und würden bald den Hochsicherheitstrakt erreichen. Natürlich stieg ihre Nervosität mit jedem Schritt, doch bisher war alles relativ gut verlaufen. Zwar hatten sie an mancher Stelle schwere Verluste eingesteckt und viele der Räume über ihnen waren wieder von Liliths Leuten übernommen worden, doch wenn alles gut ging, würde das bald kein Problem mehr sein. Hoffentlich war Satan überhaupt in der Verfassung seine Kräfte zu benutzen. Wenn sich schon die Baal beschwerten, dass sie immer schwächer wurden, betraf dies sicherlich auch den Dämonengott. Als sie jedoch eine weitere Halle erreichten, legte sie eine Vollbremsung ein und sah sich mit weit aufgerissenen Augen um. Überall lagen Exorzisten und einige Dämonen, doch sie konnte sie deutlich atmen sehen. Was hatte so viele das Bewusstsein verlieren lassen? „Das ist wahrscheinlich Acedias Werk. Sie sind in ihrem Geist gefangen und werden erst aufwachen, wenn sie das Gesehene überwinden oder Acedia nicht mehr in Reichweite ist. Vorausgesetzt sie sind dann noch bei Verstand.”, erklärte Shax kurz, denn auch viele Exorzisten schauten verwirrt drein. „Können wir ihnen nicht irgendwie helfen?” Zu ihrer Enttäuschung schüttelte der Dämon den Kopf. „Wir können uns beeilen, das war's.” In den nächsten Räumen fanden sie noch mehr, manche waren bereits tot, doch da sie nichts tun konnten, gingen sie schnell weiter. Nach einer Weile teilten sie sich erneut auf. Die Stellvertreter und Alastor nahmen eine Hälfte, die Baal die andere, während der Rest so ausschwärmen sollte. Bei den Baal waren mehrere Dämonen und Exorzisten, alle Adepten, Shura und Angel. Yukio wurde anderswo hingeschickt, da sie an dort viele Heiler und Exorzisten mit Doctor Meister dringend nötig hatten. Zwar protestierte er vehement, doch musste sich schlussendlich geschlagen geben. Nun da dies geklärt war, konnten sie endlich weiter. Das dürfte auf jeden Fall interessant werden.
 

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Lucifer war immer wieder überrascht wie verdammt hartnäckig Liliths Leute sein konnten. Obwohl sie klar in der Überzahl waren, gaben sie einfach nicht klein bei. Die große Ausnahme waren Söldner oder Wächter, die gezwungenermaßen für sie arbeiteten. Er war gerade dabei einen Dämonen zu töten und wandte sich an den nächsten, welcher jedoch seine Waffe fallen ließ und zurückwich. „Scheiß drauf, dafür zahlt diese Irre mir nicht genug...”, zischte er und machte, dass er wegkam. Lucifer ließ ihn gehen, er hatte wirklich wichtigeres zu tun. Nun da auch dieser Korridor gesichert war, schickte er weitere Leute los, um die Nebenräume zu sichern, sodass ihre Gruppe immer kleiner wurde. Schließlich standen sie vor den Türen eines Raumes, welchen er bisher nur vom hören kannte. Es war der Saal Raum in dem vor 16 Jahren Yuri Egin und vor einigen Monaten Rin vor Gericht standen. Keine Wachen waren zu sehen, doch er erlaubte es sich noch nicht aufzuatmen. Im Inneren und dem Verlies würden mehr als genug Gegner warten. Eigentlich wollten die Baal nur mit einigen hochrangigen Exorzisten wie Angel und Shura weitergehen, aber die Adepten bestanden darauf mitzukommen. Diesmal ließen sich die Dämonen jedoch nicht breit schlagen. „Ihr steht nur im Weg!”, kommentierte Amaimon, womit er durchaus recht hatte, aber noch immer wollten sie nicht locker lassen. „Ihr kommt nicht mit und damit fertig!”, knurrte Iblis. „Bleibt meinetwegen in dem Saal, wenn wir dort aufgeräumt haben, aber weiter geht es nicht.”
 

„Er hat recht.”, pflichtete Shura bei. „Wir können euch dort nicht gebrauchen.” Endlich gaben sie nach und stimmten widerwillig zu. Nachdem sie erneut einige Anweisungen weitergegeben hatten, öffneten sie die Tür und betraten den Saal. Niemand war zu sehen, doch es lag eine große Anspannung in der Luft, welche sogar die Exorzisten spüren konnten. „Hier stimmt was nicht...”, murmelte Beelzebub und der Rest konnte nur zustimmen. „Vielleicht hätten wir doch mehr Leute mitnehmen sollen...”, überlegte Egyn, während er seinen Speer heraufbeschwor. Wie viele von denen hatte er eigentlich? Die restlichen Baal taten es ihm jedoch nach. Wie auf Stichwort schlugen die Türen klischeemäßig hinter ihnen zu. „Na sieh mal einer an, wer sich entschlossen hat vorbeizuschauen. Also habt ihr euch wirklich mit den Exorzisten verbündet. Wie erbärmlich.” Lucifer biss die Zähne zusammen. Es war Rins Stimme, aber sie alle wussten, dass er es nicht war. Zumindest fast alle, denn Shiemi rief den Namen des Nephilims, was ihr jedoch nur ein spöttisches Lachen einbrachte. „Das ist nicht Rin...”, murmelte Shura und zog ebenfalls ihr Schwert. Sie sahen sich um, doch konnten natürlich niemanden entdecken „Wir haben genug von deinen Spielchen, Lilith!”, fauchte Astaroth genervt. „Komm und zeig dich!”
 

„Wer bist du, mir Befehle zu erteilen?”, kam die herablassende Antwort. „Wie ihr sicher wisst, bin ich jetzt Königin Gehennas und Assiah folgt bald, daher würde ich meine Zunge hüten.” Es waren eindeutig die Worte der Dämonengöttin, allerdings war es verstörend sie mit Rins Stimme zu hören. Sie nahmen nun auch Bewegungen wahr, jedoch war es nicht Lilith, sondern die Aveira, welche an der Brüstungen lehnten und sie wortlos beobachteten. „Jetzt komm endlich heraus oder bist du zu feige, Dämon?!”, forderte Angel sie heraus, was Lilith allerdings ebenfalls nicht beeindruckte. „Sei still, du Insekt und halt dich raus.”, antwortete sie kalt. „Allerdings spricht nichts dagegen mich zu zeigen, ihr kommt ohnehin nicht an mich heran.” Sie kam endlich aus den Schatten hervor und stand nun auf der Empore, auf der normalerweise die Grigori saßen. Tatsächlich steckte sie in Rins Körper, der sehr abgemagert war und tiefe Schatten unter den Augen hatte. Nur deren goldene Farbe verrieten die Besessenheit. ‚War ja klar, dass sie sich uns nicht selbst gegenüber stellt sondern Rin als Schutzschild nimmst.‘, dachte der Lichtkönig grimmig. „Das ist also dieses Miststück, die uns den ganzen Ärger gemacht hat.”, kommentierte Shura. „Zu feige, um sich uns selbst gegenüber zu stellen?” Lilith lächelte sie nur abfällig an, sprang von der Empore und kam langsam auf sie zu. „Ich wäre mehr als dumm mich kurz vor meinem Sieg in Gefahr zu bringen und habe hier einen sehr guten Wirtskörper, also warum sollte ich ihn nicht verwenden?”
 

„Verschwinde aus Rins Körper und lass ihn in Ruhe!”, fuhr Shiemi sie an, woraufhin die restlichen Adepten zustimmten. Lilith warf ihnen nur einen abfälligen Blick zu. „Und ihr seid? Antwortet gar nicht erst, es ist mir egal. Ich nehme an, ihr seid Freunde des Nephilims...also wirklich. Sich mit Sterblichen anfreunden, wie abstoßend.”
 

„Du scheinst ja viel von dir zu halten und vor allem Menschen zu unterschätzen.”, antwortete Shura bissig. Unterdessen waren die Aveira hinter Lilith gelandet, noch immer ohne ein Wort zu sagen. „Gib auf, es ist vorbei, also lass Rin gehen.”, sagte Lucifer. „Und sag uns vor allem wo Azazel und Vater sind.” Die Dämonin kicherte leise. „Ich soll aufgeben? Ich glaube, die Zeit mit den Exorzisten hat dich verdummen lassen, Lucifer. Ich bin am gewinnen, also warum sollte ich mich ergeben? Abgesehen davon hatte ich so viel Spaß mit Azazel und Rin, aber vor allem natürlich mit eurem Vater. Die letzten Jahrtausende waren wirklich langweilig...Aber egal.” Sie begann zu grinsen. „Ich bin überrascht, dass ihr immer noch an Azazel interessiert seid. Nach dem, was er getan hat, solltet euch doch eigentlich egal sein, was mit ihm passiert.” Die Baal wechselten einen kurzen Blick. „Wovon sprichst du?”, fragte Egyn scharf, auch wenn sie sich bereits denken konnten worum es ging. Halphas hatte damals in seinem Brief berichtet, dass laut Lilith Azazel der Verräter war, doch glauben wollten sie es immer noch nicht. Zum ersten Mal wirkte Lilith aufrichtig überrascht, was allerdings nicht lange der Fall war. Sie begann erneut zu lachen. „Ich nehme an, ihr habt schon davon gehört habt, wollt es jedoch nicht wahr haben. Azazel ist ein Verräter, er hat die ganze Zeit für mich gearbeitet. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich nie so weit gekommen.~”
 

„Lügnerin! Wir wissen, dass es Invidia war, die Rin entführt hat!”, zischte Astaroth. „Na, das hat ja lange genug gedauert.”, höhnte die Gestaltwandlerin. „Ihr erkennt nicht mal, wenn euer Bruder von einem Doppelgänger ersetzt wird und ein anderer nur ein paar Meter von eurem Haus angegriffen wird. Schon traurig.”
 

„Ruhe!”, fuhr Lilith kalt dazwischen, dann grinste sie erneut. „Es tut mir wirklich so sehr leid, euch enttäuschen zu müssen!”, fuhr sie mit falscher Sympathie fort. „Aber leider ist es die Wahrheit. Ihr könnt ihn gerne selber fragen. Azazel, nicht so schüchtern, zeig dich ruhig.” Einige Sekunden lang passierte nichts, doch dann landete eine weitere Gestalt hinter ihr und es war in der Tat der Geisterkönig. Er sah nach wie vor kränklich aus, doch die Baal und die Exorzisten konnten ihn nur fassungslos anstarren. Eine unangenehme Stille herrschte, während Azazel sichtlich unwohl ihren Blicken auswich und etwas beschämt wirkte. Lucifer beschloss das Wort zu ergreifen. „Azazel, es reicht jetzt. Ich denke, du schuldest uns einige Erklärungen.”, begann er ruhig, wenn auch nur äußerlich. Im Inneren war er fassungslos und vollkommen verwirrt. „Was hat das alles hier zu bedeuten? Hast...du uns wirklich verraten?” Erneut folgte Stille, dann ergriff der Schwarzhaarige das Wort. „...Ja.” Er hob den Kopf und sah erst Lucifer, dann seine restlichen Geschwister an. „Ich bin der Verräter. Wegen mir ist die Barriere zusammengebrochen und es war meine Schuld, dass die Palastsicherheit so grottig war und wegen mir wusste Lilith überhaupt erst von Rin und dass er Vaters Flammen hatte.” Seine Worte waren wie eine Ohrfeige und ein Schlag in den Magen in einem. „Sag mir, dass das ein schlechter Witz ist. Das kann nicht dein Ernst sein.”, antwortete Samael. Seine Stimme zitterte kaum merklich, was den meisten nicht auffiel, doch die Baal kannten ihren Bruder. Er war mehr als nur zornig. Zu ihrem gemeinsamen Missfallen schüttelte der Geisterkönig den Kopf. „Es ist die Wahrheit...und ihr habt nichts mitbekommen.” Er lachte kurz auf, doch daran lag nur Bitterkeit. „Schätze, ihr kanntet mich doch nicht so gut wie gedacht.” Der Lichtkönig suchte nach einem Anzeichen, dass Azazel log, doch entdeckte keins. Tatsächlich wies sein jüngerer Bruder nur Resignation auf. „Warum?!”, fauchte Iblis, bei dem die ersten kleine Flammen auftauchten. „Was soll die Scheiße?! Es gibt keinen Grund, also sag uns endlich die verdammte Wahrheit! Was hat Lilith mit dir gemacht!? Jetzt sag schon!”
 

„Was, soll ich bitte sagen? Entschuldigung? Ist etwas spät dafür, nicht?”, erwiderte Azazel mit bitterer Stimme. Er verschränkte kurz seine Arme und seine Augen wanderten für einen Bruchteil einer Sekunde zur Seite, bevor er fortfuhr. „Das hat nichts mit Lilith zu tun, es war meine eigenen Entscheidung. Vater hat einfach ausgedient, er ist nicht als Herrscher geeignet und ich habe genug davon nur der drittstärkste zu sein und immer in den Hintergrund gerückt zu werden. Wer will schon den undankbaren Job haben, sich mit Toten zu befassen? Und die Exorzisten haben es verdient, meinetwegen können sie alle sterben.”
 

„Das kann nicht dein Ernst sein!”, zischte nun Shura und sah den Geisterkönig feindseelig an. „Du tust das einfach weil du mehr Macht willst und rammst dafür deiner eigenen Familie ein Messer in den Rücken? Feigling!” Angel war schnell dabei, zuzustimmen. „Man kann einem Dämon nicht trauen. Nicht mal die eigene Familie. Ich bin nicht überrascht.” Die restlichen Exorzisten schienen ebenfalls etwas sagen zu wollen, doch Samael kam ihnen zuvor. „Weißt du, was seltsam an dieser Geschichte ist, kleiner Bruder?”, fragte er mit verengten Augen. „Fast immer, bevor du lügst, schaust du zur Seite und genau das war gerade eben auch der Fall. Also wie wäre es jetzt mit der Wahrheit, mh?”
 

„Ach, das wird langweilig.”, mischte sich Lilith nun etwas quenglig klingend ein. „Ich unterbreche diese rührende Familienzusammenführung ja nur ungern, aber es ist jetzt wirklich öde.” Sie drehte sich um und begann sich von ihnen wegzubewegen. „Holt euch die Baal und tötet den Rest. Ich ziehe mich zurück.~”
 

„Du willst nicht einmal gegen uns kämpfen?!”, entrüstete sich Angel. Lilith warf ihm nur einen abfälligen Blick zu. „Ich habe keine Zeit für ein paar Insekten und dieser Körper ist zu stark belastet und wird nicht mehr lange durchhalten. Vielleicht brauche ich ihn nochmal, es wäre also sehr irritierend, wenn er stirbt. Tut uns also einen Gefallen und sterbt schnell, ja?” Damit war sie bereits verschwunden und Avaritia trat einen Schritt nach vorne. „Na dann, bringen wir es hinter uns. Das hier hat sich lange genug gezogen.” Lucifer ignorierte sie und wandte sich erneut an Azazel, welcher hin und her gerissen schien. „Du musst das nicht tun.”, sagte er in einem fast schon flehenden Tonfall, doch Azazel schüttelte nur den Kopf. „Es ist vorbei. Ihr müsst mich wohl umbringen, wenn ihr vorbei wollt, also beenden wir es.”
 

„Oh, das lässt sich einrichten!”, fauchte Angel und begab sich in Kampfposition. Bevor ihn jemand aufhalten konnte, griff er an.
 

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‚Dieser verdammte Glatzkopf! Was denkt der sich dabei, einfach anzugreifen?!‘, fluchte Shura im Stillen, während sie sich Mühe gab, hinterherzukommen. Die Adepten hatten sich klugerwiese Deckung gesucht, was sich als lebensrettend herausstellen sollte. Mehrere Exorzisten sowie zwei Dämonen waren dank der Aveira tot, bevor sie überhaupt richtig in Bewegung kommen konnten. ‚Verdammt sind die schnell!‘, stellte Shura fest und wich knapp einem Angriff von Ira aus. Wenn es stimmte, was die Baal gesagt hatten (und daran bestand kein Zweifel) waren die Aveira die mächtigsten Anhänger Liliths, von den Anführern der Moroi, Alukah und Naga einmal abgesehen. Schreie verrieten ihr, dass noch mehr gestorben waren, wieder zum großen Teil Exorzisten, doch die Dämonen mussten ebenfalls Verluste einstecken. Schlussendlich kam es, wie es kommen musste: Shura, Angel und die Adepten waren die einzigen noch lebenden Menschen und die Baal sowie die Aveira die letzten Dämonen. Diese kämpften nach wie vor erbittert gegeneinander, doch es war nicht wirklich abzusehen, wer gewinnen würde. Keiner schien bisher großen Schaden genommen zu haben, bis auf die Aveira, die sie für Gula hielt. Ihr bleib jedoch nicht viel Zeit sich deswegen Gedanken zu machen, denn die besagte Aveira schickte ihr eine Feuerwand entgegen, die sie nur dank Egyns Hilfe entging. Angel hatte derweil nicht so viel Glück. Er griff vehement Azazel an, welcher jedoch allem auswich und eher genervt wirkte. Schließlich hatte er genug und konterte mit einer starken Windböe, welche den Paladin gegen eine Wand schleuderte. Diesmal stand er nicht auf. Shura unterdrückte ein Fluchen und versuchte den Geisterkönig von hinten zu überraschen, jedoch erfolglos. „Für eine Sterbliche bist du verdammt nervig.”, knurrte er. „Ist ein Talent von mir.”, antwortete sie trocken und setzte erneut zum Angriff an. Zwar schlug dieser erneut fehl, doch gab Astaroth die Gelegenheit einen Treffer zu landen. Mit einem Fluchen ging der Schwarzhaarige zu Boden und wurde zugleich von einem Angriff Amaimons erwischt. Dummerweise hatte dies nur einige Schnitte im Gesicht sowie eine blutende Verletzung am Arm zur Folge, doch eine Sache fiel Shura sofort auf. ‚Täusche ich mich oder ist seine Selbstheilung extrem langsam? Allerdings sieht er auch nicht allzu gesund aus...‘ Den restlichen Baal schien es ebenfalls aufzufallen, doch waren zu sehr mit den Aveira beschäftigt. Shura überlegte sich derweil, wie man sich Azazels offensichtliche Schwäche zunutze machen konnte. ‚Wenn er wirklich so schwach ist, dass er sich nicht richtig heilen kann, müssen wir ihm nur genug Schaden zufügen, dann geht er früher oder später K.O.‘ Natürlich wollte sie ihren Plan direkt umsetzten, doch unterschätzte dabei nicht nur Azazel sondern vergaß auch, dass er ihre Gedanken lesen konnte. „Meine Fresse, du bist ja noch nerviger als alle Apostel zusammen!”, fauchte er und machte ein ausladende Armbewegung. Zu spät sah Shura die Schatten und sie wurde zu Boden gerissen bevor sie die Hälfte der Strecke hinter sich hatte. „Oh Nein, so nicht!”, knurrte Lucifer und mit einem Schlag war der Raum so ausgeleuchtet, dass es kaum noch Schatten gab. Die, die Shura festhielten, verschwanden sofort und sie sprang wieder auf. Derweil hatte Amaimon Gula besiegt und sie ging offenbar bewusstlos zu Boden, während Acedia den Rückzug antrat, da sie nicht wirklich helfen konnte. Sie stand nun in sicherer Entfernung und sagte etwas in einer anderen Sprache, während sie seltsame Zeichen in die Luft malte, doch die Baal unterbrachen sie schnell. Superbia hatte kaum noch Dämonen zum kontrollieren und Luxurias Illusionen sorgten zwar für Verwirrung, aber bei weitem nicht genug, um wirklich zu schaden. „Jetzt gebt endlich auf, ihr könnt nicht mehr gewinnen!”, rief Beelzebub und sein Blick wanderte zu Azazel, welcher sich nun an der Wand abstützte. Inzwischen lief ihm Blut aus der Nase und aus einem Auge. ‚Was zum Teufel ist da los? Hat er sich überstrapaziert?‘, überlegte Shura. „Azazel, dein Körper ist dabei zu zerfallen, weil du trotz deines geschwächten Zustands immer mehr von deinen Kräften abverlangst. Das geht schief.”, versuchte Egyn derweil auf Gehennisch auf seinen Bruder einzureden. „Wenn du weiter so machst, wirst du erst den Verstand verlieren und dann sterben. Jetzt gib endlich auf! Was auch immer hier los ist, wir finden eine Lösung!” Azazel schüttelte jedoch nur den Kopf und griff an seinen Hals. Zunächst war Shura verwirrt bis ihr klar wurde, dass er nach einem Anhänger gegriffen hatte und ihn nun abnahm. Bisher hatte sie ihn nur einmal gesehen. Es war eine kleine runde, schwarze Scheibe mit einem roten Symbol -Azazels Siegel- darauf. Noch verwirrter wurde sie, als sich der Geisterkönig in die Hand biss, sodass Blut hervorquoll und sie zur Faust ballte, woraufhin der Anhänger mit seinem Blut benetzt wurde. Dann sah sie die Gesichter der Dämonenkönige und ihr wurde klar, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. „Du verdammter-!”, fluchte Iblis und griff an, ebenso wie der Rest der Baal, doch zu ihrem gemeinsamen Entsetzen prallten die Angriffe einfach an einer unsichtbaren Wand ab. Azazel hatte inzwischen begonnen etwas in einer anderen Sprache zu murmeln und wurde stetig lauter, während das Symbol auf seinem Anhänger zu leuchten begann. Sie wusste nicht, was er sagte, aber sie wusste irgendwie, dass es nicht einfach Gehennisch war. Es wirkte älter, mächtiger und sie wollte nicht herausfinden, was passieren würde, wenn er alles aufgesagt hatte. Bereits jetzt machten sich starke Winde sowie eine unnatürlich Kälte bemerkbar. Sie zuckte erschrocken zusammen, als plötzlich die Adepten neben ihr standen. „Was tut er da?!”, fragte Shiemi ein wenig verängstigt klingend und starrte Azazel nervös an. Auch die Aveira hielten Abstand und schienen abzuwarten, während Gula langsam wieder zu Bewusstsein kam und aufstand. „Dieser Idiot nimmt seine wahre Gestalt an, obwohl sein Körper jetzt schon fast schlapp macht...hat er den Verstand verloren?!”, zischte Astaroth. Keiner antwortete und es erwartete auch niemand. Azazel begann sich derweil langsam zu verändern. Seine Stimme klang verzerrter, die Krallen wurden allmählich länger und über seine Haut zogen sich schwarze Linien, die wohl seine Dämonenmale waren. Schlussendlich wurde der Wind zu stark, sodass sie sich nicht nur die Augen zuhalten mussten, sondern auch einige Schritte zurückstolperten. Nachdem sich der Wind gelegt hatte, nahm Shura langsam die Arme wieder hinunter und musste hart schlucken, als sie Azazel sah. Zwar konnte man noch erkennen, dass er es war, doch die Veränderungen waren dennoch beängstigend. Seine Dämonenmale waren nun deutlich zu sehen, die Zähne und Ohren waren länger geworden, ebenso wie die Krallen. Seine normalerweisen schwarzen Haare hatten sich an den Spitzen weiß verfärbt, doch was sämtliche Aufmerksamkeit auf sich zog, waren die Hörner sowie die gewaltigen Flügel. Diese waren wider Erwartungen nicht Fledermausartig, sondern hatten schwarze Federn. Das erklärte wohl die Darstellung von Todesengeln mit schwarzen Flügeln. Oder das hatte rein gar nichts damit zu tun, aber das war jetzt wirklich mehr als irrelevant. „...Was glaubt ihr, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass er uns nicht mehr erkennt und versuchen wird, uns in Stücke zu reißen?”, fragte Beelzebub trocken. Als hätte das Geräusch seine Aufmerksamkeit erregt, wandte sich der Geisterkönig in ihre Richtung und stieß ein lauten Schrei aus, der Shura und den Adepten Ohrenschmerzen bereitete. Dann griff der Dämon an. Glücklicherweise hatten die Dämonenkönige dies erwartet und wehrten ihn rechtzeitig an. Die Aveira beteiligten sich ebenfalls am Kampf, auch wenn sie einen deutlichen Abstand zu Azazel hielten. Zögerlich machte sie sich ebenfalls kampfbereit. Ein Dämonenkönig war schon schlimm genug, aber dann auch noch dieser Form? Beinahe beneidete sie Angel, der bekam von all dem nichts mehr mit und würde wahrscheinlich erst aufwachen, wenn alles vorbei war. „Geht weiter.”, hörte sie plötzlich Lucifers Stimme in ihrem Kopf. Dem Blick der Adepten nach zu urteilen, hatten sie es ebenfalls gehört. „Es dürften nicht mehr allzu viele Wachen dort sein und uns läuft die Zeit davon. Sucht Vater und befreit ihn, sonst war alles umsonst!”, fuhr der Baal fort. Bon versuchte zu protestieren, doch der Lichtkönig ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen. „Ihr könnt hier nicht mehr helfen, ihr würdet nur im Weg stehen und Lilith ist dabei mit Rin abzuhauen. Wir können uns keine Verzögerungen leisten, also geht! Wir halten sie so lange wie möglich auf.” Shura zögerte, doch stimmte schlussendlich zu. Ihr war nicht wirklich wohl dabei, alleine Satan gegenüber zu treten, aber es musste sein. Die Dämonenkönige wollten ihren Bruder nicht umbringen, also bleib ihnen nichts übrig als ihn zurückzuhalten oder irgendwie bewusstlos zu schlagen und die Todsünden machten es nicht einfacher. Die Adepten wirkten noch nervöser, doch auch sie nickten schlussendlich. „Gut, dann geht bevor die Aveira mitbekommen, was los ist!...Und viel Erfolg.” Da keiner ihn vom Kampf ablenken wollte, sagten sie nichts und rannten zu der Tür, welche in die Verliese führen würde und schlossen sie hinter sich, als alle drinnen waren. Sie rannten den Korridor entlang, dann die Treppe, die weiter in die Tiefe führte. Überraschenderweise trafen sie auf keine Wächter, doch sie hatten jetzt keine Nerven sich deswegen Gedanken zu machen. Glücklicherweise lagen die Schlüssel noch an der gewohnten Stelle und mussten nicht ewig suchen. „Los, wir

haben schon genug Zeit vertrödelt!”, drängte Shura und sie liefen weiter bis sie schlussendlich in einem Labyrinth aus Türen und Flure standen. „Ähm...sollen wir einfach mal rufen?”, fragte Shima unsicher, woraufhin Bon schnaubte. „Wohl kaum. Eigentlich müssen wir nur eine Tür mit einem starkem Siegel finden.”
 

„So weit weg wird er doch nicht eingesperrt sein, oder?”, fragte Shiemi unsicher und zögerte kurz bevor sie fortfuhr. „W-Werden wir wirklich Satan befreien?” Kurze unangenehme Stille folgte, während sich alle beunruhigte Blicke zuwarfen. Shura, Izumo und Shiemi hatten nicht wirklich eine persönliche Erfahrung mit dem Dämonenherrscher gemacht, aber Konekomaru, Bon und Shima schon, wenn auch nicht direkt. Sie hatten Familienmitglieder verloren und die Myōō Dharani hatten über die Jahre immer mehr Unterstützung verloren. Bisher hatten sie die Tat nur einer Person, doch keinem Gesicht zuordnen können und hatten nun keine Ahnung wie sie sich verhalten sollten. Hinzu kam, dass es keine Garantie gab, dass Satan sie nicht einfach umbrachte sobald er draußen war. Sicherlich hatte er mehr als schlechte Laune, immerhin saß er seit einer ganzen Weile fest, da kamen ihm ein paar dahergelaufene Exorzisten bestimmt gerade recht, um Frustration und Wut abzubauen. Andererseits war es zu spät für einen Rückzieher oder für Zweifel. Sie hatten sich bereit erklärt, Satan zu befreien, also würden sie das auch tun. Nur dann konnten sie Assiah und Rin retten. Der Rest schien zum gleichen Schluss zu kommen, denn Bon schüttelte langsam den Kopf. „Wir haben keine Wahl, es muss sein. Später können wir uns um den Rest kümmern.” Damit begannen sie nach der richtigen Tür zu suchen und nach einer Weile hörten sie Konekomaru rufen. „Ich glaube, ich habe es gefunden!” Er deutete auf eine der Türen, welche von mehreren Siegeln und Runen sowie einer Art Bannkreis umgeben war. ‚Gut, dann mal los.‘, dachte Shura, holte tief Luft und schloss die Tür auf.
 

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‚Wenn das hier vorbei ist, werde ich Azazel sowas von eine reinhauen. Was denkt er sich denn bitte?!‘, dachte Astaroth frustriert und wich einem weiteren Angriff des Geisterkönigs aus, um nicht den Arm zu verlieren. Er warf eines seiner Messer, doch es prallte nutzlos an einem der Flügel ab. Der Verwesungskönig verzog das Gesicht. Die verdammten Federn sahen nicht so aus, aber sie waren extrem widerstandsfähig und scharf. Er selbst besaß -wie die meisten seiner Geschwister und andere Dämonen- fledermausartige Flügel, weswegen er nicht begreifen konnte, wie einfache Federn derartige Angriffe aushalten konnten. Die Aveira waren ein wesentlich kleineres Problem, auch wenn sie weiterhin verbissen kämpften. Inzwischen waren weitere Anhänger Liliths, sowie einige Exorzisten und mehrere Dämonen dazu gekommen. Allerdings wäre es ihm lieber gewesen, wenn sie nicht gekommen wären, immerhin war es schon so chaotisch genug. Der Saal lag mehr oder weniger in Trümmern und langsam hatte er Bedenken, dass die Decke einstürzen würde. Der einzige, der wohl wirklich davon profitierte, war Amaimon. Er konnte die Gesteinsbrocken gut gebrauchen und es ging schneller, als sie sich selbst herauszubrechen. Lucifer und Samael versuchten nun, Azazel festzusetzen, doch dieser war mit nur zwei Flügelschlägen außer Reichweite und schickte ihnen eine Art Mini-Tornado entgegen, den Astaroth mit einer Wand aus Pilzen und Verwesung konterte. Iblis versuchte es mit einer Flammensäule, doch die wurde einfach durch die Winde umgelenkt. ‚Und da soll mal einer sagen, dass Luft kein ernstzunehmendes Element ist.‘, dachte der Verwesungskönig trocken und wandte sich an Ira. Sie war ihm gefährlich nah gekommen, weswegen er gezwungen war, von Azazel abzulassen. Ohne größere Probleme wich er ihren Angriff aus, doch sie setzte sofort nach. ‚Hoffentlich beeilen sich die Exorzisten und befreien endlich Vater.‘
 

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Mit einem lautem Knarren schwang die Zellentür auf und Shura betrat langsam den Raum. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus, doch sie drängte es zurück. Sie konnte sich jetzt keine Schwäche leisten. Natürlich war sie umso überraschter, als sie den Dämon erblickte, der wohl Satan sein musste. Er war vollkommen anders als sie erwartet hatte und unerwartet...attraktiv? Andererseits sahen die Dämonenkönige auch alles andere als schlecht aus und irgendwoher mussten sie es ja haben. Falls der Dämonenherrscher überrascht von ihrem plötzlichem Auftreten war, ließ er es sich nicht anmerken. Er verschränkte nur die Arme und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. ‚Wenn Rin das Schwert zieht, sehen seine Augen genau wie Satans aus...‘, stellte sie plötzlich fest, doch schob den Gedanken beiseite, da er nicht wichtig war. „Wartet, das ist Satan?!”, erklang Bons fassungslose Stimme, woraufhin der Weißhaarige nur die Augen verdrehte. „Nein, der ist nebenan. Ich bin nur Medusa in Verkleidung.”, erwiderte er, die Stimme mit Sarkasmus triefend, woraufhin er noch mehr Starren erhielt. Das erklärte wohl woher manche der Baal ihre scharfe Zunge hatten. „Was habt ihr denn bitte erwartet? Rote Haut, Ziegenbeine, ein Dreizack und herumfliegende, vor Qualen schreiende Seelen?”, schnaubte er, woraufhin Shima eine mehr als unpassende Antwort gab: „Ähm....ja?” Shura widerstand dem Drang sich die flache Hand vor den Kopf zu schlagen, doch Satan schien eher genervt als alles andere zu sein. „Ein Buch, dann ein paar Filme und man ist auf ewig ruiniert...also wer seid ihr und was wollt ihr? Wenn ihr hier seid, um mich zu verspotten, würde ich mir das überlegen. Ich bin zwar meine Flammen los, aber ein paar Gören, die sich vor Lilith in den Dreck schmeißen, kann ich trotzdem noch umbringen.” Er stand auf und erst jetzt wurde ihnen bewusst, dass er mindestens so groß wie Mephisto war, wenn nicht sogar noch größer. „Hey, ganz ruhig. Wir wollen keinen Ärger.”, sagte sie schnell und beschloss sich vorzustellen, laut den Baal sollte er immerhin ihren Namen kennen. „Ich bin Shura, der Rest kann sich später vorstellen. Ich bin die Exorzistin mit denen sich deine Söhne treffen wollten?” Tatschlich erkannte Satan den Namen, doch er schien sich verständlicherweise eher für seine Kinder zu interessieren. „Wo sind sie?! Erzählt mir nicht, dass sie einen Angriff gestartet haben, um mich hier rauszuholen?”, fragte er scharf. „Doch haben sie und bisher sind wir ganz gut voran gekommen.”, sagte Izumo etwas nervös. Shiemi und das Kyoto Trio schienen noch immer nicht wissen, wie sie reagieren sollten, daher nahm sie mit Shura die Sache in die Hand. Dennoch war die Situation natürlich mehr als unangenehm. „Aber Lilith hat Rins Körper übernommen und Azazel kämpft zusammen mit den Aveira gegen die Baal-”
 

„WAS?!”, explodierte Satan sofort und unwillkürlich traten sie einen Schritt zurück, als er sich näherte, bis er wegen der Bannkreise stehen bleiben musste. „WAS STEHT IHR NOCH RUM?! HOLT MICH HIER RAUS!” Shura hob abwehrend die Hände. „Ok, Ok. Wir sind dabei.” Normalerweise würde sie so nicht mit sich reden lassen, doch da sie Zeitdruck hatten, sah sie darüber hinweg. Nachdenklich schaute sie auf die Bannkreise am Boden. Sie waren allesamt eingeritzt und die daraus entstandenen Kerben waren mit einer leuchtenden Flüssigkeit gefüllt. „Ihr müsst nur die Linien unterbrechen, aber eine normale Waffe reicht nicht.”, erklärte Satan ungeduldig. Shura zögerte, doch beschloss, dass ihre Idee einen Versuch wert war. Sie beschwor ihr Schwert und hatte tatsächlich damit Erfolg. Sofort verschwand das Leuchten, als die Bannkreise zusammenbrachen und Satan stützte sich mit einem leisen Aufstöhnen an der Wand ab, als seine Kräfte mit einem Mal zurückkehrten. Sofort war er von den inzwischen so vertrauten Flammen umgeben, woraufhin Konekomaru einen Schritt zurücktrat, während Shura betete, dass Satan nicht auf die Idee kam, seine Flammen an ihnen auszutesten. Glücklicherweise geschah nichts dergleichen und die Flammen verschwanden langsam. „I-Ist alles in Ordnung?”, fragte Shiemi vorsichtig, scheinbar hatte sie für einen Moment vergessen, wem sie gegenüber stand. Der Dämon nickte langsam. „Mir geht es super sobald ich Lilith Stück für Stück zu Asche verbrannt habe.”, zischte er. Shura öffnete den Mund, kam allerdings nicht zu Wort. Ein lautes Kreischen war zu hören und es war eindeutig nicht menschlich. Satan erblasste. „Azazel...”, flüsterte er und bevor jemand etwas sagen oder sich bewegen konnte, war er bereits aus der Zelle verschwunden. Konnten Dämonen nicht einmal warten?! Sofort sprintete Shura hinter her.
 

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Amaimon krachte mit einem schmerzerfüllten Laut in den harten Steinboden und er musste eingestehen, dass dieser Kamp wirklich keinen Spaß machte. Normalerweise war er einer der ersten, wenn es ums Kämpfen ging, doch das hier war weder ein Spiel noch ein spaßiger Kampf. Nicht zuletzt, weil er es einfach nicht schaffte, einen wirklichen Treffer gegen Azazel zu landen, immerhin hasste er es zu verlieren. Er rappelte sich auf, doch der Geisterkönig stand bereits vor ihm, warf ihn um, sodass er auf dem Rücken lag, griff mit beiden Händen um seinen Hals und begann zuzudrücken. Der Erdkönig ließ sich natürlich nicht so leicht überwältigen und schlug mit einer Faust auf den Boden, woraufhin ein kleines Erdbeben ausgelöst wurde und Azazel von ihm geworfen wurde. Zusammen mit Egyn versuchte er ihn erneut festzusetzen, aber natürlich war er zu schnell und da Erde ohnehin nicht besonders effektiv war, ließ sich er sich von Amaimons Angriffen kaum stören. Inzwischen war der Paladin wieder munter geworden und versuchte zusammen mit einigen Exorzisten Azazel anzugreifen, was sich jedoch als eine mehr als dumme Idee herausstellte: Angel war der einzige, der die Aktion überlebte. Die Dummheit der Exorzisten überraschte ihn immer wieder. Was danach passierte, ließ ihn zusammenfahren. Ohne Vorwarnung war eine weitere Präsenz aufgetaucht, die zwar etwas weiter weg war, doch unglaubliche Macht erahnen ließ. Wie auch die restlichen Baal und alle anderen Dämonen erkannte er sofort, von wem sie kam. ‚Scheint als konnten die Exorzisten Vater tatsächlich befreien.‘ In diesem Moment stieß Azazel ein lautes Kreischen aus, da Iblis dieses Mal tatsächlich getroffen hatte und ihn ein Exorzist zusätzlich mit Weihwasser erwischt hatte. Jetzt war es wohl nur noch eine Frage von Sekunden bis ihr Vater auf der Matte stand. Wie auf Stichwort schossen plötzlich seine Flammen aus dem Gang hervor und durchzogen einmal den Raum sodass sie von einem Kreis aus blauem Feuer umgeben waren. Mehrere von Liliths Anhängern verbrannten sofort und alle wussten, dass das erst der Anfang war.  Derweil hatten die Aveira den Rückzug angetreten, nur Superbia schien äußerst widerwillig zu sein. „Haut ihr jetzt ernsthaft ab?!”, fauchte sie ihre Schwestern an. „Ich lege mich ganz bestimmt nicht mit Satan an, wenn der im Berserkermodus ist! Wenn du unbedingt verbrannt werden willst, dann bitte. Wir haben dich sowieso immer gehasst, wäre also ein Gefallen für uns.”, höhnte Avaritia. Superbia zögerte, doch folgte ihnen schlussendlich. Sie klettern auf den Balkonen hoch und verschwanden bevor sie jemand stoppen konnte.
 

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Bon hatte absolut nicht gewusst, womit er rechnen musste. Bisher hatte er immer nur Geschichten vom scheinbar allmächtigem Satan gehört und bereits früh gelernt ihn zu hassen. Als er jedoch schlussendlich auf ihn traf, war er nicht sicher, was er denken sollte. Der Dämonengott wirkte nicht bösartig oder grausam, wenn man einmal von seiner Drohung absah. Vorwiegend schien er sich eher Sorgen um die Dämonenkönige und Rin zu machen. Während des kurzen Gespräches blieb er still, da er nicht wirklich das Gefühl hatte, etwas sinnvolles beitragen zu können. Sich hinzustellen und ihn anzuschreien, weil er seinen Tempel angriffen und mehrere Todesopfer gefordert hatte, erschien nicht wie die beste Strategie. Shima dagegen hatte natürlich nicht seinen Mund halten kommen, wie immer wenn er nervös war. Konekomaru und Shiemi schienen ein wenig verängstigt, was die Blondine dennoch nicht davon abhielt, den Dämonengott zu fragen, ob es ihm gut ging, als seine Kräfte zurückkehrten. Zugegebenermaßen war er selbst etwas nervös gewesen, da er befürchtet hatte, dass der Dämon angreifen würde, doch nichts dergleichen war geschehen. Stattdessen war ein furchtbares Kreischen zu hören, was sie zusammen zucken ließ. Satan dagegen erblasste, murmelte den Namen des Geisterkönigs und verschwand. Nie im Leben wäre Bon darauf gekommen, dass das Azazel gewesen war, aber Satan kannte seine Kinder wohl am besten. Ohne lange zu zögern, rannten sie alle hinter her und erreichten den Saal nur kurz nach ihm, wo buchstäblich Gehenna ausgebrochen war. Satan hatte ganz offensichtlich die Schnauze voll und bereits eine nicht zu verachtende Menge an Gegnern eingeäschert. Bon entdeckte Azazel, welcher trotz der Tatsache, dass er scheinbar jegliches Urteilvermögen verloren hatte, zögerte. Offenbar bemerkte er, dass er jemanden gegenüber stand, der stärker als er war, doch schlussendlich griff er doch noch an. Daraufhin wurde er zurückgeschleudert und knallte gegen eine Säule, welche bei dem Zusammenstoß tatsächlich zusammenbrach, wobei sie schon zuvor Risse gehabt hatte. Anschließend schlug er mit einem widerlichen Geräusch auf dem Boden auf und stand nicht wieder auf. Unwillkürlich zuckte Bon zusammen, denn das würde wohl mehr als nur ein paar gebrochene Knochen geben. Allerdings begann er sich langsam wieder zurückzuverwandeln und er schien noch zu atmen, also lebte er wohl. Unterdessen waren alle Dämonen, die nicht zu Lilith gehörten, vor dem Dämonenherrscher niedergekniet. Vielleicht einfach nur weil es ihr Herrscher war, aber Bon vermutete eher, dass sie darauf hofften, dass sie dadurch nicht ebenfalls eingeäschert worden. Satan stand inzwischen komplett in Flammen und seine dämonischen Merkmale traten immer mehr hervor. Auf seinem Gesicht waren einige Dämonenmale aufgetaucht, weswegen der Adept langsam die Befürchtung hatte, dass der Weißhaarige eine weitere blaue Nacht auslösen würde. Die restlichen Exorzisten waren genauso nervös, doch wagen natürlich nicht anzugreifen. Was sie jedoch alle gemeinsam hatten, war ihr vollkommen überrumpelter Gesichtsausdruck, wobei Angel dem ganzen noch die Krone aufsetzte. Er öffnete und schloss seinen Mund mehrfach, als wolle er etwas sagen, doch keine Worte kamen heraus, sodass er wie ein Fisch aussah. Derweil wurden die Flammen immer intensiver und auch wenn sie bisher angenehm warm gewesen waren, hatte keiner Zweifel daran, dass sich das ganz schnell ändern konnte. Bevor die Situation eskalieren konnte, standen glücklicherweise die Dämonenkönige neben ihm und begannen auf ihn einzureden, während Egyn neben Azazel kniete. Langsam wurden die Flammen wieder kleiner bis sie schließlich vollkommen verschwunden waren. Die dämonischen Merkmale gingen ebenfalls zurück und die Dämonenmale verschwanden. Dennoch konnte man leicht erkennen, dass er immer noch rasend vor Wut war. Zwei von Liliths Anhängern hatten dem Flammeninferno irgendwie entgehen können und versuchten sich nun zurückzuziehen, doch Satan warf ihnen nur einen kurzen hasserfüllten Blick zu und sie verbrannten ebenfalls innerhalb von Sekunden. Noch immer knieten die restlichen Dämonen nieder und wagten es nicht auch nur ein Wort zu sagen, ebenso wenig wie die Exorzisten. Man konnte die Spannung beinahe greifen, doch Satan sagte noch immer nichts. Er schien sich stattdessen einige Sekunden Zeit zu nehmen, um sich noch etwas beruhigen, dann wandte er sich an die Dämonenkönige und seine Stimme bebte vor Zorn. „Wo ist Lilith und wo ist vor allem Rin?” Obwohl er nicht übermäßig laut war und der Saal groß war, schien seine Stimme den ganzen Raum auszufüllen und jagte allen eine widerliche Kälte in ihre Knochen. Die Baal wechselten Blicke, die mehr als besorgt wirkten. Hoffentlich hatten sie noch genug Zeit, um Rin zu retten bevor Satan auf die Idee kam ganz Assiah niederzubrennen. „Lilith war in seinem Körper und ist verschwunden, aber ich denke, sie ist noch hier. Wenn wir uns beeilen, können wir sie noch einholen.”, sagte Lucifer, woraufhin Satan grimmig nickte, sich umdrehte und ohne ein weiteres Wort zum immer noch bewusstlosen Azazel ging. Sobald sie Rin zurück hatten, wäre es mehr als interessant wie der Geisterkönig diese ganze Situation erklärte.

Erinnerungen

Rückblickend betrachtet, hätte es Satan nicht wundern sollen, dass seine Söhne auf die glorreiche Idee kommen würden, die Vatikanstadt anzugreifen, obwohl Lilith immer stärker und sie immer schwächer wurden. Etwas anderes war ihnen immerhin kaum übrig geblieben und es war schlussendlich irgendwie gut gegangen, aber ihn verwunderte es sehr, dass die Exorzisten durchgekommen waren, ohne auf Widerstand zu stoßen. Allerdings hatte er keine wirkliche Zeit gehabt, sich deswegen Gedanken zu machen, da er in den Kampf zwischen den Aveira, Azazel und seinen restlichen Kindern eingreifen musste. Zugegebenermaßen war es in diesem Moment äußerst verlockend gewesen, eine weitere blaue Nacht(oder in diesem Fall Nachmittag) auszulösen und einfach alles niederzubrennen, egal ob Mensch oder Dämon, doch hatte sich glücklicherweise rechtzeitig beruhigen können. Wenn er wieder in alte Verhaltensmuster fiel, wäre das nur ein weiterer Sieg für Lilith und diesen Gedanken konnte er nicht ertragen. Er erwischte niemanden von Bedeutung, seine Kinder waren im Moment einfach wichtiger, als dass er sich die Mühe machen würde, die Verfolgung aufzunehmen. Azazel schien es den Umständen entsprechend gut zu gehen und würde wohl eine Weile bewusstlos sein, aber er hatte auf jeden Fall so einiges zu erklären. Während er sich den Geisterdämonen näher ansah, fiel ihm auf, dass seine Selbstheilung extrem langsam war und nicht all seine Dämonenmale verschwanden. Es missfiel ihm, sich nicht selbst um ihn kümmern zu können, aber Rin hatte jetzt Vorrang und inzwischen waren die Stellvertreter seiner Söhne sowie weitere Dämonen gekommen. Darunter sollte es mehr als genug Heiler geben, die sich um ihn kümmern konnten. Die Exorzisten und Dämonen, die bereits hier gewesen waren, wagten noch immer nicht, sich zu bewegen oder etwas zu sagen, wobei einer von ihnen, der wohl der Paladin sein musste, sichtlich um Worte rang und ihn mit großen Augen anstarrte. Der Dämonengott ignorierte sie allesamt, da er die Befürchtung hatte, sonst jemanden in seiner Wut anzuzünden. Alastor dagegen gehörte zu den wenigen Mutigen und wagte es, ihn in so einer Situation anzusprechen. „Alles in Ordnung? Was ist hier passiert? Und was beim Styx ist mit Azazel los?!”, fragte er mit einem verwirrten Gesichtsausdruck, doch Satan wich der Frage vorerst aus. „Es ist jetzt keine Zeit dafür, wir erklären es nachher.”, antwortete er mit überraschend gefasster Stimme, wobei dies nur eine Fassade war, die drohte, jeden Moment zu bröckeln und damit all seine Wut zu entfesseln. Ein kurzer Blick zu seinen Söhnen verriet, dass alle wohlauf waren und ließ ihn langsam etwas ruhiger werden. „Lilith hat immer noch Rin, wenn wir uns beeilen, können wir sie einholen. Ihr bleibt hier und kümmert euch um Azazel, wir gehen und fangen sie ab.”, erklärte er knapp und keiner wagte, zu protestieren. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließ er den Saal, mit den Dämonenkönigen dicht auf den Fersen.
 

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„Oh Mist, Mist, Mist, Mist...Wir sind sooo erledigt...Was ein Fiasko!”, schimpfte Invidia und trat sichtlich frustriert eine Vase vom Tisch, die den bisherigen Angriff irgendwie überlebt hatte. Avaritia verdrehte nur die Augen, den kindlichen Ausbruch ihrer Schwester weitestgehend ignorierend. Ihre Laune war bereits so im Keller und sie hatte keine Lust sich zusätzlich mit jemanden in die Wolle zu kriegen. Inzwischen hatte sie einfach nur noch genug von diesem ganzen Zirkus und wollte nach Hause. Sie hatten einen großen Fehler begangen, indem sie die Baal gnadenlos unterschätzt hatten, weswegen sie nun richtig tief in der Tinte saßen. Einen Sündenbock zu suchen, würde nicht viel bringen, sie würden wahrscheinlich ohnehin alle bestraft werden. Lilith war bei Versagen gnadenlos, daher war die Idee einfach abzuhauen und irgendwo neu anzufangen ganz verlockend. Andererseits sah sie es nicht ein, alles zurückzulassen wofür sie so hart gearbeitet hatte. „Hey, das ist nicht unsere Schuld! Wenn hier eine verkackt hat, ist es ja wohl Acedia!”, protestierte Ira währenddessen. „Wie kann man so nutzlos sein!?”
 

„Ich war überhaupt nicht nutzlos! Ich habe einen großen Teil der Angreifer ausgeschaltet!”‚ protestierte die Blauhaarige, woraufhin Superbia sie wütend anfunkelte. „Mag sein, aber sonst hast du nicht mal ansatzweise was nennenswertes vollbracht! Und du solltest mal den Mund halten, Invidia! Die Aktion mit Egyn hat absolut nichts gebracht! Was dachtest du dir dabei, ihn einfach alleine zu lassen?! Und der Rest von euch, ihr hättet viel eher da sein müssen!” Gula sagte nichts, sie stand da und fühlte sich nicht sonderlich wohl in ihrer Haut, was vor allem daran lag, dass sie genau wie Acedia so ziemlich nichts erreicht hatte. So gemein es auch klang, sie war einfach absolut nutzlos. Sowohl in Hinblick auf ihre Fähigkeiten, als auch ihre Intelligenz. Das Gezanke ging weiter, woraufhin Avaritias der Geduldsfaden endgültig riss. „Wir haben's alle vermasselt, aber vor allem Lilith. Sie hat die Baal und die Exorzisten unterschätzt, genau wie der Rest von uns und war schlecht auf einen Angriff vorbereitet. Das Hauptquartier zu besetzen, war 'ne miese Idee.”, sprudelte es aus ihr hervor, bevor sie sich bremsen konnte. Fast alle dachten genauso, es wurde Zeit, dass es endlich jemand aussprach! „Schon allein, dass wir keine Ahnung von der Technologie der Vergänglichen haben, macht uns doch nur zu noch einfacheren Zielen! Wir wissen ja nicht mal wie eine Alarmlage oder wie auch immer Azazel das genannt hat, funktioniert oder wie man diese Überwachungsdinger bedient!”
 

„Mir hat er immer irgendwas von Vizipedia oder sowas erzählt, wenn ich was dazu gefragt hab...”, murmelte Acedia, was Avaritia gekonnt ignorierte. „Assiah ist nichts für uns, Gehenna reicht doch vorerst aus! Klar, über alles herrschen ist besser, aber wir haben momentan einfach nicht genügend Ressourcen! Allein ihre Idee, die Baal am Leben zu lassen, damit sie sie noch etwas quälen kann, ist komplett daneben! Sie sind die einzigen, die uns wirklich in die Quere kommen können, also hätten wir sie verdammt nochmal erledigen sollen, als wir die Chance hatten. Oder wir hätten Egyn gefangen nehmen können, als er alleine war und den Rest damit in eine Falle locken können, aber nein, ihre Majestät will das ja nicht! Jetzt sind wir Azazel los, den Nephilim sicher auch bald, Satan ist frei und die Exorzisten haben ihr Hauptquartier zurück. Mag sein, dass wir immer stärker werden, aber das werden sie sicher auch nach diesem Sieg. Liliths Arroganz wird ihr uns noch allen zum Verhängnis! Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass das hier eine der größten und peinlichsten Niederlagen in der Geschichte Gehennas und Assiahs ist!” Angriffslustig sah sie sich um, als wolle sie die anderen Todsünden dazu auffordern, ihr zu widersprechen, aber sie alle blieben still, bis auf Superbia, welche vor Wut rot angelaufen war. „Was weißt du schon!?”, fauchte sie. „Wie kannst du es wagen unsere Meisterin in Frage zu stellen?! Dank ihr sind wir überhaupt erst so weit gekommen-
 

„Nein...”, warf Acedia zur Überraschung von allen ein. „Eigentlich haben Ira, Invidia, Luxuria und Avaritia die meiste Arbeit gemacht. Ohne sie säßen wir immer noch in Gehenna.” Gula nickte zustimmend und Avaritia lachte spöttisch in Richtung Superbia. „Da, sogar die beiden kapieren es. Nur du bestehst weiterhin drauf, Schoßtier zu spielen. Ganz ehrlich, du bist so erbärmlich, ich bin angewidert, dass ich mit dir verwandt bin.” Superbia trat einen Schritt nach vorn, doch Ira trat dazwischen. „Ava hat recht, das hier ist reine Zeitverschwendung.”, stimmte sie zu. „Assiah unterwerfen ist ja schön und gut, aber wir hätten nicht das hier besetzen sollen, wenn wir nicht für vorbereitet sind. Erst mal hätten wir uns weiterhin in Gehenna vorbereiten sollen, dann wäre die Sache wahrscheinlich anders ausgegangen. Wir haben inzwischen mehr als genug Fehler gemacht, die uns den Hals kosten könnten!”
 

„Lassen wir das, es bringt nichts.”, seufzte Luxuria ungewohnt ernst. „Wir kämpfen hier auf verlorenen Posten. Ziehen wir uns zurück und warten auf weitere Befehle.” Avaritia konnte sich gerade noch so das Schnauben verkneifen. Sie hatte Befehle so satt. ‚Lilith hat schon so viel und wir haben davon bisher nichts gesehen, aber wehe es kommen Fehler auf, dann sind sofort wir schuld. Ich lasse mich nicht mehr ausnutzen. Ich will, was mir zusteht und wenn ich es mir selbst holen muss, dann sei es so. Mir stellt sich keiner mehr in den Weg.‘, beschloss sie düster.
 

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Yukio verfluchte wieder Mal die Dämonenkönige, weil sie es für eine gute Idee gehalten hatten, ihn zu irgendwelchen Verletzten zu schicken, anstatt ihn kämpfen zu lassen. Ja, er wollte Arzt werden und Menschen helfen und Exorzisten mit Doctor Meister waren extrem momentan eher rar, aber diese Unwissenheit, was gerade passierte, war absolut nervenaufreibend. Abgesehen davon war er sich nicht ganz sicher, was er davon hielt, sich mit mehreren Dämonen die Arbeit zu teilen. Die meisten verstanden er und die anderen Exorzisten nicht, weswegen eine Zusammenarbeit eher kontraproduktiv war und man sich darauf einigte, dass die Heiler die Dämonen übernahem, während die Exorzisten die Menschen versorgten. Er war gerade fertig geworden, eine durch einen Guhl verursachte Verletzung zu behandeln, als sich die Türen öffneten und einige Exorzisten, darunter auch die aus dem Stift, den Raum betraten. Nagatomo entdeckte ihn schnell und kam zu ihm herüber. „Alles klar bei dir?”, erkundigte er sich, woraufhin der Brillenträger angespannt nickte und aufstand. „Muss es wohl. Wisst ihr irgendetwas neues?” Die Mönche wechselten einen kurzen Blick, dann begann Izumi zu sprechen. „Wir wissen nur, dass die Todsünden geflohen sind, mehr nicht.” Erneut öffneten sich die Türen und weitere Exorzisten betraten den Raum, darunter Shura, welche sofort auf ihn zukam. „Und? Was ist jetzt? Wo sind die anderen? Ist es vorbei?”, fragte er die Rothaarige angespannt, während die Mönche sie ebenfalls erwartungsvoll ansahen. „Tja, sagen wir mal, es gab ein paar Probleme.”, berichtete Shura grimmig. „Wir sind Lilith begegnet, sie hatte von Rin Besitz ergriffen und die Todsünden plus Azazel auf uns gehetzt, also mussten die Adepten und ich Satan befreien. Aus unbekanntem Grund waren dort keine Wachen, nicht dass ich mich beschwere. Satan hat jedenfalls ordentlich aufgeräumt und Azazel ausgeknockt, jetzt verfolgen er und die Baal Lilith, um Rin zu retten. Den Adepten geht es gut, sie sind in einem anderen Zimmer und sollen bei der Behandlung der Verletzten Unterstützung leisten.” Yukio nickte langsam, erleichtert, dass es dem Rest gut ging, aber besorgter denn je um seinen Bruder. „Also war der Geisterkönig wirklich ein Verräter?”, erkundigte sich Nagatomo vorsichtig. „Scheint so, genaueres werden wir erst wissen, wenn er wieder wach ist. Ich beneide ihn nicht, die Konfrontation mit Satan und den Baal dürfte echt hässlich werden. Es wird allerdings dauern, einen normalen Menschen hätte die Wucht getötet mit der Satan ihn in die Wand geschleudert hat. Zu seiner Verteidigung muss man aber sagen, dass Azazel mehr oder weniger komplett am durchdrehen war.”, seufzte sie und streckte sich kurz. Yukio fragte sich wirklich, wie sie so ruhig bleiben konnte, vor allem nachdem sie Satan gegenübergestanden hatte. Ein Teil von ihm -sowie die Mönche, wobei die ihm immerhin schon einmal mehr oder weniger begegnet waren und nicht scharf auf ein zweites Treffen waren- wollten Shura fragen, wie der Dämonengott gewesen war, aber ließen es dann doch vorerst bleiben, immerhin hab es momentan wichtigere Angelegenheiten. „Hoffentlich geht es Rin gut.”, murmelte Izumi betroffen und wrang sichtlich nervös seine Hände. „Er hat genug durchgemacht und ich will ihn wirklich nicht noch mehr leiden sehen.” Betretende Stille herrschte, die von einem anderen Exorzisten unterbrochen wurde. „Hey, was steht ihr da rum und haltet Kaffeekränzchen ab?! Hier sind ein Haufen Verletzte, also los!”, rief er verärgert. Das holte sie in die Gegenwart zurück und sie machten sich sofort wieder an die Arbeit.
 

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Lilith zu finden, war einfacher als gedacht. Trotz seiner langen Gefangenschaft und der darauf folgenden Schwäche, war Satan jeglichem Widerstand weit überlegen. Er vernichtete jeden Dämon, der Liliths Siegel trug oder Anstalten machte, anzugreifen. Unter seinen Opfern waren mehrere Exorzisten, welche sich auf die Seite der Dämonengöttin gestellt hatten, allerdings zogen die meisten die Flucht vor und er ließ sie ziehen. Sollte sich die Ritterschaft um diese Parasiten kümmern, er hatte jetzt ein anderes Problem und das hieß Rin. Er konnte die Aura des Nephilims leicht spüren, obwohl Liliths Aura sie beinahe komplett überschattete. Folglich stecke sie noch in seinem Körper, was ihn nur noch wütender werden ließ. Wie konnte sie es wagen, Rin derart auszunutzen?! Schlussendlich fand er seinen besessenen Sohn in einem weiteren Saal, zusammen mit einigen Dämonen, die schnell besiegt waren. Gegen die komplette Königsfamilie hatten sie keine Chance, vor allem da sie das Amulett nicht verwenden konnten. Wirklich praktisch, dass sie einen derartigen strategischen Fehler begangen und es verfrüht eingesetzt hatten. Offenbar wurde sie unvorsichtig und er war sicher, dass es nicht ihr letzter Fehler bleiben würde. Die Dämonin beobachtete mit einem gelangweilten Gesichtsausruck das eher einseitige Gemetzel und setzte sich erst in Bewegung, als die Baal zum Angriff gegen sie ansetzten. Sofort schnitt sie deren Weg mit Rins Flammen ob und wollte die Ablenkung nutzen, um zu verschwinden, aber Satan stand vor ihr, bevor sie auch nur einen Meter weit kam. Wissend, dass es vorbei war, verschränkte Lilith die Arme und sah ihn mit einem schiefen Grinsen an, offensichtlich nicht ansatzweise besorgt oder verängstigt. Satan kannte sie jedoch und wusste, dass sie innerlich tobte. Eine derartige Niederlage zerrte gehörig an ihrem Ego, zumal sie nun nichts mehr gegen ihn in der Hand hatte. Am liebsten hätte er sie hier und jetzt für alles bezahlen lassen, doch da sie noch immer Rins Körper besetzte, würde daraus nichts werden. Wenn ein Dämon jemanden übernahm, blieb der eigene Körper zurück, wodurch der Dämon extrem verwundbar war, daher lag die Vermutung nah, dass ihr eigener Körper wieder in Gehenna war und er folglich nicht an sie herankommen würde. „Glaube nicht, dass es damit erledigt ist. Ihr habt eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg.”, verkündete sie mit einem gehässigen Grinsen, welches ein wenig gezwungen wirkte. „Allerdings muss ich wohl einige Wachen umbringen. Die Exorzisten sollten nicht so leicht durchkommen.”, fügte sie mit einem düsterem Gesichtsausdruck hinzu und überlegte offensichtlich bereits, wie sie die Versager genau bestrafen würde. Satan ging nicht darauf ein, sondern baute sich vor ihr auf und starrte mit einem mörderischen Gesichtsausdruck auf sie herab, während seine restlichen Söhne ihr alle Fluchtwege abschnitten. „Verschwinde aus seinem Körper. Sofort.”, zischte er mit leiser Stimme, in der ein gefährlicher Unterton mitschwang und wie eine kalte Klinge durch die Luft zu schneiden schien. Seine Flammen reflektierten zusätzlich seine wahren Gefühlen, sie loderten hell um ihn herum und bäumten sich auf wie hungrige Raubtiere, doch Lilith war nicht beeindruckt und wollte ihre typische "Haar-zurückwerf-Pose" machen, bis er offenbar einfiel, dass das in diesem Körper nicht funktionieren würde. Stattdessen musste sie sich mit einem genervten Augenrollen zufrieden geben und starrte ihn herausfordernd an. „Na los, mach schon. Greif an, das ist es doch, was du willst, nicht wahr?”, stichelte sie. „Wir wissen beide, dass er eine Gefahr für alle ist und da ich ihn schon so lange besetze, werdet ihr mich kaum austreiben können. Also tu es, verbrenne ihn. Er ist ein Risiko und war sowieso nur ein Unfall. Der vierte um genau zu sein.”, fügte sie kichernd hinzu, woraufhin Lucifer, Samael und Iblis gleichzeitig die Zähne bleckten. Satan spürte wie erneut der Zorn in ihm aufstieg, aber schluckte ihn hinunter und konzentrierte sich darauf, was wichtig war: Sie aus Rin rauszubekommen. Er würde sich nie wieder von ihr manipulieren lassen, erst recht nicht, wenn es um seine Familie ging. Er griff Rin am Arm und zog ihn näher zu sich, dann legte er eine Hand auf dessen Stirn und begann damit etwas in Henochisch zu rezitieren, einen alten gehennischen Dialekt, den nur wenige sprachen und vor allem für alte Rituale und Praktiken verwendet wurde, die teilweise sogar verboten waren. In Assiah gab es ebenfalls Henochisch, allerdings hatte es wenig mit der gehennischen Variante zu tun und war erst irgendwann im 16. Jahrhundert aufgetaucht. Lilith hatte erkannt, was er vorhatte und versuchte sich dagegen zu wehren, indem sie Gegenformeln aufsagte, doch Satan ließ nicht locker und machte weiter, bis es ihm endlich gelang die Dämonin aus Rins Körper zu vertreiben. Sofort brach der Nephilim zusammen und er fing ihn auf. „Wie geht es ihm?!”, fragte Egyn sofort und wollte ihn wahrscheinlich mit tausend weiteren Fragen bombardieren, aber verstummte sofort, als er das Gesicht seines Vaters sah. „Ihm scheint es soweit gut zu gehen, aber um seinen geistigen Zustand sollten wir uns Sorgen machen.”, antwortete der Dämonenherrscher düster und wandte sich Richtung Ausgang. „Bringen wir ihn erst mal in Sicherheit, dann sehen wir weiter. Hoffentlich ist dieser Paladin nicht ganz so nutzlos wie er aussieht und hat angefangen den Rest zurückzuerobern.” Er sah auf Rin hinunter und musste ein Grollen unterdrücken, da ihm nun besonders gut auffiel, wie abgemagert und blass er war. Schweiß stand ihm auf der Stirn und sein Atem war schwer und unregelmäßig. ‚Hoffentlich hat sie ihm nichts von ihrem Blut gegeben.‘, flehte er im Stillen.
 

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Die nächsten Stunden vergingen wie im Fluge und wirkten eher wie ein Traum. Zu Shuras Erleichterung war Rin in Sicherheit und wurde bereits behandelt, leider durfte niemand zu ihm. Momentan waren sie allerdings ohnehin mit anderen Dingen beschäftigt. Es gelang Liliths verbliebene Anhänger zu vertreiben und das Hauptquartier zurückzuerobern, wobei Satan und die Baal wohl am tatkräftigsten waren. Die meisten von Liliths Leuten waren bereits geflohen, wer noch hier war und sich nicht ergab, wurde niedergemetzelt, egal ob Mensch oder Dämon. Die Exorzisten gingen dabei auf Abstand und ließen die Dämonen arbeiten, sodass nach nicht mal einer Stunde das Hauptquartier wieder ihnen gehörte und man beschloss, eine Krisensitzung einzuberufen, in der das weitere Vorgehen geplant werden sollte. Anwesend waren Satan, seine Kinder (natürlich minus Rin und Azazel), die Stellvertreter und mehrere Ratsmitglieder. Von den Exorzisten kamen die Grigori, Angel, einige Zweigstellenleiter und Shura. Diese wünschte sich wirklich weit weg, denn es war eine mehr als unangenehme Situation, was nicht zuletzt daran lag, dass alle Exorzisten Satan anstarrten, als hätte er drei Köpfe. Natürlich war es vorhersehbar gewesen, aber nerven tat es dennoch. Satan schien diese Einstellung zu teilen, da er das Starren mit einigen bösen Blicken erwiderte, woraufhin sie fast sofort aufhörten. Mit so vielen Kindern war es wohl keine Verwunderung, dass er viel Übung hatte. „Ich denke, wir alle wissen, weswegen wir hier sind.”, eröffnete einer der Grigori die Diskussion. „Wir haben das Hauptquartier zurück, doch die Vatikanstadt ist zum großen Teil noch immer unter Liliths Kontrolle, genau wie Europa, Teile Afrikas und Südamerikas und fast ganz Asien und Nordamerika. Damit ist sie eindeutig im Vorteil. Wir dürfen uns jetzt keine Fehler erlauben.”
 

„Sie wird doch wohl kaum genug Leute haben, um alles zu halten. Wenn wir nachtreten, solange sie am Boden sind, sollte das kein Problem sein.”, warf ein Exorzist ein, was Alastor ein kurzes, kaltes Lachen entlockte. „Seid ihr wirklich naiv genug um zu glauben, dass es so einfach ist?”, fragte er angriffslustig. „Nur weil sie uns diesmal unterschätzt hat, heißt es nicht, dass sie es wieder tut. Sie hat mehr Leute und mehr Ressourcen, während sich bei uns fast alle an die Gurgel springen. Jetzt übermütig zu werden, würde uns das Genick brechen. Die wenigstens Menschen werden es wagen sich gegen sie zu stellen, also können wir nicht wirklich mit der Hilfe anderer Länder rechnen.” Da konnte Shura nur zustimmen. Lilith hatte Fehler gemacht, aber das garantierte nicht, dass sie das weiterhin tun würde. Sie mussten ihre nächsten Schritte sorgfältig planen, andernfalls würde sie alles, was sie sich so mühevoll erkämpft hatten, wieder verlieren. „Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass sie Rin nicht mehr hat und damit die blauen Flammen verloren hat.”, gab Paymon zu Bedenken. „Trotzdem hält sie überall noch die Fäden in der Hand. Die meisten Sterblichen sind verängstigt und dass plötzlich so viele Dämonen sehen können, macht es nicht besser.”, hielt Ankou dagegen. „Vielleicht sollten wir uns zunächst überlegen, was Liliths nächste Schritte sein könnten.”, warf unerwarteterweise Angel ein, was Shura eine Augenbraue anheben ließ. So sehr es ihr widerstrebte es zuzugeben, der Glatzkopf hatte ein Argument. Jedoch drehte sich sofort ihr Magen um, als er sich Richtung Satan wandte. ‚Bitte sage nichts dummes und pisse ihn an! Bitte sage nichts dummes und pisse ihn an! Bitte sage nichts dummes und pisse ihn an! Bitte sage nichts dummes und pisse ihn an!‘, wiederholte sie gedanklich wie ein Mantra. „Du warst zwar eingesperrt, aber irgendwas muss Lilith erzählt haben.”, stellte er fest und auch wenn diese Frage gerechtfertigt war, konnte Shura nicht anders als sich zu fragen, ob es eine gute Idee war, den Gott aller Dämonen zu duzen. Nun, jetzt war es ohnehin zu spät. Satan schien es nicht zu stören, er zuckte einfach mit den Schultern. „Nein, sie hat mir nichts erzählt, andernfalls hatte ich es längst erwähnt.”, antwortete er knapp. „In der Regel hat sie nur in Siegen geschwelgt, mich verspottet oder meine Söhne bedroht. Sie ist nicht so dumm und verkündet lauthals ihre Pläne.” Shura konnte leises Gemurmel hinter sich hören, aber ignorierte es und dachte stattdessen über seine Worte nach. Es fiel ihr immer noch schwer, sich Satan als Vater vorzustellen, sie hatte immer gedacht, dass er die Baal einfach machen ließ, solange sie ihm nicht in die Quere kamen, doch von dem was sie von ihnen und Rin gehört hatte, war er tatsächlich sehr besorgt um sie. So gesehen waren sie wohl tatsächlich seine Achillesferse, weswegen es Sinn machte, dass Lilith sich das zu Nutzen machte. „Also ist sie nur gekommen, um anzugeben und ist dann einfach gegangen?!”, fragte Angel ungläubig. „Schön wär's.”, murmelte Satan, was scheinbar nur Shura hörte. „Aber ja, sie hat mir nichts gesagt.” Die anderen Exorzisten schienen ihm nicht wirklich zu glauben, doch Shura war sich tatsächlich sicher, dass er die Wahrheit sagte. Er hatte keinen wirklichen Grund zu lügen, auch wenn seine gemurmelten Worte sie vermuten ließ, dass Lilith sicherlich mehr getan hatte als ihn nur zu verspotten, aber sie wollte da wirklich nicht nachbohren. Glücklicherweise wechselte einer der Zweigstellenleiter das Thema. „Vielleicht kann uns der Nephilim weiter helfen. Er müsste doch etwas wissen.” Shax schüttelte allerdings den Kopf. „Ich bezweifle, dass er irgendetwas mitbekommen hat. Er wird sowieso noch eine Weile bewusstlos sein und viel Zeit zum erholen brauchen, genau wie Azazel.” Shura biss sich auf die Lippe, um einen Kommentar zu verkneifen. Sie war schon zuvor nicht wirklich schlau aus dem Geisterkönig geworden und jetzt etwas falsches zu sagen, könnte Ärger bedeuten. Lieber wartete sie ab und schaute wie sich alles entwickelte und wie sich vor allem Satan verhielt. Wahrscheinlich steckte weit mehr dahinter, als es den Anschein hatte. Angel konnte sich allerdings nicht zurückhalten. Leider schien das Universum ihr flehendes Mantra von vorhin falsch verstanden zu haben. Der Paladin schnaubte abfällig und brabbelte auch schon los. „Diesen Verräter sollten wir einfach befragen und anschließend hinrichten!” Satan, welcher bisher seine offensichtliche schlechte Laune im Zaun halten konnte, gab sich gar nicht erst die Mühe seine Flammen zurückzuhalten. Sofort schossen sie hervor, was sämtliche Exorzisten zusammenzucken und zurückweichen ließ, manche griffen sogar nach ihren Waffen. Die Dämonenkönige machten ebenfalls alle einen Schritt zurück, doch wirkten nicht weniger wütend als ihr Vater. Shura verfluchte derweil den Paladin und sein vorlautes Mundwerk, doch es kam glücklicherweise zu keiner Eskalation. „Halte dich besser aus Dingen raus, die du nicht verstehst!”, zischte Satan dem Paladin zu, die anderen Exorzisten ignorierend. „Ach, täusche ich mich etwa oder er hat nicht selbst zugegeben ein Verräter zu sein? Vielleicht ist es nicht allen aufgefallen, vor allem da einige fast den ganzen Kampf in einer Zelle saßen und sich dort entspannt haben.” Seine Worte ließen Shuras Atem stocken. ‚Oh Scheiße, das hat er jetzt nicht gesagt.‘, dachte sie entsetzt und bereitete sich schon darauf vor, aus dem Weg zu hechten. Es war still genug, um eine Stecknadel fallen zu hören und die Anspannung war fast greifbar. Sogar Angel schien nun zu bereuen, was er soeben gesagt hatte, denn er wurde langsam blass. Anscheinend besaß der Glatzkopf doch einen Hauch von Verstand. Satan rang sichtlich um Fassung bevor er antwortete und Shura konnte nicht anders, als ihn dafür zu bewundern, dass er ruhig blieb. „Sagt derjenige, der beim wichtigsten Kampf fast sofort bewusstlos geschlagen wurde und noch dazu nur dumm drein schaut, wenn etwas unerwartetes passiert. Spar dir einfach die dummen Kommentare.” Sofort wurde der Paladin rot und Shura konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Der Dämonengott redete jedoch sofort weiter. „Ja, Azazel hat zugegeben ein Verräter zu sein, allerdings bin ich ziemlich sicher, dass mehr dahinter steckt. Er wird für seine Taten zur Verantwortung gezogen werden, aber zuerst müssen wir diesen Krieg gewinnen. Ich denke, es macht am meisten Sinn, den Rest der Vatikanstadt einzunehmen und darauf zu warten, dass Azazel und Rin aufwachen. Dann sehen wir weiter.” Alle stimmten zu, die Exorzisten sehr zögerlich, doch da niemand bessere Ideen hatte, blieb nur der Vorschlag des Dämonenherrschers. Sie lösten die Versammlung auf und machen sich an die Arbeit.
 

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Sechs Stunden vergingen, dann kam Shax zu ihnen mit der Nachricht, dass sie zu Azazel konnten. Zwar war er schon vor Stunden aufgewacht, aber er wollte ihn vorher noch einmal genau untersuchen. Er hatte extrem besorgt gewirkt, weswegen Satan ihm nicht widersprochen hatte. Unterdessen waren sie am Kampf zur Rückeroberung der Vatikanstadt beteiligt gewesen und anschließend bei Rin geblieben, der noch immer nicht aufgewacht war. Es besorgte sie, da er normalerweise nicht so lange bewusstlos bleiben sollte, andererseits hatte Lilith ihn extrem überstrapaziert. Da sie allerdings momentan nichts für ihn tun konnten, sie endlich mit Azazel reden wollten und Agares in ihrer Abwesenheit ein Auge auf den Nephilim haben würde, machten sie sich gemeinsam auf den Weg. Azazel war etwas weiter weg von den anderen Verletzten untergebracht und alleine in dem Zimmer. Da er vorerst gewissermaßen ein Gefangener war, hatte man den Raum mit mehreren Siegeln und Talismanen abgesichert. Zwar passte ihnen das nicht wirklich, aber solange sie nicht wussten, was genau los war, konnten man ihn nicht frei rumlaufen lassen. Sowohl zu seinem eigenen Schutz, als auch den der anderen. Sie warteten einige Minuten in dem Vorraum, dann stieß Shax zu ihnen, sichtlich besorgt. „Tut mir leid, dass ich euch nicht eher geholt habe, aber es gibt Probleme. Ich komme einfach direkt zum Punkt: Nachdem Azazel aufgewacht war, habe ich ihn mir sofort genauer angesehen und die Situation ist wesentlich ernster als erwartet.”, sagte er. „Was soll das heißen?” fragte Satan scharf, woraufhin der Erzdämon seufzte. „Sein Körper und sein Geist sind in einem schlechterem Zustand als ich zunächst dachte und ich kann die Ursache nicht finden. Er ist, wie ihr wisst, extrem abgemagert, Stellen seiner Haut und seines Fleisches sind langsam dabei abzusterben und seine Selbstheilung ist sehr langsam. Ich habe es nach einer Weile geschafft ihn dazu zu bringen etwas zu essen, aber er hat es sofort erbrochen, zusammen mit jeder Menge Blut und einer seltsamen schwarzen Flüssigkeit. Also habe ich mich nochmal auf innere Verletzungen konzentriert und dabei nicht nur Blutarmut festgestellt, sondern auch, dass sein Dämonenherz sehr in Mitleidenschaft gezogen ist. Ich denke, ich muss nicht erklären, worum er momentan eine tickende Zeitbombe ist. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass sich etwas durch seinen Körper gefressen hat.”
 

„Durch seinen Körper gefressen?!”, echote Egyn entsetzt und auch der Rest starrte Shax sprachlos an. Dieser nickte düster. „Ich dachte erst an Parasiten, aber das passt nicht, vor allem wenn man seinen geistigen Zustand in Betracht zieht. Er hört offenbar immer noch Stimmen, murmelt irgendwas vor sich hin und hat Stimmungsschwankungen. Als ich kurz das Zimmer verlassen habe, hat er sich die Arme komplett aufgekratzt sowie einen Teil seines Halses und wollte sich dann noch die Augen auskratzen. Es kann sein, dass das ein Selbstmordversuch war, aber ich glaube es eher weniger, da er kurz darauf vor sich hingemurmelt hat, dass "Es" aus seinem Körper verschwinden soll. Gut möglich, dass das Halluzinationen sind, aber es könnte auch etwas dahinter stecken. Inzwischen hat er sich wieder beruhigt, aber wenn ich mir so seine Augenringe ansehe, denke ich auch, dass er eine ganze Weile nicht mehr geschlafen hat. Das könnte die Halluzinationen hervorrufen.” Satan hatte keine Ahnung, was er dazu sagen. Er wusste, dass Azazel offensichtlich Probleme hatte und die Schlafstörungen hatten bereits die Heiler festgestellt. Später kamen noch diese ständigen Blackouts dazu, aber dass es so schlimm war, hätte niemand gedacht. Wenn die Heiler damals nichts gefunden hatte, musste später alles wahnsinnig schnell gegangen sein. Erneut spürte er wie seine Schuldgefühle sich bemerkbar machten. Warum hatte er nicht mehr auf ihn geachtet? „Wie können wir ihm helfen?”, fragte Amaimon und sah seinen Vater und Shax fragend an. Zum ersten Mal wusste keiner der beiden eine Antwort. „Für mich klingt das mit dem Blut erbrechen und so sehr nach der roten Seuche. Da waren die Opfer innerlich so gut wie zerfressen.”, gab Iblis zu Bedenken, woraufhin Shax seufzte. „Das war einer meiner ersten Gedanke, aber die anderen Sachen passen nicht, also können wir sie ausschließen. Es macht außerdem keinen Sinn, dass Lilith ihn damit infizieren würde.”
 

„Bei der weiß man nie.”, murmelte Astaroth. „Können wir ihn jetzt sehen?”, fragte Satan und Shax nickte. „Er war etwas verwirrt und hat mich kaum erkannt, aber ist inzwischen wieder halbwegs klar im Kopf. Ich bin auf jeden Fall auf seine Erklärung gespannt.”, fügte er etwas bitter hinzu. Gemeinsam betraten sie das Zimmer und Satans Augen verengten sich, als er das Blut auf den Boden sah. Der Geisterdämon saß gegen die Wand gelehnt, die Knie angezogen und das Gesicht darin vergraben. Sofort fielen die vor kurzem noch blutenden Kratzer an seinen Armen auf. „Ich lasse euch erst mal alleine. Ruft, wenn ihr etwas braucht.” Azazel hatte sich noch immer gerührt, doch war leicht zusammengezuckt, als die Tür ins Schloss gefallen war. Für einige Sekunden herrschte Stille, dann ergriff Satan das Wort. „Azazel, bitte sag uns endlich, was los ist. Es ist vorbei, mach es nicht noch schwerer. Wir wollen dir nur helfen.” Langsam hob der Schwarzhaarige den Kopf und sah ihn an, die Augen kalt und leer. „Es spielt keine Rolle.”, flüsterte er mit heiserer Stimme und hustete, wobei erneut Blut mit hervor kam. „Wir wissen alle, wie Verrat bestraft wird. Tötet mich einfach jetzt, dann haben wir's alle hinter uns.”
 

„Sag mal, spinnst du?!”, fauchte Iblis gereizt. „Jetzt hör endlich auf, Drama Queen zu spielen und reiß dich verdammt nochmal zusammen! Nur weil es dir beschissen geht, ist das kein Grund in Selbstmitleid zu versinken! Du bist nicht der einzige, dem das zusetzt. Also mach jetzt endlich den Mund auf und sage, was dein verficktes Problem ist!” Satan beschloss, ausnahmsweise seine Redensweise zu ignorieren. „Auch wenn ich es anders formulieren würde: Er hat recht.”, sprang Beelzebub ein. „Aza, du machst es nur noch schlimmer. Es sind heute haufenweise Dämonen und Exorzisten gestorben. Ein großer Teil Gehennas und Assiahs liegt in Trümmern, wir wissen kaum noch weiter und viele wollen deinen Kopf für den Verrat. Das mindeste, was du tun könntest, ist uns endlich die Wahrheit zu sagen.”
 

„Wenn nicht für uns, dann tu es für Rin, der reingezogen wurde, obwohl er nichts dafür konnte.”, ergänzte Samael ungewohnt ernst und starrte seinen jüngeren Bruder durchdringend an. So gesehen musste er wohl still sein, da er Rin in Assiah ebenfalls ausgenutzt hatte, aber dies ging einfach zu weit. „Er ist noch bewusstlos, aber wenn er erst aufwacht, wird es ihn ganz besonders interessieren, was dir durch den Kopf ging. Vor allem nachdem er uns endlich vertraut hat.”, ergänzte Lucifer. Für einige Sekunden wirkte Azazel erleichtert. „Also habt ihr Rin wieder? Ihm geht es gut?” Die Baal und Satan wechselten einen kurzen Blick. „Das kommt darauf an, was du unter gut verstehst.”, antwortete der Dämonenherrscher langsam. „Aber um ihn soll es nicht gehen. Shax hat uns erzählt, dass dein Körper und Geist kurz vorm aufgeben sind. Meinst du nicht, dass das alles lange genug ging? Wenn du bereust, was passiert ist und man kann dir ansehen, dass das der Fall ist, dann versuche es zumindest ein wenig wieder gut zu machen und sage, was los ist.” Azazel zögerte und für einen Moment glaubten sie, durchgedrungen zu sein, doch dann senkte er den Kopf. „Ich...Ich kann nicht.”, brachte er hervor. „DU VERDAMMTER ARSCH, WAS WILLST DU DENN NOCH?!”, brach es nun aus Astaroth hervor. „Sollen wir auf Knien flehen?! Macht es dir Spaß uns zappeln zu lassen?! Was stimmt nicht mit dir?! Erst gehst du uns allen aus dem Weg, obwohl wir dir nur helfen wollen-”
 

„Ich kann euch nicht sagen, was los ist und ihr könnt nicht helfen, kapiert es doch endlich!”, fauchte Azazel zurück, doch der jüngere Baal ließ nicht locker. „Wir haben uns Sorgen um dich gemacht, wollten dir helfen, nur um dann zu erfahren, dass du uns offenbar seit Jahren angelogen hast und ein Verräter bist! Dann kämpfst du gegen uns und jetzt hast du die Nerven nichts dazu zu sagen?! Wenn du keinen Bock mehr auf deine eigene Familie hast und Lilith bevorzugst, dann sag es einfach, weil wir auf so seinen Bruder locker verzichten können! Dann bist du eben für uns gestorben und fertig!” Stille herrschte und für einen Moment starrten die anderen Dämonenkönige ihre Bruder an, dem gerade klar wurde, was er gesagt hatte und es sofort bereute. Azazel sagte nichts, er saß immer noch mit gesenkten Kopf auf Boden und zitterte, als würde er versuchen, Schluchzer zu unterdrücken, Astaroth öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen, Satan kam ihm zuvor. „Raus. Wir reden dort weiter.”, sagte er streng. „Aber-”, setzte Amaimon zum Protest an, der schnell erstarb. Shax warf ihnen einen fragenden Blick zu, als sie den Raum verließen, aber Satan schüttelte nur den Kopf, um ihm deutlich zu machen, dass sie später reden würden. Der Dämon nickte, stand auf und ging wieder zu Azazels ins Zimmer. Sie verließen den Raum und gingen schweigend einige Türen weiter, bis Satan sie in leeres Konferenzzimmer scheuchte. Kaum hatte er die Tür geschlossen, fuhr Egyn auch schon Astaroth an. „Was stimmt nicht mit dir?! "Dann bist du eben für uns gestorben und fertig!" Was sollte das?!”
 

„Ich war frustriert, ok?!”, antwortete der jüngere Baal nicht weniger gereizt, schien sich jedoch schuldig zu führen. „Es ist mir einfach rausgerutscht! Wenn er uns sagen würde, was das Problem ist, anstatt in Selbstmitleid zu versinken, wäre das nicht passiert! Ich wollte mich ja auch entschuldigen.” Samael seufzte genervt. „Du bekommst wirklich gar nichts mit, oder?” Er erhielt dafür einen genervten Blick. „Was soll das denn jetzt wieder heißen?”, fragte Iblis gereizt. Samael setzte zur Antwort an, Satan kam ihm zuvor. „Azazel hat es selbst gesagt: Er kann es nicht sagen und wir können ihm nicht helfen. Er meinte das wörtlich.” Endlich fiel der Groschen. „Also...er möchte uns sagen, was los ist, aber kann es nicht.”, fragte Amaimon zögerlich, woraufhin sein Vater nickte. „Ganz genau. Für mich klingt es, als hätte er eine Abmachung mit Lilith abgeschlossen, die es ihm verbietet irgendetwas zu sagen.”
 

„Das wirkt etwas weit hergeholt, es macht jetzt nicht wirklich Sinn.”, gab Beelzebub zu Bedenken. „So wie es aussieht, hat er schon für Lilith gearbeitet noch bevor Rin nach Gehenna kam. Um eine derartige Abmachung abzuschließen, müssen beide anwesend sein und Lilith war versiegelt.”
 

„Dann muss es vor der Versieglung passiert sein.”, antwortete Amaimon, woraufhin Samael den Kopf schüttelte. „Warum hat er sie dann nicht gewarnt oder versucht das Versieglungsritual zu sabotieren?” Lucifer nickte langsam. „Irgendetwas übersehen wir...nehmen wir mal an, dass er wirklich nicht freiwillig für sie arbeitet. Irgendwann muss die Zusammenarbeit trotzdem begonnen haben und ich kann mich nicht erinnern, dass er ihr während des Krieges jemals alleine gegenüber stand.” Erneutes Schweigen folgte, dann ergriff Samael erneut das Wort. „Es gibt wohl nur einen Weg es rauszufinden: Ich drehe die Zeit zurück und wir sehen es uns selbst an.”
 

„Aber dafür müsstest du genau wissen, wann es passiert ist. Willst du wirklich die gesamte erste Rebellion durchgehen?”, fragte Astaroth. „Ich bin überrascht, dass du das weißt.”, sagte Lucifer trocken. „Ich dachte immer, du hast in Okkultismus immer nur Galgenraten gespielt.” Astaroth wollte erst zu einer schnippischen Antwort ansetzen, aber blieb schlussendlich still, da ihm momentan ohnehin niemand zuhörte. „Ich denke, ich weiß, wann es passiert ist.”, antwortete Samael ruhig und warf einen vielsagenden Blick zu seinem Vater, der nickte. „Es kann nur dort passiert sein und wenn unsere Vermutung stimmt, wird es nicht schwer, noch mehr zu finden.”
 

„Könnte jetzt mal einer sagen, wovon ihr redet? Wann ist es passiert?”, grummelte Iblis. „An dem Tag ihrer Versieglung.”, antwortete Satan. „Azazel, Egyn und Astaroth sind auf sie getroffen.”
 

„Aber wir waren alle bewusstlos.”, gab Astaroth zu Bedenken, doch Egyn schüttelte langsam den Kopf. „Nein...erst hat sie dich besiegt und dann mich, aber wir haben nie gesehen, was mit Azazel passiert ist. Wir haben immer gedacht, dass sie uns nicht getötet hat, weil kurz darauf die anderen kamen, aber was wenn das Azazel zuzuschreiben ist?”
 

„Tja, es gibt wohl nur einen Weg das rauszufinden. Sollen wir den Exorzisten Bescheid sagen?”, fragte Beelzebub und Satan zögerte. „Vielleicht ist das keine schlechte Idee. Sie sind schon so misstrauisch genug.” Alle stimmten zu und Samael machte sich auf den Weg zu den Grigori, um ihnen von ihrer Idee zu berichten. Diese bestanden darauf, dass jemand von der Ritterschaft dabei sollte und man einigte sich schlussendlich auf Shura. Erst sollte es Angel sein, doch sogar die Grigori sahen nach seinem Verhalten gegenüber Satan bei der Versammlung ein, dass das keine gute Idee sein würde. Es missfiel den Dämonen ihr diese Erinnerungen zu zeigen, aber sie war bisher immerhin vertrauenswürdig gewesen und alles war besser als dieser blonde Nachtwächter. Gemeinsam zogen sie ich einen Raum zurück, wo sie keiner stören würde. Da sie recht viele waren, der Zeitsprung einige Jahrtausende betrug und wahrscheinlich mehrere nötig sein würden, zog Samael vorsichtshalb einige Siegel auf dem Boden. Nachdem auch die weiteren Vorbereitungen abgeschlossen waren, versammelt sie sich um die Zeichnungen. „Bereit?”, erkundigte sich Samael und alle nickten. „Gut, dann...drei...zwei....eins!”
 

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Liliths erste Rebellion, Kampf um Helheimr, südwestliche Höhlen
 

"Wenn du atmest, bist du am Leben und wenn du am Leben bist, dann kannst du kämpfen. Also bleib verdammt nochmal nicht am Boden, sondern mach weiter!" Dies war einer von Neits bekanntesten Sprüchen gewesen, einem der zahlreichen Ausbilder an der Militärakademie. Er hatte zu einem der am meisten gehassten Ausbilder gehört, was nicht zuletzt an seinen sehr...exotischen Trainingsmethoden lag. Sogar Lucifer und Samael hatten öfter vor sich hin geflucht und ihm die rote Seuche an den Hals gewünscht. Nach jedem Training verbrachte mindestens ein Viertel der Gruppe mehrere Stunden auf der Krankenstation, aber dennoch musste man ihm eins lassen: Er wusste, wovon er sprach und seine eigenwilligen Methoden hatten sie in jedem Fall auf einiges vorbereitet und sie stärker werden lassen. Dennoch hatte Azazel in diesem Moment das Gefühl, absolut nichts gelernt zu haben. Mit einem Fluchen wich er dem Flammenstrahl von Lilith aus und spürte noch im selben Moment einen brennen Schmerz am Oberarm, sodass er einen flüchtigen Blick darauf warf. Irgendetwas -wahrscheinlich ein Schatten- hatte ihm tief ins Fleisch geschnitten und seine Selbstheilung trat nur langsam ein, da er schon geschwächt war und seine Kräfte für die Versieglung schonen musste. Er wich einem weiteren Angriff aus und erlaubte sich einen kurzen Blick zu seinen Geschwistern. Astaroth war bewusstlos und blutete stark an der Seite, Egyn hatte derweil mal wieder seinen Speer zerbrochen und versuchte mit einigen geschleuderten Eislanzen die Dämonin anzugreifen, doch sie konterte mit einer weiteren Flammenwand. Azazel wollte ihm zu Hilfe kommen, aber wurde von einem Schatten umgeworfen. Als er sich wieder aufgerappelt hatte, musste er feststellen, dass Egyn ebenfalls besiegt war. Er hatte eine Platzwunde am Kopf und bewegte sich nicht mehr. Wut stieg ihn im auf und er zog einen Dolch hervor. Ohne groß nachzudenken, zielte er und warf. Dummerwiese traf er Lilith nur leicht am Arm und trug eher dazu bei, dass sie wütend wurde. ‚Oh Schei-‘ Weiter kam er nicht, dann brach ein fürchterlicher Schmerz in seinem Kopf aus und er fiel mit einem schmerzerfüllten Laut auf die Knie. Er zwang sich, die Schmerzen zu ignorieren und konzentrierte sich auf seine Schatten, um erneut Lilith anzugreifen. Leider hatte er nicht mitbekommen, dass längst vor ihm stand. Ohne zu zögern griff sie in seine Haare und riss seinen Kopf zurück. Zwar ließ der Schmerz in seinem Kopf langsam nach, doch nun konnte er spüren wie etwas kaltes, scharfes gegen seinen Hals gepresst wurde. Er unterdrückte ein Knurren, da ihm nun bewusst wurde, dass der Gegenstand der von ihm geworfene Dolch war. „Netter Versuch, aber leider nicht gut genug.”, zischte Lilith ihm zu. „Zu Schade, ich hatte auf eine Herausforderung gehofft, nur um festzustellen, dass ihr eure Titel wahrhaftig nicht verdient habt. Also...wo sind deine restlichen Brüder, mh? Und wo ist vor allem Samael? Man muss ihm Beifall zollen, ich habe wirklich gedacht, er hat euch verraten. Seine Mutter scheint damit immerhin nie Probleme gehabt zu haben, aber sei's drum. Sie werden beide bezahlen, aber zuerst kümmere ich mich um euch. Wie willst du sterben? Im Kampf oder auf den Knien?” Sie erhöhte den Klingendruck und er spürte, wie langsam Blut hervortrat, doch die Erwähnung seiner Geschwister holte ihn aus seinem Schock. „Nimm deine verdammten Pfoten von ihnen!”, fauchte er, woraufhin sie ihren Blick von seinen bewusstlosen Brüdern wandte und ihn belustigt ansah. „Sonst was? Knurrst du mich an? Schaust böse? Bettelst? Mach dich nicht lächerlich, du bist nicht in der Position Forderungen zu stellen. Wenn du allerdings aufgibst, bin ich vielleicht bereit, dich noch eine Weile am Leben zu lassen. Ich wette, dein Vater würde ganz andere Töne anschlagen, wenn du vor mir buckelst.” Azazel biss wütend die Zähne zusammen und starrte sie hasserfüllt an, was sie natürlich nicht störte. Ohne auf eine Antwort zu warten, warf sie ihn gegen die Wand und wandte sich an den noch immer bewusstlosen Egyn. „Ich bin zugegebenermaßen hin und her gerissen...Ein Teil von mir würde euch am liebsten hier und jetzt langsam umbringen, aber es wäre sich auch ganz interessant euch für eine Weile den Mädchen zu überlassen und euch dann aus dem Weg zu räumen...tja....so viele Entscheidungen, aber so wenig Zeit...” Azazel rappelte sich langsam auf und sah mit Schrecken, dass Lilith nun vor Egyn stand und in ihrer Hand eine Flamme loderte. „Was soll's, ich beende es hier und jetzt.” Panik erfüllte den Geisterdämonen und ohne wirklich nachzudenken, sprang er auf, die Schmerzen ignorierend und griff an. Natürlich leitete sie seine Attacke einfach um, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Es war wohl dumm sie in seinem momentanen Zustand zu reizen, aber es kümmerte ihn nicht. Er würde nicht noch mehr Familienmitglieder sterben lassen und war es leid, immer nur hilflos daneben zu stehen. Abgesehen davon würde die Versieglung scheitern, wenn einer von ihnen starb, da das Siegel darauf ausgelegt war, dass sie den Prozess gemeinsam durchführten. Wenn er jetzt nicht handelte, würde Lilith gewinnen und alles war vorbei. Fieberhaft überlegte er, wie er das Ruder herumreißen konnte und schlussendlich siegte die Verzweiflung. „Bitte...lass sie in Ruhe! Ich tu, was du willst, aber töte sie nicht...”, stieß er hervor und bekam damit Liliths Aufmerksamkeit. Es war ihm gleich, ob er gerade seine Würde über Bord warf, er musste handeln und offenbar war die Dämonengöttin nicht uninteressiert. „...Wirklich alles?”, fragte sie nach und ihre verengten Augen blitzten gefährlich, während sie ihn kritisch betrachte. Wissend, dass er seine Karten jetzt richtig ausspielen musste, nickte er schnell. „Wenn du dafür meine Brüder verschonst, dann ja.” Genervt verdrehte die Dämonin die Augen und schnaubte. „Verlockend, aber nein. Warum sollte ich dein Angebot annehmen? Ich habe längst gewonnen!” Zu seiner eigenen Verwunderung, wusste er sofort eine Antwort darauf. „Gehenna wird weiterhin Widerstand leisten, da dich niemand als rechtmäßige Herrscherin ansieht. Ich könnte dabei helfen, zumindest mein Gebiet im Zaun zu halten und vielleicht kann ich meine Brüder auch überreden. Auf uns werden die Leute hören! Abgesehen davon wird Vater dich nicht angreifen, wenn du einen von uns in der Hand hast.” Lilith schien für einen Moment darüber nachzudenken und betrachtete stirnrunzelnd die Flamme in ihrer Hand. Schließlich ließ sie das Feuer erlöschen und sah ihn mit einem raubtierhaften Lächeln an. „Kein schlechter Anfang, aber ganz zufrieden bin ich nicht. Abgesehen davon ist die Gefahr hoch, dass du versuchst mich reinzulegen...aber ich bin willens, wenn du einem Vertrag zustimmst. Nimm es oder lass es.” Genau das hatte er befürchtet. Nervös schaute er von seinen Geschwistern zu Lilith und schluckte. „Deine Bedingungen?” Liliths Grinsen weitete sich und sadistische Freude spiegelte sich in ihren Gesichtszügen. „Du dienst mir und tust was ich sage, dafür lasse ich die anderen Baal in Frieden. Allerdings darfst du niemanden von unserer Abmachung erzählen und erzählst stattdessen, dass du dich mir freiwillig angeschlossen hast. Außerdem werden wir eine einseitige Seelenverbindung eingehen, von meiner Seite aus, versteht sich.~” Azazel erblasste und starrte sie fassungslos an, sicher sie falsch verstanden zu haben. „Eine einseitige Seelenverbindung?!”, entfuhr es ihm, woraufhin sie lachte. „Natürlich einseitig. Wie soll ich sonst ein Auge auf dich haben? Aber wenn dein Angebot ernst gemeint war, wirst du dich durch eine solche Lappalie doch nicht entmutigen lassen, oder?”, schnurrte sie belustigt und beobachtete ihn genau. Seine Gedanken rasten, wohl wissend, dass ihm keine große Wahl blieb. Er war nicht in der Position Forderungen zu stellen, sondern war ihrer (ohnehin kaum vorhandenen) Gnade ausgeliefert. Dennoch wägte er seine beiden Optionen ab: Wenn er sich weigerte, würden sie alle drei hier und jetzt sterben, aber sollte er annehmen, bestand eine Chance für sie, den Krieg zu gewinnen. Lilith ahnte nichts von ihrem Plan, sie zu versiegeln, daher hatten sie einen großen Vorteil. War sie erst mal versiegelt, konnte sie nicht mehr Einfluss auf ihre Umgebung nehmen oder mit jemanden kommunizieren. Folglich wäre damit auch die durch den Pakt entstehende Verbindung zwischen ihnen blockiert und er konnte einfach weiterleben, als wäre nie etwas passiert. Natürlich wäre es ihm nach wie vor unmöglich jemanden von ihrem Deal zu erzählen, aber das würde keine Rolle mehr spielen. Dennoch war ihm absolut nicht wohl dabei, eine Seelenverbindung einzugehen. Normalerweise wurden sie nur sehr selten durchgeführt und stets waren beide Personen gleich betroffen, doch bei einer einseitigen sah es anders aus. Diese war längst verboten, da es schlicht und ergreifend Versklavung war. Er musste einen Teil von Liliths Seele in sich aufnehmen, während sie einen Teil seiner Seele in irgendeinen Gegenstand bannte und behielt. Dadurch wirkte der Teil ihrer Seele in ihm wie ein Parasit. Je länger es in ihm war, desto mehr Einfluss konnte es nehmen. Sobald er versuchte sich gegen Lilith aufzulehnen, würde es sofort seinen Geist und Körper angreifen, sein Verstand würde langsam brechen, seine Gedanken und Gefühle veränderten sich und Albträume sowie Halluzinationen konnten ebenfalls folgen. Im schlimmsten Fall, konnte der Seelenteil sogar für kurze Zeit seinen Körper übernehmen, ohne dass er es mitbekam. Es war riskant, aber eine andere Möglichkeit gab es nicht. Solange es seiner Familie und Gehenna half, war ihm alles recht. „Na gut. Ich akzeptiere.”, presste er hervor und erschauderte, als Lilith lachte. „Dachte ich mir. Also, fassen wir zusammen: Du dienst mir, was du niemanden verraten wirst. Stattdessen wirst du behaupten, dass alles nach deinem eigenem Willen geschieht, falls man dich fragt. Zusätzlich gehen wir eine einseitige Seelenverbindung ein und im Austausch dafür, lasse ich die anderen Baal in Ruhe. Klingt gut?” Nein, das klang absolut nicht gut, doch was bleib ihm übrig? Langsam nickte er und Lilith trat vor. „Knie nieder. Ich nehme an, du weißt, was zu tun ist?”
 

„Ja. Ich weiß allerdings nichts, wie einseitige Seelenverbindungen funktionieren.”, antwortete er, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Gut, dann ritze dir die Handfläche auf und sprich mir nach.” Sie nahm den Dolch und schnitt sich damit die Handfläche auf, er folgte ihrem Beispiel mit seinen Fingernägeln. Er sah zu wie sein Blut zu Boden tropfte und sich langsam mit dem von Lilith vermischte. „Durch Worte begonnen, mit Blut besiegelt, leiste ich den Schwur. Du wirst mir dienen, darüber schweigen und behaupten, dass du mir aus freien Stücken dienst. Dafür werde ich die anderen Dämonenkönige in Ruhe lassen.”, begann die Rothaarige und er gab die entsprechende Antwort. „Durch Worte begonnen, mit Blut besiegelt, leiste ich den Schwur. Ich werde dir dienen, darüber schweigen und behaupten, dass ich dir aus freien Stücken diene.”
 

„Schwöre beim Styx: Durch Blut bist du an mich gebunden, du akzeptierst mich als Meisterin, gehorchst mir bedingungslos, überlässt mir deinen Körper, deinen Geist und deine Seele.” Azazel schluckte, aber es war zu spät für einen Rückzieher. „Ich schwöre beim Styx: Durch Blut bin ich an dich gebunden, akzeptiere dich als Meisterin, gehorche dir bedingungslos, überlasse dir meinen Körper, meinen Geist und meine Seele. Wir werden eins.”
 

„Wir werden eins. Es ist ein Versprechen und kann nicht gebrochen werden. Unser Schicksal ist hiermit verbunden, falle ich in den Abgrund, so folgst du mir.”
 

„Es ist ein Versprechen und kann nicht gebrochen werden. Unser Schicksal ist hiermit verbunden, fällst du in den Abgrund, so folge ich dir.”
 

„Wir sind eins.”, sagten sie gleichzeitig, dann wusste er nichts mehr. Als er wieder zu sich kam, war Lilith verschwunden und Lucifer kniete neben ihm. Bei ihm waren Samael, Iblis und Beelzebub. Anscheinend hatte sich die Dämonengöttin für den Rückzug entschieden nachdem sie die Seelenverbindung vorgenommen hatten. Er konnte sich kaum noch daran erinnern, aber da er noch lebte, hatte es wohl funktioniert. Sein Blick wanderte zu Egyn und Astaroth, die glücklicherweise wieder wach waren. „Was ist passiert? Warum seid ihr nicht in der Kammer?”, fragte Iblis sichtlich erschrocken. „Lilith. Sie ist hier. Hat uns angegriffen...Autsch.”, presste Astaroth offenbar unter großer Anstrengung hervor und presste eine Hand auf die blutende Seite. „Das war gerade erst verschlossen...Scheiße...” Sofort kam das schlechte Gewissen wieder hoch, da Azazel dabei versagt hatte, sie zu beschützen. Sie waren zwar keine Kinder mehr, aber als ihr älterer Bruder hätte er das nicht passieren lassen dürfen! „Wo ist sie?!”, fauchte Samael, dessen Nerven wohl blanker lagen, als er es zugeben wollte. „Abgehauen.”, antwortete Azazel leise und stand auf. „Sie will uns wahrscheinlich alle in einem Raum haben, um ihr Amulett einzusetzen. Wir haben alle drei das Bewusstsein verloren, also wissen wir es nicht genau.” Nicht seine beste Lüge, aber da die Zeit drängte, hinterfragte niemand seine Geschichte. „Dann nichts wie hinterher! Wenn sie das Siegel vor uns erreicht, gibt's Ärger. Könnt ihr laufen?”, fragte Beelzebub, woraufhin alle nickten. „Geht schon.”, murmelte Egyn, während Iblis Astaroth auf die Füße zog. „Beeilen wir uns.”, drängte Astaroth und sie liefen gemeinsam weiter. Azazel betete im Stillen, dass sie Amaimon schnell finden würden und ihr Vater wohlauf war. Sie durften jetzt nicht scheitern.
 

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4. Juni 2018, Satans Palast
 

Nachdenklich schaute Azazel zu seinem kleinem Bruder, der seit drei Tagen friedlich in seinem Bett schlief und noch immer keine Anstalten machte, aufzuwachen. Langsam machte er sich Sorgen, auch wenn Shax und Agares versichert hatten, dass er bald zu sich kommen würde. Er fühlte sich in gewisser Weiser für seine Verletzungen verantwortlich, immerhin war er es gewesen, der vorgeschlagen hatte, den Nephilim mit nach Gehenna zu nehmen und während des Kampfes schützen sollte. Es wäre wohl wirklich klüger gewesen, abzuwarten und ihn zu holen, wenn es wirklich sicher war. Stattdessen hatten sie ihn einfach mitgenommen, ihn dann verloren und anschließend mit knapper Not vor den Spinnen retten können. Doch was geschehen war, war geschehen und es machte keinen Sinn über verschüttete Milch zu weinen. Es zählte die Gegenwart und er war wirklich gespannt darauf wie Rin sich verhalten würde. Bisher kannte er den Halbdämonen nur von Samaels und Amaimons Erzählungen, sowie ihrer ungeplanten Waldexpedition. Offenbar war er ein wahrer Magnet für Ärger und hatte große Probleme seine Emotionen im Zaun zu halten, was allerdings niemanden verwunderte. Er war unter Menschen aufgewachsen, erst vor kurzem erwacht und Samael hatte sich natürlich nicht die Mühe gemacht ihm die Grundlagen zu erklären. Er schnaubte leise und schüttelte den Kopf aufgrund des unmöglichen Verhaltens seines Bruders. Und ihn nannten sie faul! Rins Unwissenheit konnte ihm schnell den Hals kosten, daher würde sich der Zeitdämon sicher noch einiges von ihrem Vater anhören dürfen. So oder so würde er sich selber ein Bild von dem Jugendlichen machen. Er wandte sich wieder seinem Buch zu und war gerade am Ende eines langen Kapitels angekommen, als er Rin etwas murmeln hörte. Stirnrunzelnd sah er zu dem Jüngeren hinüber und versuchte zu verstehen, was er sagte. Dabei verstand er nur den Namen Eva, der Rest war zu undeutlich. Japanisch war nie wirklich einer seiner besten Sprachen gewesen und wenn jemand so nuschelte, fiel es ihm schwer, alles zu verstehen. Gerade wollte er es als einen einfachen Traum abstempeln, als der Nephilim zusammenzuckte und die Augen öffnete. Offenbar bemerkte er Azazel nicht, da er sich langsam versuchte aufzusetzen bis er es mit Stöhnen aufgab. Er beschloss, auf sich aufmerksam zu machen. „Du bist also wach...Schade eigentlich. Babysitten ist so viel einfacher wenn niemand versucht abzuhauen...”, kommentierte er und musste sich ein belustigtes Grinsen verkneifen, als Rin zusammenzuckte und hochfuhr. Entsetzt starrte der Halbdämon ihn an, doch Azazel ließ sich nicht stören. „Du solltest dich nicht so schnell bewegen, du reißt nur deine Wunden wieder auf.” Er erhielt keine Antwort, sondern eine Frage. „Was machst du denn hier?” Azazel hob eine Augenbraue, nicht sicher, ob der Nephilim nur irgendwie Zeit schinden wollte. „Ich wohne hier? Na ja zumindest gelegentlich, ich habe auch einen eigenen Palast.” Er beobachtete Rin genau, während sie ihr Gespräch fortführten und war sich ziemlich sicher, dass Eva keine Klassenkameradin war, wie er es behauptet, doch ließ es gut sein. Auch vom weiteren Verlauf war er überrascht, besonders als sich Rin erkundigte, ob es dem Rest gut ging. Zwischendurch kam Vaya dazu und Rin versuchte ihn mit einer schlechten Ausrede dazu zu bringen, das Zimmer zu verlassen, wahrscheinlich um einen Fluchtversuch zu starten, was Azazel ihm schnell wieder ausredete. Möglicherweise nicht auf die beste Art und Weise, aber seinen restlichen Geschwistern hatte die Methode nicht geschadet, auch wenn es nie wirklich so weit gekommen war, dass er wirklich jemanden an ein Bett gekettet hatte. Allerdings war er ziemlich angesäuert, als ihm beinahe Liliths Rebellion rausgerutscht war. Er hatte in all den Jahren nie etwas von ihr gehört, nur einige seltsame Träume gehabt, aber er erinnerte sich nur ungern daran. Bis heute wusste niemand, was er getan hatte, um Egyn und Astaroth zu retten und er würde es bevorzugen, wenn es dabei bleib. Früher oder später würde Rin wohl etwas über die Geschichte Gehennas und damit über die Rebellion lernen, aber er wollte nicht derjenige sein, der es ihm erzählte. Es folgte noch eine kurze Diskussion bezüglich Entführungen und Wikipedia, dann kamen endlich Shax und Agares. So sehr er sich für seinen Bruder interessierte, er hatte Pflichten, die auf ihn warteten und musste sich zudem mit seinem Vater sowie seinen restlichen Geschwistern treffen. Außerdem war ein kurzes Nickerchen inzwischen überfällig, wobei er es natürlich schaffte, zu verschlafen. Sein Vater war sichtlich geladen, aber konnte sich zusammenreißen und er erzählte kurz, wie Rin sich verhalten hatte, nachdem er aufgewacht war. Endlich stieß Beelzebub zu ihnen, es folgten weitere Diskussionen und dann ließ Satan die Bombe platzen, die Azazel aus allen Wolken fallen ließ: Momentan deutete alles daraufhin, dass Lilith hinter den Ereignissen in den letzten Monaten steckte. Er spürte wie sein Magen verkrampfte und seine Luftröhre sich zuzuschnüren schien. Das durfte nicht wahr sein, das konnte nicht sein! Sie war versiegelt, sie konnte nicht der Grund sein! Astaroth schien die Sache ähnlich zu sehen, da er in Gelächter ausbrach, aber es wurde schnell deutlich, dass ihr Vater keine Witze machte. Über sowas würde er nicht mal im Traum scherzen. „Demzufolge ist es wohl kaum einer von euch. Abgesehen davon vertraue ich euch, auch wenn ihr ein Haufen Nervensägen seid.”, hörte er seinen Vater am Rande sagen und sofort spürte er wie sich Scham in ihm breit machte. Zwar hatte er nichts mit dem beschädigten Siegel zu tun, aber wenn es weiter so ging und sie irgendwie entkam oder auch nur in seine Träume gelang, sah es alles andere als rosig aus, da er dann gezwungen wäre, seinen Teil der Abmachung einzuhalten. „Den meisten im Rat vertraust du auch...”, murmelte er leise, ohne es im ersten Moment zu bemerken. Iblis trat ihm sofort auf den Fuß. „Willst du unbedingt, dass wir als Verräter verdächtigt werden?” Danach hörte er kaum noch zu, da seine Gedanken kreisten. Erst als sie darauf kamen, dass offenbar Blutjagden veranstaltet wurden, zwang er sich, zuzuhören. Dabei wurde ihm endlich bewusst, dass die Person von der Rin geträumt hatte, nicht Eva hieß. Es war Lilith, es musste einfach so sein und es war seine Schuld, dass sie ihn erreichen konnte. Natürlich erzählte er das sofort, aber gleichzeitig schob er langsam Panik. Was wenn Lilith ihn bereits unbewusst beeinflusst hatte, als er den Vorschlag gemacht hatte, Rin nach Gehenna zu holen?! Der Gedanke jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. „Wir haben echt ein Problem.”, murmelte er zu sich selbst. Satan schickte Astaroth, Beelzebub, Egyn und Iblis nach Assiah, den Rest entließ er. Azazel gab sich große Mühe den Saal möglichst ruhig zu verlassen und zog sich umgehend in sein Zimmer zurück. Vielleicht konnte er zumindest bei der Blutjagd vorerst Schadensbegrenzung betreiben. Er schnappte sich seinen Laptop von seinem Schreibtisch und machte es sich auf dem Bett bequem, Takas Knurren ignorierend. Er hatte jetzt andere Sorgen als sein Müllmonster! Zu seiner Erleichterung verwendete das System des Vatikans noch immer das Passwort. Er sah sich eine Weile um und verschaffte sich Zugang zu mehreren verschlüsselten Ordnern, doch ignorierte dieses Mal alles, was nicht relevant war, auch wenn er normalerweise sehr großen Spaß daran hatte, in solchen Geheimakten herumzuschnüffeln. Wirklich unfassbar, was manche Organisationen so in den letzten Jahren abgezogen und an Skandalen vertuscht hatten. Irgendwann kam Amaimon dazu, den er bleiben ließ mit der Bedingung, dass er nichts anfallen durfte und still bleiben sollte. Inzwischen hatte er eine Liste mit den getöteten Nephilim sowie einigen Informationen bekommen, sodass er wusste, worauf er genau achten musste. Schon nach kurzer Zeit hatte er einiges in Erfahrung gebracht und er musste zugeben, dass er auf eine gewisse Art beindruckt war. So lange Blutjagden zu veranstalten, ohne dass es jemand mitbekam, war eine beachtliche Leistung. Andererseits hatten sie in letzter Zeit ohnehin nicht wirklich auf Assiah geachtet, da Lucifer und Samael dort waren. Rückblickend betrachtet eine dumme Entscheidung, denn auch wenn ihr Einfluss weit reichte, konnten sie nicht alles im Blick behalten. Schließlich kam Lucifer dazu, dem er sofort seine Entdeckungen mitteilte und zusammen stellten sie fest, dass die Exorzisten zumindest teilweise von der Blutjagd wussten. Wie hatten sie das vor Samael geheim halten können? Umso größer war der Schrecken, dass auch ihr jüngster Bruder (aus Azazels Sicht war das zwar Rin, aber biologisch betrachtet war es wohl Yukio) auf der Abschussliste stand. Als dann einfach die Tür aufflog, ein Dämon hereingestürmt kam und über einem Stapel flog, zeigte er doch noch seine blanken Nerven. „Hast du noch nie was von klopfen gehört?! Und du hast alles durcheinander gebracht...”, fuhr er ihn an. „Azazel, hier gibt es nichts mehr durcheinander zu bringen.”, merkte Lucifer seufzend an und wandte sich an den Diener, welcher sich wieder aufgerappelt hatte, aber nicht wagte, näher zu treten. „Bitte verzeiht mir, aber es ist ein Notfall!”, erwiderte der Mann keuchend. Azazel verdrehte die Augen, doch rang innerlich um Fassung. „Brennt es schon wieder im Palast?” Das wäre zur Abwechslung mal ein entspannter Notfall. „Nein! Euer Vater will euch sofort sehen. Es gab einen Attentat auf mehrere Ratsmitglieder, einige sind gestorben!” Der Geisterdämon sah ihn an, als hätte er soeben verkündet, dass Phönixe dreieckige Eier legen. So viel Pech konnte man doch nicht haben! Leider war es die Wahrheit und Lucifer stürmte zusammen mit Amaimon los, während sich Azazel wieder zum Bildschirm wandte. „So viel Stress...Ich hätte einfach im Bett bleiben sollen.” Das Treffen mit ihrem Vater kurz und

Azazel gab sein bestes um normal zu wirken, was er vor allem durch seine typische "Also kann ich nicht mehr schlafen?" - Frage erreichte. Danach ging es direkt nach Assiah.
 

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Glücklicherweise dauerte die Angelegenheit in der Heiligkreuz-Akademie nicht lange. Die Blutjäger waren schnell vertrieben und sie hatten sogar ihre Namen herausbekommen. Mit etwas Glück würden sie die beiden schnell aufspüren und zur Rechenschaft ziehen. Er bereitete sich gerade in seinem Zimmer auf das Ratstreffen vor, als plötzlich ein stechender Schmerz seinen Kopf durchfuhr, der immer intensiver wurde, bis er es nicht mehr aushielt und auf seinem Bett zusammenbrach. Als er wieder zu sich kam, war er von Dunkelheit umgeben. Verwirrt sah er sich um, ohne etwas zu entdecken. Dann ertönte eine Stimme, die er schon lange nicht mehr gehört hatten, aber erkannte sie sofort. „Hallo Azazel. Lange ist es her, nicht wahr? Ich hoffe doch, dass du mich vermisst hast.~”, begrüßte Lilith ihn, doch der Unterton verriet, dass er besser nichts dummes tun sollte. „Lilith. Was willst du von mir?”, fauchte er, die Hände zu Fäusten geballt, obwohl er die Antwort bereits kannte. „Direkt zum Punkt, wie? Nicht mal eine Entschuldigung, dass ihr mich Jahrtausende lang versiegelt hat? Es war sooo langweilig dort. Wirklich unhöflich, aber ich habe dich tatsächlich unterschätzt...Egal. Hör auf, dich dumm zu stellen. Du wusstest doch sicher, dass ich zurückkommen würde. Dachtest du wirklich, mich zu versiegeln, würde meine Pläne aufhalten? Ich habe ein paar Gefallen eingefordert, mit alten Freunden geredet...den Tag, an dem ich wieder den Thron besteige, vorbereitet, um es kurz zu machen.~ Jetzt ist es an der Zeit, dass du deinen Teil der Abmachung erfüllst.” Er schluckte und sagte nichts. Es war genau das eingetreten, was er immer befürchtet hatte. Warum musste auch das verdammte Siegel beschädigt werden?! „Was auch immer du willst, ich werde es nicht tun!”, zischte er, woraufhin Lilith hämisch lachte. „Oh doch, das wirst du. Du hast sicherlich unsere kleine Abmachung von damals in Erinnerung, oder? Natürlich hast du das, immerhin lebt ein Teil meiner Seele in dir, aber genug davon. Deine Aufgabe ist einfach: Ich will, dass du einem meiner Leute Zutritt zum Palast verschaffst.” Sofort schrillten die Alarmglocken. „Ach und wem?”, fragte er bissig. „Das hat dich nicht zu interessieren. Tu einfach, was man dir sagt oder trage die Konsequenzen. Wir wissen beide, dass du dich nicht widersetzen kannst. Ich würde gerne weiter reden und die verpassten Jahre aufholen, aber ich habe leider zu tun, daher halte ich es kurz.” Sie erklärte ihm genau, was er tun sollte und verabschiedete sich mit dem Versprechen (oder der Drohung), dass sie bald wieder vorbeischauen würde. Kaum war sie verschwunden, fuhr er hoch und sah sich um, bis ihm bewusst wurde, dass er auf seinem Bett in seinem Zimmer lag. Zuerst hoffte er, alles wäre nur ein Traum gewesen, doch natürlich war dem nicht so. So sehr es ihn auch anstank, er hatte keine Wahl als ihre Anweisungen aufzuführen. Hoffentlich konnte er irgendwie schlimmeres verhindern.
 

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Während des Ratstreffen war ihm hundeelend. Immer wieder dachte er daran, dass er einen Feind in den Palast gelassen hatte, aber er konnte niemanden etwas sagen und nur hoffen, dass die Wachen den Eindringling finden konnten. Plötzlich schwang die Tür auf und sein Vater betrat den Raum, offensichtlich schlecht gelaunt. Sofort sackte er ungewollt ein wenig zusammen. Wusste er irgendetwas? Nein, er konnte nichts wissen, er war die ganze Zeit bei Rin gewesen. Wahrscheinlich hatte er sich mit dem Nephilim gestritten und darum schlechte Laune. Diese Vermutung sollte sich bewahrheiten und er war nicht sicher, ob er erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Es war fast unmöglich sich auf die Versammlung zu konzentrieren, da seine Gedanken immer wieder zu dem unbekannten Eindringling wanderten. Nur selten sagte er etwas, was aber natürlich niemanden verwunderte. Als er dann Rins telepathische Hilferufe hörte, wurde ihm endlich bewusst, was er getan hatte.
 

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6. Juni 2018, Esszimmer
 

Azazel hätte es nie für möglich gehalten, dass man sich innerhalb so kurzer Zeit so beschissen fühlen konnte. Seitdem Aulak entkommen war, lief einfach alles falsch. Lilith hatte ihn natürlich in seinen Träumen terrorisiert und ihn für das Versagen Aulaks verantwortlich gemacht. Er hatte nicht klein beigegeben und sie angefahren, dass sie ihre Abmachung missachtet hatte, nur um festzustellen, dass er damals einen gewaltigen Fehler gemacht hatte. Sie hatte sich bereit erklärt die anderen Baal in Ruhe zu lassen, aber Rin war kein Baal, weswegen er nicht betroffen war. Er hasste sich für seine Unachtsamkeit, vor allem da er den Nephilim trotz ihrer kurzen gemeinsamen Zeit bereits sehr mochte. Er hatte daraufhin versucht sich einigen ihrer weiteren Befehle zu widersetzen, aber musste schnell kapitulieren. Dieser vermaledeite Vertrag war einfach nicht zu umgehen! Bereits jetzt traten Nebenwirkungen auf, die sich nicht nur körperlich zeigten. Er hörte immer wieder das Geflüster von Seelen, obwohl er diese normalerweise leicht ausblenden konnte und war sich ziemlich sicher einige Halluzinationen gehabt zu haben. Außerdem hatte er einige Blackouts gehabt und war sich immer noch nicht sicher, was die Ursache war. Natürlich wurde er beim Frühstück direkt darauf angesprochen und konnte sich nur mit Mühe herausreden. Als ihn dann auch noch sein Vater zur Rede stellte, war es ganz vorbei. Er war normalerweise ein guter Lügner, so wie die meisten Dämonen, aber Satan hatte er noch nie erfolgreich anlügen können. Schlussendlich ließ auch er es gut sein, aber eins war sicher: Ewig würde er das nicht durchhalten.
 

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Tartaros, Hinrichtungsraum
 

„Ihr glaubt die Fäden in der Hand zu halten, doch ihr herrscht über gar nichts. Ihr zögert nur das Unvermeidliche hinaus.”, verkündete Aym spöttisch. „Alles muss brennen. Erst dann kann das goldene Zeitalter eingeläutet werden.” Beelzebub schnaubte. „Ihr habt den Verstand verloren.” Azazel konnte nur zustimmen. Ein neues goldenes Zeitalter? Als ob es sowas unter Lilith jemals geben würde, es sei denn man sah Unterdrückung und Tyrannei als goldenes Zeitalter an. „Ruhe.”, sagte Satan scharf. „Stihi?” Natürlich war die Dämonin genauso verrückt. „Uns zu töten, bringt gar nichts. Es ist zu spät.”, fuhr diese triumphierend fort. „Es kann nicht mehr aufgehalten werden, Lilith ist dabei zu erwachen. Früher oder später wird euch eure Ignoranz in den Abgrund zerren. Ihr bemerkt ja nicht einmal, das eure engsten Kreise betroffen sind. Lilith wird beenden, was sie begonnen hat und wir werden uns aus der Asche eurer Knochen erheben.” Azazel spürte wie er eine Gänsehaut bekam, vor allem als sie ihm einen kurzen Blick zuwarf, zu flüchtig, als das die anderen es bemerken würden, aber doch vorhanden. Sie wussten Bescheid. Sie wussten von seinem Verrat und verspotteten ihn damit. Doch mit einer Sache hatten sie Unrecht: Er würde sie niemals gewinnen lassen.
 

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Satans Palast
 

Azazel war auf dem Weg zum Thronsaal, um seinen Vater zu treffen und zu berichten, was er von Aello erfahren hatte, als es passierte. Zum zweiten Mal an diesem Tag (das erste Mal war vor dem Treffen mit den Harpyien gewesen und hatte tatsächlich zur Bewusstlosigkeit geführt) durchfuhr ein furchtbarer Schmerz seinen Kopf, der mit einem unterdrückten Schrei an die Wand sinken ließ. Seine Umgebung begann zu verschwimmen und er spürte wie langsam sein Bewusstsein schwand. Schwer atmend stürzte er sich ab und unterdrückte einen Brechreiz, als er Blut schmeckte. Er hörte nun eindringliches Flüstern, welches er jedoch nicht verstehen konnte. Langsam sackte er zu Boden und er spürte wie sich langsam sein Dämonenmale über sein Gesicht zogen und seine Krallen länger wurden. Gleichzeitig hatte er das Gefühl als wären seine Flügel und Hörner ebenfalls kurz davor hervorzubrechen. War er etwa dabei in seine wahre Gestalt zu wechseln? Das konnte nicht sein, er hatte genug Kontrolle, um nicht einfach von seinen Dämoneninstinkt überwältigt zu werden! Anderseits war es ihm in letzter Zeit immer schlechter gegangen und es war offensichtlich, dass er langsam die Beherrschung über sein Dämonenherz verlor. Dieser verdammte Seelenteil Liliths hatte bereits einiges an Schaden in seinem Körper angerichtet. Allmählich kam ihm der Gedanke, dass dieser Teil ihn immer mehr übernahm, was auch die Blackouts übernehmen würde. „Verdammt...reiß dich zusammen...das ist immer noch dein Körper, sie hat nicht das Recht sich den zu nehmen...”, flüsterte er leise, um sich zu beruhigen, doch wusste, dass dies nicht stimmte. Er hatte mit diesem Deal nicht nur seine Seele sondern auch seinen Körper und Geist an sie verkauft. Er begann zu husten und spürte, dass er dabei Blut hervor würgte. Auch floss nun Blut aus der Nase und er zitterte. „Lord Azazel?”, fragte plötzlich eine verängstige Stimme, die ihn herum fahren ließ. Er sah schemenhaft eine schwarze Gestalt, aber war zu verwirrt, um Sinn daraus zu machen. „Los, töte es!”, zischte eine zweite Stimme, aber er zögerte. „Was ist los mit Euch?”, fragte die Stimme erneut. Er antwortete nicht, sondern griff sich ächzend an den Kopf und sank nun endgültig zu Boden. Langsam wurde er wieder klar im Kopf und stand leise auf. Dafür hatte er noch immer furchtbare Kopfschmerzen. „Na super, mein Schädel...”, grummelte er und presste seine Hand gegen die Stirn, in der Hoffnung, es würde den Schmerz lindern. „Lord Azazel, geht es Euch gut?”, fragte die Stimme erneut. Endlich er erkannte endlich Kuro, Rins magischen Diener, den er erst vor kurzem noch hatte beruhigen müssen. Auch wenn der Dämon für eine Menge Chaos gesorgt hatte, war es doch klar gewesen, wie wichtig ihm Rin war. Azazel war wirklich froh, dass sein kleiner Bruder einen solch loyalen Freund hatte und kniete sich langsam vor ihm hin. „Sicher...geh ruhig.”, beruhigte er ihn, dann hielt er stirnrunzelnd inne. „Was wollte ich eigentlich machen?”, murmelte er kopfschüttelnd und sah sich verwirrt um, als würde die Antwort an einer Wand geschrieben stehen. „Ihr solltet zu einem Heiler gehen. Ihr saht wirklich schlimm aus und hattet Nasenbluten.”, erwiderte Kuro, offensichtlich nicht beruhigt. Natürlich konnte ein Heiler nicht helfen, aber Azazel lächelte dem kleinen Dämon aufmunternd zu und zuckte mit den Schultern. „Das ist nur der Stress. Ich war außerdem vorhin in der Wüste, ich bekomme bei trockener Luft oft Nasenbluten. Mach dir keine Sorgen.”, log er problemlos, wischte das Blut an einem Tuch ab und strich dem Kater über den Kopf. Dann richtete er sich auf und ging, noch immer rätselnd, was gerade passiert war.
 

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9. Juni, Satans Palast, Azazels Gemächer
 

‚Fuuuuuck...ich bin so in großen Schwierigkeiten, wenn Vater erfährt, dass ich seine Unterschrift gefälscht habe...‘, dachte Azazel, während er die Bestellformulare durchging und hielt inne. ‚Streich das. Ich bin so oder so in Schwierigkeiten für die letzten Jahrtausende...‘ Seufzend unterschrieb er die letzten Papiere mit der Unterschrift seines Vaters und fügte anschließend dessen Siegel hinzu. Liliths neuste Befehle waren, dass er Bestellungen für das Blutgericht manipulieren, Ausrüstung für ihre Truppen dazu schmuggeln und sie anschließend verschwinden lassen sollte. Allerdings war er nicht bereit, dass einfach so hin zu nehmen. Er hatte die Papiere ein wenig verändert und für ein ziemliches Chaos gesorgt, um es Liliths Leuten schwerer zu machen. Wenn er ganz großes Glück hatte, fiel jemanden die Ungereimtheiten auf und würde seinen Vater benachrichtigen. Seufzend sammelte er alle Papiere zusammen und verließ sein Zimmer. Jetzt musste er den Stapel nur noch in das Arbeitszimmer seines Vaters schmuggeln.
 

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24. Juni 2018, Satans Palast, Festsaal
 

„Dachtest du wirklich, dass uns nicht dein Sabotageversuch nicht auffallen würde? Benimm dich nächstes Mal oder du weißt, was passiert. Denke daran, wer die Fäden hält.”, las Ankou grimmig vor. „Ich habe den Zettel auf einem der Tische gefunden. Es könnte gut sein, dass der bereits vor dem Angriff platziert wurde.” Azazel spürte, wie sein Herz aussetzte. Sie hatten das mit den Formularen mitbekommen mitbekommen und dieser ganze Angriff war wahrscheinlich nur passiert, um ihm eine Lektion zu erteilen. Wie hatte das passieren können?! Als ob Indra und Berith es nicht schon kompliziert genug machten. „Also war es eventuell einer der Gäste, der Bediensteten oder der Wachen. Na, das engt die Möglichkeiten ja ein.”, kommentierte Halphas bissig. „Für mich klingt es danach, als würde es Unstimmigkeiten in ihren eigenen Reihen geben.”, überlegte Agares. „Oder sie erpressen jemanden, damit er ihnen hilft.” Der Geisterkönig unterdrückte ein Schauben. ‚Wenn sie nur wüssten...‘, dachte er und sah sich grimmig im Raum um. Er war sehr überrascht, dass anscheinend sogar einige Mitglieder der Eliteeinheiten zu den Verrätern gehörten, sogar einige aus seinen. Konnte man wirklich niemanden mehr trauen?! Glücklicherweise gab es vergleichsweise wenig Todesopfer, doch ihn plagte das schlechte Gewissen. Vielleicht wäre der Palast so oder so angegriffen worden, aber ihm war dennoch hundeelend zumute. Gleichzeitig fasste er einen Entschluss: Er würde vorerst bei Liliths Spielchen mitmachen und sich als gehorsames Schoßtier geben, aber irgendwann würde seine Zeit kommen. Irgendwann würde er sie zahlen lassen.
 

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31. Oktober, Satans Gemächer
 

Lilith war frei. Die irre Königin war auf freiem Fuß und es war vorwiegend seine Schuld. Gut, er hatte nicht ahnen können, dass sein Vater noch ein Kind zeugen würde, dass seine Flammen erbte und Jahi eine Verräterin war, aber er war dennoch wütend auf sich selbst. Alleine die Tatsache, dass er mit dieser rothaarigen Furie unter einer Decke steckte, machte ihn krank. Hinzu kam noch Rin, der wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa saß und noch kurz zuvor bitterlich geweint hatte. Er bewunderte ihn wirklich dafür, dass er alles erzählte und war extrem erleichtert, als sich alle bis auf Alastor auf seine Seite stellten. Der Nephilim hatte genug durchgemacht, da musste man ihm nicht auch noch zumuten als Verräter gebrandmarkt zu werden. Glücklicherweise behielt ihr Vater einen kühlen Kopf und leitete sofort Gegenmaßnahmen ein. Bevor er jedoch dessen Gemächer verließ, legte er eine Hand auf Rins Schulter und lächelte ihm aufmunternd zu. Zwar half das nichts, aber er wollte Rin klar machen, dass er nicht allein dastand. Dann ging auch er, nur um kurz darauf eine vertraute Stimme in seinem Kopf zu hören. „Azazel. Ich habe einen neuen Auftrag für dich.~”, verkündete Lilith vergnügt. „Aber zuerst wirst du mir einiges über den Zwilling des Nephilims verraten.” Er schluckte. ‚Scheiße...‘
 

„Was willst du von ihm?”, fragte er und Lilith schnaubte. „Was glaubst du denn, ich will ihn los werden.”
 

„Er ist keine Bedrohung für dich! Genau so wenig wie Rin!”, fauchte er, was Lilith jedoch nur genervt seufzen ließ. „Ach, hör auf zu jammern. Warum kümmert es dich, du magst den Menschen doch sowieso nicht wirklich. Aber um Rin musst dir um ihn keine Sorge machen. Ich habe noch Verwendung für ihn, also lasse ich ihn eine kleine Weile länger leben.~” Sofort stieg Wut in ihm auf. „Nimm die Finger von ihm! Du hast ihn genug gequält!”, fuhr er sie an. „Nein, ich denke nicht.”, antwortete sie gelangweilt. „Ich will ihn noch ein wenig länger leiden sehen. Doch falls es dich tröstet: Ich werde dir vorerst nicht befehlen, ihn mir auszuhändigen. Er ist im Moment zu gut bewacht und deine kleine Aktion zum Blutgericht hat nur gezeigt, dass man dir nicht trauen sollte. Da fällt mir ein: Ich muss mir noch eine Strafe für dich überlegen...” Er ignorierte die Drohung. „Du kommst nicht an ihn heran.”, zischte er. „Ach, wirklich? Ihr könnt ihn nicht ewig beschützen. Ihr werdet einen Fehler machen und wenn das passiert, gehören Gehenna und Assiah mir.”, spottete sie und lachte hysterisch. Er fragte gar nicht erst, woran sie genau dachte, es konnte nicht gesund sein. „Verschwinde einfach! Du hast weder in Gehenna noch in Assiah irgendetwas zu beherrschen!”
 

„Momentan nicht, aber die Dinge ändern sich, Azazel. Das tun sie immer. Dieses Mal werde ich deine Impertinenz noch ignorieren, nächstes Mal nicht mehr. Also...jetzt erzähl mir doch was zu dem Zwilling.~” Er atmete scharf ein und erinnerte sich daran, dass er sich vorgenommen hatte, vorerst mitzuspielen. ‚Wie konnte es so weit kommen?‘
 

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24. Dezember 2018, Satans Palast, Esszimmer
 

Azazel fand es noch immer unglaublich, dass Rin ausgerechnet an Heiligabend geboren worden war. Für Dämonen hatte dieser Tag keine wirkliche Bedeutung, da es Jesus nie gegeben hatte, jedenfalls nicht in der Form, in der sich die Menschen ihn vorstellten. Schlussendlich spielte es keine Rolle, denn auch wenn sie zu Beginn wütend über Rins Geburt gewesen waren und sich Mühe gegeben hatten, ihn zu hassen, würden sie den Geburtstag feiern wie jeden anderen. Natürlich war momentan eine richtige Feier nicht möglich, aber allein das glückliche Gesicht seines jüngsten Bruder als er ins Zimmer kam, war genug. Er hatte offenbar nicht damit gerechnet und es tat wirklich gut, ihn nach allem, was passiert war, lächeln zu sehen. Allerdings machte sich Nervosität breit, als er zum Seelenspiegel kam. Tatsächlich war das Azazels Idee gewesen, aber er bezweifelte langsam, ob es wirklich so gut gewesen war, da Rin einen seltsamen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, während er die Funktion erklärte. Hatten sie damit nur alte Wunden aufgerissen? Er hatte seit dem Barbesuch ständig an Rins Worte bezüglich des Paladins denken müssen und hasste den Gedanken, dass es zum großen Teil ihre Schuld gewesen war und Rin sich Vorwürfe machte. Umso überraschter war er, als er, Samael und ihr Vater von Rin in eine Umarmung gezogen wurde. „Danke.”, flüstere der Nephilim. Nur kurz darauf fanden sie sich in einer Gruppenumarmung wieder, aber er beschwerte sich. ‚Scheint als hätte ich endlich mal was richtig gemacht.‘
 

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6. Januar 2019, Satans Thronsaal
 

„Ich halte das immer noch für eine dumme Idee.”, murmelte Amon, woraufhin Halphas, Ankou und Alastor zustimmend nickten. Auch Shax und Paymon schauten nicht sonderlich glücklich drein und Azazel konnte nur zustimmen. Es war eine perfekte Gelegenheit für Lilith zuzuschlagen, denn im Gegensatz zu dem, was die anderen glaubten, wusste die Dämonengöttin dank ihm von ihrem Auftrag in Assiah. Er hatte sein Bestes gegeben, um es ihr vorzuenthalten, aber das war längst unmöglich geworden. Inzwischen waren sie zu eng miteinander verbunden, als dass er noch etwas vor ihr geheim halten oder sich widersetzen konnte. Im Stillen hatte er gehofft, dass jemand den Fehler, den er in die Barrieren eingebaut hatte, finden würde oder es beim austesten auffiel, doch natürlich war das nicht der Fall gewesen. Er zwang sich, seinem Vater zuzuhören. „Ihr kennt eure Aufgabe, also halte ich es kurz. Versucht euch mit so vielen Hexenzirkeln und Exorzisten wie möglich in Verbindung zu setzen. Tötet keine Exorzisten, außer es lässt sich nicht vermeiden. Wenn sie euch also bei etwas erwischen, zündet ihr sie nicht sofort an. Ja, ich schaue dich an, Iblis.” Der Feuerkönig grummelte etwas vor sich hin und Satan wandte sich an Rin. „Und du hörst auf deine Brüder. Tu nichts unüberlegtes, halte dich aus eventuellen Kämpfen raus und spiele nicht den Helden!” Rin nickte. „Solange wir da sind, wird ihm nichts passieren.”, versicherte Lucifer. ‚Na hoffentlich...‘ Er konnte seine Nervosität nicht länger verbergen und begann damit, von einem Fuß auf den anderen zu treten. Dem Rest schien es ebenfalls aufzufallen. „Azazel, ist alles in Ordnung?”, erkundigte sich Halphas besorgt. Er blinzelte überrascht und überlegte sich eine schnelle Antwort. „Ja...”, war blöderweiser alles, was er hervor bekam. „Komm schon, Aza. Das war auch deine Idee.”, erinnerte Beelzebub ihn. „Ich habe nur ein schlechtes Gefühl...vielleicht sollten wir das verschieben...”, versuchte er sie verzweifelt umzustimmen. „Zur Abwechslung stimme ich zu.”, knurrte Alastor, aber beide stießen auf taube Ohren. Wie in Trance starrte er auf die sich öffnende Gehennapforte und atmete tief durch. Er konnte jetzt nur auf das beste hoffen.
 

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29. Januar, Assiah, Unterkunft
 

Normalerweise war Azazel kein großer Freund davon, mithilfe von Alkohol Sorgen und Trauer zu ertränken. Er hatte bei Astaroths Mutter gesehen, was passierte, wenn man einer derartigen Sucht erlag, wobei ihm wohl am besten im Gedächtnis geblieben ist, wie sie im Rausch dem Verwesungsdämonen eine Ohrfeige verpasst hatte, weil sie ihn als störend empfand. Auch erinnerte er sich zu gut an die ständigen Streitereien zwischen ihr und seinem Vater. Zwar hatten Satan immer geachtet, dass sie nicht vor ihm oder seinen Brüdern stritten, aber mitbekommen hatten sie es dennoch, vor allem nachts. Viele weitere Probleme waren noch dazu gekommen, aber es hatte zumindest ein gutes gehabt: Er hatte früh gelernt, dass Alkohol keine Lösung war und ausschließlich betäubte. Sicher, er war auch mal betrunken gewesen, wer nicht? Dafür hatte er aufgepasst, dass er es nicht übertrieb. Heute sah es allerdings anders aus. Er wusste wie wichtig es war, ihren Vater zu befreien, aber er hatte Angst, dass sie geradewegs in eine Falle rannten. Glücklicherweise (oder unglücklicherweise?) hatte sich Lilith bisher nicht bei ihm gemeldet und war wohl anderweitig beschäftigt, aber er wusste, dass sie von ihrem Plan wissen würde, sobald sie wieder in seinen Kopf eindrang. Daher beschloss er, zur Abwechslung einfach auf alle Vorsicht zu scheißen, holte sich mehrere Dosen Bier aus der Küche und trank. Mit etwas Glück würde der Alkohol ihn leicht benebeln und Lilith würde mehr Schwierigkeiten haben in seinen Geist einzudringen. Im Gegensatz zu dem Alkohol in Gehenna war es ein Lacher, aber es beruhigte ihn irgendwie. Wenn er schon nicht schlafen konnte, verbrachte er eben seine Zeit damit, über sein Versagen nachzudenken. Als die Verbindung zu seinem Vater getrennt worden war, hatte er Angst wie lange nicht. Er wusste, dass Lilith stark geworden war, aber dass sie wirklich Satan besiegen konnte, hatte ihn überrascht. Jedoch wusste er, dass es nichts brachte, sich deswegen Gedanken zu machen. Irgendwie musste er das in Ordnung bringen, er wusste nur noch nicht wie. Er hatte gerade die nächste Dose geöffnet, als er hörte wie jemand die Treppe herunterkam. Anhand der Aura konnte er erkennen, dass es Rin war und dieser hatte offenbar nicht mit ihm gerechnet, da er zögernd stehen blieb. „Solltest du nicht im Bett sein?”, sprach er den Nephilim an. „Ich konnte nicht schlafen. Du?”, kam die Antwort. „Ebenfalls.” Er nickte zu dem Platz neben sich. „Setz dich.” Rin kam der Aufforderung ein wenig zögerlich nach. „Also...warum kannst du nicht schlafen?”, fragte Azazel langsam und sah den Jüngeren an. Dieser seufzte. „Ich bin einfach angespannt. Wenn morgen etwas schief geht, sind wir alle erledigt. Dann wollen Shura und die anderen mitgehen und Lucifer erlaubt es auch noch. Was wenn ihnen etwas passiert? Sie sind meinetwegen schon oft genug in Schwierigkeiten geraten.” Dieses Gefühl kannte er nur zu gut. „Sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was alles schief gehen kann, bringt nichts und macht dich nur fertig.”, antwortete er ruhig. „Ich verstehe, dass du dir Sorgen um deine Freunde machst, aber du kannst ihre Entscheidung nicht ändern. Sei lieber froh, dass du sie hast. Normalerweise haben Nephilim diesbezüglich selten Glück.” Er trank einen weiteren Schluck und musste unwillkürlich an die Nephilim denken, die in Assiah von den Exorzisten gejagt und fast vernichtet worden waren. Diese Shura und die Adepten wirkten dagegen so, als würden sie sich wirklich um Rin sorgen. „Außerdem scheinen wir alle bei sowas besonders viel Pech zu haben. So ziemlich 99% meiner damaligen Freunde wollten mich nur ausnutzen und dem Rest ging es nicht besser.”, fügte er ein wenig verbittert hinzu. Zumindest war es in seiner Schulzeit so, an der Militärakademie hatte er einige gute Freunde gefunden mit denen er jedoch teilweise lange nicht geredet hatte. Ob sie wohl noch alle am Leben waren? Dank Liliths Angriffen und ihrer Übernahme war es gar nicht abwegig, dass manche tot sind. Rin wusste offenbar nicht, was er dazu sagen sollte, also nickte er nur und wechselte das Thema. „Warum kannst du nicht schlafen?” Gute Frage, die Wahrheit konnte er kaum sagen. Er verzog das Gesicht. „Das Übliche. Kopfschmerzen, Albträume und ein Haufen Stimmen, die mir die Ohren volljammern und einfach nicht die Klappe halten. Als ob ich nicht selbst genug Probleme habe. Die Toten haben's wenigstens hinter sich und vergessen mit der Zeit ihr Leben. Ich kann mich dagegen an jedes beschissene verstörende Erlebnis erinnern und all die Bilder. War ja klar, dass ausgerechnet ich mit 'nem fotografischen Gedächtnis verflucht werde. Damit ich ja nicht meine Fehler und meine Dummheit vergesse.” Er trank die Dose aus und zerquetschte sie, den Blick steif nach vorne gerichtet. Ohne zu wissen warum, spürte wie die angestaute Frustration hoch kam und die Worte brachen einfach hervor, doch dann bemerkte er Rins verwirrten Blick. „Sorry. Schätze mal die Schlaflosigkeit lässt mich irgendwelchen Mist erzählen. Ich warte grad, dass die Medikamente wirken. Ich will endlich schlafen ohne einen Haufen Leichen in meinen Träumen zu sehen. Oder Stimmen zu hören, die mich verspotten. Das zieht echt runter.” Vielleicht wäre es doch besser gewesen, auf den Alkohol zu verzichten. Die Medikamente alleine wirkten schon komisch und wenn man dann noch trank, wurde es offenbar nicht besser, auch wenn es nicht viel war. „Ok...”, sagte Rin unsicher. „Solltest du wirklich Alkohol dabei trinken?” Nein, sollte er eindeutig nicht, aber das musste er ja nicht wissen und Azazel zuckte mit den Schultern. „Im Gegensatz zu dem Zeug in Gehenna ist das hier Kinderhustensaft. Da passiert nichts. Ist sowieso nur eine Dose.” In Wahrheit waren es mindestens 3 gewesen. „Und seien wir mal ehrlich: Ich sehe aus wie ein Drogenabhängiger auf Entzug. Ich sehe überall Tote und höre ständig ihre Stimmen, ich kann nicht schlafen und habe das Gefühl, dass alles dabei ist, den Bach runterzugehen. Da gibt's nicht mehr viel kaputt zu machen.” Es war die Wahrheit, also warum sollte man etwas schön reden? „Sag das nicht.”, protestierte Rin. „Wenn wir Lilith besiegen-” Ohne es zu wollen, schnaubte Azazel. „Sobald wir Lilith besiegt haben, wird's ruhiger, aber das Ende ist es nicht. Der Kreis dreht sich weiter. Irgendwann kommt der nächste Krieg, sei es in Assiah oder Gehenna. Und glaube mir, ich weiß wahrscheinlich am besten, wozu Menschen fähig sind. Bei mir kommen jeden Tag unzählige Seelen rein, viele sind nicht durch natürliche Ursachen gestorben. So viele von ihnen mussten alles Mögliche mitmachen oder haben eine kranke Scheiße abgezogen, da würde sogar Alastor den Kopf schütteln. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer und weißt du was? Keinen interessiert's.” Er lachte kalt. „Es mag sich zynisch anhören. Wahrscheinlich sogar schon nihilistisch, aber es ist wahr. Ich sage es ja immer wieder. Die Welt ist am verrotten. Keinen interessiert's. Sterbliche leben vor sich hin und beachten nicht, was sich anderswo abspielt. Wenn sie von hören, lassen sie sich einmal drüber aus und dann geht's weiter mit dem Leben. In Gehenna ist es manchmal nicht anders.” Stille folgte, während Rin den älteren Dämonen anstarrte. ‚Super, jetzt kann ich meinen Titel zum Dämonenkönig des Nihilismus oder Depression umändern.‘, dachte er grimmig, doch beschloss gleichzeitig, dass es ihn nicht kümmerte. Dämonen befassten sich ungern mit dem Tod oder ignorierten ihn vollkommen, da sie unsterblich waren, er konnte sich diesen Luxus dagegen nicht leisten und musste sich jeden Tag damit beschäftigen. Man sollte meinen, dass er nach all den Jahren abgestumpft war und teilweise stimmte das, aber manche Dinge ließen ihn einfach nicht los. Jeden Tag geschahen überall schlimme Dinge, von Massenmorden bis hin zu Vergewaltigungen und Missbrauch. Lilith war nur ein Problem von vielen und selbst wenn sie verschwand, blieben so viele weitere zurück. „Es gibt viele Menschen, die sich einsetzen, um das zu verhindern und zu bekämpfen.”, murmelte Rin, woraufhin Azazel den Kopf schüttelte. „Nicht genug. Nicht mal ansatzweise.” Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Was tat er hier eigentlich? Herumzusitzen, in Selbstmitleid zu schwelgen und über die Ungerechtigkeit der Welt rum zu jammern, würde niemanden etwas bringen. Es lag nun mal außerhalb seiner Macht, was sich in Assiah abspielte und es sollte ihn zudem nicht interessieren. Sie hatten im Moment größere Probleme, allen voran Lilith, also musste er sich zusammenreißen. Andernfalls waren all die Toten umsonst gewesen. „Tut mir leid. Vergiss einfach, was ich gesagt habe.”, versuchte er vom Thema abzulenken und stand auf. „Ich gehe wieder ins Bett. Kommst du mit?” Erneut nickte der Nephilim stumm. Sie sprachen auf dem Weg nach oben nicht, sondern murmelten nur ein kurzes „Gute Nacht.” Dann hielt der Geisterkönig jedoch nochmal inne. Wahrscheinlich würde er morgen als Verräter entlarvt werden und Rin musste sich eventuell mit allerhand Unsicherheiten und Lilith rumplagen. Zwar hatte er Vertrauen darin, dass seine Brüder den Nephilim beschützen konnten, aber sicher war sicher. Er drehte sich um und ging zu ihm. „Eine Sache noch. Was auch immer in den nächsten Tagen passiert, ist nicht deine Schuld, ok? Und glaube nicht alles, was man dir sagt. Viele Dinge sind nicht so, wie sie scheinen. Also lass dich nicht unterkriegen.” Nach kurzem Zögern wuschelte er seinem jüngeren Halbbruder einmal durch die Haare, dann ging er zurück in sein Zimmer.
 

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2. Februar. 2019
 

Es war genau das eingetreten, was Azazel befürchtet hatte: Rin war gefangen und glaubte obendrein noch, dass es Azazels Schuld war, womit er allerdings nicht ganz falsch lag. Eigentlich hatte er darauf gehofft, dass seine Brüder relativ schnell erkennen würden, dass Invidia seine Gestalt angenommen hatte, aber offenbar war dies nicht passiert. Als Lilith ihn in die Verliese gerufen hatte, ahnte er bereits, dass dies nichts Gutes bedeuten konnte. Er stellte sich auf Folter ein, doch was er schlussendlich vorfand war wesentlich schlimmer: Sein kleiner Bruder saß in einer Zelle, verängstigst und verwirrt. Am liebsten wäre er zu ihm hingegangen, hätte ihn umarmt und gesagt, dass alles gut werden würde, aber er konnte es nicht. Dieser vermaledeite Vertrag zwang ihn dazu, seine Rolle weiterhin zu spielen, also tat er genau das. Es zerriss ihm das Herz Rin verzweifeln zu sehen und ihm diese furchtbaren Dinge an den Kopf zu werfen, aber er musste es tun. Hoffentlich hielt der Nephilim durch bis er eine Möglichkeit fand, ihm zu helfen.
 

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22. Februar 2019
 

Seine Geschwister hatten es tatsächlich geschafft. Sie waren in die Vatikanstadt eingedrungen und gewannen stetig mehr Gebiet. Es wäre nur noch eine Frage der Zeit bis sie den Petersdom erreichten und das Hauptquartier einnahmen. Dummerweise würde das bedeuten, dass er sich ihnen endlich stellen musste und davor bangte es ihm schon die ganze Zeit. Nicht weil er Angst um sich selbst hatte, er hatte sich längst damit abgefunden, dass er wohl sterben würde, sondern weil er Angst vor ihren Reaktionen hatte. Sie alle waren schon verraten worden und wenn sie erfuhren, dass sie sich nicht mal mehr auf den eigenen Bruder vertrauen konnte, könnte das seine ganze Familie zerstören. Allerdings war ihm schon länger klar gewesen, dass er früher oder später auffliegen würde und er sollte wohl froh sein, dass dieses Versteckspiel bald vorbei war. Immerhin würden sie hoffentlich Rin befreien können. Er atmete tief durch, dann machte er sich auf den Weg zu dem Gerichtssaal, wo er seine Brüder konfrontieren würde.
 

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Wieder in der Gegenwart angekommen, schauten sich Satan, die Baal und Shura sprachlos an. Satan wusste nicht, ob er erleichtert oder wütend sein sollte. Es lagen nun eindeutige Beweise vor, Azazel hatte sie nicht verraten, weil er es wollte, sondern weil er es musste. Ohne die Abmachung mit Lilith hätte sie damals gewonnen, doch nun hatte diese Entscheidung Folgen mit sich gebracht, die keiner erahnen konnte. „Also, nur damit ich es richtig verstanden habe.”, durchbrach Shura langsam die Stille. „Azazel hat eine Vereinbarung mit Lilith geschlossen, weswegen er ihr dienen muss und niemanden etwas sagen darf. Ach, und obendrein lebt ein Teil von ihr in ihm und hat sich dort wie ein Parasit eingenistet. Darum kann er sich ihr nicht widersetzen und diese ganze Verbindung ist verantwortlich für seinen Zustand?”
 

„Mehr oder weniger.”, antwortete Satan düster. „Die einseitige Seelenverbindung erklärt auch, warum er so oft Ausfälle hatte. Das war wenn dieser Teil ihn übernommen hat.”
 

„Ich dachte, Dämonen können nicht von anderen Dämonen Besitz ergreifen?”, warf Amaimon ein, woraufhin Samael den Kopf schüttelte. „Normalerweise nicht, in diesem Fall jedoch schon. Erst nachdem der Teil eine gewisse Zeit in ihm gelebt hat und nur für sehr kurze Zeit, aber es geht. Dadurch konnte sie Dinge in Bewegung setzen, ohne dass er es bemerkt und es sabotiert.” Shura erschauderte bei dem Gedanken, wie sich ein Teil einer fremden Seele in den eigenen Körper einistete. „Immerhin bringt es eine positive Sache: Bei derartigen Umständen werden die meisten verstehen, warum es schlussendlich so gekommen ist. Vielleicht wird er nicht mal bestraft.”, erinnerte Lucifer. Shura sah ihn verständnislos an, weswegen er es kurz erklärte. „In diesem Fall ist es so, dass Azazel zwar willentlich den Vertrag eingegangen ist, aber hätte er es nicht getan, wäre Lilith siegreich gewesen. Durch den Vertrag und die Verbindung konnte er sich nicht widersetzen, daher kann man ihm das auch nicht zur Last legen. Außerdem hat er Lücken im Vertrag genutzt, um uns zu helfen.” Shura verstand, worauf er hinauswollte, aber konnte sich nicht vorstellen, dass andere es genauso sehen würden. „Es steht so im Gesetz. Ich bin kein Richter, aber so viel weiß ich. Es gab schon andere Fälle, wo jemand unter Vertragsgebundenheit etwas angestellt hat und deswegen mildere Strafen bekommen hat.” Die Exorzistin nickte nur, sie wollte nicht über das Rechtssystem Gehennas streiten. Ehrlich gesagt würde sie es Azazel gönnen, keine allzu schwere Strafe zu bekommen. Sicher, durch seine Mithilfe sind viele gestorben, doch sie konnte seine damalige Entscheidung nachvollziehen. Es war die beste für Gehenna und seine Familie gewesen, also konnte man sich kaum beschweren. Schlussendlich lag es ohnehin nicht in ihrer Hand. Sie kannte den Geisterdämonen kaum, daher konnte sie sich ohnehin nicht wirklich ein Urteil erlauben. Am Rande bekam sie mit wie die Baal weiterdiskutierten, doch ihr Blick wanderte zu Satan, dessen Gesichtsausdruck vollkommen unleserlich war. Ob er sich Vorwürfe machte oder war er doch eher wütend auf Azazel? Bisher wurde sie nicht wirklich schlau aus dem Dämonengott, immerhin kannte sie auch erst seit einigen Stunden, weswegen sie noch immer sehr zurückhaltend ihm gegenüber war. Fürs erste würde sie beobachten und abwarten wie er sich verhielt. Vielleicht konnte sie sich wirklich irgendwie mit ihm gut stellen, was auf jeden Fall nicht schaden würde. Gleichzeitig wanderten ihre Gedanken zu Rin. Ob er wohl inzwischen aufgewacht war? Satans Stimme lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück zum Dämonengott. „Reden wir nochmal mit Azazel. Ich möchte etwas überprüfen.” Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er den Raum. Shura warf den Dämonenkönigen einen fragenden Blick zu, doch offenbar wussten auch sie nicht worum es ging. Daher bleib ihnen keine andere Wahl als dem Dämonengott hinterher zu trotten.

In Sicherheit?

Astaroth war absolut nicht klar, was sich ihr Vater von einem weiteren Besuch bei Azazel erhoffte. Sie wussten nun, was damals geschehen war und sollten so schnell wie möglich den anderen Bescheid geben, sowie eine Möglichkeit finden, die Verbindung zwischen Lilith und dem Geisterdämonen zu trennen. Trotzdem bestand der Dämonengott darauf, erneut mit ihm zu reden und weitere Fragen zu stellen, obwohl er diese dank des Vertrages nicht beantworten konnte. Erst nach einigem Nachdenken begriff er, was das sollte. Azazel durfte ihnen nichts von der Abmachung erzählen, aber da sie es nun selbst herausgefunden hatten, war damit eine wichtige Lücke offenbart worden: Solange sie die richtigen Fragen stellten, konnte er die Antwort darauf geben. Eigentlich war es für Lilith untypisch einen derart groben Fehler zu begehen, andererseits hatte sie nicht wirklich die Zeit gehabt, sich einen möglichst sicheren Vertrag auszudenken. Pech für sie, Glück für Satan und die Baal. Die Exorzistin hatten sie underdessen fort geschickt, damit sie Bericht erstatten konnte. Außerdem ging sie der Rest vorerst nichts an. Als sie das Zimmer betraten, sahen Azazel und Shax, der neben ihm kniete, überrascht auf. Das Gesicht und die Augen des Baals waren gerötet, offenbar hatte er geweint. Sofort schämte Astaroth sich, immerhin trug er eine große Schuld daran. Frustration hin oder her, er hätte seinem Bruder nicht diese Dinge an den Kopf werfen sollen, vor allem wenn er sich in einem solchen Zustand befand. Ehrlich gesagt, war er überrascht den Älteren weinen zu sehen, das letzte Mal musste Ewigkeiten her gewesen sein und dass er eine Mitschuld daran trug, machte es nicht besser. „Soll ich euch nochmal alleine lasse oder-”, bot Shax an, nur um von Satan unterbrochen zu werden. „Nein, du kannst bleiben. Es wird nicht schaden, wenn du das hier hörst.” Er wandte sich an Azazel. „Wir wissen von deiner Abmachung mit Lilith und der Seelenverbindung.” Dem Geisterdämonen klappte der Mund auf und er sah verwirrt zwischen seinem Vater und seinen Geschwistern hin und her, bis sein Blick auf Samael fiel. Endlich schien es ihm zu dämmern. „Ihr habt die Zeit zurückgedreht.”, stellte er nüchtern fest und lehnte sich mit einem Seufzen gegen die Wand. „Ihr hättet es einfach gut sein lassen sollen.” Sie wechselten einen kurzen Blick, Shax begriff derweil gar nichts. „Abmachung? Seelenverbindung? Azazel, was beim Styx hast du getan?” Der Geisterdämon schaute betreten zu Boden, daher antworte Samael. „Als Lilith damals auf ihn, Egyn und Astaroth getroffen ist, hat sie die beiden besiegt und war dabei sie zu töten. Azazel hat sie davon abgehalten, indem er einen Vertrag mit ihr geschlossen hat. Sie lässt uns in Ruhe, dafür dient er ihr und um sicher zu stellen, dass er sich an alles hält, sind sie eine einseitige Seelenverbindung eingegangen.”, erklärte er und verschränkte mit einem bitteren Grinsen die Arme. „Rückblickend betrachtet, macht alles Sinn. Wirklich peinlich, dass wir nicht eher darauf gekommen sind. Lilith wird uns wahrscheinlich ausgelacht haben.”
 

„Ich hatte keine andere Wahl.”, flüsterte Azazel leise und sah überall hin, nur nicht in die Richtung seiner Familie. „Sie hätte euch getötet und ich-” Weiter kam nicht, Egyn ließ ihn nicht zu Wort kommen, sondern kniete neben ihn und zog ihn in eine Umarmung. Azazel, der offenbar nicht damit gerechnet hatte, erstarrte und schluckte schwer, als müsse er einen Schluchzer unterdrücken. „Wage es nicht dir Vorwürfe zu machen, du Idiot!”, sagte der Jüngere mit leicht zitternder Stimme. „Wenn sich hier jemand entschuldigen sollte, bin ich es. Es war meine Schuld, dass wir in diesem Tunnel waren und wenn wir besser aufgepasst hätten, als es dir immer schlechter ging, wären wir wahrscheinlich von selbst drauf gekommen. Es tut mir leid.” Das nutzt Astaroth als Stichwort und er tritt einen Schritt nach vorn. „Und mir tut es leid wegen dem, was ich vorhin gesagt habe.”, sagte er beschämt. „Ich war frustriert, aber ich hätte es nicht an dir auslassen sollen. Das ist eine miese Angewohnheit von mir, Entschuldigung.” Der Geisterdämon schien gar nichts mehr zu begreifen und sah sie verwirrt an. „I-Ihr hasst mich nicht?”, fragte er ungläubig. „Es ist meine Schuld, dass Lilith draußen ist und Rin am Ende ist! Mal ganz zu schweigen von den ganzen Toten-” Iblis' Schnauben unterbrach ihn. „Jetzt hör auf, herumzuspinnen. Das war zwar verdammt dämlich von dir, aber ich hätt's genauso gemacht und wenn das die anderen nicht einsehen, sollen die sich in den Hades scheren. Ansonsten müssen die erst mal an uns vorbei und gegen uns alle kommen sie nicht an. Scheiß auf den Rat und Scheiß auf die Exorzisten , was wissen die schon?! Wenn hier jemand Schuld ist, dann dieses rothaarige Biest!” Azazel antwortete nicht, sondern hatte erneut zu zittern begonnen und Astaroth war sich ziemlich sicher, dass er gerade dabei war, wieder in Tränen auszubrechen, aber Vorwürfe konnte man ihm wirklich nicht machen. Zum Glück hatten sie die Exorzistin weggeschickt, sonst wäre das ganze wesentlich unangenehmer. Unterdessen trat Satan wortlos nach vorne, kniete sich hin und zog Azazel ebenfalls in eine Umarmung. Die restlichen Dämonenkönige versammelten sich um sie herum und redeten zusammen mit Shax ebenfalls auf den Geisterkönig ein, der sich nicht mehr länger hatte zusammenreißen können und leise schluchzte, während er sich an seinen Vater krallte. Nach einer Weile hatte er sich wieder beruhigt und Satan ließ ihn wieder los, um aufzustehen. „Ich weiß, dass du Angst vor den Konsequenzen hast, aber wir kriegen das hin und lösen die Verbindung auf.”, ermutigte er den Jüngeren. „Er hat recht.”, sprang Shax ein. „Jeder in Gehenna weiß, was ein derartiger Vertrag und eine Seelenverbindung bedeuten. Wenn sie halbwegs Verstand haben, werden sie dir nicht die Schuld geben.”
 

„Und falls doch, können wir sie immer noch aus dem Weg räumen.”, warf Amaimon hilfsbereit ein. „Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt.”, antwortete Lucifer hastig. Azazel zögerte zunächst, dann nickte er langsam. „Trotzdem habe ich noch eine Frage und ich möchte, dass du sie ehrlich beantwortest nichts schön redest.”, sagte Satan eindringlich, woraufhin der Geisterdämon erneut nickte, offenbar etwas nervös. „Hat dir Lilith etwas von ihrem Blut gegeben? Also nicht nur bei der Schaffung des Vertrags und der Seelenverbindung?” Astaroth hatte mit allem gerechnet, aber nicht hiermit. Mit offenen Mund starrten er und seine Brüder erst den Dämonengott, dann Azazel an, welcher erblasst war. Einige Sekunden vergingen, dann nickte er zum Entsetzen aller langsam. Satan und Shax erblassten und wechselten entsetzte Blicke, eh sich der Weißhaarige wieder an seinen Sohn wandte. „Wie oft?”, fragte er, sichtlich um Fassung ringend. Die Temperatur im Raum schien zu sinken, das erste Anzeichen für einen Wutausbruch, der auch kurz darauf folgte, da Azazel schwieg. „WIE OFT?!”, donnerte er, was alle Anwesenden zusammenzucken lassen. Einige Flammen leuchteten auf und verschwanden vorerst wieder, dennoch traten alle ein wenig beiseite, bevor ein Unfall passierte. Die Antwort schockierte sie gleichermaßen. „Seit ich bei ihr gelandet bin. Mindestens einmal am Tag.”, flüsterte der Schwarzhaarige kleinlaut und allen Dämonen wich die restliche Farbe aus dem Gesicht. „Ich weiß, das ist schlecht-”, setzte er hastig an, aber wurde von einem wütendem Aufschrei seines Vaters unterbrochen. Dieses Mal machte er sich nicht die Mühe seine Flammen zurückzuhalten und schleuderte sie in eine Ecke, wo er einen Stuhl einäscherte und einen großen Brandfleck auf der Wand hinterließ. „SCHLECHT?! SCHLECHT?! Es ist ein Wunder, dass du überhaupt noch einen eigenen Willen hat!”, fauchte er und schien kurz davor zu stehen, weitere Möbel zu zerlegen, wovon ihn keiner abhalten würde. Wenn das wirklich stimmte, hatte sie ein weiteres großes Problem. „Darum hast du dir die Schlagadern aufgekratzt...”, stellte plötzlich Amaimon fest, woraufhin sie ihn alle ansehen. Astaroth brauchte einige Sekunden, bis er begriff, was der Erdkönig meinte und mussten einsehen, dass es Sinn machte. Unter normalen Umständen war es kein Problem jemanden dämonisches Blut zu geben, immerhin nahmen sie so Hexen und Hexer in ihre Zirkel auf und verliehen ihnen ihre Kräfte. Auch wurden einige Rituale und Verträge sowohl mit einem Menschen als auch mit anderen Dämonen damit abgeschlossen, aber verabreichte man jemanden regelmäßig sein Blut, wirkte es wie eine Droge, die fatale Folgen mit sich brachte. Es kettete einen nicht nur an die Person, von der man das Blut bekam, sondern machte vollkommen abhängig und ließ langsam den eigenen Willen verschwinden. Wahrscheinlich war Azazel nur wegen seiner Abstammung noch keine willenlose Marionette. Wer hätte gedacht, dass er Lilith sogar noch mehr hassen konnte? Wie konnte man so tief sinken? „Ja, das stimmt.”, bestätigte Azazel die Vermutung des Erddämonen. „Sie wollte sicherstellen, dass ich von ihr abhängig bin, in ihrer Nähe bleibe und schlussendlich meinen Willen verliere. Später hat sie mir immer seltener was gegeben, um mich verzweifelt genug zu machen, sie drum anzubetteln und es hat funktioniert.”, murmelte er beschämt. „Du hattest wieder Blut gebraucht, aber weil Lilith nicht da war, hast du dir die Schlagadern aufgekratzt, um dein eigenes zu trinken, was aber natürlich nicht den Durst gestillt hat.”, murmelte Beelzebub und wandte sich an seinen Vater. „Was passiert jetzt?” Dieser seufzte und wechselte einen kurzen Blick mit Shax, bevor er mit sprechen begann. „Der Durst wird immer schlimmer werden, bis er nur noch daran denken kann, an Liliths Blut zu kommen. Er wird wieder alles aufkratzen und trinken ohne dass es hilft, bis er irgendwann einfach alles und jeden angreift, was Blut hat.”
 

„Was bedeutet, dass er langsam aber sicher den Verstand verlieren und sich wie ein tollwütiges Tier verhalten wird. Das können wir dann nicht mehr rückgängig machen.”, ergänzte Shax düster. „Hey, ich sitze immer noch hier. Ein paar aufbauende Wort wären toll.”, grummelte Azazel, aber wurde ignoriert. „Alles was wir tun können, ist ihm jegliches Blut vorzuenthalten und darauf zu hoffen, dass er bald alles, was noch in seinem Körper ist, wieder erbricht.”, fuhr Shax fort. „Hast du nicht gerade gesagt, dass er wahnsinnig wird, wenn das weiter so geht?”, unterbrach Egyn ihn nervös, woraufhin Satan den Kopf schüttelte. „Nein, es wird nur schlimmer, wenn er weiterhin Blut trinkt, egal ob von sich selbst, einem anderen Dämonen oder einem Menschen. Solange wir ihm das vorenthalten, sollte er sich erholen. Außerdem müssen wir irgendwie die Verbindung zu Lilith trennen.”
 

„Ist das überhaupt möglich?”, sagte Astaroth zweifelnd, woraufhin Samael die Augen verdrehte und theatralisch seufzte. „Du hast wirklich nie im Unterrich oder den Privatstunden aufgepasst, wie? Da sie den Vertrag und die Seelenverbindung gleichzeitig geschlossen haben, kann man sie auch nicht einzeln auflösen. Erlischt einer der Verträge, ist der andere automatisch ebenfalls nichtig. Wir müssen nur den Gegenstand, in dem Lilith Azazels Seelenteil gebannt hat, finden und zerstören, dann wird er sofort frei von ihr sein.” Jetzt wo er es erwähnte, fiel es dem Verwesungsdämonen tatsächlich wieder ein, aber einfacher machte es das nicht. Iblis sprach sogar sofort das Problem an. „Und woher sollen wir bitte wissen, wo sie das Seelenteil gebannt hat? Das kann überall sein! Theoretisch könnte das 'ne verdammte Haarbürste sein!” Lucifer nickte langsam. „Na ja, das stimmt zwar, aber es muss schon etwas gewesen sein, was sie bei sich hatte, als sie die Seelenverbindung geschafft hat und es ist wahrscheinlich leicht zu transportieren. Sie hat doch diesen Oberarmreif in Form einer Schlange, das könnte es sein...”
 

„Oder ihr Amulett.”, warf Beelzebub ein, aber Satan schüttelte den Kopf. „Das wäre zu gefährlich. Einen Seelenteil in einen so mächtigen Gegenstand zu bannen, ist eine sehr schlechte Idee. Azazel, weißt du irgendetwas?” Leider schüttelte der Dämon den Kopf. „Ich bin bewusstlos geworden, nachdem wir den Schwur gesprochen haben, also habe ich nichts davon mitbekommen.” Kurz herrschte Stille, die schließlich von Amaimon unterbrochen wurde. „Was ist mit diesem Handspiegel, den sie immer mit sich rumträgt? Den lässt sie fast noch weniger aus den Augen als ihr Amulett.” Da hatte der Erdkönig in der Tat ein Argument, vor allem da Spiegel besonders gut für derartige Dinge geeignet waren. Jetzt mussten sie da nur noch ran kommen, was alles andere als einfach werden würde. „Ich denke, es ist das beste, sich nochmal mit dem Rat und den Exorzisten zusammenzusetzen.”, schlug Lucifer vor und Satan nickte ein wenig widerwillig. „Das denke ich auch. Momentan können wir nicht viel tun außer uns neu zu formieren und darauf zu warten, dass Rin aufwacht. Mal sehen, was er uns noch sagen kann. Hat Lilith ihm auch Blut gegeben?” Azazel schüttelte glücklicherweise den Kopf und schien diesbezüglich etwas sagen zu wollen, begann allerdings ohne Vorwarnung erneut Blut hervorzuhusten und schließlich zu würgen. Gleichzeitig lief Blut aus seiner Nase und wollte nicht mehr aufhören. Sofort knieten sich Shax und Satan neben ihm, während die restlichen Baal auf Abstand gingen. Die beiden Dämonen halfen dem Geisterkönig dabei sich richtig hinzusetzen, sodass er sich nicht verschluckte und besser Luft bekam. Endlich war alles draußen und setzte lehnte sich zitternd gegen die Wand, wo er sofort das Bewusstsein verlor. „Ich denke, ihr könnt hier erst mal nichts mehr tun. Azazel sollte sich weiterhin ausruhen. Ich werde Ankou fragen, ob wir uns abwechseln können, damit immer jemand bei ihm ist und er sich nicht wieder selbst verletzt. ”, schlug Shax vor, woraufhin Satan dankbar nickte. Sie standen auf und verließen gemeinsam das Zimmer.
 

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Die Nacht kam und ging, Satan bemerkte es jedoch kaum. Er war erleichtert endlich seine Kinder wieder zu haben, auch wenn zwei von ihnen eine lange Zeit zum erholen benötigen würden. Erneut war eine Versammlung einberufen worden, in der sie schilderten, was der Geisterdämon erzählt hatte. Das Entsetzten war auf beiden Seiten groß, wobei natürlich nur die Dämonen das Ausmaß einer derartigen Abmachung verstanden. Der Großteil der Menschen war ziemlich wütend, doch zur Überraschung Satans waren ein paar Exorzisten tatsächlich der Überzeugung, dass Azazel keine Schuld traf. Wer hätte gedacht, dass er wirklich jemals auf intelligente und vernünftige Exorzisten treffen würde? Manche Dämonen waren dagegen offenbar unsicher, aber zumindest die Führer der großen Häuser in Azazels Reich standen geschlossen hinter ihm. Schlussendlich würde die Entscheidung erst gefällt werden, wenn alles vorbei war. Für Satan spielte es allerdings so oder so keine Rolle mehr, was sie dachten. Wenn irgendjemand versuchen sollte, seinen Sohn hinzurichten oder zu verletzen, würde er es mit ihm zu tun bekommen. Es war ihm egal, was andere davon hielten, er würde jeden vernichten, der versuchte seiner Familie zu schaden, verdammt seien die Konsequenzen. Er hatte genug davon, ihnen nicht helfen zu können. Vorerst musste er sich allerdings auf andere Sachen konzentrieren. Die Vatikanstadt gehörte wieder ganz ihnen, nur vereinzelt gab es einige Kämpfe, aber dennoch hatte Lilith einen Großteil Assiahs nach wie vor unter ihrer Kontrolle. Vorerst konnten sie dagegen leider nichts tun. Es hatte im letzten Kampf eine Menge Tote und viele Verletzte gegeben, wovon sie sich eine Weile erholen mussten. Zudem stand die Frage im Raum, was sie mit den Gefangenen machten. Dafür hatte Satan bereits mit den restlichen Dämonenkönigen neue Barrieren errichtet, was relativ gut lief, wenn man von einigen kleineren Zwischenfällen absah. Die Exorzisten hatten nämlich ebenfalls Bannkreise aufgespannt und dabei versehentlich die Dämonen eingekesselt, sodass Lucifer und Beelzebub aus heiterem Himmel gegen eine unsichtbare Wand gelaufen waren. Daher durften die Exorzisten alles nieder reißen und von vorne anfangen. Die restlichen Zwischenfälle waren nicht weiter erwähnenswert, aber teilweise immerhin amüsant. Der Dämonengott war gerade in einem Gespräch mit Shax und seinen Söhnen vertieft, als Agares angerannt kam. „Ihr müsst schnell kommen, Rin ist aufgewacht!”, berichtete sie atemlos und offensichtlich besorgt, weswegen sie sofort mit dem Schlimmsten rechneten. „Was ist los?”, fragte Satan scharf. „Er ist komplett desorientiert und verängstigt. Er hat mich fast mit seinen Flammen verbrannt und will mit niemanden reden. Ich habe zwei Heiler und bei paar Wachen bei ihm gelassen, aber die werden ihn nicht lange bändigen können. Ich befürchte, dass er anfängt Amok zu laufen, wenn wir ihn nicht aufhalten! Vielleicht beruhigt er sich, wenn ihr mit ihm redet.”, erwiderte die Wasserdämonin, während sie nervös ihre Hände wrang. Das waren in der Tat schlechte Nachrichten, zumal sich Rin einen Kontrollverlust momentan nicht leisten konnte. Nachdem er bewusstlos geworden war, hatten sie sofort Kurikara an sich genommen und dabei festgestellt, dass die Klinge angebrochen war. Normalerweise müssten sie die Schwertklinge komplett neu schmieden, aber da sich Rins Dämonenherz darin befand, stand dies außer Frage. Vorerst konnten sie es nur notdürftig reparieren und Rin würde sich mit seinen Flammen sehr zurückhalten müssen. Früher oder später würde die Klinge allerdings zerbrechen und sein Dämonenherz freisetzen, ewig herauszögen konnten sie es nicht mehr. Danach konnten sie nur noch hoffen, dass er bereit war, sein Herz wieder aufzunehmen. Satan hatte die Befürchtung, dass es erhebliche Probleme mit seiner menschlichen und dämonischen Seite geben könnte. Vollwertige Dämonen mussten ihre Grundinstinkte im Zaun halten, da sie sonst der Raserei verfallen könnten, doch in Rins Fall war es ein wenig komplizierter. Er hatte in gewisser Weise zwei Persönlichkeiten in sich und es konnte durchaus passieren, dass sein innerer Dämon versuchen würde, die menschliche Hälfte zu vernichten, anstatt sich mit ihr zu vereinen. In diesem Fall würde von Rin ein Wesen übrig bleiben, dass nur noch von seinen Instinkten getrieben wurde und damit eine Gefahr für alle war und zurückholen konnte ihn dann keiner mehr. Schweigend folgten sie der Wasserdämonin zu dem Krankenzimmer, wo sie bereits im Flur lautes Gekreische und Fluchen hören konnten. Agares zögerte nicht lange und riss die Tür auf. Der Anblick, der sie begrüßte, ließ ihre Sorge nur noch wachsen. Rin hockte schwer atmend in der Mitte des Raumes, die Knie angezogen und das Gesicht in den Händen vergraben, während seine Flammen unkontrollierbar wüteten. Zwar hatte er damit scheinbar niemanden verletzt, der Raum lag allerdings in Schutt und Asche. Die beiden Heiler und die Wachen hielten möglichst viel Abstand von dem Nephilim und verließen, nun da Satan und die Baal da waren, zügig den Raum. „Rin, jetzt beruhige dich, es ist alles in Ordnung!”, versuchte Agares auf den Halbdämon einzureden und trat langsam näher. Dieser hob ruckartig den Kopf und schaute sie verwirrt an, dann wanderte sein Blick jedoch zu Satan und seinen Geschwistern. Zu deren Überraschung weiteten sich seine Augen und blanke Panik stand ihm ins Gesicht geschrieben. „NEIN!”, schrie er und wich schnell zurück bis er an die Wand stieß. Er zog erneut die Knie an und presste sich die Hände gegen seine Ohren. „Bitte, ich kann nicht mehr! Nicht schon wieder! Es tut weh, hört auf!”, kreischte er hysterisch und begann zu schluchzen. „Bitte, ich tu, was ihr wollt, aber lasst mich in Ruhe! Wenn ihr mich hasst, dann tötet mich doch einfach! Ich will so nicht leben!” Sie tauschten entsetzte Blicke aus, wagten es jedoch nicht, sich ihm zu nähren, da er hysterisch schluchzte, Tränen seine Wangen hinunter liefen und er noch stärker zitterte als zuvor. „Warum hasst ihr mich? Was hab ich euch getan? Bitte hört auf...Bitte...”, flüsterte er. „Ich will hier weg...Ich kann nicht mehr! Ich hab Angst! Bitte lasst mich gehen...” Er murmelte weiterhin leise vor sich hin und bettelte bis sie ihn kaum noch verstehen konnten. Offenbar halluzinierte er oder Lilith hatte irgendetwas getan, um seine Erinnerungen zu manipulieren. Er spürte, wie Zorn in ihm hochkochte und seine Flammen langsam hervor kamen, was Rin dummerwiese nur noch mehr zu verängstigen schien, daher zwang er sie schnell wieder zurück. Auch seine restlichen Söhne waren überfordert und starrten ihren kleinen Bruder hilflos an. Selbst Samael fehlten die Worte, was selten genug vorkam. Shax ergriff derweil die Initiative und schob sie wieder hinaus, dann schloss er die Tür. Endlich rissen sie sich aus ihrer Starre. „Shax, was soll das?!”, fauchte Satan ihn an, doch der Silberhaarige hob eine Hand. „Bitte beruhige dich-”
 

„NEIN, ICH BERUHIGE MICH NICHT!”, donnerte der Dämonengott. „Mein Sohn ist dort drin und hat Angst vor uns, weil Lilith ihm irgendwas angetan hat und du willst, dass ich mich beruhige?!”
 

„Das stimmt, Rin braucht uns!”, pflichtete Egyn bei, aber Shax schüttelte den Kopf. „Jetzt hört bitte mal zu! Ich weiß, dass ihr helfen wollt, aber wenn er euch sieht, bekommt er noch mehr Panik. Ihr werdet es nur schlimmer machen.”
 

„Ach und was dann?! Sollen wir uns hier hin stellen und durch die Tür schreien oder 'ne Papiertüte auf den Kopf setzten, wenn wir reingehen?!”, fauchte Astaroth ihn an. Der Geisterdämon ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Es ist verständlich, dass ihr helfen wollt, aber zuerst muss er sich beruhigen. So wie es aussieht, hat Lilith seine Erinnerungen manipuliert und Invidia und Luxuria dürften ihr übriges getan haben. Wir müssen jemanden rein schicken an den er sich normal erinnern kann.” So sehr er wieder zu Rin wollte, Satan musste eingestehen, dass Shax recht hatte. „Und wen sollen wir holen? Diese Adepten?”, fragte Amaimon zweifelnd. „Nein, ich wette, da wird er nicht anders reagieren. Sie stehen ihm zu nah. Das gleiche gilt wahrscheinlich für unsere Stellvertreter.”, antwortete Lucifer. „Schicken wir Vaya.”, schlug Samael plötzlich vor, woraufhin sich alle Augen auf ihn richten. „Sie ist mit Rin befreundet, sie weiß wie man jemanden beruhigt und ich bin ziemlich sicher, dass Lilith nicht daran denken würde, Erinnerungen an eine Palastbedienstete zu ändern. Sie hat sich nie mit dem gemeinen Volk abgegeben, also wird sie kaum daran gedacht haben.” Shax nickte zustimmend. „Das war auch mein Gedanke. Allerdings werde ich mit rein gehen, falls Rin nochmal die Nerven verliert und sie angreift.” Weder Satan noch die Dämonenkönige waren begeistert davon sich rauszuhalten, wenn es Rin schlecht ging, aber da keine andere Möglichkeit blieb und sie ihn nicht weiter verschrecken wollten, stimmten sie zu. Beelzebub machte sich auf den Weg, um die Dämonin zu holen und kehrte bereits nach wenigen Minuten zurück. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich schaffe. Was wenn ich es schlimmer mache?”, fragte sie, als sie vor ihnen stand. „Irgendwie glaube ich nicht, dass du es schlimmer machen kannst.”, antwortete Astaroth grimmig. „Ich gehe mit dir rein, dir kann nichts passieren.”, beruhigte Shax die Dämonin, woraufhin sie den Kopf schüttelte. „Ich mache mir keine Sorgen um mich, ich will nur nicht, dass es Rin noch schlechter geht.” Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und wollte die Tür öffnen, aber Samael hielt sie auf. „Bevor ihr geht, solltet ihr das hier nehmen.” Er schnippte mit den Fingern und ein Buch erschien in seiner Hand, welches Satan sofort erkannte. Es war das Fotoalbum, das der Nephilim damals mit nach Gehenna genommen hatte. Seine anderen Söhnen hatte es durch Zufall vor einigen Monaten gefunden und natürlich wissen wollen, was es war. Schlussendlich hatte sich Rin dazu breit schlagen lassen, die Fotos zu zeigen. Später hatte er sich weitere Fotos von seiner Zeit an der Heiligkreuz-Akademie und Gehenna ausgedruckt und ebenfalls eingeklebt. „Zeigt ihm das, das sollte seinen Erinnerungen hoffentlich auf die Sprünge helfen.”, erklärte Samael und gab das Buch an Shax weiter. Die beiden Dämonen nickten und betraten das Zimmer.
 

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Rin presste sich zitternd gegen die Wand, das Gesicht in den Knien vergraben und die Beine mit den Armen umschlingend. Seinen Schweif hatte er zwischen die Beine geklemmt. Er wusste nicht, wo er war, er war in einer fremden Umgebung aufgewacht. Es gab keine Ketten, keine Siegel oder Bannkreise und Licht kam durch die Fenster, aber er war überzeugt davon, dass das nur wieder ein Trick war. Er sah einige bekannte Gesichter, doch wusste, dass das nicht echt war. Es gab keine Hoffnung auf Flucht, er war auf sich allein gestellt. Verschiedene Stimmen redeten auf ihn ein, ohne das etwas zusammenpasste oder Sinn ergeben wollte. Fühlte sich so sterben an? Inzwischen war er von seinen Flammen umgeben, dabei sollten die eigentlich nicht herauskommen. Er hörte Schreie und Fluchen, manches davon schien sogar von ihm selbst zu kommen. Es kümmerte ihn nicht, er wollte einfach nur weg. Er wollte, dass es aufhörte. „Rin, jetzt beruhige dich, es ist alles in Ordnung!”, hörte er plötzlich eine weitere vertraute Stimme, woraufhin er ruckartig den Kopf hob. Er kannte die Dämonin vor ihm von irgendwoher, wusste allerdings nicht mehr, von woher genau. Verwirrt starrte er sie an, eh sein Blick weiterwanderte und sofort lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Dort standen sein Vater und seine Brüder, die seinen Blick erwiderten. Seine Augen weiteten sich und er spürte, wie sein Körper zu zittern begann, dann nahm die Panik Überhand. „NEIN!”, kreischte er verzweifelt, während er Richtung Wand zurückwich. Es war ihm gleich, was er sagen oder tun musste, dieser Albtraum sollte endlich enden! „Bitte, ich kann nicht mehr! Nicht schon wieder! Es tut weh, hört auf!”, flehte er hysterisch. „Bitte, ich tu, was ihr wollt, aber lasst mich in Ruhe! Wenn ihr mich hasst, dann tötet mich doch einfach! Ich will so nicht leben!”, schluchzte er und gab sich keine Mühe die Tränen zurückzuhalten. Er saß zusammengesunken an der Wand und weinte bitterlich, wissend, dass er gleich erneut diese Hölle durchleben musste. „Warum hasst ihr mich? Was hab ich euch getan? Bitte hört auf...Bitte...”, flüsterte er leise vor sich hin. „Ich will hier weg...Ich kann nicht mehr! Ich hab Angst! Bitte lasst mich gehen...”, wimmerte er, obwohl es zwecklos war. Warum taten sie ihm das an? Wenn sie ihn nicht wollten, hätten sie einfach seine Existenz ignorieren oder ihn zumindest schnell töten können. Dann würde es keine Schmerzen mehr geben, keine Stimmen, die ihn verspotteten und Dinge einflüsterten. Vielleicht hätte er nie geboren werden sollen, er war ohnehin nichts wert. Niemand würde ihn vermissen, wenn er verschwand, also warum sollte er noch weiter machen? Er krallte seine Fingernägel immer tiefer in seine Arme und spürte, wie warmes Blut hinunterlief. Die Zeit tickte langsam vor sich hin, vielleicht saß er einige Minuten da , vielleicht sogar Stunden, er wusste es nicht mehr. „Rin?”, fragte ein sanfte Stimme und er sah erschrocken auf. Vor ihm hockte ein Mädchen, er kannte sie, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, wer sie war. Dennoch zuckte er zusammen und wich vor ihr zurück, die Augen weit aufgerissen. Panisch sah er sich nach einem Fluchtweg um, leider erfolglos. „Es ist in Ordnung, ich tu dir nichts.”, fuhr die Dämonin leise fort. „Weißt du, wer ich bin?” Am Rande bemerkte er, dass noch jemand neben ihr kniete, aber er achtete nicht darauf und schüttelte nur langsam den Kopf, dann legte er ihn wieder auf die Knie. Er kam ohnehin nicht weg, dann konnte er genauso gut bleiben und es über sich ergehen lassen. Vielleicht waren sie hier, um ihn zu erlösen, begrüßen würde er es. „Rin, wir wissen, dass du verwirrt bist und Angst hast, aber du musst uns bitte zuhören.”, ergänzte eine männliche Stimme. Der Nephilim sagte nichts und leistete auch keinen Widerstand, als der Dämon vorsichtig seine verkrampften Hände löste und beiseite zog. Sofort begann sich seine Haut wieder zusammenzusetzten, dennoch zeigte er noch immer keine Reaktion. Die beiden Dämonen wechselten Blicke, dann begann das Mädchen erneut zu sprechen. „Hör uns einfach zu, ja? Wahrscheinlich denkst du, dass das hier nicht echt ist, aber da täuschst du dich. Du bist in Sicherheit, Lilith kommt nicht an dich heran und-” Sie hielt kurz inne, da Rin bei dem Namen der Dämonengöttin heftig zusammengezuckt war und fuhr erst fort, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte. „Sie kann dir nicht mehr schaden, sie wird nicht mal in deine Nähe kommen!”
 

„Sie hat recht.”, kam die Bestätigung. „Dein Vater und deine Brüder stehen alle hinter dir und wir passen ebenfalls auf dich auf. Wir wollen dir helfen, aber können es nicht, wenn du es nicht zulässt.” Rin schluckte, während ihm langsam bewusst wurde, was sie ihm erzählten. Sofort schüttelte er den Kopf. „Sie hassen mich, sie wollen mich sterben sehen. Sie haben es mir selbst gesagt, ich gehöre nicht zu ihnen.”, brachte er hervor und konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. „Das ist nicht wahr!”, protestierte Vaya sofort. Endlich war ihm der Name eingefallen. „Vergiss, was man dir gesagt hat, vergiss, was du gesehen hast! Lilith hat dich reingelegt, diese Erinnerungen sind nicht echt!”
 

„Sie würden dir niemals schaden wollen. Im Gegenteil, sie machen sich große Sorgen um dich.”, fuhr Shax leise fort. Rin glaubte ihnen nicht. „Azazel hat mich angegriffen...er hat gesagt, sie würden mich hassen-” Bevor er wieder Tränen ausbrach, wurde er von dem Geisterdämonen unterbrochen. „Das war nicht Azazel.”, sagte er ruhig. „Erinnerst du dich, wie ihr nach Gehenna gegangen seid, um deinen Vater zu retten? Azazel wurde dort besiegt und von Invidia ersetzt. Sie war es, die dich angegriffen hat und sie war es auch, die dir diese Dinge eingeredet hat.” Der Nephilim blinzelte überrascht und hob endlich den Kopf. Sie schienen nicht zu lügen, doch er traute ihnen immer noch nicht, am Ende war es nur wieder eine Halluzination. „Wenn du wirklich glaubst, dass sich niemand für dich interessiert, sieh dir das hier an.‘, bat Vaya ihn, nahm das Buch von Shax und hielt es dem Nephilim entgegen, der es zögerlich annahm. Für einige Sekunden starrte er ratlos den Buchdeckel an, dann schlug er es langsam auf und schaute wortlos auf die erste Seite. Er sah zwei Fotos einer Frau, in einem saß sie auf einer Wiese, in dem anderen lagen in ihren Armen zwei Kinder. Auf einem weiteren Bild sah er die Kinder erneut, dieses Mal hatte jedoch ein Mann sie auf dem Arm. ‚Das sind Shiro, Yukio und ich...das davor war meine Mutter...Samael hatte mir die Bilder gegeben.‘, stellte er verwundert fest und blätterte weiter. Es folgten Bilder von ihnen beim spielen, beim Ausflügen, der Einschulung und so vielen mehr. Schließlich war er bei Bildern angekommen, die relativ neu waren. Dieses Mal sah er nicht nur seinen Bruder und sich, sondern auch die übrigen Adepten. Sie saßen beim Mittag, in den Klassenzimmern, beim Lernen (wo er sicher nicht freiwillig gelandet war) und sogar beim Campen. ‚Das war dieses Trainingslager, wo ich gegen Amaimon gekämpft habe.‘ Seine Hand zitterte leicht, längst hatte er die beiden anderen Dämonen im Raum vergessen. Ein Teil von ihm glaubte nicht daran, dass nun noch weitere Bilder kamen, immerhin hatten sie ihn von diesem Moment an gehasst. Das Schlimmste befürchtend, blätterte er die Seite um, wo es zu seiner Verwunderung weiter ging. Weitere Fotos seiner Freunde zierten die Seiten und ließ ihn erstarren. Sie hassten ihn nicht? Aber sie hatten ihn doch danach verlassen, er konnte sich genau erinnern! Oder etwa nicht? Er blätterte weiter, während sich Shax und Vaya hoffnungsvolle Blicke zuwarfen. Erneut stockte der Nephilim und starrte fassungslos die Seite an. Auf den Fotos waren er und seine restlichen Geschwister zu sehen, aber sie wirkten glücklich. Warum? Sie hassten ihn, sie hatten Spaß daran, ihn zu quälen, also woher kamen diese Fotos? Das machte keinen Sinn, es sei denn, Shax und Vaya sprachen wirklich die Wahrheit. „Bitte, du musst dich erinnern. Lass Lilith nicht gewinnen.”, bat die Dämonin leise. „Wir wissen, dass die Erinnerungen noch da sind. Lass uns dir helfen. Wir wollen dich nicht so sehen.” Ohne Vorwarnung beugte sie sich nach vorne und umarmte ihn. Rin verspannte augenblicklich und für den Bruchteil einer Sekunde wollte er sie wegstoßen, aber tat dann nichts dergleichen. Zum ersten Wahl nach so langer Zeit verspürte er Wärme, dabei ließen die Illusionen sonst Kälte zurück. Sagten sie wirklich die Wahrheit? War das hier echt und er war endlich in Sicherheit, weit weg von den Stimmen, den Schmerzen und der Angst? Verwirrung machte sich bemerkbar, als er spürte wie etwas auf seine Hand topfte und er brauchte einige Sekunden bis er endlich erkannte, dass es seine Tränen waren. Seine Augen weiteten sich. „V-Vaya? Shax?”, krächzte er unsicher hervor und die Dämonin umarmte ihn zur Antwort noch fester. Auch Shax war näher an ihn herangerückt und strich ihm über den Rücken. „Ja. Wir sind hier und werden dich nicht alleine lassen.” Rin antwortete nicht sofort, sondern schaute erneut auf die Bilder, während langsam die Erinnerungen zurück kamen. ‚Dort waren wir im Palastgarten schwimmen, weil es extrem heiß war...da waren wir bei Amon bei Besuch...das ist in Egyns Reich, als er mich mal mitgenommen hat...und das war an dem Tag, als wir versehentlich einen von Samaels Manga ruiniert haben und einen neuen besorgen mussten, bevor er es merkt. Ob er das inzwischen mitbekommen hat?‘ Je länger er darüber nachdachte, umso mehr Erinnerungen kehrten zurück. „Aber was ist mit Lilith?”, fragte er angespannt. Zumindest dort musste es einen Haken geben, sie konnte nicht einfach weg sein. „Lilith hat eine verheerende Niederlage erlitten und musste sich zurückziehen. Azazel ist wieder bei uns, wir haben vorerst gewonnen.”, antwortete Shax, woraufhin Rin wieder ein wenig entspannte, allerdings konnte er sich nicht wirklich sicher fühlen. Die beiden redeten eine ganze Weile auf ihn ein, bis er sich endlich so weit beruhigt hatte, dass er nicht mehr hyperventilierte, sobald er an seinen Vater oder seine Brüder dachte. Allerdings blieb dennoch ein bitterer Beigeschmack zurück. Er wollte wirklich glauben, dass diese Erinnerungen nicht echt waren, aber er konnte diese Bilder und Eindrücke nicht so schnell vergessen. Immer wenn er die Augen schloss, sah er es vor sich und hörte das grausame Gelächter. Andererseits bewies das Album das eindeutige Gegenteil. Sie hassten ihn nicht, sie hatten ihn nie verletzt. „Ist es in Ordnung, wenn wir deinen Vater rein holen?”, fragte Shax plötzlich und ließ den Nephilim zusammenzucken. Ein Teil von ihm schämte sich, weil er so unsicher war, aber konnte man ihm das wirklich verdenken? „Schon in Ordnung, du musst nicht-”, setzte Vaya an, Rin schüttelte jedoch den Kopf. „Nein, holt ihn bitte her.”
 

„Sicher?”
 

„Ganz sicher.”, bestätigte er. ‚Er wird mich nicht verletzen, kein Grund für Panik.‘ Shax stand auf, um die Tür zu öffnen, während Vaya ein Stück beiseite ging. Rin schloss die Augen und holte tief Luft. ‚Es ist ok, er wird mich nicht verletzen. Es ist ok, er wird mich nicht verletzten. Es ist ok, er wird mich nicht verletzen.‘, wiederholte er gedanklich immer wieder und zwang sich zur Ruhe. Die Tür öffnete sich und der Dämonengott betrat in Shax' Begleitung den Raum. Sofort versteifte er, sodass er sich schnell seine Worte in Erinnerung rief. ‚Es ist ok, er wird mich nicht verletzten.‘ Eh er sich versah, kniete der Dämonengott bereits vor ihm. „Rin, geht es dir gut?”, fragte dieser sofort und legte dem Jüngeren eine Hand auf die Schulter, woraufhin er erschrocken zusammenzuckte und zurückweichen wollte, riss sich allerdings im letzten Moment zusammen. Stumm nickte er und wurde in eine Umarmung gezogen. „Es tut mir so leid, ich hätte euch niemals nach Assiah schicken sollen.”, redete Satan weiter, doch Rin schüttelte den Kopf. „Keiner konnte wissen, was passieren würde.”, sagte er leise und schloss die Augen, sich langsam an die Anwesenheit seines Vaters gewöhnend. „Mag sein, aber es entschuldigt nichts. Wir haben gesagt, dass wir auf dich aufpassen und stattdessen wurdest du gefangen. Das ist nicht verzeihlich-”
 

„Jetzt hör mal auf, solchen Mist zu reden, alter Mann. Du klingst schon wie Egyn.”, murmelte Rin, konnte sich ein müdes Lächeln jedoch nicht verkneifen. „Ich bin nur froh, dass wir dich wieder haben.”, antwortete Satan ohne auf den Kommentar zu seinem Alter einzugehen. Schließlich ließ er Rin wieder los und sie berichteten gemeinsam, was sich in den letzten Wochen zugetragen hatte und was vor allem mit Azazel passiert war. Ein Teil von ihm war erleichtert, dass der Geisterkönig sie nicht aus freien Stücken hintergangen hatte, aber dafür machte er sich jetzt große Sorgen um ihn. Er wollte ihn besuchen, was Satan ihm schnell wieder ausredete. Zunächst sollte er sich erholen und würde vorerst keinen Besuch von seinen Brüdern oder Freunden bekommen, damit sie nicht versehentlich weitere falsche Erinnerungen oder gar Panikattacken auslösten. Zu Beginn war der Nephilim alles andere als begeistert und ließ sich erst nach langem Einreden überzeugen. Immerhin versprachen sie, dass er sie sehen konnte, sobald es ihm besser ging. Schließlich wurde Rin klar, dass Vaya und Shax recht gehabt hatten: Er würde sich immer auf seine Familie und Freunde verlassen können.
 

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„G-Gebieterin, bitte vergebt uns, es war nicht unsere Schuld-”, versuchte sich Luxuria zu verteidigen, doch Lilith wollte nichts davon hören und ließ die Schmerzen nur noch intensiver werden. Die Aveira lagen allesamt am Boden, hielten sich die Köpfe und wanden sich vor Schmerz. Invidia hasste Liliths Strafen, vor allem da die rothaarige Dämonen in letzter Zeit wesentlich schneller an der Decke war als sonst. Dieses Mal war der Ausbruch zwar gerechtfertigt, aber warum musste sie es immer an ihnen auslassen?! „Ach, und wessen Schuld war es dann?”, fauchte die Dämonengöttin. „Ihr hattet eine simple Aufgabe: Ihr solltet die Baal gefangen nehmen, ihr hattet sogar Azazel, der euch hilft, aber stattdessen verliert ihr und lasst noch dazu ein paar Sterbliche Satan befreien!”
 

„Wir wissen auch nicht, wie das passieren konnte! Dort waren überall Wachen, sie können nicht einfach durchgekommen sein! Sie hätten gar nicht erst-”, begann Ira, aber wurde unterbrochen. „Hätte, hätte, hätte...ES IST MIR EGAL! Sie haben Satan befreit und sowohl der Nephilim als auch Azazel sind weg und ich kann keinen von beiden mehr erreichen. Sie haben nicht nur gewonnen, sie haben uns gedemütigt!”, schrie sie und warf ein Glas an die Wand. „Aber wir haben doch noch den Rest Assiahs!”, versuchte Gula ihr Glück und Acedia nickte schnell. „Ja und wir haben auch Gehenna. Das holen sie sich nicht so schnell wieder!”, bestätige sie die Aussage, woraufhin Lilith schnaubte. „Mag sein, aber das wir die Exorzisten so schnell überwältigen konnten, lag vor allem an dem Nephilim. Ohne ihn wird es wesentlich länger dauern die Verteidigungen niederzureißen.” Sie hielt kurz inne, dann begann sie auf und ab zu gehen. Die Todsünden ließen sie dabei nicht aus den Augen, immerhin schwankte ihre Stimmung momentan mehr als sonst. „Ich hasse es das zuzugeben, aber ich bin zu leichtsinnig geworden. Ich hätte die Dämonenkönige töten sollen, als sich die Gelegenheit geboten hat und Azazel gleich mit...der Nephilim wäre ein ausreichendes Druckmittel für Satan gewesen.”, murmelte sie und fuhr herum, als ein Klopfen von der Tür kam. „WAS?!”, fauchte sie, als Aulak und Berith dazukamen. Invidia unterdrückte ein Schnauben. Berith hatte ihr gerade noch gefehlt. Dieser Arsch machte kein Geheimnis daraus, wie sehr er ihre Stelle haben wollte. Informationsbeschaffung, Spionage, Sabotage und Unterweltgeschäfte waren immer noch ihr Spezialgebiet! Dummerweise hatte er Lilith während ihrer Versieglung einige Dienste erwiesen, daher konnte sie ihn vorerst nicht los werden, auch wenn Lilith bereits deutlich gemacht hatte, dass sie sich beide besser weiterhin nützlich machten. Vorerst würde sie sich auf ihren Sieg konzentrieren, dann konnte sie diesen lästigen Zeitdämonen los werden. „Tut uns leid, aber wir haben Neuigkeiten. Meine Schwester hat eine Gruppe Menschen getroffen, die sich uns anschließen wollen. Sie sind scheinbar irgendeine Sekte oder ein Kult...wie auch immer, sie reden von irgendwelchen Prophezeiungen.”‚ sagte Aulak. „Außerdem muss ich leider mitteilen, dass wir nichts über den unreinen König in Erfahrung bringen konnten, außer dass es wohl zwei Dinge gibt, die benötigt werden, damit er wieder auferstehen kann.”, fügte Berith hinzu, während er Invidia einen hämischen Blick zuwarf. Diese erwiderte seinen Blick mit einem hasserfüllten Starren. War ja klar, dass ausgerechnet er zuerst etwas dazu erfuhr, aber glücklicherweise machte Lilith eine wegwerfende Handbewegung. „Das hilft uns momentan nicht weiter, komm wieder, wenn du genaueres weißt.” Sie wandte sich an Aulak. „Ich kümmere mich darum. Sage ihr, dass sie die Menschen herbringen soll. Vielleicht sind uns diese Narren noch nützlich.” Sie wandte sich erneut an die Aveira. „Um euch kümmere ich mich später.” Damit stürmte sie aus dem Zimmer und Luxuria atmete auf. „Sobald ich herausfinde, wer uns verraten hat und den Exorzisten geholfen hat, Satan zu befreien, wird sich derjenige wünschen, nie geboren zu sein.”, hörte sie Ira murmeln und konnte nur zustimmen. Irgendjemand hatte sie verraten und sie würden herausfinden wer.
 

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Eine Woche später ging es Rin bereits wesentlich besser und dank eines Schlafmittels, das ihm verschrieben worden war, hatte er ruhige, albtraumlose Nächte verbringen können. Dennoch würde es noch Weile dauern, bis er sich wirklich wieder an seine Familie gewöhnen konnte. Bei Satans Besuchen an den ersten Tagen, zog sich sein Magen oft schmerzhaft zusammen, doch glücklicherweise riss er sich meist schnell zusammen und nachdem die Woche rum war, konnte er sich beinahe wieder normal mit ihm unterhalten. Von ihm erfuhr er unter anderem, dass es leider nicht ganz so gut bei Azazel lief. Er konnte weder essen noch trinken, da er es beinahe sofort wieder erbrach. Zudem wurde der Blutdurst immer schlimmer, sodass sie langsam darüber nachdachten, ihn irgendwie zu paralysieren, damit er nicht sich selbst oder andere verletzte. Das einzig Positive war wohl, dass Lilith dank der ganzen Siegel und Bannkreise vorerst keinen Kontakt zu dem Geisterdämonen aufnehmen konnte. Dennoch fiel ein Besuch vorerst ins Wasser. Dafür bestand der Nephilim darauf, sich endlich mit seinen restlichen Geschwistern und Freunden zu treffen. Außerdem wollte er aus diesem Krankenzimmer raus! Kuro war zwar seit dem ersten Tag bei ihm geblieben, um ihm Gesellschaft zu leisten, aber schlussendlich siegte dennoch die Langeweile. Satan zögerte zunächst, aber stimmte zu, nachdem Rin ihn gefühlte Stunden mit seinem besten Welpenblick angebettelt hatte. Nachdem sich der Nephilim angezogen und gegessen hatte, durften endlich seine Brüder ins Zimmer. Er hatte nicht mal die Gelegenheit "Hallo" zu sagen, da wurde er bereits von Egyn mit einer Umarmung überfallen. „Oh mein Gehenna, es geht dir gut! Wir haben schon mit dem Schlimmsten gerechnet, nachdem du so durchgedreht bist! Vater hat uns nicht zu dir gelassen und Shax hat sich genauso stur gestellt! Und dass obwohl du so ewig alleine warst!” Er brabbelte weiter, Rin achtete eher weniger darauf, er war einfach nur froh, wieder mit ihnen reden zu können, auch wenn die Anspannung noch da war. „Egyn, jetzt lass ihn mal Luft holen und gib ihm Freiraum. Du redest schon wieder viel zu viel.”, seufzte Beelzebub, woraufhin ihn der Wasserdämon streng ansah, aber den Nephilim zumindest los ließ. „Er war wochenlang gefangen, also tu nicht so, als ob du dir keine Sorgen gemacht hast! Das mindeste was wir tun können, nachdem wir ihn verloren haben, ist es ja wohl ihn zu fragen, ob es ihm gut geht!” Iblis verdrehte die Augen. „Wenn du mal Kinder haben solltest, beneide ich die nicht...aber schön dich wieder zu haben, Kleiner.”, fügte er hinzu und wuschelte Rin kurz durch die Haare. Auch die anderen freuten sich sichtlich ihn wieder zu haben, Amaimon bot ihm sogar einen seiner Lutscher an, den er gerne annahm. „Ich muss leider nochmal los.”, mischte sich plötzlich Satan ein. „Ich muss mich um einige Angelegenheiten kümmern. Denkt daran, dass ihr ihm nicht gleich zu viel abverlangt.”
 

„Ich bin nicht aus Glas.”, antwortete Rin ein wenig genervt, aber der Dämonengott hatte bereits den Raum verlassen. Rin setzte sich zusammen mit Amaimon und Beelzebub auf das Bett, während sich der Rest auf Stühlen und dem Boden verteilte. Nur Samael musste sich natürlich extra einen schicken Sessel heraufbeschwören. „Also gibt es irgendwas neues?”, fragte Rin und strich Kuro, der schnurrend auf seinem Schoss lag, über den Kopf. „Nicht wirklich.”, antwortete Amaimon. „Wir bauen Bannkreise auf und erneuern sie, treffen uns mit irgendwelchen Exorzisten...Menschen sind echt seltsam.”, fügte er hinzu und zuckte mit den Schultern. „Momentan sind wir vor allem damit beschäftigt Streitereien zu schlichten und die Stadt zu halten. Wir haben genug Vorräte, um einige Wochen zu überstehen und haben hier auch einige gefunden, von denen aber die Sterbliche nichts essen können. Danach wird es allerdings interessiert. Da Lilith einen großen Teil der Welt besetzt hat, sind viele Verbindungen zwischen den Hauptstellen zusammengebrochen und dass inzwischen fast alle Menschen Dämonen sehen können, macht es nicht einfacher für uns.”, berichtete Samael seufzend. „Japp, die Exorzisten haben schon erzählt, dass ihre Sprechstunden total überlaufen sind. Die ganzen Sterblichen kommen jetzt wegen jedem Kohletierchen angerannt.”, brummte Astaroth. „Wenn das hier alles vorbei ist, beneide ich die Exorzisten nicht. Die werden ein riesiges Chaos zu beseitigen haben.”
 

„Ich mache mir eher Sorgen, dass die Menschen wie damals reagieren, als die Angst vor Dämonen entstand.”, warf Lucifer ein. „Zuvor hatte die Ritterschaft erhebliche Nachwuchssorgen wegen der blauen Nacht und dem schwindenden Glauben an Dämonen, aber jetzt sieht die Sache anders aus. Wenn wir Pech haben, werden die Menschen anfangen uns erneut zu jagen. Gewinnen würden sie wohl nicht, aber es gäbe eine Menge Tote auf beiden Seiten.” Daran hatte Rin bisher mit keiner Silbe gedacht, jedoch machte es Sinn. Die Menschen hatten bereits mehrmals bewiesen, dass sie nicht viel von Dingen hielten, die sie nicht verstanden. Unwillkürlich musste er an Christina denken, die ihre ganze Familie dank der damaligen Hexenjagden verloren hatte. Genauso würde es den Dämonen gehen, auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass Gehenna Assiah sogar in seinem geschwächten Zustand schlagen könnte. „Reden wir doch mal über was positiveres!”, mischte sich Egyn ein. „Darüber können wir uns immer noch Sorgen machen, wenn es so weit ist.” Alle stimmten zu und sie begannen, über erfreulichere Themen zu reden. Unter anderem berichteten die Dämonenkönige von alten Schul- und Militärkameraden, die sie getroffen hatten, sowie einigen Ausbilder und sogar alte Lehrer. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du Befana getroffen hast, Samael.”, murmelte Iblis mürrisch, woraufhin der Zeitdämon mit den Schultern zuckte. „Ich war genauso überrascht.” Rin schaute nur verwirrt drein. „Frage: Wer ist Befana? Eine Ex?” Astaroth, der gerade einen Schluck Wasser getrunken hatte, verschluckte sich und spuckte es beinahe aus. „EINE EX?!”, fragte er entsetzt. „Scheiße, nein! Sie war eine Lehrerin für Mathe, Altgriechisch und Latein. Die hat uns alle gehasst, außer Egyn.”
 

„Wahrscheinlich nur, weil er später ihr König sein würde.”, grummelte Iblis. „Ich wette, wenn sie sich mal mit Lilith treffen würde, wären sie sofort beste Freunde. Dann könnten sie gleich zusammen Pläne schmieden, wie sie uns los werden.”
 

„Na komm, so schlimm ist sie dann doch nicht. Nur weil sie uns nicht leiden konnte, heißt das lange nicht, dass sie uns gleich umbringen würde, wenn sich die Gelegenheit bietet.”, mischte sich Beelzebub ein und Astaroth verdrehte die Augen. „Wenn wir vergiftet wären und sie hätte das Gegenmittel, würde sie damit Pflanzen gießen.” Anhand der Blicke der übrigen Baal schienen sie seine Meinung zu teilen. „War sie wirklich so schlimm?”, fragte der Nephilim vorsichtig. „Oh ja. Warum diese Frau Lehrerin geworden ist, werde ich nie kapieren.”, knurrte Astaroth. „Sie war unmöglich. Lucifer hat sie mal wegen Lateinhausaufgaben nachsitzen lassen, mit der Begründung, er hätte die nicht selbst gemacht, weil die zu gut sind. Samael hat sie zur Schulleitung geschickt, weil er niesen musste, bei einem Ausflug hat sie Beel vergessen und einmal hat sie meine ganze Klasse nachsitzen lassen, weil wir angeblich alle die Hausaufgaben vergessen hatten. Das Problem: Sie hat vergessen, uns die aufzugeben, also war es ihre Schuld. Oh, und dann hat sie mir einmal mit Absicht falsche Noten eingetragen, weswegen ich fast durchgerasselt bin, also durfte ich 'ne Extraprüfung schreiben.” Das klang wirklich mehr als unschön. So ging es eine Weile hin und her, bis sie irgendwann ganz vom Thema weg waren und sich stattdessen über alle anderen möglichen Dinge zankten. „Was soll das heißen, ich habe kein Verantwortungsbewusstsein?! Ich kümmere mich genau wie ihr um ein ganzes Reich!”, entrüstete Astaroth sich inzwischen. „Na ja, immer funktioniert das auch nicht. Muss ich dich an das Pharmazie Projekt damals erinnern? Du weißt schon, das mit der Pflanze?”, erwiderte Lucifer seufzend, doch der Verwesungsdämon wollte nichts davon hören. „Das war nicht so einfach, ok?!”
 

„Er war ein Kaktus, um den musstest du dich nur einen Monat lang kümmern. Sogar Amaimon hat das geschafft.”, erinnerte Beelzebub ihn trocken, was der Jüngere mit „Er ist ja auch ein verdammter Erddämon, die kommen mit Pflanzen klar!”, konterte. Rins Anspannung war inzwischen vollkommen verschwunden und er musste sich ab und zu sogar ein Grinsen verkneifen. Dennoch fühlte er sich immer noch erschöpft und ein seltsames taubes Gefühl wollte einfach nicht verschwinden. Er redete nicht viel und beschränkte sich eher aufs Zuhören. Endlich waren die Streitereien beendet und sie erzählten ihm, was er sonst noch verpasst hatte. Gelegentlich stellte er einige Zwischenfragen bezüglich seiner Freunde und erfuhr dabei, dass es allen den Umständen entsprechend gut ging. Sie hatten sich sogar allmählich an die ganzen Dämonen gewöhnt und halfen öfter sowohl bei den Exorzisten als auch den Dämonen aus. In den meisten Fällen bedeutete dies, sich um Verletzte zu kümmern oder Essen zu verteilen, aber es war schön, dass sie sich den Bewohnern Gehennas nicht verschlossen. Izumo hatte sogar Vaya und Galatea gezeigt, wie man mit Stäbchen aß, da sie dies nicht aus Gehenna kannten und stattdessen damit Mikado gespielt hatten. Sie war sogar überraschend geduldig gewesen, was man von ihr immerhin eher weniger gewohnt war. Bevor er sich versah, war bereits eine Stunde vergangen und noch immer war Satan nicht zurückgekehrt. Offenbar hatte er mehr zu tun als angenommen. Der Nephilim beschloss daher die Gelegenheit zu nutzen und bat darum, auch Yukio und seine Freunde sehen zu dürfen. Zunächst versuchten sie es ihm auszureden, aber schlussendlich gaben sie nach. „Gut, ich gebe ihnen Bescheid, dass sie herkommen sollen.”, seufzte Iblis und zog sein Hand hervor. „Du hast ihre Nummer?”, fragte Beelzebub überrascht, woraufhin der Feuerdämon mit den Schultern zuckte. „Ich hatte die Schnauze voll davon, sie jedes Mal suchen zu müssen, wenn man mit ihnen reden will. Also hab ich mit Suguro Nummern ausgetauscht.”
 

„Tatsächlich? Wie rührend!~”, säuselte Samael sofort. „Wenn das weiter so geht, verabredet ihr euch am Ende noch zum Essen.~” Er erhielt seine Antwort in Form eines geworfenen Pflanzentopfes, der ihn knapp verfehlte. Es dauerte nicht lange, bis abgenommen wurde und Iblis zu reden begann. „Ich bin's. Ich rufe nur an, weil Rin euch sehen will, habt ihr Zeit?...Ne, ihm geht's ganz gut...Ja, er auch...Ach, und wo ist er?...Na super...Ja, ok. Dann ist es eben so, er kann immer noch später kommen. Wir sind in einem Krankenzimmer, Nummer 243, glaube ich....Ja, genau dort. Gut, bis gleich.”, er legte auf und wandte sich an Rin. „Kirigakure und der Rest deiner Bande sind unterwegs, aber Yukio kann nicht. Er ist grad wohl auf irgendeinem Einsatz, aber ich denke mal, er wird kommen, sobald er wieder da ist. Er hat öfter nach dir gefragt.” Erleichtert nickte der Nephilim, beruhigt, dass sein Bruder wirklich zu ihm hielt. Sein Zwilling hatte immerhin ebenfalls des Öfteren unschöne Auftritte in seinen Visionen und falschen Erinnerungen gehabt. „Gut, wenn das geklärt ist, müsste leider ich direkt weiter.”, meldete sich Lucifer zu Wort. „Ich muss mich Paymon treffen.”
 

„Und ich muss noch einiges mit meinen Truppen abklären. Es wurden einige Insektenzüchtungen am Rande der Stadt gesichtet, die Terror machen, darunter wohl auch einige Riesenspinnen.”, warf Beelzebub ein, woraufhin die anderen Baal erschauderten. „Von diesen Dingen habe ich erst mal genug.”, antwortete Egyn. „Ich treffe mich gleich mit einigen Sirenen, es gibt mal wieder irgendwelche Streitereien.”
 

„Da würde ich glatt die Spinnen nehmen.”, murmelte Astaroth. Es stellte sich heraus, dass auch Samael noch etwas zu erledigen hatte. Amaimon, Iblis und Astaroth würden vorerst noch bleiben, da sie momentan nichts dringendes zu erledigen hatten und Satan sie darum gebeten hatte, in Rins Nähe zu bleiben. Der Nephilim war etwas genervt daneben, sagte allerdings nichts. Immerhin versprachen die drei, sich auf die andere Seite des Raumes zu setzten, sodass er in Ruhe mit seinen Freunden reden konnte. „Ich hoffe, ihr drei könnt euch so lange benehmen.”, warnte Lucifer sie dennoch. Amaimon zuckte nur mit den Schultern, während die anderen beiden die Augen verdrehten. „Ja doch, nun tut mal nicht so, als würden wir die Menschen fressen, wenn ihr nicht da seid.”, antwortete Astaroth gereizt. Die älteren Baal verabschiedeten sich schließlich, sodass er mit den restlichen Dämonen zurück blieb. Nach einigen Minuten trafen bereits die anderen Adepten ein und dieses Mal fiel es ihm wesentlich leichter, seinen zusammenziehenden Magen zu ignorieren. Er stand auf und fand sich in einer Umarmung mit Shiemi wieder und als sie ihn los ließ, in einer von Izumo. Im ersten Moment war er extrem überrascht, ebenso wie die anderen. Erst jetzt schien ihr bewusst zu sein, was sie getan hatte und errötete leicht. „B-Bilde dir ja nichts da drauf ein! Ich hatte ein paar anstrengende Tage!” Rin verdrehte die Augen, doch konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Was auch immer du sagst, Augenbraue.”
 

„NENN MICH NICHT SO!”, fauchte sie sofort, während Shima unglücklich drein blickte. „Du bist grausam Izumo-chan.”, schmollte er. „Ihn umarmst du, aber mich lässt du abblitzen. So gemein.” Die angehende Tamerin schnaubte. „Er kann sich immerhin benehmen und behält seine Griffel bei sich!” Shima seufzte niedergeschlagen und murmelte etwas vor sich hin, wahrscheinlich bedauerte er sich selbst. „Shura kommt übrigens später, sie hat noch etwas mit Paladin Angel zu bereden.”, erklärte Konekomaru und setzte sich auf einen der Stühle. „Er ist wieder Paladin?”, fragte Rin überrascht. „Ja, sie haben ihn wieder eingesetzt, nachdem sich die Ritterschaft offiziell mit den Dämonenkönigen verbündet hat.”, erklärte Bon und setzte sich neben Konekomaru. Auch die anderen setzten sich, während Shiemi sich neben Rin auf dem Bett nieder ließ. „Wie geht es dir?”, fragte sie besorgt. „Die Dämonenkönige haben uns erzählt, dass du einen Zusammenbruch hattest.” Ohne, dass er es wollte, versteifte Rin und wich ihrem Blick aus. „Ich will nicht drüber reden. Mir geht es inzwischen sowieso besser.”, sagte er schnell. „Schon gut, wir wollen dich nicht drängen.”, beruhigte Koneko ihn und sein Blick wanderte kurz zu den Baal, die auf der anderen Seite des Raumes waren und sich leise unterhielten, offenbar alles andere vollkommen ignorierend. „Sie sind also auch noch hier.”
 

„Angeblich sollen sie mich nicht allein lassen.”, erwiderte Rin ein wenig bitter. „Anscheinend denken sie jetzt wirklich, dass ich nichts alleine schaffe.” Shiemi legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Sie meinen es doch nur gut. Sie machen sich Sorgen um dich.” Rin schwieg, daher ergriff Izumo das Wort. „Sie hat recht, sie wollen nur sicher gehen, dass dir nicht passiert. Nach allem, was geschehen ist, hätte es mich gewundert, wenn sie anders reagiert hätten. Wer weiß, hier könnten noch mehr Verräter unterwegs sein. Das hat nichts damit zu tun, dass sie dich für hilflos halten.” Der Nephilim schüttelte düster den Kopf. „Mag sein, dass sie sich Sorgen machen, aber ändert nichts daran, dass ich bisher immer nutzlos war und sie mir jedes Mal den Hintern retten mussten.”, murmelte er niederschlagen. „Sie haben mich vor den Spinnen gerettet, vor Aulak, zwei Mal vor Lilith...und sogar davor habe ich nie irgendwas allein geschafft. Yukio hat mich vor Neuhaus gerettet, der Alte damals vor den ganzen Dämonen-”
 

„Dafür hast du mich vor dem Leaper gerettet.”, unterbrach Bon ihn. „Und mir hast du auch damals in Omas Garten geholfen.”, warf Shiemi ein. Rin schnaubte jedoch. Es war nett von ihnen, ihm gut zuzureden, aber er wusste es besser. Seit er in Gehenna gelandet war, schien er einfach nichts alleine hinbekommen zu haben und alles was er erreicht hatte, schien unbedeutend, nachdem er sich einfach so von Lilith hatte benutzen lassen. Sämtliches Selbstvertrauen, das er in den letzten Monaten aufgebaut hatte, war zusammengefallen wie eine Ruine. „Ein Riesenfrosch und eine Riesenblume, toll. Wenn es aber wirklich drauf ankommt, bin ich absolut nutzlos.” Die Adepten wechselten einen kurzen Blick, dann ergriff Izumo das Wort. „Jetzt hör auf, dich deswegen fertig zu machen. Du bist nun mal ein Anfänger, die Dämonenkönige werden nicht anders angefangen haben. Und wenn man bedenkt, dass du nur ein halbes Jahr dort warst, hast du doch inzwischen ganz gute Kontrolle über deine Kräfte zögerte kurz, als würde sie überlegen, ob sie das nächste wirklich sagen sollte, doch entschloss sich schlussendlich dazu. „Sieh dir nur mal Azazel an. Er, Astaroth und Egyn haben gemeinsam gegen Lilith gekämpft und verloren. Azazel konnte nichts tun, außer die Abmachung zu treffen, obwohl er der drittstärkste Baal ist.”
 

„Lilith konnte außerdem Satan besiegen.”, erinnerte Shima. „Und wenn sogar der schlapp macht, will das was heißen.” Izumo nickte. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das je sage, aber Shima hat recht. Jeder hat mal seine Probleme, sogar jemand wie Satan. Und falls du uns jetzt mit "Ich habe ja auch gegen schwächere Dämonen verloren" denke dran, dass sie einfach mehr Erfahrung haben.” Der Nephilim zögerte, eh er erneut sprach. „Wie läuft es sonst bei euch? Ich habe gehört, dass ihr viel ausgeholfen habt.”, wechselte er das Thema und glücklicherweise gingen sie darauf ein. Er wollte wirklich nicht mehr darüber reden. „Ja, das meiste ist nichts besonderes, aber wir haben eine Menge gelernt. Ich habe vor einigen Tagen einen Heiler kennen gelernt, der Englisch spricht, also konnte ich mich ein wenig mit ihm unterhalten und habe ein paar tolle neue Heilmethoden gelernt! Wusstest du, dass Herr Sancho..ähm Aloe meine ich, nicht nur bei Masho und Verbrennungen durch einen Ghul oder Naberius hilft?”, berichtete Shiemi aufgeregt. Sie erzählte noch eine Weile weiter und auch wenn Rin kaum verstand, wovon sie sprach, fühlte er sich dennoch wesentlich wohler. „Ehrlich gesagt bin ich inzwischen der Meinung, dass wir alle unsere Ausbildung fast komplett von vorne anfangen müssten.”, hörte er Koneko plötzlich sagen. „Wir haben so viele neue Dinge erfahren, die unserem bisherigen Wissen zu einem sehr großen Teil widersprechen. Viele der Schwächen treffen gar nicht zu, manche Dämonen sind falsch klassifiziert, unbekannt oder scheinen nicht mal zu existieren, sondern bereits bekannte zu sein, die wir für neue Arten gehalten haben.”
 

„Ist es so schlimm?”, fragte Rin verwundert. Er hatte in seiner Zeit in Gehenna einiges über Dämonen gelernt, aber war noch lange kein Experte. Dämonen wie er, die Baal oder Satan waren tatsächlich nur ein kleiner Bruchteil der Bewohner Gehennas. Die meisten Dämonen hatten ein nicht menschliches Aussehen, daher fiel es ihm schwer zu erfassen, wie viele es überhaupt gab, zumal diese Dämonen in der Regel nicht in Städten lebten, sondern sich anderswo rumtreiben. „So ziemlich.”, bestätigte Bon. „Da wären einmal die Rakshasa. Sie sind Gestaltwandler, allerdings kennen wir bisher nur Gestaltwandler, die zu Azazel gehören und gerade mal die untere bis mittlere Ordnung einnehmen. Sie ergreifen Besitz von halbfesten Körpern und können dabei eine beliebige Form annehmen. Sind sie und die Rakshasas dasselbe oder etwas anderes? Und dann kommen zum Beispiel Götterboten wie Uke und Mike dazu...wo gehören die hin? Eigentlich könnten wir alles komplett neu einsortieren und einordnen.”
 

„Ich frage mich, ob sie trotzdem die Exorzistenprüfung durchführen werden.”, überlegte Shima, aber Rin achtete nicht darauf. Es machte natürlich Sinn, dass die Exorzisten jetzt so einiges neues lernten und war sich nicht sicher, ob das wirklich so gut war. Immerhin würden sie bald wieder auf verschiedenen Seiten stehen. Sofort schob er den Gedanken beiseite, denn er wollte nicht daran denken, dass er sich wohl früher oder später für eine Seite entscheiden musste. Vorerst würde er einfach die Zeit mit seinen Freunden genießen.
 

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Während Rin sich mit seinen Freunden austauschte, unterhielten sich die drei Baal leise in einer Ecke. „Immerhin scheint er sich langsam zu erholen und hat bei ihrem Anblick nicht gleich den nächsten Schreikrampf bekommen.”, murmelte Iblis und warf einen flüchtigen Blick in die Richtung seines jüngeren Bruders. Dieser war im Vergleich zum Anfang immerhin etwas besser drauf, auch wenn es wohl eine ganze Weile dauern würde, bis er sich vollkommen erholt hatte. Falls er sich jemals vollkommen erholen würde. Unwillkürlich musste daran denken, was Egyn ihnen gesagt gestern hatte und wenn er sich die Gesichter der anderen ansah, ging es wohl nicht anders. Laut dem Wasserdämonen hatte seine Mutter sich damals wie Rin verhalten, als man sie gefunden hatte und um den Tod gefleht. Keiner wollte sich ausmalen, wie sich der Nephilim verhalten hätte, wenn er auch nur eine Woche länger in Liliths Fängen gewesen wäre. Wahrscheinlich wäre nicht mehr viel von ihm übrig geblieben. „Ist jetzt eigentlich schon raus, was wir wegen Jahi tun sollen?”, fragte Amaimon plötzlich. Überrumpelt von dem unerwarteten Themenwechsel, antworteten sie nicht sofort. Astaroth fing sich als erstes. „Wie kommst du denn jetzt darauf?” Der Erdkönig zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht...Sie hat die Sirenen befreit. Das hat ihr keinen wirklichen Vorteil gebracht, also warum sollte sie das tun?” Iblis schnaubte abfällig. „Sie hat uns jahrelang angelogen und ohne zu zögern Rin ausgeliefert, obwohl er nichts für konnte. Da kann mir keiner erzählen, dass sie 'nen Sinneswandel hatte. Wahrscheinlich ist sie genauso durchgeknallt wie Stihi und Aym. Denen ging es schon gar nicht mehr wirklich um Rache, andernfalls hätten sie nicht bei den Blutjagden mitgemacht. Die hatten inzwischen einfach Spaß dran.”
 

„Abgesehen davon macht eine gute Sache nicht den Rest rückgängig. Sie dürfte sich mittlerweile ein Todesurteil verdient haben.”, warf Astaroth ein. „Aber mich würde trotzdem mal interessieren, was sie mit "Ich kenne jetzt die Wahrheit" meinte.” Überraschenderweise war es Amaimon, der antwortete. „Vielleicht, dass Lilith ihre Mutter umgebracht und nicht Vater.” Die beiden älteren Baal wechselten erstaunte Blicke, dann nickten sie langsam. „Das könnte sein...na egal, meinetwegen soll sie in den Hades gehen.”, knurrte der Feuerdämon und verschränkte die Arme. „Warum muss ich auch mit diesen Irren verwandt sein...da ist mir sogar Azrael lieber!”
 

„Mach dir doch deswegen keinen Kopf. Du hattest nun wirklich nicht viel mit denen zu tun.”, sagte Astaroth schulterzuckend und sein Blick wanderte wieder zu Rin und seinen Freunden. „Die scheinen sich wirklich um ihn zu sorgen, wie?”, murmelte er. „Offensichtlich. Ich bin jetzt zwar nicht grad begeistert, dass sie Exorzisten sind, aber gut, ich gönne es ihm.”, antwortete Iblis nach kurzem Zögern. „Und so schlecht sind sie jetzt nicht.” Zwar gab er das ungern zu, aber je mehr Zeit mit ihnen verbrachte, umso mehr tolerierte er sie. Sie würden wohl keine Freunde werden, aber sie waren mehr oder weniger in Ordnung. „Ich finde Blondie zu anstrengend. Vaya ist zwar auch schüchtern, aber irgendwie auf 'ne andere Art und in letzter Zeit, habe ich das Gefühl, dass sie doch langsam aus ihrer Schale kommt. Ach, und Glatzkopf ist ein Schisser.”, kommentierte Astaroth. „Pinkie ist mit seinen Insekten Panikattacken immerhin unterhaltsam.” Amaimon zuckte mit den Schultern. „Sie sind eben Menschen. Die sind einfach zu schwach. Mit den meisten lohnt es sich nicht mal zu spielen.” Ihr Blick richtete sich auf die Tür, als sich diese plötzlich öffnete, doch es war nur Shura, die sich nun zu der Gruppe gesellte. Sie warf einen kurzen Blick in die Richtung der drei, woraufhin Iblis ihr knapp zunickte. „Nicht alle sind schwach. Sie ist für relativ stark für einen Menschen.”, stellte der Feuerkönig fest. „Japp, aber ich verwette so einiges, dass sie kein reiner Mensch ist. Da steckt irgendwo was dämonisches drin und dann wäre da noch ihr Schwert.”, wies Astaroth hin. „Genau wie das Fuchsmädchen. Sie hat auch Dämonenblut, nur relativ schwach.”, ergänzte Amaimon, während er zusah, wie Shura Rin in den Schwitzkasten nahm. „Bin ich eigentlich der einzige, der das Gefühl hat, dass diese Kamiki auf Rin steht?”, fragte Astaroth und sah die beiden erwartend an. Amaimon starrte ihn nur ausdruckslos an, aber Iblis nickte. „Kann sein, aber warten wir erst mal ab.” Erneut herrschte Stille, bevor Astaroth erneut das Wort ergriff. „Habt ihr eigentlich schon das mit den Hexenzirkeln mitbekommen?”
 

„Das mehrere überlaufen? Oder das manche unter Lilith jetzt angefangen haben, Rituale durchzuführen in denen sie gefangene Menschen und Dämonen als Opfergaben benutzen?”, fragte Amaimon und riss eine Packung Pocky auf, die er seinen Brüdern anbot, doch da sie nicht wirklich in Stimmung für Süßes waren, lehnten sie ab. „Ja, das auch.”, bestätigte Iblis. „Ich bin durch Zufall mit Indra und einem Hohepriester von Beelzebubs ins Gespräch gekommen und sie hatten ein paar interessante Ideen...”
 

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Egal wie oft er die Dämonen sah, Bon hatte sich bisher nur langsam an ihre ständige Gegenwart gewöhnen können. Dämonen schienen stets wie Raubtiere in der Ecke zu hocken und nur darauf zu warten, sich beim kleinsten Anzeichen von Schwäche auf ihre Beute zu stürzen. Natürlich war ihm bewusst, dass sie keine Tiere waren und nicht ohne Sinn und Verstand Menschen anfielen, aber sie etwas an ihnen war dennoch nervenaufreibend. Alleine wie sie manchmal plötzlich hinter einem standen und dann einfach wieder weg waren, erschrak ihn regelmäßig. Die Baal waren keine Ausnahme, doch er musste zugeben, dass er sich an ihre Gegenwart gewöhnt hatte. Ihr Ausflug nach Gehenna und ihre bisherige Zusammenarbeit hatte gezeigt, dass sie nicht so schlecht waren wie es andere immer behaupten. Er musste sogar eingestehen, dass Azazel ihm sehr leid tat und er seine damalige Entscheidung nachvollziehen konnte. Doch nun da sie wieder bei Rin waren, schob er all die negativen Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf den Nephilim, der die Unterstützung mehr als nötig hatte. Die Gefangenschaft hatte ihm offenbar sehr zugesetzt und er erschrak ziemlich, als er den normalerweise so optimistischen und gut gelaunten Halbdämonen vor sich sah. Zwar versuchte Rin das Ganze zu überspielen und so zu tun, als wäre nichts gewesen, aber sie alle bemerkten es. Er warf einen kurzen Blick zu den drei Baal in der Ecke, doch diese schienen in ihr eigenes Gespräch vertieft zu sein. „Weißt du schon, wie lange du noch auf der Krankenstation bleiben musst?”, fragte er schließlich. Rin zuckte mit den Schultern. „Ich kann nachher raus, ich teile mir dann das Zimmer mit einigen meiner Brüder. Hoffentlich lassen sie mich dann auch mal draußen rum laufen.” Zwar versuchte er frustriert zu klingen, aber Suguro war sich ziemlich sicher, dass er sich doch ein wenig davor fürchtete. „Es wäre besser, es langsam angehen zu lassen.”, sagte Shura. „Nach allem, was passiert ist, solltest du nichts überstürzen.” Sofort verschränkte Rin die Arme und schnaubte. „Ich bin kein kleines Kind, das alleine nichts kann.”, protestierte er. „Das hat nichts damit zu tun. Es ist keine Schande, wenn man sich von sowas lange erholen muss.”, beruhigte Shura ihn. Rin sagte nichts, aber alle konnten sich denken, was in ihm vorging. Er schämte sich für das, was passiert war und wollte es so schnell wie möglich wieder hinter sich lassen, was auch bedeutete, schnell auf die Beine zu kommen. „Du solltest aufhören, immer so zu tun, als ob es dir gut geht, wenn das nicht der Fall ist. Irgendwann geht das nicht mehr.”, wies Izumo ihn barsch zu recht. „Du solltest auf deine Freundin hören. Das ist eine wirklich schlechte Angewohnheit von dir.”, bestätigte eine weitere Stimme, die ihnen einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Satan war scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht und stand hinter Shima, welcher ebenfalls zusammenzuckte, herumfuhr und beiseite sprang, während er einen kurzen Schrei ausstieß. Der Dämon achtete nicht auf dessen Reaktion, sondern sah Rin an, welcher nur mit verschränkten Armen zur Seite schaute. Unterdessen fragten sich die Exorzisten wie der Dämonengott so nah an sie heran gekommen war, ohne dass sie es merkten. Er war immerhin ein Stück größer als Mephisto und strahlte eine bedrohliche Aura aus. Bon ballte langsam die Hände zu Fäusten. Obwohl er Satan bereits einmal begegnet war, fehlten ihm erneut die Worte. Vor ihm stand der Mörder seines Großvaters und so vieler weiterer unschuldiger Menschen, inklusive Verwandte seiner Freunde. Unwillkürlich musste er an seinen Schwur denken, aber was konnte er momentan schon ausrichten? Abgesehen davon wäre es sicher nicht allzu gut für ihre Zusammenarbeit, wenn er den Anführer aller Dämonen attackierte. „Du hast ganz schön lange gebraucht. Ist was passiert?”, fragte plötzlich Iblis' Stimme und ließ ihn zusammenzucken. Natürlich standen die drei Baal jetzt neben ihnen. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee hinter denen in Deckung zu gehen? „Es gab einige Zwischenfälle und ein Problem mit Azazel, aber es geht ihm schon besser. Ich brauche euch nachher alle bei einen Treffen. Rin, du sollst nochmal zu Shax.” Die drei Baal nickten und Amaimon trat vor. „Ich bring dich hin.”, bot er an, doch der Nephilim zögerte. „Vielleicht sollte ich-”
 

„Wir kommen schon klar, geh ruhig.”, unterbrach Shura ihn. Zwar sah Rin nicht überzeugt aus, aber nickte schlussendlich. „Bis später.”, verabschiedete er sich, dann waren er und Amaimon auch schon weg und ließen Satan und die beiden Baal alleine mit den Adepten. „Ich erkenne euch, ihr wart in meiner Zelle.”, wandte der Dämonengott plötzlich das Wort an die Exorzisten und ließ seinen Blick über sie schweifen, die Arme verschränkt. „Ja. Ist das ein Problem?”, fragte Shura in einem bemüht lässigen Tonfall, aber man konnte ihr die Nervosität ansehen. Der Weißhaarige zuckte mit den Schultern. „Nein. Ich wollte nur sehen, mit was für Leuten Rin sich umgibt. Daran sollte nichts schlimmes sein. Ich war sehr überrascht, dass er sich ausgerechnet mit Exorzisten Adepten angefreundet hat und ihr weiterhin bei ihm geblieben sein, nachdem ihr von seinem Ursprung erfahren habt.” Keiner sagte etwas, sie waren noch immer überrumpelt von seinem plötzlichen Auftauchen und dass er sie einfach ansprach. Shiemi und Shima waren blass wie eine Kalkwand, letzterer schien kurz vor der Ohnmacht zu stehen. Izumo fühlte sich ebenfalls nicht ganz wohl in ihrer Haut, aber wartete ab, was als nächstes passierte, ebenso wie Shura. Bon schwankte derweil zwischen Nervosität, Einschüchterung und Wut. Wie konnte dieser Bastard einfach hier stehen und mit ihnen reden, als wäre alles in bester Ordnung?! „Im Gegensatz zu dir, hat er auch keinen Massenmord begangen!”, brach es schlussendlich aus ihm heraus. Sofort waren die anderen Adepten in bester "Wenn ich ihn nicht sehe, sieht er mich auch nicht!" Manier erstarrt, während Shura nervös zwischen dem Dämonenherrscher und dem Adepten hin und her schaute. Auch die beiden Baal wechselten einen kurzen Blick, eh sie einige Schritte zurücktraten. Satans Gesichtsausdruck verriet nicht, was er dachte und als er sprach, war seine Stimme ruhig, aber kalt. Irgendwie wirkte das noch schlimmer, als wenn er sie angeschrien hätte. „Willst du jetzt wirklich damit anfangen? Wir haben momentan wesentlich größere Probleme, also schlage ich vor, dass du dich nicht wie ein trotziges Kind benimmst.” Kollektives Schlucken seitens der anderen Exorzisten folgte. Sie wünschte sich wirklich Rin herbei. Natürlich lief Suguro sofort rot an und eine Ader an seiner Stirn trat leicht hervor. „Trotziges Kind?!”, presste er unter großer Anstrengung hervor, doch seine Wut stieg dadurch nur. „Mag sein, dass wir größere Probleme haben, aber das heißt nicht, dass wir das einfach ignorieren! Wegen dir sind mein Großvater, Renzos Bruder und Großvater und Konekomarus Eltern tot und die Myōō Dharani fast am Ende, mal ganz abgesehen von vielen anderen Familien, die du zerstörst hast! Was hat dir das Recht gegeben, ein Massaker zu begehen, um drei Person zu retten?! Hättest du dich nicht mit einer Exorzistin eingelassen, wäre sie nie in diese Situation gekommen!” Nun waren ausnahmsweise alle Adepten leichenblass und die beiden Dämonenkönige, welche die ganze Zeit eine abschneidende Handbewegung gemacht hatten, schlugen sich die flache Hand vor die Stirn. Satans Gesichtsausdruck war steinern, aber in seinen Augen schien blaues Feuer zu brennen und jeder bemerkte den plötzlichen Temperaturwechsel im Raum. Zunächst wurde es eiskalt, dann stieg die Temperatur ruckartig nach oben und sie meinte, einige blaue Funken zu sehen. Astaroth und Iblis hatten sich erneut unauffällig einige Schritte zurückgezogen. „Ich würde an deiner Stelle deine Zunge hüten, vor allem wenn du nicht die Hintergründe kennst.”, sagte er und seine Stimme erschien wie eine scharfe Klinge. Gleichzeitig spürten sie, wie sich eine seltsame Schwere auf sie legte und ihnen stetig das atmen erschwerte. „Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst und ehrlich gesagt, interessiert ist es mir gleich, was du denkst. Was willst du überhaupt hören? Eine Entschuldigung? Dafür ist es längst zu spät und ich habe auch keinen Grund dafür. Die Exorzisten haben mein Volk genauso abgeschlachtet, allein ihre Jagd auf Nephilim hat weitaus mehr Opfer gefordert als die blaue Nacht. Hör also auf, dich zu beschweren oder dir das Recht herauszunehmen über andere zu richten.”, zischte er, doch Bon gab nicht nach, egal wie einschüchternd Satan war. „Dann erkläre es doch! Du hattest Samael, er hat sie schlussendlich befreit oder nicht?!” Satan zögerte, bevor er antwortete. „Das mag sein, aber ich war zu...aufgewühlt. Niemand kann immer die Kontrolle behalten, nicht mal ich. Familie steht für uns Dämonen an erster Stelle, also habe ich eingegriffen. Ich hätte es anders lösen können, aber was passiert ist passiert und kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.”
 

„Dann sollte dir eigentlich auch klar sein, was du uns damit angetan hast. Würdest du es einfach gut sein lassen, wenn jemand deine Söhne tötet und du mit den Mördern zusammenarbeiten musst?!”, hielt Bon dagegen und tatsächlich zögerte der Dämon. „Nein...ich schätze nicht.”, gab er zu, doch klang nicht wütend, sondern viel mehr erschöpft. „Einigen wir fürs erste darauf, dass beide Seiten sich falsch verhalten haben.” Iblis und Astaroth waren wieder näher herangetreten und Iblis ergriff das Wort. „Na ja, die Exorzisten wussten schon, dass sowas passieren könnte. Sammy hat sie sogar vor gewarnt. Was denn?”, fragte er, als er die verdutzen Gesichter der Exorzisten merkte. „Mephisto hat die Ritterschaft gewarnt?”, echote Shura verwirrt und Astaroth nickte. „Japp, sogar mehrmals und er war zur Abwechslung sogar mal ganz deutlich und hat ihnen direkt gesagt, dass Vater alles abfackeln würde, aber die Idioten haben nicht zugehört.” Satan sagte nichts dazu, doch die Raumtemperatur normalisierte sich langsam und das Feuer in seinen Augen erlosch. Außerdem verschwand diese seltsame Schwere. In diesem Moment betrat Samael den Raum, der sich, falls er die Anspannung spürte, nichts anmerken ließ. „Tut mir leid hier einfach reinzuschneien, da ihr euch anscheinend so gut versteht, aber wir haben ein kleines Ärgernis, um das wir uns schnell kümmern sollten.”, verkündete er ausgelassen und erhielt einen genervten Blick von seinem Vater. „Wenn es wieder die Sirenen sind, frage jemand anderen. Selbiges gilt für den Paladin.”, antwortete er dumpf, als hätte er ihnen nicht gerade den Schrecken ihres Lebens eingejagt. „Nein, dieses Mal nicht. Es geht um Seq-” Bevor er den Satz beenden konnte, wurde die Tür erneut aufgerissen und eine Dämonin kam herein gestürmt. Sie war klein, relativ zierlich und wahrscheinlich eine Wasserdämonin, wenn man ihre blauen Haare und Augen in Betracht zog. Interessanterweise erinnerte sie Suguro an jemanden, doch er kam nicht darauf, um wen es sich handelte. Sie schien keine Kämpferin zu sein, doch schritt sichtlich aufgebracht auf Satan zu, welcher ein leises „Oh nicht doch...” murmelte. Iblis und Astaroth traten erneut den Rückzug an, während Satan äußerst unglücklich drein schaute, was die Exorzisten nur noch neugieriger machte. Was sie jedoch endgültig vom Glauben abfallen ließ, war was als nächstes geschah: Die Dämonin verschränkte die Arme, gab dem Dämonengott einen giftigen Blick und begann ihn anzuschreien. Satan versuchte sie mehrmals zu unterbrechen, aber die Dämonin achtete gar nicht darauf, sondern machte einfach weiter. Die Exorzisten tauschten derweil verwirrte Blicke aus und verstanden die Welt nicht mehr. Wer zur Hölle war sie?!
 

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„Oh nicht doch...”, murmelte Satan, während sich Iblis und Astaroth aus dem Staub machten und Samael schnell den Raum verließ. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Warum immer er? Die Dämonin baute sich vor ihm auf und bevor er etwas sagen konnte, zeterte sie auch schon los. „Du! Wie gnädig von dir, dass du noch mit mir sprichst! Was hast du dir dabei gedacht, die Jungs alleine nach Assiah zu schicken?!” Er hatte jetzt schon keine Lust mehr auf diese Diskussion. „Sequana, sie sind volljährig und Dämonenkönige-”, setzte er an, Sequana achtete allerdings nicht darauf. „NA UND?! Sie sind trotzdem ständig in Schwierigkeiten und als ihr Vater ist es deine Aufgabe sie zu schützen, aber stattdessen bist du einfach Zuhause geblieben und hast dich dann auch noch besiegen lassen!”
 

„Sie können auf sich selbst achten! Und tu nicht so, als ob ich das wollte! Ich war geschwächt-”, setzte er erneut an, aber sie unterbrach ihn. „Ach ja, das wieder. Immer das gleiche Theater mit Männern. Plustern sich auf und behaupten, sie könnten es mit jedem aufnehmen, aber wenn es drauf ankommt, machen sie schlapp! Gut, selbst wenn du geschwächt warst und nichts dafür konntest, hättest du wenigstens die richtigen Vorkehrungen treffen können!”, schimpfte die Wasserdämonin weiter. Satan seufzte innerlich. Das konnte dauern, dabei war er gerade absolut nicht in der Stimmung dafür, aber wenn er jetzt versuchte abzuhauen, würde sie ihn später beschimpfen, also konnte er es gleich hinter sich bringen. „Und dann gehst du mir aus dem Weg, obwohl du ganz genau wusstest, dass ich mit dir reden will!”, fuhr Sequana fort und schimpfte noch eine ganze Weile weiter, er ließ es über sich ergehen, etwas anderes würde nicht helfen. „So, ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt! Aber ich bin bei weitem noch nicht fertig, nachher möchte ich nochmal mit dir reden!”, schloss sie aufgebracht und sah ihn mit gefährlich funkelnden Augen an. Satan nickte schnell und sie wandte sich an die versteinerten Exorzisten. „Tut mir leid, ich bin heute wirklich unhöflich, aber ich musste meinem lieben Schwager zurecht rücken. Er ist manchmal einfach unmöglich. Und ihr seid?”, fragte sie mit freundlicher Stimme, die nicht mal ansatzwiese vermuten ließ, dass sie soeben jemanden angeschrien hatte. Vom plötzlichen Stimmungswechsel der Dämonin überrascht, traten sie erschrocken einen Schritt zurück und dass sie Gehennisch sprach, machte es nicht besser. „Ach ja, ihr versteht mich nicht...”, überlegte Sequana und warf einen Blick in Astaroths und Iblis' Richtung. „Wie wäre es, wenn ihr mal herkommt und euch nützlich macht? Ihr braucht euch nicht zu verstecken, mit euch habe ich auch noch ein Wörtchen zu reden!” Ziemlich demotiviert kamen sie rüber und stellten sich neben die Adepten. „Ähm...ohne unhöflich sein zu wollen...aber wer ist sie und was hat sie gesagt?”, fragte der pinkhaarige Adept ein wenig nervös. Astaroth seufzte genervt. „Sequana. Sie ist Egyns Tante.” Er begann zu grinsen. „Und sie hat gesagt, dass sie euch fressen will.” Die blonde Adeptin, sowie der Adept mit der Brille und mit den pinken Haaren erblassten, Shura und das Mädchen mit den Zöpfen verdrehten dagegen die Augen. „Das hat sie nicht gesagt, darauf wette ich.”, schnaubte die Adeptin und Astaroth zuckte mit den Schultern. „Ein Versuch war's wert.” Sie drehten sich um, als sich die Türen erneut öffneten und Egyn den Raum betrat, welcher seine blutende Nase hielt. „Tut mir leid, dass ich erst jetzt komme, es gab neben den Sirenen noch Ärger mit einigen gefangenen Lilith Anhängern. Ein paar Exorzisten haben dann versucht, sie mit rezitieren außer Gefecht zu setzen, aber sie haben dann meinen Todesvers erwischt und ich musste abhauen bevor sie es gemerkt haben-” Weiter kam er nicht, denn Sequana hatte ihn sofort belagert, die Adepten waren offenbar vergessen. „Da bist du ja! Ich habe dich schon gesucht.” Egyn sah sie überrumpelt an. „Oh...Hi. Ist was passiert?”, fragte er überrascht, woraufhin die Dämonin die Nase rümpfte. „Es wird mir doch wohl erlaubt sein, mit meinem Neffen zu reden! Dein Vater hat sein Fett schon weg, also können wir gleich los. Wir reden woanders weiter, hier sind zu viele Leute. Ach, und übrigens habe ich ein paar Mädchen getroffen, die du mal kennen lernen solltest.” Jetzt ging das also wieder los. Warum musste sie immer wieder versuchen, Egyn zu verkuppeln? „Aber ich-”, versuchte sich der Wasserkönig herauszureden, doch Sequana unterbrach ihn. „Kein aber! Was auch immer du zu tun hast, kann sicherlich warten. Also komm jetzt!” Hilfesuchend wandte sich Egyn an seinen Vater, dummerweise stimmte er Sequana zu, damit er endlich seine Ruhe hatte. Er sollte sich wohl ein wenig schlecht fühlen, dass er seinen Sohn vors Loch schob, um der Wasserdämonin zu entkommen, aber er hatte jetzt einfach nicht die Nerven dafür. Zwar meinte Sequana es nie böse, aber sie konnte furchtbar anstrengend sein, was wohl vor allem an ihrem Sirenenblut lag. Kaum waren die beiden verschwunden, ergriff Shura das Wort. „Sie wirkt...stressig.”
 

„Das kannst du laut sagen.”, murmelte Iblis und wandte sich an seinen Vater. „Wir gehen mal hinter her und passen auf, dass sie Egyn nicht zwangsverheiratet.” Satan seufzte nur. „Das ist eher unwahrscheinlich, aber gut.” Die beiden schoben ab und er wollte ebenfalls gehen, aber beschloss, sich ein letztes Mal an die Exorzisten zu wenden. „Ich habe ehrlich gesagt seit Yuris Tod die Hoffnung aufgegeben, dass Dämonen und Exorzisten je wirklich Frieden schließen können. Wahrscheinlich werdet ich mich weiterhin hassen und das könnt ihr auch gerne tun, aber bitte lasst das nicht an Rin aus. Er kann nichts dafür und braucht Freunde jetzt mehr denn je. Vielleicht liege ich ja doch falsch und seine Mutter lag richtig.” Damit verließ er das Zimmer, die verwirrten Blicke ignorierend.
 

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Satans Worte überraschten sie alle, allerdings verschwand er bevor sie ihn fragen konnte, was er genau damit meinte. Shura atmete dennoch erleichtert auf, da sie nicht damit gerechnet hatte, dass der Weißhaarige nach Suguros Ausbruch so ruhig bleiben würde. Derweil schien Shima einen Zusammenbruch zu erleiden, den er nicht länger zurückhalten konnte. „WOLLTEST DU UNS UMBRINGEN?!”, schrie er Bon hysterisch an und wedelte aufgeregt mit den Armen. „D-Du kannst dich doch nicht einfach mit SATAN anlegen!” Suguro schnaubte, aber schien nicht mehr so wütend wie zuvor. „Ich habe Jahre darauf gewartet ihm endlich gegenüber zu stehen, aber inzwischen weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr, was ich will.”, murmelte er. „Ich schätze, er hat recht damit, dass wir Exorzisten nicht wirklich besser sind und genauso töten wie Dämonen, wenn nicht sogar noch mehr.” Shura verstand sein Dilemma, es war nie einfach seinen Feinden recht zu geben, ob sie nun zusammenarbeiteten oder nicht. „Er scheint sich aber wirklich sehr um Rin zu sorgen.”, warf Shiemi zaghaft ein. „Vielleicht können wir doch irgendwann Frieden schließen.” Shima kratze sich verlegen am Kopf. „Na ja, so weit würde ich nicht gleich gehen, aber wir sollten uns zumindest vertragen können. Bisher hat es irgendwie geklappt.”
 

„Ich kann immer noch nicht glauben, dass das wirklich Satan ist.”, brach es plötzlich aus Konekomaru heraus, der sich wohl bisher zurückgehalten hatte und nun nicht länger still bleiben konnte. „Das ist kann einfach nicht sein! Er hat so viele Menschen getötet und im Unterricht wird er auch komplett anders dargestellt! Ihm sollte es egal sein, wie viele er getötet und verletzt hat und er sollte sich für niemanden außer sich selbst interessieren, aber stattdessen wirkt er so...so...” Er brach ab und rang nach den richtigen Worten, was Izumo ihm abnahm. „So menschlich?” Ja, das war das richtige Wort. Überraschen sollte es eigentlich keinen mehr. „Menschlich?”, echote Shima entsetzt, was Izumo sofort konterte. „Ja menschlich! Warum so überrascht? Die Dämonenkönige und andere Dämonen sind genauso. Wir haben gelernt, dass Dämonen nicht zu Gefühlen in der Lage sind, aber das ist offensichtlich Quatsch. Sie haben Emotionen wie wir, sie sorgen sich um andere und sie haben Ängste, Hoffnungen und Wünsche. Klar, sie sind unsterblich und verfügen über Fähigkeiten, die wir nie haben werden, aber man es nicht leugnen: Sie sind uns Menschen ähnlicher als wir es je für möglich gehalten hätten. So gesehen macht es sogar Sinn: Nehmen wir mal an, Dämonen konnten zu Beginn wirklich keine Gefühle empfinden. Satan war lange vor uns da und hat die Dämonen erschaffen, also ist es nicht abwegig, dass sie lange vor uns Emotionen hatten.” Das klang in der Tat gar nicht so abwegig und inzwischen war sie sicher nicht die einzige, die so dachte. Sie wurden aus ihren Grübeleien gerissen, als sich die Tür erneut öffnete und einer der Zweigstellenleiter vor ihnen stand. „Ich suche Satan. Habt ihr ihn gesehen?”, fragte er knapp, woraufhin Shura nickte. „Sie haben ihn gerade verpasst. Was gibt es denn?”
 

„Das würde ich lieber mit ihm besprechen. Sie kommen dennoch besser mit.”, erwiderte der Exorzist knapp und wandte sich an die Adepten. „Und was euch angeht: Wenn ihr nichts zu tun habt, könnt ihr euch gleich auf den Krankenstationen nützlich machen. Sie haben wieder mal alle Hände voll zu tun.” Die Adepten stimmten zu und Shura machte sich gemeinsam mit dem Exorzisten auf den Weg, um Satan zu suchen.

Taubheit

Rin lag in seinem Bett und starrte stumm die Decke an, seinen kreisenden Gedanken nachhängend. Nach einer kurzen Untersuchung durfte er endlich das Krankenzimmer verlassen und schlief nun zusammen mit seinen Brüdern und Satan in einem Zimmer. Während ein Teil von ihm glücklich war, endlich von dort weg zu sein, war der andere Teil eher taub, beinahe schon apathisch. Obwohl er kein Problem mehr damit hatte, mit seinem Vater und den Dämonenkönigen in einem Raum zu sein, kamen dennoch immer wieder schlechte Erinnerungen und Gefühle hoch. Nie lange genug, um wirklich zu erkennen, worum es ging, aber es reichte aus, um ihn weiter zu verunsichern. Irgendwie fühlte sich alles anders und fremd an, so sehr er sich bemühte, sich normal zu verhalten. Zwar konnte er sich beispielsweise über Dinge freuen, allerdings nicht für lange. Stattdessen zog er sich zurück und begann über verschiedene Dinge zu grübeln. Selbst das Treffen mit seinem Freunden hatte es nicht besser gemacht. Zwar hatte es gut getan sie wiederzusehen, aber gleichzeitig war es ihm nicht gelungen auch nur einem von ihnen für längere Zeit in die Augen zu sehen, zu sehr schämte er sich für alles, was passiert war. Er hatte sich sehr anstrengen müssen, um halbwegs normal auf sie zu wirken und war entsprechend erleichtert gewesen, als er endlich weg konnte, obwohl er sie mit seinem Vater allein lassen musste. Ob es zwischen ihnen jemals wie zuvor sein würde, blieb wohl abzuwarten. Bei seinen Brüdern würde es ebenfalls nicht leicht sein. Er merkte, dass sie versuchten ihn wie sonst zu behandeln, aber er war kein Idiot und wusste, dass sie ihn genau im Auge behielten. Offenbar glaubten sie nicht länger, dass er irgendetwas alleine schaffte. Frustriert seufzend, drehte er sich auf die Seite und schloss die Augen. Vielleicht hatten sie sogar recht damit und er würde immer nur eine Last sein. Mit diesen düsteren Gedanken verlangsamte sich seine Atmung und er schlief endlich ein.

 

 

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Es war dunkel und roch nach verbranntem Fleisch. Ketten rasselten, während eine unsägliche Hitze in der Luft lag. Rin hustete und spürte dabei, wie eine metallisch schmeckende Flüssigkeit seine Luftröhre hochkam. Er versuchte sich zu bewegen, doch konnte es nicht. Blinzelnd sah er sich um und erkannte, nachdem er sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, dass er sich auf den Knien in der Mitte eines Raumen befand. Der Boden und die Wände waren aus einem dunklen Gestein und von der Decke hingen Ketten, die seine Arme über seinen Kopf hielten. Ein erneutes Husten ließ ihn zusammenzucken und zittern. Sein gesamter Körper schmerzte und etwas sagte ihm, dass dies noch nicht das Ende war. Er musste hier raus, sofort! Verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit sich zu befreien, aber fand nichts, außer mehreren Gegenstände und Gerätschaften mit denen er nicht in näheren Kontakt kommen wollte. In seiner Verzweiflung begann er an den Ketten zu ziehen, was sie jedoch nur noch tiefer in sein Fleisch schneiden ließ. Einen Schmerzensschrei unterdrückend, versuchte er es erneut, wieder erfolglos. Nun hörte er, wie die einzige Tür im Raum aufgeschlossen wurde und aufschwang. Sofort stieg eine Angst in ihm auf, die er nicht erklären konnte. Was auch immer gleich durch diese Tür kommen würde, er wollte es nicht kennenlernen! Als ein dunkles Lachen ertönte, sah er auf und seine Augen weiteten sich. Vor ihm stand eine nur allzu bekannte Person, die ihn grausam anlächelte. „Vater...”, wimmerte Rin. „Warum-?” Satan antwortete nicht, sondern lachte erneut, das Gesicht zu einem sadistischen Grinsen verzogen. „Na, sieh mal an, wer wieder wach ist. Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr aufwachen. Anscheinend habe ich es beim letzten Mal übertrieben...andererseits warst du schon immer schwach.”, kommentierte er, ungerührt von Rins offensichtlichen Schmerzen und begann ihn zu umkreisen wie ein Raubtier. „Du bist eine Schande für diese Familie...warum kannst du nicht mehr wie deine Brüder sie? Sie jammern wenigstens nicht wegen jeder Kleinigkeit rum.”, zischte er abfällig. „Bitte...hör auf...warum tust du das-?”, fragte Rin, doch wurde von einem peitschenähnlichen Geräusch unterbrochen und schrie auf, als ein Teil seines Rückens verbrannt wurde. „Sei Still! Du redest nur, wenn ich es erlaube, verstanden?” Erneut wurde er von den Flammen seines Vaters verbrannt und ihm entwich ein Schluchzen. „Hör auf zu heulen, das wird dir nicht weiterhelfen. Und du willst mein Sohn sein? Erbärmlich...” Immer wieder wurde der Nephilim verbrannt und in seiner Verzweiflung hielt er seine Tränen nicht länger zurück. Warum tat sein Vater das?! Er dachte, er liebte ihn?! War das alles nur eine Lüge gewesen? Endlich hörte das Feuer auf und er hing schlaff in den Ketten, leise vor sich hin schluchzend. Leider war es noch nicht vorbei. Satan griff nach seinem Schweif und zog daran, was Rin erneut aufschreien ließ. Mit tränenverschmierten Gesicht blickte er über seine Schulter zu seinem Vater, welcher nur kurz hämisch grinste, eh er seine Flammen erneut auflodern ließ und begann seinen Schweif zu verbrennen. Der Schmerz war unerträglich. Rin schrie und flehte den Dämonenherrscher an, aufzuhören, doch dieser dachte gar nicht daran und machte einfach weiter, bis er den Schweif schließlich mit einer knappen Bewegung brach. Inzwischen war der Nephilim so heiser, dass er kaum noch schreien konnte. „Bitte...hör auf...bitte...”, weinte er, aber Satan sah ihn nur abwertend an. „Schwach...” Rin wünschte sich die Bewusstlosigkeit herbei, aber sie wollte nicht kommen. Mit Entsetzen sah er, wie sein Vater ein Messer von einem der Tische nahm und auf ihn zutrat. „Dann wollen wir mal sehen, wie viel ich dieses Mal wegschneiden kann, bevor du wieder bewusstlos wirst.”, kommentierte er mit einem bösartigen Grinsen. Der Halbdämon versuchte von ihm wegzukommen, dank der Ketten natürlich erfolglos. Das konnte nicht wahr sein, das konnte nicht passieren! „Warum tust du das?!”, schrie er am Rande der Hysterie. „Was hab ich dir je getan?! Ich dachte, du-”

 

„Du dachtest, ich würde mich um dich sorgen?”, schnaubte Satan und lachte. Es war genau dieses Lachen, dass er bei ihrer ersten Begegnung gehört hatte. „Du bist ein nützliches Werkzeug zur Eroberung Assiahs, aber das war es schon. Du wurdest ohnehin nur aus diesem Grund geboren. Danach brauche ich dich mehr, also werde ich dich wohl dann los werden. Wobei...deine Brüder haben eigentlich immer ihren Spaß mit dir, ich werde dich einfach ihnen überlassen. Ich bin gespannt, wer dich schlussendlich bricht...falls ich ihnen nicht zuvorkomme, natürlich.~” Damit rammte er das Messer in Rins linken Arm. Dieser versuchte einen Schrei zu unterdrücken, in der Hoffnung, alles wäre jeden Moment vorbei. „Was? Denkst du, ich höre auf, wenn du nicht mehr schreist?‟, hörte er Satan fragen. „Netter Versuch, daraus wird nichts. Ich denke, ich werde dieses Mal etwas anders ausprobieren und zwischen Flammen und schneiden wechseln. Versuche nicht zu viel zu zappeln, ja?” Alles was er danach spürte, waren Schmerzen. Ohne einen Moment zum durchatmen steigen sie stetig und ließen ihn schreien. Am Rande bemerkte er, wie Satan in einer Hand erneut blaue Flammen erzeugte und sie auf sein Auge bewegte. „NEIN!..NEIN!...NEIN!” Die Flammen war nur noch Zentimeter von seinem Auge entfernt. „NEIN!”

 

„RIN!”

 

 

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Rin fuhr aus dem Bett hoch, schwer atmend und in Flammen stehend. Sein Herz raste und sein ganzer Körper zitterte. Neben ihm saß Satan und sah ihn besorgt an. Er hatte kurz nach dem Nephilim gesehen und war bereits auf dem Weg zurück, als die Schreie begannen. Natürlich war er sofort zurückgerannt und hatte sein Kind schreiend und um sich schlagend, vorgefunden. Es hatte lange gedauert, bis es ihm endlich gelungen war, ihn aufzuwecken, vor allem, da er es nicht gewagt hatte, ihn festzuhalten. „Rin?”, fragte er vorsichtig und streckte eine Hand aus, zog sie jedoch sofort zurück, da der Nephilim einen markerschütternden Schrei ausstieß. und vor ihm zurückwich, bis er an der Wand angelangt war. Seine Flammen loderten noch stärker auf, seine Augen waren weit aufgerissen und voller Schrecken. Sofort hob Satan seine Hände so hoch, dass deutlich wurde, dass er keine schlechten Absichten hatte. „Schon gut, es ist alles in Ordnung, du hattest einen Albtraum.”, versuchte er den jüngeren Dämonen zu beruhigen. Offenbar funktionierte es, denn Rins Flammen wurde langsam kleiner und seine Atmung normalisierte sich wieder. Mit einem leisen Schluchzen warf er sich seinem Vater in die Arme. „I-Ich d-dachte...ich d-dachte, es wäre echt...ich dachte, ihr hasst mich...”, weinte er und krallte sich an Satan fest. „Ich bin nutzlos, ich-”

 

„Shhh...es ist alles in Ordnung, ich bin da. Du bist in Sicherheit und niemand kommt an dich ran. Du bist nicht nutzlos und wir hassen dich nicht.”, beruhigte dieser ihn und strich ihm durchs Haar. Nach einer Weile hatte sich Rin beruhigt, aber machte keine Anstalten loszulassen, daher umarmte Satan ihn weiterhin und redete beruhigend auf ihn an, bis der Nephilim schließlich mit sprechen begann. „Lilith hat mir gesagt, dass ihr mich hasst...irgendwann hab ich ihr geglaubt. Ich habe gesehen wie ihr mich gefoltert habt und dachte, dass ich euch egal bin und ich für dich nur eine Waffe und ein Gefäß bin-”

 

„Rin, sieh mich an und hör mir zu.”, unterbrach der Dämonenherrscher ihn ernst. Zögerlich kam der Jüngere seiner Aufforderung nach und Satan fuhr fort. „Vergiss, was sie dir gesagt und gezeigt hat, es ist eine Lüge. Du bist für mich keine Waffe und kein Gefäß, du bist mein Sohn und mir genauso wichtig wie deine anderen Brüder, daran ändern weder dein Blutstatus noch deine Flammen etwas, verstanden? Genauso wenig würde ich ihnen oder dir jemals schaden, auch nicht im Zorn.” Rin nickte langsam und ließ ihn langsam los. „Tut mir leid, ich sollte nicht...ich hätte nicht...”

 

„Entschuldige dich nicht, es gibt keinen Grund.”, beruhigte Satan ihn. Rin wollte protestieren, aber ließ es schlussendlich gut sein, lehnte sich gegen seinen Vater und schloss die Augen. Seine Anwesenheit war überraschend beruhigend, wenn man bedachte, was er gerade noch geträumt hatte. Sie schwiegen einige Sekunden, bis der Dämonenherrscher erneut das Wort ergriff. „Soll ich bei dir bleiben, bis du wieder eingeschlafen bist?” Zuerst wollte der Nephilim Nein sagen, immerhin war er kein kleines Kind mehr, doch schließlich nickte er und legte sich wieder hin. Er spürte wie sein Vater ihm durchs Haar strich und schloss die Augen. Nach einer Weile schlief er endlich ein, dieses Mal glücklicherweise albtraumlos.

 

 

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Ankou saß am einzigen Tisch des Raumes und versuchte sich mit zeichnen abzulenken. Sie wechselte sich regelmäßig mit den anderen Stellvertretern und den Baal ab, um auf Azazel aufzupassen, aber heute war sie besonders angespannt. Obwohl sie bis Nachmittag hatte schlafen können, war sie ziemlich müde, was vor allem an dem Haufen Arbeit lag. Kaum hatte sie eine Sache erledigt, kamen zwei neue Dinge dazu. Es war zum verrückt werden. Mit einem frustrierten Grollen zerknüllte sie ihr Blatt und warf es in den Eimer. Eigentlich half ihr zeichnen dabei, sich zu entspannen, doch dieses Mal konnte sie einfach nichts vernünftiges zu Papier bringen. Vielleicht sollte sie einfach aufgeben und irgendetwas anderes tun. Ein leises Stöhnen Azazels ließ sie zu dem Geisterdämonen schauen. Bisher hatte der Dämon geschlafen, allerdings äußerst unruhig. Er hatte noch immer Albträume und selbst Schlafmedikamente halfen nicht. „Wie spät ist es?”, hörte sie ihn unerwartet nuscheln. „Kurz nach Mitternacht.”, antwortete sie und stand auf, um sich neben sein Bett zu setzen. Azazel fluchte leise und setzte sich auf. Die Dämonin verzog das Gesicht, als sie das Rasseln der Ketten hörte. Sie waren leider nötig, um ihn zurückzuhalten und seine Kräfte zu blockieren, immerhin hatte er bereits versucht einige Dämonen anzufallen und ihnen das Blut auszusaugen. Sie selbst musste daher stets einen gewissen Abstand halten, auch wenn sie ihn lieber umarmt hätte. Äußerlich war es ihr kaum anzusehen, doch Azazel so zu sehen, zerriss ihr das Herz. Warum traf das schlimmste immer diejenigen, die es nicht verdienten? „Also, gibt's was neues?”, riss der Baal sie aus Gedanken. „Ich nehme mal an, wir sitzen hier weiterhin fest?” Die Dämonin nickte und seufzte. „Dämonen und Exorzisten sind sich teilweise nach wie vor uneinig, was getan werden soll, aber so wie es aussieht, wollen sie bald ganz Assiah von uns und Gehenna erzählen. Die meisten Sterblichen wissen immer noch nicht, was los ist und anscheinend erhoffen sie sich dadurch neue Verbündete.” Azazel sah sie zweifelnd an. „Sicher, dass sie uns dann nicht einfach mit Lilith in einen Topf werfen werden? Denen klar zu machen, dass Vater nicht der Böse ist, wird unmöglich sein.” Zwar stimmte sie ihm zu, aber sie zuckte mit den Schultern. „Besser als wenn sie sich weiterhin ihre eigenen Theorien zusammenlegen, da kommen die interessantesten, aber auch bescheuertsten Dinge zustande. Viel haben wir nicht mehr wirklich zu verlieren. Wahrscheinlich hätten wir das schon viel eher tun sollen...” Azazel nickte stumm und beide schwiegen für einige Sekunden, bis er schließlich die nächsten Frage stellte. „Wie geht es Rin?” Diese Frage hatte sie erwartet und befürchtet. Sie hatte den Nephilim bisher nicht gesehen, aber seine Reaktion auf Satan und die Baal hatte sich wie ein Lauffeuer im ganzen Gebäude verbreitet. Zwar ging es ihm inzwischen besser, aber es war offensichtlich, dass er länger brauchen würde, um wieder auf die Beine zu kommen. „Er erholt sich langsam.”, antwortete zögerlich. Er hat vorhin deine Brüder und seine Freunde getroffen, aber mehr weiß ich nicht. Ich wollte ihn vielleicht morgen mal besuchen. Ihm ist wahrscheinlich ziemlich langweilig, er hat die letzten Tage in einem Krankenzimmer verbracht. Satan und die Anderen wollen ihn verständlicherweise am liebsten gar nicht mehr aus den Augen lassen.” Erneutes Schweigen folgte, dieses Mal wesentlich unangenehmer als zuvor. Sie wusste, dass er sich Vorwürfe machte und keine wirkliche Hoffnung hatte, jemals frei von Lilith zu sein. Nach kurzem Zögern rückte sie näher an ihn heran und legte ihre Hand auf seine. Der Schwarzhaarige zuckte zusammen und sah sie erschrocken an. „Du solltest nicht-”

 

„Momentan scheinst du dich zusammenreißen zu können und wir beide wissen, dass ich dir notfalls in den Arsch treten kann. Ich habe dich schon besiegt wie du sicher noch weißt.”, unterbrach sie ihn und ließ ihn die Augen verdrehen. „Erstens: Seit wann fluchst du? Zweitens: Ich hab dich gewinnen lassen.”

 

„Ha! Träum weiter!”, antwortete sie und lächelte ihm aufmunternd zu. „Jetzt hör auf, so ein Gesicht zu ziehen, Aza. Was geschehen ist, ist geschehen, ich hätte an deiner Stelle nicht anders gehandelt. Wir beenden diesen Krieg, befreien dich von Lilith und früher oder später wird sich alles wieder normalisieren. Wir konnten uns von ihrer Rebellion erholen, diesmal wird es nicht anders sein.”, meinte sie und drückte seine Hand. „Die Exorzisten können uns mal.” Azazel zögerte und wich ihrem Blick aus. „Das sagt sich so leicht, wir-”

 

„Ach, um Satans Willen! Jetzt sei nicht immer so pessimistisch oder ich schlage dich!”, knurrte sie. „Wir kriegen das hin, hab mal etwas Vertrauen!” Er verdrehte die Augen. „Ok, ok, schon klar. Wir besiegen Lilith, dann regnet es Glitzer, Regenbögen tauchen überall auf und die Tiere fangen an zu singen. Optimistisch genug?” Ankou blinzelte und starrte ihn an. „...Das ist dann doch etwas zu viel des Guten.” Azazel lachte leise und überraschte sie damit. Seit er hier war, hatte er niemals gelacht oder gelächelt. War das ein Anfang? Vielleicht. Umso überrumpelter war sie, als er plötzlich seine Hand wegzog. „Du solltest nicht so nah ran kommen.”, erinnerte er sie. Widerwillig stimmte sie ihm zu und rückte weiter weg. „Übrigens solltest du mehr schlafen. Du siehst sonst irgendwann aus wie ich.”, fuhr er fort. „Es sollten mehr als Dämonen da sein, dass du nicht alles übernehmen musst, oder?” Sie schüttelte düster den Kopf. „Momentan brauchen wir jeden. Abgesehen davon können die wenigsten momentan ruhig schlafen. Wenn ich hier abgelöst werde, habe ich vielleicht vier Stunden Schlaf, dann geht es weiter. Ich soll heute mit einer größeren Gruppe in die Stadt, kenne allerdings die Details nicht.” Azazel runzelte die Stirn. „Laut Shax kommt wohl ein ziemlicher Sturm...du hattest doch immer Angst vor Gewittern. Sicher, dass du dann raus willst?”

 

„Ich habe keine Angst vor Gewittern!”, protestiere Ankou sofort, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss. „Ach ja? Einmal als wir zusammen gespielt haben, war ein ziemlich heftiges. Du hast dich nicht mehr aus meinem Zimmer getraut und sogar mit weinen angefangen. Schlussendlich haben wir zusammen in meinem Bett geschlafen, weil du alleine zu nervös warst.”, erinnerte der Dämonenkönig sie und ließ sie noch mehr erröten. „Da waren wir Kinder! Inzwischen stört es mich nicht mehr!”, hielt sie dagegen und verschränkte trotzig die Arme. Als ob sie vor etwas so albernen Angst hatte! Sie wurde nur etwas nervös, das war alles! „Klar....”, antwortete Azazel und sah sie zweifelnd an. Offenbar glaubte er ihr kein Wort. „Weißt du, es ist keine Schande Angst zu haben. Sie würden es sicher verstehen, wenn du nicht mit willst. Ist besser, als wenn sie dich umherschleifen müssen, weil du dich nicht traust alleine zu laufen.” Das ließ Ankou kurz auflachen. „Oh ja, sagen wir den Krieg ab, weil es gewittert. Ganz tolle Idee.” Sie konnten den bissigen Kommentar einfach nicht lassen, aber Azazel schien es nicht zu stören. „So wichtig kann es nicht sein, wenn du nicht mal weißt, worum es geht. Du sagst mir, ich soll nicht immer so pessimistisch sein und alles in mich rein fressen, aber du bist kaum besser. Warum kannst du nicht einfach mal zugeben, wenn du Angst hast?” Darauf wusste sie selbst keine Antwort und schwieg. Die Stille wurde jedoch schnell von einem Husten seitens Azazel unterbrochen, welcher erneut Blut hervor würgte. Ankou wollte aufstehen, um ihm zu helfen, doch er wich zurück. „Bleib wo du bist.”, presste er hervor und stützte sich ab, während er weiterhin unkontrolliert hustete. Ohne große Wahl tat sie, was er verlangte. Sie hatten festgestellt, dass er aggressiver wurde, wenn er begann Blut zu husten und in der Regel danach versuchte, an Blut zu kommen, indem er entweder andere angriff oder sich selbst verletzte. Gerade überlegte sie, ob sie jemanden holen sollte, damit sie ihn notfalls zusammen unten halten konnten, als er plötzlich auf sie plötzlich auf sie stürzte. Instinktiv sprang sie zurück und errichtete einen Schutzwall um sich herum, doch glücklicherweise stand sie außerhalb seiner Reichweite. Schwer atmend stolperte er zurück und stützte sich zitternd auf dem Bett ab. Seine Dämonenmale waren aufgetaucht und seine Haare hatten sich an den Spitzen weiß verfärbt. ‚Wenn das weiter so geht, verwandelt er sich irgendwann komplett und dann kann ihn keine Kette mehr zurückhalten.‘, stellte sie erschrocken fest. „Azazel?”, fragte sie vorsichtig und verfluchte sich wegen ihrer zittrigen Stimme. Warum musste sie ausgerechnet jetzt die Nerven verlieren? Jedoch schien es nicht ganz wirkungslos zu sein. Der Geisterdämon blinzelte einige Male und seine Atmung beruhigte sich. Langsam verschwanden die Dämonenmale und das Weiße in seinen Haaren. „Tut mir leid...”. krächzte er hervor. „Ich wollte dir keine Angst machen.” Die Dämonin stand langsam auf, nicht sicher wann sie überhaupt hingefallen war. Es war ohnehin egal. Mit entschlossenen Schritten ging auf ihn zu und als sie schließlich vor ihm stand, umarmte sie ihn, bevor er protestieren konnte. „Ich habe keine Angst vor dir, ich habe Angst um dich, du Idiot.”, antwortete sie mit erstickter Stimme. „Du bist mein...”, sie zögerte kurz. Was war er überhaupt für sie? „Mein bester Freund.”, fuhr sie schließlich fort, obwohl sich das nicht passend anfühlte. „Ich bleib bei dir solange es nötig ist, ok? Also hör auf, dich für etwas zu entschuldigen, für das du nichts kannst. Und wage es ja nicht zu sterben, ansonsten schleife ich dich persönlich am Schweif zurück, kapiert?” Sie spürte wie etwas in ihren Augen brannte, aber sie wischte es energisch mit ihrem Handrücken weg. Azazel sagte zunächst nichts, dann erwiderte er ihre Umarmung zögerlich. Für einige Sekunden verharrten sie so, dann löste sie sich von ihm und trat wieder einige Schritte zurück. „Erhol dich schnell, ok? Wir vermissen dich...”, murmelte sie etwas peinlich berührt. Sie hatte den Spitznamen Eisprinzessin nicht umsonst bekommen, sie war nicht sehr emotional und zeigte sie nicht gerne. Als sie sich jedoch Azazel näher ansah, der ein wenig glücklicher wirkte, stellte sie fest, dass ihr das momentan sowas von egal war.

 

 

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Rin wachte auf, als er beinahe aus seinem Bett fiel. Mit einem erschrockenem Laut schaffte er es gerade noch, sich abzufangen, bevor er mit dem Gesicht voran auf den Boden knallte. Was für eine tolle Art den Morgen zu beginnen. Gähnend richtete er sich auf und sah sich noch etwas schlaftrunken um. Wie erwartet waren alle Betten leer, manche sahen nicht mal danach aus, als hätte jemand darin geschlafen. Wann war er überhaupt wegen seines Albtraums aufgewacht? Da war er auch allein Zimmer gewesen. Schliefen seine Geschwister und sein Vater überhaupt noch? Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ihn etwas ansprang und versuchte, ihm übers Gesicht zu lecken „Behemoth, runter von mir!” Er versuchte den Hobogoblin von sich zu schieben, aber der Dämon ließ sich nicht so leicht abwimmeln und warf ihn um. Glücklicherweise landete er auf dem Bett. Behemoth hatte endlich aufgehört ihn abzulecken und saß stattdessen auf ihm, freudig mit dem Schweif wedelnd und ihn erwartungsvoll ansehend. „Rin, ist alles in Ordnung?”, hörte er Kuro fragen. Der Kater war neben ihn auf das Bett gesprungen und sah ihn besorgt an. „Ja, klar. Ich war nur überrascht.”, antwortete der Halbdämon, während er versuchte sich daran zu erinnern, was Amaimon damals zu dem Hobogoblin gesagt hatte, damit er von vom runterging. Da es ihm nicht einfiel, beschränkte er sich zunächst darauf, dem Dämon hinter den Hörnern zu kraulen. Wahrscheinlich vermisste er Amaimon und wollte Streicheleinheiten von Rin, um zumindest ein wenig Aufmerksamkeit zu bekommen. Glücklicherweise schien er nun zufrieden und sprang endlich von dem Nephilim herunter. Dieser stand auf und strecke sich, wobei sein Blick auf sein Handy fiel, welches auf dem Nachttisch lag. Der Bildschirm war gerade wegen einer neuen Textnachricht aufgeleuchtet. Ein wenig verwundert nahm er es in die Hand und seine Augen weiteten sich. „Was? Vier neue Nachrichten und drei verpasste Anrufe? Es ist doch erst...” Er schaute auf die Uhrzeit und sein Mund klappte auf. „Kurz vor 12? Ok, das ist fair, schätze ich.”

 

„Rin, ist es ok, wenn Behemoth und ich gehen? Wir wollen schauen, ob wir irgendwo etwas zu essen bekommen.”, fragte Kuro. „Klar, kein Problem.”, sagte Rin nickend und wandte sich wieder an sein Handy. Er öffnete die erste Nachricht, welche von Izumo war. ‚Hey, wir haben Satan überlebt. Wie geht es dir? Einige Exorzisten haben erzählt, sie hätten in der Nacht Schreie aus deinem Zimmer gehört. Ist alles ok? Bevor du auf dumme Ideen kommst: Ich frage nur, weil ich grad nichts besseres zu tun habe und die Anderen es auch wissen wollten!‘

 

Die nächste war von Shura. ‚Yukio kommt heute zurück, er will wahrscheinlich zu dir. Die Entscheidung liegt bei dir, aber vertragt euch dann gefälligst. Ich bin heute unterwegs und wenn ich höre, dass ihr euch wieder gestritten habt, setzt es was! Oh, und sprich Satan besser vorerst nicht darauf an, wie das Gespräch mit uns lief. Ich glaube, er hat erst mal genug von uns. ^^°‘ Kopfschüttelnd seufzte er. Wahrscheinlich hatten entweder Bon oder Shima nicht den Mund halten können. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er schon für Yukio bereit war. Zwar hatten sie sich schon wieder vertragen, aber wer konnte vorhersagen, wie er jetzt reagieren würde. Er beschloss, vorerst die anderen Nachrichten zu lesen. Die dritte war von Izumi. ‚Hallo Rin, ich hoffe, das hier kommt durch. Samael hat uns deine neue Nummer gegeben und wir wollten eigentlich nur wissen, wie es dir geht und ob wir vielleicht demnächst zu dir können. Du hast uns übrigens noch einiges zu erklären. Weißt du, wie besorgt wir waren, als wir gehört haben, dass du in Gehenna bist?!‘ Dieses Mal musste Rin grinsen. Er hatte schon lange nichts mehr von den Mönchen gehört, dabei gehörten sie für ihn ebenfalls zur Familie. Vielleicht konnte er sie später tatsächlich treffen. Er öffnete die vierte und letzte Nachricht, welche dieses Mal von Lucifer war. ‚Hallo Rin, ich hoffe, du bist inzwischen wach. Wir haben versucht, dich zu wecken, aber du hast so fest geschlafen, dass wir es doch haben sein lassen. Falls du Hunger hast, frag einfach jemanden nach dem Weg zur Kantine, dort bekommst du jederzeit was. Ansonsten wollte ich nur Bescheid sagen, dass wir momentan auf einer Versammlung sind, aber Yukio wollte mit dir reden. Wenn du ihn vorerst nicht sehen willst, ist das natürlich in Ordnung. Schreib ihm dann einfach eine Nachricht oder rufe ihn an. Wir werden wahrscheinlich mindestens zwei Stunden brauchen, Tut uns leid.‘ Nun stellte er fest, dass zwei der verpassten Anrufe von Yukio waren, der dritte war von Lucifer. Wollte er seinen Zwilling treffen? Ein Teil schämte sich noch immer, doch ein anderer Teil wollte ihn gerne sehen. Schließlich traf er seine Entscheidung, schickte Yukio eine kurze Nachricht und zog sich an. Essen konnte vorerst warten.

 

 

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Yukio hatte seinen biologischen Vater niemals treffen wollen. Für ihn war der Dämonengott eine Verkörperung des Bösen und eine machthungrige Kreatur, die die Menschheit ins Unglück stürzen wollte. Shiro war für ihn sein richtiger Vater gewesen, egal ob nun blutsverwandt oder nicht. Natürlich hatte er sich dennoch immer wieder Gedanken gemacht, sowohl bevor er die Wahrheit kannte, als auch danach. Zuvor hatte er sich immer gefragt, warum ihr Vater sie nicht gewollt hatte, wie er gewesen war und ob er überhaupt noch lebte. Später dann, ob Satan wirklich so böse war wie man immer hörte, sonst wäre seine Mutter sicher nie bereit gewesen mit ihm Kinder zu haben. Je älter er allerdings wurde, umso mehr lehnte er ihn ab, insbesondere als Shiro ihm erzählte, dass er wahrscheinlich Rin benutzen wollte, um die Herrschaft über Assiah an sich zu reißen. Er hatte gelernt, ihn zu verachten, vor allem nach Shiros Tod war ihm dies leicht gefallen, doch nun war er in einer Position gelandet, die er nie erwartet hätte. Die Ritterschaft arbeitete offiziell mit Satan und den Dämonenkönigen zusammen, sodass er früher oder später gezwungen sein würde, sich mit ihnen auseinander zu setzen. Bisher hatte er es geschafft, dem Dämonenherrscher aus dem Weg zu gehen, aber dieses Mal hatte er kein Glück gehabt und war ihm begegnet, kaum dass er von seinem Auftrag zurück war. Zugebenermaßen hatte er ihn sich komplett anders vorgestellt. Natürlich nicht mit roter Haut und mit Ziegenbeinen, aber bei weitem nicht so menschlich. Erschreckend fand er vor allem, dass er manche Gesichtszüge von Rin und damit auch von sich selbst erkannte, wobei das Auffälligste natürlich die Augen waren. Da der Dämonengott gerade in einem Gespräch vertieft war, versuchte er sich möglichst unauffällig vorbei zu schleichen, aber Satan hatte ihn offenbar schon entdeckt, beendete das Gespräch und kam auf ihn zu. Yukio widerstand dem Drang seine Waffen zu ziehen. Es würde zum einen nichts nützen und zum anderen hatte er Rin versprochen, dass er versuchen würde, sich mit den Dämonen zu vertragen und das schloss Satan ein, so sehr es ihn anstank. „Was willst du von mir?”, fragte er stattdessen, bemüht möglichst neutral zu klingen. Für einen Moment wirkte der Dämon überrascht, wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass Yukio mit ihm reden würde, doch er fing sich schnell. „Ich muss mit dir reden.”, antwortete er ruhig, aber der Brillenträger wich seinem Blick aus. „Ich wüsste nicht, worüber wir reden sollten.” Zwar klang seine Stimme unbeteiligt, aber ihm schlug das Herz bis zum Hals. Er gab es ungerne zu, aber er hatte Angst. Angst vor Satan, Angst vor seiner eigenen Unfähigkeit und Angst, dass er Rin doch noch an sie verlieren würde. Was wenn er nachdem das alles vorbei war, darauf bestand in Gehenna zu bleiben? „Ich weiß, dass du nicht gut auf mich zu sprechen bist, aber das hier ist wichtig.”, fuhr der Dämonenherrscher ernst fort. Als Yukio nicht sofort antwortete, seufzte er. „Shiro Fujimotos Tod war nicht geplant gewesen. Ich wollte ihn leben und mit dem Schrecken davon kommen lassen, da er sich jahrelang um euch gekümmert hat.”

 

„Das macht ihn auch nicht wieder lebendig.”, konterte Yukio bitter. Satan zögerte und nickte schließlich. „Ich weiß. Aber es soll jetzt nicht darum gehen. Ich möchte mit dir über Rin sprechen. Wenn du nichts mit mir zu tun haben willst gut, aber hör mir wenigstens dabei zu.” Der Brillenträger wich seinem Blick aus und seufzte schließlich leise. „Na gut. Ist etwas mit ihm passiert? Ich dachte, er wäre inzwischen aufgewacht.”, fragte er. Satan nickte, doch sein Blick verhieß nichts Gutes. „Das stimmt, aber es gab dennoch Probleme. Lilith hat ihn gefoltert und dabei mit falschen Erinnerungen und Illusionen gequält. Was immer sie ihm gezeigt hat, war genug, um eine Panikattacke auszulösen, als er uns gesehen hat und bei seinen Freunden und dir wäre es sicher nicht anders gekommen. Inzwischen kann er wieder normal mit uns reden, aber er hat immer noch Angst und zuckt zusammen, wenn sich jemand plötzlich bewegt oder ihm zu nah kommt. Ich habe die Befürchtung, dass es sehr lange dauern wird, bis er sich wieder an alles gewöhnt hat. Er hatte letzte Nacht einen heftigen Albtraum deswegen und es wird nicht der letzte gewesen sein.” Yukio nickte langsam, die Sorge um seinen Bruder wuchs dabei stetig. Wie um alles in der Welt konnte er ihm helfen über sowas hinwegzukommen? „Das kannst du nicht, jedenfalls nicht vollkommen. Du kannst ihn allerdings unterstützen.”, beantwortete Satan die unausgesprochene Frage, woraufhin Yukio ihn wütend ansah. „Hör auf, meine Gedanken zu lesen! Du hast dort nichts zu suchen!”, fauchte er. Satan hob abwehrend die Hände und trat einen Schritt zurück. „Tut mir leid, aber die Gedanken von Menschen fliegen immer im Raum rum, es ist fast unmöglich das zu ignorieren.” Zwar war dem Exorzisten nicht wohl dabei, dass Satan einfach so hören konnte, was er dachte, aber momentan gab es wirklich wichtigeres. Abgesehen davon gab es wohl kaum etwas, dass den Dämonengott interessieren würde. „Wie soll ich das tun, wenn er Angst vor uns hat?”, fragte er langsam und zum ersten Mal seit langem, zeigte sich offene Verunsicherung und Verzweiflung in seiner Stimme. Rin und er hatten sich in den letzten Jahren immer mehr auseinandergelebt und er selbst hatte sich in den letzten Monaten unmöglich verhalten, aber der Halbdämon war immer noch sein Bruder. Er wollte ihm helfen, doch wusste nicht wie. „So dumm es vielleicht klingen mag, verhalte dich ihm gegenüber einfach normal und versuchte nicht, ihm irgendetwas abzunehmen.”, antwortete Satan ernst. „Er hat bereits mit genug Selbstzweifeln zu kämpfen und wenn du ihm jetzt alles abnimmst, wird es ihm so vorkommen, als könnte er nichts alleine und wäre nutzlos.” Das klang logisch, aber ganz überzeugt war Yukio nicht. „Ich soll einfach so tun, als wäre nichts gewesen?”, fragte er und klang dabei ein wenig anklagend, allerdings ohne es zu wollen. Für einige Sekunden hielt der Weißhaarige inne und dachte wohl über seine Worte nach, dann schüttelte er den Kopf. „Natürlich nicht. Du sollst dich normal verhalten, damit es Rin erleichtert wird, sich zu erholen und damit er begreifen, dass man ihn nicht als schwach oder nutzlos sieht, wegen dem, was passiert ist. Er wird über das was geschehen ist, vorerst nicht reden wollen, also sprich ihn nicht darauf an.”

 

„Dann wird er das nur in sich hineinfressen. Rin redet niemals mit anderen über seine Probleme, sondern tut lieber so als wäre alles in bester Ordnung.”

 

„Dann habt ihr wohl etwas gemeinsam.”, kommentierte Satan unverblümt und zuckte mit den Schultern, als er Yukios Blick sah. „Samael lässt es sich nicht anmerken, aber er weiß mehr über dich, als du denkst. Aber zurück zum Thema. Rin braucht die Unterstützung mehr denn je, also zeigte ihm, dass du für ihn da bist und sich nichts zwischen euch geändert hat. Also so ziemlich das Gegenteil von allem, was du nach dem Tod des Paladins gesagt und getan hast.” Yukio zuckte zusammen, der letzte Satz hatte sich wie ein Schlag ins Gesicht angefühlt und er sah ein wenig beschämt zu Boden. „Woher...?”, begann er und brach ab, daher antwortete Satan, ohne den Rest der Frage abzuwarten. „Denkst du wirklich, dass Samael euch nach dieser Sache alleine hat herum stolpern lassen? Er hat euch genauer beobachtet als ihr denkt. Abgesehen davon redet Rin manchmal im Schlaf und er tendiert dazu, viel zu erzählen, wenn er Alkohol getrunken hat.”

 

„Warte, ihr habt ihm Alkohol gegeben?!”, fragte Yukio überrumpelt, für einen Moment vergessend mit wem er sprach, woraufhin Satan schnaubte. „Bedank dich bei Iblis. Er hat ihn bei der Gelegenheit gleich noch dazu überredet beim Poker um Geld zu spielen und ist so seine Schulden los geworden.” Er beschloss, nicht weiter nachzufragen. Was in Gehenna passiert war, blieb wohl besser in Gehenna. „Ich wollte nicht...das war nicht ernst gemeint. Ich war einfach durcheinander-”, setzte er an und verstummte, als Satan eine Hand hob. „Ich weiß und ich weiß auch, dass du dich bereits entschuldigt hast. Es bringt nichts, jetzt darauf herumzureiten.” Der Exorzist nickte und für einen Moment herrschte Stille, eh er vorsichtig zu seiner nächsten Frage ansetzte. „Wie geht es eigentlich Azazel?” Zwar sah er noch immer keinen der Baal als Bruder oder Freund an, aber was dem Geisterdämonen widerfahren war, wünschte er keinem. Er wollte nur seine Familie und Gehenna schützen, ein Gefühl, dass er selbst gut kannte, auch wenn er sich in letzter Zeit wie ein Idiot verhalten hatte. Sofort verdüsterte sich Satans Gesicht, aber er schien eher besorgt als wütend. „Es könnte besser ein. Solange diese Verbindung besteht, wird er sich nicht erholen oder diesen Raum verlassen können.”, erklärte er bitter und schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. „Weiß Rin schon davon?”, hakte Yukio nach und zu seiner Überraschung schüttelte der ältere Dämon den Kopf. „Nicht alles. Er weiß, was passiert ist und das es bei ihm momentan nicht gut läuft, aber mehr nicht. Ich will ihn nicht unnötig aufregen.” Das war verständlich und Yukio nickte. Erneut herrschte Stille, die schließlich von Satan unterbrochen wurde. „Also nehme ich an, dass wir uns einig sind. Versuche dich gegenüber Rin möglichst normal zu verhalten und dräng ihn nicht zu irgendwas. Das war eigentlich alles, was ich sagen wollte. Ab jetzt lasse ich dich in Ruhe, keine Sorge.” Damit wandte er sich um und ging, während Yukio ihm nachdenklich hinterhersah. Das Gespräch war besser gelaufen als erwartet. Vielleicht konnte er wirklich irgendwann seinen Frieden mit Satan und den Baal schließen, auch wenn sie sich wohl nie wie Familie für ihn anfühlen würden. Abrupt drehte er sich um und setzte seinen Weg fort. Er wollte endlich nach seinem Bruder sehen und sich erneut bei ihm entschuldigen. Zwar war es nicht wirklich seine Schuld, dass Rin entführt wurde, aber es fühlte sich einfach richtig an. Nach einer Weile fand er das Zimmer, in dem sein Bruder untergebracht war und klopfte zögerlich an. Nachdem er ein leises "Komm rein!" als Antwort erhielt, drückte er langsam der Klinge hinunter, atmete kurz durch und öffnete die Tür. Rin saß auf seinem Bett und schien sich zu langweilen, als er jedoch Yukio sah, hellte sich seine Miene auf. „Hat ja lange genug gedauert!”, sagte er grinsend, allerdings wirkte es nicht ehrlich, sondern aufgesetzt. „Ich dachte schon, du hast mich vergessen! Es ist echt stinklangweilig hier-” Weiter kam er nicht, denn Yukio saß bereits neben ihm und hatte ihn umarmt. Sofort verstummte sein Geplapper und er zuckte zusammen. „Rippen...sind noch...nicht ganz verheilt...”, presste er hervor, worauf Yukio ihn schnell los ließ. Offenbar hatte er doch stärker zugedrückt, als ihm klar gewesen war. Rin wirkte noch immer ein wenig geschockt, überspielte es allerdings schnell. „Was ist denn in dich gefahren? Du hast mich nicht umarmt seit....” Er hielt inne. „Gute Frage, aber jedenfalls ist es lange her-”

 

„Es tut mir leid.”, unterbrach Yukio ihn. „Ähm...was? Wofür?”, kam die verwirrte Antwort. Der Jüngere seufzte und kratzte sich ein wenig verlegen am Kopf. „Na ja alles...ich hätte bei dir sein sollen und dann hatten wir noch diese bescheuerten Streitereien.”

 

„Dafür hast du dich längst entschuldigt, jetzt lass es gut sein.”, erwiderte Rin kopfschüttelnd. „Wenn sich jemand entschuldigen sollte, bin ich es. Ich hätte eher kapieren müssen, dass an "Azazel" was faul ist.” Kurze Stille herrschte, dann ergriff Yukio erneut das Wort. „Die anderen Baal haben es auch nicht gemerkt.” Da Rin nicht antwortete, beschloss er, das Thema zu wechseln. „Wie geht es dir sonst? Ich habe versucht dich eher zu besuchen, aber wurde nicht durchgelassen.” Der Nephilim zuckte mit den Schultern. „Ganz gut, schätze ich. Ich hab immer wieder Kopfschmerzen, aber sonst geht es eigentlich. Mir ist nur extrem langweilig. Ich habe mich gestern mit den Anderen getroffen, aber danach wurde ich ja direkt wieder zu 'ner Untersuchung geschliffen.”

 

„Sie wollen nur sicher gehen, dass du dich gut erholst.”, versuchte Yukio ihn zu beruhigen. „Sobald du wieder fit bist, lassen sie dich in Ruhe.” Rin schmollte nur. „Aber es geht mir gut!”

 

„Wie damals, als du auf die Mauer geklettert, runtergefallen bist, dir zwei Zähne ausgeschlagen und das Handgelenk verstaucht hast?”, fragte Yukio trocken.

 

„Hey, das war was ganz anderes und es ging mir super!”

 

„Ich musste im Auto die ganze Zeit deinen Kopf hochhalten, damit du nicht alles vollblutest.”

 

„Du hattest mehr Schiss als ich!”

 

„Ich war acht!” Ohne es zu merken waren sie in einem Gespräch vertieft und Yukio hatte fast das Gefühl, alles wäre wieder normal. „Also, hast du Lust dir die Beine zu vertreten?”, erkundigte sich der Brillenträger und Rin nickte. „Japp, ich habe echt die Schnauzte voll von hier. Die Baal und Satan scheinen irgendwie nicht zu schlafen.”

 

„Tun sie schon, sie haben nur einen anderen Rhythmus.”, erklärte der jüngere Zwilling. „Momentan ist alles etwas chaotisch. Hier sind eigentlich viel zu viele untergebracht, darum versuchen wir die einzelnen Unterkünfte komplett auszunutzen. Ich teile mir meins zum Beispiel mit Miwa, Shima, Suguro und einigen anderen Exorzisten, die ich aber nicht kenne. Die Mädchen teilen sich eins mit Shura, einigen Exorzistinnen und diesen beiden Dämoninnen, die zu den Dämonenkönigen gehören.”

 

„Ankou und Agares?”, hakte Rin überrascht nach. „Ja, und Ankous Schwester. Am Anfang haben sie versucht Exorzisten und Dämonen zu trennen, aber es ist nicht aufgegangen, also teilen sich jetzt manche Zimmer und bisher klappt es eigentlich. Zum Teil begegnen sie sich gar nicht, weil sie genau wie die Baal und Satan unterschiedliche Schlafenszeiten haben. Die meisten Dämonen sind lieber Abends und während der Nacht wach, außer die Lichtdämonen.”, erklärte Yukio nickend. „Das haben sie gar nicht erwähnt...aber umso besser wenn sie sich verstehen.”, antwortete Rin langsam. Allerdings erklärte es zumindest, warum die Dämonenkönige und Satan offenbar zu ganz anderen Zeiten als er schliefen und die Zeitverschiebung kam auch noch dazu. „Komm, verschwinden wir von hier. Ich will endlich raus!”

 

 

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Rin genoss es in vollen Zügen sich wieder die Beine vertreten zu können und nicht aller fünf Minuten von irgendwelchen Heilern belagert zu werden. Zwar fühlte er sich immer noch nicht in größeren Mengen oder engen Räumen wohl, aber zumindest fühlte er sich ein wenig freier. Dennoch konnte er nicht zur Ruhe kommen. Obwohl er versuchte sich normal mit Yukio zu unterhalten, fühlte sich etwas nicht richtig an. Zwar konnte er sich beispielsweise über Dinge freuen, allerdings nicht für lange. Er fühlte sich seltsam...taub. Beinahe war er erleichtert, als Yukio wieder gehen musste. Eine Weile wanderte er alleine umher, bis er schließlich in einem leeren Gang stand und gedankenverloren gegen eine Wand lehnte. Da sie unter der Erde waren, gab es keine Fenster und er musste auf sein Telefon schauen, um die Zeit zu erfahren. Es war bereits 14 Uhr. Er zuckte zusammen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. „Hier bist du also, wir haben dich überall gesucht.”, sprach Lucifer ihn an. Rin zuckte mit den Schultern. „Ich wollte Zeit für mich alleine. Ich dachte, ihr wolltet zu einem Treffen?”

 

„Das ist schon vorbei, wir mussten uns ausnahmsweise nicht mit Zweigstellenleitern streiten.”, antwortete der Lichtdämon ein wenig säuerlich. Rin sah ihn fragend an, normalerweise war der älteste Baal immerhin sehr geduldig. „Ist es so schlimm?”

„Kommt drauf an, wie man es sieht. Manche sind ziemlich anstrengend und wenn man bedenkt wie oft wir uns mit dem Rat rumärgern müssen, ist es wirklich eine Leistung, uns zu so zu nerven. Doch genug davon. Samael, Egyn, Amaimon und ich wollen etwas essen gehen und du musst sicher auch Hunger haben.” Der Nephilim öffnete den Mund, um zu einer Antwort anzusetzen und wurde von seinem laut knurrenden Magen unterbrochen. Sofort lief er rot an, während Lucifer kurz lachte. War er wirklich so hungrig? Er hatte es bis gerade eben gar nicht gemerkt. „Das werte ich als ein Ja. Kommst du nun mit oder willst du lieber auf dem Zimmer essen?”, erkundigte sich der Ältere. „Nein, ich komme mit.” Er hatte genug davon, sich in einem Zimmer einzuschließen und alleine vor sich hinzuvegetieren. „Aber was ist mit dem Rest? Wollen sie nichts essen?”

 

„Beelzebub ist noch unterwegs, Iblis isst später, weil sich Ladon irgendwas eingefangen hat und er sich um ihn kümmern will. Astaroth will sich nochmal hinlegen, er hat in den letzten Nächten kaum geschlafen und isst ebenfalls später.”, erklärte Lucifer, während er sich in Bewegung setzte. Rin nickte und folgte ihm. „Weiß Iblis schon, was Ladon hat? Ist es was ernstes?”, erkundigte er sich ein wenig besorgt. Er wusste, wie sehr Iblis an seinen Drachen hing und er selbst mochte sie ebenfalls. „Das ist schwer zu sagen, aber bisher scheint es nicht ernstes zu sein. Ich bin sicher, er ist bald wieder fit. Notfalls sind hier mehr als genug Drachenspezialisten, die man um Hilfe bitten kann, wenn alles andere nichts bringt.”

 

„Wäre es nicht besser, sie jetzt schon zu fragen?”, warf Rin ein. „Nicht unbedingt. Sie haben genau wie wir alle Hände voll zu tun. Es sind in den letzten Wochen immer wieder Drachen nach Assiah gekommen, in der Regel sind sie wild oder von irgendwo ausgebrochen und tun was sie wollen. Abgesehen davon kennt sich Iblis auch sehr gut mit Drachen aus. Als er die Drachen aufnehmen wollte, hat Vater es zur Bedingung gemacht, dass er eine entsprechende Ausbildung im Umgang mit ihnen bestehen muss und das hat er. Bisher kam er immer klar, wenn sie krank geworden sind.” Das machte wohl Sinn. Sie hatten inzwischen die Türen der Kantine erreicht, wo die restlichen Dämonenkönige warteten. „Na endlich! Ich habe Hunger...”, quengelte Amaimon, woraufhin Samael die Augen verdrehte. „Nun hab dich nicht so, wir haben fünf Minuten gewartet.”

 

„Dann gehen wir mal, bevor Amaimon uns noch vom Fleisch fällt.”, kommentierte Lucifer trocken. Glücklicherweise kamen sie außerhalb der Stoßzeiten, weswegen es entsprechend leer war und sie schnell ihr Essen (Gemüsesuppe mit Reis) bekamen. Sie suchten sich einen Tisch und begannen zu essen. Es war relativ fade, aber da Rin dies bereits vom Kantinenessen seiner alten Mittelschule kannte, störte es ihn eher weniger. Abgesehen davon befanden sie sich in einem Krieg und wenn Lilith die Länder rundherum wirklich abgeriegelt hatte, war es sicher nicht einfach an Lebensmittel zu kommen. Seine Brüder schien es ebenfalls nicht zu stören, auch wenn Samael einmal leise seufzte und irgendwas murmelte, was verdächtig nach "Instant Nudeln" klang. ‚Manche Sachen ändern sich nie.‘, dachte er kopfschüttelnd. Sie löffelten eine Weile stumm vor sich hin, bis schließlich Egyn das Wort ergriff. „Hier kommen direkt Erinnerungen an die Militärakademie hoch, was?” Rin und die anderen Baal sahen ihn überrascht an. „Wie kommst du denn jetzt darauf?”, fragte Amaimon. Egyn zuckte mit den Schultern. „Na ja, die Kantine und das Essen waren sich relativ ähnlich und ich mag diese Stille am Tisch nicht, also habe ich jetzt irgendwas angesprochen.” Lucifer nickte. „Ja, jetzt wo es sagst...aber das ging ja alles. Am schlimmsten war immer noch die Essensversorgung beim Außeneinsatz.” Samael verdrehte die Augen. „Erinnere uns nicht dran. Das war jedes Mal eine Katastrophe...” Die restlichen Dämonenkönige nickten zustimmend, während Rin sie fragend ansah. „Ähm...kurze Unterbrechung. Worum geht's?”, fragte er und Lucifer seufzte. „Wie du weißt, waren wir nach unserer Schulzeit an der Militärakademie, wo es mehrere Außeneinsätze gab. Mal waren die relativ leicht, mal ziemlich gefährlich, aber eins war immer dasselbe: Der Dämon, der die Rationen bringen sollte, war eine geographische Katastrophe.”

 

„Er war schlimmer als Lucifer. Ich bin mir inzwischen sicher, dass er nicht mal Straßenschilder lesen konnte.”, ergänzte Egyn trocken, den bösen Blick des ältesten Baals ignorierend. „Jedes Mal hat er sich verirrt und ist sonst wo gelandet, während wir da in unseren Lagern saßen, den ganzen Tag unterwegs gewesen und dementsprechend am verhungern waren. Wenn man richtig Pech hatte, war es noch kalt. Mich hat das eher weniger gestört, aber für die anderen war es schlimm und bei manchen Temperaturen muss auch ich kapitulieren.”

 

„Einmal war es mitten im Winter und er kam mit drei Stunden Verspätung an.”, ergriff nun Samael das Wort. „Essen konnten wir dennoch nicht, weil die Suppe komplett gefroren war.” Rin prustete los und verschluckte sich beinahe an seinem Essen. „Glaub mir, das ist nicht witzig, wenn du Hunger hast. Versuche abgesehen davon mal was aufzutauen, wenn es minus 25 Grad sind und es immer kälter wird. Ich weiß bis heute nicht, wie wir das hinbekommen haben.”, brummelte Lucifer ein wenig missmutig. „Trotzdem konnte man nicht lange böse sein, sonst war er immer sehr nett und hilfsbereit.”

 

„Immerhin hatten wir Steinbrot dabei...”, murmelte Amaimon. Rin wollte gerade nachfragen, als Egyn schon die Erklärung übernahm. „Nein, es heißt nicht wirklich Steinbrot, das ist nur ein Spitzname. Richtig heißt es...” Er hielt inne und sah fragend zu seinen Brüdern. „Wie heißt es denn überhaupt?” Alle zuckten mit den Schultern. „Na gut, egal. Das war jedenfalls ein Brot und eine Art persönlicher Notfallvorrat, den man für die meisten Außeneinsätze bekommen hat. Das war gräulich und extrem hart, daher der Name. Der Vorteil war, dass es sehr lange haltbar war, ich glaube sogar 20 Jahre im Extremfall. Es war nicht besonders groß, aber sobald es im Magen war, ist es nochmal aufgegangen und dadurch war man längere Zeit satt. Zwar hat es nach nichts geschmeckt und man hatte immer das Gefühl auf Sägemehl zu kauen, aber manchmal war man richtig froh, wenn man was dabei hatte.” Das klang wirklich praktisch. Sie redeten noch eine Weile über ihre Zeit an der Akademie, auch nachdem sie bereits aufgegessen hatten, bis Lucifer schließlich aufstand. „Wir sollten langsam weiter machen, es gibt noch einiges zu tun und Beel ist sicher bald zurück.” Sie stimmten zu, gaben ihr dreckiges Geschirr ab und verließen den Saal, wo sie auf ein bereits bekanntes Gesicht trafen. Kyrene stand mit dem Rücken zu ihnen, umgeben von drei weiteren Sirenen und schien sich mit ihnen über irgendetwas zu streiten. „Es nicht meine Schuld, wenn dieser idiotische Exorzist nicht aufpasst, wo er hintritt. Er hat doch Augen im Kopf!”, giftete die Sirene mit violetten Zöpfen. „Abgesehen davon hatte er eine viel zu große Nase. Geschieht ihm recht.”, warf die silberhaarige Sirene neben ihr ein. Die dritte Sirene mit den pinken Haaren schwieg. „Was hat denn seine Nase damit zu tun?!”, empörte sich Kyrene. „Und Keto, ich habe genau gesehen, dass es kein Unfall war!”

 

„Und? Was willst du jetzt tun? Zu Egyn rennen und petzen? Der wird größere Sorgen haben.”, antwortete die Sirene namens Keto unbeeindruckt. „Aber wenn ihr etwas netter zu ihnen wärt-”, setzte das vierte Mädchen an, nur um von der silberhaarigen Sirene unterbrochen zu werden. „Jetzt nicht Galatea!”

 

„Erato und Keto, müsst ihr wirklich immer Ärger machen?”, sprach Egyn die Gruppe an, sichtlich erschöpft. „Ihr werdet es doch wohl mal schaffen, euch ein paar Tage lang mit anderen zu vertragen!” Kyrene drehte sich um, als sie seine Stimme hörte und die anderen drei Sirenen traten nach vorne. Rin klappte der Mund auf. „Ihr beiden?!”, entfuhr es ihm entsetzt und starrte Erato und Keto an. Diese erwiderten seinen Blick zunächst verwirrt, dann erkannten auch sie ihn. „Waaaas? Du?! Was machst du denn hier?”, fragte Erato, ohne auf Egyn einzugehen. Dieser und die Baal schauten überrumpelt erst sie und dann Rin an. Kyrene fand zuerst ihre Worte wieder. „Wartet, ihr kennt Rin?” Erato und Keto nickten. „Wir haben ihn zum Blutgericht beim Fest im Palast getroffen, aber ein paar Feuerdämoninnen haben alles ruiniert!”, schmollte Erato. Stimmt, da war ja was. Rin erinnerte sich nur zu gut an diese unangenehme Situation. Immerhin war er zwischen die beiden Sirenen und drei Feuerdämoninnen geraten, die sich um ihn gestritten hatten, bis Agash zur Rettung geeilt war. „Moment mal, also bist du Satans Nephilim?!”, entfuhr es nun Keto, die offenbar eins und eins zusammen gezählt hatte. Der Halbdämon war noch immer so überrumpelt, dass er einfach nickte. Rückblickend betrachtet machte es Sinn, Kyrene hatte damals sogar erwähnt, dass sie nur als Begleitung auf dem Fest gewesen war. „Hi Rin, ich bin Galatea!”, zwitscherte die pinkhaarige Sirene derweil gut gelaunt und winkte ihm kurz zu. „Ich bin noch nie einem Nephilim begegnet, der aus Assiah kommt! Das ist echt toll! Was magst du lieber? Assiah oder Gehenna? Kannst du durch Weihwasser oder Todesverse verletzt werden oder geht das wegen deiner menschlichen Hälfte nicht? Kannst du überhaupt von Menschen Besitz ergreifen? Wobei, du hast ja blaue Flammen und Lord Satan kann deswegen von niemanden Besitz ergreifen, also ist das doch bei dir bestimmt auch so. Ooooh, dann müsstest du doch eine Gehennapforte öffnen können! Kannst du trotzdem noch andere Dämonen beschwören oder geht das dann nicht mehr?”, blinzelnd versuchte Rin den Worten der Sirene zu folgen, denn sie redete wie ein Maschinengewehr und hatte begonnen auf und ab zu hüpfen, wie ein aufgeregtes Kind in einem Süßigkeitengeschäft. Die anderen Sirenen und einige Baal stöhnten frustriet auf. Nachdem Kyrene sie beruhigt hatte und offiziell ihre Schwestern vorgestellt hatte, erfuhren sie endlich worum es ging: Anscheinend konnten es Erato und Keto einfach nicht lassen, für Ärger zu sorgen und hatten einigen Exorzisten das Leben schwer gemacht. Nach einiger Diskussion hatten sie endlich eingesehen, dass sie damit nur allen schadeten und versprachen es zukünftig sein zu lassen, auch wenn es fraglich war, wie ernst sie es wirklich meinten. Nur kurz darauf kam eine weitere Sirene hinzu, deren Haare wie bei Kyrene verschiedenste Blautöne hatten. „Ach, hier steckt ihr also! Ich habe euch schon überall gesucht! Charybdis hat mir erzählt, dass ihr wieder mal nur für Ärger sorgt! Wa-”

 

„Schon gut, Kastalia. Es hat sich erledigt.”, mischte sich Egyn ein, bevor sie weitersprechen konnte. Offenbar war die Sirene die Mutter der Schwestern und wandte sich nun an ihn „Ah Egyn, tut mir wirklich leid, dass sie Probleme bereitet haben! Ich muss leider schnell weiter, aber richtet eurem Vater Grüße aus! Bis dann.~” Damit schnappte sie sich ihre Töchter und zog sie davon. Rin starrte ihr mit leicht offenem Mund hinterher. Das war ihm gerade alles viel zu schnell gegangen. Die Dämonenkönige sahen sich derweil alarmiert an. „Ähm...seit wann richtet sie Grüße an Vater aus? Was ist genau ihre Beziehung?!”, fragte Egyn ein wenig panisch. „Was ist so schlimm daran?”, erkundigte Rin sich verwirrt. „Was schlimm daran ist?!”, echote Egyn. „Als ich mit Kyrene zusammen war, hat sie jede Gelegenheit genutzt, um Vater anzugraben. Wir haben keine Lust auf Überraschungen!”

 

„Vielleicht wollte sie nur nett sein?”, schlug Rin zaghaft vor. Amaimon schnaubte, sagte allerdings nichts dazu. „Kümmern wir uns da später drum, jetzt ist nicht die Zeit dafür.”, sagte Lucifer und wandte sich an Rin. „Leider müssen wir direkt weiter, wir haben noch einiges zu tun. Soll ich dich zurück zum Zimmer bringen oder-” Rin schüttelte den Kopf. „Nein, ich wollte mich noch mit jemanden treffen.” Alles nur nicht alleine im Zimmer hocken und die Decke anstarren. „Izumi hat mich vorhin gefragt.”

 

„Das Fuchsmädchen?”, hakte Amaimon nach. Rin brauchte einige Sekunden, bis er begriff, was der Erddämon meinte. „Nein, das ist Izumo. Izumi ist einer der Mönche mit denen ich im Stift gelebt habe.” Die Dämonenkönige wechselten Blicke. „Stimmt, die sind ja auch hier...”, überlegte Egyn. „Astaroth war schon die ganze Zeit damit beschäftigt, ihnen aus den Weg zu gehen.” Verständlich, immerhin hatte er nicht gerade den besten Eindruck hinterlassen. „Er kann sich ruhig bei ihnen entschuldigen.”, knurrte er. „Er hätte sie umbringen könnten.” Amaimon zuckte mit den Schultern, offenbar wenig besorgt. „Hat er aber nicht.” Das stimmte zwar, aber drum herum würde er dennoch nicht kommen. Er verabschiedete sich und machte sich auf die Suche nach den Mönchen.

 

 

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Rins Treffen mit den restlichen Bewohnern des Stifts verlief wie erwartet. Er hatte einiges zu berichten und auch sie erzählten, was er alles verpasst hatte. Das meiste wusste er bereits, allerdings war es dennoch ein gutes Gefühl wieder mit ihnen zu reden. Nach einigem Zögern erzählte er sogar ein wenig von Satan und den Dämonenkönigen, immerhin hatten sie bisher nicht gerade positive Dinge von ihnen mitbekommen. Er war überrascht, wie interessiert und offen sie waren, auch wenn es ihnen aus verständlichen Gründen schwer fiel, Satan und Astaroth aus einem positiven Winkel zu betrachten. Dennoch war es für den Anfang besser als nichts. Ungefähr drei Stunden verbrachte er mit ihnen, dann mussten sie leider wieder los. Nicht wissend, was er tun sollte, machte er sich auf den Weg zurück in sein Zimmer. Dabei kreisten seine Gedanken erneut um ein Thema, dass ihn schon seit Monaten beschäftigte und ihm ungewollt wieder in den Sinn gekommen war: Der angebliche Neid seiner Brüder. Satan hatte selbst bestätigt, dass sie tatsächlich nicht allzu positiv auf seine Geburt reagiert hatten. Da sie sich inzwischen damit abgefunden zu haben schienen, hatte er niemals nachgehakt, doch seit seiner Gefangenschaft bei Lilith und seinem Albtraum konnte er es einfach nicht vergessen. Damit fasste er den Entschluss, endlich Antworten zu verlangen. Er wollte die Wahrheit wissen und die Sache endlich hinter sich bringen. Ewig deswegen zu grübeln, würde niemanden etwas bringen und an eine Sache aus dem Exorzisten Unterricht erinnerte er sich genau: Wenn sich Dämonen auf etwas verstanden, war es Schwächen auszunutzen. Astaroth hatte Shiratoris Schwächen genutzt, um ihn zu übernehmen, ebenso wie Satan bei Shiro und Lilith bei Rin. Früher oder später würde er erneut auf die Dämonin treffen und dieses Mal musste er bereit sein. Dies bedeutete, sich mit Ereignissen und Problemen, die ihn beschäftigen, endlich auseinander zu setzen und sie im Idealfall zu überwinden. Je weniger Angriffspunkte er bot, umso besser. Seine Zweifel gegenüber seinen Brüdern auszuräumen, würde daher sein erster Schritt sein. Dafür musste er sie allerdings finden und dies sollte sich als äußerst schwierig gestalten. Er wollte möglichst alle beisammen haben, wenn er sie fragte und nicht jeden einzeln. Dafür müsste er jedoch zuerst auf Beelzebubs Rückkehr warten und diese war nicht vorhersehbar. Während er vor sich hingrübelte, kamen ihm Halphas und Ankou entgegen, welche in einem Gespräch vertieft waren. Rin zögerte zunächst, dann ging er entschlossen auf sie zu. Wenn jemand etwas darüber wusste, waren es wohl die Stellvertreter seiner Brüder. Ankou bemerkte ihn zuerst und ihr sonst so ernstes Gesicht hellte sich auf. „Hey, schön zu sehen, dass du auf den Beinen bist! Wir haben uns Sorgen gemacht!” Unerwarteterweise umarmte sie ihn, während Halphas ihm auf die Schulter klopfte und ihn dabei fast umwarf. „Huch,'Tschuldige!”, sagte er. „Aber schön, dass es dir besser geht. Du hast uns wirklich einen Schrecken eingejagt.” Für einige Sekunden verspürte Rin ein warmes Gefühl in seiner Magengegend und konnte nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern. Wer hätte gedacht, dass er sie jemals zu seinen Freunden zählen würde? „Mir geht's ganz gut, danke. Ich habe mich gestern mit meinen menschlichen Freunden getroffen und heute mit Yukio und den Exorzisten mit denen ich aufgewachsen bin.” Zwar rümpfte Ankou bei der Erwähnung seines Zwillings die Nase, aber überspielte es schnell. „Das ist super! Azazel hat auch schon nach dir gefragt, dann kann ich ihm wenigstens was positives berichten!” Der Gedanke an Azazel versetzte dem Nephilim einen leichten Stich. Er hatte ihn bisher leider nicht besuchen dürfen und nur wenig Auskunft über ihn erhalten. Vielleicht war das auch der Grund dafür, dass die Geisterdämonin so fertig aussah. Sie hatte leichte Augenringe und wirkte blasser als sonst. Da sie jedoch offensichtlich nicht darüber reden wollte, wechselte er das Thema. „Ich weiß, ihr beiden habt wahrscheinlich viel zu tun, aber ich muss mit euch reden. Bitte.” Die beiden sahen ihn überrascht an und warfen sich einen kurzen Blick zu, bevor Halphas langsam nickte. „Ok, dann mal los.”

 

„Können wir in einen leeren Raum gehen? Ich will nicht auf dem Flur darüber reden.”, bat Rin und sie erklärten sich glücklicherweise bereit. Sie wählten eine zufällige Tür und landeten in einem kleinen Konferenzzimmer. Halphas schloss die Tür hinter ihnen und wandte sich erwartungsvoll an den Nephilim. „Gut, worüber möchtest du reden? Ist was passiert?” Der Halbdämon zögerte kurz, unsicher wie viel er ihnen anvertrauen sollte, aber entschloss sich schlussendlich für die ganze Wahrheit. Er erzählte wie er erfahren hatte, dass seine Brüder angeblich eifersüchtig auf ihn und wütend wegen seiner Geburt gewesen waren, Satan es bestätigt hatte und er nun ständig daran musste und es überwinden wollte, indem er endlich Antworten bekam. Die beiden Dämonen antworteten nicht sofort, sondern tauschten einen Blick, den Rin nicht ganz deuten konnten. „Na ja...”, begann Halphas langsam. „Ich bin nicht sicher, ob du da wirklich mit uns drüber reden solltest. Es wäre besser, wenn du sie direkt fragst.”

 

„Das weiß ich und ich werde sie noch fragen, aber ich möchte trotzdem eure Sicht hören. Seid bitte ehrlich und lasst nichts weg, ich verkrafte das!”, drängte Rin. Als sie nicht sofort antworten, wurde er frustriert. „Jetzt kommt schon, so schwer ist es doch nicht!”, entrüstete er sich. „Ich habe es satt, dass mir Dinge verschwiegen werden, um mich zu schützen. Erst diese ganze "Du bist der Sohn Satans und Dämonen existieren Sache" und jetzt noch sowas? Muss das sein?! Ich bin nicht irgendein kleines Kind, ich bin alt genug, damit klar zu kommen.” Er war zum Ende hin lauter geworden, als er es wollte, aber es war ihm egal geworden. Endlich gaben sie nach und Ankou lehnte sich seufzend gegen den Tisch. „Also schön, du hast wohl recht. Es ist nicht fair, es vor dir geheim zu halten. Ja, es ist wahr, dass sie wegen deiner Geburt wütend waren. Eifersucht hat seinen Teil dazu beigetragen, aber dazu komme ich gleich. Sie waren von Anfang an dagegen, dass Satan auf deine Mutter einlässt. Liebe zwischen Dämonen und Menschen kann gut ausgehen, aber es kann auch fürchterlich schief gehen und zwar für beide Seiten. Ich nehme mal an, dass ihr Beruf auch eine Rolle gespielt hat, aber ich möchte keine Vermutungen aufstellen. Jedenfalls hatte Satan eigentlich versprochen sich keine Frau mehr zu nehmen und folglich keine Kinder mehr zu bekommen. Sie waren so glücklich wie sie waren und als es dann hieß, dass eine Exorzisten schwanger mit einem jüngeren Geschwisterkind ist...tja, es hat so einiges ins Wanken gebracht. Erneut kann ich nur Vermutungen anstellen, aber ich denke, sie waren zum einen frustriert, weil Satan sein Versprechen gebrochen hat und es die gewohnte Ordnung durcheinander gebracht hat.” Rin nickte langsam, bisher klang alles verständlich und es war auch nachvollziehbar, dass Ankou sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen wollte, indem sie Vermutungen anstellte. „Und was ist mit dem Neid?”, hakte er nach. Dieses Mal antwortete ihm Halphas. „Wie du weißt, sind sie die stärksten Dämonen nach Satan und folglich die stärksten ihres jeweiligen Elements, aber das heißt nicht, dass sie immer zufrieden sind. Bei Iblis weiß ich zum Beispiel, dass er etwas enttäuscht war, weil er Satans Flammen nicht geerbt hatte, obwohl er ein Feuerdämon war. Es ging ihm da weniger um die Thronfolge, eher ums Prinzip. Er hat sich dennoch nie ernsthaft beschwert und sich damit abgefunden, aber als du kamst, ein einfacher Nephilim, sah die Sache anders aus.” Er zögerte bevor er weitersprach. „Das ist wieder nur eine Vermutung, aber vielleicht hatten sie befürchtet, dass Satan sich nur noch auf dich konzentriert, weil du seine Flammen hast und alles. Vielleicht dachten sie sogar, dass sie am Ende überflüssig werden. Keiner hat mehr eine Mutter, sie haben jahrelang nur ihren Vater gehabt und nach all den Jahren kommst du an und stiehlst die Aufmerksamkeit. Ist wie gesagt eine reine Vermutung.” Für einige Sekunden schwieg Rin und verarbeitete alles, was er soeben erfahren hatte. Alles klang logisch, aber für das Gesamtbild musste er wirklich mit seinen Geschwistern reden. „Hör mal, ich verstehe, dass du neugierig bist, aber eine Sache solltest du wissen.”, sprach Ankou ihn mit überraschend sanfter Stimme an. „Mag sein, dass sie anfangs nicht sehr begeistert von dir waren. Sie haben Satan so einiges an den Kopf geworfen und ich habe wirklich eine Weile gebraucht, um Azazel zu beruhigen, aber schlussendlich haben sie dich akzeptiert. Du hättest sie mal sehen sollen, als du weg warst. Sie haben sich so viele Vorwürfe gemacht und wollten dir unbedingt helfen, aber wussten, dass sie kaum etwas ausrichten können. Also mach dir keine Sorgen. Sie sehen dich längst als einen von ihnen.”

 

„Sie hat recht.”, sprang Halphas ein. „Mach dir nicht so viel Stress. Sie würden ihre Throne für dich hergeben.” Der Halbdämon nickte kurz. „Danke.” Leider stellte sich heraus, dass keiner der beiden genau wusste, wo die Baal waren, daher verabschiedete er sich und ging zurück in sein Zimmer. Irgendwann würden sie dort schon aufschlagen.

 

 

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Amaimon saß gelangweilt zwischen seinen Brüdern und hörte sich das Gemecker einiger Exorzisten und Dämonen an. Wie er dieses herumsitzen hasste! Viel lieber wäre er draußen und würde ihre Feinde vernichten, immerhin hatten sie gerade mal die Vatikanstadt komplett gesichert, was absolut nicht ausreichte. Er war nun mal ein Dämon der Taten, nicht des herumsitzen und diskutieren, das sollten gerne sein Vater und Geschwister übernehmen! Sicherlich, er konnte sich auch um politische Anliegen kümmern, andernfalls wäre er kein Dämonenkönig, aber der Kampf war eben immer noch sein Lieblingsteil. Vorausgesetzt natürlich er gewann und musste nicht um das Leben seiner Familie und Freunde fürchten. Tod gehörte zum Krieg dazu, das wusste er, aber er wollte es dennoch vermeiden. „Er blinzelte überrascht, als plötzlich alle aufstanden und brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass es vorbei war. Endlich! Erleichtert stand er ebenfalls auf und verließ den Raum, seinen Geschwistern dicht auf dem Fersen. Kaum waren sie draußen, massierte sich Lucifer die Schläfen. „Hat sonst noch jemand den Überblick verloren? Ich weiß nicht mehr, wer was wollte und was wir zuerst tun sollen...”

 

„Ausnahmsweise geht es mir nicht anders.”, antwortete Samael seufzend, während Iblis nur gähnte. „Ich weiß ja nicht, was ihr tut, aber ich gehe jetzt essen, sonst muss ein Exorzist dran glauben.”, grummelte er. „Muss nicht mal sein, das Fleisch ist noch da.”, warf Egyn ein. Vor einigen Tagen hatten die Exorzisten jede Menge Fleisch in den Vorratskammern gefunden, waren sich jedoch nicht ganz sicher gewesen, wovon es war und ob es für Menschen essbar war. Daraufhin hatten einige Dämonen es probiert und zwei Dinge waren klar geworden: Das Fleisch war nicht aus Gehenna und es war nicht von Tieren. Immerhin wussten sie nun, was mit den toten Exorzisten geschehen war. Leider wurde aus Iblis' Essensplänen nicht, denn Beelzebub kam um die Ecke, sichtlich aufgeregt mit einem sehr müde wirkenden Astaroth im Schlepptau. „Da seid ihr! Ich hab euch ewig gesucht!”, begann er ohne Begrüßung. „Ihr werdet nicht glauben, wen ich in der Stadt gefunden habe!”

 

 

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Satan hasste den Zellentrakt des Hauptquartiers. Er hatte so viel Zeit hier unten verbracht, dass schon der Geruch reichte, um alles niederbrennen zu wollen. Da sie jedoch einige Gefangene genommen hatten, musste er öfter hier runter, wie auch heute. Er hob den Kopf, als er Schritte hörte und seine Söhne dazu kamen. „Du hast es ihnen schon erzählt?”, erkundigte er sich bei Beelzebub, welcher nickte. „Ja.”, kam die knappe Antwort. „Hast du schon mit ihr geredet?” Satan schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht. Zugegebenermaßen bin ich nicht ganz sicher, wie es weiter gehen soll.”

 

„Bringen wir sie um und werfen die Leiche den Ghulen vor. Fertig.”, grummelte Astaroth, woraufhin Amaimon und Iblis zustimmend nickten. „Sie hat behauptet, dass sie helfen möchte.”, warf Beelzebub ein. „Oh ja, also dann ist ja alles gut.”, zischte Iblis. „Das glaube ich ihr sofort.” Die restlichen Dämonenkönige wechselten kurze Blicke, aber es gab schlussendlich keinen Weg daran vorbei. Ihre Wut hinunterschluckend, machten sie sich auf den Weg zur Zelle und schlossen die Tür auf. Satan betrat zuerst die Zelle, die Baal folgte ihm ein wenig zögerlich. Jahi lehnte mit verschränkten Armen an der gegenüberliegenden Wand und schien nicht überrascht zu sein, alle mit einmal zu sehen. „Also bringen's wir's hinter uns?”, fragte sie in einem nüchternen Tonfall. „Würde es nach mir gehen, wäre es schon vorbei.”, zischte Iblis, was sie jedoch nicht weiter zu stören schien. „Verständlich.”, antwortete sie, dieses Mal mit einem Anflug von Bitterkeit. „Du hast dich gestellt und Beelzebub gesagt, dass du helfen willst. Was hat es damit auf sich? Denkt Lilith wirklich, dass wir darauf hereinfallen?”, ergriff Satan das Wort. Die Feuerdämonin lachte freudlos auf. „Oh bitte. Mit der rothaarigen Furie bin ich durch, die hat sie nicht mehr alle.”

 

„Und das fällt dir jetzt auf? Gratulation.”, unterbrach Samael sie trocken. Jahi warf ihm einen giftigen Blick zu, sagte jedoch nichts dazu. „Um es kurz zu machen: Ich habe einen riesigen Fehler gemacht.”, gab sie bitter zu. „Lilith hat mich reingelegt. Sie hat behauptet, dass es eure Schuld war, dass wir auf der Straße gelandet sind und meine Mutter gestorben ist und da ihr auch Stihi und Aym getötet habt, war es einfach ihr zu glauben und euch zu hassen.”

 

„Da wissen wir schon. Dann hättest du trotzdem wenigstens versuchen können, nur uns umzubringen, anstatt gleich ganz Gehenna ans Messer zu liefern.”, wies Astaroth hin. Die Feuerdämonin hatte zumindest den Anstand, beschämt auszusehen. „Stihis und Ayms Adoptivvater war überzeugter Lilith Anhänger und ich bin durch einige Freunde zu einer kleinen Gruppe von Unterstützern gekommen. Anfangs war ich nicht wirklich interessiert, aber dann sind einige an mich herangetreten und haben mir diese ganzen Lügen aufgetischt, also habe ich angefangen, sie im Stillen zu unterstützen, bis es dann schließlich...außer Kontrolle geraten ist.” Sie seufzte kurz, bevor sie fortfuhr. „Ok, ich werd nicht lange drum rum reden. Ich habe richtig verkackt und ihr habt jeden Grund mich zu hassen, aber ich habe meine Fehler eingesehen und will sie wieder gut machen.” Das war eindeutig die Untertreibung des Jahrhunderts. „Ach, und warum glaubst du uns plötzlich?”, hakte Iblis nach. „Ich habe Lilith darüber reden gehört, dass sie es war, die meine Mutter getötet hat.”, antwortete sie. „Zugegebenermaßen hatte ich schon seit einer Weile Zweifel gehabt. Liliths Methoden gehen einfach zu weit, ich will nicht noch mehr Unschuldige auf dem Gewissen haben. Alleine diese Blutjagden sind einfach nur barbarisch...ich habe nie kapiert, was Stihi und Aym so toll daran fanden. Sie haben sich ohnehin sehr verändert und zwar nicht zum guten...sie waren einfach zu fanatisch. So ungern ich es zugebe, sie hatten die Todesstrafe verdient.”

 

„Genau wie du.”, warf Amaimon ein, was Jahi allerdings nicht abzuschrecken schien. „Ja, das weiß ich, aber mich einfach zu töten, wird niemanden etwas bringen.” Sie zögerte erneut, bevor sie fortfuhr. „Bitte gebt mir die Gelegenheit, meine Fehler halbwegs richtig zu stellen. Ich habe Informationen, die euch weiterhelfen können-”

 

„Wir brauchen deine Hilfe nicht!”, fauchte Iblis sie an. „Wir haben mehr als genug Gefangene gemacht, die uns bereits eine Menge erzählt haben und bildest du dir davon abgesehen wirklich ein, dass wir dir nochmal vertrauen?! Da vertraue ich lieber dem Paladin mein Dämonenherz an!” Satan vertraute ihr genauso wenig, aber etwas sagte ihm, dass sie bisher nicht log. Jahi schien für einen Moment verunsichert zu sein, dann sah sie Satan entschlossen an. „Ich weiß, wo Lilith Azazels Seelenteil eingeschlossen hat.” Sie hatten mit allem gerechnet, aber nicht hiermit. „Woher weißt du das?”, fragte Egyn scharf. „Ich hatte die Vermutung, dass Azazel nicht freiwillig mitmacht und habe mehrmals gesehen, wie er sich zu Rin geschlichen hat. Also habe ich ein paar Nachforschungen angestellt und dabei einiges rausgefunden.”

 

„Dennoch hast du bisher nicht einen einzigen guten Grund genannt, dir zu vertrauen.”, erinnerte Beelzebub sie zweifelnd. „Ganz einfach, ich habe euch bereits geholfen.”, behauptete Jahi, ohne zu zögern. Satan hob zweifelnd eine Augenbraue. „Ach und wann?” Sie begann zu grinsen. „Kommt, euch ist doch sicher längst aufgefallen, dass es eigentlich nicht sein kann, dass die Exorzisten Satan so schnell befreien konnten. Wer glaubt ihr, hat die Wachen weggelockt und teilweise erledigt? Ihr habt es nicht gemerkt, aber ich habe euch bei eurem Angriff so gut unterstützt wie ich konnte.” Das würde in der Tat die fehlenden Wachen erklären. Als Satan und die Baal kurze Blicke wechselten, fuhr sie fort. „Ich versuche mich nicht vor der Strafe zu drücken, im Gegenteil. Ich will versuchen meine Fehler wieder gut zu machen und wenn man bedenkt, dass ihr immer noch hier festsitzt und euch erholt, könnt ihr wohl jede Hilfe gebrauchen. Die Zeit rennt euch davon, Lilith wird immer stärker und bald wird es so weit sein, dass sie nicht mehr besiegbar ist. Abgesehen davon bin ich wahrscheinlich die einzige außer Lilith und den Aveira, die weiß, wo Azazels Seelenteil ist.” Satan zögerte. „Du kannst uns vieles erzählen, aber einen Beweis, dass Lilith dich geschickt hat, haben wir dennoch nicht.”

 

„Warum zum Henker sollte Lilith ausgerechnet mich schicken?”, fragte Jahi und verdrehte die Augen. „Überlegt mal: Sie weiß, dass ihr mich hasst, immerhin hab ich ihr Rin ausgeliefert. Wenn sie jemanden schickt, würde sie doch wohl jemanden nehmen, den ihr nicht kennt und dem ihr folglich nicht voreingenommen seid. Warum sowas dummes riskieren?” Der Dämonenherrscher nickte langsam. Genau das hatte ihn ebenfalls stocken lassen. Lilith war nicht so dumm jemanden zu schicken, den sie hassten, wenn sich die Person bei ihnen einschleichen sollte. „Gut...nehme wir mal an, wir vertrauen dir. Was dann? Du willst doch sicherlich etwas im Gegenzug.” Fürs erste würde er sich anhören, was sie zu sagen hatte. Danach konnten sie immer noch entscheiden, wie es weiterging.

 

 

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Die Dämonenkönige kamen schneller als Rin es erwartet hatte. Keiner von ihnen wirkte besonders glücklich und als sie ihm von Jahi erzählten, war er sich nicht sicher, was er denken sollte. Offenbar bereute die Feuerdämonin aufrichtig, was sie getan hatte und wollte ihnen nun dabei helfen, Lilith zu besiegen. Wirklich vertrauen konnten sie ihr noch nicht, aber sie hatten beschlossen, ihr eine Chance zu geben. Sie hatte ihnen sämtliche Informationen gegeben, die sie hatte und falls sich diese als korrekt und nützlich erwiesen, konnte man eventuell mit ihr arbeiten. Eine Gefangene würde sie natürlich weiterhin sein, zumindest vorerst. Für einen Moment war er nicht sicher, ob jetzt der beste Zeitpunkt war, um sie auf die Neidsache anzusprechen. Allerdings wollte er es nicht weiter unnötig aufschieben, daher gab er sich einen Ruck. „Hört mal...”, begann er langsam. „Ich weiß, dass ihr müde und nicht in der Stimmung seid, aber ich muss mit euch reden. Ich will das eigentlich seit einiger Zeit fragen.” Iblis, welcher sich zusammen mit Astaroth endlich sein Essen geholt hatte und vor sich hin löffelte, zuckte mit den Schultern. „Mieser kann unsere Laune kaum werden, also immer raus damit.” Die anderen Baal sahen ihn ebenfalls erwartungsvoll an. „Gut, aber bitte versprecht mir, dass ihr ehrlich seid und nichts beschönigt, ich möchte die Wahrheit.”, bat Rin, was sie Blicke wechseln ließ. „So langsam machst du uns Sorgen, worum geht es denn?”, fragte Beelzebub.

 

„Stimmt es, dass ihr mich gehasst habt und neidisch auf mich wart oder es immer noch seid?‟, brach es aus Rin hervor. Doch nichts mit langsamen herantasten. Alle Dämonenkönige starrten ihn wie vom Donner gerührt worden, Astaroth und Iblis vergaßen sogar zu essen. „...Wie kommst du darauf? Hat Lilith dir das eingeredet?” , fragte schließlich Samael, doch Rin schüttelte den Kopf. „Antwortet nicht mit einer Gegenfrage! Ja oder nein? Ich möchte endlich die Wahrheit wissen! Ihr wart angeblich wütend wegen meiner Geburt und wolltet mich los werden. Was ist da dran?” Die Baal sahen ihn noch immer ein wenig überrumpelt an, dann einander, bis Astaroth schließlich seufzte. „Schätze, es war klar, dass wir es nicht ewig geheim halten können.” Die anderen Dämonen nickten düster und Lucifer seufzte kurz, eh er sich an Rin wandte. „Ja, es ist wahr. Als Vater uns erzählt hat, dass wir Nachwuchs bekommen, waren wir wütend und wollten nichts mit dir zu tun haben.” Obwohl Rin mit dieser Antwort gerechnet hatte, war sie wie ein Schlag in den Magen und er sackte unwillkürlich zusammen. „Hey, jetzt schau bitte nicht drein wie ein getretener Welpe!”, sagte Iblis hastig, wurde jedoch von Lucifer abgewürgt. „Es war zugegebenermaßen nicht unser stolzester Moment.”, räumte der Lichtdämon ein. „Wie du weißt, sind all unsere Mütter gestorben, mit der Ausnahme Indras, die aber nicht wirklich etwas mit uns zu tun hatte. Vater hatte geschworen, keine neue Frau mehr zu nehmen und folglich auch keine weiteren Kinder zu bekommen. Wir waren darüber ganz glücklich, weil wir uns nach all den Jahren natürlich aufeinander eingestellt haben. Als er sich plötzlich mit deiner Mutter eingelassen hat, waren wir dann etwas angefressen.”

 

„An der Stelle sollte man vielleicht mal einwerfen, dass es ein ziemliches Unding ist, sich mit Exorzisten als Partner einzulassen.”, mischte sich Astaroth. „Ich meine, die sind unsere Todfeinde. Also ja, nicht unbedingt Leute, mit denen wir was zu tun haben wollten. Abgesehen davon enden Beziehungen zwischen Menschen und Dämonen selten gut...und dieser Altersunterschied ist auch seltsam. Ich meine, wenn man geistig so in etwa das gleiche Alter hat, ist ja alles gut, aber...na ja, ist wohl Geschmackssache.” Rin nickte langsam. Er konnte durchaus verstehen, was er meinte. „Jedenfalls haben wir ihn versucht, davon abzubringen, sich weiterhin mit deiner Mutter zu treffen.”, warf nun Samael ein. „Schon alleine, weil ich ihren Vater kannte und wusste, dass es Probleme geben würde. Ich genieße zwar Chaos, aber das wollte sogar ich nicht.” Lucifer nickte zustimmend. „Ganz genau. Natürlich hat er nicht gehört und als er uns plötzlich eines Tages zu sich gerufen und verkündet hat, dass wir Zuwachs bekommen, waren wir wohl nicht mal allzu überrascht. Ehrlich gesagt, weiß ich selbst nicht mehr ganz, weswegen ich mich aufgeregt habe.”

 

„Eigentlich waren wir nur sauer auf Vater.”, kam Egyn zur Hilfe. „Wir haben den Gedanken gehasst, dass er sich ausgerechnet mit einer Exorzisten eingelassen hat. Er hat nicht nur sein Versprechen gebrochen, es hat sich auch irgendwie wie Verrat ans uns und vor allem an unseren Müttern angefühlt, weißt du?” Er zögerte bevor er weitersprach. „Wir hatten für den Großteil unseres Leben nur Vater...ich nehme mal an, wir hatten Angst, dass wir ihm plötzlich egal sind und er sich nur noch um dich und Yuri kümmert. Albern, ich weiß.”

 

„Es war irgendwie, als ob wir nicht genug sind.”, murmelte nun Amaimon und wich tatsächlich Rins Blick aus, was er zuvor noch nie getan hatte. Also hatten Halphas und Ankou tatsächlich recht gehabt mit ihren Vermutungen. „Wie gesagt, es war dumm von uns.”, ergriff nun Beelzebub das Wort. „Irgendwann ist es dann eskaliert und es kam zum Streit, wo wir sowohl Vater als auch deine Mutter verflucht haben.” Rin nickte langsam und schwieg kurz, bevor er weitersprach. „Und der Neid?” Erneute Unruhe und wieder tauschten sie kurze Blicke aus. „Ja. Stimmt auch...wir waren neidisch und es ist auch immer noch so. Zumindest bei mir.”, murmelte Iblis ein wenig beschämt klingend. Rin sah ihn überrumpelt an, dann seine Geschwister. Alle schwiegen und schienen sich nicht sonderlich wohl zu fühlen. „Aber..warum?”, fragte er leise nach. „Wenn hier jemand neidisch sein sollte, bin ich es! Ihr seid immer so selbstsicher, ihr sprecht extrem viele Sprachen, wisst so ziemlich alles, was man über Gehenna und Assiah wissen muss und regiert eigene Reiche! Abgesehen davon seid ihr extrem stärke Kämpfe und könnt eure Kräfte ohne Probleme kontrollieren...ihr habt sogar mehr Glück mit Mädchen als ich je haben werde!” Letzteres war zwar nicht so wichtig, aber man konnte es ruhig erwähnen. „Ich bin dagegen nur irgendein Halbblut, das sich ständig geprügelt hat, im Unterricht einschläft und ewig gebraucht hat, um ein paar verdammte Kerzen anzuzünden! Das einzige, was ich wirklich kann, ist kochen, sonst nichts! Ich kann nur Japanisch und Gehennisch, habe große Wissenslücken, zweifle ständig an mir und bin eigentlich nur ein Magnet für Ärger! Was gibt es da zu beneiden?!”

 

„Das klingt ja ganz gut, wenn du das so erzählst, aber stimmen tut es nicht.”, grummelte Astaroth. „Und du solltest dich nicht so schlecht machen.”

 

„Er hat recht.”, bestätigte Iblis. „Selbstsicher sind wir meistens, ja, aber wir haben öfter Zweifel, als du denkst und hinterfragen ständig, ob wir das richtige getan haben. Sprachen lernen kann jeder und du solltest nicht vergessen, dass wir wesentlich älter sind als du, also ist es kein Wunder, dass wir scheinbar alles wissen. Und was unsere Kräfte angeht...” Er lachte kurz auf. „Denkst du wirklich, dass wir das von heute auf morgen konnten? Nein. Wir hatten alle unsere Probleme. Samael war beispielsweise anfangs richtig schlecht im Phasensprung und ist ständig gegen Wände, Bäume und Möbel geknallt-”

 

„Iblis!”, unterbrach der Zeitdämon seinen jüngeren Bruder aufgebracht, aber er sprach einfach weiter.„Teilweise haben wir immer noch Probleme. Ich zünde bis heute ungewollt Sachen an, Amaimon macht Erdbeben ohne es zu wollen, Egyn lässt es oft schneien, wenn er mies drauf ist und Astaroth lässt plötzlich Dinge verwesen. Also nein, wir sind nicht perfekt, wenn es um unsere Kräfte geht und wir machen auch immer noch Fehler beim Kämpfen.”

 

„Ich zerbreche immerhin ständig meinen Speer.”, erinnerte Egyn grimmig. „Und um nochmal auf das Selbstvertrauen zurückzukommen: Du weißt gar nicht, wie oft wir an uns zweifeln oder Entscheidungen hinterfragen. Manchmal hinterfragt man einfach gefühlt jede Entscheidung. Im ersten Krieg gegen Lilith haben wir zum ersten Mal selbstständig Truppen angeführt. Es gab so viele Tote und immer wenn ich daran denke, überlege ich, ob ich irgendwas übersehen habe. Irgendein Detail, was vielleicht dafür gesorgt hätte, dass wir weniger Verluste erlitten hätten. Ich weiß nicht, ob du es weißt, aber in einem Kampf bin ich beinahe gestorben. Vergiftet. Ohne Agares wäre ich tot gewesen. Es war ein Hinterhalt und es gab keine anderen Überlebenden außer mir. Hätte ich damals einen anderen Weg genommen, wären sie vielleicht noch am Leben.”

 

„Das konntest du nicht wissen, Egyn. Alle waren sich einig, dass dieser Pfad, der beste war.”, sagte Beelzebub leise und eine schwere Stille legte sich über sie, während jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Der Nephilim war im ersten Moment unsicher, was er sagen sollte. Er hatte nie wirklich darüber nachgedacht, dass auch die Baal manchmal Probleme hatten und sich selbst anzweifelten oder Entscheidungen hinterfragten. „Das...Das wusste ich nicht.”, sagte er leise. „Trotzdem habt ihr so viel erreicht. Vater hätte euch wohl kaum zu Dämonenkönigen gemacht, wenn er an euch gezweifelt hätte. Allerdings habt ihr immer noch nicht gesagt, warum ihr neidisch seid.”

 

„ES SIND DIE SCHEIß FLAMMEN UND DEINE GANZEN FÄHIGKEITEN, OK?!”, explodierte plötzlich Iblis und sprang auf. Für einen kurzen Moment glaubte Rin, er wolle ihn angreifen, doch stattdessen begann er im Raum auf und ab zu laufen. „Ich war so stinksauer!”, rief Iblis aufgebracht. „Ich bin der Dämonenkönig des Feuers, aber Vaters Flammen bleiben trotzdem unerreicht! Schlussendlich habe ich mich damit abgefunden, aber dann kommt einfach ein Halbblut von irgendeiner Exorzistin an und hat die Nerven, sich damit über uns alle zu stellen! Es war einfach unfair! Und dann diese ganzen zufälligen Fähigkeiten, die dir einfach mal in den Schoß gefallen sind, weil warum auch nicht?! Warum es nicht deutlich machen, dass du was besseres bist als wir?! Erst das mit dem in die Vergangenheit schauen, dann das Geister sehen...das ist doch...ARGH!” Sichtlich frustriert ließ sich der Feuerdämon auf sein Bett fallen und rieb sich mit seinen Händen übers Gesicht. Ein wenig erschrocken sahen Rin und die restlichen Dämonenkönige ihn an. Iblis schien sich jedoch bereits wieder beruhigt zu haben. „Es tut mir leid.”, sagte er ein wenig resigniert, setzte sich auf und sah Rin an. „Ich habe versucht, mich zusammenzureißen, aber es war so verdammt frustrierend. Plötzlich kamst du und hast einfach alles auf den Kopf gestellt! Der Thron war mir schnuppe, es ging ums Prinzip. Plötzlich hat sich gefühlt nur noch alles um dich gedreht.”

 

„Vater hat ständig von dir geredet.”, mischte sich unerwarteterweise Amaimon ein. „Darum habe ich dich im Park und Wald so provoziert. Ich wollte wissen, was dran ist und war dann ziemlich enttäuscht. Dafür die ganze Aufregung? Das wirkte alles wie ein schlechter Scherz.”

 

„Schätze, wir waren unter anderem eifersüchtig, weil Vater plötzlich so sehr auf dich fokussiert war.”, gab Beelzebub ein wenig kleinlaut zu. „Und dachten, dass wir ab sofort überflüssig sind.”, ergänzte Egyn. Rin antwortete nicht. Plötzlich machte alles Sinn! „Ich wollte dich hassen. Ich habe es versucht.”, hörte er Iblis sagen und zwang sich, ihm zuzuhören. „Ich dachte mir, dass so ein kleiner Scheißer sowieso nie dazu gehören würde. Tja, ich lag daneben.” Erneut sah er Rin direkt an. „Tut mir leid. Ich bin ein beschissener Bruder. Du konntest nichts dafür und ich habe dir an allem die Schuld gegeben.” Unerwarteterweise räusperte sich nun Samael.„Auch ich bin nicht stolz, auf meine damaligen...Ansichten.”, sagte er langsam. „Ein kleiner Teil von mir hat sich in der Nacht deiner Geburt beinahe gewünscht, dass dich die Exorzisten zuerst finden, aber...”, er seufzte kurz. „Als ich dich in der Höhle gesehen habe, konnte ich dich nicht hassen, im Gegenteil. Anscheinend haben mich die Jahre in Assiah schwach gemacht.”

 

„Wir haben uns alle daneben genommen.”, schloss Lucifer. „Wir haben dir für Dinge die Schuld gegeben, die außerhalb deiner Macht lagen, waren frustriert wegen deiner ganzen Kräfte und hatten Angst, dass wir Vater egal werden. Dumm, ich weiß. Das hast du nicht verdient.” Er sah Rin ernst an. „Hör auf, dich zu unterschätzen. Ja, du schläfst im Unterricht ein. Ja, du hast Probleme mit deinen Kräften und ja, du hast große Wissenslücken, aber das ist keine Schande. Du bist noch am lernen und hast bereits große Fortschritte gemacht, auf die du stolz sein kannst. Die wenigstens können von sich behaupten, so schnell Gehennisch gelernt zu haben.” Die jüngeren Baal nickten zustimmend. „Daher kann ich nur sagen, was Iblis schon gesagt hat: Es tut mir leid. Ich habe mich unmöglich verhalten.” Nun entschuldigten sich auch die anderen Dämonenkönige und wirkten dabei ebenso beschämt. Was dann kam, erwartete jedoch niemand: Rin begann zu lachen. Die Dämonen sahen ihn an, als hätte er endgültig den Verstand verloren. „Ihr seid solche verdammten Idioten.”, sagte Rin, als er sich beruhigt hatte „Allesamt. Es gibt nichts, wofür ihr euch entschuldigen müsst. Ich kann verstehen, warum ihr so dachtet und es ist nun wirklich nicht so, dass ihr mir schlecht behandelt habt. Eigentlich war ich es doch, der sich stur gestellt hat und nichts mit euch zu tun haben wollte. Ich meine...Ich habe beinahe Amaimon gegrillt und Astaroth im Wohnheim die Nase gebrochen. Oh, und ihn als er das Stift angegriffen hat, mit einer Mistgabel beworfen, aber das war auch irgendwo seine eigene Schuld. Ihr habt euch von Anfang an um mich gekümmert und mich bei allem eingebunden, also Schwamm drüber. Was passiert ist, ist passiert.” Er erhielt entsetztes Starren, dann brach auch Astaroth in Gelächter aus. „Wow, dein Ernst? Weißt du, wie viel Schiss wir vor diesem Gespräch hatten? Und du steckt es einfach weg und sagst, dass alles in Ordnung ist? Du vergibst alles viel zu schnell und ich weiß echt nicht, ob ich das an dir mag oder hasse.”

 

„Aber wirklich. Du hast uns einen halben Herzinfarkt verpasst, als du das angesprochen hast!”, bestätigte Beelzebub. Egyn hatte derweil die Initiative ergriffen und war aufgestanden, um Rin zu umarmen. Dieser sagte nicht Nein dazu. Der Wasserdämon warf derweil ihren Geschwistern einen auffordernden Blick zu. „Worauf wartet ihr? Schwingt eure Hintern her!”, verlangte er. Wie erwartet, versuchten sich Samael, Amaimon, Iblis und Astaroth dagegen zu wehren, doch wurden gnadenlos in die Gruppenumarmung (eher in den Knuddelhaufen) integriert. „Versprecht mir einfach, dass ihr zukünftig mit mir über sowas redet.”, bat Rin, nachdem sie los gelassen hatten. Sie versprachen es und zum ersten Mal seit er befreit worden war, breitete sich ein wohliges Gefühl in ihm aus. Er hatte es ernst gemeint, es spielte keine Rolle, was sie früher gedacht hatten. Sie hatten ihre Meinung geändert und ihn akzeptiert, mehr konnte er sich kaum wünschen. Wieder einmal wurde ihm klar, dass er keine bessere Familie hätte haben können. Er war so in Gedanken, dass er zusammenzuckte, als ihn jemand an der Schulter berührte. Es war Lucifer, welcher ihm einen allzu bekannten Spiegel vor die Nase hielt. „Ich nehme mal an, dass du uns nicht nur darauf angesprochen hast, weil du endlich Antworten wolltest, sondern weil du auch deine Schwächen überwinden wolltest. Es ist nur ein Vorschlag, aber heute wäre einer der Tage, an denen der Seelenspiegel funktioniert. Ich wette, Shiro wartet schon darauf von dir zu hören.” Ein wenig überrascht, dass er so schnell durchschaut worden war, nahm Rin den Spiegel entgegen und starrte ihn an, dann fasste er einen Entschluss und nickte langsam. „Ich habe es lange genug herausgezögert.”, er zögerte. „Ich nehme an, der Spiegel funktioniert nur für eine Person?” Lucifer lächelte ihn ein wenig traurig an. „Ich fürchte ja, aber ich bin sicher, Yukio wird es verstehen.” Schon wieder war er durchschaut worden, aber es war wohl nicht schwer gewesen zu erraten, was in seinem Kopf vorging. „Na gut. Erklärt ihr mir, wie es funktioniert?” Samael grinste überschwänglich. „Aber natürlich!~ Wenn ihr erlaubt...zunächst einmal ist es wichtig, dass die Himmelsrichtung stimmt! Das wäre Norden und liegt in dieser Richtung.” Rin hörte sich die Anweisungen genau an oder versuchte es zumindest. Die Aussicht ein letztes Mal mit Shiro sprechen zu können, war aufregend und traurig zugleich. Er hatte so viel zu erzählen, so viel wofür er sich entschuldigen wollte! Dies war seine letzte Gelegenheit und er hatte vor, sie vollkommen auszunutzen.

Chaos

Der Seelenspiegel war schneller vorbereitet, als gedacht und noch dazu mit weitaus weniger Aufwand als es einem in Filmen, Serien oder dem Internet vorgegaukelt wurde. Zwar stimmte es, dass der Kontakt mit der Welt der Toten immer ein Risiko barg und noch dazu gewisse Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, damit man nichts in diese Welt einlud, allerdings zählte die Variante mit dem Spiegel wohl zu den sichersten Methoden. Ein einfacher Salzkreis reichte bereits aus, um unerwünschte Besucher fern zu halten und auch das Risiko, dass sich etwas an Rin anheftete, lag praktisch bei null. Schlussendlich musste er nur noch einige Worte sprechen, um den Seelenspiegel zu aktivieren, was gar nicht einfach war, da diese in Henochisch waren. Glücklicherweise sprachen seine Geschwister den Dialekt fließend und sagten ihm so lange die Worte vor, bis es endlich funktionierte. Von einem Augenblick auf den anderen stand er nicht länger in ihrem Zimmer, sondern schien sich im Nichts zu befinden. Ein seltsamer, weißer Nebel umgab ihn und raubte die Sicht auf seine Umgebung. Nervös sah er sich um und lauschte, doch hörte und entdeckte nichts. Sollte das so sein? War etwas schief gelaufen? Saß er fest oder war irgendwie falsch abgebogen? Ging so etwas überhaupt?! Er hielt inne und atmete kurz durch, um sich zu beruhigen. Sicherlich hatten sein Vater und seine Brüder gewusst, was sie taten, es würde schon alles gut gehen. Laut ihnen befand er sich nicht direkt im Totenreich, es war vielmehr eine weitere, wesentlich kleinere Dimension, die sich irgendwo zwischen Leben und Tod befand und “Limbo“ genannt wurde. Nach kurzem Zögern setzte er sich in Bewegung, auch wenn er nicht einmal den Boden sehen konnte. Je länger er ging, umso entspannter wurde er jedoch. Dieser Ort hatte etwas beruhigendes und friedliches an sich, als könnte niemals etwas schlechtes geschehen. „Hallo, Rin. Das hat ja lange genug gedauert, ich dachte schon, du hättest mich vergessen.“ Abrupt blieb der Nephilim stehen, als er diese vertraute Stimme hörte. Verschiedenste Emotionen machten sich bemerkbar, Hoffnung und Freude, aber auch Angst und Anspannung. Es hatte also tatsächlich funktioniert. Langsam drehte er sich um, befürchtend, dass es doch nur Einbildung war und er sich unnötige Hoffnungen machte, aber dem war nicht so. Tatsächlich stand dort Shiro Fujimoto, als wäre er nie weg gewesen und grinste ihn an. „P-Papa?“, entfuhr es Rin ungewollt, woraufhin der verstorbene Paladin eine Braue hob. „Na, das kommt unerwartet. So hast du mich nicht mehr genannt seit-” Bevor er den Satz vollenden konnte, war Rin bereits bei ihm und umarmte ihn. Er war mehr als froh, dass er ihn tatsächlich umarmen konnte und seine Arme nicht einfach durch ihn hindurch gingen wie bei einem Geist. Zunächst war der ältere verwundert, erwidere die Umarmung jedoch schnell. „Es tut mir leid!“, schluchzte der Halbdämon hervor. „Das ist alles meine Schuld! Wenn ich nur auf dich gehört hätte, wärst du noch am Leben! Ich hätte nie sowas zu dir sagen sollen, ich-“

 

„Hey, immer mit der Ruhe.“, unterbrach Shiroihn sanft. „Es ist in Ordnung, ich weiß, dass du es nicht ernst gemeint hast. Du hattest Angst, das ist ganz natürlich.“

 

„Aber ich konnte dich nicht retten!“, protestiere Rin. „Wenn ich schneller gewesen oder einfach zuhause geblieben wäre-” Erneut wurde er unterbrochen. „Hör auf, dir Vorwürfe zu machen, das bringt niemanden etwas.“, sagte der Weißhaarige ernst. „Selbst wenn du im Stift geblieben wärst, früher oder später hätten dich die Dämonen gefunden. Ich wusste, worauf ich mich einlasse, als ich dich und Yukio aufgenommen habe. Es war meine Entscheidung mich zu töten, also hör auf, dich deswegen schlecht zu fühlen. Davon abgesehen trage ich eine große Mitschuld. Ich hätte es nicht so lange vor dir geheim halten sollen, allerspätestens als mir klar wurde , dass du kurz vor deinem Erwachen standest, hätte ich es dir sagen müssen. Ich war diesbezüglich egoistisch und hätte nicht versuchen dürfen, deine wahre Natur zu unterdrücken. Es tut mir leid.“ Der Nephilim schwieg betreten, woraufhin Shiro seufzte. „Setzen wir uns erst mal, dann können wir alles in Ruhe bereden.“ Rin war zunächst verwirrt, nirgends war etwas zum sitzen, aber scheinbar aus dem Nichts war eine Bank wenige Meter hinter ihnen aufgetaucht, auf der sie sich nun niederließen. Dabei nutzte er die Gelegenheit und betrachtete seinen Adoptivvater genauer. Er sah genauso aus, wie er ihn in Erinnerung hatte und beinahe hätte er geglaubt, dass der ältere noch am Leben war und sich lediglich hier zurückgezogen hatte. „Es tut mir leid. Alles. Ich hab dir immer nur Probleme gemacht.“, murmelte er erneut und erhielt dafür einen strengen Blick. „Nun hör schon auf. Was geschehen ist, ist geschehen. Ich bin davon ausgegangen, dass Satan dir schaden will und ich bereue meine Entscheidung nicht. Allerdings wäre es wirklich nicht schlecht gewesen, wenn Mephisto mal erwähnt hätte, dass nicht Satan der böse ist.“ Letzteres fügte er ein wenig düster hinzu, nur um kurz darauf den Kopf zu schütteln. „Gut egal, ich sollte mich wohl nicht beschweren. Immerhin haben wir es ihm mit zu verdanken, dass wir miteinander reden können. Also...wie geht es dir?“ Automatisch wollte Rin mit „Gut.“ antworten, hielt sich allerdings auf. Es wäre eine Lüge gewesen und sein Ziehvater verdiente die Wahrheit. „...Nicht sehr gut. Ich bin zwar froh, dass meine Freunde zu mir halten und ich nicht gehasst werde, aber ich fühle mich schuldig. Ich kann nichts tun außer herumzusitzen und auf Neuigkeiten zu warten, dabei ist es Lilith nur wegen mir gelungen, Assiah zu erobern.“, murmelte er leise und hielt inne, da ihm einfiel, dass Shiro sie nicht kannte, doch dieser winkte ab. „Schon gut, ich weiß, wer Lilith ist. Man bekommt im Totenreich mehr mit als du denkst.“ Der Nephilim nickte und fuhr fort. „In den letzten Monaten hab ich so viel dazu gelernt und immer mehr Vertrauen in mich gewonnen, aber als es dann drauf ankam, hab ich alle im Stich gelassen. Und dann bist da noch du...auch wenn es deine Entscheidung war, ich hätte mehr tun können. Als Vater dich übernommen hat, konnte ich nichts tun, ich war wie erstarrt. Wenn ich wenigstens versucht hätte, dich irgendwie zu erreichen...ich wollte ihm dafür in den Arsch treten, aber jetzt...“, er brach ab und schaute beiseite, während sich Scham in ihm breit machte. Er wusste nicht, wie er alles, was er fühlte und dachte, in Worte fassen sollte, Shiro verstand ihn jedoch glücklicherweise beinahe sofort. „Du hast ein schlechtes Gewissen, weil du Satan und die Dämonenkönige als Familie ansiehst, obwohl Satan eine Mitschuld an meinem Tod hat.“, stellte er ruhig fest. Damit hatte er genau ins Schwarze getroffen und Rin nickte langsam. „Ich weiß, dass du dein ganzes Leben lang gegen Dämonen gekämpft hast, aber sie sind nicht so, wie alle denken.“, versuchte er, sich zu erklären. „In Gehenna habe ich mich willkommener gefühlt, als jemals in Assiah und nicht nur durch meine Familie, auch durch andere Dämonen. Ich habe so schnell Freunde gefunden und wurde nicht schief wegen meiner Herkunft angesehen. Meine Brüder und...Vater haben mir immer geholfen, mich getröstet, wenn es mir schlecht ging und haben sich um mich gekümmert. Ich...Sie sind mir wichtig geworden, aber es fühlt sich an, als würde ich dich damit verraten!“ Er wollte noch weiterreden, da nun er einmal darüber sprach, brachen die Emotionen hervor, allerdings kam Shiro ihm dieses Mal zuvor. „Bist du glücklich?“, fragte er und erwischte Rin damit vollkommen im kalten. „Was?“, hakte der Halbdämon nach, sicherlich hatte er sich verhört. „Ich habe gefragt, ob du glücklich bist.“, wiederholte Shiro ruhig und der jüngere musste nicht lange nachdenken. „Ja. Es klingt verrückt, aber ich fühle mich einfach wohl in ihrer Nähe. Als könnte nichts schlimmes mehr passieren...“ Er brach ab und wich erneut dem Blick des Paladins aus, sicher, dass dieser wütend werden würde. Zu seiner Überraschung geschah das Gegenteil: Shiro lachte. Verwundert und ein wenig entrüstet sah er ihn an. „Hey, was gibt‘s da zu lachen, alter Mann?!“, empörte er sich. Er hatte gerade all seine Unsicherheiten ausgeschüttet und dieser alte Knacker lachte?! Der hatte vielleicht Nerven! „Rin, es gibt keinen Grund dich schlecht zu fühlen!“, antwortete Shiro endlich, als er sich beruhigt hatte. „Ich mag dich aufgezogen haben, aber das bedeutet nicht, dass es dir verboten ist, deine Familie zu mögen.“

 

„Aber...du bist ein Exorzist! Du warst der Paladin!“

 

„Mag sein, aber ich war trotzdem kein blinder Dämonenhasser wie manch anderer. Gut, ich gebe zu, früher war ich einer, aber nachdem ich Yukio und dich aufgenommen habe, hat sich das geändert. Nachdem ich gestorben bin, habe ich außerdem Satan und die restlichen Baal getroffen und sie schienen mir nicht die schlechtesten Dämonen zu sein.“ Rin sah ihn überrascht an. „Warte, du bist ihnen begegnet?!” Azazel war logisch, er kümmerte sich um die Toten und er hatte es ihm gegenüber sogar erwähnt, der Rest war allerdings neu. „Oh ja und es war wohl eines der seltsamsten Treffen überhaupt. Natürlich war ich ziemlich überrascht, als ich zu mir kam und Azazel vor mir stand. Vielleicht hat er es nie erwähnt, aber wir sind uns einmal begegnet, als ich noch lebte, weswegen ich ihn sofort erkannt habe. Zuerst dachte ich, ich wäre wohl doch noch für meine Taten in die Hölle gefahren, aber dann fing er damit an, mich damit anzufahren, dass ich eigentlich noch viele Jahre vor mir hatte und ihm gerade extra Arbeit gemacht habe, vor allem da meine Akte so dick ist. Sicherlich nicht der Empfang mit dem ich gerechnet habe...“ Rin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ja, das klang ganz nach Azazel und er konnte es sich bildhaft vorstellen. Wahrscheinlich hielt er jeder Seele diesen Vortrag, wenn sie zu früh starb. Kaum dachte er dies, verdüsterte sich sein Gesicht wieder. Er hatte noch immer keine Ahnung, wie es mit seinem Bruder weitergehen würde, daher schob er schnell den Gedanken beiseite. Fall Shiro es bemerkt hatte, kommentierte er es nicht. „Jedenfalls kamen nur kurz darauf Satan und die restlichen Baal dazu. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass diese Situation äußert unangenehm war, nicht nur für mich, sondern auch für sie. Außerdem bestätige sich meine Vermutung, dass Mephisto eigentlich Samael war, was nochmal für einige Konflikte gesorgt hat.“

 

„Sie haben wir mir nie gesagt, dass sie sich alle nochmal getroffen haben.“, murmelte Rin, woraufhin der ehemalige Paladin mit den Schultern zuckte. „Ich nehme an, sie wollten dich nicht unnötig an meinen Tod erinnern. Schlechte Absichten hatten sie jedenfalls nicht. Wie auch immer, ich habe mich eine ganze Weile mit ihnen unterhalten. Astaroth war übrigens nicht gerade gut auf mich zu sprechen wie du dir sicher denken kannst. Erst dann erfuhr ich von ihren wahren Absichten und schlussendlich haben wir unsere Differenzen mehr oder weniger beglichen. Umso überraschter war ich, als Satan mir plötzlich den Vorschlag gemacht hat, dass ich ein letztes Mal mit dir reden könnte.“

 

„Was hast du von ihnen gedacht? Also Satan und den Baal. Mal alle Vorurteile außen vor gelassen.“, fragte Rin vorsichtig. Shiro überlegte kurz, bevor er antwortete. „Ich dachte, dass sie für die mächtigsten Dämonen Gehennas ein ziemlich verrückter Haufen sind...Egyn hat erst versucht Astaroth zu erwürgen und anschließend mit einem Speer aufzuspießen, weil er dich beinahe verletzt hat und Mephisto zusätzlich angegiftet, Azazel hat gejammert, dass er endlich schlafen gehen will, Amaimon hat sich mittendrin beschwert, dass keine Süßigkeiten da sind, Iblis hat Astaroth mit seinen fehlgeschlagenen Versuchen aufgezogen, Beelzebub hat plötzlich irgendetwas von Tumblr erzählt und Lucifer hat mit wachsender Verzweiflung versucht, sie dazu zu bringen, ernst zu bleiben. Satan hat das meiste einfach ignoriert, er hat mehr resigniert als alles andere gewirkt.“

 

‚Japp, das klingt ganz nach ihnen...’, dachte Rin. „Also...hast du kein Problem damit, dass ich sie als Familie ansehe?“, hakte er zögerlich nach. Shiro lächelte ihm aufmunternd zu. „Natürlich nicht, ich freue mich sogar sehr für dich. Es war sicher nicht einfach gewesen, aber dass du jetzt Leute hast, die sich um dich sorgen, ist mehr wert als alles andere.“

„Aber...ich weiß noch nicht wirklich was ich will.“, gab Rin zu. „Ich habe Freunde in Assiah gefunden, aber auch in Gehenna. Durch den momentanen Krieg mit Lilith arbeiten beide Seiten zusammen, aber ich habe Angst vor dem, was danach kommt. Sie werden wieder Feinde sein und ich bin in der Mitte von allem. Ich muss mich irgendwann entscheiden, ob ich mehr Mensch als Dämon sein will oder anders rum. Ich möchte niemanden enttäuschen, aber ich...ich weiß nicht, was ich tun soll. Was wenn ich mich falsch entscheide?“ Shiro legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Deine Angst ist nachvollziehbar, aber ich würde mir nicht zu viele Sorgen machen. Selbst wenn der Krieg vorbei ist, werden Menschen und Dämonen sich nicht sofort wieder bekämpfen, dafür sind dann beide Seiten zu angeschlagen. Es kann gut sein, dass sie sogar zum Teil zusammenarbeiten, um sich gegenseitig wieder aufzubauen. Vielleicht ist es fürs erste nur ein Waffenstillstand und kein Frieden, aber derartige Zusammenarbeiten können viele Türen öffnen und egal wie du dich schlussendlich entscheidest, deine Freunde und Familie werden es verstehen. Ich kann dir nicht groß helfen und die Entscheidung auch nicht abnehmen. Du musst sie alleine treffen, aber ich bin sicher, dass du es wissen wirst, wenn es so weit ist.“ Rin war sich nicht so sicher, aber die Worte seines Ziehvaters beruhigten ihn und er hatte immer mehr das Gefühl, als hätte man ihm eine schwere Last abgenommen. Es tat gut, sich alles von der Seele zu reden und endlich mit diesem Kapitel seines Lebens abzuschließen. „Gut, wenn das jetzt geklärt ist, reden wir über anderes, immerhin ist unsere Zeit begrenzt. Wie wäre es, wenn du mir erzählt, was ich in den letzten Monaten verpasst habe? Hast du ein hübsches Mädchen getroffen? Oder einen Jungen?~“ Sofort errötete Rin. „Wie kommst du jetzt darauf?! Frag doch sowas nicht!“, entrüstete er sich, woraufhin Shiro nur lachte. Sie redeten noch eine Weile weiter, immerhin hatte Rin viel zu berichten und Shiro war mehr als erpicht darauf, zu hören, was ihm widerfahren war. Dabei kamen sie unter anderem auch auf Yukio und Shura zu sprechen, wobei er Rin bat, den beiden einiges auszurichten, was er natürlich versprach. Auch Yukio war ein schwieriges Thema und Shiro bereute es, dass sie sich so oft deswegen gestritten hatten, doch war sicher, dass er sich wieder fangen würde. Viel zu schnell verging ihre gemeinsame Zeit bis der ehemalige Paladin plötzlich aufstand. „Unsere Zeit ist beinahe rum. Wir sollten uns verabschieden. “, seufzte er, woraufhin Rin traurig nickte und sich ebenfalls erhob. „Danke. Für alles.”, flüsterte er leise und umarmte den älteren erneut, welcher ihm aufmunternd zulächelte. „Gerne doch. Pass gut auf dich und Yukio auf, in Ordnung? Und natürlich auf Shura und Kuro.”

 

„Mach ich.”, versprach der Halbdämon und blinzelte einige Tränen weg. Er wollte nicht, dass es endete, er wollte nicht wieder Lebewohl sagen, doch er riss sich zusammen. Immerhin hatten sie ein letztes Mal miteinander sprechen können und das bedeutete ihm mehr, als ihm zunächst klar geworden war. „Gut. Denke daran, du wolltest mir noch etwas beweisen.”, erinnerte Shiro ihn zwinkernd. „Ich bin gespannt und werde die Augen spitzen.~”

 

„Ha ha.”, erwiderte der jüngere augenrollend. Der alte Knacker merkte sich aber auch alles! „Bis dann alter Mann.”

 

 

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Hustend kam Rin wieder zu sich und sah sich suchend um. Er war zurück in seinem Zimmer, aber befand sich nicht länger in der Mitte des Kreises sondern lag auf seinem Bett. Auf dem Bett neben ihm saß Amaimon, welcher Behemoth mit einigen Leckereien fütterte. Erwartungsvoll sah er den jüngeren Dämonen an. „Und hat alles geklappt?”, fragte er neugierig. Rin nickte und schaute zu dem Spiegel, dessen Glas zersprungen und daher unbrauchbar geworden war. „Ja, danke.” Der Erdkönig nickte und hakte glücklicherweise nicht nach. Kuro, der bis gerade eben neben ihm geschlafen hatte, streckte sich kurz, dann schmiegte er sich schnurrend an Rin. Gedankenverloren strich er dem Kater durchs Fell und lächelte ihm zu. Sobald er seinen Vater, Samael und Azazel sah, schuldete er ihnen auf jeden Fall ein weiteres Dankeschön.

 

 

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„Sie…haben was gemacht und ins Internet gestellt?”, fragte Satan und sah Beelzebub verständnislos an. Eigentlich hatte er nur kurz mit ihm einige Dinge durchgehen wollen, stattdessen hatte ihm der Insektendämon sein Handy vor die Nase gehalten. „Memes.”, kam die Antwort als wäre sie selbstverständlich. „Die Menschen haben offenbar des öfteren einige unserer Kämpfe gesehen und sie gefilmt und Bilder gemacht. Daraus sind dann Memes geworden…das scheint neuerdings ihre Art zu sein, mit Krisen und Katastrophen umzugehen. Na ja, ist wohl immer noch besser als Inquisition.” Aha. Satan hatte absolut keine Ahnung, worüber der jüngere sprach. Er beschloss, dass er es am besten nicht weiter hinterfragen würde, er war einfach zu alt für solchen Mist. Er verstand ja nicht mal, was dieser ganze Tumblr, Instragram und wie sie alle hießen Kram war, von diesem komischen Gesichtsbuch ganz abgesehen. „Mit anderen Worten, die Menschen sehen überall Bilder und Videos von Dämonen?”, hakte er schließlich nach, immerhin war es alles, was er verstanden hatte. „Japp und es wird dabei nicht bleiben. Laut den Kommentaren können noch nicht alle Dämonen sehen, aber es werden mit jedem Tag mehr und einige haben schon angefangen was Übernatürliches in Betracht zu ziehen. Ein paar Zweigstellenleiter drängen darauf, endlich eine Pressekonferenz abzuhalten, aber sie sind noch uneinig, wer das sprechen übernimmt. Manche haben Samael vorgeschlagen, da er zumindest in Japan relativ bekannt ist, auch wenn es ein falscher Name ist.”

 

„Wahrscheinlich werden wir wirklich nicht drum herum kommen.”, gab Satan grimmig zu. So sehr es ihm widerfiel, wenn sie den Sterblichen nicht bald eine Erklärung lieferten, würde es noch übel enden. „Übrigens ist Rin wieder wach. Laut Amaimon wirkt er wesentlich glücklicher.”, informierte Beelzebub ihn vorsichtig. „Anscheinend verlief sein Gespräch mit Fujimoto besser als erwartet.” Satan nickte nur, während er den kleinen Eifersuchtsfunken ignorierte. ‚Er hat Rin aufgezogen, da ist es verständlich, dass er an ihm hängt. Es gibt keinen Grund eifersüchtig zu sein.’, rief er sich in Erinnerung. Noch immer fiel es ihm schwer, ruhig zu bleiben, wenn Rin den verstorbenen Paladin als Vater bezeichnete, doch natürlich tat er sein bestes, es zu verbergen. Zwar hatte Fujimoto ihm jahrelang sein Kind vorenthalten, aber er hatte sich dafür gut um ihn gekümmert. Es wäre mehr als grausam, von dem Nephilim zu erwarten, dass er den Paladin vergaß. „Gut. Hoffen wir, dass es ihm hilft.” Der Insektenkönig nickte und schaute erneut auf sein Handy. „Lucifer schreibt, dass sie ein Treffen ansetzen wollen, es geht wohl um die Pressekonferenz. Wir sollten wohl besser hingehen.” Der Dämonenherrscher unterdrückte ein Aufstöhnen, doch stimmte zu. Je eher sie die Sache hinter sich hatten, desto besser.

 

 

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Bereits wenige Tage später saß Rin zusammen mit den Adepten vor einem Fernseher und sah sich die Pressekonferenz an. Es hatte einige Unstimmigkeiten gegeben, doch schlussendlich hatte man sich endlich darauf geeinigt, was genau in der Pressekonferenz verkündet werden sollte, wann sie stattfand und sonstige organisatorische Dinge. Die Veranstaltung lief unerwartet reibungslos und kaum war sie vorbei, hingen sie sich an ihre Handys und lasen die Kommentare und Nachrichten im Internet. Die Reaktionen waren verschieden: Einige glaubten nicht daran und suchten nach anderen Erklärungen und bei jenen, die es glaubten, gab es ebenfalls gespaltene Lager. Während einige beinahe schon begeistert davon waren, dass es wirklich Dämonen und andere Fabelwesen gab, waren einige verängstigst und andere waren nicht sicher, was sie denken sollten. Viele hinterfragten, ob man Dämonen wirklich trauen konnten, vor allem religiöse Menschen befanden sich in einem extremen Zwiespalt. Eine Handvoll sprach davon, dass Dämonen eine Bedrohung waren, die vernichtet gehörte, doch dies hielt sich glücklicherweise noch in Grenzen. Natürlich verbreiteten sich die Neuigkeiten wie ein Lauffeuer, auch die Länder unter Liliths Kontrolle bekamen schnell mit, was los war. Es dauerte nicht lange und die ersten hitzigen Diskussionen entbrannten. Zugegebenermaßen dauerte es nicht lange, bis es Rin zu blöd wurde und er sein Telefon beiseite legte. In der Konferenz war bei weitem nicht alles mitgeteilt, wie zum Beispiel, dass es acht Dämonenkönige gab, die sich die Herrschaft über Gehenna mit Satan teilten, stattdessen hatte man es darauf gekürzt, dass Satan und eine Dämonin namens Lilith sich in einem schon seit Jahrtausenden bestehenden Konflikt befanden. Er wollte Frieden, sie wollte alles und jeden unterjochen. Mehr wussten sie vorerst nicht wissen. So oder so las man die seltsamsten Vermutungen und Theorien in den Kommentaren, teilweise fand er sie sogar ziemlich beleidigend, was einiges heißen wollte, wenn man bedachte, dass er erst seit nicht mal einem Jahr von Dämonen wusste. Nun verstand er in jedem Fall die Frustration seiner Brüder. Manche stellten sich hin, als wären sie die größten Dämonenkenner und behaupteten dann, Knoblauch wäre ein effektives Verteidigungsmittel. Würde nicht so viel von der Meinung der Menschen abhängen, könnte es lustig sein. „Also, das sieht doch eigentlich gar nicht mal schlecht aus.”, hörte er Shima sagen. „Wegen den ganzen Zwischenfällen in den letzten Monaten sind sie ziemlich schnell bereit, diese Erklärung zu glauben und bisher sind nur wenige Kommentare feindlich.”

 

„Wir sollten uns nicht zu früh freuen, das kann sich ganz schnell ändern.”, antwortete Bon kopfschüttelnd. „Die Dämonenkönige und Satan waren nicht umsonst so zögerlich. Wenn wir Pech haben, bricht Panik aus und sie veranstalten irgendwelche Hexenjagden.” Rin schwieg, doch sein Schweif bewegte sich unruhig hin und her, was den anderen sofort auffiel. „Ich bin mir sicher, dass alles gut sein wird.”, sprach Konekomaru ihm gut zu. „Das denke ich auch!”, pflichtete Shiemi sofort bei. „Manche werden am Anfang vielleicht Angst haben, aber früher oder später wird ihnen bewusst werden, dass nicht alle Dämonen böse sind.”

 

„Abgesehen davon ist es doch immer das gleiche.”, warf nun Izumo ein. „Erst schieben alle Panik und nach einer Weile flaut alleswieder  ab. Dieses Mal wird es vielleicht etwas länger dauern, aber sie werden sich schon noch damit abfinden. Schlussendlich ist es nur wichtig, dass wir neue Verbündete bekommen.”

 

„Da hat sie recht.”, ertönte Shuras Stimme. Überrascht sahen sie zur Tür, wo die rothaarige Exorzistin zusammen mit Yukio stand. „Vorerst ist weniger wichtiger, was die allgemeine Bevölkerung denkt, die Reaktionen der Staatsoberhäupter sind entscheidend. Manche wissen nämlich nichts von Dämonen oder Gehenna, also werden sie ziemlich ins kalte Wasser geworfen.”

 

„Ich dachte immer, die Staatsoberhäupter wissen davon. Hier in Japan ist es doch so, oder? Sonst könnte die Ritterschaft ja gar nicht wirklich arbeiten.”, warf Shiemi zögerlich ein. Shura zuckte mit den Schultern. „Na ja, das ist so ne Sache. Ja, hier wissen sie von, allerdings nicht alle. In Japan wissen es beispielsweise der Premierminister und die Kaiserfamilie, glaube ich zumindest. In so gut wie allen Ländern, wo die Ritterschaft operiert, weiß die Regierung Bescheid, allerdings haben wir nicht in jedem Land eine Zweigstelle. Zwar sind dort dann meist andere Organisationen vertreten, aber viele von denen arbeiten komplett im Geheimen. Für manche wird es also einen schönen Schock geben.”

„Angeblich haben die ersten bereits Kontakt aufgenommen und wollen über eine Zusammenarbeit reden. Bisher läuft alles gut, aber es ist nicht sicher, dass es so bleibt.”, warf Yukio ein. „War eigentlich Satan auch dort? Ich habe ihn gar nicht gesehen.”, fragte Suguro. „Ja, war er, aber er hat sich still im Hintergrund gehalten. Einige haben ihn etwas seltsam wegen seiner Haarfarbe angesehen, aber das war‘s.”, erklärte Shura. „Wobei er in seinen momentanen Klamotten wirklich aussieht wie ein normaler Mensch, also wundert es mich nicht.” Rin konnte da nur zustimmen. Da er kaum Klamotten hier hatte und sich möglichst gut anpassen wollte, trug sein Vater inzwischen eine Jeans, ein dunkelblaues Oberteil mit einer schwarzen Lederjacke und schwarze Stiefel. Wirklich immer wieder erstaunlich, was Kleidung ausmachen konnte. „Haben sie eigentlich noch vor, was über die Dämonenkönige zu veröffentlichen?”, fragte unerwarteterweise Izumo, Shura schüttelte allerdings mit dem Kopf. „Soweit ich weiß, werden sie es erst mal so belassen, die Welt wird schon so genug daran zu knabbern haben. Wir haben ja auch die ganze Sache mit Rin und den blauen Flammen weggelassen, mehr müssen sie vorerst nicht wissen. Fürs erste bleiben wir ganz ruhig, Sorgen können wir uns machen, wenn es soweit ist. Warten wir jetzt mal ab und schauen, was passiert.”

 

 

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Wie sie bereits vermutet hatten, kamen die Probleme in den nächsten Tagen. Innerhalb kürzester Zeit bildeten sich radikale Gruppierungen, welche sich die Auslöschung  der Dämonen zu Ziel gesetzt hatten. Sie begannen auf den Straßen zu patrouillieren und überprüften zufällig Menschen, ob sie besessen oder gar selbst Dämonen waren. Dummerweise waren ihre Methoden mehr als zweifelhaft und sie wurden zunehmend aggressiver. Inzwischen hatte es bereits Todesopfer gegeben, in manchen Ländern hörte man sogar etwas von Dämonenjagden, öffentlichen Hinrichtungen und sogar Verbrennungen auf Scheiterhaufen, wobei vom letzteren bisher nur vier Fälle bekannt waren, doch das war schon zu viel. Die Regierungen reagierten ebenfalls schnell, aber zumindest nicht tödlich. Viele Länder hatten schon Ausgangssperren und die Grenzen dicht gemacht, der Rest folgte nun deren Beispiel. Schulen, Kindergärten und viele öffentliche Institutionen waren geschlossen worden, die meisten blieben ohnehin freiwillig in ihren Häusern und Wohnungen. Leider machten sich viele die Angst der Menschen zunutze und überall tauchte nun in verschiedensten Läden Ware auf, welche angeblich vor Dämonen und Besessenheit schützten. Es reichte von Amuletten und Talismanen bis hin zu Sprays. Es war einfach widerlich, wie sehr manche eine Situation ausnutzten, um Profit zu machen. Rin hoffte wirklich, dass sich alles mit der Zeit legen würde. Momentan war sein einziger Trost, dass es ihm mit jedem Tag ein wenig besser ging, nur Albträume hatten ihn hin und wieder aus dem Schlaf fahren lassen. So war es auch in dieser Nacht. Schweißgebadet wachte er auf und verfiel beinahe in Panik, als er nicht sofort erkannte, wo er war. Zwar wurde es ihm schnell bewusst, doch dadurch fühlte er sich keineswegs besser. Zitternd vergrub er das Gesicht in sein Kissen und schluchzte leise. Er war so darin vertieft, dass er nicht hörte, wie sich die Tür öffnete und daher erschrocken zusammenzuckte, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. „Rin, was ist denn los?”, hörte er jemanden leise fragen, den er zu seiner Überraschung als Samael erkannte. Auch das noch. Warum musste ausgerechnet der Clown ihn beim weinen erwischen? Er schwieg und versuchte sein Schluchzen zu unterdrücken, in der Hoffnung, dass der Baal ihn in Ruhe lassen würde. Natürlich war es nicht so einfach. „Was genau erhoffst du dir dadurch, mich zu ignorieren und weiter in den Kissen zu weinen?”, fragte der Zeitkönig trocken. „Ich weine nicht, ich schlafe.”, antwortete der Nephilim trotzig, was den älteren Dämonen seufzen ließ. „Hattest du wieder einen Albtraum?” Zuerst wollte Rin es abstreiten, er wollte sich nicht die Blöße geben, vor allem gegenüber Samael. Natürlich wusste er, dass sich der Zeitdämon darüber nicht lustig machen würde, aber er schämte sich trotzdem. Ein leises Rascheln an seinem Fußende ließ ihn schlussendlich doch aufsehen. Wahrscheinlich sah sein Gesicht ziemlich verheult aus, aber Mephisto kommentierte es glücklicherweise nicht. Der Ursprung des Geräusches stellte sich als Kuro heraus. „Rin, ist alles gut? Warum sagst du es ihm denn nicht, er ist doch dein Bruder?”, maunzte er besorgt und stupste ihn mit seiner Nase an. „Mir geht's gut, kein Grund deswegen so eine Aufregung zu veranstalten.”, nuschelte er vor sich hin. Erneut seufzte Samael und beinahe rechnete er damit, dass doch ein Kommentar kommen würde, was dann folgte, hatte er allerdings nicht erwartet. „Also ja. Wie wäre es, wenn ich hier bleibe?”, bot er an. Sofort sah der Halbdämon den Baal misstrauisch an. „Warum solltest du das tun?”

 

„Na, warum wohl.”

 

„Du hast immer Hintergedanken.”

 

„Meistens, dieses Mal allerdings nicht. Nach dem halben Jahr in Gehenna solltest du das wissen.” Dagegen konnte er wohl nicht argumentieren. Der Zeitdämon zeigte selten Zuneigung oder seine wahren Gefühle, machte man sich jedoch die Mühe hinter die Maske zu sehen, wurde schnell klar, dass mehr dahinter steckte. „Du bist bestimmt selbst müde, du musst nicht auf mich aufpassen.”, versuchte er, sich herauszureden. „Ich brauche nur wenig Schlaf, meine Arbeit kann ich auch hier erledigen und ich kann dich im Auge behalten. Den Rest lass meine Sorge sein.” Rin beschloss, über seinen Schatten zu springen und nickte langsam. Wenn er nein sagte, würde der Baal wahrscheinlich weiter nachbohren oder gar Satan holen und darauf konnte er wirklich verzichten. „Ok, na gut...”, grummelte er resigniert, rückte sein Kissen zurecht und legte sich wieder hin. Wenn er dadurch schlafen konnte, war ihm so gut wie alles recht. Kuro machte es sich ebenfalls bequem und lag nun zusammengerollt neben ihm. Samael setzte sich derweil auf den Bettrand, was ihn seltsamerweise bei weitem nicht so störte, wie er es vermuten würde. Langsam schloss er die Augen und spürte nur am Rande wie eine Hand durch seine Haare fuhr. Nach einer Weile schlief er ein, dieses Mal ohne einen einzigen Traum. Folglich bekam er nicht mit, dass auch Samael eingeschlafen war und nun neben ihm lag, woraufhin sich der Nephilim unbewusst an ihn klammerte. Nur kurz darauf kamen Beelzebub und Astaroth herein, die bei dem Anblick stehen bleiben und sich kurz ansahen. Grinsend zog Astaroth sein Handy hervor und machte ein Foto. „Wäre doch schade drum, das nicht für die Nachwelt festzuhalten. Und ist 'ne gute Erpressung.~” Der Insektendämon stimmte natürlich sofort zu. Am nächsten Tagen staunten die Exorzisten und Dämonen nicht schlecht, als Samael Astaroth durch die Basis jagte und es dabei offenbar auf sein Handy abgesehen hatte. Klugerweise hinterfragte es keiner mehr.

 

 

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Zwei Tage später hatte Rin ging es beim schlafen schon wesentlich besser und auch seine Albträume hielten sich in Grenzen. Offenbar hatte Mephisto den Rest seiner Familie informiert, weswegen nun immer jemand bei ihm war, wenn er schlafen ging. Überraschenderweise war er nicht genervt davon, sondern froh, dass er jemanden hatte. Das Training fiel ihm ebenfalls leichter, auch wenn es nicht regelmäßig stattfand, da alle mit anderen Dingen beschäftigt waren. Aus diesem Grund beschloss der Nephilim, die Initiative zu ergreifen. Zwar war es Rin nicht erlaubt, sich am kommenden Kampf zu beteiligen, aber dafür bekam er zumindest die Gelegenheit, sich anderweitig nützlich zu machen. Es waren keine besonders aufregenden Aufgaben, doch zumindest war es hilfreich und er saß nicht sinnlos herum. Gerade trug er drei übereinander gestapelte Kisten, sodass er kaum sah, wo er hinging, als es kam, wie es kommen musste und er in jemanden reinrennte. Glücklicherweise hatte sein Gegenüber schnelle Reflexe und hielt die Kiste fest, die drohte, runterzufallen. „Puh, danke. Tut mir leid, ich hätte besser aufpassen sollen. Alles ok?“, fragte der Nephilim und stellte die Kisten kurz ab, damit er mit der Person vor ihm reden konnte, welche sich nun als Tap herausstellte. Er hatte die rechte Hand Amaimons lange nicht gesehen, doch überspielte seine Überraschung schnell. Der Erddämon zuckte zur Antwort kurz mit den Schultern. „Schon gut, ist ja nichts passiert.“ Danach folgte Stille, wie so oft, wenn er mit dem Dämonen sprach, was selten genug vorkam. Inzwischen wusste er, dass dies nicht zwangsläufig schlecht sein musste. Erddämonen waren generell distanzierter, verschlossen und stoisch. Es konnte schwer sein, sie zu lesen, weswegen sie oft als arrogant oder gefühlskalt abgestempelt wurden, obwohl es nicht ferner von der Wahrheit liegen konnte. Hatte man einmal die harte Schale durchdrungen und sie als Freund gewonnen, konnte man sich immer auf sie verlassen, zumindest im Normalfall. ‚Mit Amaimon komme ich inzwischen super klar...vielleicht sollte ich wirklich mal versuchen, auch Tap näher zu kommen.‘, überlegte Rin. Verzweifelt zermarterte er sich das Hirn über ein mögliches Gesprächsthema, vorzugsweise etwas, das nicht mit dem momentanen Krieg zu tun hatte, jedoch kam Tap ihm zuvor. „Brauchst du Hilfe mit den Kisten? Ich habe momentan nichts zu tun.“, bot er an und der Halbdämon willigte nur allzu gerne ein. Nachdem er ihm den Raum gezeigt hatte, kehrte der Grünhaarige bereits wenige Sekunden später zurück, nun ebenfalls mit Kisten bepackt. „Wollen wir?“ Rin nickte und gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Dummerweise hatte er immer noch kein Gesprächsthema, allerdings ergriff heute ausnahmsweise Tap die Initiative. „Alles in Ordnung? Du siehst wesentlich besser aus, als am Anfang, aber wirklich gesund wirkst du nicht.“, kommentierte der Erddämon geradeheraus. Eine weitere Eigenschaft mit denen sie manchen vor den Kopf stießen: Sie waren brutal ehrlich und direkt. „Es geht schon. Ich habe hin und wieder Albträume, aber die werden immer seltener. Inzwischen darf ich zumindest ein wenig trainieren, also ist es nicht mehr ganz so langweilig.“ Tap nickte scheinbar gedankenverloren. Für einige Sekunden schien er zu zögern, dann gab er sich einen Ruck. „Wie ist das Leben als Nephilim so? Und wie war dein Leben in Assiah? Wenn du drüber reden willst.“ Ein wenig überrascht sah Rin ihn an. Das war das erste Mal, dass er ihn darüber sprechen hörte. Andererseits war er wohl nicht wirklich vielen Nephilim begegnet, abgesehen von Agares, die allerdings nur in Gehenna gelebt hatte, also war die Neugierde wohl verständlich. „Na ja, so viel gibt es da nicht zu sagen.“, erwiderte er zögerlich. „Ich habe erst letztes Jahr von Dämonen erfahren, davor hatte ich ein ganz normales Leben. Ich war schon immer ziemlich stark und Verletzungen sind sehr schnell geheilt, aber sonst war nichts ungewöhnliches an mir. Mal ganz abgesehen von meinen Wutanfällen. Ich bin immer wieder in Streitereien und Prügeleien geraten, in der Regel, weil ich anderen helfen wollte. Meist wusste ich selbst nicht, was passiert ist. Es war, als würde etwas anderes die Kontrolle übernehmen und wenn ich wieder zu mir gekommen bin, gab es meist mehrere Verletzte, ohne dass ich wusste, was zwischendurch passiert ist.“

 

„Das war zu erwarten. Du bist zwar ohne deine Kräfte aufgewachsen, aber die Instinkte waren schon immer da.“, kommentiere Tap. „Du konntest sie nur nicht kontrollieren, immerhin hattest du niemanden, der dir zeigt wie, also haben sie in solchen Situationen die Oberhand gewonnen. Ist aber nicht weiter schlimm, das machen viele durch.“ Ein wenig überrascht davon, dass der ältere ihn tröstete, nickte der Jugendliche. „Tja, ansonsten war ich recht gewöhnlich. Ich war nie 'ne große Leuchte und habe oft den Unterricht geschwänzt. Freunde hatte ich keine, die meisten hatten Angst vor mir und da ich so oft die Schule geschwänzt habe, habe ich auch viele Veranstaltungen verpasst, wo ich vielleicht welche hätte finden können.“

 

„Ging mir damals genauso.“, gab Tap unerwarteterweise zu. „Ich bin nicht dumm, aber ich hab die Schule immer gehasst und war nur da, um die Mindestanzahl an Stunden vollzubekommen. Freunde habe ich nie wirklich gefunden, alle haben mich meist gemieden. Ich habe mich dann irgendwo hin verzogen und gelesen oder hab mir die Beine vertreten.“

„Waren deine Eltern nicht wütend deswegen?“, hakte Rin nach. Bisher hatte der Dämon noch nie seine Vergangenheit erwähnt, daher war er umso interessierter. „Meinen Eltern wäre es sogar egal gewesen, wenn ich nicht mehr nach Hause gekommen wäre.“, kam die dumpfe Antwort, die Rin leicht zusammensacken ließ. „Wir haben in einem Slumviertel gelebt, sie leben immer noch dort. Mein Vater war so gut wie immer in einer Bar oder in Kasinos. Er hatte ständig Schulden, aber das hat ihn nie davon abgehalten, weiter zu machen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er wirklich mein Vater ist, um ehrlich zu sein. Meine Mutter war...ich glaube die Sterblichen nennen es Goldgräber? Zwar war sie mit meinem Vater zusammen, aber sie ist immer wieder Beziehungen mit irgendwelchen wohlhabenden Dämonen eingegangen. Hätte einer um ihre Hand angehalten, hätten sie ihn wahrscheinlich direkt verlassen, aber dazu ist es nie gekommen. Irgendwann ist nämlich herausgekommen, dass sie viele von ihnen bestohlen hat und damit war es vorbei. Sie findet hin und wieder immer noch Dämonen, die sie über den Tisch ziehen kann, hat den Rückschlag aber nie wirklich verkraftet. Jedenfalls hat sich keiner von beiden um mich gesorgt. Wenn meine Mutter nicht bei anderen Dämonen war, hat sie irgendwelches Zeug geraucht oder sich über ihr Leben beschwert. Als ich ungefähr in deinen Alter war, bin ich von zuhause abgehauen und habe eine Weile auf der Straße gelebt und jede Arbeit genommen, die ich kriegen konnte und sobald ich alt genug war, bin ich auf die Militärakademie, wo ich Amaimon und den Rest kennen gelernt hab. Ich konnte dort sogar meinen Abschluss nachholen.“

 

„Wow...tut mir leid, dass du das durchmachten musstest.“, sagte Rin leise. Im Vergleich zu Tap wirkte seine Geschichte lachhaft. Sicher, er hatte mit allerhand Problemen gekämpft, aber dafür hatte er immerhin Leute gehabt, die ihn unterstützen. Tap war dagegen auf sich allein gestellt gewesen. „Schon in Ordnung. Schlussendlich ist ja alles gut gegangen. Amaimon, deine anderen Brüder und die restlichen Stellvertreter sind inzwischen meine Familie geworden, also war nichts umsonst.“, erwiderte der grünhaarige gelassen. „Schätze das stimmt. Aber warum erzählst du mir das? Ich meine, es freut mich, dass ich mehr über dich erfahre, aber das wirkt echt persönlich und du kennst mich kaum.“, gab Rin zu bedenken, woraufhin der Erddämon mit den Schultern zuckte. „Ich mag dich, du bist ehrlich und du stehst zu deinen Freunden. Abgesehen davon weiß ich mehr über dich, als du denkst. Ich bin ein guter Beobachter.“, erklärte er. „Hab ich dich damit erschreckt?“

 

„Nein, nein!“, versicherte Rin schnell. „Ich freue mich, mehr zu erfahren.“

 

„Wir können jederzeit wieder reden. Momentan ist es relativ ruhig. Ich kann dir beim Training helfen, wenn die anderen nicht können.“, bot der Dämon an. „Klar gerne!“, stimmte Rin freudig zu. Vielleicht konnten er und Tap wirklich noch Freunde werden.

 

 

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„Rin, wärst du so nett und holst mein Handy? Ich erwarte einen wichtigen Anruf, aber ich habe es auf meinem Bett liegen lassen.”, hörte der Halbdämon Lucifer fragen. Ein wenig überrascht schaute er von den Papieren auf, die er sortieren sollte. „Wirklich? Sieht dir gar nicht ähnlich.”, kommentierte er, woraufhin der älteste Baal ein wenig peinlich berührt wirkte. „In letzter Zeit habe ich einfach andere Dinge Kopf. Gehst du nun bitte?”

 

„Ok, ist besser als Papier sortieren.”, stimmte Rin zu und Lucifer lächelte ihm dankbar zu. „Danke, das hilft mir sehr.” Der Halbdämon nickte und machte sich auf den Weg. Inzwischen kannte er sich gut aus, er verlief sich nur noch selten, zumindest in den Bereichen, wo er sich öfter aufhielt. Wie Lucifer gesagt hatte, lag das Telefon auf seinem Bett, sodass er glücklicherweise nicht suchen musste. Er steckte es ein und machte sich auf den Rückweg, traf dabei allerdings nur wenige Flure weiter auf Iblis und Beelzebub, welche offensichtlich miteinander zankten. „Jetzt hab dich nicht so, dann hab ich sie eben angezündet, na und?! Niemand wird die Arschgeigen vermissen!”, fuhr Iblis den Insektenkönig an, dieser war jedoch anderer Meinung war. „Wenn das irgendjemand gesehen hat, könnten sie es wieder so drehen, dass wir wie die bösen aussehen!”

 

„Die wollte einen Haufen Zivilisten umbringen, darunter auch Kinder und uns wollten sie ebenfalls angreifen! Was hätte ich denn tun sollen?! Sie auf ein Bier einladen und darüber reden?!”, kam die giftige Antwort. „Auf die Exorzisten, die bei mir waren, haben sie nicht gehört, es ging nicht anders! Wenn du mich fragst, habe ich beiden Welten einen Gefallen getan!”

 

„Erzähl das den sozialen Medien, die werden es ganz anders sehen!”

 

„Wen kümmert es überhaupt, was ein paar dumme Menschen denken?!”

 

„Momentan alle!”

 

„Was ist denn jetzt schon wieder los?”, unterbrach Rin die streitenden Dämonen. Beide zuckten zusammen, offenbar hatten sie seine Anwesenheit bis jetzt nicht bemerkt. Beelzebub erholte sich als erstes. „Iblis war mit einer Gruppe von Dämonen und Exorzisten unterwegs und ist auf eine Gruppe Dämonenhasse gestoßen, die einige Menschen umbringen wollten, weil sie angeblich besessenen waren oder für Dämonen gearbeitet haben. Sie haben angegriffen, er hat sie verbrannt und wenn wir Pech haben, hat das jemand gesehen und wir bekommen den Ärger.” Er wandte sich an Iblis. „Hast du es immerhin schon Vater erzählt?”

 

„Wann denn bitte? Er ist fast den ganzen Tag beschäftigt und seine Laune ist dank Ruhas Familie ohnehin im Keller.” Bei der Erwähnung dieses Zwischenfalls verzogen sowohl Rin als auch Beelzebub das Gesicht. Wie die Dämonenkönige schon erwähnt hatten, hielten nicht alle Kontakt zu ihren Verwandten mütterlicherseits. Ruha hatte eine Schwester und zwei Brüder, alle drei waren nach ihrem Tod in einen heftigen Streit mit Satan geraten und hatten ihm die Schuld an ihrem Tod gegeben. Schlussendlich hatten sie nichts mehr voneinander wissen wollen. Nur Azazel zuliebe kamen sie hin und wieder zu Besuch und mit ihren Kindern hatten sich sowohl Azazel als auch die restlichen Baal gut verstanden. Je älter er jedoch wurde, umso seltener wurde der Kontakt, bis er so gut wie abgebrochen war. Ausschließlich seine Cousins und Cousinen meldeten sich öfter und schienen kein Problem mit Satan zu haben, aber es hatte dennoch gewisse Spannungen gegeben. Vor einigen Tagen hatte Ruhas Schwester schließlich Satan konfrontiert und nur kurz darauf waren die restlichen Geschwister dazu gekommen. Der Streit verlief, wie viele es erwarteten: Sie gaben Satan die Schuld an Azazels Zustand, er hielt ihnen vor, dass sie sich die letzten Jahre nicht um ihn geschert hatten. Shax hatte versucht zu vermitteln, nicht zuletzt, da er Ruhas Familie länger kannte als der Dämonenherrscher, doch es hatte nicht lange gedauert bis man ihr Geschrei bis ins nächste Stockwerk hören konnte. Schlussendlich wurde der Streit recht abrupt von Alastor unterbrochen und Satan hatte die Dämonen einfach stehen lassen. Für den Rest des Tages gingen alle auf Abstand, sogar die Baal und das war ein Zeichen, dass der Dämonenherrscher wirklich sauer war. Inzwischen hatte sich seine Wut ein wenig gelegt, doch er war noch immer gereizt. „Du solltest es ihm trotzdem sagen. Die Exorzisten haben sicherlich schon berichtet, was passiert ist und besser er erfährt es von dir als von den Grigori.”, redete der Insektenkönig auf den Feuerdämonen ein und endlich gab dieser nach. „Ok, ok, ich sage es ihm. Aber falls er dann noch angepisster ist, bist du schuld.”, grummelte er missmutig und setzte sich in Bewegung. Rin beschloss, mit ihnen zu kommen, immerhin lag es auf seinem Weg und er konnte bei der Gelegenheit gleich nachfragen, ob es irgendwelche Neuigkeiten zu Lilith gab. Bereits auf dem Gang hörten sie ihren Vater und es wurde stetig lauter. Als sie vor der Tür standen, verstanden sie jedes Wort. Der Dämonenherrscher war wieder damit beschäftigt, einige Dämonen rund zu erneuern, daher warteten sie lieber. „Ich find’s immer wieder befriedigend, wenn Vater mal jemand anderen anschreit. Das ist so ein erhabenes Gefühl.~”, grinste Iblis und lehnte sich lässig an eine Wand. „Hoffen wir lieber, dass er danach nicht noch mieser gelaunt ist.”, antwortete Beelzebub knapp. Nur wenige Minuten später ging die Tür auf und einige Dämonen huschten hinaus, sichtlich eingeschüchtert. Iblis verzog kurz das Gesicht, dann betrat er das Zimmer. Beelzebub und Rin folgten in kurzem Abstand. Satan saß am Tisch und rieb sich die Schläfen, dann sah er auf. „Erzählt mir jetzt bitte nicht, dass es noch mehr Probleme gibt.”, sprach er sie beinahe schon resigniert an. Iblis rieb sich nervös den Nacken. „Na ja, nicht direkt. IchhabeinpaarDämonenhasserabgefackelt,aberdiehabendafürunsundmehrereMenschen bedroht,eswaralsodereSchuldundichhabdenanderendamitdenHinterngerettet!”, ratterte er in Höchstgeschwindigkeit hervor. Satan verdrehte die Augen. „Ich habe heute wirklich keine Nerven, sprich langsam und mach vor allem die Zähne auseinander.” Der Feuerdämon schluckte, dann wiederholte er sich, dieses Mal wesentlich verständlicher. „Ich hab ein paar Dämonenhasser abgefackelt, aber die haben dafür uns und mehrere Menschen bedroht, es war also deren Schuld und ich hab den anderen damit den Hintern gerettet!” Kaum war er fertig, schien er sich darauf vorzubereiten, in Deckung zu gehen und auch Rin und Beelzebub gingen auf Abstand. Zu ihrer Überraschung seufzte Satan und schüttelte erschöpft den Kopf. „Das ist jetzt egal, wir kümmern uns später darum. Unsere Späher haben Lilith gefunden.” Sofort horchten alle auf. „Wo?”, fragte Beelzebub. „Schloss Versailles.”, kam die unerwartete Antwort. „Oh, toll. Frankreich. Mein Lieblingsland.”, knurrte Iblis und bekam einen fragenden Blick von dem Halbdämonen. „Was hast du gegen Frankreich?”

 

„Ich saß dort schon mehrmals im Knast, war öfter in Untersuchungshaft als ich zählen kann und ein paar Mal wollten sie mich verhaften, aber ich konnte abhauen. Allein drei Mal im Louvre, dabei wollte ich nur beim zweiten Mal was klauen.”, grummelte der Feuerdämon. „Und es war Egyns Schuld, dass wir erwischt worden sind, aber ihn haben sie natürlich nicht verhaftet!”

 

„Du kannst nicht immer alles auf andere schieben.”, seufzte Beelzebub, woraufhin Iblis schnaubte. „Fast immer, wenn was passiert, bin angeblich ich Schuld.”

 

„Nicht immer, aber oft genug.”, merkte Satan an. „Muss ich dich an London 1666 erinnern? Oder Pompeji?”

„Und dann wäre da noch der Zwischenfall mit der Kanone während der französischen Revolution. Und das mit der Guillotine-”, ergänzte Beelzebub, doch wurde von Iblis unterbrochen. „Ja, ja, ich hab’s kapiert. Aber das mit der Kanone war auch Amaimon…”, grummelte er genervt. Erneut verdrehte Satan die Augen, ließ es jedoch auf sich beruhen. „Wir werden heute Abend ein Treffen einberufen, um unseren Angriff zu planen, also sagt den anderen Bescheid. Je eher wir Lilith los werden oder sie zumindest aus Assiah vertreiben, umso schneller können wir uns um den Rest kümmern.”

 

 

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„Ganz ehrlich Rin, wie um alles in der Welt hast du es geschafft, so sehr dein Fell zu verknoten? Das bekommt ja nicht mal ein Kleinkind hin.”, seufzte Lucifer ein wenig irritiert, während er erneut versuchte einen großen Knoten zu lösen. Rin zuckte zusammen, als ein ziehender Schmerz seine Wirbelsäule hinaufwanderte, verkniff sich jedoch jeglichen Schmerzenslaut. Noch immer war ihm die ganze Situation mehr als peinlich. Da seine Geschwister zu dem Treffen gegangen waren und er nicht durfte, war er kurzerhand trainieren gegangen und hatte sich dabei das Fell an seinem Schleif ruiniert, als er auf einige Fässer gefallen war. Er wusste nicht, was da drin gewesen war, es war irgendetwas schleimiges gewesen und er wollte wirklich nicht näher darüber nachdenken. Zwar hatte er das gröbste herauswaschen können und Iblis hatte ihm schon vor Monaten gezeigt, wie er mit solch widerspenstigen Knoten umging, aber er hatte teilweise immer noch Schwierigkeiten bei der Schweifpflege, weswegen er sich oft von seinen Brüdern helfen ließ. An sich war es nicht ungewöhnlich, dass die älteren den jüngeren bei der Schweifpflege und bei Verletzungen halfen, aber in der Regel waren sie dann noch Kinder und nicht schon so alt wie Rin. Zwar konnte er nichts dafür, immerhin wusste er es nicht besser, aber ein wenig peinlich war es ihm schon, dass er immer Hilfe brauchte. Nach einigem Zögern hatte er also in einem Anflug von Größenwahn beschlossen, sich selbst darum zu kümmern und nun hatte er den Salat. „Es war ja keine Absicht…das ist dieser blöder Schleim. Ich konnte ja nicht wissen, dass es nicht reicht, ihn normal zu waschen.”, murmelte er. Zwar hatte er genau getan, was Iblis ihm damals gezeigt hatte, doch nun hatte sich herausgestellt, dass diese Methode nicht immer funktionierte. Je nachdem wie dreckig und verknotet der Schweif war, musste man ihn auf bestimmte Weisen reinigen, was jedes Dämonenkind von klein auf lernte. Als in Assiah lebender Nephilim hatte er damit natürlich mal wieder den schwarzen Peter gezogen. „Hätte Sammy es dir damals gezeigt, anstatt nur zuzusehen, hätten wir das Problem nicht.”, grummelte Iblis von der anderen Seite des Raumes. „Und hättest du ihm damals gesagt, dass diese eine Methode nicht für alles geeignet ist, hätte er es nicht falsch gemacht.”, kam die giftige Antwort des Zeitkönigs. Iblis wollte zur Antwort ansetzen, wurde jedoch von einem lauten Wimmern seitens Rin unterbrochen. „Tut mir leid, aber ich komme hier kaum durch.”, entschuldigte sich Lucifer schnell. „Dann sei vorsichtiger!”, empörte sich Egyn sofort. „Als ob du es besser hinbekommen würdest. Du hast nicht mal Fell an deinem Schweif.”, antwortete Astaroth und verdrehte die Augen. „Was ist denn jetzt schon wieder los?”, wurden sie von der Stimme ihres Vaters unterbrochen, bevor eine größere Zankerei ausbrechen konnte. Auch das noch. Als ob es nicht schon reichte, dass seine Brüder sich das Elend ansahen. „Rin ist beim Trainieren in irgendwelche Schleimfässer gefallen und hat dann seinen Schweif falsch gewaschen. Jetzt versuche ich die Knoten rauszubekommen, aber es ist, als hätte jemand Beton ins Fell geschmiert.”, seufzte Lucifer, woraufhin Rin sofort errötete. Musste er das so direkt sagen? Für einige Sekunden sah sich Satan die Misere an, dann schüttelte er den Kopf. „Lass mich mal ran. Wenn das in Ordnung ist, Rin?” Der Nephilim zögerte, bisher hatte er immer nur seine Geschwister an seinen Schweif gelassen, doch nickte schließlich. Sein Vater würde schon wissen, was er tat, er hatte immerhin schon dem Rest geholfen, als sie noch Kinder waren. „Also…was kam nun bei der Versammlung raus?”, fragte er, während sein Vater damit begann, vorsichtig die Knoten zu lösen und dabei eine geruchslose Flüssigkeit aus einer Flasche auf sein Fell kippte. „Was soll’s da zu sagen geben?”, fragte Amaimon schulterzuckend. „Wir greifen an, bevor sie angreifen können, versuchen Lilith zu töten und Azazels Seelenteil zurückzuholen.”

 

„Und bevor du fragst: Nein, du kannst nicht mit.”, fügte Samael zu, bevor Rin überhaupt den Mund öffnen konnte. „Ich soll hier rumsitzen und abwarten, während ihr euer Leben riskiert?”, fragte der Nephilim bitter. „Du kannst nicht wirklich kämpfen und deine Flammen darfst du nicht benutzen, weil dein Schwert zerbrechen würde. Abgesehen davon bist du zu jung.”, erklärte Satan ruhig und ohne aufzusehen. „Wenn ich zu jung bin, warum dürfen dann Yukio und die anderen mitgehen?”, fragte er bissig und war mehr als überrascht von der Antwort seines Vaters. „Sie bleiben ebenfalls hier. Wir brauchen Leute, die die Stellung halten und sich um die Verletzten kümmern, auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass Lilith direkt angreifen wird, aber nach allem, was passiert ist, sollten wir mit allem rechnen.” Das erschien logisch und zumindest würde er dann nicht vollkommen allein sein. „Keine Sorge, es wird immer irgendwelche Arschlöcher geben, die uns umbringen wollen, allerspätestens dann kannst du kämpfen.”, warf Astaroth ein und bekam dafür einen bösen Blick seitens Egyn. „Soll ihn das etwa trösten?!”

 

„Was denn? Ist doch wahr. Die werden nicht so schlimm wie Lilith sein, aber trotzdem, warum lügen?”, verteidigte sich der jüngere Baal. „Du hast wirklich das Taktgefühl eines Holzklotzes…”, murmelte Lucifer kopfschüttelnd. „Er hat aber schon recht…”, kam Amaimon Astaroth unerwartet zur Hilfe. „Ach, haltet doch die Klappe.”, murrte Iblis. „Ich bin müde…”

 

„Du klingt wie Azazel.”, warf Amaimon ein und bekam dafür einen bösen Blick. Nicht mal Sekunden später waren sie ihren üblichen Zankereien vertieft, doch sowohl Satan als auch Rin schenkten dem kaum Beachtung. Lucifer und Samael ließen sich ebenfalls nicht stören, sie waren beide in Büchern vertieft. Der Nephilim war dagegen zu müde, um sich darauf zu konzentrieren und musste sich zusammenreißen, damit ihm nicht die Augen zufielen. Inzwischen hatte sein Vater die schlimmsten Knoten gelöst und auch die Schmerzen waren verschwunden. Ohne dass er es selbst bemerkte, begann Rin ein leises Schnurren von sich zu geben, welches nur lauter wurde als sein Vater sich langsam zum Fellansatz vorarbeitete. „Schon gut, schlaf ruhig. Ich bin sowieso fast fertig und da hattest einen langen Tag.”, redete der Weißhaarige sanft auf ihn ein. Zunächst wollte der Halbdämon protestieren, immerhin hatte er im Gegensatz zum Rest seiner Familie keine Verpflichtungen gehabt, stattdessen gähnte er und verkroch sich unter seiner Decke. Satan wurde kurz darauf endlich mit seinem Schweif fertig und strich ihm stattdessen durchs Haar. Am Rande bemerkte er, wie Kuro auf das Bett sprang und sich neben ihm zusammenrollte, was ein Grummeln seitens Iblis zur Folge hatte, da er ungern mit Katzen mit einem Zimmer schlief, doch bevor er etwas dazu sagen konnte, war er bereits eingeschlafen.

 

 

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Vier Tage später war der Abend vor dem Angriff auf Versailles gekommen und Rin saß zusammen mit Amaimon und Beelzebub auf einer Bank in einem leeren Gang, wo sie versuchten, sich von der Nervosität abzulenken. Sie waren gerade vom Training mit ihren Vater gekommen, wo die Baal zu siebt versucht hatten, den Dämonenherrscher zu besiegen, doch wie immer erfolglos. Rin hatte natürlich zugesehen und hatte wie so oft festgestellt, wie viel er noch zu lernen hatte. Es war wohl wirklich besser, dass er zurückblieb. Normalerweise würden jetzt alle Baal in ihr Zimmer zurückziehen und sich dort gegenseitig verarzten, denn auch wenn sie über Selbstheilung verfügten, war es immer empfehlenswert sich nochmal mit seinen Verletzungen zu beschäftigen. Oft hatte man nach größeren Verletzungen mit Steifheit, muskelkaterartige Schmerzen und anderen Unannehmlichkeiten zu kämpfen, was tagelang anhalten konnte, wenn man nichts dagegen tat. Allerdings war der Rest anderweitig beschäftigt und Satan ging mit den Exorzisten ein letztes Mal die Strategie durch. Überall war die Stimmung entsprechend angespannt, weswegen die beiden Baal umso froher waren, eine ruhige Minute mit Rin zu haben. Sie spielten Karten und redeten dabei über verschiedenste, teilweise belanglose Dinge, doch es war eine gute Ablenkung. Zwar sah man es ihnen absolut nicht an, aber Rin wusste, wie nervös sie waren. Von dem Ausgang dieses Kampfes hing nichts weniger als das Schicksal ihrer Welten ab, was natürlich jede Menge Druck bedeutete. Gerade hatten sie eine weitere Runde beendet, als Schritte zu hören waren. Rin sah kurz von ihrem Spiel auf und entdeckte dabei zwei Wachen und Lucifer, welche eine Dämonin begleiteten, die er sofort als Jahi erkannte. Natürlich hatten ihm seine Geschwister bereits von der Anwesenheit der Feuerdämonin sowie ihrem Hilfsangebot berichtet, doch sie nach ihrem Verrat wiederzusehen, versetzte ihm einen Stich. Zwar hatte sie ihn und ganz Gehenna verraten, aber er hatte sie zuvor dennoch als Freundin gesehen. Keine besonders enge, doch zumindest jemanden, dem man vertrauen konnte. Er hatte sich bisher wenige Gedanken um sie gemacht, immerhin gab es momentan ganz andere Probleme, doch in diesem Moment kam alles zu ihm zurück. Eigentlich sollte es ihm egal sein, was mit der Dämonin passieren würde, immerhin hatte sie nicht nur ihn sondern auch seine Familie jahrelang hintergangen, aber so einfach war es nicht. Die beiden Wachen sprachen kurz mit Lucifer, dann gingen sie und ließen ihn allein mit der Feuerdämonin zurück. Es wäre wohl das Beste gewesen, sie einfach zu ignorieren und sich umzudrehen, aber Rin starrte weiterhin in ihre Richtung, bis er schließlich wortlos aufstand, wobei er Amaimons und Beelzebubs Fragen ignorierten. Entschlossen ging er auf Jahi und Lucifer zu, die ihn scheinbar noch nicht bemerkt hatten. Amaimon und Beelzebub waren ihm dicht auf den Fersen, nun da sie erkannt hatten, weswegen er aufgestanden war. „Hallo, Jahi. Lange nicht gesehen.”, sprach er die Dämonin giftiger an, als er es eigentlich wollte. Diese zuckte zusammen und fuhr herum. „Oh…Hi…”, erwiderte sie langsam und wich beschämt seinem Blick aus. „Wirklich? Das ist alles was du ihm zu sagen hast?”, knurrte Beelzebub sie an, woraufhin sie rot wurde, doch schließlich seufzte sie und sah Rin an. „Ich weiß, dass das, was ich getan habe, nicht verzeihlich ist, aber es tut mir leid. Lilith hat mich hereingelegt, aber ich war zu dumm, um es zu bemerken und dann habe ich dich auch noch mit rein gezogen.”

 

„Du hat ganz Gehenna und Assiah in Gefahr gebracht, nur weil du wütend warst.”, antworte Rin und auch wenn er versuchte, ruhig zu klingen, war der Vorwurf in seiner Stimme deutlich herauszuhören. Jahi sackte beschämt zusammen. „Ich hab Mist gebaut und ich verstehe, wenn du mich dafür hasst. Aber ich möchte es wirklich wieder in Ordnung bringen.”, murmelte sie zerknirscht. Der Nephilim antwortete nicht sofort und sah sie stumm an. Ein wenig erinnerte die ganze Situation an den Zwischenfall mit Neuhaus. Er hatte Rin gehasst, weil er den Sohn Satans war, versucht ihn zu töten und hat dabei noch seine Freunde und seinen Bruder in Gefahr gebracht. Dennoch hatte Rin es irgendwie geschafft, ihm zu vergeben, denn auch wenn er mit seinen Taten nicht einverstanden war, konnte er seine Beweggründe verstehen. Trauer und Hass waren starke Emotionen, die einen schnell zu Dingen trieben, die man sonst nie tun würde und später bereute. Schlussendlich waren sie immerhin friedlich auseinander gegangen und erst vor wenigen Tagen hatte er den älteren Exorzisten wiedergesehen. Sie hatten keine Worte gewechselt und sich nur vom weiten gesehen, jedoch hatte der Mann ihm zumindest kurz zugenickt. Bei Jahi verstand er ihre Beweggründe ebenfalls, zumindest bis zu einem gewissen Maße. Ihr Leben lang hatte sie seinem Vater und seinen Brüdern die Schuld am Tod ihrer Mutter und ihrem zerstörten Leben gegeben und sich dabei ganz einfach von Lilith manipulieren lassen. Zudem waren ihre beiden Geschwister durch die Hand seines Vaters gestorben und waren zuvor von ihm und Iblis gefoltert wurden. Allerdings hatte sie dafür so viele Menschen und Dämonen in Gefahr gebracht, daher konnte er ihr nicht vergeben, jedenfalls noch nicht. Er holte kurz Luft, dann begann er, zu sprechen. „Ich vergebe dir nicht, was du getan hast, aber ich verstehe es teilweise und wenn du es wirklich wieder gut machen willst, dann tu es. Vielleicht kann ich dir irgendwann verzeihen, aber jetzt geht es nicht.” Die Feuerdämonin nickte. „Das ist fair. Danke.” Rin antwortete nicht, sie schien es ohnehin nicht zu erwarten. Kaum waren sie und Lucifer außer Sichtweite, begann Amaimon zu sprechen. „Du bist zu vergebungsvoll. Das könnte dich eines Tages töten.”, kommentierte er. „Er hat recht.”, pflichtete Beelzebub ihm bei. „Du bist zu gutgläubig Rin. Man kann nicht alles und jeden retten.”

 

„Mag sein.”, gab Rin zu. „Aber wenn ich nicht vergeben könnte, würden wir hier nicht zusammen sitzen, oder?” Darauf wussten weder Amaimon noch Beelzebub eine Antwort. „Kommt schon, spielen wir weiter. Ob ihr es heute noch schafft, mich zu besiegen?”, grinste er, was sofort Amaimons Ehrgeiz weckte. „Dieses Mal verlierst du!”, verkündete er und setzte sich ebenfalls an den Tisch. Beelzebub zögerte kurz, offenbar überlegte er, ihn auf das gerade geschehene anzusprechen, doch ließ es glücklicherweise auf sich beruhen. „Gut, Herausforderung angenommen.”

 

 

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Lilith trommelte ungeduldig mit ihren Fingern auf dem Schreibtisch und starrte dabei aus dem Fenster, welches einen guten Blick auf den schönen Garten bot, doch ihre Gedanken waren momentan ganz woanders. Immer wieder hatte sie sich im Laufe der letzten Wochen den Kampf im Vatikan durch den Kopf gehen lassen und versucht, ihre Fehler zu finden. Rückblickend betrachtet, musste sie einsehen, dass sie zu leichtsinnig geworden und zu vorschnell gehandelt hatte. Sie hätte die Baal töten sollen, als sich die Gelegenheit geboten hatte und nicht alles den Aveira überlassen sollen. Von der Aktion mit den Sirenen einmal ganz abgesehen, die hatte wirklich nichts gebracht. Dennoch war sie sicher, dass sie noch immer gewinnen konnte, vorausgesetzt ihre nutzlosen Spione erfuhren endlich mehr über das weitere Vorgehen Satans. Ein Klopfen ließ sie aufsehen. ‚Wurde auch Zeit.’

 

„Herein.”, rief sie und die Tür öffnete sich langsam. Gula huschte sichtlich nervös ins Zimmer und wich ihrem Blick aus. „Ihr wolltet mich sehen, Gebieterin?”, fragte die Todsünde angespannt, woraufhin die Dämoningöttin nickte. „In der Tat und ich vermute, du weißt bereits, worum es geht?”, bohrte sie und wie erwartet, zuckte die jüngste Aveira zusammen. „Weil ich in letzter Zeit nutzlos war?”

 

„Ganz genau. Bis jetzt habe ich darüber hinweggesehen, doch damit ist jetzt Schluss. Ich will Ergebnisse, der letzte Kampf hat uns übel mitgenommen und demnach, was deine Schwestern mir erzählt haben, hast du so ziemlich gar nichts beigetragen. Inzwischen spiele ich ehrlich gesagt mit dem Gedanken, dich einfach wieder zu absorbieren, immerhin würde mich das stärken und ich habe keine Verwendung für Versager.“, erkläre Lilith kalt und beobachtete mit verengten Augen die Reaktion der jüngeren. Wie erwartet erblasste sie, Gula war schon immer viel zu vorhersehbar gewesen. „B-Bitte tut das nicht!“, flehte sie schließlich. „Gebt mir nur die Gelegenheit mich zu beweisen und ich werde-“

 

„Du hattest bereits jede Menge Chancen und doch ist es immer das gleiche mit dir. Sogar Acedia hat mehr Nutzen.“ Gula sackte zusammen, nun noch blasser und mit einem Ausdruck der Angst im Gesicht. Die Dämoningöttin lächelte grausam. Sie war so leicht einzuschüchtern. „Allerdings habe ich mich trotz allem dazu entschieden, dir eine allerletzte Chance zu geben.“ Hoffnungsvoll hob die Sünde den Kopf, sodass Lilith weitersprach. „Hast du Erfolg, gibt es nichts zu befürchten, doch solltest du versagen, wirst du sterben und das Seelenteil in dir wird zu mir zurückkehren und dieses Mal bleibt es dort. Haben wir uns verstanden?“ Gula zögerte, doch nickte schlussendlich. Was blieb ihr auch anderes übrig? Entweder sie schaffte es oder sie würde sterben. Lilith glaubte nicht wirklich an ihren Erfolg, doch immerhin würde diese Sache etwas Chaos stiften und im Idealfall vielen Exorzisten und Dämonen auf Satans Seite das Leben kosten. ‚Und da behauptet man, ich wäre nicht gnädig.~‘, dachte sie und grinste. „Also, ich will, dass du folgendes tust...“

 

 

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Am nächsten Morgen wachte Rin für seine Verhältnisse relativ früh auf und sah sich gähnend in dem Zimmer auf. Wie erwartet, waren die restlichen Betten leer, nur Kuro war da. „Morgen, Rin!”, begrüßter dieser ihn. „Dein Vater und deine Brüder haben dir einen Zettel da gelassen. Er liegt auf dem Tisch dort.”, informierte er den Nephilim, welcher gähnend nickte, sich den Zettel griff und begann zu lesen.

 

 

Guten Morgen Rin,

ich hoffe, du hast gut geschlafen. Es tut mir leid, dass wir uns nicht nochmal verabschiedet haben, aber du hast so fest geschlafen, also wollten wir dich nicht wecken. Wie schon erwähnt, wissen wir noch nicht, wann wir zurückkommen, aber wir versuchen, euch auf dem Laufenden zu halten und uns schnell zu melden.

Wir sehen uns hoffentlich bald, passe gut auf dich auf und halte dich aus Ärger heraus.

 

Dein Vater

 

 

Wieso gingen sie immer direkt davon aus, dass er in Ärger geraten würde, wenn sie nicht in der Nähe waren? In den letzten Wochen hatte er nicht ein einziges Mal Schwierigkeiten bekommen! Am Ende zuckte er nur mit den Schultern, legte den Zettel beiseite und zog sich an. Während seines Weges zum Frühstück begegnete er kaum jemanden, mit der Ausnahme einiger Wachen und Exorzisten, die ihn allerdings nicht weiter beachteten. Er bog um eine Ecke und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Der gesamte Gang wirkte seltsam kalt und ihn beschlich das bedrückende Gefühl, beobachtet zu werden. „Hallo?”, fragte er angespannt und sah sich um, doch nichts regte sich. War er einfach nur paranoid? Wahrscheinlich, immerhin konnte man sich nirgends verstecken und sein Ôcrio, welches er inzwischen stets bei sich trug, leuchtete nicht. Zögerlich ging er weiter und zuckte erschrocken zusammen, als kalte Finger über seinen Rücken strichen, aber da war niemand. Nun hörte er zudem ein leises Geflüster, allerdings war es zu undeutlich, um etwas zu verstehen. Ohne nachzudenken rannte er los und hielt erst an, als er den Korridor weit hinter sich gelassen hatte. Zitternd ließ er sich gegen die Wand sacken und schloss die Augen. Was auch immer das gewesen war, er hatte es sich eindeutig nicht eingebildet. „Rin, ist alles in Ordnung?”, hörte er eine Stimme und sah überrascht auf. Er zwang sich zu einem Lächeln, in der Hoffnung seine Unruhe zu verbergen. „Hallo, Christina. Ja, es ist alles ok.”, log er schnell, aber die Hexe verzog sofort den Mund. „Du solltest nicht lügen, wenn man nach deiner Gesundheit fragt.”, rügte sie ihn. Warum war er scheinbar der einzige in der Familie, der absolut nicht lügen konnte? „Es ist nicht weiter schlimm.”, versicherte er schnell. „Ich war gerade in einem Gang und dachte, ich hätte Geflüster gehört. Es ist auch plötzlich alles kalt geworden, aber wahrscheinlich bin ich einfach nur paranoid.”

 

‚Oder ein Geist war in der Nähe.’, fügte er gedanklich hinzu. Dummerweise dachte die Hexe sofort daran. „Vielleicht war es ein Geist? Es kann gut sein, dass die zu Azazel wollen, sie fühlen sich immer sehr zu ihm hingezogen, aber wegen der ganzen Barrieren und Talismane kommen sie nicht an ihn heran.”, schlug sie vor. „Ja, kann sein.”, murmelte der Nephilim. Bisher wussten nur wenige, dass er Geister sehen konnte und er wollte wirklich, dass es so blieb. Schnell beschloss er das Thema zu wechseln. „Was tust du hier eigentlich? Ich dachte, du würdest mitkämpfen.”, fragte er, woraufhin die Blondine mit den Schultern zuckte. „Wollte ich eigentlich auch, aber Lord Samael meinte, dass ich hier besser aufgehoben bin. Da Adrijana und Akaya beide tot sind und es noch keinen Nachfolger als Hohepriester für sie gibt, habe ich das vorerst übernommen. Sollte also ein Angriff kommen, befehlige ich die Hexenzirkel.” Sofort zermarterte sich Rin das Gehirn, wer Adrijana und Akaya waren, dann fiel es ihm ein. Adrijana war die russische Hexe, welche zu Egyn gehörte und Akaya war japanisch und gehörte zu Azazel. Beide waren oft mit Christina unterwegs und sie waren auch mit in Gehennna gewesen. „Tut mir leid, ich wusste nicht, dass die beiden tot sind. Darf ich fragen, was passiert ist?”, fragte er vorsichtig. „Im Kampf um den Vatikan gefallen.”, antwortete Christina dumpf und seufzte. „Ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass es so mit den beiden enden würde…Adrijana war zur Zeiten der Romanow Familie in Russland Rasputins Schülerin und ist nach seiner Ermordung und dem Sturz der Zarenfamilie nach Frankreich geflohen und Akaya war Soldat im zweiten Weltkrieg, der in die Gefangenschaft der Russen geraten ist. Sie haben so viel überlebt und jetzt kommt ein scheiß Dämon an und tötet sie…” Kopfschüttelnd wandte sie sich ab. „Tut mir leid, wir reden später, ok? Ich sag auch Bescheid, dass wir eventuell einen oder mehrere Geister in der Basis haben, vielleicht können sich das ein paar Geisterdämonen mal mehr ansehen.” Rin nickte und sie wandte sich ohne ein weiteres Wort um und ging.

 

 

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„Riesenspinnen. Natürlich sind es vermaledeite Riesenspinnen. Ich kann sie echt nicht mehr sehen...“, grummelt Astaroth und wich einem der haarigen Beine aus, wobei er ungewollt erschauderte. Er war schon immer der Meinung gewesen, dass diese Viecher zu viele Beine hatten. Die kleinen waren ekelhaft genug, warum musste Beelzebub sie noch in größerer Variante züchten?! Und wo kamen sie überhaupt her?! Man sollte doch meinen, sie hätten die Viecher inzwischen ausgerottet, aber nein, sie krochen dann doch noch aus irgendwelchen Spalten hervor und wollten nicht verschwinden, als wären sie ein Haufen Kakerlaken. Wenn das alles vorbei war, mussten sie einmal ein ernstes Wörtchen mit dem Insektenkönig reden. Konnte er als Hobby nicht beim zeichnen und seinem Blog bleiben oder sich zumindest Beschäftigungen zulegen, die nichts mit Züchtungen tödlicher Tieren zu tun hatte?! Erneut wich er der Spinne aus, welche es sich offenbar in den Kopf gesetzt hatte, ihn zu ihrem nächsten Snack zu machen, doch so leicht machte er es diesem Vieh nicht. Wenige Sekunden später lag es bereits tot am Boden und der Verwesungsdämon erlaubte sich ein triumphierendes Grinsen, das jedoch schnell wieder verschwand, da er erneut dieses widerliche, unverkennbare Klicken hörte. Von hinten kamen zwei weitere, wesentliche kleinere Spinnen, die aber mindestens genauso hässlich waren. „Ach, komm schon! Das ist doch nicht euer Ernst!“, fauchte er frustriert und wollte zum Angriff ansetzen, aber einige Dämonen kamen ihm zuvor und brachten beide Spinnen schnell zu Fall. Einer von ihnen wandte sich an ihn und er erkannte Mammon, einen Zeitdämon und alten Freund von der Militärakademie mit dem er bis heute Kontakt hielt. „Na, das war wohl nichts, Rothy. Von zwei Spinnen überrumpelt? Was würde nur unser Lieblingsausbilder Neit dazu sagen?“, stichelte er grinsend. Warum musste eigentlich alle Zeitdämonen immer andere mit irgendwas aufziehen? Er beschloss, es einfach zu ignorieren, inklusive dem nervigen Spitznamen. „Auch Hallo. Hätte nicht gedacht, dich hier zu sehen.“, erwiderte er, die Frage, welche ohne rhetorisch gemeint war und ihn nur anstacheln sollte, ignorierend. Mammon seufzte übertrieben. „Das hast du meinen geliebten Herrn Vater zu verdanken. Er hat darauf bestanden, dass wir alle mitmachen, um "die Ehre unseres altehrwürdigen und ruhmvollen Hauses wieder herstellen". Liliths Sieg hat ihm so gar nicht gepasst und du weißt da wie er ist. Patriotismus und so weiter.“ Astaroth sah ihn zweifelnd an. Abbadon, Mammons Vater, Erzdämon und Führer eines der vier großen Häuser in Samales Reich, war zwar für seine Loyalität zum Königshaus bekannt, aber klang doch alles etwas zu theatralisch. Mammon verdrehte die Augen. „Gut, gut...eventuell habe ich seine Worte etwas ausgeschmückt.“, gab er zu. „Aber egal jetzt. Ich wette, wir kriegen gleich das Signal zum vorrücken, also sollten wir wohl bereit sein. Wirklich jammerschade ist, dass wir nicht die Zeit haben, uns umzusehen. Paris soll ja die Stadt der Mode sein...“

 

„Wir sind im Krieg, nicht bei 'ner Modenschau oder 'nem Einkaufsbummel.“, zischte Astaroth ein wenig gereizt. „Es ist immer Zeit, sich Gedanken um sein Aussehen zu machen.“, protestierte der Zeitdämon sofort und der Baal machte sich gar nicht die Mühe, ihm zu widersprechen. Zwar war Mammon ein mächtiger Dämon, doch Interesse am Kampf hatte er nie wirklich gehabt. Ihn interessierten Mode, Kunst, Feiern und Vergnügen. Er war ein Hedonist wie er im Buche stand und wirkte dadurch manchmal ein wenig arrogant und herablassend, doch in Wirklichkeit war er durchaus in Ordnung und man konnte sich auf ihn verlassen. Das plötzliche Auftauchen von Amaimons Aura ließ ihn zusammenzucken und er wandte seinen Blick in die entsprechende Richtung. „Amaimon? Was tust du hier? Wo bleibt das Signal?“

 

„Es gab ein paar Probleme. In dem Stadtteil wo Lu und Samael unterwegs sind, waren noch jede Menge Menschen in den Häusern, die haben bei den ganzen Kämpfen Panik bekommen und sind auf die Straßen gerannt. Sie sind dadurch ziemlich verlangsamt worden und Liliths Leute hatten mehr Zeit sich zu sammeln, sie sind also noch im Kampf verwickelt. Beim Rest sieht es allerdings ganz gut aus und es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis wir weiter können.“, erklärte der Erddämon. „Das sieht ihnen aber gar nicht ähnlich, so einen Fehler zu machen.“, warf Mammon ein, nun etwas ernster. „Haben sie nicht darauf geachtet, wo noch Zivilisten sind, als sie die Route geplant haben?“

 

„Natürlich haben sie das, aber entweder waren unsere Informationen falsch oder die Menschen wurden verlegt.“, antwortete Amaimon schulterzuckend. „Einige haben vorgeschlagen die ganze Stadt zu zerstören, aber Vater hat es leider abgelehnt.“, fügte er schmollend hinzu. „Wenn wir das machen, war’s das mit unserer Allianz mit den Exorzisten.“, warf Astaroth kopfschüttelnd ein. „Abgesehen davon will ich nicht einen Haufen Unschuldiger abschlachten, auch wenn ich kein großer Fan der Menschen bin.“

 

„Dort ist Lucifers Seraphim. Wir können vorrücken!“, unterbrach Mammon ihre kurze Diskussion und deutete gen Himmel, wo tatsächlich Lucifers magischer Diener zu sehen war. „Wurde auch Zeit.”, murmelte Astaroth und wandte sich an seine Truppen. „Los, wir haben Zeitdruck!”

 

 

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„Lord Satan, der Bezirk ist gesichert. Wir können weiter vorrücken, sobald das Signal kommt.”, berichtete der Bote. „Gut. Sollte es Änderungen geben, will ich es sofort wissen. Und schickt Späher voraus, wir können nicht noch eine Menschenmenge gebrauchen.”, wies der Dämonenherrscher an. „Natürlich, wir sind schon dabei die Gruppen zusammenzustellen.” Nachdem der Dämon verschwunden war, erlaubte sich Satan einen kurzen Moment der Ruhe. Dank seiner Flammen hatten sie den Widerstand relativ schnell beseitigen können, doch unvorhersehbare Umstände erschwerten einiges, unter anderem auch die Anwesenheit der Menschen. Laut den Exorzisten befanden sich momentan mehr Dämonen als Sterbliche in der Stadt, aber offensichtlich waren es immer noch mehr als erwartet und da die Welt ohnehin schon am durchdrehen war, wäre es mehr als problematisch, wenn sich dann noch herumsprach, dass haufenweise Zivilisten durch ihre Hand gestorben waren. Die wenigstens würden dann noch glauben, dass sie wirklich auf der Seite der Menschen standen oder zumindest einen gemeinsamen Feind hatten. Das konnte noch lustig werden. Seufzend ließ er seinen Blick umherschweifen, wobei seine Gedanken ungewollt zu Rin und Azazel wanderten. Es passte ihm absolut nicht, dass zwei seiner Kinder im Hauptquartier der Exorzisten hockten und noch dazu psychisch angeschlagen waren. Natürlich waren genug Leute da, die ein Auge auf sie haben würden und Rin hatte seine Freunde und Yukio, die ihn hoffentlich ebenfalls etwas im Zaun halten würden, aber nach all der Zeit in der Zelle und der daraus resultierenden Unsicherheit, war es nur verständlich, dass er nervös war. Azazel hatte erst vor zwei Tagen einen heftigen Hustenanfall bekommen und dabei noch mehr Blut als sonst hervorgewürgt und auch Rin bereitete ihm Kopfzerbrechen. Zwar zuckte er nicht mehr zusammen, wenn er mit ihm oder einer seiner Brüder und einem Raum war, aber die Erfahrungen als Liliths Gefangener waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Immer wieder wurde er von Albträumen geplagt, sodass sie es sich inzwischen angewöhnt hatten, dass immer mindestens einer von ihnen bei ihm blieb, wenn er schlafen ging. Teilweise reichte es dann schon, ihm kurz über den Kopf zu streicheln oder auf ihn einzureden, um ihn zu beruhigen, wenn er einen Albtraum hatte. Insgesamt war der Nephilim ohnehin anhänglicher geworden, auch wenn er selbst das sicher weniger merkte. Er suchte oft ihre Nähe und wurde unruhig sobald man ihn längere Zeit alleine ließ. Oft lehnte er sich gegen ihn oder einen seiner Brüder, wenn sie beispielsweise auf einem Bett nebeneinander saßen und er hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, sich mit seinem Schweif an sie festzuklammern. All dies waren Dinge, die vor allem Dämonenkinder taten, wenn sie unruhig waren oder Trost brauchten. Bei Rin machte es sich umso stärker bemerkbar, da seine Dämonenseite immer stärker wurde und in gewisser Weise alles das nachholte, was er durch die Versieglung verpasst hatte. Kaum hatte er das gedacht, kam ihm eine beunruhigende Erkenntnis: Würde das nicht bedeuten, dass die Reifezeit für ihn noch kam? Falls ja, rechnete er jetzt schon mit dem schlimmsten. Hoffentlich würde es nicht ganz so anstrengend wie mit seinen restlichen Geschwistern werden. Er war so in Gedanken versunken, dass ihm zunächst nicht auffiel, dass er nicht länger allein war. „Ich kenne diesen Blick… ”, hörte er Shax sagen. „Was ist los? Denkst du wieder an Rin und Azazel?”

 

„Unter anderem.”, gab er zu. Es hatte keinen Sinn, es zu leugnen, der silberhaarige Dämon würde nicht locker lassen, bis er die Wahrheit sagte. „Ich fühle mich nicht wohl dabei, sie alleine zu lassen. Sie sind beide angeschlagen, ich sollte bei ihnen sein.” Shax seufzte, er war nicht überrascht von dieser Antwort. „Ich verstehe dich, aber sich jetzt deswegen Gedanken zu machen, bringt niemanden etwas und lenkt dich nur ab. Wir brauchen dich hier und Rin und Azazel sind in guten Händen. Wir haben die Barrieren selbst errichtet und mehrmals überprüft, dort kommt nicht mal eine Fliege rein, ohne dass wir es merken.”

 

„Du hast ja recht…vielleicht mache ich mir wirklich zu viele Gedanken, aber ich kann nicht anders.”

 

„Du bist ihr Vater, es ist dein Job, dir Gedanken zu machen.” Bevor Satan antworteten konnte, erschien Lucifers Seraphim am Himmel. „Und dort ist unser Stichwort…beeilen wir uns, sonst sind die guten Gegner schon weg.”, kommentierte Shax und Satan verdrehte die Augen. „Du klingst wie Alastor…”, wies er ihn hin, woraufhin der jüngere Dämon mit den Schultern zuckte. „Ich schätze, ich habe zu viel Zeit mit ihm verbracht. War er sehr sauer, dass er nicht mitkommen durfte?”

 

„Was denkst du?”

 

„…Gut, vergiss, dass ich gefragt hab.” Damit machten sie sich erneut auf den Weg.

 

 

 

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Der Tag verlief für Rin wie jeder andere. Er ging frühstücken, traf sich mit seinen Freunden, half auf der Krankenstation aus, aß Mittag, spielte mit Kuro, übernahm irgendwelche Aufgaben, um sich die Zeit zu vertreiben, trainierte ein wenig, ging Abendbrot essen und schließlich ins Bett, wo er noch eine Weile einige Bücher durchsah. Ein Bücherliebhaber würde er wohl nie werden, aber seine Geschwister hatten einige interessante Bücher herumliegen, in denen er gerne blätterte und einige Abschnitte laß. Heute fiel es ihm jedoch sehr schwer zur Ruhe zu kommen. In ihm herrschte eine seltsame Spannung, welche er sich nicht erklären konnte. Immer wieder starrte er auf seinen Nachttisch, wo das Ôcrio lag, aber es leuchtete nie. Kuro schien davon nichts mitzubekommen, er schlief friedlich an seinem Bettende. Vielleicht war er nur nervös, weil er heute alleine schlief? Es mochte lächerlich klingen, aber in den letzten Wochen hatte er sich daran gewöhnt, dass immer jemand bei ihm war. ‚Ok, das ist einfach nur albern.’, dachte er frustriert. ‚Ich bin 16 Jahre alt, da werde ich es doch wohl schaffen, alleine zu schlafen!’ Sein Körper war offenbar anderer Meinung, denn 15 Minuten später lag er immer noch da und starrte die Decke an. So musste sich Astaroth mit seiner Insomnie fühlen. Seufzend setzte er sich auf und schaltete seine Nachttischlampe an. Wenn er nicht schlafen konnte, vertrat er sich eben die Beine. Leise, um nicht Kuro zu wecken, zog er sich an, griff das Ôcrio und schlich aus dem Zimmer. Wie erwartet war der Flur leer und kein Laut war zu hören. Er entschied sich für den rechten Gang und lief für einige Minuten umher, ohne auf jemanden zu treffen, von einer Patrouille einmal abgesehen. Nichts ungewöhnliches passierte, bis er einen Korridor in der Nähe der Hauptkrankenstation erreichte, dort spürte er erneut diese seltsame Kälte. Gleichzeitig begannen die Lichter zu flackern, was sein ungutes Gefühl nur verstärkte. Sollte er es einfach ignorieren oder doch lieber versuchen, Kontakt mit dem Geist aufzunehmen, wenn es denn wirklich einer war? In einem der Bücher, welches er abends gelesen hatte, stand viel über sie, sodass er zwar kein Experte war, aber zumindest halbwegs wusste, wie er mit ihnen umgehen sollte. Es schien kein bösartiger Geist oder eine Entität zu sein, also sollte er relativ sicher sein. Schließlich beschloss er, es zu riskieren. „Ähm…Hallo. Mein Name ist Rin.”, sagte er laut. „Bist du ein Geist? Wenn ja, zeige dich bitte oder mach dich bemerkbar.” Letzteres sagte er eher zögerlich, denn er meinte, gelesen zu haben, das man sie niemals darum sollte, sich irgendwie bemerkbar zu machen, da man sie sonst zu sich einlud, doch da dieser Geist offensichtlich bereits in Assiah war und diese Regel meist nur bei Beschwörungen (was beispielsweise schon beim verwenden eines Hexenbrettes der Fall sein konnte) galt. Für einige Sekunden geschah nichts, dann flackerten die Lichter erneut und vor ihm stand einige Meter entfernt eine Frau. Er unterdrückte ein Schaudern. Warum musste er direkt an einen Horrorfilm denken? Schnell schob er den Gedanken beiseite und sah die Frau näher an, wobei ihm auffiel, dass sie eine Dämonin war. Ihre Haut und ihre Augen waren ein reines Weiß, ihre schwarzen Haare waren teilweise mit einer schön verzierten Haarnadel hochgesteckt, der Rest ging offen ihren Rücken herunter. Offensichtlich gehörte sie nicht zur einfachen Bevölkerung, denn sie trug ein elegantes, schwarz-silbernes Kleid mit einem dazu passenden silbernen Stirnreif. Sie kam ihm bekannt vor, doch er konnte sich nicht erinnern, wo er sie gesehen hatte. „Gut…kannst du mir sagen, warum du hier bist? Hast du noch irgendetwas zu erledigen oder bist du aus dem einfach aus dem Geisterreich entkommen?”, bohrte er vorsichtig nach. Die Dämonin antwortete nicht, sie sah ihn nur mit einem traurigen Lächeln an und nickte mit dem Kopf. „Ok, und was von beiden?”, fragte der Nephilim unsicher. Wieder blieb sie stumm und sah ihn betrübt an. Großartig, natürlich geriet er ausgerechnet an einen stummen Geist. Fieberhaft überlegte er, was in dem Buch darüber stand, warum manche Geister nicht sprechen konnten, aber ihm fiel es nicht ein. Gerade spielte er mit dem Gedanken, einfach einen Geisterdämonen zu suchen, der sich der Sache annahm, als sich die Frau unerwartet umdrehte und langsam in die entgegensetzte Richtung ging. Dann verschwand sie für ein paar Sekunden, tauchte einige Meter weiter weg wieder auf, drehte sich zu ihm und sah ihn erwartungsvoll an. Dieses Mal verstand Rin wesentlich schneller, was sie von ihm wollte. „Ich soll dir folgen?” Sie nickte und setzte sich erneut in Bewegung. Zunächst war er nicht sicher, ob er ihr wirklich folgen sollte, doch das Ôcrio leuchtete nicht und er hatte das Gefühl, dass er ihr vertrauen konnte. Wenn es ihm doch zu seltsam wurde, konnte er immer noch abhauen. Er folgte der noch namenlosen Frau, welche immer wieder verschwand, nur um kurz danach wieder aufzutauchen. War das normal oder hatte sie Probleme, in der materiellen Welt zu sein? Vielleicht hätte er sich diese Geister Bücher genauer durchlesen sollen, wenn man bedachte, dass er sie sehen konnte. Schließlich standen sie in einem Gang, den er noch nie gesehen hatte, seine Aufmerksamkeit galt allerdings der Frau, welcher vor einer Tür stehen geblieben war und diese anstarrte. Der Nephilim war verwirrt. Warum ging sie nicht einfach hindurch, wie sie es bei den vorherigen getan hatte? Die Antwort fand sich schnell, als er näher herantrat. Er spürte, dass Barrieren auf der Tür lagen und er sah mehrere Talismane am Türrand kleben. War das der Raum, wo sie Azazel untergebracht hatten? Es würde zumindest erklären, warum der Geist dorthin wollte. „Tut mir leid, aber ich kann die Tür nicht öffnen. Ich habe keine Ahnung, wie Azazel reagiert.”, erklärte er widerwillig. Zwar wäre er gerne zu dem Baal gegangen, doch die anderen hatten ihm eingeschärft, dass er auf keinen Fall in den Raum gehen sollte, da sich der Geisterdämon in einer kritischen Phase befand. Der Blutentzug setzte ihm immer mehr zu und er verfiel wesentlich schneller in Rage, weswegen es zu gefährlich wäre, dort ohne Begleitung hinein zu gehen. Selbst die Heiler, welche regelmäßig bei ihm vorbeischauten, gingen nie allein. Vielleicht sollte er einen von ihnen holen? Die Dämonin sah ihn durchdringend an, Verzweiflung stand ihr im Gesicht. Warum wollte sie unbedingt zu ihm? Zwar fühlten sich Geister generell zu ihm hingezogen, doch in ihrem Fall wirkte es anders. Wer war sie nur? ‚Im ganzen Raum sind Bannkreise und laut den anderen ist Azazel angekettet, also sollte doch eigentlich nichts passieren, wenn ich die Tür öffne. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, dass sie wirklich zu ihm sollte.’ Ein wenig nervös kaute der Nephilim auf seiner Unterlippe und starrte auf die Talismane, dann streckte er die Hand aus und riss sie ab. Er spürte ein kribbelndes Gefühl auf seiner Haut, mehr jedoch nicht. Anschließend suchte er den Schlüssel, welchen er in einem Raum nebenan fand. Mit einem unruhigen Gefühl steckte er ihn in das Schloss und dreht ihn herum. Das Klicken des Riegels wirkte wie ein Kanonenschuss in dem stillen Korridor und er hielt inne, in der Erwartung, dass jemand kam, doch nichts geschah. Er holte kurz Luft, dann stieß er die Tür auf. Er war stockfinster in dem Raum und er tastete vorsichtig nach dem Lichtschalter. „Azazel, bist du wach?”, fragte er unsicher und fand im selben Moment den Lichtschalter. Im ersten Moment wirkte das Licht viel zu grell, aber seine Augen gewöhnten sich schnell an die neuen Lichtverhältnisse. Er entdeckte Azazel, welchen er offenbar gerade aus dem Schlaf gerissen hatte. Blinzelnd sah er Rin, offenbar nicht sicher, ob er träumte oder nicht. „Rin? Was tust du hier?”, fragte er sichtlich verwirrt. Der Nephilim hielt inne, nicht sicher, was er antworten sollte. Die Sache erledigte sich jedoch schnell von selbst, als die Dämonin neben ihm auftauchte. Azazel klappte der Mund auf und er starrte die Frau geschockt für einige Sekunden an, dann fand er zitternd seine Stimme wieder. „Mutter?”

Geisterbesuch

„Mutter?”, fragte Azazel zittrig und Rin sah ihn mit großen Augen an. Was? Diese Dämonin war seine Mutter? Das konnte nicht sein! Fassungslos starrte er sie (Ruha war ihr Name, fiel ihm nach kurzem Überlegen ein) an, nicht sicher, was er von dieser Situation denken sollte. ‚Ich habe sie auf einem Bild in einem der Korridore gesehen, darum kam sie mir so bekannt vor.’, fiel es ihm endlich ein. Dennoch brachte das mehr Fragen als Antworten. Ruha war schon so lange tot und längst in das Totenreich übergegangen, wie konnte sie dann hier auftauchen? Wer einmal drüben war, kam nicht mehr als Geist zurück! Sicher, die Grenzen zwischen den Welten wurden instabiler, aber davon waren bisher nur ruhelose Geister betroffen. Ruha nickte auf Azazels Frage hin und lächelte dem Baal traurig zu, machte allerdings keine Anstalten, näher zu treten. Azazels Blick richtete sich nun auf den Nephilim, welcher noch immer wie erstarrt da stand. „Wie hast du…warum…?”, fragte er verwirrt und seine Stimme brach. Der Halbdämon konnte ihm keinen Vorwurf machen, wahrscheinlich glaubte er, zu halluzinieren. „Ich konnte nicht schlafen, also habe ich mir die Beine vertreten und bin ihr auf einem Gang begegnet. Sie hat mich hergeführt.”, erklärte er zögerlich, woraufhin Azazel langsam nickte, dann allerdings seinem Blick auswich. „Du solltest nicht hier sein…”, murmelte er erschöpft. „Es ist zu gefährlich.”
 

„Wen kümmert das jetzt?!”, entrüstete Rin sich aufgebracht. „Wie geht es dir? Ich wollte schon längst zu dir, aber die anderen haben mich nicht gelassen.” Azazel zögerte, es war offensichtlich wie unwohl er sich in seiner Haut fühlte. „Nach allem was passiert ist, machst du dir noch Sorgen um mich?”, antwortete er matt. „Ja, tu ich!”, erwiderte Rin sofort und sah ihn eindringlich. „Was ist jetzt? Ist alles in Ordnung? Und warum ist deine Mutter ein Geist?!” Der Baal zögerte, bevor antwortete. „Momentan geht es. Ich weiß nicht, wie meine Mutter hier sein kann. Sie ist viel zu lange tot…” Er brach ab und schien seine Gedanken zu sortieren, dann nickte er schließlich. „Rin, in dem Schrank hinter dir ist irgendwo Kreide. Hol die bitte raus und roll sie mir über. Auch wenn ich momentan die Kontrolle habe, solltest du möglichst viel Abstand von mir halten.” Etwas überrascht von der seltsamen Bitte, kam der Nephilim der Aufforderung nach und fand tatsächlich mehrere Stück Kreide, die er Azazel zurollte. Dieser kniete sich sofort hin und begann auf der freien Fläche vor ihm ein Symbol zu zeichnen. „Was tust du?”
 

„Dafür sorgen, dass sie sprechen und die Bannkreise betreten kann.”, kam die knappe Antwort, woraufhin er lieber still blieb. Wenige Minuten später war der Baal fertig und hatte damit begonnen, etwas vor sich hin zu murmeln. Das Symbol leuchtete daraufhin auf und eine seltsame Spannung lag in der Luft, die sich schnell verflüchtigte. Zögerlich versuchte Ruha die erste Linie zu überqueren und ihr Gesicht hellte sich auf, als es funktionierte. Innerhalb weniger Sekunden war sie bei Azazel, welcher sie noch immer vollkommen geschockt ansah. Mehr als verständlich, wie Rin fand, immerhin hatte er seine Mutter das letzte Mal als Kind gesehen. „B-Bist du es w-wirklich?“, fragte er leise. Ruha nickte mit einem sanften Lächeln, dann streckte sie eine Hand aus, mit der sie ihm über die Wange strich. Interessanterweise konnte sie ihn tatsächlich berühren. „Ja, ich bin es.”, sagte sie so leise, dass Rin sie beinahe nicht verstand. Ihre Stimme klang dünn und hallend, was es schwer machte, ihre Worte zu hören. „Ich wäre eher gekommen, aber bisher habe ich es nicht geschafft, mich richtig zu verankern-“ Weiter kam sie nicht, denn Azazel hatte sie umarmt und schluchzte dabei leise. „Es tut mir leid, es tut mir so leid!“, rief er weinend. „I-Ich k-konnte nur zu sehen wie du…wie du…” Seine Stimme brach und seine Worte gingen ihn Schluchzer unter. „Shhhh, es ist in Ordnung, Azzy.”, redete die Schwarzhaarige beruhigend auf ihren Sohn ein, während sie ihn noch fester drückte und durchs Haar strich. „Ich bin da…ich bin da.” Etwas planlos stand Rin nach wie vor an derselben Stelle herum. Er hatte das Gefühl, etwas sehr Intimes zu stören und auch wenn er Azazel ebenfalls gern trösten würde, musste er außerhalb der Bannkreise bleiben. Nach einer Weile hatte sich der Dämonenkönig beruhigt und löste sich widerwillig aus der Umarmung. „Warum bist du hier?”, fragte er leise. „Wie ist das möglich?” Ruha seufzte. „Ich bin mir selbst nicht sicher, aber ich werde versuchen, es zu erklären.” Sie musterte ihn kurz und fuhr damit fort, ihm über die Wange zu streichen. „Du bist so groß geworden...und da du hast dir immer Sorgen gemacht, dass du niemals wachsen wirst.” Ihre Stimme brach, sie schien kurz vor den Tränen zu stehen. „Ich habe dich so vermisst, mein Schatz.” Erneut zog sie ihn in eine Umarmung und nach einer Weile schien sie sich beruhigt zu haben. Unerwarterweise drehte sie sich um und sah Rin an, wobei sie ihm dankbar zulächelte. „Vielen Dank für deine Hilfe. Allein bin ich nicht an den Siegeln vorbeigekommen und ich musste zu einer Person, die Azazel nahesteht. Mein Name ist Ruha, ich bin, wie du sicherlich schon gehört hast, Azazels Mutter.” Ein wenig überrascht, dass sie ihn plötzlich ansprach, nickte er. „Kein Problem. Ich bin Rin.”, stellte sich der Nephilim ein wenig unsicher vor, obwohl er seinen Namen bereits vorhin genannt hatte. Er hatte keine Ahnung wie er sich verhalten sollte, immerhin war sie früher mit seinem Vater zusammen gewesen und er war das Kind einer seiner späteren Frauen. Man konnte es drehen wie man wollte, die Situation war mehr als seltsam. Ob sie sauer war, dass sein Vater weitere Frauen genommen hatte? „Soll ich euch allein lassen oder…?”, er brach ab, da Ruha den Kopf schüttelte. „Es wäre gut, wenn du das hörst. Bleib bitte hier.” Azazel nickte ebenfalls, blieb allerdings stumm. Anscheinend war er noch immer damit beschäftigt, die momentane Situation zu begreifen. Der Halbdämon kam so nah heran, wie es möglich war und setzte sich auf den Boden, während sich Ruha neben Azazel auf dem Bett niederließ. „Ich weiß, das ist ein Schock für euch, aber wir ich habe nicht viel Zeit, daher muss ich direkt zum Punkt kommen. Ich breche hier gerade jede Menge Gesetze, aber ich kann nicht mehr tatenlos zusehen.”, begann sie ernst. „Lilith hat etwas vor und sie hat es dabei vor allem auf euch beide abgesehen. Azazel, sie will dich zurück, solange der Vertrag zwischen euch noch gültig ist, unter anderem, um ein Druckmittel gegen Satan zu haben.”
 

„Lieber bringe ich mich um, als nochmal ihr Schoßtier zu sein.”, grollte der Geisterdämon hasserfüllt, woraufhin er einen strengen Blick von seiner Mutter erhielt. „Wage es ja nicht, auch nur daran zu denken! Du wirst leben, Ende der Diskussion!”, verkündete sie entschlossen. „Alles ist besser als Liliths Sklave zu bleiben.”, konterte Azazel düster. „Mag sein, aber so weit wird es nicht kommen.”, antwortete die Dämonin bestimmt und sah zu Rin. „Sie möchte dich endgültig los werden, Rin. Ich weiß nicht wie oder wann, doch sie wird nicht Ruhe geben, bis sie dich getötet hat. Wenn es sich ergibt, würde sie dich vielleicht noch einmal als Wirt nutzen, aber sie wird das Risiko kaum eingehen.”
 

„Woher weißt du das?”, fragte Rin verwirrt. „Man bekommt im Reich der Toten mehr mit, als so mancher denkt.”, kam die kryptische Antwort, die er bereits von Shiro erhalten hatte. „Mehr darf und kann ich nicht sagen, immerhin biege ich schon die Regeln indem ich hier auftauche.”, fuhr die Schwarzhaarige fort. „Ich bin auf die Mütter eurer restlichen Geschwister getroffen und wir waren uns alle einig, dass etwas passieren muss. Die Grenze zwischen den Welten ist dünn, aber da wir bereits so lange tot sind, ist es uns nicht möglich gewesen, sie zu überqueren. Darum haben wir uns dazu entschlossen, dass eine von uns geht und der Rest seine spirituelle Energie dafür leiht. Ich habe als Geisterdämonin die meiste Kraft, daher wurde ich ausgewählt. Es war nicht einfach und die Verankerung ist nicht die stärkste, aber vorerst muss es genügen. Selbst unsere gemeinsame Kraft hätte beinahe nicht gereicht, doch glücklicherweise haben ein paar andere mitgeholfen. Unter anderem auch Kora, Veles und Vassago.”
 

„Wer?”, fragte Rin überrascht. Die Namen waren ihm nicht bekannt, es mussten also Dämonen sein, die vor seiner Ankunft in Gehenna gestorben sind. „Kora und Veles sind Ankous und Vayas Eltern und Vassago ist Amons Vater.”, erklärte Azazel kurz. „Meinst du, du kannst durchhalten, bis Vater zurück ist? Er sollte die Verankerung nochmal festigen können, wenn die anderen ihm helfen.” Ruha zögerte. „Ich werde mein Bestes geben, aber garantieren kann ich nichts.”, erwiderte sie schließlich. „Jetzt müssen wir uns erst mal um euch kümmern. Lilith hat einige ihrer Leute gesandt, um sich einzuschleichen, einige von ihnen sind Rakshasa. Ich weiß nicht, was sie genau vorhaben, aber könnte mir gut vorstellen, dass sie alles tun, um euch zu sabotieren, von Vorräten vergiften bis hin zu Streitereien anzetteln und Medikamente unbrauchbar machen.”
 

„Aber sie sind Gestaltwandler, wie sollen wir sie da finden? Sie könnten sich als Personen ausgeben, die wir kennen.”, fragte Rin nervös. Sie hatten es vor dem Sturz seines Vaters wiederholt geschafft, sich in dessen Palast zu schleichen und für Ärger zu sorgen, wie sollten sie da Erfolg haben, wo die Wachen Gehennas gescheitert waren? „Gehe zu den Exorzisten. Die meisten Rakshasa werden sich als Dämonen ausgeben, weil es einfacher für sie ist, die zu imitieren.”
 

„Dann sollte ich es gleich machen.”, überlegte Rin. „Vielleicht haben wir Glück und sie sind noch nicht hier reingekommen. Aber wie erkläre ich es, dass ich das weiß? Wenn sie die Wahrheit sagen, glaubt mir bestimmt keiner.”
 

„Zuerst kannst du erklären, warum du hier bist!”, hörte eine Stimme hinter sich, die ihn herumfahren ließ. Im Türrahmen stand Christina und sah ihn wütend an. „Du weißt ganz genau, dass du nicht herkommen sollst! Es ist zu gefährlich-”
 

„Jetzt bleib mal auf dem Boden Christina, er hatte einen guten Grund her zu kommen.”, unterbrach Azazel die Hexe ruhig. Verwundert sah sie ihn an, dann wanderte ihr Blick zu Ruha und ihre Augen weiteten sich. „Du hast die Tür geöffnet, um einen Geist rein zu lassen?!”, entfuhr es ihr. Rin wollte zur Antwort ansetzen, stockte jedoch verblüfft. „Warte, du kannst sie sehen?!” Er dachte immer, nur Geisterdämonen, ihnen zugehörige Hexen oder Menschen mit besonderen Fähigkeiten konnten sie sehen. „Das Siegel sorgt dafür, dass sie für jeden sichtbar ist.”, hörte er Azazel sagen, dann wandte er sich an die verdutzt dreinschauende Hexe. „Christina, das ist Ruha, meine Mutter. Mutter, das ist Christina, eine Hohepriesterin eines Hexenzirkels von Samael.”
 

„Ähm…Hi…Eure Majestät…?”, antwortete die Hexe mehr als überfordert. „Wobei Majestät nicht mehr gilt…oder?” Ruha winkte ab. „Wir haben jetzt keine Zeit dafür, es ist jetzt wichtiger, dass ihr eure Leute warnt. Ihr müsst zumindest so lange durchhalten bis Satan mit seinen Truppen zurück ist, dann sehen wir weiter.”
 

„Wovor warnen?”, hakte Christina nach. „Lilith will ihre Leute hier einschleusen, darunter sind Rakshasas, also müssen wir uns beeilen.”, antwortete Rin und wandte sich wieder an Azazel. „Wir bringen das irgendwie in Ordnung, ok? Also wage es nicht, schlapp zu machen!” Der Geisterdämon nickte erschöpft. „Wusstest du eigentlich, dass dein übertriebener Optimismus echt nervig sein kann?”, grummelte er, allerdings war der Anflug eines Lächelns zu erkennen. „Passt auf euch auf. Ich wünschte wirklich, ich könnte mehr tun. Wenn Satan zurückkommt, sagt ihm bitte, dass er herkommen soll.”, fügte Ruha hinzu und natürlich versprachen es beide. Widerwillig verließ Rin den Raum, aber zumindest war Azazel nicht mehr allein und konnte die Zeit mit seiner Mutter verbringen. „Geh du schon mal vor.”, sprach Christina ihn an. „Ich muss die Tür neu versiegeln, dann komme ich direkt hinterher.” Der Nephilim nickte und machte sich schnell auf den Weg. Sofort steuerte er das Zimmer an, welches sich Yukio mit den männlichen Adepten teilte. Wie erwartet schliefen alle tief und fest, doch Rin machte sich nicht die Mühe, sie vorsichtig zu wecken, immerhin bestand Zeitdruck. Stattdessen beschränkte er sich darauf, sie aus dem Bett zu brüllen, woraufhin sie erschrocken hochfuhren. Yukio griff sofort nach seiner Pistole, welcher unter dem Kopfkissen lag und sah sich hektisch um, ließ sie aber wieder sinken, als er keine Gefahr entdeckte. „Okumura, was zur Hölle ist dein Problem?! Wir dachten-”, setzte Bon an, wurde jedoch von Rin unterbrochen. „Keine Zeit, wir müssen sofort andere Exorzisten suchen, Lilith versucht Rakshasas hier rein zu schmuggeln, vielleicht sind sie sogar schon drin!”
 

„Ähm…was?”, fragte Shima und rieb sich noch schlaftrunken die Augen. „Woher weißt du das?”
 

„Das ist jetzt unwichtig!”, wich der Nephilim der Frage aus. „Wir müssen uns sofort darum kümmern!” Unsicher sahen sich die anderen an, dann ergriff Konekomaru zögerlich das Wort. „Bist du sicher, dass du nicht nur geträumt hast? Nach allem, was passiert ist, kann das schon passieren.”, schlug er zaghaft vor. Rin widerstand dem Drang sich die Haare zu raufen (die Eigenarten seiner Geschwister und seines Vaters schienen mehr abzufärben als gedacht) und schüttelte stattdessen den Kopf. „Das war kein Traum! Bitte, ihr müsst mir glauben! Ich verspreche, es euch später zu erklären!” Kurzes Zögern folgte, dann nickte Yukio schließlich. „Na gut, ich glaube dir.” Der Rest nickte zustimmend. „Du wirst dir wohl was bei denken…”, grummelte Bon. „Wenn du recht hast, müssen wir so schnell es geht den anderen Bescheid sagen.”
 

„Aber was, wenn die Rakshasas schon hier sind und sich als Menschen ausgeben? Wenn sie merken, dass wir über ihren Plan Bescheid wissen, werden sie uns bestimmt töten.”, warf Shima nervös ein. „Das ist eher unwahrscheinlich. Menschen sind für sie schwerer zu imitieren, allein wegen der Sprache.”, erklärte Rin schnell und genoss es sehr, zur Abwechslung als einziger etwas zu wissen und überraschte Blicke zu bekommen. „Sie werden sich eher als Dämonen ausgeben, also sollten wir um die einen Bogen machen, zumindest solange nicht mehr davon wissen. Außerdem habe ich irgendwo gelesen, dass man sie mit etwas Glück an den Augen erkennen kann, aber das geht wohl nur, wenn sie schon längere Zeit in einer Gestalt geblieben sind, also fällt das wohl weg.”
 

„Gut, dann würde ich vorschlagen, dass wir zuerst alle auf diesem Flur aufwecken und uns dann aufteilen. Je schneller sich die Nachricht verbreitet, umso besser.”, sagte Yukio und alle stimmten zu. Sie begannen sofort damit, die Exorzisten in den nächsten Räumen zu wecken. Natürlich bekamen dadurch auch mehrere Dämonen mit, was los war, aber darüber konnten sie sich später Gedanken machen. Selbst wenn Rakshasas dabei waren, jetzt wussten zu viele davon, als dass sie es noch aufhalten konnten. Rin war gerade auf eine Patrouille getroffen und hatte diese gewarnt, als er eine vertraute Stimme seinen Namen rufen hörte. Es war Izumi. Der Halbdämon wartete, damit der Mönch aufholen konnte. „Hier bist du also!”, wurde er begrüßt. „Hier steht gerade alles Kopf! Angeblich will Lilith einige ihrer Leute hier einschleusen-”
 

„Ja, ich weiß.”, unterbrach Rin den älteren. „Ich bin es, der die Warnung ursprünglich verbreitet hat, zusammen mit Yukio und meinen Freunden.” Wie erwartet erhielt er einen verwirrten Blick. „Die Warnung kam von dir? Aber woher wusstest du das?” Erneut zögerte Rin, bevor er antwortete. „Lange Geschichte. Sagen wir, es ist ˈne Dämonensache, ok? Ich erkläre es später, versprochen.” Glücklicherweise hakte Izumi nicht nach und nickte. „Also gut. Aber du solltest hier wirklich nicht allein rumlaufen, wenn sie doch schon drin sind, bist du für sie ein gefundenes Fressen. Die anderen suchen dich auch überall.” Früher hätte sich der Jugendliche wohl darüber aufgeregt, dass er selbst auf sich achten konnte und sie ihn nicht ständig babysitten musste, doch im Laufe der vergangenen Monate war ihm klar geworden, wie wertvoll die Unterstützung anderer war. Es war sehr rührend, dass sie noch immer auf ihn aufpassten, auch wenn er längst nicht mehr ihre Verantwortung war. Sicher, ein Teil würde sich immer fragen, was gewesen wäre, wenn er in Gehenna aufgewachsen wäre, aber ein anderer war froh, eine so großartige Zweitfamilie gehabt zu haben. „Ich wollte jetzt sowieso wieder zu Yukio und den anderen. Ich schreibe ihnen eine Nachricht, dann können wir uns treffen.”. schlug er vor und natürlich stimmte Izumi zu. Wenige Minuten trafen sie sich in der Kantine, wo reger Betrieb herrschte. Offenbar hatte sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet. „Du hattest recht, Rin.”, wurde er von Yukio begrüßt. „Sie haben zwei Rakshasas dabei erwischt, wie sie unsere Vorräte vergiften wollte und ein weiterer die Wasserversorgung. Das Gift hätte einen Menschen innerhalb von Sekunden getötet und Dämonen hätte es erst gelähmt und dann langsam getötet.” Wie auf Stichwort schwangen die Türen auf und die drei Rakshasas wurden in den Raum gezerrt. Diese versuchten sich laut zischend loszureißen, aber die Dämonen, die sie hielten, ließen nicht locker. Es war tatsächlich das erste Mal, dass Rin Rakshasas vom nahen sah. Entgegen anderer humanoid aussehender Dämonen hatte ihre Haut eine unnatürliche Farbe und konnte rot, gelb, blau, grün, schwarz, pink, silber, braun oder orange sein. Zudem waren ihre Dämonenmale durchgehend zu sehen und manche hatten ein drittes Auge auf der Stirn, was hier allerdings nur bei einer der beiden Frauen der Fall war. „Hände weg, ihr dreckigen Verräter!”, fauchte die andere Rakshasi, doch die Dämonen ignorierte sie. „Sie weigern sich, uns zu sagen, wie sie reingekommen sind oder ob noch mehr hier sind. Was tun wir jetzt?”, fragte einer von ihnen. Ein wenig planlos sahen sich die übrigen Dämonen und Exorzisten an. Sie hatten nicht direkt einen Anführer festgelegt, stattdessen teilten sich einige das Kommando. „Wie wär’s. wenn wir Alastor fragen? Er hat immer noch den höchsten Rang und die meiste Erfahrung.”, schlug schließlich ein Dämon vor. „Sperren wir sie ein, bis Lord Satan zurück ist, schlussendlich entscheidet er ohnehin.”, warf ein anderer ein. „Sie sind in unser Hauptquartier eingedrungen, das sollte dem Paladin und den Grigori zustehen!”, protestierte einer der Exorzisten. Rin und alle anderen unterdrückten ein Aufstöhnen. Wieder ging Streit los, konnte es nicht einmal ohne gehen? „Das können wir aushandeln, wenn sie wieder da sind.”, mischte sich ein weiterer Exorzist ein. „Sperren wir sie vorerst ein und suchen weiter falls noch mehr hier sind.” Glücklicherweise stimmten alle zu, manche widerwilliger als andere, aber zumindest war es zu keiner Eskalation gekommen. Rin war erleichtert, dass niemand hinterfragte, woher die Warnung gekommen war, er hatte momentan wirklich keine Lust ihnen das erklären zu müssen. Abgesehen davon könnten sich irgendwo weitere Anhänger Liliths herumtreiben, besser sie erfuhren nichts von Ruha. Leider wurde schnell deutlich, dass sich tatsächlich noch mehr im Gebäude befinden mussten, da nur wenige Minuten später mehrere Leichen ein Stockwerk höher gefunden wurden und Brandspuren aufwiesen, dabei besaßen Rakshasas keinerlei Feuerkräfte. Sie verließen sich lieber auf Täuschung, Angriffe aus dem Hinterhalt oder griffen wie Luxuria auf Illusionen zurück. Folglich mussten die gesuchten Feuerdämonen sein, was die Suche nur schwerer machte. Dafür hatten sie herausgefunden, wie Liliths Leute eindringen konnten: Es gab alte Tunnel unter der Stadt, von denen einer direkt hier rein führte. Zwar war dieser vor knapp 100 Jahren verschlossen worden, aber als Lilith die Basis übernommen hatte, hatten sie ihn wieder freigelegt. Wahrscheinlich waren sie nur auf Zufall darauf gestoßen, weswegen es nicht weiter verwunderlich war, dass niemand nach der Rückeroberung überprüft hatte, ob der Gang wirklich noch verschlossen waren. Nach langer Suche ging man davon aus, dass der Rest entweder geflohen war oder sich irgendwo im Gebäude versteckte. Aus diesem Grund sollten alle vorerst in ihre Unterkünfte beziehungsweise auf ihre Posten zurückkehren und dabei in Gruppen bleiben. Da Rin momentan allein in seinem Zimmer schlief, wurde er kurzerhand umverlegt und sollte nun mit seinem Bruder und dem Kyoto Trio in ein Zimmer, wo einige Betten frei waren. Zudem patrouillierten mehr Wachen auf dem Gang, für den Fall, dass der flüchtige Dämon ihn angreifen wollte. Zwar war ihm das ein wenig unangenehm, aber es war auf jeden Fall besser, als im Schlaf ermordet zu werden.
 


 

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Paris hatte sich seit Iblisˈ letztem Besuch kaum verändert. Er sollte wohl nicht weiter überrascht sein, immerhin war er in den letzten Jahrzehnten immer wieder in dieser Stadt unterwegs gewesen. In anderen Ländern, wo er seltener unterwegs war, waren die Unterschiede deutlicher. Normalerweise wäre es wohl etwas Gutes, sich bereits auszukennen, aber in diesem Fall war der Baal nur noch genervt. Er konnte selbst nicht erklären warum, aber dieses Land und er schienen einen aufeinander beruhenden Hass zu haben. Besonders Paris konnte er nicht leiden, wobei dies eventuell diesem einen Mal, wo sie sich dank Lucifer in den Katakomben verlaufen hatten, zuzuschreiben war. Azazel hatte es zweifellos am meisten mitgenommen, er hasste enge Räume und bekam im schlimmsten Fall sogar Panikattacken, doch Iblis hatte es, warum auch immer, ebenfalls ziemlich fertig gemacht. Hinzu kam noch sein ständiger Ärger mit der Polizei, die wahrhaftig ein Talent dafür hatte, ihn immer dann anzutreffen, wenn es so gar nicht passte. Schritte ertönten hinter ihm und er sprach die Person, ohne sich umzudrehen an. „Hau ab, Jahi. Ich bin echt nicht in Stimmung für deinen Scheiß.” Er sah förmlich vor seinem inneren Auge wie die Dämonin zusammenzuckte. Zu seinem Ärger kam sie näher, wenn auch zögerlich. Hinter ihr standen in kurzer Entfernung zwei Aufpasser, die sie genau beobachteten. „Bitte, ich möchte mit dir reden.”
 

„Dafür hattest du die letzten Jahrhunderte Zeit gehabt. Zu spät. Jetzt verschwinde. Ich toleriere dich hier, aber das heißt nicht, dass alles wieder in Ordnung ist.”, zischte er genervt und widerstand dem Drang, sich umzudrehen und der Dämonin, welche er einst für eine Freundin gehalten hatte, eine reinzuhauen. „Das verstehe ich und ich verspreche, dass ich gehe, sobald ich fertig bin. Bitte, ich will es nicht so stehen lassen-”
 

„Tja und ich wollte mich mit Personen befreunden, denen ich trauen kann, keine Halbgeschwister, die versuchen mich umzubringen und ein paar Wochen Urlaub in Spanien. Schätze, wir werden beide enttäuscht.”, antwortete Iblis und schaute die Rothaarige endlich an. Beschämt wich sie seinem Blick aus und wrang ihre Hände, offenbar hin und her gerissen. „Ich bin nicht Rin oder Egyn.”, fuhr der Baal daher fort. „Ich vergebe nicht so leicht, vor allem, wenn man mich anlügt oder verrät. Ich hatte in meinem Leben schon genug falsche Freunde, aber du heimst in der Kategorie eindeutig die Lorbeeren ein. Nach all der Zeit, in der ich mit Samael zusammengelebt habe, sollte man meinen, ich erkenne, wenn jemand lügt.” Jahi schweig und blieb wo sie war. Der Dämonenkönig wusste nicht, ob er genervt oder wütend deswegen sein sollte. Er wollte, dass sie ihn endlich in Ruhe ließ und verschwand. Gerade wollte er sie erneut anfahren, als ihm eine Frage einfiel, die ihm schon einige Zeit unter den Nägeln brannte. Wahrscheinlich würde ihm die Antwort nicht viel bringen oder großartig kümmern, aber er wollte es wissen. „Lasst uns allein. Ich sage Bescheid, wenn ihr sie holen sollt.”, befahl er den beiden Dämonen im Hintergrund. „Seid Ihr sicher? Sie könnte versuchen zu fliehen oder Euch anzugreifen.”, fragte einer von beiden, woraufhin der Feuerdämon schnaubte. „Ich kann mich verteidigen und wenn sie so dumm ist abzuhauen, töte ich sie. Also ja, ich bin sicher.” Für einige Sekunden zögerten beide, dann gaben sie nach und gingen. Jahi sagte nichts und sah Ibis erwartungsvoll an. „War sie es wirklich wert?”, fragte dieser direkt. Überrascht sah die ältere Dämonin ihn an. „Was?”, antwortete sie unsicher und rieb sich dabei nervös den Unterarm, eine Angewohnheit, die ihm bereits häufiger aufgefallen war. „Aeshma. Sie war einer der Hauptgründe, dass du deinen kleinen Rachefeldzug begonnen hast, nicht wahr? Anscheinend war sie nicht unbedingt die beste Mutter, aber trotzdem tust du es auch für sie.”, erklärte er und war selbst verblüfft wie ruhig er sprach. „Natürlich ist sie das!”, rief Jahi sofort. „Sie war meine Mutter!” Iblis lächelte bitter. „Und meine, zumindest aus biologischer Sicht. Blut allein macht die Familie nicht aus. Deine Geschwister verstehe ich, aber warum Aeshma? Sie hat deinen Vater betrogen, hat Gehenna an Lilith verraten und ich wette, sie war nach dem Rauswurf nicht sonderlich fürsorglich. Also, warum wolltest du sie unbedingt rächen?” Jahi zögerte, dann seufzte sie und trat einige Schritte nach vorne. Iblis beobachtete sie genau, als sie sich neben ihn setzte, sagte jedoch nichts. „Mein Vater war ein Arschloch, sie war nicht glücklich bei ihm.”, begann sie und für einige Sekunden veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, offenbar in den Erinnerungen versunken. „Ihre Ehe war arrangiert, auch wenn ihre Familien das vehement abstreiten würden. Dafür war er immer sehr fürsorglich, wenn es um mich und meine Geschwister ging. Zumindest bis zu dem Tag, an dem er von der Affäre erfuhr.”, erklärte sie und brach kurz ab, eh sie weitersprach. „Mama war nicht die liebevollste Mutter, sie war eher an ihrem sozialen Leben und ihrem Aussehen interessiert, aber sie hat sich dennoch um uns gekümmert. Im Nachhinein betrachtet, bin ich nicht sicher, wie wichtig wir ihr wirklich waren. Manchmal hatte ich das Gefühl, war wären nur Trophäen, die schön anzusehen sind und durch die man sich besser als alle anderen fühlt. Sie hat gegenüber ihren Freunden immer mit unseren Erfolgen geprahlt und uns mit deren Kindern verglichen, als wäre es eine Art Wettbewerb, worum es auch ging. Sie hat Aufmerksamkeit genossen, egal welcher Art und ich wäre nicht überrascht, wenn sie noch andere Affären hatte. Wie gesagt, ihre Ehe war ziemlich lieblos.”
 

„Mit anderen Worten, sie hat euch ausgenutzt.”, unterbrach Iblis sie. „Ihr war ihr eigener Ruf und ihr Leben wichtiger und ich bin nicht überrascht.”
 

„Hey, wenn du schon fragst, lass mich ausreden.”, konterte Jahi. „Ja, ihre Liebe war nicht bedingungslos, aber trotzdem habe ich sie geliebt. Als wir dann rausgeflogen sind, hat sich alles geändert. Von da an waren wir auf uns gestellt und Mama war zu stolz, um Hilfe bei Satan zu suchen. Ich habe damals kaum begriffen, was los war, ich wusste nur, dass wir nie wieder nach Hause gehen würden. Es war nicht einfach für uns, aber trotzdem hat sie uns nicht ins nächste Waisenhaus gesteckt. Vielleicht hatte sie noch Hoffnungen, doch irgendwie zurück in eine hohe Position zu kommen oder liebte uns mehr als gedacht. Sie war nicht perfekt, aber sie war immer noch meine Mutter. Als sie gestorben ist, war ich am Boden zerstört und als ich dann von meinen Geschwistern getrennt wurde, dachte ich, alles wäre endgültig vorbei. Glücklicherweise habe ich dann meine Adoptivfamilie bekommen und habe sogar einige Jahre Stihi und Aym wieder gefunden und Kontakt mit ihnen gehalten. Den Rest kennst du. Ja, sie war nicht die beste Mutter und keine gute Person und ich bin wütend auf sie wegen ihrer Lügen, aber ich kann mich nicht dazu bringen, sie zu hassen.”, schloss sie. „Du willst nur nicht einsehen, dass sie eine schlechte Person und Mutter war.”, schnaubte Iblis. „Hätte sie sich wirklich um euch gesorgt, hätte sie die Wahrheit gesagt, stattdessen hat sie euch angelogen und diese Lüge hat Stihi und Aym wahrscheinlich das Leben gekostet. Wenn du jemanden die Schuld an allem geben willst, dann suche sie bei ihr und Lilith.”, erklärte er ungerührt und stand auf. „Wenn das alles ist, kannst du ja wieder gehen.” Jahi sprang ebenfalls auf. „Verdammt nochmal, ja, ich habe eine Fehler gemacht, aber wenn du mich nicht ausreden lässt-”
 

„Was soll es noch zu bereden geben?”, unterbrach Iblis sie harsch. „Ich habe dir vertraut, du hast uns verraten und jetzt kommst du wieder angekrochen. Lüge hin und her, ich verzeihe dir nicht, dass du meine ganze Familie und Gehenna mit reingezogen hast. Tu uns beiden einen Gefallen und halte dich fern von mir. Mir ist es egal, was aus dir wird, für mich bist du gestorben. Fahre meinetwegen zum Hades, es kümmert mich nicht.” Abrupt wandte er sich um und ging, um den Aufpassern Bescheid zu sagen und Egyn zu suchen. Dieses Mal hielt Jahi ihn nicht auf.

 
 

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Wie durch ein Wunder verlief die Nacht ohne weitere Zwischenfälle und Rin erwachte mehr oder weniger ausgeruht, obwohl er lange wach gelegen hatte. In der Kantine setzte er sich mit seinem Bruder und den Adepten zusammen, wo Izumo ihn erneut auf letzte Nacht ansprach und nachfragte, woher er von den Eindringlingen wusste. Nach einigem Zögern erzählte er, was geschehen war und erhielt dafür fassungslose Blicke. „Du willst uns wirklich erzählen, dass Azazels Mutter, die in seiner Kindheit gestorben ist, dir als Geist erschienen ist, damit du sie zu Azazel führst und sie euch warnen kann?”, fasste Bon zusammen, offenbar mehr als zweifelnd. „Das kann nicht dein Ernst sein.”
 

„Warum sollte das nicht gehen? Sie ist sicherlich mächtig und wenn sie Hilfe hatte, wird das vieles einfacher machen. Wir wissen nichts über Geister, also können wir das kaum beurteilen.”, warf Konekomaru ein. „Es ist aber irgendwo auffällig, dass sie ausgerechnet jetzt auftaucht.”, kommentierte Shima und wirkte dabei ausnahmsweise nachdenklich. „Was wenn das gar nicht seine Mutter ist, sondern ein anderer Geist gibt sich als sie aus? Oder es ist kein Geist, sondern ein Dämon oder ein Gestaltwandler oder sowas?”
 

„Sie hat sich wie ein Geist angefühlt und die typischen Anzeichen waren ebenfalls da. Abgesehen davon hätte sie uns kaum gewarnt, wenn das ein Trick von Lilith ist. Und Azazel denkt offensichtlich, dass sie echt ist und er wird’s wissen.”, argumentierte Rin, auch wenn Shimas Worte ihn zweifeln ließen. Was, wenn es wirklich ein Trick war? „Na ja, sie ist seine Mutter, es wäre nicht so überraschend, wenn er sich dann leichter täuschen lassen würde.”, warf Izumo ein und machte ihn damit noch nervöser. „Wenn meine tote Mutter mir plötzlich erscheinen würde, dann würde ich es auch nicht wahrhaben wollen, dass es ein Trick ist.” Damit lag sie nicht falsch, bei Rin wäre es nicht anders. Würde Shiros Geist plötzlich auftauchen, wäre er wohl ebenfalls zu glücklich, um auf andere zu hören, die es für eine Falle hielten. „Warum fragst du nicht jemanden, der Azazels Mutter kannte? Vielleicht weiß er oder sie mehr.”, schlug Konekomaru vorsichtig vor. „Die einzigen, die mir da einfallen, sind Vaya und Alastor.”, antwortete Rin langsam. „Aber Vaya war selbst noch Kind, als sie gestorben ist und sie hat mir mal erzählt, dass sie trotz ihres Elementes nicht allzu viel über Geister weiß, nur die Grundlagen und Alastor ist nicht hier.”
 

„Alastor ist doch dieser Dämon, der immer so grimmig dreinschaut und die ganzen Narben und eine Tätowierung auf der Stirn hat?”, fragte überraschenderweise Shiemi, woraufhin Rin nickte. „Ihn habe ihn erst gestern Abend gesehen, anscheinend war er verletzt und durfte deswegen nicht mitkämpfen.” Rin mehr als überrascht von ihrer Aussage, immerhin gehörte Alastor zu den besten Kämpfern Gehennas. Es fiel ihm schwer, sich den Feuerdämonen kampfunfähig vorzustellen. Andererseits wurde auch seinem Vater großes Können nachgesagt und dieser war von Lilith und den Aveira besiegt worden. Schlussendlich konnte wohl jeder verletzt oder getötet werden, ganz egal wie gut und erfahren man war. Vielleicht wäre es tatsächlich das Beste, ihn zu fragen. Zwar mochte Alastor ihn nach wie vor nicht, aber in diesem Fall würde er sicher zuhören. „Weißt du, wo er ist?”, fragte er Shiemi, diese zuckte leider mit den Schultern. „Nein, keine Ahnung. Aber wenn du rumfragst, wirst du es sicher herausfinden. Sollen wir mitkommen und dir helfen?” Schnell schüttelte Rin den Kopf. „Besser nicht. Er mag Menschen noch weniger als mich und er wird nicht gerade gute Laune haben. Außerdem habt ihr doch sicher auf der Krankenstation zu tun.” Die blonde Adeptin wirkte enttäuscht, nickte jedoch und wandte sich wieder ihrem Frühstück zu. Die anderen fuhren ebenfalls mit frühstücken fort, allerdings lag eine seltsame Stimmung in der Luft. Rin hatte zwar begonnen sich wieder an sie zu gewöhnen, aber dennoch war es nicht wie früher. Vielleicht lag es an seiner Zeit in Gehenna, vielleicht an etwas anderem, so oder so gefiel es ihm nicht. Es war wie eine Kluft, die zwar nicht groß, aber trotzdem nicht zu überqueren war. Ob sich das nach dem Krieg verflüchtigen würde? Schlussendlich war es Yukio, der erneut die Stille durchbrach. „Ich habe übrigens gehört, dass sie einen Feuerdämonen gefangen genommen haben. Zwar ist es noch nicht ganz sicher, aber wahrscheinlich ist er der letzte Lilith Anhänger. Es ist ihnen außerdem gelungen, die Tunnel zu verschließen, wir haben also von dort nichts mehr zu befürchten.”
 

„Du solltest trotzdem nicht allein zu Alastor gehen, Rin.”, fügte Bon hinzu. Der Nephilim nickte nur seufzend, ihm fiel sogar zunächst gar nicht auf, dass der angehende Aria ihn soeben beim Vornamen genannt hatte, was er sonst nie tat, doch es ließ nicht lange auf sich warten. „Moment mal, seit wann nennst du mich beim Vornamen?!” Sofort schoss dem älteren Jungen die Röte ins Gesicht und er versuchte schnell, sich zu rechtfertigen. „N-Na ja, wir kennen uns jetzt so lange, haben einiges erlebt und sind in eine Klasse gegangen. Und es ist seltsam, wenn sich Freunde mit Nachnamen anreden also…”
 

„Warum nennt ihr Shima dann nie beim Vornamen?”, fragte Izumo und rettete Bon damit vor einigen Sticheleien. Konekomaru zuckte mit den Schultern. „Das ist eben so.”
 

Die junge Adeptin verdrehte daraufhin die Augen. „Warum ihr euch überhaupt mit ihm abgebt, ist mir ein Rätsel. Er ist ein Volltrottel.” Natürlich konnte der Pinkhaarige dies nicht auf sich sitzen lassen und verteidigte sich sofort. „Ein Volltrottel?! Weißt du, Izumo-chan, Worte können auch weh tun.”, jammerte er schmollend. „Und ich bin kein Trottel! Ich bin eben nicht so ernst wie ihr. Es bringt doch nichts, sich immer nur unter Druck zu setzen!” Rin ignorierte ihr übliches Drama, beendete sein Frühstück und brachte sein Tablet weg. Er kehrte dann an den Tisch zurück, um sich zu verabschieden und suchte sich jemanden, der bereit war, ihn zu Alastor zu bringen. Glücklicherweise fand sich recht schnell jemand dafür und sie machten sich gemeinsam auf den Weg. Es waren zwei Dämonen, welche zur Bewachung abkommandiert waren und sichtlich erleichtert darüber waren, ein wenig Abwechslung zu bekommen, wenn auch nicht für lange. Wie sich herausstellte, war die rechte Hand Satans in einer der Trainingshallen und damit beschäftigt, mehrere Ziele zu pulverisieren. Rin war nicht sicher, ob es wirklich klug war, sich ihm zu nähren, er befürchtete, selbst als Ziel zu enden, wenn er zu nahe herankam. Immerhin schien der Feuerdämon gerade ziemlich vertieft und würde ihn am Ende noch für einen Feind halten. Seine beiden Begleiter waren bereits gegangen, weswegen sie momentan die einzigen in der Halle waren. Vielleicht wäre es besser, sich irgendwie bemerkbar zu machen, immerhin wollte er nicht mit einem Attentäter verwechselt und angegriffen werden. „Ähm…Hallo, Alastor!”, rief er dem Vollstrecker zu. „Ich muss mit dir reden.” Falls der Feuerdämon ihn gehört hatte, ließ er sich es nicht anmerken und zerschmetterte einige weitere Ziele. Wieder einmal wurde Rin bewusst, dass er den älteren Dämon wirklich nicht zum Gegner haben wollte. ‚Wenn er schon so kämpft, wenn er verletzt ist und als kampfuntauglich gilt, will ich ihn nicht erleben, wenn er gesund ist. Vor allem, wenn ich sein Ziel bin.’, dachte er schaudernd. Inzwischen war Alastor fertig geworden und wandte sich an ihn. „Du hast es also tatsächlich mal geschafft nicht dem nächstbesten Lilith Anhänger in die Arme gelaufen. Na, Gratulation.”, wurde er begrüßt. Rin spürte wie ihm die Röte ins Gesicht schoss, gab allerdings sein Bestes, um es zu überspielen. „Ja, ich bin selbst überrascht.”, erwiderte er und schien Alastor mit dieser Reaktion im Kalten zu erwischen. Dies hielt jedoch nicht lange an. Mit einem Schnauben ließ er sich auf einer der Bänke nieder, wischte sich den Schweiß von der Stirn und begann damit, seine Schwertklinge zu ölen. „Also, was willst du von mir? Wahrscheinlich keine Trainingsstunde.”, fragte er, ohne von der Kling aufzusehen. Rin zögerte, plötzlich war er nicht mehr so sicher, ob es wirklich eine gute Idee war, ihn von dem Geist zu erzählen. Andererseits hatte er wohl kaum etwas zu verlieren. „Ich will dich etwas fragen. Über Azazels Mutter und…Geister.” Sofort erstarrte der ältere Dämon und für einige Sekunden schwiegen sie sich an, dann hob er den Kopf und sah ihn durchdringend an. „Setz dich, erzähl, was passiert ist und lasse ja nichts weg.”, befahl er grimmig. Zögerlich setzte sich Rin neben ihn auf die Bank und dabei einen kleinen Abstand. „Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen, also bin ich rausgegangen, um mir die Beine zu vertreten. Ich hatte schon am Tag zuvor immer wieder ein seltsames Gefühl gehabt.”, erklärte er. Während er erzählte, verzog Alastor keine Miene und unterbrach ihn nicht, daher dauerte es nicht lange, bis Rin alles erzählt hatte. Für einige Sekunden meinte er, Besorgnis im Gesicht des Feuerdämons zu sehen, welche er allerdings schnell verbarg. „Das war verdammt dumm von dir, ihr zu folgen. Sie hätte ein Trick sein und dich sonst wo hinführen können.”, zischte er, seufzte dann jedoch. „Aber damit hast du uns wohl allen den Arsch gerettet.” Rin traute seinen Ohren kaum. War das tatsächliche Anerkennung von Alastor? „Ich kenne mich nicht mit Geistern aus, aber nach dem, was du mir gesagt hast, wird es auf jeden Fall einer sein.”, fuhr er fort. „Wäre es keiner, hätte das spätestens Azazel erkannt. Man mag von ihm halten, was man will, aber auf dem Gebiet machen ihm die wenigsten was vor.”
 

„Glaubst du, es war wirklich Ruha?”, hakte der Nephilim vorsichtig nach, woraufhin er ein Schulterzucken erhielt. „Schwer zu sagen. Azazel sollte seine Mutter wohl am besten kennen, aber wie du schon selbst festgestellt hast, dürfte sein Urteilsvermögen getrübt sein. Wir könnten einige ihrer Geschwister fragen, aber ich denke, es wäre klüger, es erstmal Satan wissen zu lassen. Auch wenn sie dir geholfen hat, solltest du ihr nicht sofort trauen. Invidia und zahllose Rakshasas haben sowas in der Vergangenheit schon ausgenutzt. Einmal eine harmlos wirkende Gestalt annehmen, sich das Vertrauen erschleichen und dafür notfalls die eigenen Leute opfern und dann zuschlagen.”
 

„Klingt, als würdest du aus Erfahrung sprechen.”, antwortete Rin unsicher. „In einer Position wie meiner überlebt man nicht lange, wenn man nicht mit sowas rechnet.”, kam die knappe Erwiderung. Offensichtlich wollte er nicht darüber reden. „Wissen noch andere davon?” Rin nickte. „Yukio, Christina und meine Freunde. Sonst keiner.”
 

„Du meinst die eine Hohepriesterin von Samael, die wie ein Kind aussieht?”
 

„Genau. Sie hat mich erwischt, als ich mit Ruha bei Azazel war. Seitdem habe ich sie allerdings nicht mehr gesehen. Vielleicht weiß sie mehr, ich könnte sie suchen und mit ihr reden.”, schlug der Halbdämon vor. „Unwahrscheinlich, aber schaden kann es wohl nicht.”, stimmte Alastor zu und überraschte Rin damit erneut. Seit wann war er so…nett? Normalerweise hätte er ihm längst mindestens drei Beleidigungen oder fiese Kommentare an den Kopf geworden. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, einfach den Mund zu halten, doch Rin konnte sich natürlich nicht zusammenreißen. „Wer bist du und was hast du Alastor angetan? Sonst hättest du mich längst beleidigt oder dich über etwas lustig gemacht. Nicht, dass ich mich beschweren würde, aber es ist seltsam. Du bist kein Rakshasa, oder?” Sein diplomatisches Geschick war doch stets bewundernswert. Alastor schien es glücklicherweise nicht zu stören, er verdrehte nur die Augen. „Bin momentan nicht in Stimmung. Abgesehen davon scheinst du immerhin nicht eine komplette Platzverschwendung zu sein.”
 

„Wow, Danke. Was habe ich dir eigentlich je getan? Ja, ich hatte mich zeitweilig den Exorzisten angeschlossen, willst du mir das jetzt ewig vorhalten?”, fauchte Rin, plötzlich ziemlich gereizt. Bisher hatte er Alastors Feindseligkeiten meist ignoriert, aber jetzt hatte er genug. Seine Nerven waren so schon angespannt genug und jetzt kam dieser Arsch an und frustrierte ihn noch mehr. „Das gleiche bei meinen Brüdern! Was ist dein Problem?” Die meisten hätten bei dem Blick von Alastor wohl das weit gesucht, aber Rin erwiderte seinen bösen Blick störrisch. Für einige Sekunden glaubte er, dass der ältere Dämon ihn anfahren würde, umso überraschte war er, als er seufzte und den Blick abwandte. „Macht der Gewohnheit, schätze ich.”, grummelte er. „Ich habe dir nicht getraut, weil du bei den Exorzisten warst und dein ganzes Leben unter Menschen gelebt hast. Rückblickend betrachtet wohl ziemlich dumm, nicht erst mal abzuwarten. Du hast länger gegen Lilith durchgehalten als die meisten. Ich habe dich offenbar unterschätzt.” Erneut traute der Nephilim seinen Ohren nicht. Jetzt bekam er sogar Komplimente. Irgendwie. „Das heißt nicht, dass ich dich mag.”, fügte der Feuerdämon schnell hinzu. „Dachte ich mir, aber du hast meine zweite Frage nicht beantwortet. Was hast du gegen meine Brüder? Du und mein Vater sind gut befreundet, also warum bist du so zu ihnen?”, hakte Rin nach. Er würde nicht lockerlassen, bis er eine ordentliche Antwort bekam! Dieses Mal zögerte der ältere und als er mit sprechen begann, schien er seine Worte vorsichtig zu wählen. „Ich hasse weder sie noch dich, falls du das implizierst.”
 

„Sicher?”, fragte Rin zweifelnd und ließ sein Gegenüber erneut die Augen verdrehen. „Würde ich dich hassen, würdest du nicht mehr atmen. Wenn ich jemanden hasse, ist es mir egal, wenn derjenige stirbt oder leidet und so weit ist es bei euch nicht. Und was deine Brüder angeht, Gründe gibt es einige. Ich bezweifle, dass du es verstehst.”
 

„Dann erkläre es doch einfach. Liegt es wirklich nur daran, dass sie in eine hohe Position geboren wurden und nicht dafür arbeiten mussten?” Etwas ähnliches hatte ihm immerhin damals Ankou erzählt. Alastor war mehr oder weniger auf der Straße aufgewachsen und die Person, die ihn später aufgezogen hatte, war getötet wurden. Im Gegensatz zu den Adligen Gehennas, musste sich die rechte Hand Satans alles erkämpfen, was seine Abneigung gegen sie sowie andere Hochgeborene zumindest teilweise begründete. „Ursprünglich ja, aber es kommt mehr dazu.” Erneutes zögern folgte, dann wandte er sich an Rin. „Wie viel weißt du über den ersten Krieg gegen Lilith? Außer dass Samael Verrat vorgetäuscht hat und sie Lilith gemeinsam versiegeln mussten.” Damit erwischte er Rin im kalten. Zwar hatte er bereits einiges über Gehenna gelernt, doch geschichtliche Aspekte gehörten nicht dazu, da es wichtiger gewesen war, dass er die Sprache lernte und die Kontrolle über seine Flammen bekam. Er dachte an das Gespräch mit den Baal zurück, wo sie zugegeben hatten, dass sie vor allem in diesem Krieg viele ihrer Entscheidungen bis heute hinterfragten. „Nicht viel.”, antwortete er wahrheitsgemäß. „Ich weiß nur, dass sie mitgekämpft haben, Egyn einmal fast gestorben ist und sie sich über manche ihrer damaligen Entscheidungen immer noch unsicher sind.”
 

„Das sollten sie auch.”, kam die grimmige Antwort. „Ihretwegen sind teilweise mehr gestorben, als nötig war. Entweder weil sie nicht auf erfahrenere Kämpfer gehört oder weil sich aus vielen Kämpfen rausgehalten haben.” Das war neu. Rin war immer davon ausgegangen, dass sie stets mitgekämpft hatten, immerhin waren sie nach Satan die stärksten Dämonen. Andererseits machte sie das natürlich zu wandelnden Zielscheiben und er wäre nicht überrascht, wenn ihr Vater sie nicht immer hatte mitkämpfen lassen. Alastor erriet seine Gedanken schnell. „Ja, es war vorwiegend Satan, der es ihnen verboten hat und Fehler passieren jedem, aber in diesem Fall hätten sie vieles verhindern können. Sie haben zu oft unüberlegt gehandelt und Befehle oder Ratschläge ignoriert. Sie waren schlicht und ergreifend zu jung.”
 

„Und das ist der Grund? Du kannst mir nicht erzählen, dass du nie Fehler gemacht hast.”, erwiderte Rin zweifelnd. Alastor schüttelte den Kopf. „Darum geht es nicht. Mein Problem ist, dass sie zu sehr versucht haben ihren Kopf durchzusetzen und das teilweise heute noch tun. Samaels Aktion mit dir ist eines der besten Beispiele. Er bevorzugt seine eigene Unterhaltung, ohne zu bedenken, was es für Folgen für Gehenna hat und Amaimon hat mitgemacht. Iblis lässt sich ständig auf Beziehungen oder Treffen ein, obwohl er genau wissen sollte, dass das nicht ungefährlich ist und vernachlässigt dann meist noch seine Pflichten. Du willst gar nicht wissen, wie oft er schon in Assiah war und seinen eigentlichen Auftrag nach hinten verschoben hat, weil er irgendjemanden getroffen hat, der ihm gefallen und sich dann die Nacht mit demjenigen vertrieben hat. Astaroth und Amaimon wissen einige grundlegende, wichtige Dinge nicht und haben auch kein Interesse daran, das nachzuholen, obwohl es wichtig ist oder lassen ihre Arbeit schleifen und verlieren dann den Überblick. Beelzebub züchtet seine Schoßtiere und hat sie angeblich unter Kontrolle, nur damit sie dann ausbrechen und alles auf den Kopf stellen. Ich könnte jetzt noch einige Beispiele nennen, aber du verstehst sicher, worauf ich hinaus will. Sie vergessen gerne mal ihre Verantwortung und dass sie trotz ihrer Titel nicht mit allem davonkommen können. Sie sind zu leichtsinnig und sorgen ständig für Ärger, den man vermeiden könnte. Sie nutzen zwar nicht direkt ihre Position aus wie es andere Adlige tun, aber sie treffen oft Entscheidungen, ohne über die Folgen nachzudenken.” Damit verstand Rin endlich, worauf er hinauswollte. „Du hast also im Allgemeinen nichts gegen sie, es stört dich nur, dass sie teilweise tun, was ihnen gerade passt und nicht darüber nachdenken, was das für Gehenna bedeuten könnte.” Das erklärte wohl einiges. „Aber warum hast du ihnen das nie gesagt?” Alastor schnaubte. „Was glaubst du, was ich in den letzten Jahrhunderten versucht habe? Sie ignorieren mich entweder oder kontern mit irgendeiner Antwort.”
 

„Vielleicht ist ihnen einfach nicht klar, dass du sie damit auf Fehler hinweisen willst, damit sie sich verbessern können und denken, dass du nur aus Prinzip an allem meckerst. Immerhin bist du sonst immer ziemlich aggressiv ihnen gegenüber. Wenn Shiro mir wegen irgendwas eine Strafpredigt gehalten hat, habe ich irgendwann auch nicht mehr zugehört, weil ich dachte, dass er sowieso nur redet.”, schlug Rin  vor. Er war sicher kein Genie, aber auf ihn wirkte das ganze wie ein Fall schlechter Kommunikation. Er erwartete, dass Alastor es abstreiten würde, doch stattdessen wirkte er tatsächlich nachdenklich. „Kann sein.”, gab er zu. „Und…wie ist es bei mir?”, hakte Rin nach und Alastor hielt inne, dann zuckte er mit den Schultern. „Du bist eine nervtötende, viel zu optimistische Göre, die einen Haufen Ärger macht, aber du bist nicht ganz so schlecht wie ich dachte. Ich spiele nicht mehr so oft mit dem Gedanken dir den Hals umzudrehen wie früher.”
 

‚Wow, wenn das keine Freundschaftserklärung war…ˈ, dachte Rin, konnte sich ein Grinsen allerdings nicht verkneifen. So langsam hatte er das Gefühl, dass Alastor doch nicht so hart war, wie er tat. Es war immer wieder offensichtlich, wie wichtig ihm Gehenna und seine Bewohner waren und er hatte keinen Zweifel daran, dass er jedem zu Hilfe eilen würde, der es brauchte, auch ihm und seinen Brüdern. Sie waren momentan zwar keine Freunde, aber er war zumindest ganz in Ordnung. „Aber egal jetzt, darum mache ich mir Gedanken, wenn sie wieder da sind.”, sprach Alastor weiter. „Nun erstmal zurück zu dem Geist.” Richtig, Rin hatte beinahe schon vergessen, weswegen er überhaupt hier war. „So wie du es beschrieben hast, sollte es die echte Ruha sein, aber es wäre auf jeden Fall besser, auf Satan zu warten.”, fuhr er fort. „Die Siegel sollten sie mit Azazel in der Kammer halten und da regelmäßig Heiler bei ihm vorbeischauen, dürfte nichts passieren.” Rin nickte und erneut herrschte eine seltsame Stille zwischen ihn, welche nur hin und wieder von Alastor unterbrochen wurde, welcher sich weiter um sein Schwert kümmerte. „Also…ich habe gehört, du bist hier, weil du verletzt wurdest?”, fragte der Halbdämon, als er die Stille nicht mehr aushielt. Alastor sah auf und schnaubte. „Pah, das war nur ein Kratzer. Verdammte Giftmischer…und die Heiler haben keine Ahnung, mir gehtˈs blendend. Letzteres stimme offenbar nicht, denn er stand ruckartig auf, zuckte zusammen und griff sich fluchend an die Brust. „Doch nicht so blendend?”, fragte Rin und erhielt dafür einen bösen Blick. „Klappe, Zwerg.”, zischte Alastor, allerdings lag es dieses Mal weitaus weniger Gift in den Worten als sonst. Machte Rin etwa wirklich Fortschritte? Das hätte er wirklich nicht erwartet. „Du solltest hier trotz allem nicht allein rumlaufen, wenn dir was passiert, wird Satan unausstehlich. Ich packe meine Sachen zusammen, dann gehen wir.”, hörte er den Dämonen sagen. Anscheinend wurden sie langsam wirklich warm. Der Halbdämon wartete ein wenig ungeduldig, dass der andere fertig wurde, dann verließen sie gemeinsam die Trainingshalle. Während sie nebeneinander liefen, kam Rin eine Idee, war sich allerdings nicht sicher, was der andere Dämon davon halten würde. Wäre dieser Vorschlag zu viel des Guten? Er würde auf diese Art zumindest etwas produktives tun und von jemanden wie Alastor konnte er sicher eine Menge lernen. ‚Ach, was soll’s. Mehr als nein sagen, kann er nicht. Er wird mir sicher nicht gleich die Zähne rausschlagen. Hoffe ich…’ Zögerlich wandte Rin sich an ihn. „Hey, ich weiß, dass ich wahrscheinlich damit nerve, aber…könntest du vielleicht mit mir trainieren, solange die anderen weg sind? Ich habe bisher eigentlich immer nur waffenlosen Kampf und mit meinen Flammen geübt, aber ich habe keine Ahnung von Schwertkampf, obwohl ich eins habe.” Es war schwer zu sagen, welcher von beiden überraschter war. Rin, der sich fragte, ob er das gerade wirklich getan hatte oder Alastor, welcher es absolut nicht gewohnt war, um Hilfe gebeten zu werden und dann auch noch von der Person, die er am laufenden Band schikaniert hatte. „Ja, das kommt plötzlich, ich weiß.”, redete Rin schnell weiter. „Aber es nervt mich, dass ich ständig beschützt werden muss und meine Flammen kann ich momentan nicht nutzen, also wäre es nicht schlecht, wenn ich mit einer Waffe umgehen könnte. Es liegen doch sicher genug Trainingsschwerter rum, oder? Außer natürlich du hast keine Lust, das ist auch ok-”
 

„Du redest zu viel.”, unterbrach der größere Dämon ihn, wirkte aber nicht sauer oder genervt. Es war eine schlechte Angewohnheit des Nephilim, unter bestimmten Umständen viel zu reden, beispielsweise wenn er nervös war. Alastor schien eine Weile zu überlegen, dann nickte er zu sich selbst. „Ach, warum eigentlich nicht. Ich habˈ nichts Besseres zu tun.” Er wandte sich zurück an Rin. „In Ordnung, ich trainiere dich. Aber glaube nicht, dass ich zimperlich sein werde. Beiße die Zähne zusammen oder gehˈ.”
 

„Etwas anderes will ich auch gar nicht.”, antwortete Rin zufrieden. „Halt dich bloß nicht zurück.” Er zuckte zusammen, als Alastor ein seltsames Geräusch von sich gab, tief und ein wenig kratzig, welches ihm eine Gänsehaut verpasste. Er braucht einige Sekunden bis ihm klar wurde, dass der Feuerdämon lachte. „Nimm den Mund mal nicht zu voll.” Der Rest des Weges wirkte wesentlich entspannter, als wäre eine unsichtbare Last von ihnen genommen. Sie waren noch keine Freunde, aber Rin war zuversichtlich, dass sie sich zumindest von nun an besser verstehen würden. Seine Gedanken wurden je unterbrochen, als Alastor plötzlich seinen Arm zur Seite streckte und ihn somit anhielt. Verwundert sah der Nephilim zu ihm hoch, nicht sicher, was das Problem war. Der Gang, in dem sie standen, war leer und er hörte oder sah nichts Ungewöhnliches. Die Augen des Kriegers waren allerdings verengt und er sah sich kritisch um. „Hier stimmt was nicht.”, grollte er. „Pass auf, dass-” Weiter kam er nicht, da plötzlich eine Gestalt aus den Schatten geschossen kam und genau auf ihn zuhielt. Alastor reagierte schnell, stieß Rin aus dem Weg und zog seine Waffe, mit der er den Angriff blockierte. Dummerweise hatte er nicht damit gerechnet, dass noch mehr hier waren. Rin spürte wie er von hinten gegriffen wurde und etwas spitzes, scharfes in seine Seite gestoßen wurde. Erschrocken schnappte er nach Luft, als sich ein brennender Schmerz an seiner Wunde bemerkbar machte und sich langsam in ihm ausbreitete. Er war kein Heiler, aber sogar er konnte sich denken, was los war: Gift. „Das ist nichts Persönliches, es tut mir wirklich leid.”, hörte eine Frauenstimme leise flüstern. Sie ließ ihn los und er sackte nach Luft schnappend auf die Knie. Alastor hatte derweil seinen ersten Gegner erledigt, aber war offenbar selbst verletzt worden, denn sein Arm blutete stark. Wütend funkelte er Rins Angreiferin an. „Du! Hätte ich mir ja denken können.” Langsam sah Rin auf und obwohl seltsame Schatten vor seinen Augen umherwirbelten und er seine Angreiferin nur von der Seite sah, erkannte er sie. Er war Gula. „Ich habe schon dabei versagt, die Vorräte und medizinischen Vorräte zu vergiften, aber ich werde nicht dabei versagen euch zu erledigen. Nachdem ich dich und den Nephilim getötet habe, bringe ich Azazel zurück zu meiner Meisterin. Tu uns beiden einen Gefallen und wehre dich nicht.”, verkündete sie, aber ihre Stimme zitterte leicht. Sie schien überall sein zu wollen, nur nicht hier. „Wenn ich versage, tötet sie mich, also denke ich, dass ich aufgebe!”
 

„Und das soll mich weswegen interessieren?!”, kam die gefauchte Antwort und die Sünde entging knapp einen Feuerstoß. „Ich sterbe nicht und wenn, nehme ich dich mit!” Damit entbrannte der mehr als ungleicher Kampf. Rin war sich sicher, dass bei beiden schlussendlich jede Menge Knochen gebrochen waren, zumal Alastor bereits angeschlagen gewesen war. Unter normalen Umständen hätte er die Aveira mit links besiegt, aber so hatte sie einen entscheidenden Vorteil. Der Halbdämon war sicher, dass der Feuerdämon jeden Moment überwältigt werden würde und überlegte fieberhaft, was er tun konnte, bevor er das Bewusstsein verlor. Seine Flammen konnte er nicht nutzen und Waffen hatte er keine. Kaum dachte er das, schaffte es Gula tatsächlich, einen Treffer zu landen und mit einem erstickten Laut ging Alastor zu Boden. Offenbar ging es ihm doch schlechter, als er es zugeben wollte. Der Nephilim dachte nicht länger nach und griff an, auch wenn man es kaum als Angriff bezeichnen konnte, eher als Stolpern und auf Gula fallen. Es folgte ein kurzes Gerangel, wobei er es schaffte, ihr die Waffe aus der Hand zu schlagen, dann griff er ihr in die Haare und zog. Gula stieß ein Fauchen aus, versuchte ihn wegzustoßen und riss ihn dabei um. Laut aufkeuchend landete der Nephilim auf dem Rücken und versuchte sich schnell aufzurappeln, nur um erneut von der Sünde umgeworfen zu werden. Zwar war sie kleiner und leichter als er, aber körperlich war sie mindestens genauso stark wie er, weswegen es ihr schlussendlich gelang, ihn am Boden zu halten. Bevor er sie von sich stoßen konnte, begann Gula damit, ihn zu würgen. „Warum kannst du nicht einfach sterben?!”, fauchte die Sünde ihn an. „Warum musst du dich immer in den Weg stellen?! Ich wollte das wirklich nicht tun, aber ich habe keine andere Wahl mehr…also stirb endlich!” Während sie sprach hatte sie einen Dolch hervorgezogen, offenbar ging ihr erwürgen nicht schnell genug, zumal Alastor sich jede Sekunde erholen könnte. Jedoch fiel Rin nun ein, dass er doch nicht waffenlos war. In seiner Hosentasche befand sich Iblisˈ Dolch, welchen er zu seinem Geburtstag bekommen hatte und das würde die Aveira sicherlich nicht erwarten. Lange Zeit zum Nachdenken blieb ihm nicht, er musste jetzt handeln, sonst war er tot. Schnell zog er den Dolch hervor und rammte ihn der Dämonin in die Seite. Überrumpelt von der plötzlichen Attacke, schrie sie auf, ließ von ihm ab und machte den Fehler, den Dolch aus der Wunde zu ziehen. Wahrscheinlich dachte sie, es wäre eine gewöhnliche Klinge aus Assiah, von der sie sich heilen konnte. Er war nicht sicher wie viel Schaden er wirklich zugeführt hatte, allerdings reichte es zumindest, um sie ordentlich bluten zu lassen. Fauchend warf sie den Dolch beiseite und wollte sich erneut auf Rin stürzen, dieses Mal stellte sich Alastor in den Weg, indem er ihr mehrere Flammen entgegenwarf, welche sie sofort abblockte und ihm einen eigenen Flammenstoß entgegenschickte. „Was stimmt nicht mit euch allen?! Bleibt doch einfach am Boden und blutet aus!”, fauchte Gula, sichtlich hysterisch. Nicht weiter überraschend, wenn man bedachte, dass offenbar viel für sie auf dem Spiel stand. Alastor antwortete nicht und setzte erneut zum Angriff an, welche die Todsünde abblockte. Rin nutzte die Ablenkung, um sich seinen Dolch zurückzuholen. Zögerlich schaute er zu Gula, welche erneut mit dem Rücken zu ihm stand. Er hatte wirklich gehofft, niemals zu einer Waffe greifen zu müssen, zumindest nicht bis er wesentlich älter war, doch dieses Mal blieb ihm keine Wahl. Bevor er es sich anders überlegen konnte, stürmte er nach vorne, holte auf und rammte den Dolch in Gulas Hals hinein. Er spürte wie Blut über seine Hand lief und die Sünde, die offenbar nicht ihm gerechnet hatte, stieß ein widerliches Gurgeln aus, doch Rin zwang sich, weiter Druck auszuüben und zog die Klinge durch. Durch den Hals ging eine Halsschlagader, daher sollte es nicht überraschen, dass ordentlich Blut laufen würde und dank des Klingenmaterials konnte sie sich nicht heilen, aber der Nephilim zuckte dennoch zusammen. Nur Sekunden später brach die Aveira zusammen und Rin sah ihr mit aufgerissenen Augen beim Sterben zu. Er hätte niemals gedacht‚ dass man so viel Blut im Körper hatte. Kurz darauf -Rin war nicht sicher wie viel Zeit vergangen war, aber es konnte nicht viel sein- erschlaffte der Körper endlich und noch immer starrte er sie an, noch nicht ganz in der Lage zu komprimieren, dass sie tot und es seine Schuld war. Als es ihm langsam dämmerte, ließ er endlich den Dolch fallen. ‚Ich habˈ sie umgebracht…’, dachte er und starrte erst auf den Dolch am Boden, dann wieder zu der toten Dämonin. Es war sicherlich nicht das erste Mal, dass er einen Dämon getötet hatte, seine Flammen hatten schon öfter welche eingeäschert, doch das war ein ganz anderes Gefühl, als jemanden mit einer Waffe zu töten und dann war das noch das ganze Blut. „Hey, steh auf. Wir müssen dich zu ˈnem Heiler bringen.”, hörte eine Stimme sagen, allerdings klang sie seltsam blechern. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter. „Komm, es ist in Ordnung, es ist vorbei.” Noch immer reagierte der Nephilim nicht. Seine Gliedmaßen waren seltsam schwer und er fühlte sich wirklich müde. Als er nicht antwortete, wurde er auf die Füße gezogen. ‚Wann bin ich denn hingefallen…?’, überlegte er, inzwischen konnte er kaum noch die Augen offenhalten. „Augen auf!”, wurde er angeknurrt. „Stirb mir jetzt nicht weg!”
 

„Hä, was?”, murmelte Rin verwirrt. Sprach die Stimme mit ihm? Was wollte sie? Er spürte wie er von jemanden mitgezogen wurde, nur kurz darauf waren hektische Stimmen zu hören. „Hörst du uns?! Nicht einschlafen! Hey!”, redete jemand auf ihn ein, doch er schaffte es nicht, zu antworten. Nur Sekunden später war er bereits bewusstlos.
 


 

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„Der Bezirk ist gesichert, Eure Majestät. Lord Beelzebub und Lord Samael sind auf erneuten Widerstand gestoßen, es wird also noch dauern, bis sie ankommen.”, berichtete der Bote. „Der Rest ist eingetroffen und Liliths Leute haben sich aus der Stadt zurückgezogen. Allerdings melden unsere Späher eine stärkere Barriere sowie mehrere Blockaden, die sich durch zwei Bezirke ziehen und unsere Route blockieren.”
 

„Darum kümmern wir uns, wenn es so weit ist. Schickt Iblis und Egyns Einheiten zu Beelzebub und Astaroth und Amaimons zu Samael.”, befahl der Dämonengott. „Und sorgt dafür, dass dieses Mal wirklich keine weiteren Überraschungen warten.” Der Bote nickte und verbeugte sich, dann machte er sich auf den Weg, um die Befehle weiterzugeben. Ursprünglich war es geplant gewesen, direkt durch Paris nach Versailles vorzurücken, aber durch den unerwartet harten Widerstand waren sie im Zeitplan um einiges zurückgeworfen worden und hatten sogar die Nacht hier verbringen müssen. Wenn sie Pech hatten, war Lilith längst fort, doch er zwang sich, nicht negativ zu denken. Vielleicht hatten sie Glück und wie so oft unterschätzte Lilith sie gewaltig. „Vater?”, hörte er Lucifer fragen. Er klang besorgt, kein gutes Zeichen. Beinahe schon resigniert wandte er sich an seine ältesten Sohn. „Und, was ist jetzt wieder los?”, erkundigte er sich. Dabei fiel ihm der Brief auf, welchen der Lichtkönig hielt. Sofort wurde er unruhig. War etwas mit Rin oder Azazel? „Einige von Liliths Leuten haben sich in die Basis der Exorzisten eingeschlichen und versucht die Vorräte zu vergiften-” Weiter kam er nicht, da sein Vater ihm den Brief aus der Hand riss und ihn las. Erleichterung machte sich bereit, als ihm klar wurde, dass niemanden etwas passiert war, doch ganz beruhigt war er noch nicht. Laut dem Schreiben waren Liliths Gefolgsleute erfolglos gewesen, was wohl Rin zu verdanken war, aber es war dennoch besorgniserregend, dass es überhaupt so weit gekommen war. Es war offenbar reines Glück gewesen, nur ein paar Minuten später und sie wären damit durchgekommen. Hinzu kam Gulas Angriff auf Rin und Alastor. Offenbar hatte Lilith endgültig die Geduld mit ihr verloren, wenn sie sie auf ein solches Himmelfahrtskommando schickte. Zwar war er stolz auf Rin, dass er es geschafft hatte, Gula auszuschalten, aber er machte sich Sorgen um seinen geistigen Zustand. Der Nephilim befand sich nach wie vor in einem fragilen Zustand und das erste Mal töten konnte einen ziemlich mitnehmen. Zwar wusste er, dass er in guten Händen war und die Sache überstanden hatte, aber er wäre dennoch am liebsten umgedreht und zu ihm gegangen. Er hatte genug davon, dass ihm ständig etwas zustieß, wenn er nicht dabei war! Er fühlte sich momentan wirklich wie der schlechteste Vater Gehennas. „Alastor und Rin sollten schnell wieder auf die Beine kommen. Ich mache mir auch Sorgen, aber wir sollten uns nicht ablenken lassen.”, hörte er Lucifer sagen. Er nickte nur und gab ihm den Brief zurück. „Halte es vorerst vor den anderen geheim, es würde sie nur ablenken.”, wies er an. „Sind sie schon unterwegs?” Lucifer bestätigte. „Sie sollten schnell fertig sein. Wenn alles gut geht, kommen wir noch vor Sonnenuntergang in Versailles an. Die Späher berichten, dass sie momentan damit beschäftigt sind, die Barrieren und weitere Verteidigungen zu verstärken. Und am Stadtrand ist auch noch eine.”
 

„Ja, von der weiß ich schon. Sobald der Rest eingetroffen ist, besprechen wir unser weiteres Vorgehen.”
 

„Verstanden.”, kam die Antwort und er wurde erneut allein gelassen.
 


 

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Dieses Mal dauerte es nur wenige Stunden, bis Rin wieder zu Bewusstsein kam. Er erkannte außerdem sofort, dass er sich auf einer der vielen Krankenstationen befand. Inzwischen hatte er wohl wirklich einen Rekord bezüglich Nahtoderfahrungen, Entführungen und Besuchen bei Heilern aufgestellt. Überraschenderweise konnte er sich an alles erinnern, was passiert war, sogar an das, als er schon ziemlich weggetreten war. Zur Abwechslung hatte er sogar keine Kopfschmerzen, was wohl ein kleiner Fortschritt war. Langsam setzte er sich auf und betrachtete sich. Er trug neue Kleidung und das Blut war weggewaschen worden, Verletzungen sah er keine. „Ah, Ihr seid also wach geworden. Ihr habt uns wirklich einen ziemlichen Schrecken eingejagt.”, wurde er angesprochen und ließ ihn überrascht den Kopf heben. Der Heiler vor ihm war ein Dämon mit kurzen brauchen Haaren, gelben Augen und einem freundlichen Lächeln. Er hatte ihn schon öfter gesehen, wenn er auf der Krankenstation ausgeholfen hatte, kannte allerdings seinen Namen nicht. „Ähm, bitte lass das förmliche und sage du.”, antwortete er ein wenig peinlich berührt. Nach all der Zeit war es ihm noch immer unangenehm, so angesprochen zu werden. Er hatte sein ganzes Leben in einem Kloster gebracht, wer konnte es ihm da verübeln? Jeder wäre wohl überfordert damit, plötzlich als Prinz behandelt zu werden.  „Und tut mir leid, irgendwie hasst mich das Universum und ich bekomme immer Schwierigkeiten.” Der Heiler lachte daraufhin. „Ja, das wurde mir schon berichtet. Es scheint in der Familie zu liegen, aber jetzt zum wesentlichen. Mein Name ist Oriel und ich werde dir jetzt einige Fragen stellen.” Er nahm ein Klemmbrett, welches auf dem Tisch neben ihnen lag und überflog es kurz. „An wie viel kannst du dich noch erinnern?”
 

„So ziemlich an alles. Ich war bei Alastor und wir wurden von Gula überrascht, ich wurde vergiftet, aber konnte sie töten.” Er hielt inne, als ihm mit Schrecken bewusst wurde, dass er ganz vergessen hatte, sich nach dem Feuerdämonen zu erkundigen. „Geht es Alastor gut?! Er wirkte ziemlich angeschlagen und ich glaube, ich war etwas zu langsam.”
 

„Nein, nein. Es ist alles in Ordnung.”, beruhigte Oriel ihn schnell. „Alastor hat dich hergebracht. Du hattest wirklich Glück, wäre er nicht gewesen, wärst du wohl tot. Das Gift hat sehr langsam gewirkt, doch es ist ziemlich gefährlich. Glücklicherweise hat er daran gedacht, den vergifteten Dolch mitzubringen, damit wir direkt wussten, womit wir es zu tun haben. Wir haben ihn versorgt und fürs erste zurück in seine Unterkunft geschickt. Er wollte mit dir reden, wenn du wach bist.” Erleichtert atmete Rin auf. Immerhin hatte er sich endlich mal nützlich machen können. Kaum dachte er das, verdüstere sich sein Gesicht allerdings, denn er musste erneut an den Anblick von Gulas Leiche denken. Der Heiler bemerkte es sofort. „Ganz ruhig, schön durchatmen. Du musst dir keine Vorwürfe machen.”, redete er auf ihn ein und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Aber…ich habe sie getötet.”, murmelte Rin leise. „Es war Notwehr, mach dir keinen Kopf deswegen. Ich weiß, das erste Mal ist nie einfach, aber es hat Alastor und dich gerettet.”, erinnerte Oriel ihn. Der Halbdämon nickte langsam, seine Stimmung war allerdings gedämpft. Der Heiler fuhr damit fort, ihm einige Fragen zu stellen, notierte dabei einiges und führte noch einige kleinere körperliche Untersuchungen durch, bis er schlussendlich zufrieden nickte. „Das sieht alles gut aus. Wir behalten dich für heute noch hier, dann solltest du gehen können.” Er legte das Klemmbrett zurück an seinen Platz und wandte sich erneut an Rin. „Einige Exorzistenadepten haben nach dir gefragt. Einer meinte, er wäre dein Bruder…?” Rin nickte. „Ja, Yukio. Er ist mein Zwilling.”
 

„Ah ja, ich hatte gehört, dass du einen hast, der aber ein Mensch ist. Wirklich ziemlich ungewöhnlich…”, überlegte Oriel, zuckte dann aber mit den Schultern. „Wie dem auch sein, sie warten draußen seit sie von dem Angriff gehört haben. Möchtest du sie sehen?” Natürlich sagte der Halbdämon ja. Er konnte die Gesellschaft gut gebrauchen und er wollte sie nicht unnötig rumzappeln lassen. „Gut, dann hole ich sie rein. Aber stehe fürs erste noch nicht auf, in Ordnung? Ich werde außerdem jemanden darum bitten, dir etwas zu Essen zu bringen. Wir sehen uns nachher. Solltest du dich zwischendurch nochmal schlechter fühlen, sage auf jeden Fall jemanden Bescheid.” Damit verließ er Rin wieder. Nur wenige Minuten später saßen seine Freunde und Yukio um ihn herum und sahen ihn besorgt an. „Hey, jetzt seht mich nicht so an, als läge ich im Sterben. Mir gehtˈs gut!”, versuchte Rin sie zu beruhigen, wurde allerdings von Yukio unterbrochen. „Gut?! Du bist beinahe -schon wieder- gestorben und wir haben es wieder mal nicht mitbekommen!”, entrüstete er sich, wobei sich seine Frustration dieses Mal nicht gegen seinen Bruder richtete. „Bin ich aber nicht und ihr konntet es nicht wissen. Außerdem ist jetzt immerhin eine Aveira tot, also macht es keinen Kopf.”, versuchte Rin erneut sein Glück. Dieses Mal mischte sich Izumo ein. „Jetzt hör auf, so zu tun, als würde dich das alles nicht mitnehmen. Du warst es, der sie getötet hat, oder? Wie geht es dir?”, bohrte sie und ausnahmsweise lag Sorge in ihrer Stimme. „Sie hat recht. So wie wir dich kennen, drehst du doch grad im Stillen deswegen durch, nicht wahr?”, kam Bon ihr zur Hilfe. „Hey, du kannst es uns ruhig sagen, Rin. Wir wollen dir nur helfen.”, schloss Shima und alle nickten. Der Nephilim zögerte und wich ihrem Blick aus. Früher hätte er wohl alles runterschluckt, sich zu seinem Lächeln gezwungen und seine fröhliche Art an den Tag gelegt. Allerdings hatte er dazu gelernt und wusste, dass es nichts bringen würde, immer nur alles in sich hinein zu fressen. Langsam nickte er. „Ich weiß, sie wollte mich töten und wenn ich sie nicht getötet hatte, dann hätte es jemand anderes getan, aber ich fühle mich trotzdem schlecht. Ich wollte nie jemanden töten, ich habe schon genug Menschen, Exorzisten und Dämonen wegen meiner Flammen auf dem Gewissen. Sie war die erste, die ich mit einer Klinge getötet habe. Da war so viel Blut und…” Seine Stimme brach ab und er wich erneut ihren Blicken aus. Wahrscheinlich klang er wie ein naiver Jammerlappen. „Du solltest dir keine Vorwürfe machen, es war Selbstverteidigung.”, erinnerte Konekomaru ihn zaghaft. „Und du hast Alastor gerettet.”
 

„Genau, ich wette, er ist ganz frustriert deswegen.”, sprang Shima ihm bei. „Und sieh es mal so: Durch Gulas Tod hast du nicht nur Lilith vor den Kopf gestoßen, sondern auch einigen weiteren das Leben gerettet, die ihr beim nächsten Kampf begegnet wären. Ich sehe echt keinen Grund sich zu schämen.” Rin wusste, dass sie recht hatten, aber er wusste auch, dass ihn dieser Zwischenfall eine ganze Weile beschäftigen würde. „Ihr…seid also nicht…angeekelt oder sowas?”, hakte er unsicher auf. „Jetzt hör aber mal auf, es gibt keinen Grund.”, antwortete Izumo streng. „Manche von euch waren schon angewidert, als ihr erfahren habt, dass Satan mein Vater ist.”, erinnerte Rin sie leise und hätte sich am liebsten selbst in den Hintern getreten, dass er die Gesichter der anderen sah. Tatsächlich hatten sie ihn schneller akzeptiert, als er es sich je hätte erträumen können, aber die Zeit dazwischen war nicht einfach gewesen. Die verächtlichen und verängstigen Blicke, all die kalten Schulter und offensichtliche Distanz hatte ihn mehr belastet, als er es zugeben wollte. „Das war dumm von uns, ich weiß.”, gab Bon zu und klang tatsächlich ein wenig kleinlaut. „Aber das ist vorbei. Du bist unser Freund, also hör auf dir Sorgen zu machen, dass wir dich im Stich lassen.”
 

„Außer du entscheidest so ganz spontan doch ein böser Dämonenherrscher zu werden, der die Dämonen gegen Menschen aufhetzt, die Menschheit versklavt und Assiah unterjocht. Dann müssen wir das eventuell überdenken.”, grinste Shima. Rin verdrehte die Augen. Es war kein guter Witz, aber er konnte sich ein Grinsen dennoch nicht verkneifen. „Danke.”, murmelte er und für einige Sekunden herrschte Stille, die schließlich von Yukio durchbrochen wurde. „Was ist eigentlich nun wegen des Geistes herausgekommen? Oder hattest du keine Gelegenheit zu fragen?” Rin nickte und begann zu erzählen, hoffte allerdings, dass sein Vater und seine Geschwister bald zurückkommen würden, um ihre Meinung zu hören. Abgesehen davon würde er es Satan und seinen Brüdern, die Ruha als Stiefmutter hatten, wirklich gönnen, sich verabschieden zu können.
 


 

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Der Kampf am Stadtrand von Paris war brutal, aber kurz. Liliths Leute taten alles, um die Stellung zu halten, doch waren von der Anwesenheit Satans und allen acht Baal sichtlich eingeschüchtert. Unter anderen Umständen könnten sie einem wohl fast leidtun, aber der Dämonengott war darüber längst hinweg. Inzwischen wollte er die Sache nur noch so schnell wie möglich hinter sich bringen. Sie hatten endlich Versailles erreicht und ihr Lager in einiger Entfernung aufgeschlagen, um das weitere Vorgehen zu koordinieren. Wie von den Spähern berichtet, gab es einige starke Barrieren, für die sie etwas länger zum durchbrechen brauchen würden. Während sie kämpften, würde sich eine kleinere Gruppe in den Palast schleichen, um den Spiegel mit Azazels Seelenteil zu finden. Mit etwas Glück würde Lilith gar nicht wissen, wie ihr geschah. „Ich halte das immer noch für eine schlechte Idee.”, hörte er Iblis neben sich murren. „Warum muss ausgerechnet ich mit ihr gehen?”
 

„Als Dämonenkönig des Feuer hast du sie am besten unter Kontrolle. Glaub mir, ich hätte es gerne jemand anderen zugeteilt, aber das war die sicherste Option. Abgesehen davon sind Ankou, Egyn und Halphas bei dir.”, antwortete er seufzend. Er hatte bereits mit diesem Gespräch gerechnet und konnte verstehen, dass Iblis nicht begeistert von ihrem Plan war, doch es war ihre beste Option. Es war riskant, vor allem da sie gleich zwei seiner Söhne schickten, aber wenn sie erfolgreich waren, hatten sie einen Vorteil. Iblis und Egyn waren stark genug, um sich notfalls aus einer verzwickten Situation freizukämpfen, immerhin würden die meisten von Liliths Leuten anderweitig beschäftigt sein. Zudem waren sie schon öfter in dem Schloss gewesen und kannten sich in manchen Bereichen gut aus. „Dann hoffen wir mal, dass Jahi wirklich die Wahrheit gesagt hat und uns einschleusen kann, sonst wird das es ein verdammt kurzer Ausflug.”, grummelte Iblis missmutig. Satan konnte ihm nur recht geben. Laut Jahi war ein Freund von ihr, der ebenfalls die Seiten wechseln wollte, im Gebäude zurückgeblieben, um ihr notfalls zu helfen. In diesem Fall würde er ihnen dabei helfen, ungesehen einzudringen, aber daran glaubte Iblis erst, wenn er drinnen und nicht von einem Haufen Wachen umkreist war. „Ich gehe Egyn und die anderen suchen. Besser wir bringen es schnell hinter uns. Wir sehen uns dann später.” Bevor Satan etwas sagen konnte, war der Baal bereits verschwunden.

 

 
 

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Seit Halphas Iblis und seine Geschwister kennen gelernt hatte, war es wirklich niemals langweilig geworden. Sie hatten die kuriosesten Sachen erlebt und waren am laufenden Band in Schwierigkeiten geraten, aber das hier war etwas ganz Neues. Sicher, sie waren bereits im ersten Krieg gegen Lilith einige Risiken eingegangen, aber sich in das momentane Hauptquartier einzuschleichen, um einen einzelnen Gegenstand zu finden, war mehr als nervenaufreibend. Jahis Anwesenheit machte es nicht besser, er vertraute der Feuerdämonin kein bisschen. Egyn und Ankou schien es ähnlich zu gehen, allerdings verbargen sie es gut. Jahi konnte man dagegen anmerken, wie unwohl sie sich fühlte. ‚Na, das geht ja gut los.’, dachte er finster. ‚Hoffentlich kann uns dieser angebliche Freund wirklich reinbringen.’ Wie auch unter Paris gab es unter Versailles ein riesiges Tunnelsystem, von dem allerdings die wenigsten wussten. Es war nicht ganz klar, ob es vor oder nach der Errichtung des Schlosses entstanden war, aber es gab zumindest einige Gänge, die hineinführten. Allerdings hatten sie genau dasselbe bei Satans Palast getan, daher würden die Ausgänge sicher gut bewacht sein. Momentan warteten sie vor einer Wand, wo wohl einer der Gänge lag, allerdings mussten sie noch warten, bis der Dämon ihnen das ok gab. Bevor Jahi gegangen war, hatten sie zwei miteinander verbundene Siegelpapiere erstellt, sodass sie noch immer kommunizieren konnten. Es war eine eher altmodische Methode, da man nur kurze Nachrichten oder Worte schicken konnte, aber verlässlich und schwer nachzuweisen. „Komm schon, Khara. Lass mich jetzt nicht hängen…”, murmelte sie angespannt und schaute nervös auf das Siegel. „Bist du sicher, dass er nicht aufgeflogen ist?”, erkundigte sich Egyn. Sie schüttelte langsam den Kopf. „Es gäbe keinen Grund dafür. Nachdem wir die Siegelpapiere gemacht haben, haben wir nicht mehr miteinander gesprochen und ich bin während eines Kampfes verschwunden. Eigentlich sollten sie nicht wissen, dass ich übergelaufen bin.”
 

„"Eigentlich" bringt uns nichts!”, zischte Iblis. „Wir sind alle dran, wenn was schief geht, also solltest du dir besser sicher sein! Ansonsten drehen wir jetzt um.”
 

„Iblis hat recht.”, pflichtete Egyn bei. „So sehr ich Azazel helfen will, da rein zu stürmen und gefangen zu werden, bringt niemanden etwas.”
 

„Warten wir noch fünf Minuten, wenn wir dann nichts hören, verschwinden wir.”, schlug Ankou vor und alle stimmen zu, Jahi widerwilliger als der Rest. Vier Minuten später leuchtete das Siegel auf dem Papier auf und die Feuerdämonin wirkte erleichtert. „Es ist alles frei, wir können durch!”
 

„Na, hoffentlich.”, murmelte Iblis. Jahi öffnete den Gang und sie quetschten sich hindurch. Halphas verfluchte gedanklich die Körpergröße der Menschen zur Zeit der Erbauung, denn er und Iblis mussten sich ziemlich bücken, um voran zu kommen. Manchmal beneidete Dämonen wie Egyn, Rin und Amaimon wirklich um ihre Größe. Endlich erreichten sie, mit Staub und Spinnweben bedeckt, das Ende und nachdem Jahi erneut das Siegel überprüft hatte, öffneten sie die Tür. Der Raum dahinter war ein Schlafzimmer, welches ihn wirklich den Einrichtungsgeschmack des Erbauers hinterfragen ließ, aber immerhin wartete keine Horde Gegner auf sie. Stattdessen befand sich in dem Raum ein einzelner Rakshasa, welcher wohl Khara war. Seine Haut war pechschwarz, die Haare weiß und die Augen gelb. „Schön dich zu sehen, Jahi. Ich dachte echt, du wärst tot.”, begrüßte er die Feuerdämonin sichtlich erleichtert. „Ihr könnt eure Wiedervereinigungsfeier später feiern, wir haben’s eilig.”, unterbrach Iblis ihn barsch. „Wir brauchen diesen Spiegel und dann nichts wie weg. Weißt du nun wo er ist oder nicht?” Khara schien ein wenig überrumpelt von seiner forschen Art, fing sich aber schnell. „Also, ich bin nicht ganz sicher, ob es wirklich der richtige ist, aber ich habe Lilith öfter mit einem Handspiegel gesehen, der auf die Beschreibung passt. Sie benutzt den gern zum Ausspionieren und manchmal für Beschwörungen.”
 

„Soweit ich weiß, hat sie nur einen, also wird das der richtige sein.”, bestätigte Jahi. „Weißt du, wo er momentan ist?”
 

„Normalerweise hat sie den so gut wie immer dabei, aber als es hieß, dass ihr fast hier seid, hat sie den in ihren Gemächern liegen lassen und ist gegangen, um ihre Truppen zu koordinieren. Da rein zu kommen wird allerdings nicht einfach werden.“ Natürlich nicht, das war es nie. „Sie ist inzwischen ziemlich paranoid geworden und scheint öfter mal Verfolgungswahn zu haben.“
 

„Nichts neues, das hatte sie schon immer.“, fuhr Ankou dazwischen. „Wo ist das Zimmer?”
 

„Es liegt im Hauptgebäude im ersten Stock. Das ist wohl das ehemalige Schlafzimmer der Königin.”
 

„Das "Chambre de la Reine"? Im "Grand Appartement de la Reine"?”, hakte Egyn nach und erhielt einen verständnislosen Blick. „Keine Ahnung.”, antwortete Khara. „Ich kann euch nur den Weg zeigen. Es ist bald Wachablösung, wenn wir uns beeilen, können wir das zu unserem Vorteil nutzen. ” Er sah sie prüfend an. „Aber so wie ihr ausseht, geht ihr nirgends hin. Falls jemand Jahi erkennt, gibt es unangenehme Fragen, von euch dreien mal ganz zu schweigen.” Tatsächlich hatten sie diesbezüglich vorgesorgt. Sie trugen Rüstungen ohne Siegel und an ihnen waren Kapuzen, die sie sich aufsetzen konnten, sowie eine Balaclava, die sie sich entweder ganz über den Kopf ziehen konnten, sodass man nur die Augen sah oder halb hoch, sodass nur Mund und Nase bedeckt waren. Viele Mitglieder des Militärs und noch mehr Attentäter liefen so herum, daher würden sie nicht hervorstechen. „Satan, ich hasse diese Dinger…”, murmelte Halphas säuerlich. „Ich habe immer das Gefühl, gleich zu ersticken.”
 

„Wir haben schon viel schlimmeres überstanden, da wirst du doch wohl mit einem Stück Stoff zurechtkommen.“, erwiderte Ankou ungerührt, während sie die Kapuze hochzog. Der Rakshasa hielt an der Tür Wache, damit sie sich in Ruhe fertig machen konnten und wandte sich erneut an sie, als sie fertig waren. „Bevor ich es vergesse, ich habe euch die hier besorgt.“ Er hielt etwas hoch, dass Iblis als Söldnermünzen erkannte und er musste zugeben, dass die Idee gut war. Da sie Rüstungen ohne Siegel trugen, würde man ihnen leicht abkaufen, dass sie Söldner waren. In Gehenna war es üblich, dass Söldner, wenn sie für längere Zeit von Adligen oder einer Gemeinde angeheuert wurden, von ihren Arbeitgeber Münzen mit dem dazugehörigen Siegel erhielten. Diese waren ein Nachweis, dass sie wirklich für sie arbeiteten und konnten sogar als Versicherung vorgelegt werden. Musste der Söldner beispielsweise auf eine längere Reise und sich zwischendurch irgendwo einquartieren, konnte er dann diese Münze vorlegen und die Rechnung würde direkt an den Arbeitgeber gesendet werden. War es eine Münze vom Königshaus, waren die Gastgeber sogar verpflichtet, ihn bei ihnen bleiben zu lassen, egal ob es nun ein Gasthaus oder ein normaler Bürger war. In diesem Fall würde die Königsfamilie natürlich dennoch für die Kosten aufkommen. Allerdings hatte der Rakshasa nur drei davon, die anderen beiden waren für Attentäter und Spione, allerdings wurden diese so gut wie nie genutzt. Immerhin wäre es fatal, wenn etwas schief ging und die Betroffenen sofort herausfinden konnten, wer den Attentäter oder Spion geschickt hatte. Der andere Dämon schien seine Gedanken schnell zu erraten. „Alle Attentäter haben die momentan. Es soll absichern, dass hier keine feindlichen einschleichen. Abgesehen davon hat Lilith keinen wirklichen Grund zu verheimlichen, von wem sie sind.”
 

„Gut, dann nehmen Egyn und ich die.”, warf Ankou ein. Keine protestierte. Die beiden hatten einen typischen Körperbau für Attentäter und Spione, während Iblis und Halphas eher zu Söldnern passten. „So, das wäre es.”, fuhr Khara fort. „Versucht aber dennoch, Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Ihr beiden könnt so tun, als wäre euch die Zunge rausgeschnitten worden. Sollte auch funktionieren.“ Iblis unterdrückte ein Schaudern. Besonders zu Zeiten von Liliths erster Rebellion hatten sich viele ihrer Attentäter die Zunge herausschneiden lassen, um nichts verraten zu können, wenn sie erwischt wurden. Sicherlich effektiv, aber den Rest des Lebens ohne Zunge zu verbringen, stellte er sich furchtbar vor. Nun da sie bereit waren, betraten sie den Gang. Es war nicht Iblisˈ erster Besuch hier und er hatte in seinem Leben schon viele Paläste gesehen, aber dieser hier war eines der besten Beispiele von Hedonismus und Verschwendungssucht, die er je gesehen hatte. Kein Wunder, dass der Staat später vollkommen in Schulden versunken war, sodass das Volk sogar Steine auf den Sarg von Ludwig den XIV geworfen hatte. Wie erwartet war alles in Aufruhe und keiner achtete auf sie. Möglicherweise hatten sie wirklich Glück und würden wieder weg sehen, bevor jemand wusste, was los war, aber an so viel Glück wagte er nicht zu glauben. „Hey, Khara!”, ertönte plötzlich seine Stimme, die sie alle abrupt stehen bleiben ließ. Wunderbar, er musste es auch beschreien. Vor ihnen stand eine Rakshasi mit blauer Haut, dunkelblauen Haaren und orangen Augen.
 

„Hi, Putana. Was gibt’s denn?“, fragte Khara sichtlich genervt. Offenbar hielt er nicht besonders viel von seiner Artgenossin. „Tu nicht so, du fauler Bastard!“, zischte sie nicht weniger genervt. „Du solltest dich schon vor ˈner halben Stunde bei Berith melden, was ist passiert?!“ Iblis widerstand dem Drang, Khara einen bösen Blick zuzuwerfen. Der Idiot wurde irgendwo erwartet und schickte ihnen dann die Nachricht, dass es ok wäre, zu kommen? Wollte er erwischt werden?! „Entspann dich, Mara ist an meiner Stelle gegangen. Sie sollte ursprünglich in eine andere Gruppe, aber weil drei von denen einen anderen Auftrag bekommen haben, mussten sie neu verteilen.“
 

„Ach, und warum wurde ich dann zum suchen los geschickt?!“
 

„Vielleicht wollte dich Lord Berith nur möglichst lange beschäftigen.“, sprang Ankou nun mit emotionslosen Tonfall ein. Die meisten Attentäter tendierten dazu, ihre wahre Emotionen zu verbergen und sprachen entsprechend monoton, daher hoffte Halphas, dass die Rakshasi sich täuschen ließ. „Du wirkst nicht gerade hilfreich, besonders mit deinen voreiligen Anschuldigungen, da würde ich dich ebenfalls los werden wollen.“ Das hatte gesessen, denn Putanas Gesicht verfärbte sich sofort. „Und du bist?!“, fauchte sie gereizt. „Ich bin Attentäterin und Spionin. Wäre also nicht allzu clever, dir meinen Namen zu verraten, nicht wahr?“, erwiderte die Geisterdämonin gelassen und hielt ihre Münze nach. Putana schnaubte, dann schaute sie zu Egyn. „Und er?”
 

„Auch Attentäter. Er hat sich damals die Zunge rausschneiden lassen, er wird dir also nichts sagen.”, erklärte Ankou, worauf die andere Dämonin das Gesicht verzog. „Ich werde nie verstehen, wie man das freiwillig tun kann.”
 

„Wenn du dann fertig bist, wir haben noch anderswo zu tun.”, knurrte Halphas, in der Hoffnung, sie würde endlich von ihnen ablassen. So leicht ließ sich die Blauhaarige leider nicht abwimmeln. „Und was? Solltet ihr nicht irgendwo unterwegs sein?“
 

„Genau das versuchen wir ja gerade, also wie wäre es, wenn du uns endlich aus dem Weg gehst? Oder willst du Ihrer Majestät erklären, warum wir zu spät sind?“, mischte sich Iblis ein. Wie erwartet war diese kleine Drohung äußerst effektiv und die Dämonin gab endlich nach. Zügig, aber dennoch gefasst, da sie ihren Blick in ihren Rücken spürten, gingen sie weiter und atmeten erst auf, als sie mehrere Ecken hinter sich gebracht hatten. Die Gänge waren überraschend leer, offenbar bereiten sich alle auf den kommenden Angriff vor und hatten sich dafür irgendwo gesammelt. „Das war viel zu knapp.”, murmelte Jahi und widerwillig stimmte Iblis zu. „Ein Glück war sie eine Idiotin und leicht einzuschüchtern.”
 

„Beten wir, dass wir nicht in Berith, Kaliya oder eine der Aveira rennen. Die würden uns sofort an der Stimme erkennen.”, kommentierte Ankou erschöpft klingend. „Die Aveira sind ebenfalls mit den Vorbereitungen beschäftigt, das sollte kein Problem werden.”, beruhigte Khara sie. „Jetzt aber los, die Zeit drängt.”
 


 

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Der Rest des Weges verlief ohne Zwischenfälle. Zwar begegneten sie einigen Personen auf dem Weg, aber diese schenkten ihnen nicht weiter Beachtung. Tatsächlich hatten sie zur Abwechslung Glück und konnten die Dämonen, die die Wächter vor Liliths Gemächern ablösen sollten, ausschalten und sie ungesehen in ein leeres Zimmer schleifen. „So die bereiten keine Probleme mehr.”, kommentierte Egyn. „Eigentlich sollte hier keiner reinkommen, oder?”
 

„Nah, verstecken wir sie in ˈnem Schrank. Sicher ist sicher.”, warf Jahi ein. „Wenn sie die finden, bevor wir weg sind, war’s das.” Gesagt, getan. Kaum waren die Dämonen versteckt, machten sie sich auf den Weg, um die Wächter abzulösen. Iblis gab sein bestes, normal und nicht verspannt zu wirken, doch einfach war es nicht. Er zwang sich durchzuatmen und zählte im Stillen bis drei. ‚Komm, Iblis. Das ist nichts anderes als sich mit irgendwelchen angepissten Adligen zu treffen und die kleinzureden.’, rief er sich in Erinnerung. „Na, endlich!”, hörte er einen der Wächter sagen. „Wir dachten schon, man hätte uns vergessen.”
 

„Irgendein Idiot hat ihnen die falschen Schichtpläne gegeben, also durfte ich los rennen und sie im anderen Gebäude suchen.”, erklärte Khara frustriert klingend. „Und auf dem Weg hier her wurden wir auch nochmal aufgehalten.”
 

„Typisch, ich wette, das war wieder Njord.”, seufzte der andere Wächter. „Ich sag’s euch, der Typ ist schon allein zu blöd, auf ˈnem Zettel in der richtigen Zeile zu bleiben.” Der dritte Wächter sagte nichts und sah sie stirnrunzelnd. Oh, oh. Wenn Iblis eins bei verdeckten Aktionen gelernt hatte, war es, dass es nie gut war, wenn die Person, die du täuschen sollst, dir gegenüber die Stirn runzelt. „Warum seid ihr zu fünft? Es sollten nur drei kommen.”
 

„Anweisung von oben.”, erwiderte Ankou. „Lady Lilith befürchtet, dass sich Satans Leute irgendwie Zugang verschaffen wollen. Sie hat uns angewiesen, hier zusätzlich zu patrouillieren und nach Verdächtigen Ausschau zu halten. Wir sind dabei zufällig auf sie getroffen und zusammen her gekommen.” Das war nicht mal gelogen, Lilith hatte wirklich veranlasst, dass in den Gängen zusätzliche Wächter aufgestellt wurden. „Verstehe…”, murmelte der Dämon und zuckte mit den Schultern. „Meiner Meinung nach unnötig, aber gut. Wir gehen uns mal abmelden. Bis dann.” Damit gingen sie endlich und Iblis atmete erleichtert auf. Sie schienen ihnen geglaubt zu haben. „Ankou und ich halten hier Wache, ihr geht rein und sucht.”, bot Halphas an. „Falls Lilith oder sonst wer kommt, lassen wir es euch wissen.” Die Baal nickten dankbar und Iblis wollte gerade die Hand ausstrecken, als ihm ein leichtes Schimmern auf der Tür auffiel und noch im selben Moment griff Khara nach seinem Handgelenk. „Noch nicht! Da ist eine Barriere drauf.”, verkündete er. „Ich weiß aber, wie wir sie vorrübergehend umgehen können.” Als er Iblisˈ misstrauischen Blick bemerkt, verdrehte er die Augen. „Würde ich euch reinlegen wollen, hätte ich euch kaum bis hier her bringen müssen.”, argumentierte er und der Baal musste zugeben, dass es stimmte. Daher nickte er und trat von der Tür zurück. „Dann zeig mal, was du kannst, Rakshasa.” Khara antwortete nicht, sondern begann sofort damit, die Barriere zu bearbeiten. Nervös hielten sie Wache, aber keiner kam. Schließlich gelang es dem Dämon und die Barriere verschwand. „Wir haben 15 Minuten. Dann müssen wir hier raus sein oder Lilith merkt, dass jemand hier ist.”, informierte er sie und öffnete die Tür. Sofort verteilten sie sich in dem protzigen Raum dahinter und begannen mit der Suche. Dies gestaltete sich schwerer als erwartet, da der Raum wirklich ziemlich überladen war. Neben den ursprünglichen Möbel und Dekorationen war viel dazu gekommen und machte es schwer, systematisch vorzugehen. „Wow…und ich dachte immer, meine Tante hätte zu viel Deko rumstehen…”, kommentierte Egyn kopfschüttelnd, während er mehrere Regale durchsuchte. „Wir suchen einen Handspiegel, der wird kaum in einem Regal rumliegen.”, warf Jahi ein. „Ich sehe mir mal den Schminktisch an, das macht glaube ich am meisten Sinn.” Leider lag der Spiegel nicht dort und die Schubladen waren verschlossen. Stirnrunzelnd wandte sich die Feuerdämonin an die drei Dämonen. „Wenn sie die abschließt, muss was Wichtiges drin sein. Irgendwo sollte ein Schlüssel sein, wohl relativ klein, wenn ich mir das Schloss ansehe. „Das ist ˈne normale Holzschublade, reiß es doch auf.”, verlangte Iblis ungeduldig. „Da ist eine Barriere drauf, du Schlaumeier.”, erwiderte sie nicht weniger gereizt und wechselte böse Blicke mit ihm, aber Egyn sprang schnell ein. „Gut, dann halten wir noch Ausschau nach einem Schlüssel. Aber verlasst euch nicht drauf, dass der Spiegel wirklich da drin ist.”
 

„Bei unserem Glück hat sie den Schlüssel bei sich.”, grummelte Iblis missmutig. „Wenn wir so denken, wird das nichts. Sei mal etwas positiver.”, antwortete Khara und erhielt einen bösen Blick. „Was denn? Meckern wird nichts bringen, wir haben Zeitdruck!”
 

„Warum hast du dich überhaupt entschlossen, die Seiten zu wechseln?”, fragte Egyn plötzlich, durchsuchte dabei aber dennoch weiter das Zimmer. „Die meisten deiner Art sind nicht gerade gut auf uns zu sprechen, vor allem nach dem letzten Krieg.” Khara zuckte mit den Schultern. „Ich war noch ein Kind, als die Rebellion ausgebrochen ist und als wir besiegt worden, bin ich mit meinem Clan geflohen. Ich habe aber nie wirklich Liliths Prinzipien zugestimmt, zumindest nicht allen. Erschafferin hin oder her, die alte ist vollkommen irre und wird nur beide Welten in den Ruin treiben. Wäre also ganz schön dumm, ihr weiterhin zu folgen, zumal ich echt nichts mit ihren ganzen Grausamkeiten zu tun haben will. Ich meine…wer lässt bitte ganze Dörfer und Städte abschlachten?!”
 

„Dann Gratulation, du bist der erste Lilith Anhänger mit einem funktionierendem Gehirn.”, erwiderte Iblis trocken und stieß kurz darauf ein frustriestes Schauben aus. „Verdammt, wie schwer kann es sein, so einen dämlichen Schlüssel oder Spiegel zu finden-”
 

„Hab ihn!”, rief plötzlich Jahi und hielt tatsächlich einen kleinen Schlüssel hoch. Sofort probierte die Feuerdämonin ihn an den Schubladen aus. Ohne es zu bemerken hielt Iblis den Atem an. Sie hatten nicht mehr viel Zeit, wenn der Spiegel nicht dort drinnen war, würde es Probleme geben. „Und? Was ist nun?!”, fragte Egyn ungeduldig, während Jahi die Schubladen durchwühlte. „Hier ist nichts…”, erwiderte sie sichtlich enttäuscht, aber Khara schüttelte den Kopf. „Schau, ob es einen doppelten Boden hat. Ich würde es Lilith zutrauen.” Jahi nickte und versuchte erneut ihr Glück. Khara sollte Recht haben, eine der Schubladen hatte in der Tat einen doppelten Boden. „Ich habe ihn!”, rief Jahi und zum ersten Mal seit Liliths Entsieglung wirkte sie aufrichtig euphorisch. Sofort nahm Egyn ihr den Spiegel aus der Hand und betrachtete ihn kritisch von allen Seiten. „Es scheint der echte zu sein…und ich spüre ganz leicht Azazels Aura…zumindest glaube ich es.” Iblis nahm ebenfalls den Spiegel in die Hand, wobei es ihm nicht anders entging. „Gut, dann nichts wie weg!”, drängte Jahi. Schnell verließen sie das Zimmer und schlossen die Tür hinter sich. „Wie ist es gelaufen? Habt ihr ihn?“, fragte Ankou sofort. Iblis sagte nichts und hielt nur grinsend den Spiegel hoch. Sofort hellte sich das Gesicht der Dämonin auf. „Super! Dann können wir ja gehen!“
 

„Oh, oh…“, hörten sie unerwartet Khara sagen. Sofort rechneten alle mit dem schlimmsten und wandten sich an den Rakshasa, der ein weiteres Stück Papier hielt. „Was heißt hier "Oh, oh"?”, fragte Halphas scharf. „Es gibt gute und schlechte Nachrichten, aber da ich Optimist bin, fange ich einfach mal mit der guten an.”, erwiderte Khara und rieb sich nervös den Arm. „Sie wissen nicht, dass ihr hier seid und sie wissen nicht, dass wir den Spiegel haben.”
 

„Und die schlechte?”, fragte Egyn dumpf. „Sie haben irgendwie gemerkt, dass hier Eindringlinge sind.”, erwiderte Khara schonungslos. „Und darum kontrollieren sie jetzt alle Patrouillen.” Irgendwann musste ihre Glückssträhne wohl enden. „Na super…schaffen wir es zurück, ohne erwischt zu werden?”, fragte Ankou, woraufhin der Dämon mit den Schultern zuckte. „Theoretisch schon, aber ihr werdet nicht den ursprünglichen Gang benutzen können. Es war auch eventuell besser, sich aufzuteilen.”
 

„Oh nein, immer wenn wir uns aufteilen, geht etwas schief!”, knurrte Iblis sofort und auch der Rest war nicht gerade begeistert. „Es ist unsere beste Chance.”, argumentierte Khara. „Wir teilen uns auf und treffen uns dann nachher wieder. So werden zumindest nicht alle erwischt, falls was schief gehen sollte.” Iblis war noch immer unsicher, er erinnerte sich immerhin nur allzu gut an das Fiasko im Palast seines Vaters. Er hatte wirklich keine Lust, noch jemanden zu verlieren. Andererseits war es wohl wirklich alles, was ihnen übrig blieb, daher nickte er widerwillig. „Also gut. Ich schätze, Zweiergruppen wären am besten, oder?” Alle stimmten zu und sie teilten sich ein. Iblis ging mit Halphas, Ankou mit Jahi und Egyn mit Khara. Anschließend beschrieb ihnen der Rakshasa die genauen Wege. Hoffentlich würde es sich nicht als Fehler erweisen, Khara zu vertrauen.

Bittere Wahrheit

Azazel hatte in seiner Zeit als Dämonenkönig bereits so einiges erlebt und war daran gewöhnt, dass manche Seelen gerne mal Dinge in Bewegung setzten, mit denen er nicht rechnete. Daher sollte man meinen, dass ihn nichts mehr überraschen konnte. Er hatte regelmäßig mit Geistern und Seelen zu tun, er wusste daher genau, wie sie tickten und wozu sie im Stande waren, nicht wahr? Offenbar nicht, niemals im Leben hätte er damit gerechnet, jemals auf den Geist seiner eigenen Mutter zu treffen. Es sollte nicht möglich sein, wer einmal drüben war, kam nicht zurück, es war eines der obersten Gesetze und dennoch hatte sie dem getrotzt und war hier. Im ersten Moment rechnete er mit einem grausamen Scherz oder einer Täuschung, doch es wurde schnell klar, dass dem nicht so war. Die Frau vor ihm war tatsächlich seine Mutter, so surreal es wirken mochte. Ihre Erklärung für ihre Anwesenheit klang teilweise logisch, eine Kombination spiritueller Energie konnte vieles bewirken, aber für gewöhnlich fand dies im Reiche der Lebenden statt, nicht in dem der Toten. Egal ob es nun an Liliths Chaos lag oder nicht, es würde sich sicherlich lohnen, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Natürlich musste die Welt der Toten und die Welten der Lebenden weiterhin getrennt bleiben, aber es interessierte ihn sehr, was es da an Möglichkeiten gab. Nachdem Rin und Christina gegangen waren, wandte er erneut seine ganze Aufmerksamkeit an seine Mutter, welche sich neugierig im Raum umsah. „Assiah hat sich wirklich verändert seit ich zum letzten Mal hier war. Die Sterblichen überraschen mich immer wieder.“, kommentierte sie, während sie sich einige Bildschirme ansah. Azazel antwortete nicht und starrte sie an, noch immer nicht sicher, was er tun und sagen sollte. Wie reagierte man am besten, wenn deine seit so langer Zeit verstorbene Mutter, die einen brutalen Tod gestorben war, während du zusehen musstest, plötzlich bei dir im Krankenzimmer stand und sich technische Geräte und Drehstühle anschaute? „Es tut mir leid.“, wiederholte er schließlich leise. „Wenn ich dir hätte helfen können, hätte ich es getan.“ Ruha hielt inne, dann seufzte sie, wandte sich wieder ihm zu und setzte sich neben ihn auf das Bett. „Azazel, hör auf, dir deswegen Vorwürfe zu machen. Du warst ein Kind.“, sagte sie sanft und griff nach seiner Hand. Er unterdrückte ein Schaudern. Zwar konnte seine Mutter ihn und andere Dinge berühren, aber sie war immer noch tot und ihre Hand war kalt wie der einer Leiche. „Unsere gemeinsame Zeit ist begrenzt, also grübeln wir nicht zu lange über die schlechten Dinge. Denken wir lieber an die Gegenwart und unsere schönen Erinnerungen.“, schlug sie vor. „Ich habe so viel von deinem Leben verpasst und von deinen Brüdern. Wie ich hörte, hast du inzwischen so einige.“

 

„Ja, neun Stück, wobei ich den letzten nicht direkt dazu zählen würde. Er ist ein Mensch und nicht wirklich gut auf uns zu sprechen.“, nickte der Geisterdämon. „Rin bist du ja begegnet, den Rest triffst du, wenn sie wieder da sind.“

 

„Ich freue mich darauf.“, erwiderte sie. „Vor allem bin ich auf Lucifer und Samael gespannt. Hat Lucifer immer noch Angst im Dunkeln und Samael vor Heilern, wenn sie an seine Zähne wollen?“ Unwillkürlich musste Azazel grinsen. „Lu hat es mehr oder weniger unter Kontrolle und Sammy behauptet von sich dasselbe, aber immer wenn es heißt, dass eine Untersuchung ansteht, hat er plötzlich ganz viel in Assiah zu tun.“ Die Geisterdämonin lachte und sofort breitete sich in dem Baal ein wohliges Gefühl aus. Wie er dieses Lachen vermisst hatte…

 

„Nun, wir haben eine Menge Zeit für uns, also würde ich vorschlagen, dass wir die Gelegenheit nutzen, um darüber zu reden, was ich alles verpasst habe. Oh, und du musst mir etwas von Ankou und Vaya erzählen. Ich hoffe doch, ihr seid immer noch befreundet?“

 

„Ankou ist zusammen mit Shax meine rechte Hand und Vaya arbeitet als Bedienstete.“, erklärte der jüngere Dämon. „Tatsächlich? Es freut mich, dass es ihnen und Shax gut geht.“, seufzte die ehemalige Königin Gehennas erleichtert. „Aber fangen wir ganz von vorne an. Erzähl mir erst einmal etwas von deinen Brüdern, ich bin wirklich neugierig. Außerdem haben die anderen mich darum gebeten, ihnen Bericht zu erstatten.“ Richtig, die restlichen Mütter seiner Brüder hatten die Möglichkeit, mehr über ihre Kinder zu hören, sobald Ruha zurückkehrte, natürlich würde sie dann nach ihnen fragen. „Klar, mache ich gern.“ Sie hatten eine lange Nacht vor sich und der Geisterdämon plante, jede Sekunde auszunutzen.

 

 

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„Ich habˈ ja schon einiges erlebt, aber dass ich jemals mit einem Dämonenkönig in einem Abstellschrank hocken würde, hätte ich nicht gedacht.“, kommentiere Khara, was ihm ein scharfes „Shhhhh!“ von Egyn einbrachte. „Sei still! Willst du erwischt werden?“, knurrte er den Gestaltwandler an. „Vielleicht würden sie das sogar falsch verstehen, wenn sie uns finden.“, schlug dieser vor. „Ich meine…zwei Typen aneinander gepresst im Schrank, wollen offenbar nicht erwischt werden…ich meine, abgeneigt wäre ich nicht.“ Egyn ignorierte die Andeutung und lauschte stattdessen angestrengt, ob die Luft rein war. Zu seiner Erleichterung war nichts zu hören. Sie waren bisher auf niemanden gestoßen, doch in diesem Flur hatte sie ihr Glück verlassen und sie waren gezwungen gewesen, sich in dem Schrank zu verstecken, was für ein unschönes Déjà-vu auf der Seite des Wasserdämons sorgte. Irgendwie hatte er es in den letzten Wochen wirklich mit Schränken und engen Orten, aber zumindest war dieses Mal nicht Izumo bei ihm. „Komm, sie scheinen weg zu sein.“, flüsterte er, öffnete langsam die Tür und spähte auf den Gang hinaus. Keiner war zu sehen, daher ging er langsam nach draußen, dicht gefolgt von Khara. „Gut, wie müssen wir noch?“, fragte der Baal ungeduldig. „Wir sind gleich da, zehn Minuten, wenn alles gut geht.“, informierte der Rakshasa ihn und sah sich ebenfalls um. „Aber ehrlich gesagt glaube ich, dass es nicht so einfach werden wird. Die Aveira werden sicher auch mitmischen und Superbia scheint mich irgendwie nicht leiden zu können, kann also sehr gut sein, dass sie mich raus pickt, falls wir ihr begegnen sollten…“

 

„…Du machst Witze.“, antwortete Egyn dumpf. „Bitte.“

 

„Nö, anscheinend teilt sie meinen Sinn für Humor nicht.“, kam die für Egyn äußerst frustrierende Antwort. Der Dämonenkönig stöhnte auf. „Was hast du getan?“

 

„Na ja, da war dieses komisches Vieh in dem Gemach von irgendeinem deiner Brüder, das hat sie angegriffen und ich habe sie ausgelacht…sie ist aber auch empfindlich.“ Wunderbar. Dieser Trottel hatte die Verkörperung des Hochmutes ausgelacht. Damit bettelte er geradezu um Ärger. „Na schön, darüber machen wir uns Gedanken, wenn es so weit ist.“, beschloss der Wasserdämon kopfschüttelnd. „Immerhin dürften sie momentan vom Angriff abgelenkt sein. Gehen wir weiter, wir verschenken hier nur Zeit-“ Khara nickte zustimmend und setzte sich in Bewegung. Egyn traute ihm zwar noch immer nicht vollkommen, aber fürs erste würde er mitspielen.

 

 

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Unterdessen hatten Jahi und Ankou mehr Glück, sie trafen auf niemanden und wenn doch, waren diese mit anderen Dingen beschäftigt und beeilten sich, um die Stellung gegen Satans Truppen zu halten. Dennoch war das für Ankou kein Grund zur Beruhigung. Seit sie das Schloss betreten hatten, war sie angespannt gewesen, nicht zuletzt, weile es eine vollkommen fremde Umgebung war und sie diesen übertriebenen Prunk als extrem ablenkend empfand. Wenn sie sich korrekt erinnerte, gab es hier laut Iblis sogar einen Spiegelsaal, was erst recht für Paranoia sorgte. Sie konnte Spiegel noch nie leiden, verwendete sie den in ihrem Zimmer nicht, hängte sie ihn stets zu. „Wenn wir diesen Gang hier nehmen, können wir abkürzen.“, hörte sie Jahi sagen und sah die Feuerdämonen daraufhin zweifelnd an. „Sicher?“, hakte sie nach und gab sich keine Mühe, ihren misstrauischen Tonfall zu verbergen. Jahi ließ sich nicht davon beirren und nickte. „Ja, hier in der Nähe war ich untergebracht, also kenne ich die Wege ganz gut.“

 

„Also gut, dann geh vor.“, stimmte die Geisterdämonin widerwillig zu. „Du solltest besser richtig liegen, sonst könnten wir Probleme bekommen.“

 

„Zumindest hat Iblis den Spiegel, also wäre nicht alles verloren, falls wir erwischt werden.“

„Na, das beruhigt mich weniger, aber stimmt wohl. Solange wir diesen Spiegel zu Satan schaffen, ist alles gut.“ Sie gingen eine Weile schweigend weiter, bis sie um eine Ecke bogen und direkt in eine Patrouille rein liefen. ‚Scheiße, wie haben wir die nicht bemerkt?!′, fluchte Ankou im Stillen, aber ließ sich äußerlich nichts anmerken, ebenso wenig wie Jahi. „Was soll das? Wir haben’s eilig, also geht uns aus dem Weg.“, sagte sie schroff, während die Geisterdämonin sich schnell einen Überblick verschaffte. Es waren insgesamt vier Dämonen, alle männlich, keiner gehörte zu Liliths Sippe, aber das Element war nicht erkennbar. Sie zu überwältigen würde eventuell nicht einfach sein, daher war dies in jedem Fall der letzte Ausweg. „Wir haben die Meldung bekommen, dass sich Eindringlinge hier eingeschlichen haben und sollen jeden überprüfen, also macht die Gesichter frei, sagt eure Namen und zeigt eure Münzen vor, wenn ihr welche habt.“

 

„Die sollten mein Gesicht nicht kennen und deines eigentlich auch nicht, riskieren wir’s?“, fragte Jahi telepathisch. „Es ist besser, als direkt anzugreifen.“, argumentierte Ankou. „Also versuchen wir es.“ Beide Frauen kamen langsam der Aufforderung nach und machten die Gesichter frei. Einer der Dämonen pfiff und sie widerstand dem Drang, ihm eine reinzuhauen. „Hey, nicht schlecht. Habt ihr beiden Süßen schon heute Nacht was vor?“

 

„Dich im Schlaf ermorden und dein Blut trinken, wenn du noch so einen Spruch bringst.“, zischte die Geisterdämonin gefährlich und löste damit Gelächter von den restlichen Dämonen aus. Der Dämon, der sie angegraben hatte, schnaubte nur. „Pff, ich will es mit einem Geistervieh wie dir sowieso nicht treiben und zu klapprig bist du obendrauf.“ Charmant. Wie manche Typen wirklich direkt zu Beleidigungen griffen, wenn sie gekorbt wurden, war absolut erbärmlich. „Ok, scheint alles in Ordnung zu sein. Namen und Clans?“ Jetzt kam der interessante Teil. Lügen war das naheliegendste, aber da sie nicht wussten, wie sie die Patrouillen genau überprüften, wäre es ein großes Risiko. „Komm schon, wir haben es eilig. Satans Angriff ist in vollem Gange. Reichen die Münzen nicht?“, versuchte Jahi ihr Glück, stieß dabei aber auf taube Ohren. „Nein, tun sie nicht. Jetzt sagt schon-“ Weiter kam er nicht, denn Jahi hatte blitzschnell ihren Dolch hervorgezogen und ihm damit die Kehle durchtrennt. Ankou hatte gleichzeitig ihren Fächer gezogen und damit den Dämon neben ihm erledigt. Da er derjenige gewesen war, der sie auch angegraben und beleidigt hatte, war es umso befriedigender. Dummerweise erholten sich die anderen beiden schnell von ihrem Schock und setzten zum Gegenangriff an. Einer stellte sich als Verwesungsdämon heraus, der andere war ein Insektendämon. Folglich machte Jahi mit dem ersten kurzen Prozess, Ankou erledigte schnell den zweiten. „Das hätte besser laufen können.“, kommentierte die Feuerdämonin seufzend, während sie das Blut von ihrem Dolch wischte. „Das kannst du laut sagen, aber immerhin haben wir sie ganz schön überschätzt. So schnell sollten sie nicht zu Boden gehen.“, murmelte Ankou kopfschüttelnd. „Verstecken wir sie, dann nichts wie weg. Früher oder später wird jemand merken, dass sie fehlen-“ Genau in diesem Moment kam eine weitere Dämonengruppe um die Ecke und wie es der Zufall wollte, kamen sie genau auf sie zu. Es war zu spät sich zu verstecken, nur Sekunden später waren sie entdeckt worden. Die Dämonen erstarrten, sahen zuerst auf die Leichen, dann zu Ankou und Jahi, welche sich ebenfalls in einer Schockstarre befanden. ‚Das darf doch nicht wahr sein. Warum ausgerechnet jetzt?’ Ihre letzte verzweifelte Idee so zu tun, als wären sie gerade erst selbst dazu kommen, verabschiedete sich schnell, als einer der Dämonen Jahi ansah und ihm der Mund aufklappte. „Jahi?!“ Damit waren sie wohl aufgeflogen.

 

 

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„All dieser ganze Stress und Aufwand wegen eines verdammten Handspiegels. Hoffentlich kann Vater da wirklich was mit anfangen oder ich drehe durch…“, grummelte Iblis verärgert vor sich hin. Während die anderen recht gut voran kamen, liefen sie von einer Patrouille in die nächste. Bisher hatten sie sich stets verstecken können, aber der Baal war sich ziemlich sicher, dass sie das Glück bald verlassen würde. Es lag schlicht und ergreifend in der Familie, dass früher oder später Gehenna über sie hereinbrechen würde. „Hey, wenn sich jemand mit sowas auskennt, ist er es.“, beruhigte Halphas ihn. „Das Seelenteil ist auf jeden Fall da drin, immerhin haben wir’s alles gespürt.“

 

„Ja, aber ich wette, es gibt ˈnen Haken. Diese Spiegelfallen und der ganze andere Kram sind schon kompliziert genug, da dürfte das hier nicht einfacher sein.“, gab der Baal zu Bedenken und sah sich um. „Wie weit ist es noch? Das dauert ewig…“ Die Wegbeschreibung hatte wirklich wesentlich kürzer geklungen, aber da sie sich nicht auskannten, wollten sie keine Abkürzung riskieren. Plötzlich waren schnelle Schritte und Rufen zu hören, was beide inne halten und Blicke wechseln ließ. Sie hatten nur Wortfetzen davon verstehen können, ein Wort war "Eindringlinge" gewesen, weswegen sie sofort den gleichen Gedanken hatten: War jemand von den anderen erwischt worden? „Geh weiter und verschwinde, du hast den Spiegel. Ich gehe nachsehen, was mit den anderen ist.“, drängte Halphas, Iblis schüttelte jedoch den Kopf. „Vergiss es, ohne Egyn, Ankou und dich gehe ich nicht.“

 

„Musst du aber. Wenn wir erwischt werden, war die ganze Aktion umsonst.“, argumentierte Halphas ungeduldig. „Also geh schon, wir kommen so schnell wie möglich nach.“ Der Baal zögerte. Zwar hatte Halphas nicht ganz unrecht, aber wollte sie nicht einfach zurückzulassen. Schlussendlich siegte allerdings die Vernunft und er nickte. „Ok, einverstanden. Aber ihr schafft es besser zurück oder ich werde sauer.“

 

„Im Gegensatz zu dir ziehe ich nicht ständig Ärger an, also sei mal still, Ibi.“, grinste der Feuerdämon und ließ Iblis schnauben. „Wären wir woanders würde ich dir für diesen dämlichen Spitznamen den Schweif anzünden. Viel Glück.“

 

„Ebenfalls. Wir sehen uns nachher.“ Damit trennten sie sich und der Dämonenkönig setzte seinen Weg allein fort. ‚Sie schaffen das schon…bringe einfach diesen Spiegel weg und alles wird gut.′, redete er sich ein. Zügig lief er durch die Gänge, bis er sein Ziel erreicht hatte. Auf dem Weg dorthin tötete er mehrere Dämonen, einer wäre ihm sogar beinahe entkommen und hätte Alarm geschlagen, doch glücklicherweise hatte er ihn schnell einholen und erledigen können. Nun stand er zwar in dem gesuchten Raum, nur um festzustellen, dass sie eine entscheidende Sache vergessen hatten: Zwar wusste er, dass der Eingang zu den Tunneln irgendwo hinter einer Wand lag, aber er hatte absolut keine Ahnung, wie er den öffnen musste.

 

 

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Auch Egyn und Khara hatten mitbekommen, dass zwei ihrer Leute in Schwierigkeiten steckten, wussten aber nicht, wer es war. Die Rufe der anderen Patrouillen waren recht undeutlich gewesen, aber Egyn hoffte wirklich, dass es nicht Iblis und Halphas waren, da sie den Spiegel hatten. „Ich gehe und helfe ihnen.”, beschloss er sofort, wurde aber von Khara aufgehalten. „Sicher, dass das eine gute Idee ist?“, fragte er zweifelnd. „Du bist ein Dämonenkönig, wenn du gefangen genommen wirst-“

 

„Ich bin mitgekommen, weil ich mächtig genug bin, gegen die meisten Dämonen zu bestehen, da werde ich nicht abhauen, wenn es Ärger gibt.“, antwortete Egyn scharf und funkelte sein Gegenüber wütend an. „Wow, das war einschüchternd. Schätze man sollte sich wirklich vor den netten in Acht nehmen…“, kommentierte dieser ungerührt. „Ich lasse ja ungern die Traumblase platzen, aber du weißt schon, dass du mit jedem Tag an Stärke verlierst? Lilith wird sich hier sicher irgendwo rumtreiben und ich bezweifle, dass du momentan eine Chance gegen sie hast. Die kleine Blamage im Kampf um den Vatikan sollte eigentlich genügt haben.“ Der Wasserdämon zuckte zusammen, als er an diesen Zwischenfall erinnert wurde, schüttelte dann aber energisch den Kopf. „Beim letzten Krieg konnten wir es uns nicht leisten, dass einer von uns gefangen oder getötet wird, weil wir alle für die Versiegelung brauchten, aber dieses Mal-“

 

„Dieses Mal brauchen wir genauso starke Dämonen, zu denen du nun mal dazu zählst.“, wurde er unterbrochen. „Du bist nützlicher, wenn du gehst und verschwindest. Der Rest von uns folgt.“ Egyn wollte erneut protestieren, gab aber schlussendlich nach, da er einsah, dass der andere Dämon recht hatte. Er durfte nicht wieder den gleichen Fehler machen und sich von seinen Emotionen leiten lassen. Natürlich war er mitgekommen, um falls nötig zu kämpfen, aber es war niemals geplant gewesen, einen zu provozieren. „Was wenn es Iblis erwischt hat? Er hat den Spiegel.“, gab er zu bedenken, woraufhin der Rakshasa mit dem Kopf schüttelte. „Halphas und er haben eine andere Route genommen, das können nur Jahi und diese Geisterdämonin sein.“

 

„…Na gut. Ich gehe.“, murmelte Egyn widerwillig. „Aber sage mir nochmal den Weg, damit nichts schief geht.“ Khara nickte und tat ihm den Gefallen, zudem verriet er, wie man den Geheimgang öffnete. Damit machte sich der Baal schnell auf dem Weg und betete, dass der Rakshasa sie nicht gerade komplett über den Tisch zog.

 

 

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‚Von allen, auf die wir hätten treffen können, erwischen wir natürlich den Typen, der Jahi erkennt. Das war so klar, kann nicht mal was einfach sein?!′, fluchte Ankou im Stillen, während sie einen ihren Gegner aufschlitzte. Leider kamen mit jedem Toten gefühlt zwei neue hinzu, es würde nicht mehr lange dauern, bis man sie überwältigt hätte. Damit sollte sie Recht behalten, denn gerade mal Sekunden später war sie am Boden festgesetzt und aus dem Augenwinkel sah sie, dass es der Feuerdämonin nicht anders erging. Sie fluchte und zappelte, leider schafften Liliths Leute es dennoch, sie zu fesseln. „Du verräterisches Miststück! Dafür wirst du bezahlen.“, zischte einer Jahi an, schlug ihr ins Gesicht und spuckte sie obendrein noch an. „Was machen wir jetzt mit ihnen? Töten wir sie direkt?“

 

„Hier könnten noch mehr Eindringlinge sein, wir sollten sie befragen.“, erwiderte der vermutliche Anführer. „Sperren wir sie ein und dann-“

 

„Übernehme ich.“, wurde er von einer neuen Stimme unterbrochen und Ankous Zuversicht sank auf einen Nullpunkt. Ira kam in Begleitung eines weiteren Dämonen auf sie zugestapft, auf den Lippen lag ein böses Grinsen. „Na schau mal einer an, wen haben wir denn da? Es hat ja lange genug gedauert, Jahi. Ich hätte wirklich erwartet, dass du sie schneller herschaffst.“ Bitte was? Beide Dämoninnen sahen die Todsünde verständnislos an, welche schnaubte und genervt die Augen verdrehte. „Jetzt lass es gut sein, es gibt keinen Grund mehr sich zu verstellen. Sie sind drauf rein gefallen.“ Sie wandte sich an die restlichen Dämonen, welche nicht intelligenter als ihre Gefangenen drein schauten. „Macht sie los.“, befahl sie. „Wir haben ihren Seitenwechsel vorgetäuscht, damit wir an Satan, den Nephilim und die Baal kommen.“, erklärte sie gelassen. Verblüfft kamen die Dämonen der Aufforderung nach. Derweil grinste die Aveira in Richtung Ankou. „Und es hat super funktioniert. Wie fühlt es sich an, hm? Als Samael das im ersten Krieg abgezogen hat, war es sicherlich angenehmer, was?~“ Endlich hatte das, was sie sagte, das Hirn der Schwarzhaarigen erreicht und sie schaute zu Jahi, welche sich die Handgelenke rieb und aufstand. „Ich wusste es! Du hast uns angelogen!“, fauchte sie und blanker Hass machte sich in ihr breit. Wie konnte sie es wagen?! Erst ihr Verrat, dann kam sie an, tat als würde sie es bereuen, nur ihm sie wieder zu verraten. Damit war es beschlossen: Wenn sie die Gelegenheit bekam, würde sie diese Dämonin umbringen. Jahi sagte nichts und starrte stattdessen Ira an. „…Tut mir leid, ich wollte sie eher her locken, aber es gab einige Probleme. Der Rest wird sicherlich schnell zu fassen sein.“, sagte sie schließlich. Ankou achtete allerdings nicht mehr auf sie, denn ihr Blick galt nun Ira und dem Dämonen neben ihr. ‚Sekunde mal…das ist doch…sag mir nicht…!′ Ihre Augen weiteten sich, doch sie überspielte es schnell. ‚Verstehe…sehr clever.′

 

„Worauf wartet ihr Idioten? Geht, sucht sie und bringt sie her. Tot oder lebendig, es spielt keine allzu große Rolle mehr.“, wies Ira die Dämonen an, welche sich allerdings nicht von der Stelle rührten. „Seid Ihr sicher, dass-„, setzte einer an, nur um unterbrochen zu werden. „Natürlich bin ich das, du dämlicher Amateur!“, fauchte die Schwarzhaarige und trat einige drohende Schritte nach vorn. „Willst du etwa meine Anweisungen hinterfragen?!“

 

„N-Nein, aber wollt Ihr wirklich allein-“ Innerhalb von Sekunden stand Ira vor ihm und hatte dem Dämonen einen Dolch an den Hals gepresst. „Erst hinterfragst du mich und jetzt unterstellst du mir Schwäche? Denkst du wirklich, dass ich nicht allein mit einer gefesselten Gefangenen klar komme?“, zischte sie gefährlich und übte leichten Druck auf die Klinge aus, woraufhin die ersten Blutstropfen flossen. „Nein, bitte vergebt mir! Ich habe einen Fehler gemacht.“, erwiderte der Dämon panisch. Ira musterte ihn abfällig, dann schnaubte sie abfällig. „Vorlaut und ein Feigling…würden wir nicht jeden brauchen, würde ich dich töten. Geh mir aus den Augen, bevor ich es mir anders überlege, verstanden?“

 

„J-Ja, ich danke Euch!“

 

„Gut, jetzt geht oder ich verfüttere euch alle an die Nachtmahre! NA LOS!” Endlich zog die Gruppe ab, sichtlich eingeschüchtert. Iras genervter Blick wich schnell einem Grinsen und auch Jahi konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen. „Du Arsch! Hast du eine Ahnung, was du mir für einen Schrecken eingejagt hast? Ich dachte echt, das wäre es gewesen!“, schimpfte sie, wirkte aber nicht wirklich wütend. „Khara?“, hinterfragte nun Ankou, obwohl sie die Antwort bereits kannte. „Japp.~ Freut mich, dass es geklappt hat, ich war mir nicht sicher, ob sie’s schlucken.“, gestand der Gestaltwandler, während er wieder sein normales Aussehen annahm. „Und was treibst du hier, Halphas?“, erkundigte sich Jahi bei seinem Begleiter. „Ich wollte euch helfen und bin auf dem Weg Khara begegnet, also haben wir uns diesen Plan überlegt. Ich bin eigentlich nur mit, falls was schief geht.“, erklärte er schulterzuckend. „Das ist ja alles schön und gut, aber könnte mich dann jemand befreien?“, fuhr Ankou dazwischen, die noch immer gefesselt war. „Oh, richtig!“ Hastig befreite Halphas sie, während ihr Blick erneut zu Jahi wanderte. „Tut mir leid, dass ich dachte wirklich, du hättest uns hintergangen.“, sagte sie ein wenig widerwillig. Vielleicht hatte die Feuerdämonin aufgrund ihrer vorherigen Taten die Entschuldigung nicht verdient, aber wenn sie sich irrte, entschuldigte sie sich nun mal. „Schon gut.“, antwortete diese seufzend. „Hatte ich wohl verdient und es hat es wohl noch überzeugender gemacht.“

 

„Übrigens habe ich Iblis schon mal vorgeschickt, weil er den Spiegel hat.“, mischte sich Halphas ein. „Um ihn müssen wir uns also erst mal keine Sorgen machen.“

 

„Ich habe Egyn ebenfalls weggeschickt, hoffen wir, dass er den Weg gefunden hat.“, ergänzte Khara. „Aber wir sollten uns jetzt wirklich beeilen, die anderen werden nicht lange brauchen, bis sie den Trick durchschauen.“ Er hielt inne. „Vielleicht sollte ich versuchen, sie von der Spur abzubringen…nur für den Fall.“ Ankou runzelte die Stirn. Tatsächlich könnten sie die Extra Zeit gut gebrauchen, aber es klang nicht ungefährlich. Jahi schien diese Einstellung zu teilen. „Sicher, dass das eine gute Idee ist?“, fragte sie besorgt. „Wenn sie herausfinden, dass du uns geholfen hast, töten sie dich oder schlimmeres.“

 

„Woher sollen sie es wissen?“, argumentierte er schulterzuckend. „Sie haben keinen Grund mich zu verdächtigen und ich kann mich notfalls schnell davon schleichen. Mach dir keine Sorgen, das wird schon.“

 

„Ich bin nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee ist…“, warf Halphas ein. „Je länger wir hier rumstehen und darüber diskutieren, desto geringer unsere Chancen. Geht vor, ich komme nach.“, drängelte Khara ein wenig ungehalten. Es war offensichtlich, dass er keine Widerworte dulden würde. „Na gut.“, gab Jahi widerwillig nach. „Aber du kommst danach besser direkt hinter her, kapiert?“

 

„Ich habe nicht mein Leben riskiert, um euch zu helfen und dann zu sterben, also klar.“ Ankou hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache, doch nickte wie der Rest widerwillig. Sie hatten es beinahe geschafft, sie mussten nur in Bewegung bleiben.

 

 

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Rin war sich inzwischen sicher, einen Rekord für die meisten Krankenzimmer Besuche innerhalb eines Jahres aufgestellt zu haben. Seit dem Tag seines Erwachen war er am laufenden Band verletzt und zusammengeflickt worden, von gefühlt ständigen Ohnmachtsfällen mal ganz abgesehen. Er hatte wirklich gehofft, zumindest dieses Mal schnell der Krankenstation zu entkommen, natürlich wurde er enttäuscht. Zwar war er stabil und das Gift aus seinem Körper, aber er sollte trotzdem die Nacht hier verbringen, falls er rückfällig wurde. Einerseits nervte es ihn tierisch, andererseits verstand er es irgendwo. Sicherlich wäre es für jeden Heiler fatal, seinem Vater erklären zu müssen, dass ihm etwas passiert war, weil sie nicht vorsichtig genug gewesen waren. Immerhin kam zur Abwechslung keine Langweile auf. Zwar waren seine Freunde bereits gegangen, aber Alastor würde jeden Moment eintreffen und zum ersten Mal freute er sich irgendwie darauf, ihm zu reden. Nur wenige Minuten später traf der ältere Dämon ein und zu Rins Erleichterung sah ihn keine der Verletzungen mehr an. „Du bist echt nicht tot zu bekommen, wie?“, wurde er begrüßt. „Ich dachte für 'ne Sekunde, ich müsste Satan beibringen, dass er 'ne Göre weniger hat.“

 

„Freut mich auch, dich zu sehen.“, grummelte Rin augenverdrehend. „Das könnte ich aber von dir genauso sagen. Du warst ganz schön in Bedrängnis.“ Vermutlich war es nicht die beste Idee, den Feuerdämonen damit zu reizen, doch zur Verblüffung Rins verdrehte der ältere Mann ebenfalls die Augen und schnaubte. „Das war Pech.“, grollte er. „Dieses Miststück hätte mich normalerweise nicht mal treffen können, aber du hast mir echt den Arsch gerettet, so dämlich es klingt. Anscheinend lag ich doch falsch und du bist nicht ganz so nutzlos und nervig wie erwartet.“ Zwar sagte er es nicht laut, aber der Halbdämon war ziemlich sicher, dass dies ein umschriebenes Danke war. „Gern geschehen. Du hast mich ebenfalls gerettet, damit sind wir wohl quitt.“, warf er ein. „Ist eigentlich noch etwas nennenswertes passiert, nachdem ich bewusstlos geworden bin?“

 

„Nicht wirklich. Deine Menschen Freunde dürften dir bereits das meiste erzählt haben. Ich habˈ mir den Dolch genommen und dich zum Krankenzimmer gebracht Du hattest echt Glück, dass Gula kein stärkeres Gift genommen hat. Ziemlicher Anfängerfehler, wenn du mich fragst, wobei es Glück für dich war.“ Als Rin schwieg, verdrehte er die Augen. „Erzähl mir nicht, dass du dich schlecht fühlst, weil du sie getötet hast.“

 

„Ja, ja, das war nötig und Notwehr und so weiter, aber-“, setzte der Halbdämon an, nur um unterbrochen zu werden. „Es gibt kein aber. Sie hatte ihre Chance, hat sie nicht genutzt und das war’s. Ende der Geschichte. Lilith hat nie erwartet, dass sie es schafft.“ Überrascht sah Rin ihn an. „Warum würde sie sie dann schicken?“

 

„Kamikaze oder wie auch immer das in Assiah heißt.“ , erklärte Alastor schulterzuckend. „Sie hatte keinen Nutzen mehr, aber anstatt sie zu erledigen und wieder in sich aufzunehmen, hat Lilith ihr eine letzte "Chance" gegeben. Entweder sie erfüllt den Auftrag erfolgreich und verpasst uns damit nochmal ˈnen Schlag oder sie versagt, was aber auch keinen großen Unterschied mehr macht. So oder so wette ich, dass Lilith dafür gesorgt hat, dass ihr Seelenteil in Gula zu ihr zurückgekommen ist und nicht zerstört wurde.“

 

„Ist das so wichtig?“

 

„Die Seele zu spalten allein kann schon risikoreich sein, aber wenn das abgespaltene Seelenteil zerstört wird, merkt man das. Es schwächt dich und kann viele unangenehme Folgen haben. Allerdings bin ich kein Experte und da Lilith die erste ist, die es jemals geschafft hat, aus einem Seelenteil ein Lebewesen zu schaffen, weiß man auf dem Gebiet ohnehin kaum was.“

 

„Also sind die Aveira die einzigen Dämonen, die aus einem Seelenteil geschaffen worden? Es gibt keine anderen?“, erkundigte sich Rin neugierig, woraufhin Alastor erneut mit den Schultern zuckte. „Soweit ich weiß nein. Allerdings ist Lilith nicht wie andere Dämonen, sie und Satan sind…Besonderheiten.“

 

„Inwiefern?“, hakte der Nephilim nach und ließ Alastor eine Braue heben. „Gibt es ˈnen bestimmen Grund, dass du ausgerechnet mich damit löcherst? Mit sowas wendest du dich besser an Shax, Paymon oder deinen Vater.“ Nun war es Rin, der ungerührt mit den Schultern zuckte. „Momentan habe ich nicht wirklich besseres zu tun, ich sitze bis morgen fest und da du hier bist, geht es dir bestimmt ähnlich.“ Das war keine Lüge, er war über jede Gesellschaft dankbar und wenn er dabei noch etwas halbwegs Produktives tun konnte, dann umso besser. „…Gut, kann ich akzeptieren.“, gab der ältere Dämon nach kurzem Zögern nach. „Du weißt, dass Satan das Gleichgewicht Gehennas ist, während Lilith das Chaos ist?“

 

„Ähm…ja?“, sagte (oder fragte) Rin unsicher. „Ich dachte eigentlich, dass sagt man nur so…“ Ein Augenrollen informierte ihn, dass er falsch lag. „Als erstgeborene Dämonen sind sie auf besondere Weise miteinander verbunden und auch ihre Kräfte und Eigenschaften sind anders als die eines gewöhnlichen Dämons. Wie Satan hat Lilith neben den acht Elementen ebenfalls Zugriff auf andere Fähigkeiten. Beispielsweise kann sie wie Luxuria Illusionen erschaffen und wie Superbia schwächeren Dämonen ihren Willen aufzwingen. Sie kann bestimmte Emotionen manipulieren und sich daran nähren. Es gibt neben den Aveira und ihr noch weitere Dämonen, die das können, Satan eingeschlossen, aber bei Lilith läuft es wohl anders ab, besonders wenn es um Lust geht. Das geht wohl sogar so weit, dass sie jemanden ganz schnell in den Wahnsinn treiben kann, wenn sie mächtig genug ist. Frag nicht wie, ich habe keinen Plan, wo der genaue Unterschied liegt und wie das abläuft oder was nötig ist. Jetzt kommt aber das wichtige: Im Gegensatz zu Satan liegt es ihr als Verkörperung des Chaos in der Natur eben dieses zu verbreiten. Jegliche Instabilität macht sie stärker und schwächt somit Satan und alle ihm zugehörigen Dämonen, deine Brüder und dich eingeschlossen. Der Laufpass und ihr Sturz vom Thron waren sicher die Hauptgründe für ihre Rebellion, aber der Drang Chaos zu stiften, dürfte eine weitere Rolle gespielt haben. Und wo gibt es mehr Instabilität, Chaos und negative Gefühle als in einem Krieg?“ Auf erschreckende Art und Weise klang seine Vermutung logisch. Darum auch diese ganzen Grausamkeiten in Gehenna und Assiah. Sie tat es nicht nur aus Hass und Bosheit, sondern auch, weil es für mehr Panik und Angst sorgte und sie damit stärkte. Jetzt verstand er endlich, warum sie so häufig im Vorteil war. „Kann man sie überhaupt noch besiegen? Und falls ja, wäre das nicht schlecht für Vater? Ich meine, sie ist ihr Gegenstück. Assiah und Gehenna sind es ebenfalls und wenn da eine Welt vernichtet wird…“ Er hielt inne, er konnte nicht weitersprechen. Was wenn die Verbindung zwischen seinem Vater und Lilith wirklich so tief war, dass er starb, wenn sie es tat? Damit würde dann zusätzlich Gehenna und schlussendlich Assiah mitsterben. „Es würde ihn wohl…erschüttern.“, erwiderte Alastor ungewohnt vorsichtig. „Wahrscheinlich hätte es Einfluss auf alle Dämonen Gehennas, insbesondere die von Lilith geschaffenen, aber schlussendlich ist sie nicht wie Satan. Sie hat nicht seine Flammen und ist auf andere Weise geboren worden. Sollte es hart auf hart kommen, müssen wir wohl einen Ersatz für sie suchen, aber dafür kämen wohl nur du oder deine Brüder in Frage, mit Glück vielleicht ein Erzdämon, aber der würde niemals Liliths Stärke haben.“ Rin war noch nicht beruhigt, fast machte er sich sogar noch mehr Sorgen als zuvor. Was wann sie doch falsch lagen und Liliths Tod alle anderen mit in den Abgrund reißen würde? In diesem Fall blieb als einzige Möglichkeit, sie erneut zu versiegeln, aber dann würde sie wohl früher oder später zurückkommen und alles von vorne beginnen. Damit steckten sie dann in einem ewigen Kreislauf der Zerstörung fest. „Jetzt guck nicht so, es wird nicht das Ende der Welten auslösen.“, holte Alastor ihn in die Gegenwart zurück. „Gehenna hat die letzten Jahrtausende ohne Lilith überstanden, das wird sich nicht ändern, wenn die Irre endlich tot ist. Dann haben wir eine Sorge weniger, bis der nächste größenwahnsinnige Dämon kommt, aber mit dem dürfte Satan kurzen Prozess machen.“ Seine Worte sollten ihn eigentlich aufbauen, aber der Halbdämon fühlte sich nicht ansatzweise besser und konnte nichts anders, als sich die schlimmsten Szenarien auszumalen. Beide zuckten zusammen, als sie hörten wie die Türen aufflogen, gefolgt von lautem rufen und schnellen Schritten. Sie hatten noch Zeit sich anzusehen, dann sprang plötzlich etwas auf Rins Bett. Alastor, welcher bereits nach seinem Schwert gegriffen hatte, erstarrte, dann verdrehte er die Augen und verschränkte die Arme. „Sollte Vaya nicht auf euch aufpassen?“, knurrte er Mergi, Vritra und Lilu an, welche für einen Moment von seiner Anwesenheit überrascht wirkten dann zuckte Vritra mit den Schultern. „Wir wollten Rin besuchen. Mama hat gesagt, dass ihm jemand weh getan hat.“ Rin wollte zu einer Antwort ansetzen, wurde allerdings von weiteren hastigen Schritten und der erneut aufschwingen Tür unterbrochen. Vaya war dazu gekommen und schien bisher keinen einfachen Tag zu haben, wenn man ihre zerzausten Haare und das gerötete Gesicht beachtete. „Ich habe euch doch gesagt, dass ihr warten sollt!“, schnaufte sie verärgert. „Ihr könnt nicht einfach los rennen, was wenn ihr euch verlauft?!“

 

„Haben wir aber nicht!“, verkündigte Mergi grinsend. „Und du bist viel zu laaaangsaaaam. Also sind wir vorgegangen!“ Vaya rang sichtlich um Beherrschung, Alastor verdrehte nur die Augen. „Das ist mein Stichwort abzuhauen.“ Er wandte sich an Rin. „Tu uns allen 'nen Gefallen und lasse dich zumindest für einen Tag nicht in irgendwelche Fallen locken oder töten, kapiert? Es wird nicht immer jemand da sein, um dir den Arsch zu retten.“

 

„Das A-Wort darfst du nicht sagen, das ist ein böses Wort!“, rief plötzlich Mergi und sah ihn böse an. „Wenn du zu viele benutzt, fällt dir irgendwann die Zunge ab. Das sagen meine Mama und mein Papa immer.“ Sowohl Rin als auch Vaya mussten sich wegen Alastors Gesichtsausdruck das Lachen verkneifen. Zunächst schien er etwas sagen zu wollen, dann schüttelte er jedoch nur den Kopf. „Ja, ja...man sieht sich.“ Damit stapfte er davon, wobei er irgendetwas vor sich grummelt, was nicht sonderlich nett klang. Offenbar konnte er mit Kindern nicht sonderlich viel anfangen. Diese wandten sich nun an Rin und begannen ihn mit Fragen zu bombardieren, was Vaya schnell einschreiten ließ. „Jetzt lasst ihn Luft holen und kommt wieder runter. Rin soll sich eigentlich ausruhen und das kann er nicht, wenn ihr auf seinem Bett rumspringt.“, warf sie ein und setzte sich auf einen Stuhl. Daraufhin hörten die Kinder mit ihrem herumhibbeln auf und setzten sich stattdessen nur auf die Bettkannte, wobei sie Rin nach wie vor erwartungsvoll anstarrten. „Tut mir wirklich leid, sie wollten unbedingt zu dir.“, entschuldigte sich derweil Vaya bei ihm. „Agash ist sehr mit Jestan und Forcas beschäftigt, also hat sie mich gefragt, ob ich auf die drei hier aufpassen kann und dann waren sie plötzlich weg.“

 

„Schon ok.“, winkte Rin ab. Er fand es wirklich süß, dass die drei nach ihm sehen wollten. In den letzten Monaten hatte er öfter mit den Kindern zu tun gehabt und tatsächlich mochten sie ihn von Anfang an. „Ist denn alles wieder gut?“, fragte Lilu, während sie ihn mit großen Augen ansah. „Ja, klar. Alles in Ordnung.“, antwortete er schnell, während sein Blick erneut zu Vaya wanderte, die ihn nicht weniger besorgt ansah. Er ignorierte es jedoch und wandte schnell seinen Blick zurück zu den Kindern. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Vritra ein Buch unter dem Arm geklemmt hatte. „Wenn du willst, können wir dir was vorlesen. Das machen Mama und Papa immer, wenn wir krank sind.“, bot diese unerwartet an. Ziemlich überrumpelt geriet der Halbdämon daraufhin ins Stottern. „Danke, ist schon ok-„

 

„Wie wäre es, wenn ich etwas vorlese?“, mischte sich plötzlich Vaya ein. „Bestimmt geht es Rin dann bald besser und ihr könnt sogar die Geschichte aussuchen.“ Sie warf Rin einen Blick zu, welcher keiner Telepathie bedurfte: Bitte sag ja, dann sind sie beschäftigt. Zögerlich nickte der Nephilim, woraufhin die Kinder freudig auf und ab wippten. „Kannst du bitte "Die Sirene und die Harpyie" vorlesen?“, bat Lilu. „Ich möchte lieber "Der Wald der hängenden Leichen" hören!“, widersprach Mergi, was Rin einen Schauer über den Rücken jagte. Um was für Geschichten ging es hier genau? „Und ich "Spiegelschatten" und "Die schwarzen Augen"!“, fügte Vritra hinzu. „Wie wäre es, wenn wir alle drei lesen? Wir haben genug Zeit und Rin hat sicher nichts dagegen, oder?“ Natürlich schüttelte der Nephilim den Kopf, woraufhin die Kinder zufrieden wirkten und nickten. „Gut, dann fangen wir mit "Die Sirene und die Harpyie" an.“, legte die Dämonin fest, schlug das Buch auf und begann zu lesen. Hoffentlich waren die Geschichten kinderfreundlicher als sie klangen.

 

 

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„Das dauert zu lange…irgendwas muss passiert sein!“, murmelte Iblis nervös, während er auf und ab ging. Unsicher schaute er zu seinem Bruder, welcher ihm schräg gegenüber an der Wand lehnte und wie erwartet mit seinen Haaren spielte. Er schien in Gedanken versunken, da er im Gegensatz zu sonst nicht am laufenden Band plapperte und nicht auf Iblis reagierte. „Hey, Egyn!“, zischte dieser scharf und ließ den blauhaarigen zusammenzucken. „Da stimmt was nicht!“, wiederholte er und blieb ruckartig stehen. „Irgendwas ist schief gegangen!“

 

„Geben wir ihnen noch ein paar Minuten, dann verschwinden wir. Wir gehen schon ein Risiko ein, indem wir in diesen Tunneln warten, wir sollten es nicht noch schlimmer machen.”, warf Egyn widerwillig ein. Offenbar wollte er genauso helfen, aber beide wussten, dass sie nicht durften, andernfalls würden sie ihren Auftrag gefährden. „Der Angriff hat bereits begonnen, bei dem Chaos werden sie gute Chancen haben.“

 

„Hoffen wir’s.“ Es war wirklich ein Glücksfall gewesen, dass nur kurz nachdem er in dem Zimmer angekommen war, auch Egyn dazu kam und wusste, wie man den Geheimgang öffnete, andernfalls würde er momentan festsitzen. Besser fühlte er sich deswegen aber nicht. Beide von einer gewaltigen Erschütterung aus den Gedanken gerissen, welche sie zusammenzucken und mehrere Steinchen von der Decke rieseln ließ. „Ok, allerspätestens das sollte ihnen genug Zeit geben.“, stellte Iblis fest und starrte in die Richtung, aus der der Rest ihre Gruppe hoffentlich bald zu ihnen stoßen würde. ‚Kommt schon, Leute. ˈNe bessere Gelegenheit kommt nicht mehr.′

 

 

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Halphas rappelte sich fluchend vom Boden auf und sah sich nach dem Rest der Gruppe um. Genau wie er waren sie durch die Erschütterung umgeworfen worden und versuchten ebenfalls wieder auf die Beine zu kommen. Zwar hatten sie gewusst, dass der Angriff bereits lief, aber mit einer derartigen Erschütterung hatten sie nicht gerechnet. Beschweren würden sie sich natürlich nicht. Die Gänge waren voller Dämonen, die in verschiedene Richtungen liefen und Befehle brüllten. Ohne große Wahl ließen sie sich vom Strom mitreißen, bis es ihnen schließlich gelang, in einen leeren Gang auszuweichen und ihren Weg fortzusetzten. Inzwischen waren sie guter Dinge, keiner würde jetzt noch auf sie achten. Umso überraschender war es, als sie auf eine einzelne Person trafen, mit der Halphas dummerweise auch noch zusammenstieß. Der erschrockene Laut des anderen Dämonen verriet, dass eine Frau war, doch das Geschlecht war momentan ihre geringste Sorge. Erschrocken starrten sie die Dämonin, welche sie dank der verhüllten Gesichter noch nicht erkannt hatte, an. Schock war die erste Empfindung, die sie durchfuhr, dicht gefolgt von grimmiger Entschlossenheit notfalls das zu tun, was nötig war. So ging es zumindest Ankou, Halphas hatte jedoch aus verständlichen Gründen eine Kurzschlussreaktion und sprach die Dämonin mit heiserer Stimme an. „Kaliya?“ Seine Stimme zitterte, als er den Namen seiner ehemaligen Geliebten aussprach. Er hatte sie seit ihrem Verrat und damit seit der ersten Rebellion nicht mehr gesehen, jeglicher Versuch sie zu finden oder Kontakt aufzunehmen war gescheitert, daher war ihr plötzliches Aufeinandertreffen umso schwieriger. Für einen Moment hoffte er, sie würde seine Stimme nicht erkennen und sie konnten weitergehen ohne dass sie jemals erfuhr, in wen sie gerannt war, doch natürlich war das Wunschdenken. „Halphas?“, krächzte die Weißhaarige hervor und schaute ihn nicht weniger überrascht an. Für einige Sekunden sagte keiner etwas, dann wandte sich die Dämonin überraschenderweise ab. „Geht einfach. Ich habe euch nicht gesehen.“, sagte sie dumpf und lief davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Natürlich wollte der Feuerdämon ihr folgen, aber seine beiden Begleiterinnen hielten ihn zurück. „Keine Zeit, wir haben das Glück schon genug herausgefordert.“, zischte Ankou. „Also Bewegung.“ Unsicher schaute der Feuerdämonin ein letztes Mal in die Richtung, in die Kaliya verschwunden war, dann nickte er und folgte ihnen wortlos. Der Rest des Weges verlief ereignislos, bis sie beinahe an ihrem Ziel angekommen waren. Offenbar waren inzwischen die ersten in das Schloss eingedrungen, denn der Kampfeslärm war nun auf den Gängen zu hören. Zwar war es noch nicht allzu laut, aber laut genug, dass sie nicht sofort das schwere Atmen hörten. Erst als sie die Ecke bogen, hörten sie es und sahen, woher es kam. An einer Wand lehnte Khara, beiden Hände auf den Unterkörper gepresst, wo langsam Blut durch seine Finger sickerte. „Khara!“, rief Jahi erschrocken und wollte zu ihnen, doch der Rakshasa machte einige Schritte von ihr weg und stolperte dabei zu Boden. „Nicht herkommen, das ist-“

 

„Hey, nicht vorsagen, du versaust mir meinen Auftritt.“, wurde er von der selbstgefälligen Stimme Invidias unterbrochen. Diese kam grinsend auf einer der Türen hervor, neben ihr stand Avaritia, die im Gegensatz zu der Grünhaarigen nur noch genervt wirkte. „Vidia, bringen wir’s hinter uns und hör auf mit deinem Drama, ich kann’s nicht mehr hören.“, knurrte sie und wandte sich an die drei Dämonen vor ihr. „Wo ist der Spiegel?“, fragte sie ohne Umschweife. „Weg. Iblis hat ihn und er ist längst aus dem Gebäude raus. Wahrscheinlich hat Satan ihn schon.“, erwiderte Ankou mit einer gewissen Genugtuung. „Ihr habt immer noch nicht gelernt, wie man mit Infiltrationen umgeht.“

 

„Große Töne. Dennoch war es nicht schwer sich in Satans Palast zu schleichen und das Hauptquartier der Exorzisten war auch kein Problem.“, höhnte Invidia. „Was soll das heißen?“, fragte Halphas scharf. Wann hatten sie sich denn in das Exorzistenhauptquartier geschlichen? „Während ihr weg wart, haben sich Gula und einige unserer Leute durch einen der alten Tunnel eingeschlichen und die Vorräte vergiftet. Für eure Leute ist es gelaufen, genau wie für den Nephilim und Azazel.“, verkündete Invidia ausgelassen und grinste breit. „Selbst wenn ihr hier gewinnt, ihr fangt wieder komplett bei null an.~“

„Du lügst doch, sobald du den Mund öffnest.“, konterte Jahi kalt. „Warum sollten wir etwas auf dein Wort geben?!“ Die Gestaltwandlerin zuckte mit den Schultern. „Das ist mir ziemlich egal, ihr werdet sowieso sterben.“ Ihr Blick wanderte zu Jahi und ihr Gesicht verdüsterte sich sofort. „Nur du nicht. Dich lassen wir für deinen Verrat leiden.“, sagte mit kalter, beinahe emotionsloser Stimme, welche jedoch schnell wieder fröhlich wurde, ebenso wie ihr Gesichtsausdruck. „Ich habˈ da nämlich vor einer Weile was in diesem Fernding der Vergänglichen gesehen, was ich gerne mal ausprobieren würde.~ Bisher hatte ich noch nie die Gelegenheit, jemanden langsam den Brustkorb aufzureißen.~“

 

„Woher wusstest du überhaupt, dass Khara uns geholfen hat?“, mischte sich Ankou ein, woraufhin Avaritia mit den Schultern zuckte. „Glück. Uns kamen einige Dämonen entgegen, die meinten, Ira hätte ihnen neue Befehle gegeben, dabei war sie ganz woanders und andere haben gesehen, wie Khara auf dem Weg dort hin war. Es braucht kein Genie, um eins und eins zusammenzuzählen.“ Das erklärte wohl einiges. Halphas verfluchte sich selbst, weil sie nicht daran gedacht hatten, aber jetzt war es zu spät. „Der Angriff ist bereits in vollem Gange und Satan dürfte jede Minute eintreffen. Tut euch selbst einen Gefallen und kapituliert.“, versuchte Ankou unterdessen ihr Glück, doch natürlich lachte die Grünhaarige lachte nur. „Wir sollen aufgeben? Nur wegen ein paar Verlusten? Ihr scheint zu vergessen, dass wir nach wie vor ganz Gehenna unter Kontrolle haben und damit über wesentlich mehr Ressourcen verfügen.“

 

„Dafür werdet ihr von allen gehasst und sie warten nur auf eine Gelegenheit euch los zu werden. Ohne die Bevölkerung Gehennas seid ihr gar nichts.“, hielt Halphas dagegen und erwischte damit einen Nerv. „Wir haben zu lange auf diesen Moment gewartet und dieses Mal kommt ihr uns nicht in die Quere!“, fauchte Invidia, ließ einige ihrer Finger zu Klingen werden und presste sie Khara an den Hals. „Fangen wir gleich mit diesem Verräter an. Ich würde ihn ja ebenfalls foltern, aber ehrlich gesagt, ist er meine Zeit nicht wert.“

 

„Wage es ja nicht!“, fauchte Jahi und trat einige Schritte nach vorne, alle wussten allerdings, dass sie nie rechtzeitig ankommen würde oder eine Chance hatte. „Sonst was?“, kam die höhnende Antwort. „Du konntest nicht mal deine Geschwister retten, was willst du da schon tun?“

 

„Schon gut, Jahi. Das war meine Schuld.“, presste Khara hervor. „Sie will dich nur reizen, das ist es nicht wert-“

„Klappe!”, zischte die Aveira gereizt. „Beenden wir es.” Khara warf Jahi einen letzten Blick zu. „Danke, für alles.“, waren seine letzten Worte, dann schlitzte Invidia ihrem Gefangenen den Hals auf und ließ ihn zu Boden fallen. Jahi schrie auf und stürmte nach vorne, doch die Todsünde war schneller und bevor jemand wusste, was passiert war, lag die Feuerdämonin am Boden und umklammerte ihr Bein. Halphas erkannte schnell, dass ihre Achillessehne durchtrennt war, folglich würde sie die für die nächsten Minuten nirgends hingehen. Dummerweise bedeute das auch, dass er und Ankou den beiden Todsünden allein gegenüber standen und keine Chance hatten, außer sie hatten verdammt viel Glück. Ihr einziger Vorteil war, dass allgemein bekannt war, wie sehr Invidia (und auch einige ihrer Schwestern) Feuer verabscheutem nachdem sie bei der ersten Rebellion schwer verbrannt worden waren. Egal wie gut die Selbstgeneration war, der Schmerz blieb stets gleich schlimm. Daher zögerte Halphas nicht lange mit seinem Angriff, aber natürlich rechneten sie bereits damit und wichen aus. Ankou zog ebenfalls ihre Waffe und hielt auf Avaritia zu, welche sofort konterte. Halphas versuchte erneut sein Glück bei Invidia, nur war sie wesentlich flinker und wendiger als er, weswegen es schwer war, sie zu treffen. Beinahe verfluchte er sich dafür, Iblis und Egyn weggeschickt zu haben, er könnte sie momentan wirklich gut gebrauchen. Theoretisch mussten sie nur durchhalten, bis ihre Truppen hier ankommen, allerdings hatte er bereits den schleichenden Verdacht, dass ihnen dies nicht gelingen würde. Am Rande sah er, wie Jahi versuchte, sich aufzurichten, allerdings sofort wieder zusammensackte. Dennoch versuchte auch sie, die beiden Todsünden mit Feuer anzugreifen, was sie tatsächlich im kalten erwischte, jedoch nur für wenige Sekunden. Erst als Halphas ihnen eine Feuerwand entgegenschickte, landete er endlich einen Treffer, leider hielt der Triumph nur wenige Sekunden an. Der nächste Angriff ließ ihn durch die Wand krachen und in dem Saal dahinter landen. Dabei durchfuhr ein fürchterlich Schmerz seinen Körper und er spürte, wie Blut seinen Rücken hinunter lief. Avaritia hatte die Struktur des Boden verändert und mehrere scharfe Steinspitzen erzeugt, auf denen er gelandet war und irgendwie seine Rüstung und ihn zum Teil mit durchbohrt hatten. Wahrscheinlich hatte sie es während ihres kurzen Schlagaustausches irgendwie geschafft, ihn zu berühren und das Material seiner Rüstung manipuliert. Er konnte nicht einschätzen, wie tief die Spitze genau in seinem Körper war, aber es war zweifellos tief, denn er konnte sich nicht befreien und damit nicht die Wunde heilen. Ankou war ihm ebenfalls in den Saal gefolgt, um zu helfen, geriet allerdings sichtlich in Bedrängnis und war an der Schulter verletzt. Dennoch weigerte sie sich aufzugeben und kämpfte verbissen. Inzwischen war es Jahi endlich gelungen, aufzustehen und sich am Kampf zu beteiligten, auch wenn sie immer noch ein wenig hinkte. Weswegen ausgerechnet die Achillessehne so verdammt lange zur Regeneration brauchte, hatte er noch nie begriffen. Dennoch wurde schnell klar, dass sie unterlegen waren und ohne baldige Hilfe besiegt werden würden. Halphas freundete sich bereits mit dem Gedanken an, hier sein Leben zu lassen, als das Schicksal ein weiteres Mal Mitleid hatte. Plötzlich schrie Invidia auf, als sie von einem Angriff von hinten verbrannt wurde. „Macht wohl keinen Spaß, wenn man es selbst ist, der von hinten angegriffen wird, was?”, ertönte Iblis Stimme, der die grünhaarige Sünde selbstgefällig anstarrte. Neben ihm standen Egyn und einige weitere Dämonen, welche alle in Kampfposition gingen. „Tut uns leid, dass es so lange gedauert hat, aber es hat ˈne Weile gedauert den Spiegel abzuliefern, zurückzukommen und sich dann hier her durchzukämpfen, der Geheimgang war dann ja zu.”, fuhr er fort, dieses Mal in Richtung Jahi, Ankou und Halphas. Avaritia war derweil wie vom Erdboden verschwunden und hatte ihre Schwester zurückgelassen. Überraschend war es nicht, immerhin schien sie bereits von vorneherein keine Lust auf diesen Kampf gehabt zu haben. Damit dürfte der Kampf hoffentlich vorbei sein.

 

 

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„Gib auf, Invidia. Du bist allein und die restlichen Truppen werden jeden Moment hier sein.”, sprach Egyn die Gestaltwandlerin an. Er war wirklich erleichtert, rechtzeitig angekommen zu sein, zumindest zum Großteil. Kharas Leiche hatten sie bereits gesehen, aber darum würden sie sich nachher Gedanken machen. Invidia schnaubte abfällig. „Träum weiter, du dämlicher Wasserlurch.”, zischte sie und richtete sich wieder auf. Mehrere von Liliths Leuten waren zu ihrer Unterstützung gekommen, allerdings wirkten die wenigsten motiviert genug, um gegen zwei Dämonenkönige zu kämpfen. „Wie eine Enttäuschung wie du Dämonenkönig werden konntest, ist mir ein Rätsel. Du bist genauso schwach wie deine Mutter.”, spottete sie und ließ den Wasserdämonen damit zusammenzucken. Sogar nach all diesen Jahren tat es immer noch weh, darüber zu sprechen oder nachzudenken. Es war natürlich klar, dass Invidia darauf zurückgreifen würde, aber was dann kam, ließ den Baal um Fassung ringen. „Ich frage mich, ob du sich auch so leicht verschleppen und brechen lässt wie sie. Bisher hatte ich nie so viel Spaß mit jemanden gehabt.~”

 

„Halt den Mund.”, knurrte Egyn, konnte aber bereits spüren wie seine Dämonenmale langsam hervor kamen. So ruhig er auch normalerweise war, dieses Thema war für ihn etwas, dass ihn in Sekunden auf 180 brachte. „Du weißt gar nichts über meine Mutter.”

 

„Oh, doch.~”, säuselte Invidia und lehnte sich grinsend ein Stück nach vorne. „Ich war es nämlich, die sie abgefangen und Lilith übergeben hat. Und zusammen mit Lux und Acedia war ich es auch, die ihren Verstand zerstört hat. Hast du dich niemals gewundert, warum sie immer dachte, ihr wärt alle nicht echt? Die arme wusste irgendwann nicht mehr, was Illusion und was real war, es war wirklich witzig mit anzusehen. Es muss wirklich schlimm gewesen sein, wenn man nicht mehr von der eigenen Mutter erkannt wird. Leider hat sie so schnell nachgegeben. Sie war so verzweifelt, hat immer nach deinem Vater, ihrer Schwester und ihren Eltern geschrien…zu schade, dass du das nicht mit ansehen konntest und zu schade, dass ich nicht mit ansehen konnte, wie sie am Ende ganz durchgedreht ist.” Erneut lachte sie und Egyn riss endgültig der Geduldsfaden. „DU!”, fauchte er hasserfüllt und machte sich nicht länger die Mühe, die Kontrolle zu behalten. Er spürte, wie seine Zähne und Ohren länger wurden, seine Hörner hervortraten und sogar die Flügel standen kurz davor, herauszubrechen, aber es kümmerte ihn nicht länger. Es war ihm egal, wenn er jetzt die Kontrolle verlor, so lange er dabei Invidia töten konnte. „Nein, der Tod ist nicht gut genug für sie. Sie sollte leiden, um sie ist es nicht schade. Lass sie schreien.~”, flüstert sein Dämoneninstinkt ihm zu und zum ersten Mal seit so vielen Jahren widersprach er nicht. Niemand würde dieses Monster vermissen, er täte beiden Welten einen Gefallen, wenn er die Todsünde vernichten würde. Jemand griff ihn am Arm und versuchte ihn zurückzuziehen, doch er fauchte nur abfällig und schüttelte die Hand ab. Wenn sich jemand ihm in den Weg stellen wollte, würde er denjenigen ebenfalls beseitigen. „Egyn, nicht!”, hörte er Iblis Stimme. „Sie will dich nur reizen und hinhalten. Jetzt ist nicht die Zeit!” Für den Bruchteil einer Sekunde hielt der Wasserdämon inne, aber dann ging er weiter, als wäre nichts passiert. Mehrere Dämonen stellten sich ihm in den Weg, doch sie starben schnell. Er benutzte nicht einmal mehr seine Waffen, seine Krallen und notfalls die Zähne reichten vollkommen aus. Wieder wurde am Arm gegriffen, dieses Mal wesentlich fester als zuvor. „Egyn, es reicht, du verlierst die Kontrolle!”, wurde er angefaucht. „Glaubst du etwa, deine Mutter hätte das gewollt?! Das ist es nicht wert.” Zunächst wollte Egyn protestieren, es war den Kontrollverlust mehr als wert, doch noch im selben Moment kamen Zweifel hoch. Wenn er wirklich die Kontrolle verlor, würde er vielleicht auch seine eigenen Leute, Freunde und Familienmitglieder anfallen. Vielleicht sollte er-

 

Ein scharfer Schmerz in seiner Wange holte ihn in die Gegenwart zurück. „Ankou, wirklich?”, hörte er Halphas fragen. „Was denn? Es hat ja offensichtlich funktioniert.”, kam die schnippische Antwort. Egyn blinzelte verwirrt, sein Verstand wurde langsam wieder klar und die Umgebung wieder deutlicher. Endlich wurde ihm bewusst, dass Invidia längst verschwunden und er selbst von einem Haufen Leichen umgeben war. Offenbar war er in einen wesentlich tieferen Blutrausch gefallen, als er bemerkt hatte. Vereinzelt wurden noch Kämpfe ausgetragen, aber diese kamen langsam zum Ende. „Egyn, ist alles klar?”, hörte er Iblis besorgt fragen. Noch immer ein wenig verwirrt schaute er zu seinem Bruder, der ihn mit einem seltsamen Blick betrachtete. „…Was…ist passiert?”, murmelte der blauhaarige matt. „Du hast fast komplett die Kontrolle verloren und wolltest Invidia angreifen, aber mehrere ihrer Leute haben sich dir in den Weg gestellt. Du hast sie dann erledigt und in der Zeit ist sie abgehauen.”, erklärte Iblis zerknirscht. „Wir sind ihr nicht gefolgt, weil wir dachten, dass sie das wahrscheinlich plant und uns nur in eine Falle locken will.”, fügte Ankou hinzu, während Halphas zustimmend nickte. Egyn sagte nichts und rieb sich den schmerzenden Kopf. So schnell hatte er noch nie die Kontrolle verloren, er konnte von Glück reden, dass sie ihn so leicht daraus zurückholen konnten. Trotzdem fühlte er sich seltsam leer. Er hatte niemals erfahren, wer genau seine Mutter hatte verschwinden lassen und wieso sie ihn nicht mehr hatte erkennen können, aber dank Invidia war es nun mehr als deutlich geworden. Damit war sein nächstes Ziel jedoch klar: Er würde sie zahlen lassen. Nicht nur wegen seiner Mutter, sondern wegen jedem, dem sie geschadet hatte.

 

 

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Der Angriff auf Versailles ging schleppend voran. Zwar hatten Iblis und Egyn inzwischen den Spiegel stehlen können, aber Liliths Leute leisteten dennoch erbitterten Widerstand. Zudem hatten sie durch die Kämpfe in Paris viel Zeit gehabt, sich vorzubereiten und das machte sich bemerkbar. Das war allerdings nicht das größte Ärgernis, denn wie Satan hatte feststellen müssen, waren Lilith und der größte Teil ihrer Armee nicht anwesend. Die Dämonin hatte wahrhaftig ein unbestreitbares Talent darin, ihren Hals aus der Schlinge zu ziehen. Ob nun Zufall oder Absicht, sie hatte ihre Hauptstreitmacht rechtzeitig abgezogen und war ebenfalls spurlos verschwunden, trieb sich jedoch noch immer in Assiah herum. Warum konnte er nur erraten, möglicherweise traf sie sich mit Politikern in den Ländern unter ihrer Kontrolle oder anderen Verbündeten. Umso verwirrter war er, weswegen sie den Spiegel mit Azazels Seelenteil so einfach holen konnten. Es war sehr unwahrscheinlich, dass Lilith einen derart wertvollen Gegenstand zurückließ, egal wie eilig sie es gehabt hatte. Damit würde er sich allerdings beschäftigen, wenn es vorbei wäre. Dieser Kampf wandelte sich zu einem Sieg für sie, doch so oder so lief es wohl darauf hinaus, dass der Endkampf in Gehenna stattfinden würde. Wahrhaftig nicht, was sich der Dämonengott erhofft hatte, doch er musste es akzeptieren. Nur kurz darauf waren sie endlich durchgebrochen und drangen in das Schloss ein. Die Aveira waren offenbar ebenfalls geflohen, zusammen mit weiteren hochrangigen Dämonen aus Liliths Reihen. War Lilith klug und ließ sich nicht von ihrem Stolz blenden, würde sie Assiah vorerst aufgeben und sich nach Gehenna zurückziehen. Damit stellte sich jedoch das nächste Problem ein: Damit hätte sie direkten Zugang zu den Urflammen und Satan traute es ihr durchaus zu, diese zum Erlöschen zu bringen und damit beide Welten zu zerstören, wenn eine Niederlage nicht länger abwendbar war. In die Ecke gedrängte waren immer die gefährlichsten und die Dämonengöttin war da keine Ausnahme. Ihre Leute waren inzwischen zu reinen Verzweiflungstaten übergegangen. Mehrere Dämonen versuchten den König Gehennas anzugreifen, dieser äscherte sie sein, ohne sie auch nur anzusehen. Ihm war jetzt wichtiger, diesen Kampf zu beenden und Iblis und Egyn zu finden. Diese hatten darauf bestanden, direkt zurückzugehen und ihren Freunden zu helfen, sollten diese es nötig haben. „Tötet jeden, der sich nicht ergibt und nehmt möglichst viele hochrangige gefangen. Sollten Kult- oder Zirkelmitglieder hier sein, tötet sie direkt.”, erinnerte der Herrscher Gehennas seine Truppen, bevor er seinen Weg fort setzte. Die Exorzisten sah er momentan nicht und es war ihm ohnehin egal. Er traf auf Lucifer und Amaimon, welche ihm berichteten, dass alle anderen ebenfalls durchgebrochen waren und Liliths Leute überrannten. Kurz darauf kamen Paymon und Tap hinzu, welche berichteten, mehrere dutzende gefangene Menschen gefunden zu haben. Allesamt waren sehr schwach auf den Beinen und ziemlich abgemagert, sogar mehrere Jugendliche und Kinder waren dabei. Offenbar hatte man sie als Blutquelle für die Alukah verwendet. Es bestand kein Zweifel, dass sie schon bald jede Menge blutleere Leiche finden würden. Das zeigte nur, dass Lilith ruchloser wurde. Früher hätte sie keine Kinder den Alukah vorgeworfen, eine der wenigen halbwegs guten Dinge, die man über sie sagen konnte. Langsam kamen die Kämpfe zum erliegen und man einigte sich darauf, die Menschen durch Exorzisten und Mitglieder der Illuminati möglichst schnell von hier wegzubringen, damit sie versorgt werden konnten. Schlussendlich war es endgültig vorbei und ihre Gegner waren entweder tot oder gefangen. Inzwischen war er auf seine restlichen Kinder gestoßen, auch Ankou, Halphas und Jahi waren dabei, wobei letztere sichtlich aufgelöst wirkte und offenbar geweint hatte. Damit war sie allerdings nicht die einzige, zusätzlich war Egyn sichtlich neben der Spur. Er hatte kein Wort gesprochen und sein Gesicht wirkte leer. Natürlich machte er sich sofort Sorgen, aber bevor er nachfragen konnte, was passiert war, trat der Paladin an ihn heran. „Versailles ist gesichert, Liliths Leute sind besiegt und wir konnten die Gefangenen befreien und behandeln sie momentan. Lilith selbst war aber nirgends aufzufinden.”, verkündete Angel erschöpft klingend und bestätigte damit, was Satan bereits gespürt hatte. „Ja, das dachte ich mir bereits.”, erwiderte er ruhig, auch wenn er das unterdrückte Missfallen des blonden Exorzisten teilte. „Sie kann sich aber nicht ewig verstecken, nach dieser Niederlage wird sie sich nach Gehenna zurückzuziehen, alles andere wäre Wahnsinn.”

 

„Nun, dann haben wir Glück, dass wir es nicht mit einer wahnsinnigen, sadistischen, manipulativen Dämonengöttin zu tun haben.”, antwortete der Paladin mit unerwartet trockenem Sarkasmus und überraschte den Dämonengott damit. Er hätte nicht gedacht, dass der Mann dazu in der Lage war. Immerhin verstand er es so gut wie nie, wenn andere es taten. „Ich kenne Lilith. Sie wird gerade wegen ihre Stolzes im Dreieck springen und alles Mögliche in Erwägung ziehen, aber sie weiß, dass ihr nichts anderes übrig bleibt. Sie ist arrogant, aber nicht dumm.” Angel schnaubte nur, verschränkte die Armen und ergriff nach einigen Sekunden erneut das Wort. Interessanterweise sah er dabei überall hin, nur nicht in das Gesicht Satans. „Du hast vorhin mehreren meiner Leute und mir das Leben gerettet. Ich sage es nicht gerne, aber Ehre wem Ehre gebührt. Ohne dich, wären wir vermutlich nicht so weit gekommen. Danke.” Für einen Moment meinte Satan, sich verhört zu haben und dem Rest ging es dabei nicht anders. Hatte sich der dämonenhassende Paladin soeben bei ihm bedankt, wenn auch sehr hervorgepresst klingend? Natürlich wusste der Herrscher Gehennas worum es ging, immerhin war es nicht lange her. Kurz vor ihrem Durchbruch waren der Paladin und mehrere Exorzisten eingekesselt worden und dadurch in eine missliche Lage geraten, aus denen ihnen ausgerechnet Satan geholfen hatte, indem er einen großen Teil ihrer Angreifer aus dem Weg geräumt hatte. Zugegebenermaßen war ihm im ersten Moment gar nicht klar gewesen, wie sie tief sie in der Patsche saßen, er war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. „Ich bin überrascht, dass du das zugibst und dich oben drauf noch bedankst, vor allem bei mir.”, kommentierte er daher, mehr als gespannt auf Angels Reaktion. „Es gefällt mir nicht.”, gab dieser missmutig zu. „Aber es ist, wie ich gesagt habe. Bis wir Lilith los geworden sind, werde ich unseren Konflikt beiseitelegen, das Wohl Assiahs und seiner Bewohner hat Priorität. Du hast mehrere meiner Leute gerettet, also bedanke ich mich. Gewöhne dich aber nicht zu sehr dran, wir sind deswegen keine Freunde.”

 

„Na, hört, hört!”, ertönte plötzlich Shuras Stimme. Scheinbar aus dem Nichts war die Exorzistin aufgetaucht und ging breit grinsend auf Angel zu. „Der Glatzkopf ist doch anständiger als gedacht und verträgt sich sogar mit Satan. Wenn das nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft ist.~” Es war mehr als offensichtlich, dass sie den Paladin nur auf die Palme bringen wollte, aber dieser lief sofort röter als jede Tomate an. „Mach dich nicht lächerlich Shura!”, fauchte er wild gestikulierend. „Wir arbeiten wegen gemeinsamer Interessen zusammen, mehr nicht! Ich bin immer noch dein Vorgesetzter, also solltest du wirklich aufpassen, was du sagst!“ Shura interessierte das herzlich wenig, sie lachte weiter. „Getroffene Hunde bellen.~“, verkündete sie und ließ den Paladin noch mehr erröten, ob nun aus Scham oder Zorn war nicht länger erkennbar. Ruckartig drehte er sich und stapfte davon. „Ich werde sehen, wie es um die Versorgung der Geretteten steht und ob sie uns helfen können. Mach du dich besser auch mal nützlich.”, knurrte er, dann war er verschwunden. „Er lässt sich trotz allem genauso gut reizen wie sonst.”, stellte die Exorzistin zufrieden fest und wandte sich an Satan, der sie nur stumm anstarrte. „Ist was?” Der Dämonengott schüttelte langsam den Kopf. „Nein…du erinnert mich nur oft an jemanden, das ist alles.” Shura hob fragend eine Braue, doch Satan ging nicht weiter darauf ein. Er wollte nicht darüber reden und glücklicherweise verstand sie es. „Wenn das alles ist, möchte ich jetzt einen Moment allein mit meinen Söhnen.” Ein wenig überrascht nickte die Exorzistin und verschwand ebenfalls. „Egyn, was ist los?”, erkundigte er sich sofort und sah den Wasserdämonen durchdringend an. Als Egyn schwieg, stieß Iblis ihn mit dem Ellbogen in die Seite. „Nun sag schon.”, flüsterte er ihm matt zu. Der Wasserdämon zögerte, dann begann er mit sprechen. „Es war Invidia, die Mutter verschleppt hat und sie war mit schuld, dass sie den Verstand verloren hat. Wegen ihr, dachte sie immer, wir wären nicht echt.”, erwiderte er mit untypischer Kälte in der Stimme. „Wenn ich sie das nächste Mal sehe, töte ich sie.”

 

„Egyn, du solltest nichts überstützen-”, setzte Lucifer an, aber Egyn schüttelte den Kopf und unterbrach ihn. „Sie hat meine Mutter verspottet und auch so viele andere Leben ruiniert, ich lasse das nicht mehr zu! Das nächste Mal entkommt sie mir nicht mehr.” Satan und seine restlichen Söhne wechselten vielsagende Blicke. Natürlich war auch der Dämonenherrscher zornig darüber und er würde in jedem Fall zusehen, dass die Sünde dafür zahlte, aber es kam nicht alle Tage vor, dass Egyn jegliche Skrupel über Bord warf und schwor, jemanden zu töten. Er wusste wie derartige Rachefeldzüge enden konnte, er hatte es am eigenen Leibe erfahren und er wünschte es keinem seiner Kinder. „Wir werden uns um sie kümmern, wenn es so weit ist. Zuerst müssen wir diesen Krieg gewinnen.”, versuchte er daher die Situation zu entschärfen. „Wir haben den Spiegel, damit sollten wir Azazel befreien können. Ob er am nächsten Kampf teilnehmen kann, ist zweifelhaft, aber zumindest kann er sich dann wieder erholen.” Egyn sagte nichts, aber nickte zumindest langsam, ebenso wie der Rest. „Findet es niemand seltsam, dass sie den Spiegel zurückgelassen hat?”, warf Samael ein. „Sie hat sich offenbar zurückgezogen, warum sollte sie ihn zurücklassen?” Damit sprach er aus, was der Rest bereits dachte. „Das werden wir noch herausfinden, jetzt beeilen wir uns erst mal, alles hier in Ordnung zu bringen und zur Basis zurückzukehren.” Trotz seiner Worte konnte er nicht anders, als die ganze Zeit darüber nachzudenken. ‚Was hast du geplant, Lilith?′

 

 

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Lilith spürte die Erschütterung noch bevor ihre Leibwachen in den Raum stürmten und von dem Angriff auf Versailles berichteten. Sie war gerade in einem Treffen mit mehreren Politikern der ihr unterstehenden Nationen, um neue Anweisungen zu geben und sie an die Folgen im Falle von Versagen zu erinnern, daher hätte das Timing wirklich besser sein können, aber schlussendlich änderte es nichts. Vier eingeäscherte Menschen später (sie hatten immer noch nicht begriffen, dass Dämonen Gedanken lesen und damit verräterische Ideen mitbekommen konnten) schickte sie die Gruppe von dannen. Ihr blieb keine Wahl mehr, sie musste sich nach Gehenna zurückziehen und dort neu planen. Damit würde sie zwar ihren Griff in Assiah verlieren, doch darum würde sie sich kümmern, wenn Satan und seine Söhne nicht länger ein Problem darstellten. Dennoch hatte sie es sich natürlich nicht nehmen lassen, ihnen einige Abschiedsgeschenke da zu lassen. Immerhin musste sie ihrem Beinamen als Göttin des Chaos gerecht werden. „Haben sie den Spiegel gefunden?”, fragte sie Luxuria, welche bisher neben Ira still in einer Ecke des Raumes gestanden hatte. Diese nickte. „Laut Invidia ja. Wäre es nicht einfacher gewesen, ihn zu zerstören?”

 

„Damit hätte ich mir selbst geschadet.”, erwiderte die Dämonin schnippisch. „Auf diese Weise habe ich ein Problem weniger. Ist alles für den Rückzug nach Gehenna bereit?” Dieses Mal war die Frage an Ira gerichtet. „Ja, aber ich bin nicht sicher, ob die Menschen auf Euch hören werden.”, kam die Antwort. „Ihr verlangt, dass sie Teile ihrer eigenen Nation vernichten. Sie sind dumm, sie fürchten das Chaos.” Lilith schnaubte abfällig. „Chaos ist willkommen, wenn die Ordnung versagt und das hat sie unzählige Male. Aus Chaos entsteht neues und wenn ich die ganze Welt niederbrennen muss, um das goldene Zeitalter einzuleiten, dann sei es so.” Ira und Luxuria wechselten Blicke, die sie gekonnt ignorierte. „Ihr könnt gehen.”, entließ die rothaarige sie schließlich, was sie wortlos taten. ‚Dann wollen wir doch mal sehen, was Satan von meinen Überraschungen hält…′

 

 

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„Azazel, hör auf, auf und ab zu gehen. Das bringt niemanden etwas und du solltest dich wirklich ausruhen.” Ruha klang besorgt und meinte es natürlich nur gut, aber der Geisterkönig schüttelte den Kopf. „Hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber ich habe genug vom rumliegen. Diese Warterei macht mich krank. Vater, meine Brüder, meine Freunde, meine Untertanen…die kämpfen alle oder machen sich sonst nützlich und ich hocke hier und drehe Däumchen. Finde den Fehler.”, knurrte er frustriert. „Mir sagt keiner irgendwas, also weiß ich nicht mal, ob es Neuigkeiten gibt.”

 

„Vielleicht sind keine Neuigkeiten sogar gute. Habe ein wenig Vertrauen, ich bin sicher, dass es nicht mehr lange dauert.”, versuchte die Dämonin ihn zu beruhigen. „Versuche, zu schlafen. Du brauchst es.” Azazel wollte widersprechen, wurde aber von der aufgehenden Tür unterbrochen. Zu seiner Erleichterung war es nur Christina, die ihm sein Essen vorbei brachte. Er hatte sie seitdem sie Rin hier erwischt hatte, nicht mehr gesehen, weswegen er umso überraschter war. „Tut mir leid, ich war anderweitig beschäftigt.”, beantwortete sie die unausgesprochene Frage. „Aber ich habe gute Nachrichten: Lord Satan und die Dämonenkönige haben gewonnen und kehren zurück, leider ist Lilith mit dem Großteil ihrer Armee entkommen.” Azazel atmete erleichtert auf, auch wenn er enttäuscht war, dass die Dämonengöttin wieder einmal davon gekommen war. „Verstehe…sonst noch was?”

 

„Nein, ich wollte nur Bescheid geben. Nach dem was ich gehört habe, konnten sie sogar den Spiegel bekommen. Ihr werdet also bald frei sein.”

 

„So schnell freue ich mich nicht. Ich glaub erst dran, wenn es funktioniert hat.” So wie er Lilith kannte, hatte sie sich zweifellos irgendwelche Gemeinheiten ausgedacht, um ihnen das Leben schwer zu machen. „Und sag ihnen bitte, dass sie sofort herkommen wollen.”, fügte Ruha hinzu. „Ich brauche Satans Hilfe, um mich hier fest zu verankern. Ich möchte möglichst lange hier bleiben und versuchen zu helfen.” Die Hexe nickte, stellte das Essen ab und wandte ich zum gehen. „Schon unterwegs.” Damit war sie schon wieder verschwunden und Azazel wandte sich an seine Mutter. „Es kann nicht so einfach sein, oder?”, fragte er zweifelnd. Ruha zuckte mit den Schultern und seufzte. „Schwer zu sagen, wir müssen jetzt abwarten.”

 

 

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Die Rückreise zum Vatikan verlief ereignislos wie erwartet. Satan war mehr als dankbar dafür, einen Moment der Ruhe zu haben und zudem endlich zu Rin und Azazel zurückzukehren. Zum einen um nach Rin zu sehen und zum anderen, weil der Geisterdämon immer schwächer wurde und inzwischen jeder Tag zählte. Keiner protestierte, als er verlangte, Rin zu sehen und somit machte er sich mit seinen restlichen Söhnen auf den Weg zur Krankenstation, wo sie den Nephilim zusammen mit Vaya und Amons Kinder vorfanden. Diese entschuldigten sich, damit sie unter sich waren. Kaum waren sie aus dem Zimmer, umarmte er seinen jüngsten Sohn. „H-Hey Luft!”, versuchte dieser zu protestieren, doch so leicht, kam er nicht davon. Auch vom Rest musste er Umarmungen und Sorge über sich ergehen lassen. Diese hatten erst auf dem Rückweg von dem Zwischenfall erfahren und waren entsprechend angespannt gewesen. Nachdem sich endlich alle beruhigt hatten, erzählte Rin, was passiert war und wie er Gula getötet hatte. Satan konnte nicht anders, als einen gewissen Stolz zu empfinden, doch sagte nichts weiter dazu, da er ganz genau wusste, wie schwierig es für Rin gewesen sein musste. Jemanden zu töten ging nicht spurlos an einem vorbei, zumindest wenn man in Rins Alter und halbwegs normal war. Sicher, er hatte schon niedere Dämonen mit seinen Flammen getötet, aber das war eben doch etwas anders, als jemanden mit einer Waffe eigenhändig zu töten. Derweil freute sich Iblis, dass Rin sich mit dem von ihm geschenkten Dolch hatte zur Wehr setzen können, doch war immerhin taktvoll genug, es nicht zu sehr breit zu treten. Allerdings war es nicht das einzige, was Rin auf der Seele brannte, das spürte Satan. Als dieser fragte, zögerte der Nephilim, sichtlich nervös. „…Ich…habe jemanden getroffen. Einen Geist. Sie ist plötzlich aufgetaucht und ich bin ihr gefolgt.”, begann er langsam. „Du bist einem fremden Geist gefolgt. Allein. Obwohl du wusstest, dass Lilith es immer noch auf dich abgesehen hat.”, fasste Satan zusammen und gab sich nicht die Mühe, die Strenge zu verbergen. „Ja, ja, man soll nicht mit fremden mitgehen und bla bla. Ich weiß, aber das ist egal.”, antwortete Rin. „Irgendwie wusste ich, dass ich ihr vertrauen kann und sie wollte zu Azazel-”

 

„Er ist für Geister verantwortlich, natürlich will sie dann zu ihm.”, unterbrach Samael ihn. „Ich hoffe doch, du warst nicht so naiv, rein zu gehen?” Rins Schweigen und verlegener Blick sagte alles. „Rin Okumura, ich hoffe, diese Geschichte nimmt eine Wendung.”, knurrte Satan. Der Nephilim schrumpfte ein wenig zusammen, bevor er nickte. „Sie ist Ruha.”, presste er schnell hervor. Stille folgte, wurde dann aber plötzlich von zerbrechendem Glas unterbrochen. Lucifer hatte gerade etwas getrunken, vor Überraschung das Glas fallen gelassen und hustete nun heftig. Der Rest war ebenfalls zu überrumpelt, um zu reagieren. Derweil arbeitete es in Satans Gedanken. ‚Ruha…unmöglich. Sie ist zu lange tot, das kann nicht sein…′ Er würde wirklich gerne glauben, dass die Geisterdämonin hier war, aber es war schlicht und ergreifend Wunschdenken. „Rin, du täuschst dich-”, setzte er an, nur um unterbrochen zu werden. „Sie ist es wirklich! Azazel hat sie sofort erkannt und sie hat uns auch erklärt, warum sie hier ist! Sie und die anderen haben sprit…sprite…elle…Energie...?”

 

„Spirituelle Energie?”, half Satan aus und Rin nickte. „Genau! Das haben sie benutzt, damit sie herkommen kann!”

 

„Er sagt die Wahrheit.”, meldete sich plötzlich eine weitere Stimme. Es war eine Hexe, irgendeine Hohepriesterin von Samael, deren Namen er allerdings nicht kannte. „Was soll das heißen, Christina?”, fragte der besagte Baal nach. „Ich habe sie auch gesehen. Um genau zu sein, war ich gerade bei Lord Azazel und sie ist immer noch da. Sie hat mich gebeten, Euch so schnell wie möglich zu holen, weil sie nicht mehr lange im Reich der Lebenden bleiben kann.” Satan brauchte einige Sekunden, bis ihm klar wurde, dass wie sein Mund leicht offen stand, was schon seit einiger Zeit nicht mehr passiert war. Auch seine restlichen Söhne sahen mit der Ausnahme Rins mehr als verblüfft aus. Lucifer erholte sich von ihnen am schnellsten. „Wenn das stimmt, sollten wir keine Zeit verlieren. Wir müssen sowieso schauen, was wir bezüglich des Spiegels tun können.” Zwar gab er sich Mühe, neutral zu klingen, aber alles wussten, dass er sich Hoffnungen machte. Ruha war nicht für Azazel sondern auch für Lucifer und Samael die erste richtige Mutter gewesen, folglich hatten sie genauso an ihr gehangen. Samael schien derweil ausnahmsweise die Worte zu fehlen. „Gut, dann lasst uns endlich gehen.”, verlangte Rin und kletterte aus seinem Bett. „Und ja, ich komme mit. Ich lag hier schon den ganzen Kampf lang rum, dabei ging’s mir super.” Satan beschloss, dieses Mal nicht zu diskutieren und nickte stattdessen nur. Dem Halbdämonen schien es gut genug zu gehen, um zu laufen und er war wirklich nicht in Stimmung sich mit ihn zu zanken. Abgesehen davon war es nur fair, wenn er mithören dürfte. „Wissen die Exorzisten oder sonst jemand davon?”, fragte er, woraufhin Rin etwas verlegen wirkte. „Na ja, Christina, Alastor, Yukio, Shima, Bon, Izumo, Shiemi und Konekomaru.”

 

„…Wow, wirklich?”, fragte Astaroth trocken. „Das konntest du nicht für dich behalten?”

 

„Sie haben versprochen, niemanden was zu sagen!”

 

„Und Verheiratete haben sich mal versprochen sich immer zu lieben und zusammen zu bleiben, aber Scheidungen und Mord gibt’s trotzdem.”

 

„Das kannst du nicht vergleichen!”

 

Satan verdrehte nur die Augen und setzte sich in Bewegung, in der Erwartung, dass der Rest folgen würde. Niemand hielt sie auf oder hinterfragte, warum Rin nicht im Bett lag, mit der Ausnahme eines Heilers. Satan versicherte ihm, dass Rin anschließend sofort zurückkommen würde und ging weiter, ohne eine Antwort abzuwarten. Auf dem Weg zu Azazel sagte keiner ein Wort, was Satan nur recht war. Er war zu beschäftigt damit, darüber zu grübeln, wie man sich am besten einer toten Ex-Frau verhielt, die plötzlich aus dem Reich der Toten zurückgekehrt war. Was um alles in der Welt sollte er zu ihr sagen? „Oh, hallo, Liebling. Lange nicht gesehen, tut mir leid, ich habe übrigens inzwischen sieben weitere Kinder und sechs weitere Frauen gehabt. Und was gibt’s bei dir neues?” Tatsächlich hatte keiner seiner Frauen ein Problem damit gehabt, wenn er sich einen neuen Partner genommen hätte, es war in der gehennischen Kultur normal, aber es würde dennoch sicher nicht angenehm werden. Sie standen nun endlich vor der Tür zu Azazels Unterkunft. Er atmete kurz durch, dann öffnete er mit einem flauen Gefühl in der Magengegend die Türen.

 

 

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Das Zimmer war genau wie Rin es verlassen hatte und doch war dieses Mal alles anders. Azazel schien bereits gewartet zu haben, denn er hielt mitten im auf- und ab gehen inne. Er wirkte angespannt und erschöpft, gleichzeitig aber erleichtert. „Christina hat euch Bescheid gegeben?”, fragte er, worauf Satan nickte, welcher genauso angespannt wirkte. Vermutlich ging es ihm ähnlich wie Rin, als er Shiro zum letzten Mal gesehen hatte, nur mit dem Unterschied, dass Ruha schon wesentlich länger tot war. „Stimmt es?” Azazel antwortete nicht, stattdessen war es Ruha, die nun aus den Schatten hervortrat. Sie war transparenter als zuvor, doch lächelte den Dämonenherrscher dennoch sanft an. „Ich habe dich vermisst.”, sagte sie leise. Wie erwartet waren sowohl Satan als auch die anderen Dämonenkönige geschockt. Es dauerte einige Sekunden, bis Rin klar wurde, dass die Baal gerade zum ersten Mal in ihrem Leben einen Geist sahen und für Lucifer und Samael war es noch dazu jemand, den sie kannten. Satan war der erste, der sich erholte. Ohne ein Wort zu sagen, stand er plötzlich vor der Geisterdämonin und zog sie in eine Umarmung. Diese stieß zunächst einen kurzen, erschrockenen Laut aus, erwiderte sie dann aber. „Es tut mir so leid, ich hätte dich niemals allein lassen sollen.”, hörte der Nephilim ihn mit leiser, erstickter Stimme sagen. „Du konntest nicht wissen, was passieren würde.”, erwiderte Ruha. „Ich bin nur froh, dass du trotzdem mit den Kindern klar gekommen bist. Du warst zu Beginn recht…ungeschickt.” Satan antwortete nicht und zog sie nur noch näher heran. Unterdessen näherten sich zögerlich Lucifer und Samael, wobei der Rest zurück blieb und sich offenbar nicht sicher war, was sie tun oder denken sollten. „Mutter?”, fragte nun Lucifer leise. Ruha löste sich aus der Umarmung mit Satan und wandte sich nun an die beiden Baal. „Meine Güte, ihr seid alle verboten groß geworden…”, kommentierte sie. „Ich-” Weiter kam sie nicht, denn erneut wurde sie umarmt, dieses Mal von ihnen. Beide rangen sichtlich um Beherrschung, was Rin bisher noch nie gesehen hatte und ihn umso mehr überraschte, aber im Angesicht der Umstände war es mehr als verständlich Keiner sprach ein Wort, bis sie sich wieder aus der Umarmung lösten. „Wie bist du hergekommen?”, fragte Lucifer, noch immer ziemlich überwältigend wirkend. „Ich erkläre gleich alles, aber zuerst…” Sie wandte sich an Samael und zu ihrer aller Überraschung griff sie plötzlich nach seinem Ohr und zog daran. „Aua!”, entfuhr es dem sichtlich überrumpelten Zeitkönig. „Was soll das denn?!”, jammerte er. „Das solle ich fragen!”, antwortete Ruha, plötzlich ziemlich streng. „Was dachtest du dir dabei, zwei deiner Brüder bei Exorzisten zu lassen und niemanden etwas zu sagen?! Und dann ziehst du einen weiteren rein, damit er Rin ärgert und später noch fast einen Wald niederbrennt! Ich kann mich nicht erinnern, dich so erzogen zu haben!” Die Gesichter aller Anwesenden waren oscarreif, selbst Satan schien nicht damit gerechnet zu haben und schaute verblüfft zu. „Ja, es tut mir leid-”, setzte Samael schnell an, doch Ruha ließ es so schnell nicht gut sein. „Oh, nein! Dieses Mal windest du dich nicht mit "Es tut mir leid! " raus! Läge es bei mir, würdest du die nächsten 100 Jahre Hausarrest und Assiahverbot haben, mindestens!” Rin konnte sich nun nicht länger zusammenreißen und lachte laut los. Wer hätte gedacht, dass er jemals Zeuge sein würde, wie ausgerechnet Samael wie ein Häufchen Elend dahockte, während ihm jemand eine Strafpredigt hielt? Ruha erbarmte sich daraufhin und ließ ihn mit einem Seufzen los, woraufhin er sich leise grummelnd das Ohr hielt. „Manche Dinge ändern sich wohl nie.”, stellte sie resigniert fest. Damit wandte sie sich an die restlichen Dämonenkönige, welche anscheinend überall sein wollten, nur nicht hier. „Es freut mich, euch kennen zu lernen. Ich bin Ruha, aber das wisst ihr sicherlich schon.” Stellte sie sich vor, als hätte sie nicht soeben Samaels Ohr lang gezogen. Das riss die restlichen Baal aus ihrer Starre und sie stellten sich der Reihe nach vor. Noch immer war die Stimmung angespannt, keiner wusste wirklich, wie man mit der Situation umgehen sollte. Ruha verschwendete derweil keine Zeit und erzählte, weswegen sie hier war und wie es überhaupt möglich war, während Satan sicher stellte, dass sie sich fest in dieser Welt verankern konnte. Zwar war sie nach wie vor an diesen Raum gebunden, aber es war besser als nichts. Es war offensichtlich, dass die Dämonenkönige gerne nach ihren Müttern gefragt hätten, doch da momentan die Zeit drängte, sagten sie vorerst nichts. Stattdessen berichteten sie von dem Angriff auf Versailles und holten den Spiegel hervor, welchen Azazel misstrauisch beäugte. „Wenn das vorbei ist, benutzte ich nie wieder Spiegel.”, murmelte er grimmig. „Ich spüre da drin…keine Ahnung, es ist seltsam und unangenehm.”

 

„Ich weiß.”, antwortete Satan. „Momentan stehe ich der Sache ohnehin kritisch gegenüber, es macht keinen Sinn, dass sie den Spiegel zurück lässt. Azazel, weißt du etwas?” Leider zuckte der Geisterdämon mit den Schultern. „Keine Ahnung, sonst hat sie das Ding nie aus der Hand gegeben. Allerdings habe ich mal gesehen, wie sie irgendein Ritual damit gemacht hat.”

„Ritual?”, echoten Satan und Ruha gleichzeitig, woraufhin Azazel mit den Schultern zuckte. „Sie hat das Ding öfter für alles Mögliche benutzt, darum habe ich mir nichts weiter dabei gedacht. Aber ich weiß noch, wie der Ritualkries aussah.” Mehr musste er nicht sagen, Astaroth nahm Stift und Papier von einem der Tische und reichte es dem Dämonen, welcher sofort mit Zeichnen begann. „Sie hat dabei noch was in Henochisch gemurmelt, aber das konnte ich nicht verstehen, nur irgendwas mit "Auslöser".”, fügte er hinzu und schob seinem Vater die fertige Zeichnung hin, welcher sie sofort näher betrachtete. Im ersten Moment wirkte er verwirrt, dann wich ihm plötzlich sämtliche Farbe aus dem Gesicht und wandte sich erneut an Azazel. „Und du bist sicher, dass es wirklich so aussah?”

 

„Ja, es sah genauso aus.”, bestätigte dieser, während sich die restlichen Baal, Ruha und Rin um Satan drängten, um ebenfalls auf das Papier schauen zu können. Natürlich konnte Rin damit wenig anfangen, für ihn waren das ein Haufen Kreise, Linien und seltsame Symbole, allerdings schien der Rest selbst nicht wirklich schlau daraus zu werden. „Also, das habe ich noch nie gesehen…weder in einem Buch noch sonst wo, wobei Sigillenkunde nie meins war…”, überlegte Beelzebub laut. „Ich kenne es ebenfalls nicht.”, warf Lucifer sichtlich verwirrt ein und der Rest nickte, während Ruha genauso ratlos wirkte. „Das sollte auch so sein.”, antwortete Satan grimmig. „Das dazugehörige Ritual habe ich mir damals ausgedacht und eigentlich alle Aufzeichnungen vernichtet. Darum verstehe ich nicht, woher um alles in der Welt Lilith das kennt.”

 

„Aber dann weißt du doch, was es tut und wie man es rückgängig macht. Also alles gut, oder?”, fragte Iblis, woraufhin Satan humorlos auflachte. „Falsch. Das Ritual ist dazu ausgelegt, unumkehrbar zu sein, es sei denn derjenige, der es durchgeführt hat, lässt es enden und Lilith wird uns den Gefallen kaum tun.”

 

„Und was tut es nun?”, hakte Amaimon nach, welcher bisher den Zettel angestarrt hatte und nun zu seinem Vater schaute. „…Es reißt einem die Seele raus und lässt den Körper in einem vegetativen Zustand zurück, während der Seele für alle Ewigkeit im Limbo gefangen ist.”, kam die zerknirschte Antwort. Allen ging der Mund auf. „Ähm…was?!”, entfuhr es Egyn entsetzt und sah den Spiegel mit neu gewonnenem Misstrauen an. Satan seufzte, offenbar wütend auf sich selbst. „Als ich damals König von Gehenna wurde, hatte ich genug davon mich ständig mit Rebellen und Herausforderern rumschlagen zu müssen, also habe ich mir überlegt, wie ich sie besser unter Kontrolle halten kann. Ich habe mich viel mit Seelenverbindungen und Pakten beschäftigt und daraus ist dann irgendwann dieses Ritual entstanden. Das sollte dann eine zusätzliche Absicherung bei Verträgen sein, bis mir klar geworden ist, dass es auch bei Seelenverbindungen funktioniert.”

 

„Warum konntest du sie nicht einfach einsperren oder los werden, so wie es normale Personen tun?!”, empörte sich Egyn, weswegen Satan ein wenig peinlich berührt wirkte. Rin konnte da nur zustimmen. Warum sollte er so etwas tun?! „Ich war jung und dumm, damals schien es eine gute Idee zu sein, zumal nur ich dieses Ritual kannte. Der Sinn dahinter war, dass ich meine Gegner unter meiner Kontrolle und in meiner Nähe behalten kann. Lilith hat dieses Ritual vorbereitet für den Fall, dass wir Azazel irgendwie retten können und als er dann weg war, hat sie es durchgeführt. Darum hat sie den Spiegel so offen liegen lassen. Sie wollte, dass wir den Spiegel mitnehmen, weil das Ritual erst dann in Kraft tritt, wenn Azazel in der Nähe ist. Wahrscheinlich hat sie darauf gehofft, dass wir direkt versuchen, das Seelenteil zu befreien. Man hat nur einen Versuch dafür und wenn man dann einen Fehler macht, ist es vorbei. Leider habe ich mich nie damit beschäftigt, wie man es als Außenstehender rückgängig machen kann.”

 

„Wenn nur du es kanntest, wie hat Lilith davon gewusst?”, fragte Ruha unsicher. „Keine Ahnung.”, erwiderte Satan düster. „Ich habe sämtliche Aufzeichnungen vernichtet, als mir klar wurde, wie gefährlich und risikoreich dieses Ritual ist. Die einzige Erklärung wäre, dass sie meine Aufzeichnungen gefunden hat, bevor sie vernichtet wurden und es nie gesagt hat. Allerdings lagen die nicht einfach herum, es wäre sehr verwunderlich, wenn sie zufällig darüber gestolpert ist.’

 

„Vielleicht hat sie das Ritual wiederentdeckt, indem sie selbst rumexperimentiert hat.”, schlug Rin langsam vor. „Ich meine, wenn sie es schafft, als einzige Dämonin aus einem Seelenteil andere Lebewesen zu machen, wird sie sie mit Seelen und Pakten und so gearbeitet haben.”

 

„Ich befürchte eher, dass sie auch da vieles aus meinen Aufzeichnungen hat. Ich hatte eine Theorie bezüglich der Erschaffung von Lebewesen aus der eigenen Seele, habe es aber niemals ausprobiert.”, gab Satan zu und bestärkte damit nur die schlimmsten Vermutungen. „Und wenn wir sie töten? Dann ist das Problem gelöst, oder?”, schlug Amaimon vor. Damit waren sie nun an dem Punkt angekommen, welcher Rin noch immer Kopfschmerzen bereitete. Was wenn genau das ein fataler Fehler wäre? „Ich weiß es nicht.”, gab Satan zu. „Vielleicht, aber wenn wir Pech haben, macht es das nur schlimmer.”

 

„Was wenn es uns gelingt, eine der Aveira gefangen zu nehmen?”, mischte sich nun Samael ein uns ließ damit alle aufhorchen. „Sie sind Teile von Lilith, vielleicht können sie das Ritual ebenso abbrechen.” Satan hielt inne und überlegte, dann nickte er langsam. „Das wäre einen Versuch wert. So oder so wird Azazel wohl nicht an den nächsten Kämpfen teilnehmen können.” Er griff nach dem Spiegel und betrachte ihn kurz, bevor er fortfuhr. „Den hier werde ich fürs erste einschließen und verstecken, damit niemand auf dumme Ideen kommt. Keiner fasst ihn an, bis wir uns wirklich sicher sind, wie wir das in Ordnung bringen können.”

 

„Was sagen wir den Exorzisten? Die Wahrheit?”, fragte Astaroth, woraufhin Satan nickte. „Ja. Sie anzulügen wäre dumm und sie können uns mit dem Wissen nicht wirklich schaden.” Erneut wandte er sich an Azazel, welcher bisher kein Wort verloren hatte. Er sah hundeelend aus und starrte auf den Boden, mit den Gedanken war er vollkommen woanders. „Wir schaffen das.”, redete Ruha leise auf ihn ein. „Es wird alles gut.“ Falls der Geisterdämon sie hörte, ließ er es sich nicht anmerken. Für einige Sekunden sagte keiner etwas, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, bis Satan sich räusperte. „Wir müssen jetzt zu einem Treffen, danach kommen wir direkt zurück und können genauer über alles reden, in Ordnung?“ Ruha nickte stumm, ohne den Blick von Azazel abzuwenden. „Beeilt euch bitte.“, sagte sie leise und strich ihrem Sohn langsam über den Rücken. Zwar schienen sowohl Satan als auch die Baal mehr als widerwillig zu gehen, aber die Zeit drängte. Derweil wurde Rin zurück zur Krankenstation geschickt, egal wie sehr er deswegen schimpfte. Allerdings gab ihm dies zumindest die Zeit über alles nachzudenken. Azazel würde an keinen weiteren Kämpfen teilnehmen können, aber die Verbindung musste dennoch schnell getrennt werden, obwohl er beim kleinsten Fehler tot sein würde. Wie um alles in der Welt sollten sie das hinbekommen? Die Aveira würden sicherlich nicht helfen, wahrscheinlich fanden sie es sogar noch lustig. Die einzigen halbwegs normalen waren Luxuria und Avaritia, sie waren sogar halbwegs nett zu ihm gewesen, aber er bezweifelte, dass sie ja sagen würden. Richtig? Er beschloss, bei nächster Gelegenheit seinen Vater oder einen seiner Brüder darauf hinzuweisen. Die Chancen waren klein, aber zumindest waren diese beiden nicht ganz so schlimm wie der Rest und würden sich eventuell überzeugen lassen. ‚Oder ich schätze sie ganz falsch an und ich mache mir unnötig Hoffnung…′, dachte er und schloss seufzend er die Augen. Sie hatten in letzter Zeit so viel geschafft, sie durften jetzt nicht gewinnen und dafür Azazel verlieren, das war nicht fair! Irgendeine Möglichkeit musste es geben und er war entschlossen, diese zu finden.

Atempause

Das Treffen mit den Exorzisten verlief dieses Mal wesentlich besser als sonst. Satan war zufrieden, langsam aber sicher kamen sie tatsächlich halbwegs miteinander klar. Sogar der Paladin wirkte inzwischen wesentlich erträglicher, dabei hatte er zu Beginn öfter mit dem Gedanken gespielt, ihn in einen Sack zu werfen und in den Styx oder gar den Phlegethon zu werfen. Vielleicht hatte er auch schlicht und ergreifend zu viel Zeit mit Lilith verbracht, wer konnte das schon sagen. Generell war die Laune aller Anwesenden deutlich euphorischer, denn wie erhofft zogen sich Liliths Truppen zurück und verschafften ihnen damit eine wohlverdiente Atempause. Ob sie sich wirklich nach Gehenna zurückgezogen hatten, war allerdings noch nicht bekannt. So wie er sie kannte, hatte sie ihnen so oder so noch einige böse Überraschungen dagelassen. Darum würde er sich allerdings später kümmern, momentan war er auf dem Weg zurück zu Azazel, dieses Mal allein. Seine Söhne würden später nachkommen. Als er den Raum betrat, fand er den Geisterdämonen, tief und fest schlagend vor. Neben ihm saß Ruha und betrachtete ihn mit einem liebevollen Blick. Sicherlich musste es seltsam sein, neben dem erwachsenen Sohn zu sitzen, wenn man ihn zuletzt im Kindesalter gesehen hatte. Der Dämonenherrscher räusperte sich und ließ sie aufsehen. „Du bist allein hier?“, fragte sie leise, um ihren Sohn nicht aufzuwecken. Satan nickte langsam, zog einen Stuhl heran und setzte sich. „Sie erledigen einige Dinge in meinem Namen und ich wollte mit dir fürs erste in Ruhe sprechen.“ Die Geisterdämonin lächele. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du inzwischen 10 Söhne hast. Wenn man bedenkt, wie ungeschickt du am Anfang warst und wie viele Nerven es gekostet hat, hätte ich gedacht, dass du mehr bekommst.“

 

„Ich auch nicht.“, gab der Dämonenherrscher zu. „Aber ich habe dazugelernt und bilde mir gern ein, dass ich es ganz gut gemacht habe. Meine anderen Frauen und die Bediensteten waren eine große Hilfe.“ Natürlich hatte es Tage gegeben, an denen er gezweifelt hatte, doch schlussendlich war es die Mühe und die schlaflosen Nächte wert gewesen. „Du hast es gut gemacht.“, bestätigte Ruha und legte eine Hand auf seinen Arm. Ihre Finger waren eiskalt, doch er zuckte nicht zusammen. „Ich freue mich sehr, dass du trotz allem glücklich werden konntest. Du scheinst sehr an ihnen zu hängen und sie an dir.“ Natürlich hing er an ihnen. Er würde für sie beide Welten niederbrenne, wenn es nötig war. „Manchmal würde ich sie am liebsten für ein paar Jahrhunderte in eine Spiegelfalle sperren, aber das gehört wohl dazu.“, nickte er und seufzte. „Ich kann mir mein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Dadurch ist, was Azazel passiert ist, nur umso bitterer. Ich hätte es eher bemerken müssen.“ Kopfschüttelnd sah er seinen schlafenden Sohn an. „Ich habe als Herrscher und Vater versagt. Er hat es all diese Jahre mit sich herumgetragen und darunter gelitten.“

 

„Du konntes es nicht wissen.“, protestiere Ruha ruhig. „Das hatten wir schon mal. Mach dir deswegen keine Gedanken, niemand konnte das kommen sehen.“ Satan nickte, überzeugt war er dennoch nicht. Egal wie dieser Konflikt endete, er würde immer an sein Versagen denken. Hoffentlich würde es ihn zumindest davon abhalten, seinen Fehler zu wiederholen. „Die anderen haben mir viel erzählt, vor allem wie du dich um sie gekümmert hast.“, fuhr seine ehemalige Frau fort. „Du hast ihnen alles gegeben, du warst immer für sie da und hast sie unterstützt. Es gibt wirklich keinen Grund, sich Vorwürfe zu machen.“ Sie lehnte sich nach vorn und umarmte ihn. Satan unterdrückte erneut ein Schaudern. Es war seltsam, nicht ihre Wärme zu spüren oder ihren Duft zu riechen. Nach einer Weile lösten sie sich aus der Umarmung und betrachteten gemeinsam ihren Sohn. „Was kam bei der Versammlung raus?“, unterbrach Ruha schlussendlich die Stille. „Es lief recht gut. Beide Seiten sind zufrieden und Liliths Truppen sind dabei, sich zurückzuziehen.“

 

„Aber?“ Natürlich merkte sie, dass ihn etwas störte. Egal was er tat, sie war eine seiner Frauen gewesen, der er nie etwas hatte vormachen können. „Ich denke, dass Lilith uns einige Stolpersteine in den Weg gelegt hat. Wahrscheinlich können wir uns in den nächsten Tagen auf einiges gefasst machen.“, erklärte er seine Sorgen, woraufhin die Schwarzhaarige düster nickte. „Ja, das sähe ihr ähnlich. Hoffen wir, dass die Sterblichen die Ruhe bewahren.“, stimmte sie zu. „Übrigens habe ich deinen anderen Söhnen auch einiges zu erzählen und dir wollen die anderen ebenfalls einiges ausrichten. Jetzt wäre wohl die beste Zeit dafür.“ Ein kleiner, egoistischer Teil des Dämonengottes wollte nichts davon hören. Dadurch würde er sie nur noch mehr vermissen, doch der weitaus größere, vernünftige Teil wusste, dass er es ihnen schuldig war und er irgendwann damit abschließen müsste. Die Schuldgefühle zerfraßen ihn bereits viel zu lange. „Dann lass uns anfangen.“

 

 

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Die Hoffnung aller bestätigte sich bereits im Laufe des nächsten Tages. Lilith hatte sich offiziell mit ihren Truppen nach Gehenna zurückgezogen, Assiah gehörte damit wieder den Menschen. Fürs erste. Die Freude war entsprechend groß gewesen und zum ersten Mal seit Monaten erlaubte man sich Erleichterung. Sie hatten den ersten Schritt getan, nun mussten sie nur dranbleiben und sich einen guten Plan überlegen. Um Lilith auszuschalten, mussten sie den Kampf nach Gehenna bringen, was allerdings bedeute, dass die Exorzisten sehr im Nachteil waren. Es war eine fremde Umgebung und mit Pech würden viele ausfallen, weil sie die Dämonenwelt nicht ertrugen. Dennoch versuchten beide Seiten positiv zu bleiben und nicht direkt den Teufel an die Wand zu malen. Rin war schon immer eine optimistische Person, was zwar während seiner Gefangenschaft bei Lilith auf die Probe gestellt worden war, aber er versuchte weiterhin das beste in allem zu sehen. Die Dämonen sahen ein wenig schwärzer. Satans Palast konnte mit Leichtigkeit einer jahrelangen Belagerung standhalten, daher war es fraglich, ob ein direkter Angriff wirklich die beste Strategie war. Nach ihrem Einbruch würden alle Geheimgänge doppelt und dreifach bewacht sein, mal ganz abgesehen davon, dass sie zuerst überhaupt in Pandemonium eindringen mussten. Trotzdem blieben sie still, denn natürlich wollten sie nicht die neu gewonnene Moral zunichtemachen. Stattdessen verbrachten sie ihre Zeit bei Azazel und Ruha, immerhin hatten sie einiges aufzuholen. Rin gesellte sich ebenfalls zu ihnen, fühlte sich allerdings wie ein Eindringling. Er kannte keine der Mütter, von Ruha abgesehen, in vielen Fällen wusste er nicht mal, worum es genau ging. Dennoch hörte er gerne zu und freute sich, dass der Rest seiner Familie nun ebenfalls einen Abschluss finden konnten. Nach dem Gespräch mit Shiro wusste er nur zu gut, wie befreiend es sich anfühlte. Nach einer Weile beschloss er dennoch, sie vorzeitig zu verlassen und stattdessen Yukio, Shura oder seine Freunde zu finden. Alastor war eine weitere Option, allerdings wusste er nicht, ob dieser bereit war, mit ihm zu trainieren, obwohl er eigentlich noch nicht ganz auf den Beinen war. Er wanderte eine Weile umher, bis er Stimmen aus einem der Zimmer hörte. Es war eine Unterkunft, welche er bisher nicht betreten hatte, doch er war sich ziemlich sicher, dass in diesem Bereich vor allem die Hexenzirkel untergebracht waren. Seine Vermutung sollte sich bestätigen. Christina saß auf dem Boden, vor ihr lagen einige Karten, umgeben war sie zu Rins Verblüffung von Shiemi, Izumo und dem Kyoto Trio. „Oh, hey Rin!“, wurde er von Shima begrüßt. „Komm ruhig rein, Christina-chan legt gerade ein paar Karten.“

 

„Könntest du endlich mit diesem "Chan" und dem Vornamen aufhören?! Du kennst sie kaum!“, wurde er von Izumo angefaucht, doch die Hexe winkte lachend ab. „Lass ihn ruhig, es schadet doch niemanden.“ Sie wandte sich an Rin. „Braucht mich jemand oder bist du wegen deiner Freunde hier?“

 

„Ich habe eure Stimmen gehört, also bin ich hergekommen. Was macht ihr hier?“., fragte er und sah verwirrt den Kartenhaufen an. „Tarot.“, erwiderte die Hohepriesterin gut gelaunt und begann, die Karten zu mischen. „Suguro hier hat mir nicht geglaubt, als ich davon erzählt habe, also habe ich die Karten für sie gelegt. ~“ Rin verstand immer noch nicht, was los war. „Was ist Tarot?“ Wahrscheinlich zeigte er wieder einmal sein lausiges Allgemeinwissen, dennoch erklärtes sie es geduldig. „Einfach gesagt, Wahrsagen mit Karten. Die meisten Sterblichen benutzen es, um andere über den Tisch zu ziehen, aber wir Hexen verstehen es, die Karten richtig zu lesen.“

 

„Ich dachte, es nicht möglich die Zukunft vorauszusagen.“, hinterfragte der Halbdämon ein wenig zweifelnd und erhielt ein Kichern von der Blondine. „Das stimmt, es spielen sehr viele Faktoren eine Rolle, es geht hier auch weniger um die Zukunft, eher um Erkenntnis. Wie es dann weiter geht, hängt von der Person selbst und den Umständen ab. Tarot ist eine Fähigkeit, die viele Hexen beherrschen, manche haben allerdings ein besonders Talent dafür und sehen mehr als andere. Insbesondere Hexen wie ich, die zu Lord Samael gehören, sind mit dieser Gabe gesegnet. “

 

„Es stimmt, Rin!“, mischte sich Shiemi aufgeregt ein. „Sie hat ganz viel von uns gesehen und alles stimmte, obwohl wir nichts gesagt haben!“

 

„Ich halte das immer noch für ziemlich schwammig.“, grummelte Bon mussmutig vor sich hin, was Christina allerdings nicht zu stören schien, sie mischte weiter ihre Karten und nickte Rin zu. „Lust mitzumachen? Normalweise lege ich 3 mal 3, aber in diesem Fall nehme ich nur 3, also Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, es dauert nicht lang. Wenn du nicht willst, ist es natürlich in Ordnung. Das kann ziemlich persönlich werden.“ Der Nephilim zögerte, nickte dann aber. Es sprach wohl nichts dagegen und er war schon neugierig, daher setzte er sich dazu. Die Hexe teilte den Stapel mehrmals und hielt dabei mehrmals inne, als würde sie nachdenken oder etwas hören, bis schließlich drei Karten vor ihnen lagen. „Gut, dann schauen wir mal.“, murmelte Christina und drehte die erste Karte um. Darauf zu sehen war ein Turm, in dem mehrere Blitze einschlugen und zum Teil brannte, zu sehen. Ein ungutes Gefühl stieg in ihm hoch. „Das dachte ich mir fast. Der Turm. Steht für eine plötzliche Erschütterung des Lebens, heftige Aufruhe…eine Krise. Es war sicher nicht einfach, die Wahrheit über deine Herkunft zu erfahren.“ Die Adepten waren ungewöhnlich still und wechselten Blicke. „Nicht wirklich.“, murmelte er dumpf. Christina nickte nur und drehte die nächste Karte um. Dieses Mal sahen sie ein großes, geflügeltes Wesen mit Hörnern und Tierbeinen. Es hockte auf einer Art Podest, an der zwei nackte Menschen gekettet waren. „…Der Teufel.“, sagte die Hexe, nun die Stirn runzelnd. „Ernsthaft? Wenn das ein Witz ist, ist er nicht komisch.“, murmelte Rin ein wenig gereizt und fragte sich gleichzeitig, ob sein Vater wusste, dass die Hexenzirkel Tarotkarten verwendeten, die ihn auf diese wenig schmeichelhafte Art darstellte. Christina schüttelte den Kopf. „Der Teufel steht für einen inneren Konflikt, eine dunkle Seite. Du hast das Gefühl, als würdest du an einer Stelle festhängen, als hättest du die Kontrolle über dein Leben verloren.“ Rin schluckte. Shiemi hatte recht gehabt. Das traf wirklich direkt ins Schwarze. „Es gibt Hindernisse, vielleicht sogar Personen, denen du nicht trauen kannst…Verführung…Abhängigkeit…“ Sie stockte, schloss die Augen und schüttelte kurz den Kopf, dann sah sie Rin überraschend ernst an. „Du musst dich dem stellen, um es unter Kontrolle zu bekommen.“ Erneut schloss sie die Augen. „Ansonsten…blaues Feuer verbrennt vollständig die andere Welt…“ Sie schüttelte den Kopf und schwieg. Auch der Rest blieb still, zu geschockt über das, was er hörte. Sich dem stellen? Blaues Feuer brannte die Welt nieder? Er wusste nicht mal, was damit gemeint war! Es gab so viel, dass ihm momentan Kopfzerbrechen bereitete und das war nicht nur die Sache mit Lilith. Er war immer noch besorgt, wie es danach weiter gehen und ob er seinem Bruder und seine Freunde verlieren würde. Dann kam da noch die Sache mit seinem Dämonenherz hinzu und wenn sie wirklich davon sprach, wie die Welt niedergebrannt wurde...

 

Was, wenn er nicht stark genug war und versagte? Christina sah ihn fragend an, woraufhin er langsam nickte. „Schon ok, mach weiter.“ Die nächste Karte ließ seinen Magen erneut verkrampfen: Ein Skelett mit einer Sense. „Tod.“, murmelte die Blondine. „Mach dir keine Sorgen, damit ist nicht gemeint, dass du sterben wirst.“, fügte sie hinzu, als sie Rins Gesicht sah. „Tod steht für das Ende vom alten. Vielleicht wirst du Abschied nehmen müssen oder musst loslassen, aber darauf folgt immer ein Neubeginn. Ich denke, dir wird es gut gehen.“ Sie lächelte ihm ermutigend zu. „Du hast eine schwierige Vergangenheit hinter dir und musstest viele Rückschläge einstecken, aber eine neue Zukunft wartet auf dich. Du musst nur lernen los zu lassen, dich selbst zu akzeptieren und dich deinen inneren Konflikten zu stellen.“ Bevor der Dunkelhaarige zu einer Antwort ansetzen konnte, hörte er, wie sich die Tür öffnete. Dieses Mal war es Yukio, der überrascht in die Runde sah. „Was treibt ihr denn hier?“, fragte er langsam und warf Christinas Karten einen misstrauischen Blick zu. „Tarot legen.“, antwortete sie gelassen. „Interesse?“ Der jüngere Okumura Zwilling verdrehte die Augen und schob seine Brille hoch, wie wenn er genervt oder frustriert war. Rin sollte es wissen, er bekam diese Pose regelmäßig. „Ich glaube nicht an solchen Unsinn.“

 

„Aber es funktioniert wirklich!“, protestierte Shiemi. „Sie hat es bei uns allen gemacht. Versuche es doch!“ Der Brillenträger zögerte und Rin glaubte, dass er ablehnen würde, doch zu seiner Überraschung nickte der jüngere. „Also gut.“, seufzte er und Rin rutschte beiseite, damit sein Zwilling Platz nehmen konnte. Er war mehr als verblüfft, dass Yukio zugestimmt hatte. Tat er das, weil er Rin versprochen hatte, Dämonen gegenüber offener zu sein? Sekunden später lagen drei neue Karten vor ihnen und Christina drehte die erste herum. Dieses Mal war eine Person mit einem Schwert und einer Waage zu sehen. „Gerechtigkeit. Und sie steht auf dem Kopf…“, sie hielt inne, schloss die Augen und für einige Sekunden herrschte Stille, bevor sie nickte. „Du hast in Ablehnung gelebt, tust es wahrscheinlich immer noch. Du willst die Konsequenzen nicht akzeptieren und tust alles, um der Schuld zu entkommen. Er herrscht Ungleichgewicht, du weißt nicht, was du fühlen oder denken sollst.“ Yukios Gesicht blieb ausdruckslos, während er sie sprach, doch Rin wusste, dass ihre Worte nicht wirkungslos blieben. Hoffentlich würde es zu keiner Eskalation kommen. „Was geschehen ist, ist geschehen.“ Da er nichts sagte, drehte sie die nächste Karte um. Dieses Mal war es ein Engel, darunter sahen mehrere Menschen zu ihm hoch. „…Das Gericht. Neubeginn, Wiedergeburt, Erlösung, Erweckung.“, murmelte sie vor sich hin. „Die Zukunft ist nicht in Stein gemeißelt, wenn du dein Leben selbst in die Hand nimmst, wird es sich zum Guten wenden. Du überdenkst dein bisheriges Leben und hinterfragst, was richtig ist.“ Dieses Mal hob Yukio eine Braue. „Verstehe.“ Damit drehte Christina die letzte Karte um. Im ersten Moment sah es aus wie eine Sonne, doch schlussendlich erkannte er einen Mond darin. Darunter waren zwei Hunde und Wölfe, die ihn scheinbar anheulten. Christinas Gesicht hellte sich auf. „Der Mond. Du wirst dich deinen inneren Ängsten und deinem Schatten stellen. Du hast dich so oft von deiner Angst leiten lassen und deinen Glauben an die Zukunft verloren. Es kann aber auch für Süchte stehen, also sei vorsichtig.“ Sie sah ihn durchdringlich an. „Sieh es als Neubeginn.“ Damit packte sie ihre Karten zusammen und stand auf. „Das hat Spaß gemacht, aber ich sollte jetzt gehen. Wir sehen uns später.“ Bevor sie antworten konnten, war sie bereits verschwunden, doch eine unangenehme Stimmung blieb zurück. „Also…“, sagte Shima plötzlich und grinste nervös. „Hat sonst noch wer Hunger?“

 

 

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Die Freude über den temporären Sieg hielt natürlich den ganzen Tag an. Die Atmosphäre wirkte direkt viel angenehmer und Dämonen und Menschen rasselten bei weitem nicht mehr zusammen wie zu Beginn. Natürlich gab es auch viele, die eher vorsichtig waren und sich auf jede Eventualität gefasst machten, doch selbst das konnte die gute Laune nicht vermiesen. Dennoch war Rin überrascht, als er erfuhr, dass sie noch am selben Abend kleine Siegesfeier veranstalten wollten. Nichts Aufwendiges, die meisten würden wohl nur trinken (es hatte sich interessanterweise einiges an Alkohol gefunden), reden und versuchen, sich irgendwie zu amüsieren, aber es war besser als nichts. Weder Satan noch die Grigori hatten etwas dagegen, so lange es niemand übertrieb und man sicherstellte, dass die Sicherheit weiterhin gegeben war. Es erschien seltsam, dass die Grigori so schnell einverstanden gewesen waren, andererseits wollten sie sicherlich die Motivation aufrechterhalten und es wäre eine gute Gelegenheit, die Zusammenarbeit zu stärken. Somit saß er wenige Stunden später in einer der großen Säle und beobachtete Shura, die sich in einem Anflug von Größenwahn ein Wetttrinken mit einigen Dämonen lieferte, darunter auch Iblis, Astaroth, Amon und Halphas. Woher sie diese Selbstsicherheit nahm, war ihm ein absolutes Rätsel. Es war allgemein bekannt, dass Dämonen mehr aushielten, zumal gehennischer Alkohol wesentlich stärker war. Momentan tranken sie noch Alkohol aus Assiah, doch er hatte keine Zweifel, dass das nicht mehr lange der Fall sein würde. Tatsächlich ging es nur kurz darauf damit los. „Noch kannst du aussteigen. ~“, grinste Iblis Shura an, diese schnaubte nur, hatte allerdings bereits einiges intus. „Als ob! Her damit.“

 

„Wenn sie ein ganzes Glas austrinkt, alles unten behält und dann noch ihren Namen lallen kann, küsse ich Astaroth.“, murmelte Amon kopfschüttelnd. Falls die rothaarige ihn hörte, reagierte sie nicht und trank stattdessen das ihr angebotene Glas aus. Zur Verblüffung aller Anwesenden, wankte sie zwar kurz, doch übergab sich nicht und man sie konnte sogar noch verstehen. Einer der Dämonen wandte sich grinsend an Amon. „Na dann, viel Spaß euch beiden. ~“

 

„Amon, wenn du das versuchst, werden sie nie deine Leiche finden.“, warnte der Verwesungskönig den anderen Dämonen trocken. Shura bediente sich derweil fröhlich am nächsten Glas, Halphas Proteste ignorierend. („Hey, jetzt warte mal, du reiherst sonst wirklich!“) Kopfschüttelnd, aber dennoch grinsend, wandte sich Rin ab, um seine restlichen Brüder und Freunde zu suchen. Er entdeckte als erstes Beelzebub, welcher sich in einer Ecke mit einem weiteren, ihm unbekannten, Dämonen unterhielt. Dieser war in etwa wie groß wie der Insektenkönig, seine kurzen Haare waren ein dunkles Grün, welches an den Spitzen heller wurde und die Augen gelb. Der Nephilim tippte, dass er ein weiterer Insekten- oder Erddämon war. Als Beel ihn sah, winkte er ihn heran. „Hey, Rin. Alles klar bei dir?“, fragte er und der Nephilim nickte. „Ja, alles gut. Wer ist denn dein Freund?“

„Emesh.“, stellte sich der Dämon vor, bevor der Baal antwortete konnte. Er sagte noch etwas, doch zu seiner Verwunderung hatte er große Schwierigkeiten dabei, ihm zu folgen. Zwar verstand er einige Wörter, doch sowohl die Endungen als auch die Betonung klang seltsam. Beelzebub schien seine Hilflosigkeit schnell zu bemerken. „Nimm Hochgehennisch oder Mittel, er kennt keine Dialekte außer den Pandemonischen.“

 

„Ah, tut mir leid. Ich habe nicht dran gedacht.“, entschuldigte sich Emesh sofort. Dieses Mal konnte Rin ihn problemlos verstehen. „Du bist also der neueste Zuwachs. Ich habe gehört, dass du für eine Menge Trubel gesorgt hast. Sollte mich wohl nicht überraschen, ihr habt alle ein Talent für Ärger.“

 

„Ja, schätze schon.“, murmelte Rin, nicht sicher, was er dazu sagen sollte, daher wechselte er das Thema. „Was meintest du mit Dialekt und so, Beel?“ Natürlich gab es auch im Japanischen Dialekte und er wusste, dass er Hochgehennisch und zum Teil Umgangssprache (vor allem durch seine Geschwister) lernte, wobei manche Dinge wie gewisse Anreden und Höflichkeitsformeln noch nicht dazu gehörten. Er meinte, dass Shax und Paymon relativ zu Beginn Dialekte erwähnt hatten, aber sicher war er nicht. „Wie in Assiah werden in Gehenna verschiedene Dialekte gesprochen. Du kennst bisher nur, was in Pandemonium gesprochen wird, Emesh hier spricht aber einen Dialekt aus meinem Reich, darum kannst du nichts damit anfangen. In jedem Gebiet gibt es verschiedene Dialekte, dazu kommt noch ein Dialekt, den gerne die Adligen nutzen und Henochisch, das ist mehr oder weniger das Gehennische Latein Das sprechen nicht mehr viele, aber er hat zumindest im Okkultismus Bereich eine wichtige Rolle.“ Natürlich bekam er dafür einen mehr als hilflosen Blick von seinem jüngeren Bruder. Es wurde doch wohl nicht vom erwartet, dass er all diese Dialekte konnte? „Mach dir deswegen keinen Stress.“, wurde er schnell von dem Baal beruhigt. „Ich kenne zwar einige Dialekte, aber nicht alle und dem Rest dürfte es nicht anders gehen. Umgangssprache versteht jeder, da musst du dir keinen Kopf machen.“ In anderen Worten: Du kannst noch durchatmen, aber irgendwann solltest du schon einige können. So übersetzte es sich zumindest im Kopf des Nephilims. Vielleicht sollte er seinen Vater doch davon überzeugen, Japanisch als zweite Amtssprache einzuführen, dann hätte er weniger Probleme! Wäre es nur so einfach. Mit Schrecken wurde ihm bewusst, dass er die ganze Zeit wie ein Volltrottel schaute und zwang sich, weiter zu sprechen. „Ah, ok. Und ihr beiden kennt euch durch…?“

 

‚Wow, Rin. Redegewandt wie immer.‘, lobte er sich selbst, glücklicherweise erwähnte es keiner der beiden älteren Dämonen. „Wir waren in einer Klasse.“, erklärte Emesh. „Ich bin damals durch ein Stipendium an die Schule gekommen. Wir zeichnen beide gern, also hatten wir direkt was gemeinsam und wir waren im selben Kunstkurs.“

 

„Du hast den Teil vergessen, an dem du versucht hast, in meinen Spint einzubrechen.“, erinnerte Beelzebub den anderen Dämonen und nahm grinsend einen Schluck aus seinem Glas. Emesh verdrehte die Augen. „Musst du das immer an die große Glocke hängen? Ich hatte nur den falschen Schrank!“

 

„Sicher doch.“, grinste der Insektendämon zurück. Sein Gegenüber schnaubte und wurde langsam rot. „Du hast zu viel Zeit mit Iblis verbracht.“, grummelte er vor sich hin. Beelzebub zuckte mit den Schultern und grinste noch breiter. „Tu nicht so, du hast mich vermisst.“

 

„Vielleicht. War aber mal 'ne nette Abwechslung. Endlich Ruhe und Frieden, keine Angst, dass mich dein Vater anzündet oder deine Brüder mir den Hals umdrehen…“

 

„Jetzt übertreib mal nicht. Sie mögen dich!“

 

„Sie haben mir damals buchstäblich gesagt, dass sie mir weh tun, wenn ich dir weh tu.“

 

„Ja, gut, haben sie aber nicht! Also sei mal nicht so.“

 

Rin schaute verwirrt zwischen ihnen hin und her. Er verstand gar nichts mehr. „Warum sollten sie dir drohen, wenn ihr Freunde wart?“, fragte er daher und schaute sie mit großen Augen an. Der Insektendämon zögerte, Emesh sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Du hast es ihm nicht gesagt?“

„Wir kamen nie wirklich dazu.“

 

„Was denn gesagt?“, drängelte Rin ungeduldig, woraufhin der Insektenkönig seufzte. „Rin, wir waren nicht nur Freunde. Wir waren zusammen. Es war nicht meine ersteBeziehung, ich bin schon davor mit einem Mädchen ausgegangen, aber habe dann gemerkt, dass ich nicht auf Frauen stehe.“

 

„…Oh.“, machte der Nephilim, nicht sicher, was er sonst sagen sollte. Er hatte knapp ein halbes Jahr in Gehenna gelebt und dann wusste er das nicht? Irgendwie peinlich. Ehrlich gesagt hatte er sich nie mit dem Thema beschäftigt und er wollte niemanden versehentlich beleidigen. „Mach dir keinen Kopf, wir haben nie wirklich drüber gesprochen.“, erwiderte der Baal gelassen. „Lu ist zum Beispiel eher hetero, Amaimon ist asexuell und aromantisch. Im Gegensatz zu den Sterblichen kümmert uns das aber nicht, also posaunen wir das nicht herum.“

 

„Verstehe.“, murmelte der Halbdämon. „Und warum seid ihr nicht mehr zusammen, wenn ich fragen darf?“

„Schätze wir haben uns irgendwo auseinandergelebt.“, antwortete Emesh schulterzuckend. „Er ist an die Militärakademie und musste sich auf seine Rolle als Baal vorbereiten, ich bin an die Kunstschule…schlussendlich haben wir es sein lassen und uns drauf geeinigt, dass man es ja vielleicht irgendwann noch mal versuchen könnte. Also sind wir momentan einfach Freunde.“ Das klang nachvollziehbar und war sogar derselbe Grund wie bei Egyn und Kyrene. Offenbar hatte ihre Zukunft als Dämonenkönige wirklich einen großen Einfluss auf ihre Leben gehabt. Unwillkürlich fragte er sich, was sie wohl in ihrem Leben getan hätten, wenn sie als normale Dämonen geboren worden wären. Umso neugieriger war er bezüglich Emesh. „Versteh das nicht falsch, aber warum bist du in Assiah, wenn du kein Kämpfer bist?“ „War zur falschen Zeit am falschen Ort, wenn man’s so nehmen will.“, grummelte der andere Dämon mit einem düsteren Gesichtsausdruck, der Rin zeigte, dass er wohl besser das Thema wechseln sollte. Da er es sich nicht direkt mit ihm verscherzen wollte, kam er dem nur zu gern nach. „Ehrlich gesagt bin ich immer noch überrascht, dass sie die Feier hier erlaubt haben.“, sagte er daher schnell. Es war nicht die eleganteste Art und Weise, aber es war ihm nun mal zuerst in den Sinn gekommen! „Unterschätze nicht den psychologischen Effekt. Wir haben einige Siege errungen und müssen immer noch wachsam sein, aber bei so einer Feier können alle mal wieder runterkommen.“, sprang Beelzebub glücklicherweise darauf an. „Das kann Wunder für die Motivation tun.“

 

„Und manche werden‘s begrüßen, wenn sie sich mal wieder den Kopf zuschütten können.“, warf Emesh ein. „Auch wenn mich mal interessieren würde, wo sie das alles so schnell aufgetrieben haben…“ Die nächsten Minuten verbrachten sie mit Smalltalk und ließen sich über die Feier aus, dann verabschiedete sich Rin, um sich weiter umzusehen und entdeckte dabei einige bekannte Gesichter, darunter auch Kyrene, welche mit Keto, Erato, Galatea, Agares und Egyn in einer Ecke stand. Als die Sirene ihn entdeckte, winkte sie kurz zu. „Hallo, Rin! Schön, dass du es hergeschafft hast.“, begrüßte sie ihn, wirkte dabei jedoch sehr angespannt. Egyn und Agares begrüßte ihn ebenfalls, Erato nickte ihm nur zu, während Keto mit verschränkten Armen und genervten Gesichtsausdruck etwas vor sich grummelte. Auch Galatea winkte ihm zu, sichtlich euphorisch, war momentan allerdings eher damit beschäftigt, Agares mit einem Redefluss zu überschwemmen. „Um Satans Willen, wenn hält sie endlich die Klappe…“, hörte er Keto leise fluchen, aber da der Rest es ignorierte, tat er es ihnen gleich. Anscheinend war die schlechte Laune der Sirene nichts ungewöhnlich. Ihm war die momentane Situation ohnehin ein wenig unangenehm. Seit er wusste, dass es Erato und Keto gewesen waren, die ihn zum Blutgericht angegraben hatten, war er unsicher, wie er sich verhalten sollte. Seit ihrer letzten Begegnung hatte er sie nur vom weitem gesehen, dieses Mal musste er wohl oder übel mit ihnen reden. Den Sirenen schien dies ebenfalls im Kopf herumzuschwirren, da Erato es direkt ansprach, „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du dieser Nephilim von Satan bist…“, sagte sie Erato und sah ihn stirnrunzelnd an. „Warum hast du auf der Feier nichts gesagt?!“

„Weil es ihm unangenehm ist!“, mischte sich Kyrene ein. „Hätte er gesagt, wer er ist, hättet ihr ihn doch gar nicht mehr in Ruhe gelassen!“

 

„Du tust als wäre das etwas Schlechtes. Wer würde nicht gern meine Aufmerksamkeit wollen?“, widersprach Erato und warf ihr Haar zurück. Ungewollt erschauderte der Halbdämon und trat einen Schritt zurück. Diese Geste und ihr generelles Auftreten, erinnerte ihn mehr an Lilith als ihm lieb war. Er war ohnehin nicht sicher, was er von Kyrenes Schwestern halten sollten. „Ato, Gehenna dreht sich nicht um dich.“, erinnerte Kyrene ihre ältere Schwester trocken. „Jetzt zankt nicht wieder.“, unterbrach Egyn die beiden, bevor es ausarten konnte. Bisher hatte er allem schweigend zugehört und wirkte nicht wirklich bei der Sache. „Mir wird das zu dumm…ich verzieh mich, diese Feier ist langweilig.“, grummelte unerwarteterweise Keto, wandte sich um und stürmte ohne weiters Wort davon, Galatea dicht auf den Fersen. „Hey, jetzt warte doch!“ Rin beobachtete das ganze mal wieder ohne zu begreifen, was hier los war. Erato zog ebenfalls schnaubend von dannen, Kyrene warf ihnen einen entschuldigenden Blick zu und folgte ihren Schwestern. „Okay…was war das denn grad?“, brach es aus dem jüngeren Dämon hervor. Natürlich wusste er von seinen Brüdern, wie launisch Sirenen sein konnten, doch dies wirkte doch recht übertrieben. „Habe ich was falsches gesagt?“

 

„Mach dir nichts draus, sie sind schon immer so anstrengend.“, seufzte Agares. „Und das mit Charybdis und Glaukos nimmt sie ziemlich mit.“

„Wem?“

 

„Glaukos ist ihr Vater und Charybdis ihr Bruder.“, schaltete sich Egyn ein. „Ihre Mutter hat nach Galatea noch unerwartet Drillinge bekommen, Charybdis, Skylla und Circe. Charybdis und Glaukos sind beide Wächter und wurden im letzten Kampf verletzt. Darum sind sie noch gereizter als sonst.“ Das war also der Grund. Verständlich, dass sie so schlecht gelaunt waren. Allerdings sah Egyn momentan nicht viel besser aus. Er wirkte müde und ein wenig gehetzt, als würde er mit irgendeiner Katastrophe rechnen. „Alles klar bei dir, Egyn?“, fragte er deswegen. Der Baal wich seinem Blick aus und zuckte mit den Schultern. „Geht.“, gab er matt zu und seufzte. „Ich muss nur immer noch an Azazel denken, es ist nicht fair das er allein in dem Zimmer hockt. Na ja, von Ruha mal abgesehen. Sie wollte uns ja einiges zu unseren Müttern erzählen und damit haben wir bereits angefangen, aber damit es nicht zu viel auf einmal wird, haben wir erstmal nur über Uriel und Anansi gesprochen.“ Rin und Agares wechselten verblüffte Blicke. Dem Blick der Wasserdämonin nach zu urteilen, wusste sie nicht mehr als er. „Warum solltest du dir da Sorgen machen? Du kannst hören, was deine Mutter dir noch zu sagen hat und du kannst ihr durch Ruha sogar noch etwas mitteilen.“, tastete sie sich vorsichtig vor, doch Egyn schüttelte frustriert den Kopf. „Das letzte Mal als ich sie gesehen hab, war ich in der Mittelstufe und da hat sie mich teilweise nicht mehr erkannt oder war deliriös…sie dachte manchmal, ich wäre immer noch ein Kind.“ Seine Stimme brach und er schluckte, woraufhin Agares ihm eine Hand auf die Schulter legte. „Das ist schwer, ich verstehe. Aber du musst keine Angst haben. Sie wird sich sicher freuen, mehr von dir zu erfahren.“, versuchte sie ihn zu beruhigen und lächelte ihm aufmunternd zu. „Ja, wahrscheinlich.“, murmelte der Baal, der vor sich hinstarrte und offenbar nicht wirklich zuhörte. Seit der Sache mit Invidia war er viel zurückgezogener und langsam machten sie sich Sorgen. Dann schüttelte er allerdings den Kopf. „Tut mir leid, ich wollte euch nicht runterziehen.“ Er zwang sich zu einem Lächeln. „Vater meinte, dass die Sache mit Lilith langsam unter Kontrolle ist. Die meisten sind wirklich wieder in Gehenna, in manchen Ländern sind noch einige, aber die stolpern eigentlich nur kopflos umher.“ Weder Rin noch Agares waren wirklich überzeugt, dennoch sprangen sie darauf an. Sie waren sicher, dass er sich nach dem Gespräch mit Ruha weiter beruhigen würde und hoffentlich aufhörte, sich deswegen Gedanken zu machen. „Ich denke trotzdem, dass wir uns nicht zu früh freuen sollten. Lilith wird nicht so einfach nachgeben, dafür ist sie zu stolz.“, argumentierte Agares verbittert und Rin konnte nur zustimmen. Sie sprach eine Weile darüber, bis sich schließlich Ankou und Shax zu ihnen gesellten. „Euch beide hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet.“, kommentierte Agares überrascht. „Wolltet ihr nicht zu Azazel?“

 

„Satan ist grad bei ihm.“, erwiderte Shax. „Und wir wollten schauen, was ihr treibt.“ Sein Blick wanderte dabei zu Astaroth und Iblis, die immer noch tranken. Unwillkürlich musste sich Rin fragen, wie sie noch nicht bewusstlos auf dem Boden lagen. Diese Menge sollte normalerweise ausreichen, um einen Elefanten ins Koma zu bringen. „Ich schwöre, wenn Iblis wieder zu ist und irgendwelche Exorzisten anbaggert…“, knurrte Ankou leise vor sich hin und warf dem Feuerkönig einen missbilligenden Blick zu. „Iblis wird doch wohl kaum Exorzisten angraben.“, warf Rin ein, woraufhin Agares kurz auflachte, Egyn schnaubte und der Rest die Augen verdrehte. „Rin, es wäre nicht mal verwunderlich, wenn er den Paladin anmacht.“, kommentierte Egyn trocken und beschaffte allen Anwesenden ein unschönes Kopfkino, weswegen er schnell sprach. „Ihm ist es meist relativ egal, wer oder was ist die Person ist. Allein damals die Sache mit Lucrezia Borgia…“ Er schüttelte seufzend den Kopf. „Und dieses ganze Drama nur, weil er ihr Vater damals der Papst war und er ihn nerven wollte…“ Rin sah die anderen unsicher an. „Will ich es wissen?“

„Nein.“, kam es von allen gleichzeitig. Gut, das war dann wohl eine eindeutige Antwort. Er wechselte schnell das Thema. „Wisst ihr, wo Lucifer, Samael und Amaimon sind? Ich habe sie noch gar nicht gesehen. Und Tap und Paymon auch nicht.“

„Paymon ist beschäftigt, Tap mag keine Feiern, Lucifer treibt sich hier irgendwo rum und Samael streitet sich wie immer mit Indra.“, berichtete Ankou, auch wenn ihr Blick noch immer auf Iblis gerichtet war, welcher näher an Shura herangerückt war und sich nun zu ihr herüberbeugte, um ihr etwas zu sagen. Rin bemerkte es allerdings kaum, er schaute stattdessen die Geisterdämonin fragend an. „Warum das?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich. Es geht mich nichts an.“ Sie sprachen noch einige Minuten, dann beschloss Rin, nach den restlichen Baal zu suchen und nach Samael zu sehen. Als er an Iblis und Shura vorging, wurde ihm klar, dass der Feuerdämon tatsächlich mit ihr flirtete und die Exorzistin schien nichts dagegen zu haben, im Gegenteil. Tatsächlich schien sie es zu erwidern, auch wenn beide angetrunken waren. Als Shura sich weiter zu ihm hinunter beugte, zog er sie noch näher an sich heran, dann küsste er sie plötzlich. Einige der Dämonen um sie herum pfiffen, Rin klappte dagegen der Mund auf und aus dem Augenwinkel sah er, dass es den anderen nicht anders ging. Er rechnete damit, dass Shura dem Baal eine Ohrfeige verpassen würde, doch stattdessen küsste sie ihn zurück. ‚Ok, das ist wohl mein Stichwort…‘, dachte er überrumpelt und verschwand schnell. Shura und Iblis? Ernsthaft?! Gut, sie waren alt genug, es war ihre Sache und so wie Iblis sie manchmal ansah, war klar, dass er sie nicht uninteressant fand, aber wirklich? Kopfschüttelnd schaute er sich weiter um und traf auf einen gelangweilten Amaimon, der offenbar nur wegen seiner Geschwister hier war. Rin konnte es ihm kaum verübeln, es waren überraschend viele Personen anwesend und der Erddämon war kein Fan großer Massen. „Ich schätze mal, du willst lieber nicht hier sein?“, fragte er vorsichtig, woraufhin der Erdkönig leicht mit den Schultern zuckte. „Im Gegensatz zu den Siegesfeiern in Gehenna, ist das gar nichts.“, kommentierte er und sah sich desinteressiert um. „Aber es ist wohl gut, dass sich alle vertragen. Vater wird zufrieden sein.“

 

„Ja, bisher sieht es ganz gut aus.“, bestätigte Rin langsam. „Aber warum stehst du hier allein rum? Du wirst hier sicher jemanden kennen.“ Erneutes Schulterzucken seitens des Erdkönigs. „Ein paar, aber ich habe keine Lust zu reden. Ich habe überlegt zu Azazel zu gehen, damit er nicht allein ist, aber Vater hat es nicht erlaubt.“, erzählte er mit einem kleinen Anflug von Bitterkeit in seiner Stimme. Der Erddämon schien für einige Sekunden mit den Gedanken woanders, dann sprach er weiter. „Ich glaube, ich werde nachher Tap fragen, ob wir zusammen spielen. Du kannst gern mitkommen.“, bot er an. Der Nephilim war nicht sicher, ob die Exorzisten davon so begeistert sein würden, wenn ein Dämonenkönig ihre Trainingshalle zerlegte, aber es ging ihn wohl nicht wirklich etwas an. Er war nicht länger Mitglied der Ritterschaft, daher konnte ihm ihre Meinung herzlich egal sein, solange sie nur weiterhin diesen Krieg zusammen bestritten. „Ich komme nachher sicher mal vorbei, jetzt will ich erstmal schauen, was der Rest macht.“, erklärte er und Amaimon nickte. „Gut. Wir sind dann in Trainingshalle 26, wenn du kommen solltest. Wir sehen uns dann.“ Damit war er verschwunden und Rin setzte seinen Rundgang fort. Nach einer Weile begegnete er Yukio, welcher sich ebenso wie Amaimon wenig wohl zu fühlen schien. Zum einen wegen der vielen Leute, zum anderen vermutlich, weil mindestens die Hälfte Dämonen waren. Er hatte sich in letzter Zeit wirklich um Besserung bemüht, doch Rin wusste, dass er es seinetwegen tat. Zwar war das etwas enttäuschend, aber er würde geduldig sein. Sicherlich musste er irgendwann zu Vernunft kommen, richtig? Mit etwas Glück würde er sogar an diesem Abend merken, dass Dämonen gar nicht so schlimm waren. „Hey, Yukio, schön dich hier zu sehen. Ich dachte schon, du würdest wieder einsam in deinem Bett hocken.“, stichelte er und klopfte ihm auf die Schulter. „Shura und die anderen haben mich gezwungen. Sie meinten, ich soll mal etwas "lockerer" werden.“, berichtete der Brillenträger missmutig. „Damit haben sie auch Recht. Wenn du weiter so böse guckst, bekommst du noch Falten.“, verkündete Rin grinsend. „Ich weiß, die ganzen Dämonen sind wahrscheinlich ziemlich abschreckend für dich, aber ignoriere das doch für heute einfach mal und hab Spaß! Sie sind nicht so schlimm wie du denkst!“ Yukio schien bezüglich der Dämonen protestieren zu wollen, seufzte dann aber. „Ich versuche wirklich, das zu akzeptieren und offener zu sein, aber es ist nicht einfach.“, gab er zerknirscht zu. „Und ich weiß, dass es den Dämonen teilweise nicht anders geht. Die Blicke, die mir manche zuwerfen sind nicht gerade freundlich.“

 

„Weil sie merken, dass du sie nicht magst.“, erwiderte Rin sofort. „Aber trotzdem danke, dass du es versuchst.“ Er zögerte kurz, bevor er weitersprach. „Darum hast du auch zugestimmt, dass Christina dir die Karten legt, oder? Weil du beweisen wolltest, dass du es wirklich versuchst.“ Damit hatte er wohl den Nagel auf dem Kopf getroffen, denn der Brillenträger sah ihn erschrocken an, dann schnaubte er. „Seit wann kannst du eins und eins zusammenzählen?“, grummelte er missmutig, woraufhin der Nephilim grinste. „Großer Bruder Instinkt. Und Zwillingstelepathie.“ Erneut schnaubte Yukio, dieses Mal klang es allerdings mehr wie ein unterdrücktes Lachen. Wie lange war es her, dass er den jüngeren hatte lachen hören? Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. „Weißt du eigentlich schon, wie es dann weitergehen wird?“, erkundigte sich der Brillenträger plötzlich, nun wieder ernst und sah ihn unsicher an. Rin wich seinem Blick aus, „Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist.“, antwortete er knapp und zu seiner Erleichterung nickte Yukio und bohrte nicht nach. Schlussendlich schafften sie es, das Gespräch anzufachen, dieses Mal blieben sie jedoch bei sichereren Themen. So erfuhr Rin, dass Yukio zu Beginn bei Shura gewesen war, doch nachdem diese sich mit den Dämonen zum Wetttrinken einließ, hatte er sich lieber verkrümelt. Wahrscheinlich war es besser so, hätte er gesehen, wie sie mit Iblis rumknutschte, wäre er wohl umgekippt. Dafür sorgte einer seiner anderen Brüder für Trubel, welcher nicht lange unbemerkt blieb. Irgendwo war es wohl nur eine Frage der Zeit gewesen, besser machte es die Sache jedoch nicht ansatzweise. Die Mönche aus dem Stift waren endlich auf Astaroth getroffen und erstere hegten aus verständlichen Gründen einen gewissen Groll gegen den jüngsten Baal. Die Okumura Zwillinge wechselten einen kurzen Blick, bis Yukio mit den Schultern zuckte. „Ich glaube, das übernimmst besser du.“, murmelte er erschöpft klingend. Natürlich hatte der Nephilim so gar keine Lust, aber einige starrten bereits und er wollte einmal auf eine Party gehen, ohne dass Chaos ausbrach, daher machte er sich mit raschen Schritten auf den Weg zu ihnen. „Ich habe nur getan, was nötig war! Keiner hat euch gezwungen, sich in den Weg zu stellen!“, hörte er Astaroth zetern und konnte nicht anders, als die Augen zu verdrehen. Manchmal führten sie sich so kindisch auf, dabei waren sie viel älter als er. „Weil wir dachten, dass du Rin verletzen würdest! Abgesehen davon hast du buchstäblich unser halbes Zuhause abgerissen!“, konterte Izumi nicht minder schnippisch, aber der Fäulnisdämon winkte ab. „Pah, war doch nur 'ne alberne Kirche. Ohne wäre die Menschheit ohnehin besser dran.“

 

„Das ist keine Entschuldigung!“, entrüstete sich Nagatomo, woraufhin der grauhaarige Dämon unbeteiligt mit den Schultern zuckte. „Ich hab' mich ja auch nicht entschuldigt, du Idiot.“ Rin hatte genug gehört und griff nach seinem Arm. „Astaroth, jetzt hör auf!“, zischte er. „Die Leute gucken schon.“, ergänzte Yukio. „Und? Sollen sie doch!“, kam die Antwort, Rin dachte allerdings gar nicht daran, locker zu lassen und winkte die restlichen Mönche zu sich, welche sich freuten, ihn und Yukio zu sehen, doch dem Dämonenkönig hin und wieder giftige Blicke zuwarfen. „Astaroth, entschuldige dich. Du hast unser Zuhause zerstört und sie verletzt. Keiner will Blumen haben, also komm schon.“, redete Rin auf seinen älteren Bruder ein und fragte sich unwillkürlich, ob sich auch Shiro und Satan immer gefühlt hatten, wenn er oder seine Brüder etwas angestellt hatten. Wie ironisch, dass nun die Rollen verdreht waren. Astaroth warf den Exorzisten einen abwertenden Blick zu. „Sie hätten dich nicht von uns fernhalten sollen!“

 

„Sie wussten nicht, dass du mir nichts tun würdest!“, erinnerte Rin ihn. „Na ja, da wäre immer noch die Sache mit dem heißen Eisen.“, warf Kyodo ein und dieses Mal war er es, der einen bösen Blick kassierte. „Hey, nicht damit anfangen!“, würgte der Nephilim den aufkommenden Streit schnell ab. „Sie sind in Assiah meine Familie, sie dachten ich wäre in Gefahr, also wollten sie mich beschützen. Das hättet ihr genauso gemacht!“ Yukio warf ihm einen Blick zu, der zwischen Überraschung und Anerkennung lag. Der Nephilim hätte es selbst nie für möglich gehalten, aber inzwischen wusste er, worauf seine Geschwister ansprangen und der "Kleine Bruder Bonus" schadete dabei nicht. Er würde nicht so weit gehen und es Manipulation nennen, aber er konnte sie zumindest zu gewissen Dingen überreden. Noch immer schaute Astaroth recht misstrauisch drein, dann grummelte er etwas vor sich hin, was nicht einmal Rins Dämonengehör verstehen konnte. „Was?“, fragte er daher und Astaroth verschränkte die Arme. „Muss ich das wirklich sagen?“

 

„Ja, musst du.“, mischte sich Egyn ein, welcher plötzlich neben Rin stand. Wo kam der nun wieder her?! „Asta, jetzt mach schon. Es gibt schlimmeres.“, drängte der Wasserdämon weiter. Der angesprochene seufzte und verdrehte die Augen, aber rang sich schließlich dazu durch. „Tut mir leid, dass ich eure dämliche Kirche zerdeppert und euch fast umgebracht hab, auch wenn ihr mit Schuld wart.“ Alle sahen ihn scharf an. „Was denn?!“

 

„Das war eine fürchterliche Entschuldigung!“, entrüstete sich Egyn.

 

„Und? Es war eine!“

 

„Die nicht zählt!“

 

„Ach, du kannst mich mal-“

 

„Bitte?“, schaltete sich Rin ein und sah den älteren in bester Welpenmanier an, sodass er endlich nachgab. „Ok, ok…Es tut mir leid, dass ich euer Zuhause zerstört habe und dass ich euch umbringen wollte. Ich wollte einfach zu Rin und habe nicht klar gedacht. Also…Schwamm drüber?“, fragte er, nun ein wenig unsicher klingend. Die Mönche wechselten kurze Blicke, sichtlich überrascht, dann nickte Nagatomo. „Schon gut. Schlussendlich war es wohl ein riesiges Missverständnis.“

 

„Ja…“ Es folgte eine angespannte Stille, die schließlich Izumi durchbrach. „Rin, Yukio, wir wollten sowieso nochmal mit euch reden. Kommt ihr?“ Yukio nickte sofort, Rin jedoch nicht. „Ich komme später nach, vorher wollte ich mit den anderen reden.“

„Klar, kein Problem. Wir sehen uns dann.“ Als sie gingen, zögerte Yukio, folgte ihnen dann aber und ließ die drei Söhne Satans allein zurück. Kaum waren sie außer Sichtweite, seufzte Astaroth. „Wenn wer fragt, das ist nie passiert.“

 

 

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Die restlichen Adepten waren nicht schwer zu finden, wie so oft hockten sie beieinander und unterhielten sich mit Tsubaki. Rin hatte seinen ehemaligen Lehrer schon eine ganze Weile nicht gesehen und da er zu den wenigen gehörte, die er wirklich mochte, begrüßte er ihn aufrichtig erfreut. „Es freut mich sehr, dass du wieder bei Kräften bist, Okumura. Es tut mir wirklich leid, für alles, was du mitmachen musstest.“, erwiderte der Lehrer und sah ihn mitfühlend an. Der Nephilim biss sich kurz auf die Lippe, nickte dann aber höflich. Irgendwie widerstrebte es ihm, dass er ständig Mitleid bekam, aber der ältere Mann meinte es nun wirklich nicht böse, daher sagte er nichts. „Es geht schon. Ich habe manchmal unruhige Nächte, aber sonst ist alles super!“, log er und lächelte ihn gut gelaunt an. Seine Freunde wechselten hinter Tsubakis Rücken Blicke, die er gekonnt ignorierte. Sie unterhielten sich für eine Weile, doch als ihr ehemaliger Lehrer einen Anruf von seinem "Kätzchen" bekam, sah man nach kurzen Abschiedsworten nur noch eine Staubwolke. Manche Dinge änderte sich wohl nie, aber er war wirklich froh darüber. Etwas Normalität in diesem Durcheinander tat gut. „Ich fasse es nicht…überall haben sie Probleme mit den Telefonnetzwerken aber solche Anrufe kommen durch?“, murmelte Izumo. Bon brummte etwas vor sich, seine Aufmerksamkeit galt eher den Flaschen auf einem der Tische. „Weiß irgendjemand, was da drin ist?“, fragte er schließlich. „Das ist nichts, was ich kenne.“

 

„Ehrlich gesagt, erkenne ich nicht mal die Schrift.“, gab Konekomaru zu, welcher die Flaschen ebenfalls musterte. Jetzt war Rins großer Augenblick gekommen! „Da steht "Xyr‘krio". Das ist irgendein gehennisches Mischgetränk.“ Endlich wusste er einmal etwas und der Rest nicht! Zwar war ihm nicht klar, wo sie das herhatten, aber er vermutete, dass Liliths Leute es hier gebunkert hatten. „Also Alkohol?“, fragte Shiemi zaghaft, woraufhin Rin nickte. „Wie viel ist denn in etwa drin?“, fragte Shima. „Keine Ahnung. Beel hat das mal getrunken, als wäre es Wasser, aber das ist glaube nicht mit uns vergleichbar.“, erwiderte Rin unsicher und starrte nachdenklich die Flasche an. Im Gegensatz zu Assiah stand nirgends der Alkoholgehalt. „Warum willst du das überhaupt wissen? Willst du ernsthaft davon trinken?“, schnaubte Izumo. „Wir sind nicht alt genug. Und wir wissen nicht, was das mit Menschen macht.“

 

„Abgesehen davon bist du ein Mönch, also kein Alkohol.“, warf Konekomaru streng ein. „Ach, komm, einmal geht das doch wohl klar! Wäre es schädlich, würden sie es wohl kaum so offen stehen lassen.“, argumentierte der Pinkhaarige und alle mussten zugeben, dass er damit nicht unrecht hatte. „Und in anderen Ländern darf man schon ab 15 trinken und die leben auch noch. Außerdem sind wir grad nicht in Japan. ~“

 

Schlussendlich ließ er sich jedoch davon überzeugen, es sein zu lassen. Stattdessen war es nun ausgerechnet Izumo, die mutig zur Flasche griff und sich ein Glas eingoss. Auch Rin bediente sich neugierig, während sich der Rest mit alkoholfreien Getränken begnügte. „Na dann, aufs…Überleben?“, sagte Shima ein wenig unsicher, setzte zum trinken an und ließ beinahe sein Glas fallen, als plötzlich Iblis wie aus dem Boden geschossen neben ihm stand. „Aw, die Kiddies trinken. Haben euch eure Babysitter endlich in Ruhe gelassen?“, grinste er und nahm ohne zu zögern einen Hieb aus der gerade geöffneten Flasche. „Wie hast du uns genannt?!“, entrüstete sich Izumo, aber der Baal ignorierte sie. Rin erinnerte sich von den Erzählungen seiner Brüder, dass Iblis angetrunken manchmal ein wenig biestig werden konnte, doch an sich harmlos war. Sein Mundwerk war nur wesentlich loser und er wurde um einiges…aktiver beim Flirten. „Wo kommst du denn schon wieder her?!“, entrüstete sich unterdessen Shima, doch der Dämonenkönig winkte ab und nahm einen weiteren Hieb. „Bist du echt immer noch überrascht? Idiota…nunca aprende…moroyw…“ Bis auf das letzte Wort, welches das gehennische Wort für "Idiot" war, verstand Rin nichts. Anscheinend wechselten manche Dämonenkönige gerne mal die Sprache, wenn sie zu angetrunken waren und das, ohne es zu merken. „Ähm…bist du sicher, dass du weiter trinken willst?“, fragte Koneko vorsichtig. „Du bist ein wenig…na ja…“

 

„Ja? Raus mit der Sprache, Zwerg.“, grinste der Feuerdämon und baute sich vor dem Brillenträger auf. „Komm schon, bitte beende den Satz. Ich warte, nur keine falsche Scheu.~“, grinste er raubtierartig und verschlug dem Adepten nicht nur die Sprache, sondern ließ ihn noch kleiner werden, als er ohnehin schon war. Natürlich war es nur Gerede, Iblis würde nichts tun, doch das wusste Konekomaru natürlich nicht, daher mischte sich Rin ein. „Iblis, du bist betrunken. Lass es gut sein.“ Der angesprochene hielt inne, zuckte dann aber mit den Schultern und trat zurück. „Spaßbremse.“, schmollte er und nahm den nächsten Schluck, die Adepten dagegen atmeten erleichtert auf. „Aber ernsthaft, gönnt euch was und trinkt. Das ist 'ne Party.“, kommentierte er und streckte sich kurz.

 

„Eine Regel im Buddhismus ist es, keine Rauschmittel einzunehmen, also ist das für uns tabu.“, warf Konekomaru sein, woraufhin Iblis die Augen verdrehte. „Ihr Sterblichen müsst mal etwas entspannter werden. Kein Sex vor der Ehe, kein Alkohol, keine Partys, nur bestimmtes Fleisch essen oder freiwillig hungern …Ihr macht euch unglücklich indem ihr euch den Dingen verweigert, die sich gut anfühlen. So langweilig…“

 

„Shura-sensei schien keine wirklichen Hemmungen zu haben, also sehe ich nicht, warum du dich beschwerst.“, erinnerte Izumo ihn trocken. „Oder war sie am Ende doch noch bei genug Verstand, um dir eine zu scheuern?“

„Hey, sie ist von selbst so nah gekommen und hat zurückgeküsst.  Du tust ja so, als hätte ich sie gezwungen.“, grummelte der Baal. „Mag sein, dass ich was intus hab, ich kann trotzdem noch unterscheiden, wenn jemand nicht will und sie wollte auf jeden Fall.~“

 

„Davon wäre Satan dann aber sicher nicht so begeistert, oder?“, warf Shima ein, doch Iblis zuckte nur mit den Schultern. „Ihm ist es egal, wir können machen, was wir wollen, solange wir Kondome benutzten. Ach, jetzt schaut nicht so, ihr seid alt genug!“ Natürlich waren alle rot geworden, inklusive Rin, aber er war solche Sprüche bereits gewöhnt, daher war es nicht ganz so schlimm beim Rest. „Er hat also nichts dagegen, wenn du etwas mit Menschen anfängst?“, fragte Koneko zaghaft. Es war das erste Mal, dass er den Mut hatte, einem Baal oder generell einem Dämonen eine relativ persönliche Frage zu stellen. War das etwa Fortschritt? Erneut zuckte Iblis mit den Schultern. „Nein. Ich meine, er hatte selbst was mit einem Menschen, sonst gäbe es Rin und Sensei Cabrón Brillenschlange nicht.“ Wie hatte er Yukio gerade genannt?! Offenbar litt unter Alkohol seine Spitznamen Kreativität erheblich. „Aber ich würde mit einem Menschen niemals 'ne feste Beziehung eingehen. Wenn sie Nephilim sind, dann klar, aber sonst sterben sie einfach nur weg und man hält sie davon ab, jemanden zu finden, der besser zu ihnen passt. Ist jedenfalls meine Meinung. Eine Nacht ist da unkomplizierter und wir können trotzdem unseren Spaß haben.“

 

„Bitte erspare uns die Details.“, bat Rin dumpf, doch der Baal hatte offenbar ohnehin nicht geplant, mehr dazu zu sagen. „Was auch immer, hat einer Lust, mit "Myr’war" zu spielen? Wir brauchen noch Leute.“, fragte er stattdessen in die Runde. Noch immer ein wenig von seinem plötzlichen Stimmungsumschwung überrascht, wechselten sie Blicke. „Was ist das?“, fragte Shiemi schließlich zögerlich. „Ein gehennisches Kartenspiel. Je mehr Spieler umso besser und ist nicht schwer.“, erklärte Iblis, der sich wieder an seine Flasche gewandt hatte. „Und du fragst uns? Ich dachte, ihr hasst uns?“, hakte Shima nach, woraufhin der Dämon die Augen verdrehte. „Wir sind nicht eure größten Fans, aber wir wollen darum nicht eure Erstgeborenen. Abgesehen davon ist es in letzter Zeit besser geworden, wie ihr selbst merken solltet. Also, macht ihr nun mit, oder nicht?“ Rin sagte sofort ja, er hoffte darauf, dass der Rest dann mitziehen würde. Vielleicht war das wirklich nicht die schlechteste Idee und es würde dazu beitragen, die Wogen weiter zu glätten. Tatsächlich stimmten alle Adepten zu, jedoch wollten sie zuerst ihre Gläser leeren. Der Alkohol hatte eine seltsame, aber nicht unangenehme Mischung von süß und sauer, kurz darauf brannte es leicht im Hals. Nicht stark, es nur ein wenig unangenehm. Damit leerte Iblis schnell seine Flasche und grinste. „Gut, dann los.“ Er führte die kleine Gruppe mit überraschend zielstrebigen Schritten durch die Menge. Wie er noch so sicher auf den Beinen stehen konnte, war für Rin ein Rätsel. Sie erreichten schließlich einen Tisch, an dem bereits mehrere Dämonen saßen. Rin erkannte keinen von ihnen, nur einer wirkte zumindest ein wenig vertraut. Wahrscheinlich hatte er ihn irgendwann mal auf dem Gang gesehen oder es war ein Wächter aus dem Palast. Sie schienen allerdings Iblis zu kennen, da sie ihn grinsend begrüßten. „Na schau mal, du stehst immer noch? Ich bin beeindruckt, Iblis.“, grüßte einer der männlichen Dämonen. „Klappe, Yen.“, zischte er. „Du kannst nicht mal mehr geradeaus laufen, wenn du getrunken hast.“

 

„Aw, ist der allmächtige Dämonenkönig etwa ein wenig angefressen?“, stichelte eine Frau. „Hast du einen Korb kassiert?“

„Ach, sei still, Amy.“ Gekicher folgte, die Adepten schauten sich derweil verwirrt an, da sie kein Wort verstanden. Schließlich richtete sich die Aufmerksamkeit der Dämonen auf Rin und die Adepten. „Und du hast wirklich welche auftreiben können. Adepten, schätze ich mal?“

 

„Japp, sind Freunde von Rin.“, erwiderte der Baal und nickte kurz in die Richtung des Halbdämonen. Dieser verkrampfte als sich die Blicke aller auf ihn richteten. „Er ist dein Bruder?“, fragte Amy überrascht klingend. „Er ist ja echt winzig…“

 

„Ich bin nicht winzig!“, entrüstete sich der jüngere sofort. „Ich kann nichts dafür, dass Dämonen alle verboten groß sind!“

 

„Heh, er hat zumindest Biss.“, lachte ein anderer und warf Iblis einen vielsagenden Blick zu. Damit setzten sich alle und Iblis begann, Rin und den Adepten die Regeln zu erklären. Die anderen Dämonen am Tisch sprachen kein Japanisch, was es ein wenig verkomplizierte, allerdings sprachen manche zumindest Englisch. Nicht, dass Rin dies etwas bringen würde. Er konnte sich vorstellen, seine Adresse sagen und einige Standardsätze, aber wenn man ihn fragte, wie spät es war, war es ganz vorbei. Umso beeindruckender, dass er Gehennisch so schnell gelernt hatte, auch wenn er noch viel lernen musste. Im ersten Moment klang es recht kompliziert, aber nach einigen Testrunden hatten es alle verstanden und sie starteten die ersten richtigen Versuche. Selbstverständlich gewannen zunächst stets die Dämonen, doch dann gewann ausgerechnet Konekomaru eine Runde und erhielt dafür erstaunte Blicke. „Wie hast du das denn gemacht?“, fragte Shima überrascht und sah seinen Freund mit großen Augen an. „N-Na ja, es ist ein Logikspiel.“, murmelte er verlegen. „Also kann ich das ganz gut.“ Sie spielten noch einige Runden, wobei auch die anderen Adepten und Rin einige Male gewannen. Zudem tranken sie noch einige Gläser, weswegen die Stimmung langsam aber stetig entspannter wurde. Dennoch fiel Koneko beinahe vom Stuhl, als plötzlich Satan mit am Tisch stand. Heute schienen sie wirklich alle wie aus dem nichts aufzutauchen. Auch die anderen Dämonen hielten inne und waren ungewöhnlich still. Offenbar hatten sie zwar kein Problem mit Iblis, Satan war dann allerdings eine ganz andere Hausnummer. „Hier treibst du dich rum. Ich bin überrascht, dass du nicht bewusstlos auf einem Sofa liegst.“, sprach Satan den Feuerdämonen an, welcher von dem plötzlichen Auftauchen seines Vaters nicht überrascht schien. „Nie hast du Vertrauen in mich.“, schmollte er stattdessen beleidigt. Rin hatte nicht mitgezählt wie viel er getrunken hatte, allerdings dürfte es inzwischen einiges sein und das bemerkte Satan natürlich ebenfalls. „Du bist sturzbetrunken.“, argumentierte er, klang dabei allerdings eher müde als wirklich wütend. „Nicht genug, um die falsche Frau zu küssen, weil ich sie mit ihrer Schwester verwechselt hab, wie jemand anderes. ~“, kicherte Iblis, woraufhin die anderen Dämonen am Tisch sich langsam möglichst weit weg von ihm und Satan wegbewegten. Gut, jetzt Satan doch wütend aus. Konekomaru saß immer noch am nächsten an ihm dran und wurde immer kleiner auf seinem Stuhle. Satan bemerkte es entweder nicht oder es war ihm egal. Wahrscheinlich war er es gewohnt, dass sich andere in seiner Gegenwart so verhielten. Iblis ignorierte derweil seinen strengen Blick und deutete stattdessen auf die nächstbeste, während er den Herrscher Gehennas fragend ansah. Dieser schüttelte nur seufzend den Kopf,  „Warum versuche ich es überhaupt?“ Er schaute zu der Flasche, die Iblis ihm anbot. „Was ist das?“

 

„Wodka.“, antwortete Iblis der jüngere Dämon gähnend. „Wir haben noch Gläser, wenn du willst. Du siehst aus, als wär's nötig.“ Satan zögerte, griff dann aber doch zu. „Scheiß drauf, ich brauche das jetzt.“, murmelte er vor sich hin und zur Verwunderung der Exorzisten öffnete er die Flasche, goss sich ein Glas ein, stürzte es innerhalb von Sekunden hinunter. „Irgendwelches Billigzeug…aber es muss reichen.“ Kommentierte er stirnrunzelnd. Er nahm sich die Flasche und wandte sich zurück an Iblis, „Ich muss mit dir reden, also komm mit.“ Iblis grummelte etwas vor sich hin, wehrte sich aber nicht, als er mitgezogen wurde. „Eines Tages redet er sich um Kopf und Kragen.“, murmelte einer der Dämonen im Tisch, woraufhin der Rest nur lachte. Die Adepten fragten sich unterdessen nur, ob Satan gerade wirklich eine ganze Flasche Wodka mitgenommen hatte und plante, diese zu leeren. Rin kommentierte nur, dass Agares einmal erwähnt hatte, dass man zwischen Amüsement und Todesangst schwankte, wenn Satan wirklich betrunken war. Folglich beschlossen sie, sich für den Rest des Abends schön von dem weißhaarigen Dämon fern zu halten. Kurz darauf beendeten sie ihre Spiel, nun da Iblis fort war, war die Stimmung ein wenig angespannter als zuvor. Es war offensichtlich, wie unsicher die Dämonen bezüglich der Adepten waren, zumal sie sich ohnehin nicht wirklich verstanden, außer Rin übersetzte, allerdings hatte er nach wie vor Probleme einige Floskeln und Wörter zu verstehen. Es überraschte ihn noch immer, dass er niemals wirklich mit Dialekten in Kontakt gekommen war, andererseits hatte er seine ganze Zeit in Gehenna in Satans Palast verbracht, daher war es wohl irgendwo nachvollziehbar. Er musste bei Gelegenheit wirklich mehr darüber lernen. Schließlich löste sich ihre Runde auf und Rin verließ seine Freunde, um auf die Toilette zu gehen. Dabei brachte er es natürlich fertig, sich zu verlaufen. Was war nur mit großen Gebäuden und ihrem Mangel an Wegweisern?! Dummerweise begegnete er niemanden, den er hätte fragen können, weswegen es umso mehr auffiel, als er plötzlich laute Stimmen vernahm. Zögerlich folgte er ihnen und entdeckte zu seiner Überraschung Samael und Indra, welche offenbar in einer hitzigen Diskussion vertieft waren. Stritten sie wirklich immer noch?! Zögerlich ging er auf sie zu, hielt aber inne, als er die ersten Wortfetzen vernahm. „-mir nicht so zu kommen. Du hast es selbst so gewollt, also schlage ich vor, dass du es aufgibst, bevor du dich noch weiter blamierst.“, hörte er Samael mit ungewohnt aggressivem Tonfall sagen. Etwas sagte ihm, dass heimliche Zuhörer alles andere als willkommen waren, andernfalls wären sie nicht in einem leeren Gang weit weg von der Feier. Andererseits interessierte es ihn sehr worum es ging. Daher blieb er stehen, sein schlechtes Gewissen ignorierend. „Ich versuche nur, dir meine Hilfe anzubieten.“, erwiderte Indra kühl und schaute Samael mit verengten Augen an. „Als Baal solltest du in der Lage sein, persönliche Gefühle ruhen zu lassen-“

 

„Und als Mutter solltest du in der Lage sein, deine persönlichen Interessen nicht deinem eigenen Sohn vorzuziehen.“, konterte Samael mit nicht weniger kalter Stimme. ‚Autsch, das saß…‘, dachte Rin schluckend „Du bist die letzte, der es zusteht, mich zurechtzuweisen.“ Für den Bruchteil einer Sekunde schien ein Ausdruck des Schmerzes im Gesicht der Zeitdämonin zu liegen, was sie schnell verschleierte. „Ich habe in deinem Interesse und im Interesse meines Hauses gehandelt. Ich war nicht bereit für ein Kind.“, rechtfertigte sie sich und verschränkte die Arme. „Du hättest an meiner Stelle nicht anders gehandelt.“

„Aber mein Vater war bereit? Du hast ihm nicht einmal die Wahrheit gesagt, bis du mit mir vor der Tür standest.“, erinnerte der jüngere sie düster. „War der Weg zum Palast kürzer als zum nächsten Fluss?“

 

„Sowas hätte ich niemals getan!“, fauchte Indra gereizt und ihre Augen blitzten gefährlich. „Du bist ein Dummkopf. Du weißt gar nichts und doch wirfst du mit Anschuldigungen herum.“

 

„Oh bitte, wir wissen beide, dass du den Spruch schon öfter gebracht hast. "Ich hätte ihn einfach in den nächsten Fluss oder Brunnen werfen können." Gedanken scheinst du dir daher schon gemacht haben.“ Unrecht hatte er nicht, wenn sich Rin richtig erinnerte, hatte sie das sogar bei ihrer ersten Begegnung gesagt. „Wie wäre es damit, dass du uns beiden die Demütigung ersparst und es gut sein lässt. Ich bin bisher bestens ohne dich zurechtgekommen und werde es auch weiterhin, Mutter.“ Letzteres sagte er mit er mit deutlicher Abneigung in der Stimme, die nicht nur Rin, sondern auch Indra zusammenzucken ließ. Ihre Betroffenheit hielt jedoch nicht lange an und sie schnaubte abfällig, während sie ihn mit wütend ansah. „Glaubst du wirklich, du könntest so mit mir reden, nur weil du ein Dämonenkönig bist?! Du bist noch engstirniger als ich dachte.“ Der Zeitkönig war davon wenig beeindruckend. „Das hat nichts mit meinem Rang zu tun. Du könntest uns so oder so nicht weiterhelfen. So wie ich dich kenne, willst dich nur besser dastehen lassen.“

 

„Als ob ich das nötig hätte! Was erlaubst du dir-?!“ Samael unterbrach Indras Ausbruch beinahe gelangweilt klingend. „Du bist hier, weil Lilith deinen Kopf will. Ihr beiden wart eng befreundet, sie hat dir, wenn man den Gerüchten glauben darf, mit ihren Leben vertraut. Und dennoch hast du sie hintergangen. Ich kenne solche Leute zu Genüge, du willst nur das beste für dich herausholen und es ist dir egal, was du dafür tun musst. Du hast nach der Sache mit Lucifers Mutter kalte Füße bekommen und bist deswegen zu meinem Vater. Du wolltest seinen Schutz, aber wurdest schwanger, was nicht geplant war, also hast du Panik bekommen, mich abgegeben und darauf gehofft, dass Lilith nicht dahinter kommen würde.“ Indra war während seines Monologs immer blasser geworden, doch nun wurde sie schlagartig rot und es war keine Scham. „DU WEIßT GAR NICHTS!“, schrie sie ihn plötzlich an und ließ beide Söhne Satans zusammenzucken. Es war das erste Mal, dass Rin sie schreien hörte und wenn er sich so Samael ansah, ging es ihm wohl nicht anders. „Wir hatten uns schon vor der Sache mit Uriel gestritten und nach dem Attentat-“

 

„Du wusstest, dass sie es war, oder?“, wurde sie erneut unterbrochen. „Aber du hattest zu viel Angst etwas zu sagen und ich wette, du wusstest schon etwas bevor sie zugeschlagen hast. Du hättest Uriel retten können, wenn du zu meinem Vater gegangen wärst, aber dann wärst du vielleicht mit verdächtigt wurden und das konntest du natürlich nicht auf dir sitzen lassen. Habe ich Recht?“ Natürlich waren das mehr als harte Anschuldigungen und für einige Sekunden war die ältere Dämonin sprachlos, dann verhärtete sich ihr Gesicht. „Das ist nicht, was passiert ist.“, erwiderte sie mit leicht zittriger Stimme. „Unsere Beziehung war schon eine Weile ziemlich…angespannt. Ja, sie hat einmal eine Andeutung gemacht, dass es nicht schaden würde, Uriel los zu werden, aber ich hielt es nur für eine dumme Idee, die ihr in einem schwachen Moment kam. Eifersucht ist eine Sache, Mord eine andere. Als sie dann tot war, habe ich mir eingeredet, es wäre ein Zufall. Aber ich habe in dieser Sache weder mit ihr zusammengearbeitet, noch habe ich mich an Satan gewendet, weil ich Schutz wollte. Das sollte ihr nur eine Lektion erteilen, mehr nicht.“

 

„Also hast du wirklich Schuld. Ich bin schockiert.“, antwortete Mephisto mit falschem Entsetzen in der Stimme. „Und warum wolltest du dich rächen? Wolltest du etwas von ihrer Macht abhaben und sie hat sich geweigert?“

 

„Nein, ich-“

 

„Hat sie dir eine Beleidigung an den Kopf geworfen oder weniger Zeit mit dir verbracht? Oder hatte sie einfach genug von deinen ständigen Lügen? Nun, Gleich und Gleich gesellt sich gern, nicht wahr-“

 

„ICH WAR IN SIE VERLIEBT UND SIE HAT MICH ZURÜCKGEWIESEN, ZUFRIEDEN?!“

 

Stille herrschte, eine fallende Stecknadel wäre zu hören gewesen, während Samael und Rin die Zeitdämonen geschockt ansahen. Diese schien um Fassung zu ringen und vergrub kurz das Gesicht in den Händen, bevor sie mit matter Stimme fortfuhr. „Ich hatte mich in sie verliebt und versucht, es geheim zu halten, aber irgendwann konnte ich es nicht mehr ertragen.“, gestand sie leise. „Ich habe es ihr gesagt und sie…sie…sie hat mich nicht nur zurückgewiesen, sie hat mich verspottet. Sie meinte, dass ich nur Aufmerksamkeit will und dass ich ganz genau weiß wie wichtig ihr Satan ist. Angeblich wollte ich mich nur dem nächstbesten an den Hals werfen, um meiner Familie zu entkommen und…“ Sie schluckte und schüttelte mit dem Kopf. „Das ist jetzt egal. Sie hat Dinge gesagt, die sehr weh taten und ich war so wütend…Zurückweisung wäre eine Sache gewesen, aber der ganze Spott und die Häme waren zu viel. Ich war das zwar von Zuhause gewöhnt, aber es aus dem Mund meiner besten Freundin zu hören…ich konnte nicht mehr. Ich habe die Nerven verloren und es tut mir unendlich leid.“ Erneut schluckt sie und rieb sich schnell über die Augen, als würde sie Tränen wegwischen wollen. Samael starrte sie noch immer an, ausnahmsweise vollkommen sprachlos. „Du hast Recht, ich hätte mehr tun sollen. Ich hätte Satan warnen können und obendrein habe ich dich im Stich gelassen.“ Ihre Stimme brach und sie wich beschämt dem Blick ihres Sohnes aus. „Es tut mir leid. Du hast Recht. Mir steht es nicht zu, irgendetwas von dir zu verlanden oder zu erwarten. Das habe ich selbst ruiniert.“ Sie wandte sich um. „Entschuldige die Störung. Ich ziehe mich für heute Nacht zurück. Mir geht es nicht gut.“ Damit stürmte sie davon und ließ einen überrumpelten Dämonenkönig zurück. Unter anderen Umständen hätte Rin zu gerne ein Bild von dessen Gesichtsausdruck gemacht, doch momentan war ihm danach absolut nicht zumute. „Das war schwer mit anzusehen.‘, stellte er fest und ging kopfschüttelnd durch, was Indra gesagt hatte. Das erklärte so viel…warum war niemand eher darauf gekommen?! Zuerst wollte er sich schnell zurückziehen, bevor Samael ihn bemerkte, aber es fühlte sich falsch an, ihn jetzt allein zu lassen. Langsam verließ er sein Versteck und ging auf den älteren zu, welcher beim Klang seiner Fußschritte herumfuhr, sich aber sichtlich entspannte, als er ihn erkannte. „Rin? Was tust du denn hier?“, fragte er und zwang sich schnell zu einem Lächeln. „Hast du dich verlaufen?“

 

„Ich habe eigentlich nur die Toilette gesucht.“, gestand der Nephilim und zögerte, bevor er weitersprach. „Ich habe dein Gespräch mit Indra gehört. Ist alles ok?“ Noch im selben Moment hätte er sich am liebsten selbst getreten. Als ob irgendetwas daran in Ordnung war! Was für eine dumme Frage! Er setzte zu einem weiteren Satz an, die Worte blieben ihm allerdings im Halse stecken. Was sagte man denn auch in einer solchen Situation? Tut mir leid, dass deine Mutter mal auf die Frau stand, die momentan alle terrorisierte? Verständlicherweise verdüsterte sich das Gesicht des älteren Dämons. „Du weißt hoffentlich, wie unhöflich es ist, andere zu belauschen, oder?“, fragte er seufzend, „Tut mir leid.“, murmelte Rin unbeholfen und wich dem Blick seines Gegenübers aus. „Ich war zu neugierig und ich hätte nicht…sowas erwartet.“

 

„Dann sind wir wohl zu zweit.“ Es folgte eine bedrückende Stille, dann seufzte Samael schließlich. „Was hälst du von ihr?“, fragte er plötzlich und sorgte damit für einen Kurzschluss seitens des jüngeren. „Von meiner herzallerliebsten Mutter, meine ich.“, fügte er hinzu, als ihm die Verwirrung klar wurde. „Na ja…sie ist…unvorhersehbar?“ In letzter Sekunde hielt er sich davon ab, "wie du" zu sagen und wich schnell dem Blick des älteren aus. „Ich meine, sie ist schwer zu durchschauen und verhält sich nicht wirklich so, wie man es erwartet, aber ich denke, sie ist trotzdem nicht schlecht.“, fuhr er holprig fort. Er erinnerte sich schwach daran, dass einer seiner Brüder einmal erwähnt hatte, dass Zeitdämonen für Hinterlist und Manipulation bekannt waren, daher waren seine Aussagen nicht weiter ungewöhnlich. Schlussendlich kannte er sie kaum, ihr einziges wirkliches Gespräch war in Assiah nach ihrer Flucht aus Gehenna gewesen und besonders viel war dabei nicht herausgekommen. „Aber ich denke, dass sie ihre Gefühle oft versteckt. Sie hat behauptet, dass ihr der Tod ihrer Zofe egal war, aber das stimmt nicht. Und ehrlich gesagt glaube ich auch, dass du ihr nicht egal bist. Ich will nichts schön reden, aber die Sache mit Lilith und ihrer Familie wird ihr ziemlich zugesetzt haben und als du dann kamst, hat sie sicher Panik bekommen und später hat sie sich zu sehr geschämt, um Kontakt zu suchen.“ Der Baal hielt inne und schien über seine Worte nachzudenken, offensichtlich in seiner eigenen Welt versunken. „Vielleicht.“, sagte er schließlich. Er klang plötzlich sehr erschöpft und wirkte trotz seines Aussehens so viel älter. „Verzeih, eigentlich willst du zu der Feier zurück, nicht wahr? Es wäre schade, sie zu verpassen und ich verbreite stattdessen schlechte Stimmung.“ Rin wollte widersprechen, gab aber auf. Er sollte den anderen nicht zu sehr reizen oder bedrängen. Er hatte einiges zu verdauen, weswegen es nicht weiter verwunderlich war, als Samael ihn bat, das Gespräch für sich zu behalten. Anschließen zeigte er ihm den Weg zum Badezimmer und sie kehrten gemeinsam zu der Feier zurück.

 

 

……………………………………………………………

 

 

Das Gespräch zwischen Indra und Samael war tatsächlich relativ schnell vergessen. Auf der Party angekommen, entschuldigte sich der Zeitkönig sofort und mischte sich unter die Leute, während Rin zu seinen Freunden zurückkehrten. Diese hatten inzwischen Shura wiedergefunden und tranken. Izumo hatte ein Glas von dem Alkohol, den sie vorhin probiert hatten, Shura hatte etwas anderes, was verdächtig nach dem Getränk aussah, das damals Astaroth in der Bar gehabt hatte und der Rest begnügte sich nach wie vor mit alkoholfreien Getränken. „Hey, endlich wieder da?“, begrüßte Shura ihn kichernd. „Hast wohl ein hübsches Mädchen getroffen?“

 

„Nein, hab mich nur verlaufen.“, antwortete Rin und setzte sich dazu. Nach einigem Zögern, nahm auch er sich ein weiteres Glas Xyr’krio und trank. Natürlich dauerte es nicht lange, bis er ein wenig angetrunken war, aber sein Verstand war noch halbwegs klar. Allerdings hatte das sogar Methode. Er dachte jetzt schon seit einer ganzen Weile darüber nach und je mehr er grübelte, umso sicherer wurde er: Er wollte endlich versuchen, Shiemi seine Gefühle zu gestehen. Kam das aus heiterem Himmel? Wahrscheinlich. In den letzten Monaten hatte er wahrhaftig andere Sorgen gehabt und nicht groß daran gedacht, doch allmählich wurde ihm immer mehr bewusst, dass dies seine letzte Chance sein könnte. Die bisherigen Kämpfe hatten sie gut überstanden, doch würde das weiterhin der Fall sein? Was wenn etwas passierte, ohne dass er es ihr je gesagt hatte? Er war erst vor einigen Tagen fast bei Gulas Anschlag drauf gegangen, sowas konnte jederzeit erneut passieren. Warum es also nicht einfach hinter sich bringen? Im schlimmsten Fall lehnte sie ab oder bevorzugte Yukio, allerdings hätte er immerhin seinen Seelenfrieden. Dummerweise hatte er nicht mal ansatzweise das Frauengeschicks seines Vaters oder Iblis' geerbt und keine Ahnung, wie er es am besten ansprechen sollte. Wahrscheinlich wäre es kein schlechter Anfang, halbwegs allein zu sein, nur wie schaffte er das? Nach ewigem Überlegen, beschloss er, einfach direkt zu fragen. „Shiemi, könntest du bitte kurz mitkommen? Ich möchte mit dir reden.“, bat er die Blondine, welche ihn verwundert ansah. „Wir können doch aber hier reden.“, wies sie ihn verwundert hin. „Ja, aber das ist anders…komm bitte einfach. Die Adepten wirkte noch immer verwirrt, nickte aber und folgte ihm. Was keiner von beiden merkte war, dass Shura und die restlichen Adepten den kurzen Austausch sehr wohl mitbekommen hatten und ihnen nun unauffällig folgten. Gehörte sich das? Nicht wirklich, aber sie waren selbst neugierig! Rin tänzelte nun schon so lange um diese Sache herum, sie würden ihm das Glück wirklich gönnen. Die einzige Person, die wirklich nicht wusste, was passierte, war natürlich Shiemi. Rin führte sie ein wenig abseits von den restlichen Leuten und wandte sich mit hochrotem Kopf an sie. Warum musste er nur immer so schnell rot werden? „Also…“, begann er langsam. „Alles klar bei dir?“ Kaum hatte er das ausgesprochen, wollte er sich am liebsten selbst treten. Begann er wirklich mit so einer bescheuerten Floskel? Glücklicherweise schien es die Adeptin nicht zu stören und sie nickte lächelnd. „Ja, alles gut. Es ist schön, dass sich alle vertragen.“, antwortete sie. „Aber worüber möchtest du denn reden? Habe ich etwas falsch gemacht?“

 

„Nein, natürlich nicht!“, rief Rin hastig. „Du hast nichts falsch gemacht! Es ist nur…wir kennen uns ja schon eine Weile. Ich meine, es ist jetzt nicht sooo lang, aber trotzdem schon irgendwie…na ja…“ Er geriet ins Stottern und wurde nur noch röter. Unterdessen widerstanden seine heimlichen Zuschauer dem Drang, sich einzumischen. „Er hat wirklich keinen Plan…“, murmelte Bon. „Wie kann man so verpeilt sein?!“

 

„Ich bin sicher, er gibt sein bestes…“, flüsterte Konekomaru zurück. „Satan hat ihm echt die falschen Gene vererbt…“, kommentierte Shima und erhielt dafür mehrere scharfe Blicke, woraufhin er mit den Schultern zuckte. „Was denn? Er hat neun Frauen gehabt und wahrscheinlich noch mehr Affären, also dürfte der was von Frauen verstehen.“

 

„Pssst! Jetzt seid doch mal still!“, zischten Izumo und Shura gleichzeitig. Ebenso gespannt waren die acht Dämonenkönige, welche in einer Ecke hockten und das Szenario mit wachsendem Interesse verfolgten. Sie hatten sogar extra Amaimon dafür hergeschliffen. „20 Aury'um darauf, dass Rin noch katastrophaler als Egyn ist.“, warf Astaroth ein und ignorierte das aufgebrachte „Hey!“ des besagten Wasserdämonen. „30 Aury'um und meine letzte Flasche, dass einer von uns, Shura oder einer der Adepten sich einmischen muss.“, konterte Iblis, welcher plötzlich eine erstaunliche Nüchternheit an den Tag lehnte. „Ihr solltet nicht über so etwas wetten.“, rügte Lucifer ihn seufzend und hielt inne. „…Aber ja, wahrscheinlich muss sich einer einmischen.“

 

Rin stotterte derweil munter weiter vor sich hin, schüttelte dann aber den Kopf und änderte die Taktik. „Tut mir leid…was ich eigentlich sagen will…ich bin dir wirklich dankbar für alles. Ich weiß, die ganze Dämonensache kam ziemlich unerwartet und dann noch später noch, als ich mit den Dämonenkönigen hier aufgekreuzt bin.“

„Kein Problem, wir sind doch Freunde!“

 

Und hier begann der Spaß. „Ich weiß. Es ist nur so…ich mag dich. Sehr sogar.“, setzte er vorsichtig an. „Und ich mag dich auch!“, erwiderte Shiemi, doch Rin schüttelte schnell den Kopf. „Nein, nicht das mögen! Ich meine mögen wie…also…wie…du weißt schon…also wenn zwei…ähm…“ Verdammt nochmal, er wollte ehrlich sein und die Sache hinter sich bringen! „Rin ist alles in Ordnung?! Du bist ganz rot! Hast du Fieber? Soll ich jemanden holen?!“, hörte er die Blondine plötzlich panisch klingend fragen. Er riss sich aus seinem Selbstmitleid und zwang sich in die Gegenwart. „Nein, mir geht’s gut! Ich bin nur…ich weiß nicht, wie ich es sagen soll…“ Warum musste er nur so ein Feigling sein?! Zu seinem Glück (oder Pech?) hatte Shura genug von dem Elend und stapfte auf sie zu. „Ok, das reicht jetzt, ich musste mir diesen Mist hier Monate geben!“ Sie wandte sich an Shiemi, offenbar ein wenig wacklig auf den Beinen, aber dafür sehr entschlossen wirkend. „Du hörst jetzt mal zu! Nimm einmal in deinem Leben den Kopf aus dem Sand und versteh endlich die Zeichen, noch eindeutiger werden sie nicht! Rin steht auf dich und das schon lange. Also, magst du ihn auch oder nicht?!“ Dann, als wäre nichts geschehen, zog sie wieder ab und gesellte zurück zu den Adepten, die sie wie vom Donner gerührt anstarrten. Rin und Shiemi waren ebenfalls erstarrt, ersterer verfluchte Shura mit allen ihm bekannten Schimpfwörtern. Allerdings war die Katze nun aus dem Sack, also musste er damit leben. Er holte tief Luft, bevor er weitersprach. „Shura hat recht. Ich mag dich. Schon lange. Ich wollte, dass du es weißt, was etwas passiert. Also…?“ Er stockte und rechnete mit einer Antwort, aber Shiemi wurde nur noch röter, dann wich sie seinem Blick aus. „Du…magst mich? Aber…das habe ich nie gemerkt.“ Sie schluckte und begann mit dem Stoff ihres Shirts zu spielen. „Rin, du bist mein Freund und ich bin dir auch sehr dankbar für alles. Du hast mich dazu gebracht, meinen Garten zu verlassen und mir Freunde zu such. Dank dir bin ich mutiger geworden, aber…ich mag Yuki.“ Der Nephilim fühlte sich, als hätte man ihm das Herz herausgerissen. Shiemi mochte Yukio. Natürlich. Allein wie sie ihn immer im Unterricht angehimmelt hatte, sprach Bände. Warum hatte er etwas anderes erwartet? „Aber ich möchte wirklich gern weiter mit dir befreundet sein!“, versicherte sie schnell, um die Situation noch irgendwie zu retten. „Du warst mein erster Freund, also bist du mir sehr wichtig! Ich muss leider nein sagen. Verzeih mir bitte!“ Rin war komplett erstarrt und stierte ins Nichts. Die restlichen Adepten beobachteten das Drama mit öffnen Mündern. Suguro rieb sich den Nasenrücken und schüttelte den Kopf. „Verdammt…hätte ich mal nicht hingesehen.“, murmelte er vor sich hin. „Das arme Schwein…“

 

„Wir sollten versuchen, ihn zu trösten!“, warf Koneko ein und bekam ein stummes Nicken seitens der Frauen, während Shima nervös vor sich hin schwitzte. „Ich fühle seinen Schmerz…“

 

Die Dämonenkönige auf der anderen Seite des Raumes teilten ihre Reaktion. „Wow…das war…brutal…“, kommentierte Beelzebub und schaute überall hin, nur nicht zu Rin. „Japp, das tat beim zusehen weh.“, bestätigte Astaroth. Lucifer und Samael nickten nur, sogar der Zeitkönig konnte nicht anders, als Mitgefühl für Rin zu empfinden. Sie alle wussten, wie es sich anfühlte. „Ich könnte sie töten. Oder wir könnten sie entführen.“, schlug derweil Amaimon vor. Daran merkte man, dass der Erdkönig wirklich an Rin hing. Er bot nicht für jeden an, jemanden zu töten! „Nein, wir töten hier niemanden!“, protestierte Egyn sofort. „Er kommt schon drüber hinweg.“, bestätigte Iblis und streckte sich. „Also, mit wem verkuppeln wir ihn?“

 

„Er wurde gerade gekorbt, gib ihm erstmal Zeit!“, schimpfte der Wasserkönig, woraufhin Iblis nur die Augen verdrehte. „Ach, der blinde kommt jetzt mit Dating Tipps an?“

 

„…Was?“, fragte der blauhaarige Baal verwirrt, doch erhielt keine Antwort mehr. Der Feuerkönig war bereits auf dem Weg zu Rin, welcher noch immer unter seinem Komplettabsturz litt. „Sorry, ich muss ihn mal ausborgen. Geschwister Notfall Meeting und so, man sieht sich!“, rief er Shiemi kurz zu, während er Rin davon schliff. Dieser starrte nur trübselig vor sich hin, während Iblis auf ihn einredete und ihm versicherte, dass er sich für nichts schämen müsste, sie das alle schon durchhatten und noch weitere Mädels kommen würde. Die erste Jugendliebe hielt ohnehin nie lange an, er hatte noch mehr als genug Zeit, jemanden zu finden. Derweil kamen die Adepten und Shura langsam aus ihrem Versteck und näherten sich der nun ebenfalls sehr verwirrten Shiemi. „Was war das denn gerade?“, murmelte sie verwirrt vor sich hin. Izumo seufzte frustriert und schüttelte den Kopf. „Du kannst manchmal so bescheuert sein.“ 

Der letzte Plan

Zwanzig Minuten später befand sich Rin noch immer in seinem komaartigen Schockzustand und starrte mit einem leeren Blick vor sich hin. Seine Brüder versuchten derweil, auf ihn einzureden und zu beruhigen, das meiste schien jedoch an ihm abzuprallen. Beelzebub konnte ihn irgendwo verstehen, immerhin war es niemals schön, gekorbt zu werden, doch eine spontane Existenzkrise schien etwas zu viel des Guten. Es war ja nun wirklich nicht so, dass es keine anderen Mädchen gab, zumal die erste Liebe meist ohnehin verfloss, so gemein es klang. Nicht dass er ihm dies unter die Nase reiben würde, er war immerhin nicht Amaimon. „Was ist denn mit ihm passiert?“, hörte er Ankou fragen, welche zusammen mit Shax, Halphas und Alastor zu ihnen gekommen war. Letzterer überraschte ihn ziemlich, immerhin meid die rechte Hand Satans Exorzisten und die meisten Feiern wie die Pest. „Er hat einen Korb kassiert.“, seufzte Astaroth. „Und es war echt brutal. Sie steht auf Yukio und hat ihn in die Freundeszone geschoben.“ Alle Dämonen, sogar Alastor, verzogen das Gesicht. „Autsch. Das ist übel.“, kommentierte die Geisterdämonin mitleidig. „Aber Yukio? Ernsthaft? Ich wette, der rafft es nicht mal.“

 

„Mag sein, aber immerhin war sie ehrlich und er macht sich keine falschen Hoffnungen.“, warf Halphas ein, womit er natürlich recht hatte. Es tat nur umso mehr weh, wenn man sich etwas erhoffte, nur um dann zurückgewiesen zu werden oder zu realisieren, dass die andere Person kein Interesse hatte. Glücklicherweise hatte er bisher noch nie das Pech gehabt, jemanden zu erwischen, der ihn diesbezüglich anlog. „Was sagt Satan dazu?“, hörte er derweil den Feuerdämonen fragen. „Er weiß es noch nicht.“, antwortete Samael. „Ehrlich gesagt bin ich mir unsicher wie er reagieren wird…entweder wird er erleichtert sein oder…“

 

„Die Adeptin verbrennen?“, beendete Amaimon seinen Gedankengang. „Wenn er es nicht tut, kann immer noch -“

„Amaimon, zum letzten Mal, hier wird niemand getötet!“, protestierte Egyn sofort und warf dem Erddämonen einen gereizten Blick zu. „Also versuche es gar nicht erst!“

 

„Na ja, es muss keiner wissen.“, überlegte Astaroth. „Und wir können es jemanden in die Schuhe schieben. Wir brauchen nur eine Schaufel, Benzin, Klebeband, Seil und ein Alibi. Und eventuell Bleichmittel.“ Egyn schien kurz davor zu stehen, sich die Haare auszureißen. „BIN ICH DER EINZIG NORMALE HIER?!“

 

„Pfff, Anfänger.“, grummelte Alastor, den Wasserdämonen ignorierend. „Besorgt euch lieber Säure. Verbrennen ist zu dreckig und da denken sie sofort an Iblis.“ Egyn machte ein Geräusch, dass an ein sterbendes Tier erinnerte und zog damit einige Blicke auf sich, doch niemand traute sich zu fragen, was los war. Wahrscheinlich war es besser so, die Exorzisten fanden sie schon so seltsam genug. Alastor kümmerte sich nicht weiter darum und wandte sich bereits zum gehen. „Wie auch immer, ist euer Problem. Wenn mich wer sucht, ich geh wieder trinken.“ Auch Halphas verabschiedete sich, wurde jedoch von Agares ersetzte, die sich sofort daran machte, Egyn zu beruhigen. Eines Tages würde der Dämon noch einen Nervenzusammenbruch bekommen. Immerhin kehrte Rin kurz darauf ebenfalls langsam in das Reich der Lebenden zurück, allerdings sah er noch immer aus, als würde er sich am liebsten vergraben lassen. Folglich reagierte er nicht, als Iblis begann zu sprechen. „Also mit wem verkuppeln wir Rin?“, fragte der Baal, während er einen erneuten Hieb aus seinem Glas nahm. „Ich glaube, dieses Fuchsmädchen steht auf ihn…“

 

„Wir verkuppeln hier niemanden.“, würgte Lucifer ihn sofort ab, welcher sich bisher aus Egyns Bemühungen die restlichen Dämonenkönige von einem Mord abzubringen, heraus gehalten hatte. „Er wurde gerade erst zurückgewiesen, da hat er kaum Lust auf noch mehr Drama.“

 

„Du kannst nicht abstreiten, dass es interessant wäre.~“, warf Samael grinsend ein und erhielt wie erwartet böse Blicke. „Wenn du nochmal versuchst, Rin als Unterhaltung zu missbrauchen, dann Gnade dir Vater.“, zischte der Lichtkönig warnend und Beelzebub nickte zustimmend. „Du hast wirklich genug angerichtet, also wage es ja nicht!“ Der Zeitkönig verzog sofort das Gesicht und seufzte. „ Dass ihr immer noch deswegen auf mir herum hacken müsst!“

 

„Oh ja, du armer. War ja nicht zu erwarten, dass das passiert.“, erwiderte Beelzebub sarkastisch. „Immerhin hast du nur jahrelang einem Exorzisten geholfen, Rin zu verstecken und ihn obendrein für deine Spiele ausgenutzt.“ Samael schnaubte nur und nahm ebenfalls einen Schluck aus seinem Glas, während er weiter vor sich hin grummelte. Agares ließ sich von ihrem Gezanke nicht herunter ziehen und blieb positiv. „Hey, das ist eine Party.“, erinnerte sie die Dämonenkönige. „Streitet euch doch nicht wegen sowas albernen und genießt es lieber. Wir wissen immerhin nicht, wann wir das nächste Mal so viel Ruhe haben.“ Damit hatte sie durchaus ein Argument, worauf Egyn sofort ansprang. „Danke!“, rief er erleichtert. „Endlich jemand mit Verstand!“ Beelzebub schüttelte nur mit dem Kopf und wandte sich wieder an Rin, welcher noch immer schweigend da saß. „Mach dir nichts draus, sowas passiert.“, versuchte er den Nephilim zu trösten. „Irgendwann wirst du jemanden finden und in ein paar Jahren lachst du darüber.“ Rin nickte langsam, seinem Blick ausweichend. „Versteh mich nicht falsch, ich freue mich für Yukio und ich weiß, dass er viel ansprechender ist-“

 

„Sag sowas nicht.“, unterbrach der Insektendämon ihn. „Nur weil er vielleicht bisher mehr Frauenglück hatte, heißt das nicht, dass du unattraktiv bist. Du hast einfach noch nicht die richtige Person getroffen. Wenn du dich immer nur mit ihm vergleichst, wirst du niemals glücklich, also tu es nicht. Würde ich mich mit unseren Brüdern vergleichen, würde ich den Verstand verlieren! Es war schon nervig genug, als wir in der Schule ständig miteinander verglichen wurden.“ Zumindest sah der Nephilim ein wenig glücklicher aus und sprach weiter. „Ich wusste ja, dass Shiemi ihn mag. Ich hatte eben nur gehofft, dass es doch was wird.“, gestand er leise. „Aber ich schätze, es hätte schlimmer sein können. Wenigstens mag sie Yukio und nicht irgendeinen Idioten und sie war ehrlich zu mir.“ Beelzebub musste sich schnell auf die Zunge beißen, um keinen Kommentar abzugeben. Zwar schien sich Yukio wirklich zu bemühen, zumindest etwas offener zu sein, aber er würde nicht so schnell vergessen, wie er Rin und seine Brüder behandelt hatte, Vielleicht konnten sie sich eines Tages wirklich richtig vertragen, doch momentan war er nicht bereit dazu. Daher wählte er mit eine neutrale Antwort und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Ja, da hast du wohl recht. Komm, Agares hat Recht. Das ist immer noch eine Feier, also haben wir Spaß. Hol meinetwegen deine Adeptenfreunde her, wenn du willst.“ Rin sah ihn überrascht an. „Ich dachte, ihr mögt sie nicht besonders?“, fragte er zweifelnd. Der Insektendämon zuckte mit den Schultern. „Persönlich habe ich nichts gegen sie. Zumindest jetzt wo sie uns nicht mehr anstarren, als würden wir sie gleich ausweiden. Und selbst wenn, sie sind deine Freunde. Wenn du mit ihnen Zeit verbringen willst, werden wir dich sicher nicht aufhalten. So lange können wir uns dann sicher mal vertragen. Sie haben doch vorhin mit Karten gespielt oder? Da gab es doch auch keine Probleme.“ Wie erhofft schien dies die Laune des jüngeren noch mehr zu bessern. Es war nicht einmal gelogen, die Adepten störten ihn nicht wirklich. Sicher, sie würden wohl fürs erste keine Freunde werden, aber er sah keinen Grund ihnen das Leben schwer zu machen. Schlussendlich hatten zumindest die drei aus Kyoto ihre Gründe und die beiden Mädchen waren bisher recht höflich gewesen. Gesagt, getan. Rin holte seine Freunde dazu und obwohl Shiemi dabei war, blieb die Stimmung relativ locker. Nur kurz darauf schlug Iblis plötzlich aus heiterem Himmel vor, Yukio und Lucifer (welcher mal wieder abgehauen war, um sich schon wieder um ein angebliches Problem zu kümmern) abzufüllen, da sie seiner Meinung nach viel zu angespannt waren. Normalweise wäre Beelzebub nicht so schnell dabei gewesen und den Adepten ging es sicherlich nicht anders, doch dieses Mal war es ihnen egal. Warum nicht noch einmal ordentlich Spaß haben, wenn sie wirklich in den nächsten Tagen sterben könnten? Sofort begannen sie damit, Pläne dafür zu schmieden, wobei der Insektendämon aufpasste, dass sie es nicht zu sehr übertrieben. Nicht noch, dass es am Ende hieß, die Dämonen hätten versucht, einen Exorzisten zu vergiften oder die Adepten einen Baal. Sicherlich wäre keiner besonders begeistert, wenn wegen eines Streiches ein neuer Krieg ausgelöst wurde. Offenbar durfte er jetzt den Erwachsenen spielen und aufpassen, dass sie keine neue Katastrophe heraufbeschwören.

 

 

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Als Herrscher Gehennas und Vater mehrerer Kinder sollte Satan wohl wirklich darauf achten, dass es auf dieser Feier zu keinen Ausschreitungen kam und es seine Sprösslinge nicht übertrieben. Sicher, sie waren erwachsen und konnten ihren Alkoholkonsum in der Regel gut abschätzen, aber es schadete nicht, ein Auge auf sie zu haben. Immerhin handelte jeder hin und wieder unachtsam und er konnte in diesem Fall sofort reagieren. So lautete zumindest die Theorie, doch dieses Mal konnte sich der Dämonengott nicht dazu bringen, sich auch nur ansatzweise dafür zu interessieren. Heute durften sich gern andere darum kümmern, er hatte offiziell frei und keiner konnte ihm was. Zu Beginn hatte er noch versucht, alles halbwegs im Blick zu behalten, aber nach seinem Gespräch mit Iblis hatte er schlicht und ergreifend aufgegeben. Bei den Feiern in Gehenna hatte er stets darauf achten müssen, dass sich alle benahmen und er selbst den entsprechenden „Eindruck“ vermittelte. Tja, jetzt konnten sie ihn mal ansatzweise! Keine Adligen weit und breit, kein Hofprotokoll, in anderen Worten: Freiheit! Folglich hatte er kein schlechtes Gewissen, als er sich an einigen Getränken bediente, die gar nicht so schlecht waren wie erwartet. Ein Lacher im Gegensatz zu gehennischen Getränken, aber gut genug. Hauptsache er konnte zumindest für diesen Abend einmal abschalten. Folglich schritt er nicht ein, als er den mehr als offensichtlichen Versuch beobachtete, Yukio und Lucifer abzufüllen. Zumindest arbeiteten diese Exorzistenadepten mit seinen Söhnen zusammen, also war es wohl schon ein Fortschritt? Na, es würde schon gut gehen. Sein Blick wanderte zu Samael, der das Geschehen grinsend beobachtete, doch der Dämonenherrscher wusste, dass den Zeitdämonen etwas beschäftigte. Er war vorhin mit Indra verschwunden und kehrte kurz darauf sichtlich unruhig zurück. Zwar hatte er behauptet alles wäre in Ordnung, aber er würde bei der nächsten Gelegenheit in jedem Fall noch einmal nachbohren. „Ich kenne diesen Blick.“, sagte Shax Stimme. „Ich kümmere mich später darum.“, antwortete Satan knapp, ohne den anderen Dämon anzusehen. „Für diesen Abend will ich meine Ruhe.“

 

„Rin wurde von einem Mädchen gekorbt.“, zerstörte der Geisterdämon die Idylle. Natürlich. Das musste er ihm jetzt sagen. „Was ist passiert?“, fragte Satan erschöpft, auch wenn er sich sicher war, dass er es bereuen würde. „Diese blonde Adepten hat ihn zurückgewiesen. Scheint als würde sie Yukio mögen. Ich glaube aber, er kommt darüber hinweg.“, erklärte der Silberhaarige schulterzuckend und warf einen kurzen Blick in die Richtung des Nephilims. „Wenn ich mich nicht täusche, überlegt Iblis schon mit wem er ihn verkuppeln kann.“

 

„Wundervoll.“, murmelte der Dämonengott, der sich nur zu gut an die letzte Verkupplungsaktion erinnern konnte. Zumindest kümmerten sich seine Brüder bereits um ihn, er würde noch einmal später mit dem Halbdämonen reden. Zuvor brannte ihm dennoch eine Frage unter den Nägeln. „…Gibt es etwas neues zu Lilith?“ Shax warf ihm einen Seitenblick zu. „Ich dachte, du willst für heute Pause machen.“

 

„Tu ich auch. Aber ich will trotzdem erfahren, wenn es Neuigkeiten gibt. Sie wird sicher nicht warten, bis wir mit unseren Festen fertig sind.“ Er hatte sie in den letzten Monaten oft genug unterschätzt, jetzt war Schluss damit. Zu seiner Erleichterung schüttelte Shax mit dem Kopf. „Nein. Bisher hat sich nichts ergeben.“, beruhigte er ihn. „Wir hatten vorhin einen Bericht aus Polen, aber das war falscher Alarm. Scheinbar ging es um ein stillgelegtes Forschungszentrum der Ritterschaft.“

 

„Ich will gar nicht erst wissen, was sie dort getrieben haben.“

 

„Ja, das ist wahrscheinlich besser so.“

 

 

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Einige Stunden später begann sich die Feier langsam aufzulösen. Rin war beinahe traurig deswegen, denn sie hatten wirklich ihren Spaß gehabt und sogar Spiele wie „Ich hab noch nie“ gespielt. Er hatte tatsächlich das Gefühl, dass sich alle etwas näher gekommen waren. Yukio war längst gegangen, denn er hatte sich als wenig alkoholresistent herausgestellt, die Adepten verließen die Feier kurz danach. Lucifer war leicht angetrunken, doch zumindest noch nicht so schlimm, dass er irgendwelche Kindheitsgeschichten zum Besten gab. Dennoch kündigte er an, bald ins Bett zu gehen. Vermutlich war dies ohnehin klüger, immerhin stand morgen erneut ein Treffen an, in dem das weitere Vorgehen besprochen wurde. Rin wurde langsam ebenfalls müde und hörte nur noch stumm dem Gespräch seiner Brüder zu. Inzwischen war er sogar gut über die Sache mit Shiemi hinweg gekommen und je länger er darüber nachdachte, umso froher war er, ihr endlich seine Gefühle gestanden zu haben. Sicherlich hatte es weh getan, aber immerhin hatte er seine Antwort bekommen und machte sich keine falschen Hoffnungen. Rückblickend betrachtet, war es ohnehin fraglich, ob es wirklich Liebe gewesen war. Höchstwahrscheinlich waren es eher Schwärmereien, sonst wäre er wohl nicht so schnell darüber hinweg gekommen. ‚Apropos Geständnisse und falsche Hoffnungen…‘ Er schaute zu Agares, die Egyn immer wieder sehnsüchtige Blicke zuwarf und einige Mal etwas zu sagen wollen schien, nur um schlussendlich still zu bleiben. Der Baal bemerkte es nicht und unterhielt sich weiter mit Beelzebub und Halphas, welche es ebenfalls nicht zu merken schienen. Der Nephilim zögerte, eigentlich ging es ihn nichts an und er hatte nicht das Recht, es Egyn einfach zu sagen, allerdings wollte er nicht tatenlos zusehen. Wenn er den Mut gefunden hatte, Shiemi seine Gefühle zu gestehen, dann konnte die Wasserdämonin das ebenfalls. Sie brauchte nur einen Schubs in die richtige Richtung. Mit neu gewonnener Entschlossenheit stand er auf und hielt auf die Dämonin zu. Sie sagte nichts, als er sich neben sie setzte und schaute stattdessen weiterhin Richtung Egyn. Dann lag es wohl an ihm, das Gespräch zu beginnen. „Willst du es ihm nicht sagen? So mies es klingt, du bekommst vielleicht keine Gelegenheit mehr.“, fragte er vorsichtig, woraufhin sie sich unsicher auf die Lippe biss. „Ich weiß, aber ich habe keine Ahnung wie ich es ihm sagen soll. Vor allem weil es so plötzlich ist.“

 

„Frag ihn einfach, ob du ihn kurz allein sprechen kannst und dann sag es ihm.“, antwortete Rin schulterzuckend. „Vielleicht hast du es mitbekommen, ich habe vorhin auch jemanden meine Gefühle gestanden, aber einen Korb bekommen. Klar, das tut erst mal weh und vielleicht wird es danach etwas seltsam, aber immerhin weißt du dann endlich, was Sache ist.“ Zu seiner Überraschung lächelte sie ihn an. „Du hast dich verändert, seit du in Gehenna angekommen bist. Du wirkst…erwachsener.“ Ein wenig überrumpelt von dem plötzlichen Einwurf, errötete er und wich ihrem Blick aus. „D-Danke…Aber es geht jetzt um dich! Das ist vielleicht deine letzte Gelegenheit, also komm!“ Da sie erneut zögerte, griff er zu härteren Methoden. „Hey Egyn, komm bitte mal her!“, rief er dem Dämonenkönig zu und ließ Agares erbleichen. „Bist du wahnsinnig?“, zischte sie, aber Egyn war bereits auf dem Weg zu ihnen. Die Wasserdämonin warf dem Nephilim einen mörderischen Blick zu, zwang sich jedoch zu einem Lächeln, als Egyn bei ihnen ankam. „Ja, worum geht es?“, fragte er und sah abwechselnd Agares und Rin an. Dieser konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. „Agares möchte dir was sagen.“ War das etwas gemein von ihm? Ja, so ziemlich, doch er wollte ihr wirklich nur helfen. Schlussendlich konnte sie jederzeit still bleiben und sich so aus der Affäre ziehen. Natürlich war sie errötet und wich dem Blick des älteren Dämonen aus. „K-Könnten wir irgendwo hin gehen, wo wir allein sind?“, stotterte sie hervor. Egyn schien ein wenig überrascht, nickte allerdings. „Klar, kein Problem.“ Die Wasserdämonin sah aus, als würde sie gleich umkippen, aber setzte sich glücklicherweise in Bewegung, jedoch nicht ohne dem Nephilim einen letzten verzweifelten Blick zuzuwerfen. Dieser grinste sie aufmunternd an und gab ihr einen Daumen nach oben. Irgendwie würde sie es schon schaffen, er hatte vollstes Vertrauen in sie.

 

 

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Agares fragte sich unterdessen was sie dabei geritten hatte, sich von Rin dazu breit schlagen lassen, Egyn ihre Gefühle zu gestehen. Ihr Herz klopfte wie wild und ihre Hände zitterten, mal ganz abgesehen von der plötzlichen Übelkeit. Wieso nur musste sie direkt so nervös sein? Er würde ihr kaum den Kopf abreißen, sie kannten sich schon seit Jahren! Selbst wenn er sie zurückwies, er würde sie nicht anders behandeln und weiterhin als eine Freundin sehen. Dieses Mal würde sie nicht den Schwanz einziehen, sie war lange genug davon gerannt! ‚Ok, du schaffst das.‘, versuchte sie sich anzufeuern. ‚Hol tief Luft und entspanne dich, es wird alles gut werden. Es ist nur Egyn, er wird dich nicht fressen. Behalt nur dein Essen unten und du hast das größte geschafft.‘

 

 „Also, worüber möchtest du mit mir reden?“, riss der Dämon sie aus ihren Gedanken und lächelte sie freundlich an. Großartig, jetzt bekam sie auch noch weiche Knie. War ihm überhaupt klar, was er damit tat?! ‚Reiß dich zusammen! Er würde dich niemals auslachen oder verspotten!‘

 

„Ja…“, begann sie langsam, während sie Egyn direkt in die Augen sah. Es gab kein Zurück mehr, jetzt oder nie. „Ich will dir das schon seit einer Weile sagen, aber habe mich bisher nicht getraut. Ich wollte nicht unsere Freundschaft riskieren oder dich in Verlegenheit bringen.“

 

„Du kannst mir alles sagen.“, versicherte der Wasserdämon schnell. „Du kannst mir vertrauen, ok?“ Die Weißhaarige schluckte. Irgendwie machte es das ganze nur schwerer. „Nun ja…wir kennen uns jetzt schon sehr lange und ich bin dir wirklich dankbar, dass du mir diese Position gegeben hast und mir so sehr vertraust.“

 

„Du hast mir das Leben gerettet, das war ja wohl das mindeste.“, warf Egyn ein. „Und du hast immer wieder gezeigt, dass du ideal für den Job bist.“ Agares war sehr stolz auf sich, dass sie nicht sofort rot wurde, stattdessen sprach sie weiter, als wäre nichts gewesen. „Ich wollte erst nichts sagen, weil ich dachte, dass das alles ruinieren würde.“, fuhr sie fort. „Aber jetzt habe ich kaum etwas zu verlieren. Die anderen drängen mich ohnehin schon seit Jahren, es zu sagen.“ Und jetzt brabbelte sie. ‚Idiot, jetzt komm zum Punkt!‘

 

„Was ich sagen will…ich mag dich. Sehr sogar. Mehr als einen Freund…ich liebe dich. Und das schon sehr lange. Eigentlich schon seit dem Tag, an dem ich dich gerettet habe. Damals war es nur eine Schwärmerei, doch inzwischen muss ich ständig an dich denken!“, verkündete sie, während ihr nun doch die Röte ins Gesicht stieg.  Jetzt da sie einmal in Fahrt war, konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen und alles sprudelte aus ihr heraus. „Ich mag wie positiv und unterstützend du bist, du siehst immer das gute in allem und jedem und tust, was du kannst, um zu helfen, ohne irgendetwas im Gegenzug zu erwarten. Als Dämonenkönig hast du so viel zu tun, aber hast dennoch immer ein offenes Ohr, egal ob für deine Familie, Freunde oder Untertanen. Man kann sich immer auf dich verlassen und…ich könnte jetzt ewig weiter machen, aber du verstehst schon.“ Nervös trat sie von einem Fuß auf den anderen. „W-Wenn du das nicht erwiderst, dann ist das in Ordnung. Ich verstehe, dass ich nicht sehr ansprechend bin. Ich bin nur eine Nephilim aus einem unbedeutendem Dorf, aber ich wollte es dir endlich sagen.“ Damit beendete sie ihren Redeschwall und wartete gespannt auf die Antwort des noch immer überrumpelten Dämonenkönigs. Mit großen Augen sah er sie an, offenbar war er noch dabei ihre Worte zu verarbeiten. Mehrere Sekunden verstrichen, bis sie plötzlich von Rins Stimme unterbrochen wurde. „Um Gottes oder wessen auch immer Willen, sie steht auf dich und will deine Freundin sein, aber du merkst es nie! Jetzt gib ihr endlich eine Antwort!“ Wo kam das denn jetzt her?! Sie spürte wie sie rot wurde und auch Egyn erging es so. Unwillkürlich musste sie an Ankous Worte denken: Küss ihn einfach, das versteht sogar er.

 

Die Versuchung war groß, das musste sie zugeben, aber schlussendlich ließ sie es bleiben. Sie wollte nicht zu aufdringlich sein oder die Situation noch seltsamer machen. „Du…magst mich? So lange schon?“, fragte Egyn endlich. „Ja, wie gesagt, eigentlich schon seit unserer ersten Begegnung.“, gestand die Dämonin. „Aber du warst da gerade aus der Beziehung mit Kyrene raus und später war dann das mit Asmo und die ganzen Streitereien mit deinem Vater. Ich dachte, du hättest genug um die Ohren und danach habe ich mich einfach nicht getraut. Zumal deine späteren Partnerschaften ja eher…kurz und…chaotisch waren.“ 

 

„Oh…“, machte Egyn, nun noch röter. „Also…warum sagst du es dann jetzt? Das ist…eine echt schwierige Zeit.“

 

„Ich weiß, aber ganz ehrlich? Vielleicht leben wir bald nicht mehr, also wollte ich endlich Gewissheit haben!“, antwortete sie sofort. Es gab keinen Grund um den heißen Brei zu reden, sie würde direkt und ehrlich sein. „Ich weiß nicht mal, ob es erlaubt sind, dass ein Baal und Stellvertreter zusammen sind. Ich meine, das macht vielleicht nicht gerade den besten Eindruck und ich verstehe auch, wenn du nicht willst oder wenn doch, dass es dann vielleicht nicht klappt!“, brabbelte die Dämonin weiter. „Wahrscheinlich bist du viel zu gut für mich, aber ich -“

 

„Agares, jetzt warte mal!“, unterbrach Egyn sie und griff nach ihrer Hand. Ihr Herz setzte für eine Sekunde aus, doch der Baal lächelte ihr aufmunternd zu. „Tut mir leid, dass ich es nicht eher gemerkt habe. Wahrscheinlich war es mega offensichtlich, oder?“

 

„Ja, etwas.“, rutschte es ihr heraus. Hoppla, das sollte eigentlich nicht passieren. Sie grinste verlegen, doch glücklicherweise schien es Egy nicht zu stören. Zwar wurde er noch röter, aber er ließ ihre Hand nicht los. „Wie auch immer, es mir egal, dass du eine Nephilim bist und nicht aus einem Adelshaus kommst. Wenn interessiert das überhaupt noch? Ich liebe nicht jemanden wegen des Status oder der Blutlinie. Du bist super wie du bist also sage nicht, dass du nicht gut genug bist, ok?“ Er zögerte kurz, bevor er weiter sprach. „Wie gesagt, momentan ist nicht der beste Zeitpunkt, aber ich…mag dich auch. Ich weiß nicht, ob es wirklich Liebe ist, aber wenn das hier alles vorbei ist, würde ich es gerne probieren.“ Agares brauchte einige Sekunden, bis seine Worte richtig ankamen. „D-Du meinst das ernst?!“ Kaum nickte Egyn, fiel sie ihm sofort um den Hals. Bevor sie nochmal nachdenken konnte, gab sie ihm einen Kuss auf die Wange, dann ließ sie von ihm ab. Beide waren rot und genossen den Moment bis-

 

„FUCKING FINALLY!“, hörten sie Iblis rufen. „Iblis, jetzt hast du den Moment ruiniert!“, wurde er von Lucifer gerügt, doch das war dem jüngeren herzlich egal. „NA UND?! DAS WURDE VERDAMMT NOCHMAL ZEIT!“ Agares hätte wohl damit rechnen sollen, dass sie sie belauschen konnte, doch momentan konnte sie nicht dazu bringen, sich darüber zu ärgern. Sie hatte endlich ihre Gefühle gestanden und wenn sie den Krieg überstehen sollten, würde sicherlich eine schöne Zukunft auf sie warten.

 

 

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Satan wusste schon beim Aufwachen, dass dieser Tag nicht gut werden würde. Zwei Tage waren seit der Feier vergangen und er hatte so gut wie lange nicht geschlafen, sogar länger als seine Söhne, was seit Jahren nicht geschehen war, doch kaum hatte er sich fertig gemacht, kam Shax in den Raum. Sein Blick ließ nur wenig Gutes erahnen. „Shax, ich hatte noch nicht mal Kaffee. Sag mir nicht, dass es jetzt schon Ärger gibt.“, sagte er beinahe flehend, doch natürlich verzog der Silberhaarige entschuldigend das Gesicht. „Leider doch. Unsere Befürchtung hat sich bestätigt. Lilith hat uns einige Abschiedsgeschenke da gelassen. Einmal ihre Experimente und die Samen des Chaos.“ Ja, dieser Tag würde richtig mies werden, dabei waren die letzten so entspannt gewesen. Zumindest mehr oder weniger. Es hatte keine neuen Katastrophen gegeben, Egyn hatte endlich kapiert, dass Agares ihn mochte, es gab keine Streitereien…Vielleicht sollte er sich einfach wieder hinlegen. „Sie hat die Samen verwendet? Scheint als wäre sie verzweifelter als gedacht.“, stellte der Dämonenherrscher grimmig fest. „Sogar sie sollte wissen, wie riskant das ist.“ Ursprünglich entstanden die Samen zur Zeit ihrer ersten Rebellion und wurden in ihrem Auftrag von Uphir hergestellt, jedoch stellte sich sehr schnell als zu unberechenbar heraus, weswegen sie schlussendlich den Einsatz abgebrochen hatte. Immerhin brachte der Sieg einem nicht viel, wenn ganz Gehenna in Schutt und Asche lag. Zwar konnten sie die Samen später bergen, doch leider war es nicht möglich, sie ohne weiteres zu zerstören, weswegen Satan sie in seinem Privatarchiv untergebracht hatte, in dem bereits allerhand Artefakte und Gegenstände lagerten. Hoffentlich hatte sie sich nicht noch mehr daraus genommen, aber in diesem Fall wäre dies wohl längst zum Einsatz gekommen. Hoffentlich. „Und ihre Experimente?“, hakte er nach.  „Diese Alukah Sirenen Hybride und mehrere der Parasiten mit denen sich der Hexenzirkel auseinandersetzen musste.“, berichtete Shax. „Bisher sind 5 Großstädte betroffen, aber es wird sich schnell verbreiten, wenn wir nicht handeln. Es wurde bereits ein Treffen einberufen.“

 

„Wunderbar, noch ein Treffen…ich komme in einer Minute.“

 

„Alles klar. Ich habe dir übrigens Kaffee mitgebracht.“, fuhr der jüngere Dämon fort und gab ihm die Thermoskanne. Sofort besserte sich seine Laune ein wenig. „Danke, du bist ein Lebensretter…“, seufzte der Dämonenherrscher. An Tagen wie diesen wurde ihm immer wieder bewusst, dass er ohne Shax des Öfteren ziemlich blöd da stehen würde. Nicht zuletzt da er ihn immer an seine Hochzeitstage erinnert hatte. „Wissen meine Söhne schon Bescheid?“

 

„Ja, Alastor ist gerade bei ihnen. Jetzt aber los, je eher wir uns darum kümmern, umso besser!“ Satan nickte mussmutig und setzte sich in Bewegung, wobei er schnell den ersten Schluck Kaffee nahm. Gedanklich ging er bereits alle Möglichkeiten und Truppenkapazitäten durch. Insgesamt gab es 26 Samen, bisher hörte man nur etwas aus 5 Städten, also würde der Rest sehr bald folgen. Dies würde allerdings auch bedeuten, dass sie erst vor kurzem aufgegangen waren und der Schaden somit noch überschaubar war. Mit etwas Glück konnten sie den Rest aufspüren, bevor sie richtig Wurzeln schlugen. Allerdings hatten sie bisher nur die Auswirkungen auf Dämonen gesehen, niemand konnte sagen wie die Menschen oder Assiahs Ökosystem darauf reagieren würden und ob das Problem wirklich mit den Samen verschwand. Möglicherweise würde es Jahre dauern, bis sich die Umgebung davon erholte, von den betroffenen Lebewesen, egal ob Mensch oder Tier, ganz zu schweigen. Richtig übel würde es werden, falls es ins Grundwasser gelang. Wenn der Krieg vorbei war, sollte er sich wirklich noch einmal mit den Samen beschäftigen und nach einer Möglichkeit suchen, sie zu zerstören.

 

In der Aula herrschte bereits geschäftiges Treiben, alle redeten aufgeregt durcheinander und schenkten ihnen kaum Beachtung. ‚Das fängt ja schon gut an.‘, dachte Satan grimmig und sah sich suchend um. Bisher entdeckte er keinen seiner Söhne, genauso wenig wie den Paladin. Es würde wohl einige Minuten dauern, bis es los ging. Immerhin entdeckte er kurz darauf Alastor in dem Getümmel, welcher sofort zu ihnen hinüber kam. „Die drehen hier alle komplett durch.“, berichtete er sofort. „Was haben die denn erwartet? Dass Lilith einfach beleidigt abzieht und das war’s?“ Satan ignorierte sein Gegrummel und kam direkt zur Sache. „Gibt es Neuigkeiten? Shax hat erzählt, dass bisher nur fünf Städte betroffen sind.“, fragte er, woraufhin der Vollstrecker grimmig den Kopf schüttelte. „Inzwischen sind’s sechs, wohl sogar in Japan. Kyoto hieß es glaube. Die Exorzisten haben dort irgendwo ein Auge des unreinen Königs versteckt.“, erklärte er, was beide Dämonen innerlich aufstöhnen ließ. Keiner wollte sich ausmalen, was die Samen da anstellen könnten. Einige Minuten später erschienen endlich seine Söhne, gefolgt vom Paladin und den Grigori. Satan machte sich gar nicht die Mühe, irgendetwas schön zu reden und erklärte direkt, was die Samen so gefährlich machte. Sie mochten relativ harmlos klingen (Natürlich musste Shura unbedingt kommentieren, dass der Name total einfallslos war), aber sie verfügten über ein gewaltiges Zerstörungspotenziell. Sie enthielten verbotene Alchemie, eine nicht zu unterschätzende Menge Chaos Energie und strahlten vor allem die reine Essenz Gehennas aus. In anderen Worten: Es war mehr oder weniger ein Batzen dämonischer Radioaktivität, so seltsam es klang. Sobald die Samen Wurzeln schlugen, wurde diese Energie freigesetzt und begann, Pflanzen und Lebewesen gleichermaßen mit dem Wesen Gehennas zu korrumpieren. Während sich die Pflanzen veränderten und schnell denen in Gehenna glichen, machte es Lebewesen wesentlich aggressiver bis es sie schließlich in den Wahnsinn trieb. Menschen würde es wahrscheinlich ähnlicher ergehen oder sie würden direkt sterben. Dummerweise blieb dieser Zustand nicht auf ein Gebiet beschränkt. Wie bei einer normalen Pflanze wuchsen die Wurzelns stetig und würden sich langsam verbreiten bis irgendwann ganz Assiah verseucht war. Dann würden die Samen zwar endlich keine Energie mehr haben, aber alle Menschen wären tot und Assiah selbst wäre sogar für Dämonen für die nächsten Jahrhunderte unbrauchbar. „Gut, wir haben also noch Zeit.“, mischte sich der Paladin ein. „Aber wie viel und wie werden wir sie los?“

 

„Wahrscheinlich ein paar Tage, es ist schwer zu sagen.“, antwortete Shax. „In Gehenna waren die Folgen schon verheerend, wir können also nicht vorhersagen, was passieren wird. Wir müssen sie finden und ausgraben, aber je näher man ihnen kommt, umso vehementer wird man angegriffen. Und man muss sich natürlich beeilen, weil man sonst selbst Opfer wird.“

„Und wie lange dauert das?“

 

„Wir haben doch grad gesagt, dass wir noch nicht gesehen haben, wie Menschen darauf reagieren. Wie sollen wir es da wissen?“, fragte Iblis augenrollend. „Kann 'ne Frage von Minuten oder auch Sekunden sein.“

 

„Kann man sich dagegen schützen? Oder Siegel verwenden, um es für eine Weile einzugrenzen?“, hakte Shura nach. „Ihr habt doch damals sowas bestimmt ausprobiert.“

 

„Wir können versuchen es einzugrenzen, ja, aber das dauert und die Zeit haben wir nicht. Vor allem nicht bei so vielen. Wir können höchstens versuchen, die Stellen Punkten für eine Weile einzudämmen.“

 

„Also müssen wir herausfinden, wo alle Samen sind, dort hin gehen, sie ausbuddeln, uns dabei nicht töten lassen und darauf achten, dass wir denen nicht zu lang ausgesetzt sind?“, fasste einer der Exorzisten zusammen und klang dabei mehr als müde. Man konnte ihm wohl nicht wirklich Vorwürfe machen, diese Dinger zu finden, würde äußerst anstrengend werden. Es war die allzu beliebte Nadel im Heuhafen, doch einen Lichtblick gab es. „Die Samen zu finden, wird vielleicht gar nicht so schwer werden. Die geben so viel dämonische Essenz ab, das dreht sogar uns den Magen um.“, gab Ankou zu bedenken. „Wir müssen uns nur entsprechend aufteilen und vor allem die Menschen aus dem Weg bekommen.“

 

„Nun gut…“, sagte Angel langsam. „Wo beginnen wir?“

 

 

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„Die Samen haben Wurzeln geschlagen und begonnen, die Städte der Menschen in Chaos zu stürzen. Satan und die Exorzisten haben allerdings bereits reagiert.“ Lilith nickte nur, ohne Berith anzusehen. „Das war abzusehen. Es spielt fürs erste keine Rolle. Satan hat uns geschwächt, das wichtigste ist jetzt sich neu zu formieren.“ Ihre Stimme erschien zwar ruhig, doch enthielt unterdrückte Wut. Sie wurde besiegt und hatte obendrein diese verdammten Exorzisten überschätzt beziehungsweise die Effizient ihrer eigenen Truppen überschätzt. „Du kannst gehen. Ich will nicht mehr gestört werden.“, entließ sie den Zeitdämon kurz angebunden. Zu Beriths Glück hinterfrage er es nicht, verbeugte sich kurz und ging. Lilith lehnte sich seufzend in ihrem Stuhl zurück und atmete kurz durch. Das lief nicht wie es sollte. Überhaupt nicht. Zwar hatte sie noch immer Gehenna unter ihrer Kontrolle, doch sie konnte sich nicht mehr darüber freuen. Stattdessen verspürte sie Verbitterung und Frustration. Als sie diesen Krieg vor so vielen Jahrtausenden begonnen hatte, war sie bestens vorbereitet gewesen. Ihre Anhänger waren zahlreich, sie wusste was sie wollte und sie konnte Satan so weit schwächen, dass er fast besiegt war, doch schlussendlich war sie die Besiegte gewesen. Alles war so gut gelaufen und dann hatte ein einziger Kampf alles ruiniert, was sie sich aufgebaut hatte. Nur weil all diese Idioten nicht verstanden, wie besser ihre Vision für die Zukunft war. Gehenna sollte seinen alten Ruhm wiedererlangen und die Menschen in die Knie zwingen, anstatt vor ihnen im Dreck zu kriechen. Das Leben könnte überall so viel besser sein. Was bot Satan, was sie nicht bieten oder sogar überbieten konnte? Es gab Armut und Korruption, der Rat war nichts weiter als ein Ränkespiel. Es wäre so viel besser, wenn eine Person an der Spitze wäre und wichtige Aufgaben Vertrauen überließ. Eine Wehrpflicht würde ihre Reihen stärken und endlich die unteren Schichten der Gesellschaft wachrütteln. Sie waren alle Dämonen, warum sollten sie sich bekämpfen, wenn sie stattdessen gemeinsam so viel mehr erreichen konnten. Warum konnten sie das nicht sehen? Wie konnte Satan das nicht sehen?! „Der alte Satan hätte mich verstanden…und mir zugestimmt.“, murmelte sie vor sich hin. Damals war ihr beider Leben so viel besser, keiner hat sich getraut aufzumucken und sie hatten den Spaß ihres Lebens. Alles war perfekt gewesen. Sie wünschte sich so sehr die alten Zeiten zurück, doch dafür musste sie zuerst ihre Feinde besiegen. Momentan konnte sie sich nicht erlauben, sich in Tagträumen zu verlieren. Erneut atmete sie tief durch und konzentrierte sich, doch wie schon so viele aber zuvor gelang es ihr nicht, eine Verbindung zu Azazel aufzubauen. Es war zu erwarten, doch gleichzeitig war es ärgerlich, dass ihre stärkste Marionette nicht länger verfügbar war. Gut, einen Versuch war es wert gewesen. Seufzend stand sie auf, zog ein Buch dem Regal und begann darin zu blättern, bis sie die gewünschte Seite vor sich hatte. Konzentriert las sie sich den Text durch und notierte sich nebenbei einiges auf einem Blatt Papier, welches sie sich im Anschluss ebenfalls durchlas. Endlich zufrieden, nickte sie und verließ das Zimmer. Es war an der Zeit, sich für den Fall der Fälle vorzubereiten.

 

 

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Die ersten Samen zu finden, war einfacher als alle erwartet hatten. Das waren die guten Nachrichten. Die schlechten: Wie befürchtet verbreitete sich die dämonische Energie schnell und richtete ziemlichen Schaden an. Ein Teil der Stadt war bereits evakuiert, der Rest befand sich nach wie vor in heller Aufregung und machte es sehr schwer, voranzukommen. Der Plan war, dass sich die Exorzisten um die Menschen kümmern und alle Gefahren von ihnen fernhielten, während sich die Dämonen um die Samen und das Versiegeln kümmerten. Da sie nur kleine Gruppen waren und sich schnell frei bewegen mussten, waren sie zudem in ihre Dämonenform gewechselt. Zwar widerstrebte es ihnen gewaltig, den Exorzisten ihre wahre Form zu zeigen, doch dieses Mal ging es nicht anders. Sie brauchten den Kraftschub und ihre Flügel, egal wie die Menschen darauf reagierten und wie ungehörig es war. Hoffentlich würde niemand anfangen, auf sie zu schießen. Zwar würde sie das kaum stören, doch es raubte kostbare Zeit. Samael verfluchte sich derweil bereits nach wenigen Minuten, nicht öfter in seiner Dämonenform zu trainieren. So ungern er es zugab, seine Flugkünste waren ziemlich einrostet und einige Male wäre er beinahe mit einer Ampel oder einem Schild kollidiert. Was für ein Glück, dass das niemand gesehen hatte. Zu seiner Verteidigung: Er hatte die letzten Jahre vorwiegend in Assiah verbracht, wo er es nicht riskieren konnte, seine Dämonenform anzunehmen und in Gehenna war er meist mit anderen Dingen beschäftigt. Zudem musste eine Schule leiten, die Exorzisten ausspionieren, Wetten abschließen, Menschen nerven…er hatte seine Prioritäten! Sobald sie wieder Zuhause waren, hatte er wirklich Nachholbedarf. Zwar hatte er in den letzten Tagen einige Male trainiert, doch die unterirdischen Trainingshallen der Exorzisten eigneten sich logischerweise nicht wirklich für Dämonen. Hoffentlich würde er keine Krämpfe oder gar Muskelkater bekommen. Das wäre nun wirklich mehr als peinlich. Immerhin war er endlich mit dem Siegel fertig und hatte dadurch etwas mehr Zeit erkauft. Jetzt mussten sie nur noch alle von den Samen betroffenen Wesen erledigen, damit sie ihn ungestört erreichen konnten. Damit begann der interessante Teil, denn die Menschen liefen noch immer herum wie aufgescheuchter Hühnerstall. „Hier bist du Samael!“, hörte er plötzlich Mammons Stimme. Sekunden später landete der Zeitdämon neben ihm auf dem Dach. „Wir haben die Viecher mehr oder weniger zurück gedrängt, aber einige sind uns durch die Lappen gegangen.“, berichtete er. „Dummerweise scheinen die Menschen ziemliche Angst vor uns zu haben, wir müssen uns da also auf die Exorzisten verlassen.“ Das war leider zu erwarten. Alles andere als willkommen, aber sie konnten es nicht ändern. „Verstehe. Sonst noch etwas, dass ich wissen wollte?“, hakte der Zeitkönig nach, woraufhin Mammon nur mit den Schultern zuckte. „Sind dir schon diese komischen Ranken da drüben aufgefallen? Die hängen hier überall. Halt dich ja fern von denen, vorhin haben die nach mir gegriffen und ich schwöre, das hatte ein Maul. Dank diesen Samen spielt hier alles verrückt-“ Ein Schrei unterbrach ihn, der sie Blicke wechseln ließ, dann traten sie näher an den Rand des Daches und schauten nach unten. Die Ursache war schnell gefunden und beide rümpften die Nase. „Spinnen…“, murmelte Mammon abfällig. „Ich hasse Spinnen…und jetzt gibt’s die auch noch in groß?!“, beschwerte er sich, woraufhin Samael nur seufzen konnte. „Beelzebub züchtet die sogar…aber sei’s drum, wir sollten uns besser darum kümmern.“

 

„Er tut was?!“ Der Zeitkönig ignorierte ihn und machte sich auf den Weg nach unten, der andere Zeitdämon folgte nur widerwillig. „Da seid ihr also! Wir dachten schon, ihr wollt den Spaß verpassen!“, wurden sie von einer weiteren Zeitdämonin namens Decima begrüßt. Samael antwortete nicht und verschaffte sich einen schnellen Überblick. Alles war voller Spinnennetze, teilweise waren Menschen darin gefangen, weswegen sie sie nicht einfach verbrennen konnten, doch die Spinnen kamen schnell näher. Der Baal fasste innerhalb von Sekunden einen Entschluss und erteilte sofort Befehle. „Ich sperre sie in ein Zeitfeld, ihr greift sie mit allem an, was ihr habt, aber passt auf die Menschen auf. Mammon, Decima, ihr versucht bei einen von ihnen die Zeit zurück zu drehen, falls sie wieder normal werden, können wir das für weitere Kämpfe nutzen.“ Alle nickten und der Zeitkönig fing sofort an. „3…2…1…Zeitstopp!“ Die Spinnen erstarrten, doch er spürte im selben Moment ein seltsames Ziehen, das ihn inne halten ließ. Sicher, Lilith hatte das Gleichgewicht ins Wanken gebracht, aber bisher hatte sich das kaum auf seine Kräfte ausgewirkt. Sie mussten sich wirklich beeilen! „Na dann, wird schon schief gehen…“, murmelte Mammon und konzentrierte sich zusammen mit Decima auf eine Spinne. Für einen Moment schien es zu klappen und die Spinne schrumpfte wieder, doch dann wurde es zu anstrengend für sie und sie mussten abbrechen. Sofort war sie wieder bei ihren alten Größe, was die Zeitdämonen verdatterte Blicke wechseln ließ. Das war mehr als ungewöhnlich, war die Zeit einmal zurückgedreht, sprang sie nicht einfach von allein nach vorn. ‚Sie kann schon so sehr die Realität verzerren?! Das wird ja besser und besser…‘, stellte der Baal düster fest, bevor er den anderen zunickte. „Los, schaut nicht einfach zu, erledigt sie!“, befahl er, womit er den Rest endlich aus der Schockstarre riss. Dummerweise hatten sie ein ähnliches Problem wie damals im Wald, zum Teil wollten diese Viecher nicht sterben und gewisse Angriffe prallten einfach ab. Zumindest waren sie nicht ganz so zäh wie die gehennischen Spinnen, sodass sie das Problem nach anfänglichen Schwierigkeiten beseitigen konnten. Nur leider hatten sie dadurch erheblich an Zeit verloren, sie mussten sich sputen. „Befreit die Menschen bis die Exorzisten eintreffen, ich geh schon weiter.“, wies der Baal an und wandte sich an einige Dämonen zu seiner Rechten. „Ihr kommt mit mir. Vertrödeln wir keine Zeit und haltet die Augen offen.“ Unterwegs trafen sie eine weitere Gruppe, welche endgültig bestätigte, dass sich der gesuchte Samen höchstwahrscheinlich im Stadtpark befand. Samaels Meinung nach ein nicht gerade günstiger Ort, da jeder dort zuerst nachsehen würde, andererseits waren dort wohl die meisten Pflanzen und Lebewesen, was sie wesentlich effektiver machte. Zumindest wären sie dann relativ schnell fertig, nur musste er zuerst die genaue Position finden. „Ich kümmere mich um die Samen, ihr gebt mir Deckung.“ Jetzt könnte er wirklich Amaimon gebrauchen, er war beim suchen viel genauer als gewöhnliche Erddämonen. So musste er das wohl oder übel auf die altmodische Art regeln. Kaum waren er und seine Gruppe gelandet, ging es direkt mit Angriffen los. Sie wurden von allen Seiten von korrumpierten Tieren und den Alukah Kreuzungen angegriffen und als würde das nicht reichen, begannen sogar die Pflanzen nach ihnen zu greifen. Mammon hatte recht gehabt, diese Biester versuchten wirklich sie zu fressen. Das würde interessant werden. „Na, etwas Hilfe gefällig?“, fragte plötzlich Iblis Stimme. Sekunden darauf landeten er und Halphas auch schon neben ihm, beide standen in Flammen und begannen, die ersten Pflanzenmonster zu verbrennen. „Was tust du hier? Du warst einer anderen Stadt zugeteilt!“, hinterfragte Samael ein wenig irritiert. Konnte sein Bruder neuerdings keine Karten mehr lesen?! Er brachte die ganze Planung durcheinander! „Wir sind schneller fertig geworden, also dachten wir uns, wir greifen dir mal etwas unter die Arme.~“, erklärte der jüngere Baal im Plauderton, während er munter damit fortfuhr, mehrere Hybride einzuäschern. „Und leg dabei besser 'nen Zacken zu. Wir hatten vorhin schon das Vergnügen mit diesen Pflanzenmonstern und das wird noch schlimmer werden.“, warf Halphas ein, während er eine weitere Spinne angriff. Das ließen sich die Baal nicht zwei Mal sagen und begannen sofort mit ihrer Arbeit. Die beiden Feuerdämonen verbrannten die Wurzeln und Ranken, die den Boden überwucherten und hielt weitere Angreifer in Schach, während sich Samael darauf konzentrierte, die Samen zu finden. Die sich ständig verändernde Aura machte es schwierig, eine genauere Stelle zu ermitteln, daher mussten sie sich langsam voran arbeiten. Inzwischen waren weitere Dämonen zur Unterstützung gekommen, doch auch die Angriffe nahmen zu. Wie erwartet wurden sie von den Samen wie Motten zum Licht angezogen. Eines musste man Uphir lassen, der Mann hatte sein Handwerk verstanden, so grausam es gewesen war. Nach einer gefühlten Ewigkeit war es endlich so weit und der Zeitdämon konnte die Position bestimmen. Sofort verwies er Iblis auf die entsprechende Stelle. „Ich hab ihn! Kreise die Stelle ein!“ Protestlos kam der jüngere Baal der Aufforderung nach und bildete aus seinem Feuer einen Ring. Manche der Tiere zischten gefährlich, doch keines von ihnen wagte sich allzu nah an die Flammen, welche schnell an Hitze zunahmen. Beide Baal und einige Erddämonen landeten, letztere öffnete schnell den Boden, um den Samen frei zu legen. Dieser war faustgroß, dunkelrot und pulsierte leicht, einem Herz nicht unähnlich. Beinahe sofort stieg ein Schwall Miasma auf, was sie zwang, einige Schritte zurückzutreten. ‚Und ich dachte immer, der unreine König wäre eine Miasma Schleuder…‘ Samael holte kurz Luft, bevor er sich in Position „Bleibt zurück, Iblis und ich versuchen ihn einzudämmen.“ Wie zur Antwort setzte der Samen noch mehr Miasma frei, doch dank Iblis erreichte es den älteren Baal nicht, sodass sich dieser vollkommen auf seine Aufgabe konzentrieren konnte. Quälend langsam isolierte er ihn von der laufenden Zeit, bis das Zeitfeld endlich vollständig. Kaum hatte er es geschafft, wankte er leicht, blieb jedoch auf den Beinen. Dennoch war er ziemlich außer Atem. Gut, dass sie ihn rechtzeitig gefunden hatten. Etwas länger und er hätte eventuell Probleme bekommen. Dennoch grinste er siegessicher. „Seht ihr? So einfach ist das.~“, verkündete er und schickte den Samen mit einem Fingerschnipsen zum Sammelplatz. „Gut, dann müssen wir jetzt nur noch warten, bis die Exorzisten kommen, um ihre Reinigung durchzuführen.“, murmelte Iblis. „Hoffentlich beeilen die sich. Ich habe keine Lust auf noch mehr Überraschungen.“

 

 

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„Hab ich dich…“, murmelte Lucifer und betrachtete den nun unschädlich gemachten Samen genau. Er war in einer der Städte gelandet, wo die Korruption am schlimmsten war und nun mehr als erleichtert, dass sie der Herausforderung dennoch gewachsen waren. Ein Glück war Satan mitgekommen, andernfalls würde es zu lange dauern, sie einzeln einzusammeln. Er hatte bereits zwei Samen in anderen Städten ausgeschaltet, sie kamen also langsam voran. „Wohin als nächstes?“, fragte er den Dämonenherrscher, nachdem sie auch diesen Orten von der Liste strichen. „Jetzt warten wir, was die Exorzisten sagen.“, erwiderte der Dämonenherrscher. „Dem letzten Stand nach, haben wir bereits sechs Samen.“, fuhr er fort. „Wir-“

 

„Inzwischen sind es neun.“, mischte sich Egyn ein und landete neben ihnen. „Samael lässt ausrichten, dass er seinen Samen hat, genau wie Astaroth und Amaimon. Einige unserer Späher haben außerdem eine weitere Stadt gefunden, Iblis und Samael sind am nächsten dran.“ Er redete eine Weile weiter, Lucifer hörte dabei so konzentriert zu, dass er nicht bemerkte wie sich ihr Vater plötzlich an den Kopf fasste und langsam blasser wurde. Dafür fiel es Egyn sofort auf und stockte. „Vater, ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt. Satan antwortete zunächst nicht, sondern schüttelte nur den Kopf und sog gleichzeitig scharf die Luft ein. „Etwas stimmt nicht…“, murmelte er unerwartet leise. „Ich fühle mich...“ Ohne Vorwarnung brach er plötzlich zusammen, nur mit knapper Not gelang es den beiden geschockten Dämonenkönigen ihn aufzufangen. Lucifer war mehr als überfordert und versuchte erfolglos eine Antwort von dem Dämonenherrscher zu erhalten, während Egyn panisch nach Shax rief. „SHAX, KOMM SOFORT HER! SHAX! IRGENDETWAS STIMMT MIT VATER NICHT!“ Der Geisterdämon stand innerhalb von Sekunden neben ihnen, kreidebleich und sichtlich erschüttert, aber noch immer ruhiger als sie. „Was ist passiert?“, fragte er sofort. „Wissen wir nicht, er ist einfach zusammengebrochen!“, antwortete Lucifer ungewöhnlich panisch und half Egyn dabei, den älteren Dämonen vorsichtig abzulegen. „Wurde er von etwas gebissen oder gestochen? Wie viel Miasma hat er eigeatmet?“, bohrte Shax weiter nach, während er sich über den Dämonengott beugte, um ihn näher zu untersuchen. „Nein, nichts davon! Er hat genauso viel Miasma wie wir abbekommen und uns geht es gut!“, berichtete Egyn, welcher der Tränen nah schien. Lucifer legte tröstend einen Arm um ihn und versuchte halbherzig, ihn zu beruhigen. „Das wird schon, keine Sorge.“ Seine Worte klangen selbst für ihn hohl, doch konnte man ihm Vorwürfe machen? Ihr Vater war noch nie umgekippt, jedenfalls nicht unter solchen Umständen. Wie konnte er es da nicht mit der Angst zu tun bekommen?! Sein schlechtes Gefühl verstärkte sich nur weiter, als er Shax' ratlosen und besorgten Gesichtsausdruck bemerkte. Schließlich schüttelte der ältere Dämon den Kopf und stand auf. „Ich kann auf dem ersten Blick nichts ungewöhnliches erkennen. Wir bringen ihn zurück zum Exorzistenhauptquartier. Sofort.“

 

 

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Rin trainierte gerade mit Alastor und ließ sich von ihm einige Feuertechniken zeigen, als Shax zu ihnen kam. Sofort war klar, dass etwas passiert sein musste. So blass und beunruhigt hatte er ihn zum letzten Mal in der Nacht von Liliths Ausbruch gesehen und auch Alastor wirkte überrascht von dem Auftreten des anderen Dämonen. Rin erwartete schlechte Nachrichten, doch dass ausgerechnet sein Vater zusammengebrochen war, hatte er definitiv nicht kommen sehen. Sofort verließ er die Halle und stürmte zu dem Zimmer, in der Dämonenherrscher lag, Shax und Alastor waren ihm dicht auf den Fersen. Seine Geschwister waren ebenfalls da, alle mit besorgten Gesichtsausdrücken, doch. zu seiner großen Erleichterung war Satan bereits wach, saß aufrecht im Bett und war damit beschäftigt, die Heiler zu verscheuchen. ‚Ein Glück…‘

 

„Jetzt lasst mich endlich in Ruhe, es geht mir gut!“, beschwerte sich Satan unwirsch bei den Heilern. „Ich muss-“

 

„Bei allem Respekt Eure Majestät, aber momentan Ihr müsst gar nichts.“, unterbrach einer der Dämonen ihn, den Rin sofort erkannte. Er hatte sich nach Gulas Angriff um ihn gekümmert, nur leider hatte er seinen Namen vergessen. Satan schien zum Protest anzusetzen, nur um von einer weiteren Dämonin unterbrochen zu werden. „Keine Widerrede! Wir wissen noch nicht, weswegen Ihr zusammengebrochen seid.“, sagte sie mit einer Strenge, die man wohl normalerweise nicht gegenüber dem Herrscher aller Dämonen erwarten würde. „Es wäre unverantwortlich, Euch aufstehen zu lassen. Ihr müsst Euch weiter ausruhen, bis dahin geben wir unser Bestes, um herauszufinden, was passiert ist.“ Satan schnaubte nur abfällig und versuchte erneut aufzustehen, wurde jedoch von Lucifer und Samael zurückgehalten. „Ausruhen kann ich mich, wenn der Krieg vorbei ist! Jetzt geht, es gibt sicher genug Verletzte, die eure Hilfe brauchen!“

 

„Würdest du dich nicht so stur stellen, wären sie längst fertig.“, warf Shax ein, woraufhin der Dämonenherrscher die Augen verdrehte. „Haben sich jetzt alle verschworen?! Ich sage doch, es geht mir gut! Mir ist kurz schwindlig geworden und fertig. Wahrscheinlich war es nur Stress oder das Wetter oder was weiß ich denn!“

 

„Oh? Habt ihr denn eine Heilerausbildung absolviert und kennt Euch mit Verletzungen aus?“, fragte dieselbe Dämonen ein wenig angriffslustig. „Habt ihr Arbeiten dazu geschrieben? An Krankheiten geforscht? Gegenmittel und Gegengifte entdeckt?“ Satans Stille nahm sie wohl als Kapitulation auf. „Das dachte ich mir. Es ist zu Euren eigenen Besten, also bliebt bitte sitzen und lasst uns unsere Arbeit machen!“ Rin ignorierte ihre hitzige Debatte und lief sofort an seine Seite. „Was ist passiert? Shax meinte, du bist zusammengebrochen! Geht es dir gut?!  Bist du verletzt?!“, fragte er aufgebracht und betrachtete den älteren Dämon besorgt, aber dieser winkte ab. „Mir geht es wunderbar, sie übertreiben nur.“

 

„Nein, tun sie nicht!“, protestierte Lucifer sofort. „Niemand kippt einfach um, da stimmt etwas nicht!“

 

„Er hat recht!“, sprang Egyn ein, dessen Augen auffällig gerötet waren. „Du solltest das wirklich ernster nehmen! Was wenn das nochmal passiert?! Also sei nicht so stur und ruhe dich gefälligst aus!“ „Oder wir gehen und holen Ruha. Dann kannst du gern mit ihr darüber reden.“, schlug Alastor vor und erhielt dafür einen so bösen Blick, dass Rin befürchtete, Satan könnte ihn anzünden. Allerdings konnte er ihnen nur zustimmen. Von Medizin hatte er zwar keine Ahnung, doch jeder verstand, dass was auch immer mit seinem Vater passierte, nicht normal war. Dieser sah noch immer sehr blass aus und obwohl er das Gegenteil behauptete, war sich Rin sicher, dass ihm nicht allzu gut geht. „Wir müssen uns immer noch die Samen suchen.“, protestierte sein Vater, klang aber langsam müde. „Wenn-“

 

„Kein wenn und aber!“, fuhr Shax streng dazwischen. „Die Samen können wir ohne dich holen, bisher läuft es gut. Akzeptiere es oder ich schwöre, ich fessle dich an das Bett. platziere einen Bannkreis drum herum und hole wirklich Ruha und Sequana!“ Letzteres fügte er hinzu, da Satan erneut den Mund öffnete, um zu widersprechen. „Und wenn du es schon nicht deinetwegen tust, dann tu es wenigstens für deine Söhne.“ Das war etwas unfair, aber in jedem Fall wirkungsvoll, denn obwohl Satan erneut schnaubte, lehnte er sich wieder zurück und ließ sich weiter von den Heilern untersuchen. Keiner sagte etwas und ließen sie ihn in Ruhe arbeiten, sodass sie in wenigen Minuten fertig waren.  „Ich hasse es, das zuzugeben, aber wir können nicht feststellen, wo das Problem liegt.“, berichtete ein Heiler düster. „Euer Blutdruck normalisiert sich wieder, es gibt keine Fremdkörper, keine Anzeichen von Vergiftungen, kein gar nichts…allerdings solltet Ihr mehr schlafen.“

 

„In anderen Worten: Ruht Euch weiter aus, wir untersuchen Euch dann heute Abend noch einmal. Bleibt so lange im Bett und falls ihr aufstehen müsst, holt Euch Hilfe.“, ergänzte ein weiterer. „Solltet ihr Euch zwischendurch schlechter fühlen, gebt bitte sofort jemanden Bescheid.“ Der weißhaarige nickte ungeduldig. „Gut, danke. Behaltet diese Sache jedoch vorerst für euch. Kein Dämon und kein Exorzist darf hiervon erfahren, verstanden? Das gilt auch für euch.“ Er sah seine Söhne streng an. „Und kein Wort zu Yukio und deinen Adeptenfreunden.“

 

„Aber sollten sie nicht wissen, was passiert ist?“, fragte Rin vorsichtig und erhielt dafür einen strengen Blick. „Auf keinen Fall. Sowas würde weitere Unruhen auslösen, vor allem wenn wir nicht wissen, weswegen es passiert ist. Wir warten fürs erste ab.“ Der Nephilim wollte protestieren, sah nach kurzem Überlegen allerdings ein, dass sein Vater nicht Unrecht hatte. Seit der Feier hatten die Spannungen zwar abgenommen, aber das bedeutete nicht, dass alles Friede Freude Eierkuchen war.  Manche würden sich auf diese Situation wie die Geier stürzen. „Sie werden Fragen stellen, wenn du nicht mehr auftauchst. Wir sollten uns eine Ausrede überlegen.“, kommentierte Lucifer und sah alle der Reihe nach an. „Wir könnten behaupten, dass er eine Möglichkeit sucht, die Samen zu zerstören.“, schlug Amaimon nach kurzer Stille vor. „Das ist nicht mal gelogen.“

 

„Gut, dann tut das.“, murmelte Satan, welcher ein wenig blasser als zuvor wirkte . Rin, welcher sich zwischenzeitlich auf den Bettrand gesetzt hatte, rückte unbewusst näher an ihn heran. Er hatte seinen Vater noch nie so verwundbar erlebt und um direkt zu sein, er hatte Angst. Vielleicht war es albern, doch nach Shiros Tod konnte er sich nicht vorstellen, noch jemanden zu verlieren, der ihm wichtig war, insbesondere eine Vaterfigur. Satan schien seinen Unmut zu fühlen, da er ihn etwas näher zu sich zog und umarmte. „Mach dir keine Gedanken, das wird wieder.“, beruhigte er ihn leise und der Nephilim spürte, wie sich der Schweif des Dämonenherrschers um ihn wickelte. Bevor jemand etwas sagen oder tun konnte, kehrten die Heiler zurück und scheuchten sie aus dem Zimmer, damit sich Satan ausruhen konnte. Offenbar schaute Rin noch immer unglücklich drein, denn er wurde direkt von Beelzebub umarmt. „Hey, es ist alles ok. Sie finden heraus, was passiert ist und dann werden sie ihm helfen. Vater ist zäh, also keine Sorge.“ Der Halbdämon versuchte, das Lächeln zu erwidern, doch das schlechte Gefühl blieb.

 

 

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Ihre Zuversicht hielt nicht lange an, niemand konnte erklären, weswegen der Dämonengott zusammengebrochen war. Zwar erholte er sich ziemlich schnell, doch die Unsicherheit blieb, immerhin konnte keiner sagen, ob es erneut passieren würde und er nächstes Mal wieder so schnell auf die Beine kam. Zumindest hatten sie es schlussendlich geschafft, alle Samen aufzuspüren und unschädlich zu machen. Liliths Züchtungen hatten sie ebenfalls zusammengetrieben und ausgeschaltet, den Rest konnten die Exorzisten erledigen. Damit war nur noch Gehenna übrig. Ein weiteres Mal trafen sich Dämonen und Exorzisten, um sich abzusprechen und zu Rins Verwunderung sollte er dieses Mal mitkommen. Bisher war er nie dabei gewesen, da er ohnehin nicht mitkämpfen durfte, egal wie sehr er protestierte. Vielleicht war es besser so, er hatte noch immer gelegentliche Albträume von Lilith und seinen Peinigern. Erst gestern hatte er in seiner Panik beinahe einen Halbalukah angegriffen, als er dessen Augen sah. Glücklicherweise war nichts Schlimmeres passiert und der Dämon hatte es ihm nicht übel genommen, aber er war sich ziemlich sicher, dass manche seitdem einen Bogen um ihn machten. Folglich hielt er sich während des Treffens eher im Hintergrund und hörte schweigend zu. Umso überraschte war er von dem, was sein Vater zu verkünden hatte. „Ich bin nicht sicher, ob wir momentan dazu in der Lage sind, Lilith zu töten.“, gestand er zerknirscht klingend und zog damit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich. „Meine Kräfte werden immer schwächer und ich habe die Befürchtung, dass sie momentan stärker als ich ist. Unsere beste Chance ist es, sie vorerst erneut zu versiegeln.“ Es musste wohl nicht erwähnt werden, dass der Saal in heller Aufruhr versank. Es brauchte einiges rufen und eine gut gezielte Flamme von Satan, bis endlich halbwegs Ruhe eingekehrt war, Angel ließ sich davon allerdings nicht lange beeindrucken. „Was soll das heißen?!“, entrüstete er sofort. „Nach allem was geschehen ist, wollt ihr sie wieder versiegeln?! Sie wird ja wohl kaum noch einmal darauf hereinfallen und in ein paar Jahren geht das ganze Theater dann von vorne los! Das löst nichts, wahrscheinlich macht das eher alles schlimmer?“ So sehr der Nephilim es hasste, er musste dem Paladin Recht geben. Was dachte sich sein Vater dabei? Er müsste doch an besten wissen, wie gefährlich die Dämonin war! Er schaute zu seinen Brüdern, von denen keiner überrascht wirkte, allerdings sahen sie nicht weniger unzufrieden aus. „Es ist nur eine vorrübergehende Maßnahme.“, rechtfertigte sich der Dämonenherrscher. Dieses Mal blieben alle ruhig und hörten sich seine Erklärung an. „Ich bin genauso wenig begeistert, hätte ich die Möglichkeit würde ich sie sofort töten, aber es geht nicht anders. Sie hat zwar Rückschläge erlitten und musste sich zurückziehen, aber sie ist trotzdem noch sehr gefährlich, vor allem wegen ihres Amulettes.“ Er zögerte kurz und seufzte dann. „Ich bin vor einigen Tagen plötzlich umgekippt, die Heiler konnten allerdings nichts finden und ich habe mich sehr schnell erholt.“, gestand er, das raunen der anderen ignorierend. Dieses Mal schienen auch die Dämonenkönige überrascht und wechselten fragende Blicke. Offenbar wussten sie nicht, dass Satan von diesem Zwischenfall erzählen würde, doch dieser redete bereits weiter. „Ich vermute daher, dass ich schwächer geworden bin, als ich dachte, anders kann ich es mir nicht erklären. Wir können nicht riskieren, dass ich im entscheidenden Moment wieder zusammenbreche, daher bleibt uns nur die Versieglung. Bevor hier jemand anfängt, ich hatte gute Gründe, es vorerst für mich zu behalten und es spielt ohnehin keine Rolle mehr. Wichtig ist nur, dass wir uns einen Plan überlegen, um Pandemonium zurückzuerobern und Lilith nicht wieder entkommen zu lassen. Wir versiegeln sie und nutzen ihre Abwesenheit, um das Gleichgewicht wieder herzustellen und ihre Machtbasis zu zerstören. Dann lassen wir sie wieder raus und töten sie endgültig.“ Rin wurde erneut überrascht, niemand protestierte, nicht einmal Angel, auch wenn er nicht gerade begeistert davon aussah, dass Satan nicht eher etwas gesagt hatte. „Aber wie soll das ohne Lord Azazel funktionieren?“, warf einer der Dämonengeneräle ein. „Er ist nicht wirklich in der Verfassung, ein derart mächtiges Ritual durchzuführen.“

 

„Azazel wird nicht mitkommen.“, antwortete Satan und für einen Moment stand Sorge in seinem Gesicht, die schnell wieder verschwand. Der Grund dafür wurde in seinem nächsten Satz deutlich. „Rin wird seinen Platz einnehmen.“

 

„WAS?!“, entfuhr es dem Nephilim entsetzt und starrte seinen Vater mit aufgerissenen Augen an. „Ich?! Hast du sie noch alle?!“ Vermutlich nicht die beste Art mit einem Dämonengott zu reden, aber das war ihm momentan mehr als egal. „Ich habe keine Ahnung davon! Ich jage eher Gehenna in die Luft!“ Satan ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen, verschränkte die Arme und sah ihn ernst an. „Wir haben keine andere Wahl. Du bist der Einzige, der über genug Macht verfügt. Selbst wenn Azazel keinen Vertrag mit Lilith hätte, er ist zu schwach.“

 

„Ich hab nicht mal all meine Kräfte, wie soll ich da helfen?! Nehmt Shax oder so!“, erinnerte Rin ihn, während er versuchte, all die ganzen Blick und das Geflüster zu ignorieren. Was um alles in der Welt dachte sich sein Vater nur dabei?! Er war die schlechteste Wahl dafür! „Shax hat nicht genug Macht dafür, es geht nicht anders. Es gibt eine Möglichkeit, deine volle Kraft in das Ritual einfließen zu lassen.“, sprang Samael unerwartet ein. „Das ist deine einzige Aufgabe bei dem Ritual. Du musst nur deine Kraft leihen und einige Worte aufsagen, den Rest übernehmen wir.“ Nur? Machte der Clown Witze? Er kannte seine Noten, er musste doch wissen wie schlecht er in Rezitation war. Darum hatte er sich ja gegen den Aria Meister entschieden! „Und was soll ich sagen?! Ich bin schlecht darin, mir Sachen zu merken!“

 

„Wir bringen es dir bei, es ist nicht viel.“, beruhigte Lucifer ihn schnell. „Gehennisch hast du auch gut geschafft, mach dir keine Gedanken. Ich weiß, dass kommt gerade aus dem heiteren Himmel, aber wir haben keine andere Möglichkeit mehr. Du bist der einzige, der Azazel ersetzen kann.“ Rin gefiel nicht, was er hörte. Absolut nicht. Allerdings wusste er, dass sie ihn niemals darum beten würden, wenn es wirklich eine andere Möglichkeit gäbe. Und wenn es wirklich ihre letzte Chance war…

„Ok, dann tu ich es.“, verkündete er ein wenig widerwillig. „Aber ich weiß nicht, ob ich euch wirklich im Kampf helfen kann-“

„Du kämpfst nicht, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Keine Diskussion.“, fuhr Satan scharf dazwischen. „Ich soll einfach zusehen?“, protestierte der Nephilim, doch erneut schnitt sein Vater ihm das Wort ab. „Wenn du nicht auf die Vernunft hören willst, dann bedenke, dass das Ritual fehl schlägt, wenn dir etwas passiert. Abgesehen davon will ich nicht riskieren, dass dein Schwert zerbricht.“ Das reichte aus, um jede Diskussion im Keim zu ersticken. Ohne ein weiteres Wort sank der Halbdämon auf seinem Platz zusammen und nickte nur. „Gut, dann wäre das wohl geklärt…“, stellte einer der Exorzisten vorsichtig fest und erhielt zustimmendes Gemurmel. Shura, welche auf der anderen Seite des Raumes stand, warf dem jungen Nephilim einen besorgten Blick zu, woraufhin er versuchte, ihr aufmunternd zuzulächeln. Zumindest würde er endlich die Gelegenheit haben, seinen Beitrag zu leisten.

 

 

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Avaritia saß auf dem Balkongeländer und ließ ihre Beine baumeln, während sie über Pandemonium blickte. Von ihrer momentanen Position aus wirkte die Stadt so friedlich, beinahe schon idyllisch. Was für ein schlechter Witz. In den letzten Tagen gab es immer wieder Aufstände und Schlägereien, wahrscheinlich hatte man noch immer nicht alle Leichen weggeschafft. Was brachte es einem, über Gehenna zu herrschen, wenn sich alle gegenseitig töteten und die Körper bereits die Abflüsse verstopften? Was für eine gewaltige Verschwendung. Seufzend schloss sie die Augen und genoss den Wind, der ihr durch das Haar strich. Dieser Turm war zweifelsohne ihr Lieblingsort und gefühlt die einzige Stelle, wo man sich wirklich entspannen konnte. Keiner kam hier jemals hoch, höchstens einige Wächter schauten hin und wieder vorbei, doch die meisten waren schlicht und ergreifend zu faul, die ganzen Stufen hinaufzusteigen. Was würde sie nicht manchmal dafür geben, für immer hier zu sitzen und ihren Gedanken nachzuhängen. Das leise Knarren hinter ihr durchbrach ihre persönliche Idylle und ließ sie genervt die Augen verdrehen. „Was willst du, Lux?“, fragte sie ein wenig ungehalten, was die andere Todsünde nicht wirklich zu stören schien. „Ich dachte mir schon, dass ich dich hier finden würde.“, begrüßte sie sie. „Es gibt keinen Grund so aggressiv zu reagieren, weißt du?“

 

„Das ist der einzige Ort, wo ich mal Ruhe habe und dann kommst du an. Soll ich mich etwa darüber freuen?“, fragte die jüngere ungehalten. Luxuria antworte nicht, stattdessen setzte sie sich neben sie auf die Brüstung und betrachtete ebenfalls die Szenerie. „Jetzt verstehe ich, warum du immer hier bist. Die Aussicht hat was.“, kommentierte sie fast schon abwesend. „Ja.“, bestätigte die Silberhaarige. „Es sieht sogar fast wieder alles normal aus.“ Sie wandte sich an ihre Schwester, bevor sie weitersprach. „Du bist sicher nicht hier, um dir den Sonnenuntergang anzusehen. Was willst du?“

 

„Ist es so abwegig, dass ich nach meiner Schwester sehen will?“

 

Avaritia lachte auf, doch es klang falsch und erzwungen. „Ja, natürlich. Du bist vielleicht nicht so schlimm wie Superbia, aber wissen doch beide, wie gern du andere manipulierst. Also los, raus damit oder geh.“

 

„Gut, gut.“, gab sich die ältere geschlagen. „Ich habe mich nur gefragt…denkst du noch, dass wir wirklich gewinnen? Und selbst wenn, dass es das noch wert ist?“ Überrascht sah Avaritia sie an. „Wie kommst du denn darauf?“ Luxuria zuckte nur mit den Schultern, daher dachte sie nach und antwortete dann zögerlich. „Na ja, zu Beginn dachte ich, ich will auf jeden Fall gewinnen. Ich meine, der Preis ist Gehenna, wer würde nicht zuschlagen, aber jetzt…“, sie schnaubte abfällig. „So wie’s aussieht, bekommen wir nicht mal die Reste und ich habe es satt, nur rumgeschubst zu werden. Mal ganz abgesehen davon, dass vieles so verdammt unnötig ist. Hätte ich die Möglichkeit, wäre ich längst über alle Berge.“

 

„…Ja, mir geht’s ähnlich, nur hatte ich nie Interesse an Gehenna.“, erwiderte die ältere Sünde schulterzuckend. „Allerdings hatte ich nie eine andere Aufgabe, schätze ich. Jetzt scheint aber alles umsonst gewesen zu sein. Der nächste Kampf dürfte knapp werden.“

 

„Sicher? Azazel ist aus dem Verkehr gezogen, Satan und die Baal sind geschwächt…andererseits haben wir sie wohl schon zu oft unterschätzt. Sonst wäre Gula noch am Leben…“ Ihre Stimme brach, der Gesichtsausdruck düster. Sie hatten keine enge Bindung miteinander wie die Dämonenkönige, aber es war dennoch seltsam, dass die jüngere Dämonin nicht mehr bei ihnen war. Lilith hatte es selbstverständlich nicht gekümmert, ebenso wenig wie Superbia, der Rest war schwer einzuschätzen, nur Acedia schien aufrichtig traurig zu sein. „Wenn das hier den Bach runter geht, bin ich weg.“, murmelte Avaritia plötzlich. „Mir egal, was danach kommt, irgendwas fällt mir schon ein. Notfalls flieh ich in das unerforschte Gebiet, wenn sich andere Dämonen durchschlagen können, schaffe ich das erst recht. “ Nun war es Luxuria, die sie überrascht ansah. „Mutig, das so direkt zuzugeben.“

 

„Du wirst mich wohl kaum verpfeifen.“

 

„…Ich schätze, ich werde es ähnlich machen.“, gestand die ältere. „Aber vielleicht nicht unbedingt ins unerforschte Gebiet. Ich will nicht wie ein Tier im Wald leben. Aber selbst wenn Lilith gewinnt, bin ich nicht sicher, ob ich hier bleiben will.“

 

„Ja, geht mir auch so.“ Stille folgte, dieses Mal war sie jedoch wesentlich angenehmer. Irgendwie war es ein schönes Gefühl, zusammen hier zu sitzen und einmal nicht zu streiten. Wenige Minuten später ging langsam die Sonne unter und die ersten Lichter in den Häusern leuchteten auf, gefolgt von den Straßenlaternen. „Also…ich schätze mal, ich sollte langsam zurück in mein Zimmer und schlafen.“, murmelte Luxuria. „Satan könnte jeden Tag anrücken…Bleib nicht zu lange wach, ok?“ Avaritia summte zustimmend, noch immer auf die Stadt herabschauend. „Ja, alles klar.“, antwortete sie gedankenverloren. Luxuria schien noch etwas zu wollen, überlegte es sich dann allerdings anders und ließ ihre Schwester mit ihren Gedanken allein.

 

 

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„Solltest du dich nicht auf den Angriff vorbereiten?“ Ankou zuckte zusammen, da sie nicht gedacht hätte, dass Azazel noch wach war. „Und solltest du nicht schlafen?“, konterte sie, während sie vorsichtig die Tür hinter sich schloss. Der Baal zuckte mit den Schultern, setzte sich auf und streckte sich, dann drehte er sich zu ihr um und seine Augen weiteten sich. Sie hatte bereits eine derartige Reaktion erwartet, konnte sich ein leichtes Grinsen aber nicht verkneifen. „Gefällt es dir?“, fragte sie herausfordernd und fuhr sich durch ihre nun schulterlangen Haare. „Ä-Ähm ja, s-sieht gut aus.“, stotterte der Geisterkönig hervor und drehte sich weg, sodass seine Haare den größten Teil seines Gesichtes verdeckten. Ein mehr als eindeutiges Anzeichen, dass er gerade rot wurde. „Warum hast du sie abgeschnitten?“, versuchte er die Situation zu retten. „Du hast die langen Haare schon ewig.“

 

„Kürzere Haare sind praktischer beim Kämpfen und ich wollte mal etwas neues ausprobieren.“, erklärte sie gelassen. „Abgesehen davon wachsen sie doch nach. Es ist nur Haar.“ Sie setzte sich auf den Boden und musterte den älteren Dämonen. Er sah nicht besser aus als bei ihrem letzten Besuch, aber immerhin auch nicht schlechter. „Wo ist Ruha?“, fragte sie schließlich, da dem Baal die "Wie geht es dir"-Frage inzwischen mehr als nur zum Hals heraushängen dürfte. „Ruht sich im Limbo aus.“, antwortete er seufzend. „Sie kann sich jetzt zwar richtig verankern, aber es macht sie sehr müde. Ich schätze mal, sie wird bald wieder gehen müssen.“ Zwar versuchte er neutral zu klingen, doch sie bemerkte sofort wie zittrig seine Stimme am Ende klang. „Hey, du kannst ruhig zugeben, dass du traurig deswegen bist.“, sagte sie leise. „Ich bin’s, du musst nicht immer so stark tun.“

 

„Genau das gleiche könnte ich zu dir sagen.“, fauchte er unerwartet, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht so anfahren. Mich macht es nur wahnsinnig, dass ihr kämpft, während ich hier wieder Däumchen dreh. Ich konnte nicht mal für meinen Vater da sein, als er zusammengebrochen ist und dann muss ausgerechnet Rin meinen Platz für das Ritual einnehmen. Was wenn ihm etwas passiert?“

 

„Wir passen auf ihn auf, er ist in guten Händen.“, beruhigte sie ihn schnell. „Rin ist abgesehen davon kein kleines Kind mehr. Er ist nicht wehrlos.“ Sie sagte dies nicht nur, damit er sich besser fühlte. Der Nephilim war vielleicht noch kein richtiger Kämpfer, aber er hatte das Potenzial dazu und viele neigten dazu, ihn zu unterschätzen. Sie war sich ziemlich sicher, dass er notfalls selbst einige Feinde ausschalten konnte. Allerdings hatte er bisher nur Gula getötet und obwohl es aus Notwehr geschehen war, hatte es seine Narben hinterlassen. Davon abgesehen würde es sie nicht wundern, wenn ihn Verliese und dunkle, enge Orte nervös machten, was natürlich nicht unbedingt günstig war, wenn das Ritual dort ablaufen würde. Generell blieben die Folgen abzuwarten, insbesondere Azazel und Rin würden noch sehr lange an allem zu knabbern haben. „Er ist immer noch ein Kind.“, warf der Geisterkönig ein. „Er sollte nicht in einem Krieg kämpfen oder Rituale absolvieren.“

 

„Azazel, ihr wart damals auch jung und habt es geschafft. Er wird das schon hin bekommen und du hälst jetzt sofort den Mund und beruhigst dich oder ich hetze dir Egyn, deine Mutter und Sequana auf den Hals.“, drohte sie und ließ Azazel zusammenzucken. „Sequana?! Warum Sequana?!“

 

„Darum. Also ruhig jetzt und tief durchatmen.“, wies die Dämonin ihn streng an und nach kurzem Zögern tat er, was sie verlangte. „Gut. Und jetzt mach dir keine Gedanken mehr, ok?“ Da Azazel noch immer drein schaute, als würde bald jeder sterben, den er kannte, stand sie seufzend auf. „W-Warte du-“ Ankou ignorierte seine Proteste und setzte sich neben ihn, dann nahm sie seine Hand in ihre. „Du hilfst uns am meisten, wenn du hier bleibst und dich erholst. Wir beschützen Rin und den anderen wird es auch gut gehen. Wir haben schon so viel überlebt, dann überleben wir das hier auch. Schon allein, weil wir alle ewig gewartet haben, bis Agares mal genug Mut hat, mit Egyn über ihre Gefühle zu sprechen und sehen wollen wie es weiter geht.“ Azazel schnaubte. „Über 1000 Jahre Wartezeit und ich verpasse es…“, grummelte er mussmutig. „Immerhin hat Iblis es gefilmt…“

 

„Also, bleib ganz ruhig.“, fuhr Ankou fort, als hätte er nichts gesagt. „Halt einfach nur durch.“, Erneut zögerte sie, dann gab sie ihm kurzerhand einen schnellen Kuss auf die Wange und stand wieder auf. „Ich sollte gehen, aber ich komme morgen nochmal.“, sagte sie und ignorierte ihre nun ebenfalls leicht geröteten Wangen. „J-Ja, gut…“, kam die überrumpelt klingende Antwort, während sich der Baal an die Wange fasste. Sie warf ihm einen letzten Blick zu, dann verließ sie das Zimmer. ‚Es ist bald vorbei…wir werden Lilith los, Azazel erholt sich und Gehenna wird neu aufgebaut. Alles kein Problem.‘, beruhigte sie sich. ‚Wir haben es beinahe geschafft. Halte nur noch etwas länger durch.‘

 

 

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„Ok, Rin. Noch einmal, dann reicht es für heute.“, sagte Lucifer und sah den Nephilim erwartungsvoll an. Dieser atmete kurz durch, bevor er der Aufforderung nachkam und die Formel erneut aufsagte. Als er fertig war, nickte der Lichtkönig zufrieden. „Sehr gut, du hast keinen Fehler gemacht.“, lobte er den jüngeren Dämonen und lächelte ihm aufmunternd zu. „Ich denke, du musst dir diesbezüglich keine Sorgen machen.“

 

„Danke.“, murmelte Rin leise, mit den Gedanken längst anderswo. Seit er erfahren hatte, was von ihm erwartet wurde, übte er ständig die Formel und für den Fall der Fälle Nahkampf sowie den Umgang mit seinen Flammen. Leider konnte er sein Schwert nicht als Waffe verwenden, die Klinge war zu instabil und sie brauchten es außerdem für das Ritual. „Hey, es wird alles gut.“, hörte er Lucifer weiterreden. „Du hast dich so gut vorbereitet, das wird schon.“, redete beruhigend auf ihn ein. Der Halbdämon nickte nur und bedankte sich, dann stand er auf, um in die Cafeteria zu gehen. Er wollte Mittag essen, bevor der größere Ansturm kam. Nachdem er sein Essen hatte, sah er sich kurz im Saal um, wie erwartet waren nur wenige Tische besetzt. Zu seiner Überraschung entdeckte er dabei ein sehr ungewöhnliches Pärchen: An einem Tisch saßen Christina und Indra und waren offenbar tief in einer Unterhaltung versunken. Neugierig was die beiden trieben, ging er zu ihnen. „Hey…kann ich hier sitzen?“, fragte er, woraufhin die Hexe sofort nickte. „Klar, setze dich!“ Er nickte dankbar und setzte sich neben sie, Indra wich interessanterweise seinem Blick aus und aß stumm weiter. „Und, wie läuft es mit dem Formel lernen?“, fragte derweil Christina, welche das seltsame Verhalten der Zeitdämonin entweder nicht bemerkte oder ignorierte. „Es geht.“, gestand der Nephilim. „Ich habe heute keinen Fehler gemacht, aber ich habe trotzdem ein schlechtes Gefühl. „Mach dir keine Gedanken, das wird schon.“, tröstete sie ihn sofort. „Ich kenne das Gefühl. Als ich damals Hohepriesterin geworden bin und zum ersten Mal ein Mondritual anführen musste, war ich auch furchtbar aufgeregt und konnte die Nacht davor kaum schlafen. Ich dachte, ich würde etwas falsch machen und mich vor dem ganzem Zirkel blamieren. Schlussendlich lief alles super.~“

 

„Sie hat recht.“, sagte unerwarteterweise Indra, die aber noch immer auf ihren Teller schaute. „Das ist nur eine Frage der Konzentration. Du bist nicht dumm, also beweise es.“ Erst jetzt fiel dem jungen Dämonen auf, wie müde sie aussah. Unter ihren Augen lagen Schatten und ihre Haare wirkten zerzaust. Sie machten einen beinahe schon elenden Eindruck, von ihrem sonstigen Stolz und Selbstbewusstsein war wenig zu sehen. Jetzt wo er darüber nachdachte, fiel ihm sogar auf, dass sie anders als sonst sprach. Wahrscheinlich sah sie keinen Sinn mehr darin, länger beim förmlichen zu bleiben, zumal sie momentan nicht länger eine Adelsposition inne hatte.  „Also…worüber habt ihr geredet?“, fragte er vorsichtig. „Ich hab euch noch nie zusammen gesehen.“

 

„Wir haben uns vor einigen Tagen kennen gelernt und ich brauchte jemanden zum Reden.“, gestand die Zeitdämonin leise. „Und da sie Samael ganz gut kennt, hab ich sie gefragt.“ Sie schaute zum ersten Mal auf und musterte ihn. „Du hast unseren Streit auf der Feier mitbekommen, nicht wahr?“ Überrascht sah der Nephilim sie an. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Samael ihr davon erzählt hatte und gesehen konnte sie ihn an diesem Abend auch nicht haben. Dennoch entschied er sich für die Wahrheit. „Ja, aber das war keine Absicht.“, antwortete er entschuldigend. „Wie hast du das mitbekommen?“

 

„Spielt keine Rolle. Ich nehme an, dann hast du das mit Lilith gehört.“, fuhr sie düster fort. „Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass du dich zu uns gesetzt hast. Ich dachte, du würdest mich hassen oder mir zumindest aus dem Weg gehen.“ Erneut erwischte sie Rin im kalten und erhielt einen verwunderten Blick. „Warum sollte ich das tun?“

„Du hast doch mitbekommen, was ich über Lilith gesagt habe, oder?“

 

„Dass du in sie-“, setzte er an, wurde aber schnell von ihr unterbrochen. „Ja! Sag es doch noch lauter!“, zischte sie. „Dann kann ich mich gleich von meinem letzten Funken Würde verabschieden!“

 

„'Tschuldige…aber nein, warum sollte mich das kümmern? Ich verstehe zwar nicht wie man sie…na ja, du weißt schon kann, es geht mich allerdings nicht wirklich was an.“ Sicherlich, am Anfang war er ziemlich überrascht und sogar ein wenig schockiert gewesen, doch schlussendlich kannte er die Hintergründe nicht und da sie Indra ohnehin gekorbt hatte, spielte es wohl keine große Rolle. Er wusste, dass Lilith sie gedemütigt hatte und sie es ihr mit Satan heimzahlen wollte, das reichte ihm bereits. „Du vergisst, dass dein Vater sie einst geliebt hat.“, erinnerte Indra ihn mit einem bitterem Lächeln. „Du hast sie so kennen gelernt, wie sie jetzt ist. Früher sah es anders aus.“

 

„Laut meinem Vater sie schon immer eine manipulierende Tyrannin.“, warf Rin ein, woraufhin die Zeitdämonin langsam nickte. „Das ist wahr, aber sie hatte gute Qualitäten. Wusstest du, dass damals schon ihre Dämonen oft schlechter behandelt wurden? Lilith hat sich dafür eingesetzt, dass sie besser behandelt werden. Sie hat einiges unterstützt, zum Beispiel, dass der Qualitätsunterschied der Ausbildung an öffentlichen und privaten Schulen nicht mehr so gewaltig ist und war dafür, den Adel und das Häusersystem abzuschaffen, sodass es nur normale Bewohner und das Königshaus gibt. Letzteres hat sie natürlich nicht ganz uneigennützig getan, sie bewertet Personen stets danach wie sehr sie ihr nutzen können, aber es gibt einige, die die Adligen abschaffen wollen. So oder so hat sie tatsächlich einige gute Dinge gebracht oder zumindest versucht sie durchzusetzen. Wäre nicht ihre Obsession und ihr Hochmut gewesen, hätte sie eine gute Königin sein können. Es war ein sehr zweischneidiges Schwert. Einerseits hat sie kein Problem damit gehabt das Volk auszunutzen und Aufstände oder dergleichen brutal niederzuschlagen, andererseits hat sie in einigen Bereichen wirklich versucht zu helfen. Was genau in ihrem Kopf vorging, weiß wohl keiner.“ Sie seufzte. „Worauf ich hinaus will: Lilith ist keine gute Person, aber sie hatte durchaus Eigenschaften, die sie sympathisch wirken ließen. Selbstbewusstsein, Ehrgeiz, Charisma, Intelligenz, Pragmatismus…rückblickend frag ich mich jedoch wie viel eine Maske war, denn wirklich zu kennen scheine ich sie ja nicht zu haben.“ Kopfschüttelnd aß sie weiter, weswegen nun Christina das Wort ergriff. „Ich denke wir können uns einigen, dass Lilith nicht so leicht einzuschätzen ist. Nicht mal Lord Satan hat kommen sehen, dass sie versuchen würde, seine anderen Frauen zu ermorden. Nach dem was ich so höre, hat er sie nach der Trennung nach wie vor mit Respekt behandelt. Zumindest zu Beginn…“

 

„Ich weiß ja nicht, was die anderen über dich sagen.“, erwiderte Rin. „Aber mir ist es egal, was deine Beziehung zu Lilith war. Es ist doch nur wichtig, dass du jetzt hier bist und nicht bei ihr und ihr hilfst. Wer auch immer sich darüber aufregt, ist einfach nur bescheuert.“

 

„Genau das sage ich ihr auch die ganze Zeit!“, verkündete Christina und verdrehte die Augen. „Und ich versuche schon die ganze Zeit sie dazu zu überreden, sich mal richtig mit Lord Samael auszusprechen und ihm alles zu erzählen, was sie uns erzählt hat, aber sie ist so stur!“ Indra schnaubte nur abfällig und bleckte leicht die Zähne. ‚Wow, sie scheint wirklich am Ende zu sein…ich habe sie das noch nie machen sehen…‘, stellte Rin am Rande fest. Nun da er die Körpersprache der Dämonen grob kannte, achtete er auf vieles, was er zuvor ignoriert hatte und verstand dadurch endlich, warum seine Brüder ihm immer eingebläut hatten, diesbezüglich vorsichtig zu sein. Gewisse Haltungen und Gesten konnten so viele Bedeutungen haben und das sprang einem sofort entgegen. „Ich habe schon oft versucht mit ihm zu reden, er lehnt mich immer ab. Was soll das bringen?“, zischte sie verbittert. „Na ja, so wie du manchmal mit ihm sprichst, ist das kein Wunder.“, kommentierte Rin und erhielt dafür einen bohrenden Blick, aber sprach dennoch weiter. „Ich meine, ich bin nur Zuschauer, aber du bist teilweise echt passiv aggressiv, das fällt sogar mir auf. Du sagst ihm dann sowas wie, dass du seine Mutter bist und er darum hören soll, aber das klingt eigentlich nur arrogant und irgendwie auch herablassend. Also…versuche doch mal ruhig mit ihm zu reden, ohne was zu verlangen, einfach nett sein und dich ran tasten.“ Er stockte und wich etwas unangenehm berührt ihrem Blick aus. „Tut mir leid, ich bin nicht gut bei solchen Kram.“

 

„...Nein…“, seufzte Indra. „Du hast recht.“ Bitte was? Rin und Christina sahen sie beiden verwundert an. Sie hatten beide erwartet, dass sie gleich Gift spucken würde, keine Einsicht. Mir ist das schon beim letzten Streit mit ihm klar geworden…ich habe nicht das Recht irgendetwas von ihm zu verlangen.“ Sie stockte und wandte sich erneut an Rin, dieses Mal sah sie ihn beinahe flehend an. „Glaubst du wirklich, er würde mir zuhören?“ In Wirklichkeit war der Nephilim nicht sicher, der Zeitkönig war unberechenbar und es fiel ihm noch immer schwer, manche seiner Handlungen nachzuvollziehen, allerdings hoffte er es. „Ich werde mal versuchen mit ihm zu reden. Vielleicht kann ich ihn überreden, dir zumindest zuzuhören.“, bot er an und erhielt ein dankbares Lächeln. „Danke. Du hast keinen Grund mir zu helfen und trotzdem…“ Ihre Stimme brach, offenbar war sie unsicher, wie sie fortfahren sollte. Rin zuckte nur mit den Schultern. „Kein Problem. Du scheinst ja zu bereuen was passiert ist und ich denke, jeder hat eine zweite Chance verdient. Außer Lilith, aber das ist was anderes.“ Zu seiner Überraschung lachte Indra kurz auf, doch von nun an wirkte sie wesentlich glücklicher und nicht mehr ganz so zerstreut wie zu Beginn. Rin überlegte derweil fieberhaft wie er Samael am besten dazu überreden sollte, mit seiner Mutter zu sprechen. Zwar kam er inzwischen recht gut mit ihm klar, doch er stand ihm nicht so nah wie beispielsweise Iblis oder Egyn. Vielleicht sollte er ganz direkt sein, dann konnte sich der Zeitkönig gar nicht herausreden. Das hoffte er zumindest. Christina schien seine Besorgnis zu spüren, denn sie lächelte ihm aufmunternd zu. „Mach dir keine Gedanken, dir wird er in jedem Fall zuhören. Du musst nur stur bleiben und ihn notfalls dazu zwingen. Glaub mir, ich spreche aus mehreren Jahrhunderten Erfahrung.~“, versicherte sie ihm gelassen. „Er ist nur leider ein fürchterlicher Dickkopf, aber da scheint er wohl nach dir zu kommen.~“ Letzteres unterstrich sie mit einem vielsagenden Grinsen, das Indra mit dem Kopf schütteln ließ. „Sein Vater ist nicht weniger Schuld daran, auch wenn er gerne anderes behauptet.“, brummelte sie vor sich hin und rümpfte die Nase, mehr sagte sie allerdings nicht. Schweigend beendeten sie ihr Mittagessen, anschließend überredete Rin die Zeitdämonin direkt zu Samael zu gehen und mit ihm zu reden. Zugegebenermaßen war der Halbdämon selbst nicht begeistert, aber versprochen war versprochen. Sie fanden den Zeitdämonen und Amaimon bei einer kleineren Gruppe Dämonen in einem der Räume, wobei letztere bereits dabei waren, zu gehen. Indra wartete draußen, während der Nephilim herein ging und im Stillen betete, dass er die Situation nicht schlimmer machte. Behemoth, der bisher unter einem Tisch gesessen hatte, sprang sofort hervor und begrüßte den Dämonen freudig indem er ihn beinahe umwarf und Streicheleinheiten verlangte. Natürlich kam er der Aufforderung nach. „Rin! Was führt dich denn her?“, wurde er von dem älteren Baal begrüßt. „Lucifer hat erzählt, dass du die Formel inzwischen gut beherrschst. Ich gebe zu, dass ich meine Zweifel hatte.~“

„Du solltest ihn nicht immer unterschätzen, Bruder.“, kommentierte Amaimon und überraschte damit den Nephilim immens, doch Samael zuckte nur mit den Schultern. „Es ist keine einfache Formel und nach dazu Henochisch. Andere brauchen Jahre dafür.“

 

Erneut war Rin überrascht, als ihm klar wurde, dass sie ihn lobten, zumal insbesondere Amaimon damals seine Unwissenheit kritisiert hatte. „Ähm danke…“, murmelte er und wandte sich an Samael. „Ich muss mit dir reden…Amaimon, kannst du uns bitte allein lassen?“ Der Erddämon zuckte mit den Schultern und verschwand mit Behemoth im Schlepptau. Samael sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Seit wann so nervös?“, fragte er und fing an zu grinsen. „Möchtest du etwa Beziehungstipps, kleiner Bruder? Sehr lobenswert, dass du nach Moriyamas Zurückweisung wieder so schnell auf den Beinen bist.~“ Sofort errötete jüngere und schüttelte schnell mit dem Kopf. Er wollte diese Blamage nur noch vergessen, wieso musste der Zeitdämon das ansprechen?! „Nein, das hat nichts damit zu tun!“, verneinte er schnell und verkniff es sich zu erwähnen, dass Samael der letzte wäre, zu dem er für Beziehungstipps gehen würde, immerhin wollte er ihm nicht jetzt schon die Laune verderben. „Um ganz ehrlich zu sein, geht es um Indra.“, gestand er und wie erwartet, versteifte der andere sofort, auch wenn sich sein Gesichtsausdruck nicht veränderte. „Oh, wirklich? Ich habe sie seit der Feier nicht gesehen, daher bezweifle ich, dass ich dir dabei helfen kann.“ Rin verfluchte sich, weil er zugestimmt hatte, die Situation war jetzt schon richtig unangenehm. „Sie möchte mit dir reden. Aber dieses Mal richtig.“, erklärte er, bevor der Baal ihn unterbrechen konnte. „Ohne streiten, ohne irgendwas zu verlangen und so.“ Samael verzog das Gesicht, seufzte dann aber. „Rin, ich weiß nicht, was sie dir erzählt hat, aber lass dich nicht täuschen. Sie ist kein Opfer-“

 

„Aber sie bereut, wie es zwischen euch gelaufen ist!“, unterbrach Rin ihn schnell. „Ich verstehe, dass du wütend auf sie bist, ich wäre es genauso, aber sich immer nur zu streiten, wird es nicht besser machen. Du musst sie ja nicht sofort als Mutter annehmen, aber willst du sie nicht wenigstens anhören? Du bist der einzige, dessen Mutter noch lebt, wäre ich an deiner Stelle, würde ich es zumindest versuchen.“ Samael zögerte, wirkte aber noch nicht ganz überzeugt. „Sie hatte Jahre Zeit dafür und es nie genutzt. Warum sollte es dieses Mal anders laufen?“

 

„Weil ich dieses Mal keine Erwartungen habe und nur möchte, dass du mir zuhörst.“, wurden sie von Indras Stimme unterbrochen. Offenbar hatte sie genug davon, Rin alles zu überlassen. Sie sah Samael ernst, aber ruhig an und auch ihre Körperhaltung wirkte entspannter als sonst. Es faszinierte den Nephilim immer wieder, worauf er inzwischen achtete, früher hätte er es nicht getan. „Ich weiß, wir waren nicht immer meiner Meinung und ich habe vieles mir selbst zuzuschreiben.“, fuhr sie leise fort. „Aber bitte höre mir wenigstens einmal zu. Danach kannst du mich meinetwegen nach Herzenslust ignorieren.“ Samael zögerte, Rin sah ihn nur bittend an. Wie durch ein kleines Wunder, nickte der Baal schließlich. „Also gut, ich bin ganz Ohr. Aber wenn ich merke, dass du mich anlügst oder versuchst mir wieder ein schlechtes Gewissen zu machen, bin ich weg.“ Sowohl Indra als auch der Nephilim waren erleichtert, letzterer hatte allerdings nicht vor, länger hier zu bleiben. Er hatte ein wenig nachgeholfen, den Rest mussten sie selbst erledigen. „Also ich bin dann mal weg.“, verabschiedete er sich. Keiner der beiden hielt ihn auf, wobei Indra ihm im Vorbeigehen ein schnelles „Danke“ zuflüsterte.

 

 

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Samael war nicht sicher, weswegen er zugesagt hatte. Indra hatte mehr als genug Zeit gehabt, mit ihm zu reden und erst jetzt wollte sie versuchen, ihre ohnehin schon kaum existierende Beziehung in Ordnung zu bringen. Entweder hatte der Verlust ihres alten Lebens ihre Augen geöffnet oder sie wollte sich schlicht und ergreifend einschmeicheln, damit er ihr aus der Patsche half. „Also, worüber möchtest du reden?“, fragte er direkt, da die Zeitdämonin schwieg. Diese schien sich kurz zu sammeln, dann begann sie zu sprechen. „Zuerst wollte ich mich für mein Verhalten entschuldigen. Es stand mir nicht zu, irgendetwas von dir zu erwarten. Du hattest Recht. Ich habe dich nicht aufgezogen und somit nicht das Recht, dir Vorschriften zu machen.“ Damit erwischte sie den Zeitkönig im kalten. Noch nie zuvor hatte er erlebt wie sich für irgendetwas entschuldigt hatte! Allerdings schwieg er, er wollte wissen, was als nächstes kam. „Ich verstehe, dass du wütend auf mich bist. Dich einfach bei deinem Vater abzugeben und zu verschwinden war feige, aber ich hatte Angst.“, fuhr sie leise vor. „Angst wegen meiner Familie, meinem Ruf und vor allem Angst davor, mich um ein Kind zu kümmern. Ich war nicht bereit dazu.“

 

„Das entschuldigt nicht, dass du nie versucht hast, Kontakt aufzunehmen.“, unterbrach Samael sie, allerdings weniger aggressiv als sonst. Wenn seine Mutter endlich bereit war wie eine vernünftige Erwachsene zu reden, würde er es ihr gleich tun. „Ich meine nicht, dass du jeden Tag oder jede Woche hättest kommen müssen. Aber du hast dich nicht einmal zu erkennen gegeben, bis ich fast erwachsen war. Um genau zu sein, warst es nicht mal du, sondern Vater. Warum hast du nicht eher versucht, mich zu erreichen?“ Erneut zögerte die Dämonin und für einen Moment glaubte er, sie würde wie immer der Frage ausweichen, doch zu seiner Verblüffung antwortete sie. „Ich habe mir eingeredet, dass du ohne mich besser dran bist. Du hattest deinen Vater, deine Geschwister und Stiefmütter, ich hatte da keinen Platz. Dumm, ich weiß.“ Sie sah Samael nachdenklich an, dann stellte sie eine Frage, die nicht erwartet hatte. „Erinnerst du dich an dein Tik-Tik Plüschtier aus deiner Kindheit?“ Natürlich erinnerte er sich, es war sein Lieblingsplüschtier, er hatte es sogar noch in einer Kiste zusammen mit anderen Kindheitserinnerungen. Er hatte immer ein gewaltiges Theater veranstaltet, wenn es weg gewesen war und konnte ohne es nicht schlafen. Vom Aussehen her erinnerte es stark an eine Fledermaus in Assiah, nur war es violett, hatte kleine Hörner und einen kleinen Schweif. „Ja…warte, warum weißt du davon?“, fragte er scharf nach, woraufhin die andere Dämonin ein wenig lächelte. „Ich war es, die sie dir geschenkt hat. An deinem ersten Geburtstag um genau zu sein.“ Sekunde, wie bitte?! „Du hast was?!“, entfuhr es ihm überrascht, woraufhin die Zeitdämonin ein wenig verstohlen lächelte. „Ich schätze, ich wollte doch irgendwie ein kleiner Teil deines Lebens sein, auch wenn ich mir anderes eingeredet habe. Es macht trotzdem nichts gut, ich weiß.“ Seufzend lehnte sie sich gegen den Tisch. „Du hattest Recht, ich war damals zu feige. Insbesondere bei der Sache mit Uriel, aber ich wollte mir nicht eingestehen, dass es wirklich Lilith war. Und als ich dich dann hatte, ist es noch komplizierter geworden. Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion und wusste, dass du bei Satan sicherer bist, aber gleichzeitig war ich zu stolz, um meine Fehler zuzugeben oder die Hilfe deines Vaters in Anspruch zu nehmen.“

 

„Und jetzt bist du hier. Warum der plötzliche Meinungsumschwung?“

 

„Muss ich dir das wirklich erklären? Meine Familie hat mich verstoßen, wir könnten bald alle tot oder schlimmeres sein, ich habe genug von den Heimlichkeiten, was habe ich noch zu verlieren? Ich hätte das hier schon viel eher tun sollen.“ Sie klang müde, während sie das erzählte, doch ihre Stimme wankte nicht. „Ich weiß, du hast keinen Grund mir zu vergeben, aber ich wollte es zumindest richtig stellen und meine Seite erzählen.“

 

„Hast du bereits mit Vater darüber gesprochen?“

 

„Noch nicht.“, gab sie zu und wirkte für einen Moment nervös. „Aber ich werde es bald tun. Er verdient die Wahrheit genauso, auch wenn er mich danach wohl hassen wird.“ Erneut herrschte Stille in der der Zeitdämon über ihre Worte nachdachte. Noch hatte er seiner Mutter nicht ganz vergeben, er war nach wie vor wütend und immerhin hatte sie selbst zugegeben, selbstsüchtig gehandelt zu haben. Nun da er sich jedoch noch einmal alles in Ruhe durch den Kopf gehen ließ, musste er zugeben, dass Abneigung nachgelassen hatte. Nicht genug, um sie direkt in sein Leben zu lassen, doch es war wohl zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Fürs erste würde er einige weitere Fragen stellen, dann konnte er sich immer noch entscheiden.

 

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Rin machte sich gerade bettfertig, als es an der Tür klopfte. Er erwartete niemanden und sein Vater und seine Brüder klopften nie, immerhin schliefen sie ebenfalls in diesem Zimmer. „Ist offen!“ Die Tür öffnete sich und sein Besuch stellte sich als Yukio heraus. „Oh, hey!“, begrüßte er den jüngeren. „Tut mir leid, dass ich mich nicht nochmal gemeldet hab, ich hab Samael bei was geholfen und war dann trainieren.“

 

„Schon in Ordnung, dein Training ist wichtiger.“, antwortete der Brillenträger. „Ich hab gehört, dass du die Formel inzwischen ganz gut kannst.“ Er zögerte kurz, dann sprach er langsam weiter, scheinbar ein wenig unsicher. „Ich habe es dir noch nicht gesagt, aber ich bin beeindruckt davon, wie viel du in dem letzten Dreivierteljahr gelernt hast. Gehennisch klingt nicht einfach, dann noch deine Flammen, jetzt diese Formel…Vater wäre stolz auf dich.“ Rin glaubte für einen Moment, sich verhört zu haben. Yukio hatte ihn noch nie wegen seiner schulischen Leistungen gelobt, von seinen dämonischen Kräften einmal ganz abgesehen. „Wow…danke!“, antwortete er daher etwas überrumpelt und grinste seinen Zwilling an. „Bevor du’s weißt übernehme ich auch deinen Unterricht, du wirst sehen!“ Er war ein Witz, kein besonders guter und eher ein kläglicher Versuch seine Überraschung zu verstecken, doch tatsächlich lächelte Yukio für den Bruchteil einer Sekunde. „So weit würde ich für’s erste nicht gehen, aber vielleicht irgendwann einmal.“ Rin nickte und setzte sich auf sein Bett. „Übrigens wollte ich schon immer mal fragen wie es war, vom alten unterrichtet zu werden. Ich kann ihn mir irgendwie gar nicht als Lehrer vorstellen.“ Seit Shiros Tod hatten sie kaum über ihn gesprochen, doch nach seinem Treffen mit ihm im Limbo und dem darauf gefolgten Gespräch mit Yukio hatte sich das geändert. Sicher, es tat nach wie vor weh, doch es war kein Grund eine Person tot zu schweigen. Stattdessen  sollte man sie stets in guter Erinnerung behalten. „Streng.“, erwiderte Yukio sofort. „Aber auch sehr geduldig und motivierend. Es gab einige Exorzisten, die mit seiner Art zu unterrichten nicht einverstanden waren. Oder besser gesagt seiner Einstellung gegenüber Dämonen.“ Er seufzte kurz, offenbar in Gedanken bevor er weitersprach. „Da er der Paladin war, hat es keiner offen gesagt, aber er hat immer wieder einige Kommentare und Seitenhiebe bekommen. Das hat ihn natürlich wenig gekümmert, er hat einfach weiter gemacht. Ich schätze, das haben du und er gemeinsam.“ Sie sprachen noch eine Weile über Shiro und einige ihrer liebsten Erinnerungen mit ihnen, bis der jüngere Okumura Zwilling das Gespräch in eine andere Richtung lenkte. „Also…ich nehme an, der Angriff wird bald stattfinden, wenn du die Formel jetzt kannst. Haben die Dämonenkönige oder Satan etwas erzählt?“

 

„Nein, leider nicht.“, gestand Rin. „Aber du wirst wohl Recht haben. Es gibt keinen wirklichen Grund das ganze weiter raus zu zögern. Hoffen wir nur, dass ich es nicht vermassle. Wäre ja nicht das erste Mal.“ Letzteres sagte er mit ungewollter Bitterkeit in der Stimme. „Sag sowas nicht.“, sagte Yukio schnell. „Du hast so viel geübt und sie würden nicht angreifen, wenn sie nicht sicher wären, dass du es kannst. Das wird schon.“ Der Nephilim nickte, aber die Nervosität blieb natürlich. „Danke. Hätte nicht gedacht, das mal von dir zu hören.“ Es war die Wahrheit und natürlich zuckte Yukio ein wenig zusammen, doch er widersprach nicht. Die beiden redeten noch eine Weile, dann verabschiedete sich der jüngere, da es allmählich spät wurde. Kurz darauf trudelten die Dämonenkönige und Satan ein. „Mir ist egal, was heute noch passiert. Meinetwegen können Asien und Australien von 'nem Riesenfisch verschluckt werden, ich schlafe weiter.“, verkündete Astaroth und gähnte. „Japp, ebenfalls.“, bestätigten Iblis und Beelzebub gleichzeitig. Der Rest sagte gar nichts und begann sofort damit, sich umzuziehen und hinzulegen. „Langer Tag?“, fragte Rin, während er selbst ins Bett kletterte und sich zudeckte. Satan brummte zustimmend und legte sich ebenfalls hin. „Ich war noch einmal bei einer Untersuchung. Sie konnten wieder nichts feststellen.“, berichtete er und ließ den Nephilim aufatmen. Sein Blick wanderte daraufhin zu Samael, doch sein müder Gesichtsausdruck verriet, dass sie wohl am nächsten Tag über Indra reden mussten. Allerdings wirkte er nicht gereizt oder wütend, daher musste es wohl ganz gut gelaufen sein. Mit einem letzten Gähnen schloss er die Augen und kuschelte sich in seine Decke. Er hatte ein Gefühl, dass er diese Nacht besonders gut schlafen würde.

Der letzte Kampf beginnt

Satan wachte wie üblich vor dem Rest seiner Kinder auf. Er machte sich schnell fertig, dann weckte er den Rest, Rin ließen sie dagegen weiterschlafen, da er die wenigste Vorbereitung nötig hatte. Noch immer bereitete ihm diese Entscheidung Unbehagen, tröstete sich allerdings mit dem Gendanken, dass er den Nephilim durchgehend im Blick haben würde. Was den Rest betraf, so konnte er nur hoffen.

 

Nach einem kurzen Wortwechsel verließ er als erstes den Raum und betrat die noch ziemlich leeren Flure. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich diese füllten, denn nach ewigen planen, auskundschaften und beraten war endlich der Tag gekommen, an dem sie sich Gehenna zurückholen würden. Sie hatten alles Mögliche getan, um sich vorzubereiten und doch war er nicht sicher, wie es laufen würde. Schon im Voraus rechneten sie damit, viele Exorzisten zurücklassen zu müssen, da Gehenna sie krank machen würde, zudem war fraglich wie viele es schlussendlich überhaupt heil rüber schafften. Sicher, die Grenzen waren dünner, theoretisch sollte es damit einfacher sein, doch es war keine Garantie für einen Erfolg. Selbst für Dämonen konnte ein Risiko bestehen, bei Menschen war es somit umso höher.

 

Zumindest hatte er in weiser Voraussicht über die letzten Tage hinweg bereits viele Dämonen nach Gehenna vorgeschickt. Einerseits sparten sie so Zeit und Nerven, andererseits war nicht sicher, ob er wirklich so viele Personen mit einmal in die Dämonenwelt bringen könnte und er wollte es auf diese Weise nicht herausfinden. Außerdem hatten sie dadurch bereits einige Berichte erhalten, wobei diese nicht viel zu sagen hatten. Die Gegenden, in denen sie sich versteckten hatten, waren relativ ruhig, von einigen seltsamen Tieren abgesehen, welche höchstwahrscheinlich weitere Experimente waren.

 

Wie erwartet traf er auf den Gängen nur vereinzelte Dämonen und Exorzisten, letztere machten einen gewaltigen Bogen um ihn, was ihn aber nicht weiter störte, solange sie keinen Ärger machten. Es war überraschend, dass bisher noch niemand versucht hatte, ihn anzugreifen. Zwar hatte es einige gegeben, die ihn bezüglich der blauen Nacht konfrontiert oder offen gestanden hatten, dass sie ihm nicht trauten, allerdings war das immer noch friedlicher als erwartet. Hoffentlich kamen sie am Ende nicht auf die Idee, ihnen in den Rücken zu fallen, wenn Lilith erledigt war. In diesem Fall würde er sie auslöschen, auch wenn Rin es wohl nicht gut heißen würde.

 

Er hatte gerade den leeren Flur vor den Trainingshallen erreicht und hörte überraschenderweise Schüsse aus einer davon. Vermutlich wäre es besser, einfach weiterzugehen und sich nicht davon stören zu lassen, doch am Ende gewann seine Neugier. Zögerlich betrat er die Halle, wo Yukio gerade Schussübungen absolvierte. Das sollte ihn wohl kaum überraschen. Nach dem was Rin und Samael ihm erzählt hatten, war Yukio sehr penibel, wenn es um seine Fähigkeiten ging. Ein wenig widerwillig musste der Dämonengott eingestehen, dass der Jüngere ein guter Schütze war, doch natürlich konnte er seine Unzufriedenheit nicht ganz im Zaun halten.

 

Zum wiederholten Male fragte er sich, was sich Fujimoto dabei gedacht hatte, eins seiner Kinder zu einem Exorzisten zu machen, wenn er besagte Kinder eigentlich von Dämonen fern halten sollte. Entweder war es seine Art Satan den Mittelfinger zu zeigen oder er hatte tatsächlich gedacht, er würde damit ihr Leben erleichtern. Seine Intentionen waren sicherlich alles andere als schlecht gewesen, der Schaden war jedoch gemacht und er selbst trug teilweise Schuld daran. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, seine erste Begegnung mit Rin wäre anders abgelaufen, aber wie hätte er ahnen sollen, dass der ehemalige Paladin genug Willenskraft besaß, um die Kontrolle zurückzuerlangen? Nun, es ließ sich leider nicht mehr ändern.

 

Yukio schien ihn noch nicht bemerkt zu haben oder ihn zu ignorieren, aber entgegen seines Urteilsvermögen trat er langsam näher, als der Brillenträger kurz inne hielt, um nachzuladen. Immerhin wollte er nicht riskieren, selbst zur Zielübung zu werden und die Situation somit noch unangenehmer zu machen. „Ist es nicht etwas früh dafür?“, fragte er ruhig, während er sich bereits darauf vorbereitete, notfalls auszuweichen. „Du verschwendest Energie und Munition.“

 

Der jüngere Okumura Zwilling drehte sich gar nicht erst um und fuhr mit seinen Übungen fort, gab ihm allerdings zumindest eine Antwort. „Es hilft mir dabei, mich zu konzentrieren und es ist eine gute Ablenkung.“, erwiderte er knapp. „Außerdem beruhigt es.“ Ausnahmsweise etwas, mit dem sich Satan identifizieren konnte. Etwas zu verbrennen oder einfach nur kurz und klein zu schlagen, war manchmal durchaus therapierend, auch wenn Shax wohl protestieren würde. Allerdings war es immer noch besser, als zufällig vorbeikommende Dämonen einzuäschern wie er es früher getan hatte. Selbst wenn es einige seiner Meinung nach wirklich verdient hätten. Dennoch war es etwas besorgniserregend, dass ein 16-Jähriger den Umgang mit Schusswaffen entspannend fand.

 

„Wenn es dir hilft, dann gut. Pass aber besser auf, dass du nicht zu früh deine Kräfte verschwendest, andernfalls wirst du später Probleme haben.“, riet er und wandte sich zum gehen. Er war sich vollkommen darüber im Klaren, dass sein jüngster Sohn nichts mit ihm zu tun haben wollte, weswegen er umso überraschter von dessen Reaktion war.

 

„Warte!“, wurde er aufgehalten. „Ich muss kurz mit dir reden.“ Verwundert drehte sich der Dämonenherrscher um, nickte langsam und sah ihn mit verschränkten Armen an. Er konnte sich bereits denken, worum es ging, fragte allerdings trotzdem nach.  „Worum geht es?“ Natürlich sollte er mit seiner Vermutung Recht behalten. „Ich mache mir Sorgen um Rin.“, antwortete Yukio unverblümt. „Ich weiß, er hat in den letzten Monaten viel dazu gelernt und er ist stärker geworden, aber vor allem nach der Sache mit Lilith bin ich nicht sicher, ob er die Nerven behalten wird.“

„Inwiefern meinst du das?“

 

„Ich denke, das weißt du. Rin hat sich noch immer nicht erholt, wie denn auch nach dem Erlebnis? Er tendiert außerdem dazu, bei großem Druck Panik zu bekommen, er könnte einen Aussetzer haben, wenn es drauf ankommt.“ Endlich sah er den Dämonen an und zum ersten Mal lag in seinem Blick keine Abneigung, dafür Hilflosigkeit und Sorge. Wohlwissen, dass er mit dem Brillenträger nicht wie mit seinen restlichen Söhnen sprechen konnte, versuchte er es durch gutes zureden.

 

„So sehr ich deine Sorgen verstehe, ich denke, dass du ihn unterschätzt.“, antwortete Satan ruhig. „Rin ist wesentlich härter im Nehmen als du denkst, anderenfalls wäre er nicht so ruhig geblieben, nachdem er von seiner wahren Herkunft erfahren hat oder als die Exorzisten ihm nur ein Jahr für die Exorzistenprüfung gegeben haben. Ja, er hat sich noch nicht erholt und es wird eine Weile dauern bis er es kann, aber ich habe keinen Grund zu glauben, dass er versagen wird.“ Yukio öffnete den Mund, doch er unterbrach ihn. „Und komm mir jetzt nicht damit an, dass er alles auf die leichte Schulter nimmt, weil er den Ernst der Lage nicht begreift. Er versteht wesentlich mehr als du denkt, er ist nur ziemlich gut darin, es zu verstecken.“

 

Der Exorzist zuckte zusammen und wich dem Blick des Dämonenherrschers aus. „Versteh mich nicht falsch. Ich meine damit nicht, dass Rin dumm ist. Aber wir wissen beide, wie vorschnell er sein. Es hängt alles von diesem Ritual ab, wenn er die Nerven verliert, verlieren wir alles. Das ist zu viel Druck!“

 

„Damit magst du recht haben, aber wir brauchen ihn. Andernfalls würde ich ihn nicht mitnehmen.“, seufzte Satan. Was würde er nicht geben, um Rin in Assiah lassen zu können, aber sich jetzt deswegen Gedanken zu machen, würde niemanden etwas bringen. Es musste getan werden. „Er hat sich lange darauf vorbereitet und wir werden ihn bis zu dem Ritual beschützen. Er ist in guten Händen.“

 

„Und wenn Lilith ihn wieder übernimmt? Ich weiß, ich hab genauso dabei versagt, ihn zu beschützen, aber wenn ihr das nochmal passieren lasst-“

 

„Es wird nicht nochmal passieren.“, schnitt der ältere Dämon ihn harscher ab, als er geplant hatte. Zwar war er an Rins Gefangennahme mit schuld, allerdings wurde er nach wie vor ungern daran erinnert. Er hatte schon beim ersten Krieg und der Zeit davor so viele schlechte Entscheidungen getroffen und unbewusst Azazel im Stich gelassen. Als Vater und Herrscher gab es für ihn nichts Schlimmeres. Da Yukio noch immer unsicher wirkte, setzte er nach. „Es geht nicht anders, außer du hast eine bessere Idee oder weißt, wie wir Azazel komplett von Liliths Einfluss befreien und innerhalb der nächsten Stunden wieder vollkommen auf die Beine bringen.“

 

Natürlich schwieg der Jüngere, die Frustration deutlich, bis er schließlich nickte. „Ich schätze, du hast Recht. Passt einfach auf ihn auf, Bitte. Wenn ich nicht helfen kann, dann wenigstens ihr.“ Damit drehte er sich um und verließ beinahe fluchtartig die Halle. Satan hielt ihn nicht auf, er wollte keinen Streit riskieren und offenbar war der jüngere Zwilling ohnehin schon aufgeregt genug. Hoffentlich würde er nichts Unüberlegtes versuchen.

 

„Sieht aus, als wäre ich nicht die Einzige, die von ihrem eigenen Kind verachtet wird. Das baut doch auf.“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Na, das brauchte er jetzt.

 

„Nur war es im Gegensatz zu dir nie meine Entscheidung ihn zurückzulassen, Indra.“ Er drehte sich um und sah die Zeitdämonin genervt an, diese verdrehte die Augen. „Ach, fängst du wieder damit an? Wie originell. Allerdings hast du obendrein den Tod seines Adoptivvaters zu verantworten, daher solltest du nicht so unschuldig tun. Ich schätze, wir sind auf unsere jeweils eigene Weise Versager.“

 

„Und woher weißt du das jetzt wieder?“, knurrte Satan ein wenig gereizt. Er hatte sichergestellt, dass niemand von seinem Fehltritt erfahren würde, andernfalls hätten sich alle wie die Geier darauf gestürzt. Der König Gehennas traumatisierte sein Kind indem er dessen Adoptivvater, welcher passenderweise noch der Paladin der Heiligkreuz Ritterschaft war, vor seinen Augen sterben ließ, mal ganz zu schweigen von Astaroths Aktion. Oh, das wäre ein wahrhaftiges Fest für die höhere Gesellschaft und Klatschpresse gewesen. „Ich habe meine Wege.“, erwiderte die Zeitdämonin beinahe schon gelangweilt klingend. „Abgesehen davon hattest du schon immer die Tendenz, voreilig zu handeln, was du ja durchaus vererbt hast. Nicht, dass ich deine Entscheidung nicht nachvollziehen kann. Die wenigstens wären begeistert gewesen, wenn man deren Kinder stiehlt, zumal der Paladin wusste, worauf er sich einlässt.“

 

„Führt dieses Gespräch noch irgendwohin oder willst du nur clevere Kommentare abgeben?“ Heute hatte er wirklich keine Nerven für ein solches Theater, abgesehen davon war Indra nun wirklich die letzte, die sich über dieses Thema auslassen sollte. Die Dämonin hielt inne, bevor sie mit den Schultern zuckte. „Verzeih, Macht der Gewohnheit, fürchte ich. Meine Achtung allerdings, du und…wie war sein Name noch gleich? Nun ja, Kompliment an dich, dass du so ruhig bleiben kannst. Er wirkt ziemlich nervtötend.“

„Er macht sich nur Sorgen um Rin.“

 

„Und doch sagt sein Blick mehr als tausend Worte. Selbst wenn er es versucht zu verstecken, ihm sind Dämonen zuwider, insbesondere ihr. Er kann noch nicht akzeptieren, dass Rin in beide Welten gehört oder euch gar verzeihen. Andererseits konnte ich mich mehr oder weniger mit Samael aussprechen, also besteht eventuell noch Hoffnung für euch.“ Das erregte die Aufmerksamkeit des älteren Dämonen sofort. „Also habt ihr euch wirklich vertragen? Er hat sich nicht dazu geäußert.“

 

Zum ersten Mal wich die Dämonin seinem Blick aus. „Mehr oder weniger.“, gestand sie langsam. „Ich bin selbst nicht sicher. Er ist noch nicht ganz bereit mir zu vergeben, aber er scheint mich zumindest nicht länger zu hassen und man kann ein halbwegs normales Gespräch mit ihm führen. Es ist immer noch unfassbar, dass ausgerechnet ein Nephilim das ermöglicht hat.“ Satan fragte sich, ob sie ihm alles erzählte, hakte aber nicht nach. Das war zwischen ihr und Samael, er würde sich erst einmischen, wenn man ihn darum bat. Er beschloss, das Thema zu wechseln.

 

„Ich bin überrascht, dich so früh wach zu sehen. Schlecht geschlafen?“ Erneut wich Indra seinem Blick aus. „Nein. Ich habe mich entschieden mit nach Gehenna zu kommen.“ Satan hatte mit allem gerechnet, doch nicht hiermit. Stirnrunzelnd sah er sein Gegenüber an. „Vergiss es. Du bist keine Kämpferin und ich werde nicht deine Überreste vom Boden aufkratzen.“ Sie lachte kurz auf. „Oh, du magst mich also doch noch. Welch Überraschung, ich fühle mich geschmeichelt.~“

 

„Indra, das ist kein Witz.“

 

„Darüber bin ich mir durchaus gewahr, ich meine es vollkommen ernst. Ich mag keine Kämpferin sein und bin damit an der Front unnütz, dafür kenne ich mich mit Giften aus, was ihr angesichts der Naga dringend nötig habt. Muss ich dich an Egyn im ersten Krieg erinnert? Er wäre fast wegen einer von ihnen gestorben.“

 

„Daran musst du mich nicht erinnern.“, sagte der Dämonengott schnell. Er dachte ungern darüber nach, wie oft seine Söhne im ersten Krieg gegen Lilith verletzt oder beinahe getötet worden waren. Sie waren eindeutig zu jung gewesen, allerdings hatten sie keine Wahl gehabt. Vorwürfe hatte er sich dennoch gemacht. „Aber du standest noch nie auf einem Schlachtfeld und obendrein hasst Lilith dich. Es würde mich nicht wundern, wenn dich manche direkt erkennen und angreifen.“

 

„Oh, natürlich werden sie mich angreifen. Es ist mir nur, um ganz direkt zu sein, ziemlich egal. Wirklich zu verlieren habe ich nichts und ich habe genug davon, nichts zu tun. Irgendwann reicht es dann damit die Jungfrau in Nöten zu spielen.“  Nun war es Satan, der schnaubte. „Das ist das letzte Wort mit dem ich dich beschreiben würde, doch diese Einstellung kannst du dir schenken, ansonsten kannst du dir gleich einen Strick nehmen.“

 

Indra schien es wenig zu stören. „Warum nicht? Es stimmt. Meine Familie hat mich verstoßen, damit habe ich weder Recht auf Titel noch Vermögen. Das Anwesen meines Ex-Mannes wurde mir weggenommen und dank der Publikation unserer kleiner Affäre bin ich das Gespött jedes gesellschaftlichen Kreises. Versteh mich nicht falsch, ich werde nicht in die nächste Klinge springen, aber wenn der Tod kommt, dann kommt er.“ Endlich sah sie Satan an, ihr Blick entschlossen. „Und wenn ich überlebe…nun, vielleicht kann ich versuchen, Teil von Samaels Leben zu sein, wenn er mich lässt. Es wird wohl dauern, aber wir haben ja Zeit. Theoretisch sollte ich zumindest mein Anwesen zurückbekommen. Ich schätze, ich werde es dann einfach verkaufen und mich anderswo nieder lassen. Wer weiß, vielleicht könnte ich etwas mit meinen Giftkenntnissen aufbauen…“ Sie schien kurz in Gedanken, bevor sie mit den Schultern zuckte. „Mir fällt etwas ein, wenn es so weit ist.“

 

„Du könntest vorerst im Palast bleiben. Vielleicht erklärt sich Samael sogar bereit, dir einen von deiner Familie unabhängigen Titel zu geben.“, bot der Dämonenherrscher an, die Zeitdämonin schüttelte allerdings mit dem Kopf. „Mein Ruf ist ruiniert, daher wird niemand für mich arbeiten, das würde sich schlecht in ihrem Lebenslauf machen. Ich heirate nicht und habe somit keinen Erben, daher wäre es für Samael eine schlechte Investition und am wichtigsten: Ich habe keinerlei Einkommens- oder Einflussbasis, mal ganz abgesehen von Kontakten und Verbindungen. Ich würde mich nicht lange halten können. Sich irgendwo niederzulassen und zu versuchen, sich selbst etwas aufzubauen, erscheint mir da klüger. Andere Dämonen haben es genauso geschafft, sogar jene die zu Lilith gehören und damit noch schlechtere Voraussetzungen haben.“

 

Natürlich hatte sie nicht Unrecht, ohne Verbindungen und Investitionen überlebte man unter den Adelsfamilien nicht lange und er konnte Indras Familie nicht zwingen, sie zurückzunehmen. Außerdem war es schlussendlich immer noch ihre Entscheidung, es stand ihm nicht zu, sich einzumischen. Natürlich hatte er ein schlechtes Gefühl, aber wusste wie sinnlos ein Streit war. „Gut, wenn du meinst. Ich werde dich nicht aufhalten.“ Die Dämonin nickte kommentarlos, schien jedoch noch etwas sagen zu wollen. Da er nicht ewig Zeit hatte, wollte er sie zunächst vertrösten, doch die sie kam ihm zuvor und weckte mit dem Gesagten sofort sein Interesse.

 

„Es gibt eine Sache, die ich dir gestehen und für die ich entschuldigen muss.“ Sie wich erneut seinem Blick aus, offenbar war ihr unangenehm, was folgen würde. „Es geht um Lilith und den Mord an Uriel. Wahrscheinlich wirst du mich dafür hassen. Einige Tage zuvor kam Lilith zu Besuch und hat sich darüber ausgelassen, dass Uriel von dir schwanger ist. Zu Beginn war es das übliche, sie hat Gift gespuckt, ich hab es mir angehört und versucht sie zu beruhigen, aber dann begann sie plötzlich Andeutungen zu machen. Sie sprach davon, dass Unfälle passieren. Ich habe es in dem Moment für eine Verzweiflungstat gehalten und sie an die Folgen erinnert. Daraufhin ist sie abrupt gegangen und meinte nur, dass sie keine Königin, sondern die Königin sein will.“

 

Satan konnte im ersten Augenblick gar nicht begreifen, was die Zeitdämonin ihm gestand. Er selbst hatte damals nicht mal ansatzweise in Erwägung gezogen, dass die Dämonengöttin auf Mord zurückgreifen würde. Sicherlich, sie war oft gewalttätig geworden und insbesondere die armen Dienstmädchen im Palast zu jener Zeit konnten davon ein Lied singen, jedoch hatte er sie als stabiler eingeschätzt. Trotz all ihrer Fehler hatte sie nie ein Kind oder eine Mutter angerührt, ob nun eine momentane oder werdende. Wie tief musste ihre Obsession bereits verwurzelt gewesen sein, wenn sie alle Überzeugungen bereits nach so kurzer Zeit über Bord warf? Dass sie obendrein noch jemanden von ihrer scheinbar spontanen Idee erzählt hatte, machte ihren Zerfall nur noch deutlicher. War es ihr am Ende sogar egal gewesen, ob sie erwischt wurde oder nicht? Stets war er davon ausgegangen, dass ihr Wahnsinn sich über die weiteren Jahre aufgebaut hatte, doch dies war ganz eindeutig ein Irrtum gewesen. Indra war allerdings noch nicht fertig.

 

„Ich habe es für eine dumme Idee gehalten, die im Eifer des Gefechts hatte. Sie war wütend und frustriert und es war nicht das erste Mal, dass sie Mordwünsche geäußert hat, das aber wirkte…anders. Als würde sie es wirklich ernst meinen. Dumm wie ich war, habe ich die Sorge beiseitegeschoben.“, die Zeitdämonin senkte beschämt den Blick, etwas dass sie noch nie zuvor getan hatte, zumindest nicht in seiner Gegenwart. „Wenn ich zu euch gekommen und euch gewarnt hätte, wäre alles danach wahrscheinlich nie passiert. Uriel wäre am Leben und wir müssten uns jetzt keine Gedanken um einen Krieg machen. Ich weiß, Worte können das nicht ansatzweise wieder gut machen, doch ich-“

 

„Du hattest noch einen anderen Grund, sie nicht zu verraten.“, unterbrach Satan sie zu seiner eigenen Überraschung. Es war keine Frage, jahrelange Übung und Erfahrung verriet es ihm. Indra sagte nur einen Teil der Wahrheit und tatsächlich kam sie ins Schleudern, stritt jedoch nichts ab. „Die Wahrheit ist…ich hatte Gefühle für sie.“, gestand sie schließlich mit erstickter und ließ den Dämonenherrscher erstarren. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. Dennoch ließ er sie weiterreden.

 

„Zu diesem Zeitpunkt wollte ich es mir nicht ganz eingestehen und sie war dabei, sich von eurer Trennung zu erholen. Zumindest dachte ich, dass sie sich erholt. Irgendwann nach Uriels Tod habe ich es gestanden, aber sie hat mich verspottet. Wir waren bereits distanziert, jedoch wollte ich sie bezüglich meines Verdachtes nicht konfrontieren. Ich hatte zu große Angst vor der Antwort und was es für mich bedeuten würde. Immerhin könnte man meine Passivität als Beihilfe auslegen.“ Sie verzog das Gesicht als wäre sie von sich selbst angewidert. „Dann kamst du ins Spiel. Ich wollte ihr wehtun, diesen Teil kennst du ja. Zu Beginn habe ich dich nur als Mittel zum Zweck gesehen, mit der Zeit habe ich begonnen, dich zu mögen. Auf freundliche Weise versteht sich. Als dann Samael kam, folgte die Panik. Ich war zu ängstlich wegen der Reaktion anderer, insbesondere Liliths. Einerseits wollte ich mich nicht den Konsequenzen meiner Handlungen stellen, andererseits hatte ich weder dich noch Samael verdient. Also bin ich lieber weggelaufen und habe somit alles schlimmer gemacht. Es…Es tut mir leid. Läge es innerhalb meiner Macht, würde ich es rückgängig machen.“ Ihre Stimme klang mit jemanden Satz angespannter, so als schien sie kurz vor den Tränen zu stehen.

 

Satan antwortete nicht sofort, er brauchte einige Sekunden um alles aufzunehmen. Hätte Indra ihm all dies vor einigen Jahrhunderten gestanden, wäre er wohl rasend gewesen. Wie konnte sie nur so auf Lilith hereinfallen?! Stattdessen empfand er nur eine seltsame Mischung aus Mitleid, Frustration und Wut, wobei sich letzteres ausschließlich gegen Lilith richtete. „Indra…es spielt keine Rolle mehr.“, sagte er mit beinahe schon gebrochener Stimme. „Lilith hat uns alle hereingelegt und wenn jemand die Schuld trägt, bin ich es. Ich habe sie vollkommen falsch eingeschätzt und den Schutz meiner Frauen vernachlässigt obwohl sie unter teilweise seltsamen Umständen verstorben sind. Außerdem habe ich mich zu sehr von den Meinungen anderer beeinflussen lassen, dabei hätte ich Lilith sofort konfrontieren sollen. Stattdessen habe ich als Gatte, Herrscher und Vater versagt. Jetzt kann ich nur versuchen, das irgendwie wieder gerade zu biegen. Ich verzeihe dir.“

 

Indras Haltung wurde entspannte etwas, ihr unsicherer Blick blieb dagegen. „Nichts für ungut, doch es fällt mir schwer, dass zu glauben. Nochmal, ich hätte es verhindern können-“

 

„Das weißt du nicht. Wie gesagt, es liegt in der Vergangenheit.“, wiederholte Satan. „Früher hätte ich dir nicht verziehen und dich wahrscheinlich eingeäschert, das stimmt.“ Indra verzog kurz das Gesicht, sagte jedoch nichts. „Wie gesagt, es war genauso meine Schuld und theoretisch könntest du noch dem Attentäter, den Wachen und wem nicht allen die Schuld zuweisen, es bringt nichts und wir haben Wichtigeres zu tun.“

 

„Ich schätze, das ist wahr. Danke.“, gestand die Dämonin zögerlich. Satan nickte kurz und so gern er weiter geredet hätte, er musste weiter. „Ich sollte jetzt gehen. Viel Glück und pass auf dich auf.“

 

„Du ebenfalls. Schick dieses Miststück in den Hades für mich, da? Ich würde es ja zu gern selbst tun, aber ich denke, dir stehst es eher zu.“ Für einen Moment schien sie etwas sagen zu wollen, doch überlegte es sich dann offenbar anders und wandte sich wieder ab. ‚Diese Frau bringt mich eines Tages ins Grab.‘, dachte er kopfschüttelnd. Wirklich Zeit sich Gedanken zu machen, blieb allerdings nicht, denn er hörte bereits die ersten sich streitenden Stimmen und entdeckte eine Gruppe Exorzisten, die sich mit mehreren Dämonen in den Haaren hatte. Der Morgen ging ja bereits sehr gut los.

 

 

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Obwohl der Tag der Entscheidung gekommen war, fühlte er sich für Rin nicht anders an, als an die Tage zuvor. Er stand auf, machte sich fertig und ging zum Frühstück. Auf dem Weg traf er Alastor, der zusammen mit den anderen Stellvertretern im Gespräch war. Paymon war der erste, der ihn bemerkte und winkte ihn heran. „Guten Morgen, Rin. Du hast es also schlussendlich aus dem Bett geschafft.“, begrüßte er ihn überraschend gut gelaunt. „Ankou hatte sich schon freiwillig gemeldet, um dich zu wecken.“

 

„Sei froh, dass sie nicht die Gelegenheit bekommen hat.“, murmelte Halphas, wofür er Seitenblick von der besagten Dämonin bekam. „Was genau soll mir das sagen?“, fragte sie ihn scharf.

 

„Nichts, gar nichts!“, versicherte der Feuerdämon ihr schnell und grinste nervös. Alastor verdrehte die Augen, schien allerdings ebenfalls relativ gute Laune zu haben. Es war etwas schwer zu sagen, wenn er immer so düster drein schaute, da aber heute mit Sicherheit ein ziemliches Gemetzel kommen würde, musste das für ihn wie Weihnachten sein. Oder was auch immer man in Gehenna feierte. Rin sollte bei Gelegenheit nachfragen. „Ich hoffe um deinetwillen, dass du bereit bist.“, sagte der Vollsztecker ganz direkt. „Du kannst dir keinen Fehler leisten.“

 

„Jetzt setz ihn nicht zu sehr unter Druck, er wird schon so aufgeregt genug sein!“, rügte Shax ihn, aber natürlich winkte der andere Dämon ab. „Wenn er schon vor Worten Schiss bekommt, wird er’s im Kampf keine fünf Minuten aushalten.“ Rin musste eingestehen, dass er damit nicht ganz unrecht hatte und zwang sich zu seinem Lächeln. „Bei mir ist alles in Ordnung.“, versicherte er schnell und versuchte dabei möglichst zuversichtlich auszusehen. Er war nicht sicher, ob sie ihm wirklich glaubten, aber zumindest hakten sie nicht nach. „Denk nur an das, was ich dir beim Training gezeigt habe, das könnte dir das Leben retten.“, riet Alastor ihm. „Sie sollten zwar nicht an dich rankommen, aber das ist kein Grund die Füße hochzulegen.“

 

„Ich bin sicher, Rin weiß das.“, sprang schnell Agares ein, bevor der Feuerdämon richtig in Fahrt kommen konnte. „Er schafft das schon.“ Der Halbdämon war froh, dass sie ihm zumindest vertrauten und nickte zustimmend. Allerdings wollte er nicht mehr über den Kampf reden, daher sah er die Wasserdämonin erwartungsvoll an. Sie sagte nichts, offenbar verstand sie nicht, was er wollte. Wahrscheinlich sollte er warten, bis sie selbst etwas sagte, doch seine Neugier siegte schlussendlich. „Also, kam noch irgendwas bei Egyn raus?“

 

Sofort wurde sie rot, aber lächelte dennoch zufrieden. „Na ja, wir wollen wie gesagt warten bis das hier vorbei ist, bevor wir es versuchen. Wir haben allerdings die letzten Tage zusammen verbracht und es war wirklich schön. Ich kann immer noch nicht glauben, dass wir vielleicht wirklich zusammen sein werden!“

 

„Ihr wärt schneller zusammen gewesen, wenn du dich eher getraut hättest.“, warf Tap ein, was Agares gekonnt ignorierte. Stattdessen schwärmte sie von davon wie sehr sie sich auf die Zukunft freute. Zumindest sie schien zuversichtlich zu sein. Sie redeten noch eine Weile über alles Mögliche, Amon war dann allerdings der erste der sich verabschiedete, da er noch möglichst viel Zeit mit seiner Familie verbringen wollte. Halphas und Alastor gingen als nächstes, gefolgt von Tap, weswegen nur Rin, Shax, Ankou und Paymon übrig blieben.

 

„So jetzt da die anderen weg sind: Wie fühlst du dich wirklich?“, fragte Shax ihn direkt und ließ den Halbdämonen zusammen zucken. „Ich habe ernst gemeint, was ich gesagt habe. Es geht mir gut. Das wird kein Problem.“, sagte er schnell. Ankou seufzte und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Du bist immer noch miserabel im Lügen.“, kommentierte sie. „Na komm, wir wissen alle, dass du nervös bist.“ Da Rin nicht antwortete, ergriff Shax das Wort.

 

„Wir wollen das jetzt nicht weiter ausschlachten.“, erklärte er ernst. „Denke bitte nur dran, dass du nicht allein bist, in Ordnung? Wir stehen hinter dir und du hast das bisher wunderbar gemacht. Du hast schon eine Menge in Gehenna gelernt, da wird dieses Ritual keine Schwierigkeit sein.“

 

„Genau das denke ich ebenfalls.“, bestätigte Paymon. „Gehennisch ging am Anfang auch nur holprig, aber du hast es gut gemeistert. Selbst wenn du noch einiges zu lernen hast, hast du bewiesen, dass du einiges kannst. Lass dich jetzt nicht unterkriegen.“

 

„Und seien wir ehrlich.“, steuerte  Ankou bei. „Amaimon und Astaroth haben es beide geschafft, dabei wissen sie gerade mal, von welcher Seite man Sigillen anfängt zu zeichnen.“ Rin musste gegen sein Willen kurz lachen, allerdings war zumindest ein Teil der Anspannung verflogen. Er würde außerdem einfach mal so tun, als wüsste er, dass man Sigillen von einer bestimmten Seite zeichnen musste. „Dankeschön. Ich glaube das ist das erste Mal, dass Leute wirklich daran glauben, dass ich etwas schaffe. Mit der Ausnahme von Shiro und den anderen Mönchen.“, gestand er. Das ließ auch die anderen lächeln und Ankou nickte ihm zu.

„Dann zeig auch dem Rest, dass du’s kannst.“, ermutigte sie ihn. „Ich muss jetzt aber wirklich los, ich möchte nochmal Azazel besuchen. Wir sehen uns dann nachher.“ Auch die anderen beiden mussten sich verabschieden, jedoch ging Rin nun wesentlich zuversichtlicher zum Frühstück. So viele verließen sich auf ihn, manche hatten wahrscheinlich Angst, dass er es in den Sand setzte, aber die Tatsache, dass zumindest einige an ihn glaubten machte es zumindest etwas einfacher. Die Nervosität würde zwar bleiben, aber er zwang sich dazu, positiv zu denken.

 

Endlich erreichte er den Saal, wo alle in Gesprächen vertieft waren, allerdings wirkte die Stimmung bedrückender als sonst, das erste Anzeichen, dass dieser Tag nicht wie der Rest sein würde. Er holte sich sein Essen und ließ sich an einem der Tische nieder, die leeren Plätze wurden allerdings schnell von den Adepten und Mönchen gefüllt. „Alles klar bei dir, Rin?“, erkundigte sich Izumi besorgt und musterte den Nephilim angespannt. Dieser nickte und nahm einen weiteren Bissen. „Fühlt sich etwas seltsam an, aber es geht.“, antwortete er wahrheitsgemäß und sah sich um. „Wo sind Yukio und Shura?“

 

„Shura wurde zur Aufsicht eingeteilt und er wollte ihr helfen. Sie werden bestimmt demnächst kommen.“, berichtete Shiemi, während sie in ihrem eigenen Essen stocherte. Angespannte Stille folgte, die schließlich von Shima durchbrochen wurde. „Also…ich schätze, das war‘s dann jetzt, oder?“, sagte er und lachte nervös. „Der letzte Kampf.“ Bon warf ihm einen Seitenblick zu. „Du klingt, als würdest du dich schon im Grab sehen. Entspann dich oder das wird nie was.“

 

„Er hat aber schon recht.“, warf Koneko ein. „Also, ich meine nicht, dass wir alle sterben werden!“, ergänzte er hastig, als er die Gesichter der anderen sah. „Aber es wird der letzte Kampf und wir wissen nicht, wie es endet oder wer das alles überleben wird.“

 

„Wenn ihr so redet, können wir gleich hier bleiben.“, schnaubte Izumo. „Wir haben den Kampf im Vatikan überlebt und konnten uns schon mal in Satans Palast schleichen. Ich denke, unsere Chancen könnten schlimmer sein.“ Rin schwieg, er wollte sich nicht zu sehr in die Sache reinsteigern und überlegte stattdessen wie er das Thema wechseln konnte. Glücklicherweise nahm Kyodo dies bereits selbst in die Hand. „Ihr seid ja nicht an vorderster Front.“, beruhigte er die Adepten. „Bleibt ganz ruhig, das wird schon werden. Reden wir lieber über etwas anderes.“

 

Ob der Mönch Rins Unbehagen nun bemerkt hatte oder nicht, der Nephilim war ihm sehr dankbar für sein Eingreifen. Das Gespräch wurde wesentlich fröhlicher, nach einer Weile gesellten sich Shura und Yukio hinzu, die sofort darauf ansprangen. Zwar warfen beide immer wieder Seitenblicke Richtung Rin, sprachen ihn allerdings nicht auf das an, was später kommen würde. Sie waren so vertieft, dass er nicht bemerkte wie sich Agares nährte und sich folglich ziemlich erschreckte, als sie ihm auf die Schulter tippte. „Hey, Rin. Tut mir leid zu stören, aber kommst du bitte mal kurz mit?“, fragte sie. Sofort schwang seine gute Laune in Sorge um und er drehte sich rückartig zu ihr um. „Ist etwas passiert? Geht es Azazel schlechter?!“

 

Natürlich malte er sich sofort alle möglichen Horrorszenarien aus, doch glücklicherweise verneinte sie schnell. „Nichts dergleichen. Lord Satan und deine Brüder wollen noch ein letztes Mal zu Azazel und sich verabschieden, bevor es los geht. Er würde sich sehr freuen, dich zu sehen.“ Selbstverständlich ließ sich der Nephilim nicht lange bitten, verabschiedete sich von den anderen und machte sich sofort auf den Weg. Es war schon wieder eine ganze Weile her, seit er den Geisterkönig hatte besuchen können, weswegen er entsprechend aufgeregt war.

 

Agares überbrückte die Laufzeit derweil mit Small Talk. „Ich hatte vorhin ganz vergessen zu fragen, ob du gut geschlafen hast! Lord Satan war schon ziemlich früh auf den Beinen und ist umhergetigert, aber natürlich wollte er sich nicht nochmal hinlegen.“, seufzte sie. „Manchmal frage ich mich wirklich wie er sich überhaupt noch auf den Beinen halten kann, aber da ist wohl nicht viel zu machen. Er ist da total stur, vielleicht hätten wir ihm doch Ruha auf den Hals hetzen sollen. Oder Sequana, laut Egyn hat sie da auch Talent.“

 

„Ehrlich gesagt habe ich nichts davon mitbekommen, ich habe eigentlich gut geschlafen.“, erwiderte der Halbdämon schulterzuckend. „Der Rest hat glaube ebenfalls durchgeschlafen, sogar Astaroth.“

 

„Das ist gut. Müde in einen Kampf zu gehen sind nicht gerade die besten Voraussetzungen.“, fuhr die Wasserdämonin fort. „Ich erinnere mich noch zu gut an den Zwischenfall im Schwarzsumpf. Wir hatten nicht sehr viel Platz, um unser Lager aufzuschlagen und es war schwer heran zu kommen, aber wir haben Liliths Leute komplett unterschätzt. Sie haben uns in der Nacht angegriffen und die meisten Wachposten getötet, bevor wir aus den Zelten waren. Gerade schläft man noch, dann hört man plötzlich Schreie und soll direkt kämpfen. Nicht wirklich das beste Gefühl.“ Sie hielt inne, ihr Gesichtsausdruck düster, aber sie fing sich schnell und lächelte dem Halbdämonen aufmunternd zu. „Na ja, ich hoffe einfach, dass es relativ schnell vorbei ist. Je eher, desto besser.“ Da konnte Rin nur zustimmen. Niemand brannte auf einen Krieg der Monate oder gar Jahre dauerte.

 

„Wo wirst du heute sein?“, fragte er neugierig und sah sie erwartungsvoll an. „Oh, ich werde natürlich bei Egyn bleiben, aber wir trennen uns dann in zwei Gruppen, sobald wir in der Stadt sind.“, antwortete sie überraschend gelassen. „Je nachdem wie lange der Kampf dauert, werde ich mich um Verletzte kümmern. Ich hoffe, ich bin nicht zu sehr eingerostet, es ist schon etwas her, seit ich größere Wunden behandeln musste. Dein Spinnenbiss jetzt außen vor gelassen.“ Der Nephilim erschauderte bei der Erinnerung daran. Zwar war noch nicht einmal eine Narbe zurück geblieben, aber sein Magen drehte sich noch immer um, wenn er daran dachte.

 

Allerdings war es schon seltsam wie die Zeit arbeitete. Obwohl es noch kein ganzes Jahr her war, fühlte es sich wie eine halbe Ewigkeit an. Rückblickend betrachtet war seine Reaktion selten dämlich gewesen. Wer rannte durch einen Dämonenwald und übersah dann riesige Spinnennetze? Hätte er etwas besser hingesehen, wäre ihm dieses Fiasko möglicherweise erspart geblieben. Sein Vater hatte die meisten Spinnen allerdings erledigt. Ob Beelzebub bereits neue züchtete? Bisher hatten sie nie darüber gesprochen. Falls die Antwort ja war, hoffte er darauf, dass der Baal zumindest seine Lektion gelernt hatte und keine Viecher züchtete, die ihre Angriffe wegsteckten.

 

„Ich hab mich ziemlich gut davon erholt, also wirst du kaum eingerostet sein.“, versuchte er, ihr gut zuzureden. „Und du hast dich doch schon in den letzten Kämpfen um Verletzte gekümmert, oder?“

 

„Schon, aber das waren eher leichte Verletzungen. Wenn das alles vorbei ist, werden Egyn und ich fürs erste mit dem Wiederaufbau von Hawaiiki beschäftigt sein, aber dann werde ich mich wieder etwas mehr dem Heilen widmen. Das war ja mein ursprünglicher Plan.“

 

„Warst du immer nur am Heilen an sich interessiert oder auch an Forschungen? Oder machen Heiler das nicht?“ Er hatte sich noch nie wirklich große Gedanken um die verschiedenen Berufe in Gehenna gemacht, daher fand er ziemlich interessant, was sie zu erzählen hatte. „Ja, auch Forschung.“, bestätigte die Halbdämonin. „Ursprünglich wollte ich in Pandemonium in der Forschungsabteilung eines Heiler-Zentrums arbeiten. Sie sind den Krankenhäusern in Assiah recht ähnlich. Ich bin besonders an Krankheiten, die nur Wasserdämonen befallen, interessiert. In dem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, gab es einmal eine, die es beinahe ausgelöscht hätte. Es gibt immer noch viele ähnliche Krankheiten ohne Heilung. Gifte sind allerdings ebenfalls ganz interessant, besonders das der Naga. Sie haben zwar schon ein eigenes, das sie in ihrem Körper produzieren, aber haben über die Jahre trotzdem viel experimentiert und neue Gifte gemischt, die ich ziemlich faszinierend finde. Die Formeln dafür halten sie aber um jeden Preis geheim, darum bereitet uns das sehr häufig Kopfzerbrechen und es macht Attentate von ihnen umso gefährlicher.“

 

Sie redete noch eine Weile weiter, wobei sie förmlich von verschiedenen Forschungen schwärmte und einige ihrer eigenen Theorien erklärte. Das meiste waren für Rin böhmische Dörfer, dennoch war ihre Euphorie irgendwie ansteckend und er versuchte zumindest zuzuhören. „Vielleicht solltest du doch mal mit Yukio reden. Wenn es um Medizin geht, seid ihr beide Streber.“, schlug er vor und erhielt ein kurzes Lachen. „Vielleicht. Ich bin schon lange an den Techniken der Sterblichen interessiert. Vor allem diese seltsamen Maschinen, die sie benutzen. Egyn hat mir mal erzählt, dass sie damit Knochen und Organe sehen können! Wie geht denn sowas?!“

 

„Ähm…du meinst Röntgenstrahlen, schätze ich?“ Natürlich hätte er das nicht sagen wollen, denn nun wollte sie alles darüber wissen, obwohl er keine Ahnung davon hatte. Zumindest schaffte er es am Ende, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken und er erzählte ihr stattdessen über andere Dinge aus Assiah, an denen sie nicht weniger interessiert war. Würde das zwischen ihr und Egyn klappen, sollte er sie wirklich für einige Dates mit nach Assiah nehmen. Wahrscheinlich würde sie sich dann kaum mehr einkriegen.

 

„So da wären wir. Die anderen warten schon drin.“, erklärte Agares als sie endlich an der Zimmertür standen. „Falls wir uns nachher nicht mehr sehen: Viel Glück und pass auf dich auf.“, verabschiedete sie sich, was er kurz erwiderte. Da er nicht direkt reinplatzen wollte, klopfte er kurz an die Zimmertür und wurde direkt hereingerufen. Wie sie gesagt hatte, war seine Familie bereits da, ebenso wie Ruha, die bereits durchsichtiger als beim letzten Mal war. Inzwischen wusste auch er, was es bedeutete. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie endgültig verschwand und nicht länger Kontakt herstellbar war. Zwar fühlte er sich immer noch sehr fehl am Platz, wenn sie zusammen in einem Raum waren, aber sie schien ihn zumindest zu mögen, denn sie lächelte ihn immer warm an.

 

Rins Blick galt jedoch der Person in der Ecke, die sich als Keres, Ruhas Schwester herausstellte. Deren violette Augen waren missbilligend verengt, allerdings sagte sie nichts. Rin war relativ erleichtert darüber, bisher hatte er sie nur von weitem gesehen und in der Regel stritt sie dann mit seinem Vater.

 

Azazel wirkte derweil gesünder als beim letzten Mal, offenbar half der Blutentzug endlich. Zwar schien er sich ihren Besuch zu freuen, doch sein Gesichtsausdruck war verlegen. „Ihr hättet wirklich nicht nochmal kommen müssen, ich weiß doch, wie viel er zu tun habt.“, sagte er ein wenig beschämt, Satan würgte ihn jedoch sofort ab. „Wir haben immer Zeit für dich, jetzt hör auf, sowas zu sagen, wir wissen genau, dass du dich darüber freust. Die meisten Vorbereitungen sind abgeschlossen und ich bin sicher, die anderen kommen für 15 Minuten ohne uns aus.“

 

„Er hat Recht, gib ruhig zu, dass du dich freust.“, bestätigte Ruha aufmunternd, drückte kurz seine Hand und warf dem Dämonenherrscher einen vielsagenden Blick zu. Trotz ihrer langen Zeit auseinander schienen sie sich noch immer problemlos zu verstehen, ohne ein Wort zu sagen. Beinahe schon beneidete er sie dafür. Sie mussten sich wirklich nahe gestanden haben.

„Abgesehen davon ist es das mindeste, was sie tun können.“, warf Keres patzig ein. Wie schon bei Emesh fiel Rin auf, dass sie einen Dialekt benutzte, jedoch war dieser zumindest etwas einfacher zu verstehen. Fast schon wünschte er sich, er könnte es nicht. Sein Vater warf der Dämonin einen mörderischen Blick zu, doch Ruha schritt sofort ein. „Keres, lass es bitte gut sein. Diese Feindseligkeit hilft niemanden und wenn du schon nicht selbst über deinen Schatten springen kannst, denk an Azazel. Das letzte, was er braucht, ist eine streitende Familie.“

 

„Wie kannst du nicht wütend sein?! Du bist seinetwegen gestorben, obendrein wären wir nicht in dieser Situation-“

 

„Nein, es ist nicht seine Schuld und jetzt halte bitte endlich die Klappe!“, fuhr Azazel unerwartet dazwischen und starrte seine Tante wütend an. Diese war sichtlich überrumpelt von seiner Reaktion und war sogar zusammengezuckt, aber versuchte schnell zu kontern. „Azazel, hätte er richtig gehandelt, hättest du niemals diesen Vertrag eingehen müssen“

 

„Woher willst du das wissen? Du hast nicht im Krieg mitgekämpft und seit wann sorgst du dich bitte so sehr um mich? Seit Mutter gestorben ist, habt ihr euch kaum blicken lassen und wenn doch, habt ihr nur auf Vater rumgehackt. Ich war euch egal, ihr wolltet nur die Genugtuung ihm weiter Vorwürfe zu machen.“

 

„Das ist nicht wahr-“

 

„Ach ja? Warum habt ihr euch dann nie gemeldet oder wenigstens mal eure Streitereien während der Besuche beiseitelegen können? Gib es doch zu, was mit mir ist, ist euch egal. Ihr seid nur aus Prinzip sauer und nutzt meine Situation aus, um weiter Vater schlecht zu machen. Wenn du nichts Besseres zu tun hast, kannst du gern wieder gehen. Jemanden wie dich brauche ich hier nicht und das kannst du auch gern Onkel Seker und Viduus ausrichten. Verwandte wie ihr könnt mir gestohlen bleiben!“

 

Dieses Mal konterte die Dämonin nicht und wandte sich hilfesuchend an Ruha, welche nur wehleidig mit dem Kopf schüttelte. „Er hat nicht Unrecht. Vielleicht wäre es besser, wenn du vorerst draußen wartest.“ Dieses Mal protestierte die andere Dämonin nicht und verließ wortlos den Raum. Sofort entspannte sich die Atmosphäre und Azazel vergrub das Gesicht in den Händen. „Muss sie wirklich hier bleiben? Es ist schlimm genug, dass ich hier rumsitzen muss und nicht helfen kann.“

 

„Sie bleibt hier?“, fragte Rin wenig verwundert, woraufhin Ruha nickte. „Sie und meine beiden Brüder bleiben hier und passen mit auf Azazel auf. Vielleicht kann ich sie derweil gleich noch zur Vernunft bringen.“ Azazel wirkte wenig überzeugt davon, widersprach jedoch nicht. „Versprecht mir bitte nur, dass ihr vorsichtig seid. Meine blöde Aktion hat euch letztes Mal den Hintern gerettet, also passt auf, dass das nicht nochmal passiert.“

 

„Dieses Mal werden wir uns nicht in den Tunneln trennen und Vater muss nicht Lockvogel spielen. Jedenfalls nichts unbedingt.“, warf Beelzebub ein und lächelte dem Geisterkönig aufmunternd zu. „Außerdem haben wir inzwischen mehr Erfahrung, wir werden nicht mehr so schnell auf ihre Tricks reinfallen.“

 

Satan nickte zwar, sah sie allerdings streng an. „Werdet nicht übermütig. Höchstwahrscheinlich wird Lilith damit rechnen, dass wir versuchen werden, sie erneut zu versiegeln. Das wird also noch knapper werden und im Gegensatz zum letzten Mal sind die Aveira noch auf freiem Fuß. Hinzu kommt, dass sie in die Ecke gedrängt ist, das wird sie noch gefährlicher machen und ich würde es ihr zutrauen, die Urflammen zum Erlöschen zu bringen, wenn sie keinen Ausweg mehr sieht.“

 

Die Dämonenkönige stimmten zu, Rin zuckte dagegen zusammen und sah seinen Vater überrascht an. Diese Möglichkeit hatte er noch gar in Betracht gezogen! „Meinst du wirklich, dass sie so weit geht?“, fragte er angespannt. „Das würde auch sie töten.“ Eigentlich wusste er die Antwort bereits, inzwischen kannte er die Dämonin gut genug. Lieber zog sie alle ins Verderben und befriedigte so ihr Ego anstatt sich besiegen zu lassen.

 

Der Dämonenherrscher bestätigte es mit einem grimmigen Gesichtsausdruck, dann wandte er sich erneut an Azazel, nun noch strenger als zuvor dreinblickend. „Ich möchte, dass du mir versprichst hier zu bleiben. Ganz egal, was passiert oder du vielleicht irgendwie mitbekommen solltest. Selbst wenn der Vertrag nicht mehr wäre, dich einzumischen könnte deinen Tod bedeuten und das werde ich nicht riskieren.“ Azazel zögerte für einen Moment, nickte aber schließlich. „Ja, versprochen. Was soll ich auch sonst tun?“

 

„Gut.“, warf Astaroth ein. „Mir reichte es schon auf, im Vatikan gegen dich zu kämpfen. Muss nicht nochmal sein.“

 

„Was, Angst zu verlieren?“, kam die schnippische und doch für Geschwister typische Antwort. Er erhielt ein kurzes „Träum weiter!“ und schon war die Stimmung zumindest etwas besser, zumindest bis Samael noch einen drauf setzen musste. „Und mach dir keine Sorgen. Wir passen natürlich auf, dass Rin sich nicht wieder entführen lässt. Das wird nämlich langsam langweilig.“

Normalerweise würde sich der Halbdämon ärgern, dieses Mal hatte er jedoch den perfekten Konter parat. „Als ob das meine Schuld ist! Und wenigstens habe ich keine Angst vorm Zahnarzt!“ Zu seinem Triumpf saß das und der Zeitkönig schnaubte beleidigt. „Ich habe keine Ahnung, wo du sowas lächerliches gehört hast! Ich und Angst vor so etwas banalem? Das ich nicht lache!“

 

„Aber ungern hingehen tust du trotzdem.“, kam ausgerechnet Amaimon zur Hilfe und Rin hätte schwören können, dass er ganz kurz grinste. Natürlich versuchte der Zeitdämon weiterhin, die Anschuldigungen abzustreiten, bis Ruha schließlich eingriff. „Ra’wynvi Liebling, reg dich doch nicht auf. Sie meinen es nicht böse. Abgesehen davon haben sie recht, du kannst es nicht wirklich abstreiten.~“ Empört sah der Zeitdämon sie an, entsetzt über ihren Verrat, während sich Rin Richtung Lucifer beugte. „Ra’wynvi?“, flüsterte er fragend.

 

„Ein Spitzname, den sie ihm in unserer Kindheit gegeben hat.“, flüsterte der Lichtdämon zurück. „Es ist eine Verniedlichung und kann viele Bedeutungen haben, in diesem Fall beschreibt es jemanden, der viele Streiche spielt und generell viel Blödsinn macht. Also mehr oder weniger sowas wie „Unruhestifter“, aber auf liebevolle Art gemeint. Darum hat er in Assiah später eine Zeitlang den Namen "Raven" benutzt, das ist eine Ableitung davon. Egal was er behaupten mag, er ist miserabel darin, sich eigene Namen auszudenken und ich schätze, es steckt auch etwas Nostalgie drin.“

 

Damit hatte Rin weniger gerechnet, allerdings bewies es nur erneut, dass Samael einen weicheren Kern hatte als er zugeben wollte. Das war irgendwie süß, aber er würde ihn später damit sowas von aufziehen. Wenn sich die Gelegenheit schon bot, würde er es nutzen, immerhin würde es der ältere Dämon nicht anders machen. Ruha hatte sich derweil wieder an Azazel gewandt. „Ich weiß, dass es nicht einfach sein wird, aber ich werde so lange wie ich kann hier bleiben.“

 

„Und es gibt wirklich keine Möglichkeit, dass du länger bleiben kannst?“, fragte Lucifer vorsichtig und schaute sie hoffnungsvoll an. Die Geisterdämonin lächelte allerdings nur traurig und schüttelte mit dem Kopf, sehr zur Enttäuschung der restlichen Baal. „Leider nein, aber glaubt mir, es ist besser so. Die Toten sollten ruhen dürfen, andernfalls wird es allen Beteiligten nur Schmerz bringen.“ Selbstverständlich hatte sie damit recht, sie gehörte nicht länger in das Reich der Lebenden, allerdings war es einfacher gesagt als getan. Rin wollte sich gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlen musste. Nach all den Jahren sahen die drei ältesten Dämonenkönige ihre Mutter wieder, nur um sie direkt wieder zu verlieren. Er selbst hatte seine Mutter zwar nie gekannt, doch vermutlich würde es ihm in dieser Situation nicht anders gehen. „Verstehe.“, murmelte Lucifer niedergeschlagen. Egyn trat wortlos nach vorn und umarmte ihn von hinten. „Schon gut.“, murmelte der Lichtdämon. „Ich konnte es mir ja schon denken.“

 

Die Stimmung wurde bedrückter, daher sprach Azazel schnell ein anderes Thema an. „Gibt es sonst was Neues von Lilith? Sie war bisher auffallend ruhig.“ Sowohl die Baal als auch Satan schüttelten düster den Kopf. „Nein, sie war ausnahmsweise diskret. Wahrscheinlich schmollt sie momentan und leckt ihre Wunden, aber wir rechnen mit einigem Widerstand.“, erklärte der Dämonenherrscher widerwillig. „Sie hat noch nie gut auf Niederlagen reagiert, inzwischen wird sie ziemlich instabil sein. Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir in Pandemonium ankommen.“ Noch instabiler? Als ob sie nicht schon vorher unberechenbar und durchgeknallt war. Beelzebub schien seine Unruhe zu spüren, da er ihm von hinten eine Hand auf die Schulter legte und dann aufmunternd zulächelte. Trotz allem beruhigte es irgendwie und Rin sah ihn dankbar an. Zumindest würde er dieses Mal nicht allein sein.

 

 

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Sofort nachdem sie Azazels Zimmer verlassen hatten, machten sie sich fertig. Alle legten ihre Ausrüstung an und überprüften ein letztes Mal ihre Waffen. Rin bekam sein Schwert zwar nicht wieder, aber durfte zumindest den Dolch behalten, welchen er ein wenig misstrauisch beäugte. Seit er Gula damit getötet hatte, bereitete ihm der Anblick der Klinge Bauchschmerzen. Zumindest Iblis hatte sich gefreut, dass sein Geschenk nützlich gewesen war und wie versprochen hatten sich Alastor sowie seine Brüder und deren Stellvertreter die Zeit genommen, mit ihm zu trainieren. Alles in allem fühlte er sich relativ gut vorbereitet.

 

Damit war es endlich Zeit für die letzte Besprechung. Den Plan kannten alle bereits, es diente eher der Moral und so wie manche aussahen, hatten sie es bitter nötig. Zugegebenermaßen hörte er kaum zu, er war zu beschäftigt damit, erneut die Formel im Kopf aufzusagen, da er noch immer fürchtete, sie im alles entscheidenden Moment zu vergessen. Allerdings bemerkte er durchaus das Resultat, viele wirkten zuversichtlicher und entschlossener. Er sah auch seine Freunde und Yukio noch einmal, jedoch war es nur flüchtig, bevor sie sich bereits bei ihren zugewiesenen Gruppen einfinden mussten.

 

„Mach dir keine Gedanken, das wird schon.“, hörte er Egyn sagen. „Sie kümmern sich nur um Dämonen aus den niederen und mittleren Rängen, also kein Problem.“ Natürlich wusste er, dass sein Bruder und die Adepten mit solchen Dämonen in der Regel gut klar kamen, aber sie hatten es noch nie mit so großen Gruppen zu tun gehabt. „Müssen wir uns wirklich alle aufteilen?“, fragte er besorgt. „Ich dachte, wir brauchen alle für das Ritual, was wenn etwas passiert?“ Satan seufzte, doch wiederholte geduldig, was er ihm bereits mehrmals erklärt hatte. „Wir müssen alle Ressourcen nutzen, zusammen an einer Stelle zu sein, wäre eine Verschwendung und deine Brüder kennen ihre Truppen besser, insbesondere die Elitesoldaten.“

 

„Und wir hatten bisher auch Erfolg mit dieser Strategie, also mach dir nicht zu viele Gedanken.“, ergänzte Lucifer. „Du darfst dich nicht von deiner Angst verunsichern lassen, ansonsten wirst du Probleme bei dem Ritual haben.“ Dies ließ Rin inne halten und nach kurzem Zögern nickte er. Der Dämonenkönig hatte recht, so ungern er es zugab. Angst vor Verlusten hin oder her, alle verließen sich auf ihn, er konnte jetzt nicht anfangen zu zweifeln! Bon hatte es ihm schon öfter vorgeworfen, dass er sich zu selten auf andere verließ. Dieses Mal musste er es tun und seinen eigenen Teil beitragen, nur dann hatten sie überhaupt eine Chance zu gewinnen. „Alles wird gut, Rin! Du schaffst das!“, hörte er Kuro sagen. „Und ich bin ja auch dabei!“

„Danke, Kuro.“, lächelte er und streichelte den Kater über den Kopf. „Aber sei du auch vorsichtig, ok?“

 

„Sicher, ich kann dich doch nicht allein lassen! Wir machen Shiro zusammen stolz!“ Der Nephilim nickte zustimmend und lächelte sogar kurz. Der alte Knacker würde sich noch wundern, was er inzwischen alles konnte.

 

Derweil verabschiedeten sich alle um ihn herum von denen, sie zurückblieben. In einer Ecke entdeckte er Amon, der gerade Agash küsste, während ihre Kinder um sie herumwuselten. Er war nicht sicher, ob sie begriffen, dass sie ihren Vater vielleicht niemals wieder sehen würden. Amon ließ sich allerdings nichts von seiner Angespanntheit anmerken und nahm auch sie in den Arm. Der Nephilim konnte nicht verstehen, was er ihnen sagte, wollte aber auch nicht lauschen und ihren Moment stören. An einer anderen Stelle entdeckte er Egyn, der sich von Sequana verabschiedete, ebenso wie von Kyrene und einigen ihrer Familienmitglieder. Offenbar waren Kyrenes Bruder und Vater noch immer nicht über den Berg und natürlich hatte ihre Mutter ihre restlichen Kinder darum angefleht, nicht nochmal in den Kampf zu ziehen, insbesondere da sie nicht mal richtige Kämpfer waren. Tatsächlich waren Kyrene, Keto, Erato und ihr Bruder Charybdis die einzigen mit einer Kampfausbildung.

 

Allerdings war Egyn zu Rins Überraschung nicht der Einzige, der sich von Familie verabschiedete. Er verdrängte es gern, dass die meisten seiner Geschwister noch Verwandte mütterlicherseits hatten, auch wenn nicht alle mit ihnen sprachen. Bisher war Rin noch keinem offiziell begegnet, außer man zählte Ruhas Geschwister. Sie waren sich einig gewesen, dass momentan nicht der beste Zeitpunkt für Vorstellungen war, daher erkannte er niemanden mit denen sie sprachen. Natürlich mussten nicht alle Familienmitglieder sein, manche waren wahrscheinlich Freunde, aber er wollte hielt sich dennoch einfach im Hintergrund. Er entdeckte nach einer Weile Samael und Indra und wenn er genau hinhörte, verstand er sogar Teile ihres Gespräches.

 

„...keine gute Idee, du hast keine Erfahrung-“, hörte er den Zeitkönig sagen, aber die ältere Dämonin winkte ab. „Das hat dein Vater auch schon gesagt, aber es ist mir egal. Es ist meine Entscheidung.“ Er zwang sich, außer Hörweite zu gehen, um ihnen zumindest etwas Privatsphäre zu geben und er wollte lauschen wirklich nicht zur Gewohnheit werden lassen. Beinahe schon kam er sich dumm vor, weil er niemanden hatte, von dem er sich verabschiedete, rechtfertigte es jedoch damit, dass er es bereits beim Frühstück getan hatte. Bisher hatte er weder seinen Bruder, noch die Mönche oder gar Adepten entdeckt, wahrscheinlich hatten sie ihre Verabschiedungen ebenfalls hinter sich gebracht. Schlussendlich ertönte das Signal zum Abbruch und die Menge teilte sich. Es war Zeit, Lilith alles heimzuzahlen und ihr Zuhause zurückzuholen.

 

 

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„Satan ist auf dem Vormarsch, Eure Majestät. Befehle?“

 

Lilith schnaubte nur, ohne den anderen Dämonen anzusehen, doch ihre Hände umklammerten förmlich ihr Glas, welches drohte, jeden Moment zu zerspringen. Mal ganz zu schweigen davon, dass ihr mehrere Haarsträhnen im Gesicht hängen, was sie normalerweise nicht tolerieren würde. Ihre Fassade bekam die ersten Risse, aber sie würde es niemals zugeben. Für einige Sekunden rang sie um Fassung, bevor sie schließlich antwortete, wobei sie ihr Glas mit mehr Wucht als nötig auf den Tisch abstellte. „Ihr habt eure Befehle längst erhalten, also führt sie gefälligst aus! Sollte sich etwas ändern, werde ich Bescheid geben. Jetzt geht schon! Los, Abmarsch!“

 

„Ganz wie Ihr wünscht.“ Mit einer letzten Verbeugung ließ er sie zusammen mit den Todsünden zurück, welche betreten schwiegen. Lilith war mit den Gedanken allerdings ganz woanders. Satan ging also wirklich in die Offensive. Wie vorhersehbar. Sie setzten alles auf eine Karte, ein letzter verzweifelter Angriff, der sie stürzen sollte. Wie lachhaft! Sie hatten keine Chance, sie würde sie ausradieren, niemand hielt sie jetzt noch auf! Nur warum zitterten dann ihre Hände? Es sollte ein Moment des Triumphes sein, der Sieg war ihr sicher, sie hatte keine Zeit dafür! Ein lautes Knacksen ließ sie inne halten und hinuntersehen. Ihre Fingernägel waren zu Krallen geworden und hatten sich tief in das Holz ihres Schreibtisches gegraben. Schnell ließ sie diese auf ihre normale Größe zurückschrumpfen und zwang sich zum Durchatmen.

 

‚Ganz ruhig, du hast noch immer die Kontrolle.‘ Ihr Temperament kochte jedoch bereits mit dem nächsten Kommentar über. „Sollen wir wirklich bei diesem Plan bleiben?“, hörte sie Acedia fragen. „Wenn Satan anrückt, werden sich die meisten Einwohner auf seine Seite stellen und unsere Leute behindern. Es wäre nicht unbedingt vorteilhaft, ihn hier zu stellen.“

 

„STELL MICH GEFÄLLIGST NICHT IN FRAGE, DU DUMME-“ Sie hielt sich auf, bevor ihr das nächste Wort herausrutschen konnte. Nein, sie war die Ruhe selbst. Sie war nicht gestresst, sie war selbstsicher, alles lief hervorragend. Zitternd atmete sie die Luft ein und lachte dann. „Oh, bitte. Ich soll Angst vor ein paar Bauern und Handwerkern haben?!“, fauchte sie gereizt. „Sie sind Nichts! SIE SIND VERDAMMTES UNGEZIEFER, DIE ES NICHT MAL VERDIENT HAT, ZERQUETSCHT ZU WERDEN!“

 

In ihrer vollkommen ausgeglichen Ruhe warf sie die Weinflasche auf ihrem Tisch gegen die nächste Wand und zündete obendrein den besagten Tisch an. „Ich habe genug! Sie wollen einen Kampf?! Gut, sie bekommen einen Kampf. Satan wird mich am Ende auf den Knien anflehen ihn zurückzunehmen!“

 

Zu Iras großem Glück hörte die Dämonenherrscherin nicht ihr leise gemurmeltes und mehr als sarkastisches „Siiiicheeeeeer…“ Invidia stieß ihr einen Arm in die Rippen und warf ihr einen vielsagenden Blick zu. Auch Acedia und Luxuria warfen sich beunruhigte Blicke zu, sogar Superbia schaute besorgt drein. Lilith wütete derweil munter weiter. „Mir ist egal, was ihr tun müsst, brennt meinetwegen alles nieder oder stecht sie alle ab, ich lasse mir nicht von diesen Maden den Sieg nehmen! Wir nehmen keine Gefangenen, wir akzeptieren keine Kapitulation, wir merzen sie aus. ALlesAmt. Sie werden endlich lernen, dass man sich nicht mir anlegt!“

 

Sie war so weit gekommen, inzwischen war ihr alles gleich, solange sie gewann. Früher oder später würde aus der Asche etwas Neues entstehen, so lief es immer. Wenn sich dafür die Leichen stapeln mussten, war es ihr das wert. Niemand demütigte sie und kam damit davon. Niemand!

 

 

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Der Übergang nach Gehenna verlief mehr oder weniger reibungslos, zwar war mehreren Exorzisten schlecht geworden, doch zumindest war niemand gestorben oder übergab sich. Es war wirklich eine gute Idee gewesen, Gruppen voraus zu schicken, es war dadurch wesentlich einfacher, alles zu koordinieren. Im ersten Moment konnte Rin kaum die Hand vor Augen sehen, doch davor hatte sein Vater bereits gewarnt. Das Dorf in dem gelandet waren, lag ironischerweise in Azazels Gebiet, im Schwarzsumpf um ganz genau zu sein, wo laut seinen Brüdern so gut wie 24/7 Dunkelheit herrschte. Jedoch waren auch andere Teil von Azazels Reich in fast durchgehender Nacht versunken.

 

Kein Wunder, dass Geisterdämonen so extrem blass waren, dafür fiel es ihnen allerdings leichter, im Dunklen sehen. Seiner Meinung nach nicht Grund genug, um hier länger zu leben. Der einzige Grund, dass sie momentan etwas sahen, waren die ganzen Feuer, die sie überall platzierten. Ob es zumindest etwas heller wäre, wenn Azazel hier noch die Kontrolle hätte? Mit der Zeit gewöhnten sich seine Augen jedoch an die schlechten Lichtverhältnisse und er sah sich blinzelnd um. Beinahe wünschte er sich, weiterhin nichts sehen zu können.

 

Das Dorf war bereits seit Jahren verlassen, doch dass es so unheimlich war, hätte er nicht gedacht. Die meisten Häuser waren durchaus in Takt, waren jedoch zum Teil von schwarzen Dornen und anderen Pflanzen überwuchert. Modrig wirkende Holzbrücken verbanden die Sumpfinseln sowie einige der Gebäude, wahrscheinlich Lagerhäuser. Deren Außenwände waren mit roten und nach all der Zeit überraschend leuchtenden Symbolen beschmiert. Die wenigen Wege und Straßen waren zugewachsen und die Bäume wirkten wie verdrehte, düstere Mahnmale, die aus dem Nebel hervorragten. Mehr als einmal stolperte er über einige der Wurzeln und wäre einmal fast in das Sumpfwasser getreten. Einerseits war es irgendwo beeindruckend, dass sie Dörfer in einer solchen Umgebung bauen und dort leben konnten, andererseits fragte er sich wer hier freiwillig hinziehen würde.  

Das Wasser hatte einen dunklen, beinahe schon schwarzen, dreckigen Grünton und seltsame Dämpfe stiegen daraus heraus. Hinzu kamen scharfe, schwarze Felsen, zusammen mit einigen Tierknochen, die überall verstreut lagen. Obwohl er im Unterricht so gut wie nie aufgepasst hatte, meinte er sich an etwas zu erinnern. Diese Dämpfe waren Sumpfgase, waren die nicht leicht entzündbar? Falls ja, war es eigentlich nur ein weiterer Grund, weswegen man hier wirklich nicht wohnen sollte.

 

Ein kurzer erstickter Schrei ließ ihn zusammenzucken und er fuhr erschrocken herum. Einige Exorzisten, die etwas zu nah am Wasser gestanden hatten, waren zurückgewichen, alle mit demselben entsetzten Gesichtsausdruck. „Was ist da im Wasser?! Etwas hat nach uns gegriffen!“, fragte eine Frau verängstigt, doch die meisten Dämonen schienen weniger beeindruckt. „Wir haben doch gesagt, geht nicht zu nah ans Wasser!“, rief einer von ihnen zurück und damit hatte es sich für sie mehr oder weniger erledigt. Die restlichen Exorzisten nahmen sofort Abstand vom Wasser, schienen sich gleichzeitig jedoch nicht dem Dorf nähren zu wollen.

 

Rin konnte es ihnen nicht verübeln, es sah aus wie eine Kulisse für einen Horrorfilm. Sicherlich nicht gerade der erste beste Eindruck, den die Exorzisten von der Dämonenwelt bekamen. Richtig ungemütlich wurde es allerdings, als das Flüstern begann. Zunächst leise, dann zögerlich, immer stetiger und lauter. Keiner der Exorzisten reagierte, ebenso wie die meisten Dämonen, einige sahen sich dagegen wie er suchend um. Nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass es allesamt Geisterdämonen waren. Wunderbar, jetzt kamen also auch noch verlorene Seelen oder Satan weiß was auf einen Besuch vorbei. Als ob nicht schon die Wesen im Wald reichten. Wie auf Stichwort erschienen mehrere Lichter, er konnte aber nicht erkennen, ob sie sich näherten. „Alles in Ordnung? Du siehst blass aus.“, hörte er plötzlich seinen Vater sagen und zuckte zusammen. Er musste wirklich tief in Gedanken gewesen sein, wenn er ihn erst jetzt bemerkte. Jedoch musste er gar nicht antworten. „Du hörst sie auch, nicht wahr?“

 

Beinahe schon erleichtert, dass sein Vater es ansprach, nickte er. „Es klingt, als kämen sie näher. Werden sie angreifen?“ Glücklicherweise schüttelte Satan den Kopf, auch wenn sein Gesicht düster war „Ignorier sie, sie können nichts tun. Dafür sind wir zu viele und ich bin auch noch da. Antworte ihnen nur nicht und gehe nicht zu ihnen. An sich sollte es um diese Zeit nichts allzu Gefährliches sein, höchstens einige verlorene Seelen und Irrlichter, aber momentan würde ich es nicht riskieren.“

 

„Weißt du, nur weil hier Geisterdämonen leben, hättest du dieses Gebiet ruhig etwas heller machen können.“, murmelte Rin, woraufhin der Dämonenherrscher schnaubte. „Zu Beginn sah es in ganz Gehenna so aus. Nur dunkler, mehr Felsen und wesentlich mehr Chaos. Ich konnte es nicht vollkommen ausmerzen, aber es ist zumindest im Gleichgewicht und bei all den Seelen war es absehbar, dass es…düster sein würde.“ Rin sah ihn überrascht an, für einen Moment dachte er wirklich, Satan würde Witze machen. Wie sollte es denn noch schlimmer sein? Sein Vater war jedoch noch nicht fertig. „Du hast nichts im Wasser gesehen, oder?“ Ein wenig überrascht von der Frage, schüttelte der Nephilim schnell mit dem Kopf. „Gut, dann haben sie sich fürs erste zurückgezogen. Wir hatten die Sache mit dem Wasser schon im letzten Krieg, nochmal muss wirklich nicht sein. Halt trotzdem Abstand davon, nur für den Fall.“

 

„Also ist wirklich was im Wasser?“

 

„Ja und du willst ihnen nicht begegnen, glaub mir. Wenn sie einen einmal haben, lassen sie in der Regel nicht mehr los. Sie sind der Hauptgrund warum dieses Dorf hier verlassen ist.“ Dieses Mal hinterfragte Rin nicht, was er meinte, andernfalls könnte er vermutlich nie wieder schlafen. Nach und nach kamen seine restlichen Geschwister hinzu und es wurde Zeit, sich vorerst zu verabschieden, da sich endlich alle in ihre Gruppen eingeteilt hatten. „Gut, dann ist es wohl Zeit sich aufzuteilen.“, sagte Iblis zögerlich. „Zumindest können wir endlich diesen Leichenwald hinter uns lassen. Tut mir nur einen Gefallen und bleibt am Leben, ja?“

 

„Dann halte dich zur Abwechslung an den Plan und tu nichts dummes.“, konterte Lucifer.

 

„Das wird schon.“, sprang Beelzebub ein. „Wir treffen uns dann in Pandemonium. Viel Erfolg!“ Damit wandte auch er sich an seine Truppen, um das Kommando zu übernehmen. Sie würden versuchen, die Hauptstadt einzukreisen, die Versorgung abzuschneiden und jemanden einzuschleusen, der die Tore öffnete. Rin beneidete diese Person wirklich nicht, doch ihnen blieb keine große Wahl. Die Stadt war dazu ausgelegt, längeren Belagerungen Stand zu halten, sie würden sich also die Zähne ausbrechen, wenn sie keine Alternative fanden. Natürlich hegten viele die stille Hoffnung, dass mehr der Soldaten zu ihnen überlaufen wurden, wenn sie bemerkten, was los war. Sicherlich würden sich einige finden, die das sinkende Schiff verlassen wollten und wenn es nur dazu diente, ihre eigene Haut zu retten. Weniger Soldaten für Lilith bedeutete weniger Macht für die Dämonengöttin und dafür mehr für sie. Inzwischen wollte er diese Sache nur noch hinter sich bringen, da war es ihm egal, weswegen sie schlussendlich aufgaben. Sicherlich war er mit dieser Einstellung nicht allein.

 

Ein wenig ungeduldig wartete er darauf, dass sie sich endlich auf dem Weg machten, während er den restlichen abziehenden Truppen hinterher sah. Wegen der Exorzisten würde es nicht gerade einfach werden, sich durch Gehenna zu bewegen, aber es war ihre beste Möglichkeit. Wahrscheinlich rechnete Lilith ohnehin bereits mit ihrem kommen. Da spielte es wohl keine große Rolle mehr, ob sie bis zum Schluss unentdeckt blieben.

 

Schließlich waren sie dran und Satan hielt ihm einen Arm hin.  „Gehen wir, wir müssen im Zeitplan bleiben und deine Brüder sollen ja nicht den ganzen Spaß haben, richtig?“ Er klang mehr als sarkastisch, als er "Spaß" sagte, Rin kommentierte es nicht und stimmte schnell zu. Sicherlich hatte der Dämonenherrscher genauso die Schnauze voll wie der Rest. Mit leichtem Widerwillen griff er den Arm seines Vaters und dieses bereits so verhasste Gefühl kam seinen Magen hoch. Eins der ersten Dinge, die er in jedem Fall lernen wollte, sobald sie alles überstanden hatten, war der Phasensprung. Nach dem was ihm erzählt worden war, war es dann wesentlich angenehmer und drehte einem nicht mehr den Magen um. „Ich hasse dieses Gefühl…“, murmelte vor sich hin. Satan sagte nichts und Sekunden später befanden sie sich bereits an ihrem Ziel.

 

„Ich muss meine Runde gehen und mich mit dem Rest bereden. Du bleibst so lange hier, verstanden?“ Rin brummte zustimmend, wurde aber bereits stehen gelassen. Nur kurz darauf erhielt er Gesellschaft von Alastor, der nicht weniger glücklich als er drein schaute. „Alles klar bei dir?“, fragte er grimmig, was der Nephilim mit einem kurzem „Alles ok.“ beantwortete. Dies schien den Feuerdämonen weniger zu überzeugen und er warf ihm einen kritischen Blick zu. Rin bemerkte es kaum, er sah sich stattdessen weiterhin nervös um. Die Gegend war eine völlig andere und er konnte endlich problemlos die Hand vor Augen sehen, doch er hätte er schwören können, noch immer die Stimmen der Geister zu hören, obwohl sie wahrscheinlich hunderte von Kilometern weg waren.

 

Alastor erkannte dummerweise schnell, was ihn beschäftigte oder vielleicht war er auch nur sehr gut darin, Dinge zu erraten. „Lass mich raten, Azazels Reich hat dich fertig gemacht. Japp, nicht gerade gemütlich dort, aber sobald Lilith weg ist, sollte es sich zumindest etwas legen. Dann beruhigen sich auch die Seelen wieder. Bis dahin musst du sie ignorieren, es hört irgendwann von selbst auf. Das haben sie damals zumindest immer Azazel erzählt. Nicht wirklich hilfreich, ich weiß.“ Zumindest erkannte er das von selbst, doch er war noch nicht fertig. „Und obendrein hast du vermutlich Schiss, dass dich Lilith noch mal übernimmt.“ Rin wich seinem Blick aus, bevor er mit den Schultern zuckte. „Ich hab echt genug davon, ständig Geister zu hören.“, gestand er bitte. „Und Besessenheit ist nicht viel besser. Ich will einfach nur, dass es vorbei ist.“ Beinahe rechnete er mit einem bösem Kommentar des Vollstreckers, aber Alastor seufzte stattdessen. „Kann ich verstehen. Wir haben alle genug, aber drüber zu jammern, bringt nichts. Also reiß dich zusammen und tu was gegen. Sie wird nicht nochmal an dich ran kommen.“

 

Gut, der ältere Dämon war offenbar nicht gerade der beste im Trösten, aber zumindest hatte er es versucht. Irgendwie. Auf seine ganz eigene Weise. „Satan kommt zurück.“, hörte er den anderen plötzlichen sagen und ließ ihn Aufsehen. Hatte er wirklich so lange rumgestanden oder war der Dämonenkönig schneller mit seiner Runde fertig geworden als gedacht? „Alastor, hier bist du also. Ist alles bereit?“, fragte Satan den anderen Dämonen, welcher kurz nickte. „Von meiner Seite ja. Ich hab noch Mal und Pythius rumgeschickt, wie sieht’s bei dir aus?“

 

„Alle scheinen durchgekommen zu sein und die anderen Gruppen haben sich ebenfalls gemeldet. wir müssen nur das Signal geben.“ Wie auf Stichwort kam ein Rin unbekannter Dämon dazu und er trat unbewusst einige Schritte beiseite. Etwas an dem Typen machte ihn nervös, vielleicht weil er ähnlich wie Alastor eine gewisse „Ich reiß dir den Kopf ab, wenn du mich schief anschaust“ Aura besaß. Er konnte sich nicht erinnern, ihn schon mal gesehen zu haben, konnte sich aber entfernt darin erinnern, dass Alastor seine eigene Dämonengruppe befehligte. Vielleicht gehörte dieser Dämon dazu.

 

„Alastor, Lord Satan, wir sind durch. Mal ist grad bei der letzten Reihe.“, berichtete der namenlose Dämon.

„Was macht der Rest?“, hakte der Vollstrecker nach.

 

„Sind bereits an ihren Positionen angekommen, Scarm hat grad Bescheid gegeben. Oh, und Ciri hat was von Nachtmahren an der Grenzer erzählt, aber von den Leuten dazu keine Spur.“

 

„Dann vermeidet die Gegend.“, wies Satan an und wandte sich an seine Truppen. „Es ist so weit. Bewegung.“

 

 

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Das erste Dorf auf das sie trafen, leistete keinen Widerstand. Im Gegenteil, die Einwohner waren mehr als erleichtert und die wenigen Soldaten dort ergaben sich kampflos, einige schimpften sogar noch auf Lilith und schienen nicht weniger erfreut über ihre Ankunft als die Dorfbewohner. Wirklich überraschend war es nicht. Vermutlich hatte Lilith ihre Truppen auf Pandemonium und das nahe Umland konzentriert, allerdings kam es Astaroth dennoch seltsam vor, dass es nicht einmal richtige Wachposten oder zumindest Späher gab. Ihre Gefangenen behaupteten, es gäbe niemanden in der Nähe, doch ganz traute er der Information nicht.

 

Stattdessen befragte er den Dorfältesten, welcher leider ebenfalls nichts Bedeutendes verraten konnte. Viele der Bewohner waren für Liliths Armee eingezogen wurden, an die Bevölkerung an sich hat sie sich jedoch nicht gewandt. Stattdessen hatte sie sie lediglich ihre Armee neu positioniert und sich im Palast verschanzt. Was das genau für sie bedeutete, würde sich noch zeigen, weswegen er direkt einen Boten zu seinem Vater und seine Brüder schickte. Fürs erste würde er auf ihre Antworten warten und die Position halten, doch er ließ auch weitere Dorfbewohner befragen.

 

Einer berichtete davon, bei einem Jagdausflug mehrere Fallen in den Wäldern gefunden zu haben, welche allerdings längst verboten waren. Sie waren eigentlich zu weit weg von den größeren Städten als dass es Wilderer sein könnten. Wahrscheinlich hatte Lilith sie platzieren lassen, ob dies aber nun ihnen oder jemand anderen galt, war fragwürdig.

 

Höchstwahrscheinlich war es eher für die wildgewordenen Bewohner des Waldes gedacht, mit denen sie sich ebenfalls bald auseinander setzen mussten. Hoffentlich würden die Menschen und anderen Dämonen nicht schlapp machen, der Miasma Gehalt in der Luft war extrem hoch und verbreitete sich sicherlich bereits in den anderen Gebieten. Das letzte was sie brauchten war, dass sie den Angriff abbrechen mussten, weil plötzlich alle krank wurden. Insbesondere Menschen waren zimperlich. Das würde noch verdammt anstrengend werden.

 

 

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Samael hatte derweil nicht ganz so viel Glück. Zunächst waren sie nur einigen Spähern begegnet, die sie recht schnell hatten ausschalten können, dennoch hatte er ein mulmiges Gefühl, das sich schnell bestätigen sollte. Warum sollten ausgerechnet hier Späher unterwegs sein, während seine Geschwister laut ihren Nachrichten auf keinen einzigen getroffen waren? Naheliegend war also, dass sie zu einer größeren Truppe gehört hatten, doch wo trieben die sich rum und warum waren sie hier? Es dauerte nicht lange, bis sie die Überreste fanden.

 

Die Leichen waren teilweise zerfetzt, aber nicht geplündert, Tiere waren daher naheliegend, doch die griffen normalerweise keine Gruppe dieser Größe an, auch nicht die korrumpierten. Weiterzugehen, bevor sie wussten, was dahinter steckte, war ausgeschlossen. Er würde nicht riskieren, unnötig Leute zu verlieren, den Fehler hatten sie schon oft genug gemacht. Nicht dass er das jemals zugeben würde. ‚Wunderbar, natürlich bin wieder ich es, der den komplizierten Teil bekommt.‘, dachte er. ‚Hoffentlich wirft uns das nicht zu sehr aus dem Zeitplan…‘

 

„Lord Samael!“, hörte er einen der Späher rufen. Sie waren so schnell zurück? Das konnte nicht gut sein. „Wir haben die Verantwortlichen gefunden. Es sind einige Experimente von Lilith, mehrere sind diese Alukah-Sirenen-Hybride, aber die restlichen Dinger haben wir noch nie gesehen.“, berichtete der Dämon schnell. „Sie scheinen uns bereits bemerkt zu haben, sie sind auf dem Weg hier her.“ Wundervoll, war ja klar, dass Liliths Experimente früher oder später Reißaus nehmen würden, wobei es ihn nicht wundern würde, wenn sie sie mit Absicht frei gelassen hatte. Eventuell würde es einige Tote geben, doch zumindest sollten sie diesen Kampf gewinnen können. Als das erste Kreischen dieser Kreaturen ertönte, zogen sie die Waffen und gingen in Position.

 

 

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„Samaels Truppe wurde von Liliths Experimenten angegriffen. Ihm geht es gut, aber sie haben einige Leute verloren und wissen nicht, wie viele noch unterwegs sind.“ Ärgerlich, doch zumindest eine Hürde weniger. Bisher war neben Samael nur Egyn auf Widerstand gestoßen, was erneut beweis, dass Lilith diesen Teil Gehennas geräumt hatte. Der richtige Spaß kam dann in Pandemonium, was sie in Kürze erreichen würden, vorausgesetzt natürlich, dass es weiterhin keine Probleme gab. Satan würde es nicht beschreien.

 

Er warf einen Seitenblick Richtung Rin, dieser schien in Gedanken verloren, aber wirkte zumindest wesentlich ruhiger als vorhin. Auch die Exorzisten schienen die Nerven zu behalten, auch wenn sie sich nach wie vor sichtlich unwohl fühlten. Durchaus verständlich, aber dass sie gefühlt jede Pflanze anstarrten, als würden sie sie gleich anspringen, war ein wenig anstrengend. Shura war ebenfalls in seiner Gruppe und eine der wenigen, die nicht bei jedem Geräusch zusammenzuckte. „Ich will mich ja nicht beschweren, aber sollten wir nicht auch langsam mal angegriffen werden? Die anderen werden’s ja offenbar auch.“, kommentierte sie, während sie sich suchend umsah.

 

„Warten wir’s ab. Bis Pandemonium kann einiges passieren.“, antwortete der Dämonenherrscher düster. „Die Truppen hier sind wahrscheinlich nur Überbleibsel oder wurden zurück gelassen, um Zeit zu schinden.“ War letzteres der Fall, bereitete Lilith wahrscheinlich etwas Größeres vor und das konnte nicht gut sein. Allein die Barrieren um Pandemonium würden sie zumindest für eine Weile in Schach halten, jede Minute zählte daher.

 

Die Berichte gingen schnell herum und sie sicherten glücklicherweise stetig Gebiet, somit würden sie hoffentlich schnell an ihr Ziel kommen. Zu versuchen, ganz Gehenna mit einem Mal zurückzuholen war sinnlos, dafür war es schlicht und ergreifend zu groß. Sie würden das sichern, was sie durchquerten und sobald Pandemonium wieder in ihrer Hand war, kümmerten sie sich um den Rest. Selbst wenn Lilith den Kampf nicht überlebte, es gab immer genug Leute, die weiterkämpfen würden, selbst wenn der Großteil aufgegeben hatte. Genauso war es schon beim letzten Mal gewesen, aber er war mehr als bereit, sich darum zu kümmern. Sie konnten sich erneut leisten, dass Liliths Anhänger wieder zurückkamen.

 

Nur kurz darauf kam die nächste Nachricht. Lucifer war auf Ärger gestoßen, aber der Widerstand war gering, viele waren sogar weggelaufen. Er vermutete, dass sie Deserteure waren oder sich spontan dazu entschlossen hatten, als sie sie sahen. Ein Teil seiner Gruppe war für den Fall der Fälle dennoch hinterher und würde sich hoffentlich in Kürze melden. Für den Rest blieb es nach wie vor ruhig, auch wenn manche berichteten, von unbekannten Wesen verfolgt zu werden. Höchstwahrscheinlich noch mehr von Liliths Viechern. Es würde sicherlich kein Spaß werden, die später zu beseitigen.

 

„Wir gehen weiter. Solange wir auf keinen Widerstand treffen, sollten wir in Bewegung bleiben.“ Niemand widersprach und sie setzten ihren Weg fort. Fürs erste würde er sich nur darauf konzentrieren, heil nach Pandemonium zu gelangen. Andere Probleme konnten bis dahin warten.

Pandemonium

Entgegen Satans Erwartungen erreichten sie Pandemonium bereits gegen Nachmittag. Zwar hinkten einige Gruppen etwas hinterher, da sie sich noch einigen anderen Hindernissen stellen oder ihnen ausweichen mussten, doch schlussendlich kamen sie ebenfalls an und bezogen in sicherer Entfernung von den Stadtmauern Stellung. Bisher schien man sie nicht entdeckt zu haben, aber das war kein Grund für Leichtsinnigkeit oder Erleichterung. Obwohl auf dem ersten Blick nichts Auffälliges zu entdecken war, rechneten sie bereits mit allen möglichen Gemeinheiten, immerhin hatten sich schon einige an den Mauern die Zähne ausgebissen. Man musste als Verteidiger nur wissen, was man tat. Auch die Fallen drum herum waren nicht zu verachten und konnten sogar Dämonen schwere Verletzungen zufügen. Einen Menschen würden sie mit großer Wahrscheinlichkeit direkt töten, mit der Ausnahme einiger Siegel, da diese Sterbliche nicht beeinflussten.

 

Vorerst galt ihre Sorge allerdings den Barrieren, denn es würde dauern, diese einzureißen, selbst mit der Hilfe Satans und seiner Kinder. Lilith und ihre Leute hatten mehr als genug Vorbereitungszeit gehabt und in Satans geschwächten Zustand würde es knifflig werden, vor allem da sie unter extremen Zeitdruck standen. Natürlich war es eine Option mit voller Wucht immer wieder anzugreifen, aber das würde höchstwahrscheinlich zu lange dauern und obendrein verbrauchte es viel zu viel kostbare Energie, was ihnen später gewaltig auf die Füße fallen konnte.

 

Kurz gesagt, sinnloses Angreifen stand außer Frage, es sei denn ihnen blieb absolut keine andere Möglichkeit, aber daran wollte der Dämonenherrscher fürs erste nicht denken. ‚Vielleicht haben wir ausnahmsweise Glück und Lilith hat in ihrer Wut einen Fehler bei der Barriere gemacht. Wäre immerhin nicht das erste Mal.‘  Glücklicherweise war es eine Schwäche, die sie nie überwunden hatte und wahrscheinlich niemals würde. Die Dämonin tendierte dazu, insbesondere bei komplizierteren Dingen, schlampig zu werden, wenn sie besonders emotional oder in die Ecke gedrängt war. Dummerweise mussten sie noch etwas näher heran, um die Barriere effektiv angreifen zu können und da ihre Ablenkung nicht ewig funktionieren würde, war ein Kampf somit unausweichlich. Sie hatten es nach jeder Menge Planung geschafft, einige Leute einzuschleusen, die ihren Plan in die Tat umsetzen würden, doch zuvor mussten sie auf die Wachablösung warten, da dies das größte Chaos mit sich bringen würde. Mit etwas Glück würden manche der Wachen direkt die Seite wechseln, wenn sich die Gelegenheit bot.

 

Zudem würde sie nicht sofort mit der vollen Streitkraft angreifen, sondern nur mit der Hälfte ihrer Truppen, andernfalls würden sich alle nur gegenseitig im Weg stehen und auch das Risiko in eine der Fallen zu geraten, war somit geringer. Er selbst und seine Söhne mussten sich derweil zurücknehmen, um ihre volle Aufmerksamkeit der Zerstörung der Barriere zu widmen. Leider war nicht vorhersehbar wie lange dies dauern würde und das gab er gegenüber Alastor offen zu. „Ich kann von hier aus nicht einschätzen wie stark die Barrieren sind. Keine Ahnung wie lange es dauern wird, bis wir die unten haben.“ Der andere Dämon nickte grimmig, war jedoch nicht weiter überrascht.

 

„Dachte ich mir schon. Wir halten so lange wie nötig die Stellung, notfalls kommt dann eben die zweite Welle. Hoffen wir nur, dass die Sterblichen halbwegs nützlich sind und nicht direkt alle abkratzen.“ Er warf einen kritischen Blick zu einer Menschengruppe rüber, offenbar nur wenig von ihren Fähigkeiten überzeugt. Bisher hatten sie sich zwar nicht schlecht geschlagen, doch Gehenna setzte ihnen immer mehr zu.

 

Satan antwortete nicht und beobachtete stattdessen weiterhin angespannt die Mauern. Den Angriff zu verschieben, stand außer Frage, wenn die Dämonen erwischt worden waren oder den Zeitpunkt verpasst hatten, hatten sie keine andere Wahl als die Taktik zu ändern und so anzugreifen. Sie wollten es so weit wie möglich vermeiden, Zivilisten damit zu erwischen, doch wussten, dass es unumgänglich war.

 

Die nachfolgenden Minuten verstrichen in angespannter Stille, wandelte sich jedoch in Erleichterung um, als ein lauter Knall ertönte. Dabei allein blieb es nicht, weitere folgten in nur kurzem Abstand und waren das Signal auf das sie gewartet hatten. Ohne Zögern rückten sie vor, Satan sammelte bereits seine Kraft, um die Barriere anzugreifen, seine Söhne taten es ihm von ihren eigenen Positionen aus gleich. Rin blieb natürlich zurück, sie würden ihn erst dazu holen, wenn alles frei war. Jetzt mussten sie sich auf den Schutz ihrer Truppen verlassen.

 

 

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Schlussendlich hielten die Barrieren tatsächlich nicht lange stand. Zwar hatten Liliths Leute sie recht schnell bemerkt und angegriffen, doch sie konnten nichts mehr tun, um sie aufzuhalten oder groß zu verlangsamen. Bereits nach wenigen Minuten war ein lautes Knacken zu hören, dann fiel die gesamte Barriere mit einem dröhnenden Krachen zusammen. Rin musste gestehen, dass er eine gewisse Genugtuung empfand. Liliths Leute hatten sie bereits oft genug überrascht und ausgetrickst, allein ihr Angriff während des Blutgerichtes war ein übler Schlag gewesen, daher war es mehr als zufriedenstellend den Spieß ausnahmsweise umzudrehen.

 

Die Fallen waren da schon etwas kniffliger, zumindest so weit er das von seiner momentanen Position aus beurteilen konnte. Ein Teil der Gruppe war damit beschäftigt, einen Pfad frei zu machen und auch die Stadttore waren bereits offen. Bisher lief alles besser als erwartet und obwohl Rin nicht viel von Strategie verstand, erkannte sogar er, dass Lilith offenbar weniger Wert auf den Schutz der Mauern gelegt hatte. Sie verschanzte sich lieber im Palast und wartete ab, ihre Gefolgschaft, egal ob nun ihre oder Satans Dämonen, waren ihr dabei vollkommen egal. Man sollte meinen, ihre Leute hätten inzwischen genug von ihr, stattdessen leisteten sie weiterhin erbitterten Widerstand und leider ließen die ersten Toten und Verletzten nicht lange auf sich warten. Er versuchte sich mit der Tatsache zu trösten, dass sie es zumindest in die Stadt geschafft hatten und dabei kaum Verluste erlitten hatten. Nie im Leben hätte der Nephilim mit einem solch glatten Ablauf gerechnet, bisher hatten ihre Pläne ihnen immerhin oft nur noch mehr Pech eingebracht.

 

Wie verlangt, gab er sein Bestes, den Kopf unten zu behalten, auch wenn er sich etwas schuldig fühlte. Natürlich verstand er, weswegen es nötig war, einfacher machte es seine Untätigkeit dennoch nicht. Bisher hatte er keinen seiner Brüder entdecken können, stattdessen hielt er sich weiterhin an seinen Vater, der sich zwar etwas zurückhielt, um ihn im Auge zu behalten, aber dennoch einiges austeilte. Wie bereits erwartet, fackelten Liliths Leute nicht lange und machten, dass sie wegkamen als sie ihn sahen. „Rin, du bleibst hier bei Iblis und Halphas, ich will mich persönlich umsehen.“, wies Satan ihn an. Der Nephilim dachte gar nicht daran, ihm zu widersprechen, immerhin war er hier ein Fisch auf dem Trockenen. Umso mehr überraschte es ihn, als die beiden erwähnten Dämonen plötzlich neben ihm standen. Offenbar hatte er sie tatsächlich übersehen, was aber angesichts des Chaos nicht unbedingt weiter verwunderlich war.

 

„Alles klar bei dir?“, fragte Iblis ihn sichtlich angespannt. Er hatte Blut im Gesicht, allerding schien es nicht sein eigenes zu sein. Offenbar war auch er kein großer Fan vom rumstehen, da er sichtlich nervös von einem Fuß auf den anderen trat und immer wieder seine Schwertklinge kontrollierte.

 

„Ja, es geht.“, antwortete der Halbdämon nicht weniger nervös. „Es scheint ja ganz gut zu laufen.“

„Bisher schon.“, erwiderte der Dämonenkönig unerwartet düster. „Sogar wesentlich besser als letztes Mal. Aber warten wir’s erst mal ab. Bis zum Palast ist es noch ein verdammt weiter Weg.“

 

„Mach dir aber nicht zu viele Gedanken, Rin. Das wird schon.“, warf Halphas schnell ein. „Halte dich einfach auf den Plan.“

Der Halbdämon nickte und sie verbrachten die nächsten Sekunden in angespanntem Schweigen, nur hin und wieder teilten sie einige Angriffe aus, wenn ein Gegner zu nahekam. „Vater sollte längst zurück sein…wo bleibt er? Wenn er nicht bald kommt, wirft uns das aus dem Zeitplan.“, murmelte Iblis, welcher immer unruhiger wirkte.

 

Halphas antwortete nicht und schaute stattdessen stirnrunzelnd Richtung Stadt. „Iblis.“, sagte er langsam. „Laut Plan sollten wir eigentlich erst in den vorderen Bereichen sein, also hinter der Mauer, richtig?“

 

„Ja, warum?“, erwiderte der Baal etwas irritiert, da er sich immer noch nach seinem Vater umsah.

„Weil es in mehreren Teilen der Stadt brennt.“ Der Tonfall verriet, dass er bereits erkannt hatte, was los war und auch Iblis und Rin, welche sich sofort umdrehten, verstanden, was passiert war.

 

Iblis fluchte. „Diese Wahnsinnigen zünden die verdammte Stadt an!“

 

 

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Samael und Amaimon hatten das Feuer zu diesem Zeitpunkt längst entdeckt. Zu Beginn waren sie nicht ganz sicher woher es genau kam und hielten es sogar für Signale zwischen Liliths Leuten, allerdings wurde schnell deutlich, dass dies nicht der Fall war, insbesondere da sie scheinbar wahllos überall auftauchten. Eine wirkliche Strategie ließ sich dabei nicht erkennen, weswegen sich der Zeitkönig fragte, ob dies wirklich geplant gewesen oder eine Verzweiflungstat gewesen war. Eine Rolle spielte es schlussendlich nicht, denn das Feuer breitete sich schneller aus, als ihm lieb war und eigentlich hatten sie absolut keine Zeit sich damit zu beschäftigen. ‚Da hat man einmal keine Feuerdämonen in der Nähe…‘

 

Amaimon schien ähnliches durch den Kopf zu gehen. „Wir sollten Iblis holen.“ An sich keine dumme Idee, doch natürlich wusste auch er, dass sie sich nicht ablenken lassen sollten. Genau darauf baute Lilith oder wer auch immer diesen Befehl gegeben hatte.

„Das wird er allein nicht schaffen, selbst mit Halphas Hilfe und abgesehen davon ist es zu weit verteilt.“, erwiderte er. Es würde nicht lange dauern, bis ihnen die panische Bevölkerung entgegenkommen würde, was nur für noch mehr Durcheinander sorgen würde. Rein logisch gesehen, wäre es am klügsten, diese Situation zu ignorieren und weiter vorzurücken. Die Häuser konnte man wieder aufbauen und es war ja nicht so, dass es hier noch nie Brände gegeben hatte. Sicherlich würde die Bevölkerung schon selbst klarkommen, es gab mehr als genug Feuer- und Wasserdämonen.

 

Andererseits würden sie damit ihr eigenes Volk im Stich lassen. So wie die Dinge momentan standen, sollten sie zumindest weitere Eskalationen vermeiden und sich die Lage näher ansehen. Manchmal reichten schon einige ermunternde Worte und Anweisungen, um sie aus der Schockstarre zu reißen. „Wir können nicht viel tun und dürfen uns nicht ablenken lassen, aber wir haben etwas Zeit bis die restlichen Truppen nachrücken. Am besten wäre es, etwas bei der Eindämmung zu helfen und zu sehen wie die Bevölkerung klarkommt. Wenn sie wissen was zu tun ist, können sie die Brände selbst löschen.“ Wahrscheinlich alles andere als ideal, allerdings würde es die entstehenden Schäden und somit die Panik eingrenzen. Amaimon nickte lediglich, auch wenn er offensichtlich nicht begeistert wir.

 

„Wenn du das sagst.“

 

„Hast du eine bessere Idee?“

 

„…Nicht wirklich.“

 

Sie hatten genug herumgetrödelt, jetzt war wirklich keine Zeit für Diskussionen. Ohne ein weiteres Wort ging er los und Amaimon folgte.

 

 

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Während mehrere der Truppen mit dem Feuer zu kämpfen hatte oder versuchte die Bevölkerung zu beruhigen, sah es bei Beelzebub, Shura und der dazu gehörigen Exorzisten- und Dämonengruppe etwas anders aus. Nicht nur waren sie auf einige sehr hartnäckige Alukah getroffen, nein, es mussten auch Furien dabei sein. Shura hatte die Dinger zu gut um Gedächtnis und erinnerte sich dunkel daran, dass sie laut den Baal eigentlich nichts in Pandemonium verloren hatten. Waren Lilith die Regeln egal oder waren es nicht nur Geister, die das Totenreich nach Gutdünken verlassen konnten? Zumindest hatten sie nach wie vor ihren Verstand, da sie sich dieses Mal nicht in Assiah befanden, allerdings schienen sie kein Problem damit zu haben, Beelzebub anzugreifen, weswegen sie sich fragte, wie intelligent sie wirklich waren. Erkannten sie den Baal nicht, lag es an Azazels Abwesenheit oder hatten sie Lilith einfach als neue Herrscherin anerkannt? Sollte letzteres der Fall sein, konnte sie sich gut vorstellen, dass dies einiges an Ärger geben würde, wenn Satan erst wieder auf dem Thron saß.

 

Momentan hatte sie allerdings ganz andere Probleme. Wie Egyn schon damals erklärt hatte, waren ihre Angriffe absolut nutzlos, daher konnte sie nur ausweichen und versuchen, sich gleichzeitig die Alukah vom Hals zu halten. Wieder sprang sie beiseite, dieses Mal starte sie einen Gegenangriff, der ihre Angreiferin voll traf. Zumindest die Alukah konnten den Schaden nicht einfach wegstecken. Nur dumm, dass sie trotzdem wieder relativ schnell auf den Beinen waren. „Wie zum Henker töte ich die?!“, rief sie Beelzebub zu.

 

„Versuch den Kopf abzutrennen!“, schrie dieser zurück. Wunderbar, genau was ihr schon immer in den letzten Kämpfen gesagt worden war. Wenn es nur so einfach wäre! Jedes Mal, wenn sie nah genug rankam, sprangen ihre Gegner weg oder zwang sie mit einem Angriff zum Rückzug. Schlussendlich konnte sie zwar einige besiegen, aber sie war wesentlich langsamer als normalerweise und dafür schneller aus der Puste. Allmählich schien Gehenna ihr wirklich zu schaffen zu machen. Daher bemerkte sie auch zu spät den Dämonen, der sich von hinten anschlich. Erst ein lautes Kreischen ließ sie herumfahren und stellte fest, dass Beelzebub den Dämon getötet hatte, bevor er sie erreichen konnte. „Die anderen Exorzisten werden auch nachlässiger. Pass besser auf und halt dich an deine Gruppe. Ich hatte wirklich gehofft, wir haben mehr Zeit, bevor euch Gehenna schwächer macht.“, erklärte er, als wäre nichts gewesen.

 

Shura nickte stumm und wandte sich den restlichen Gegnern zu, doch zu ihrer Verblüffung traten Liliths Leute den Rückzug an. Sie wagten einen kurzen Blick zu den anderen Exorzisten, welche nicht weniger erschöpft  und verwirrt aussahen. „Warum sind wir dieses Mal so schnell erschöpft? Als wir in den Palast eingebrochen sind, war es nicht so.“, fragte sie den Insektenkönig.

„Wie gesagt, Gehenna und Assiah haben sich verändert.“, kam die knappe Antwort. „Menschen merken das viel schneller als Dämonen. Würden wir noch länger warten, wäre die Luft in Assiah auch irgendwann wie die Gehenna.“ Großartig, sollten sie es sich also jemals mit Satan vermiesen, könnte er Assiah also theoretisch unbewohnbar für Menschen machen. Nun, er hatte es oft genug angedeutet und solange sie ihm keinen Grund gaben, sollte es hoffentlich niemals so weit kommen.

 

Die verbliebenen Furien begannen nun ebenfalls sich zurückzuziehen, sehr zur Verwunderung der anderen Dämonen und Exorzisten, denn es gab keinen ersichtlichen Grund dafür. „Warum hauen die den jetzt ab?“, hörte sie einen anderen Exorzisten fragen. Die Dämonen antworteten nicht und sahen sich um, offenbar in der Erwartung etwas zu sehen, dass dem plötzlichen Rückzug erklären würde.

 

„Sagt mal, riecht ihr das?“, fragte jemand plötzlich. Aus dem Augenwinkel sah Shura wie die Dämonen erstarrten, was ihre Sorge nur bestätigte. Beinahe sofort machten sich Fluchtinstinkte bemerkbar, allerdings reagierte sie erst, als die Dämonen in Deckung gingen und ihnen eine Warnung zuriefen. Die Exorzisten schafften es gerade noch, sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen, dann ertönte ein lauter Knall, der den Boden erschütterte und ein beißender Geruch verbreitete sich. In der Ferne konnte sie noch mehr Knallgeräusche hören, daher wagte sie noch nicht, wieder aufzustehen.

 

„Was war das?“, zischte Shura einigen Dämonen neben sich zu, welche allerdings nicht antworten und abzuwarten schienen oder sie einfach nicht verstanden. Sie harrten einige Minuten aus, aber es blieb alles still. Zwar entdeckten sie jetzt ebenfalls die Feuer, aber momentan konnten sie nichts dagegen tun. War das ein Unfall oder Absicht gewesen? Wenn sie sich so die Gesichter der anderen ansah, waren sie genauso unsicher. Schlussendlich war es Beelzebub, der die angespannte Stille durchbrach.

 

„Entweder irgendwelche Idioten haben hier nicht aufgepasst oder Lilith ist wirklich alles egal geworden.“, knurrte er finster.

 

„Sie benutzt irgendwas, um Bomben zu bauen?“, tippte Shura, die sich noch immer versuchte zusammenzureimen, was gerade passiert war.

 

„Mehr oder weniger. Das ist ein Gas, was sonst in den Minen und Fabriken genutzt wird und leicht entzündlich ist. Ich denke mal, da sind Behälter in der Kanalisation und da strömt es aus. Wenn wir nicht vorsichtig sind, fliegt uns hier alles um die Ohren, vor allem mit den ganzen Feuern überall. Ich muss mich mit den anderen bereden, bevor wir weitergehen. Da jetzt blind rein zu rennen, wird nicht gut enden.“ Niemand protestierte. Die meisten Gebäude um sie herum standen bereits leer, offenbar waren die Bewohner weggelaufen sobald die Kämpfe begonnen hatten, also mussten sie sich zumindest diesbezüglich keine Sorgen machen. Um nicht zu sehr auf dem Präsentierteller zu sitzen, zogen sie sich hinter eines der Gebäude zurück, wo der Insektenkönig seine Familie und andere Befehlshaber kontaktierte. Shura konnte ihr schlechtes Gefühl jedoch weiterhin nicht abschütteln.

 

 

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Lucifer und Astaroth hatten gerade ihr zugeteiltes Gebiet gesichert, als Beelzebubs Nachricht durchkam. Verständlicherweise waren beide wenig begeistert, in ihrer Nähe gab es eine Menge Feuer und solange sie nicht wussten, ob noch an anderen Stellen Gase austreten konnten, war weiterrücken keine Option. Es war in der Tat zum Haare raufen, sie waren in der Stadt drin, aber saßen fest und einen Rückzug konnten sie sich nicht leisten. Die Einwohner hatten sie nur allzu gern durchgelassen und manche der Verteidiger hatten beinahe sofort aufgegeben oder wollten sogar helfen, alles war so glatt gelaufen! Das würde sie im Zeitplan zurückwerfen, aber zumindest hatten sie es rechtzeitig gemerkt und konnten somit Verluste verhindern. Die Feuer- und Wasserdämonen würden sich mit den Feuern auseinandersetzen, bis dahin mussten sie nur die jeweiligen Stellungen halten. Es verlangsamte sie immens, aber sie hatten zumindest einen kleinen Erfolg gehabt.

 

 

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‚Ich. Hasse. Diese. Verdammten. Moroi!‘

 

Kaum hatte Egyn das gedacht, bohrten sich die Krallen seines Gegners genau in die Stelle, an der gerade noch gestanden hatte. Warum bekam er eigentlich immer welche ab, die sich große Tiere verwandeln konnten?! Männliche Fenriswölfe konnten auf den Hinterbeinen drei bis vier Meter hoch sein! Mit einem lauten Knurren schnappte der andere Dämon erneut nach ihm, dieses Mal hielt er auf sein Gesicht zu und zwang den Baal einen Satz nach hinten zu machen. Normalerweise würde er versuchen, den Angreifen auszuweichen bis sein Gegner müde wurde und dann hinter ihn zu kommen, aber dafür hatte er nicht genug Platz, da er den Fehler gemacht hatte, in eine Gasse auszuweichen. ‚Ok, dann eben Plan B.‘ Er täuschte an, sprang allerdings zurück als der Gestaltwandler ausholte, was diesen aus dem Gleichgewicht brachte. ‚Hab ich dich.‘

 

Anstatt anzugreifen wie es sein Gegner erwartete, machte er einen Satz gegen die linke Wand, stieß sich ab, um auf die rechte Seite zu kommen und nutzte den entstehenden Schwung, um sich hinter den Moroi zu katapultieren. Bevor dieser begreifen konnte, was los war, rammte der Wasserdämon seinen Speer in dessen Achillessehne, sodass er einknickte und er ihm seinen Dolch in den Nacken rammen konnte. ‚Schätze ich sollte Beel danken, weil er mich so oft zum Klettern mitgeschliffen hat.‘, stellte er fest, während er schnell zum Rest der Gruppe aufschloss. Offenbar hatten sie seine Abwesenheit gar nicht bemerkt, allerdings konnte er ihnen dafür nicht wirklich die Schuld geben. Sie hatten mit ihren eigenen Gegnern alle Hände voll zu tun und somit nicht die Zeit, sich um andere zu kümmern.

 

Er sah sich kurz nach Agares um, diese war mit einem anderen Moroi beschäftigt, schien allerdings keine Hilfe zu brauchen. Zu Beginn war er etwas besorgt gewesen, sie war immerhin schon einmal gefangen genommen worden, hatte aber inzwischen eingesehen, dass es keinen Sinn machte, sich deswegen Gedanken zu machen. Es konnte immer passieren und noch dazu sollte er die Wasserdämonin wirklich nicht unterschätzen, sie war mehr als fähig auf sich selbst aufzupassen. Lange Gedanken machen konnte er sich ohnehin nicht, er hatte direkt einen Alukah vor sich, der es gar nicht abwarten konnte, ihn auszusaugen.

 

Beinahe schon genervt, trat er beiseite und rammte seinen Speer in den angreifenden Dämonen, dieser versuchte allerdings im letzten Moment auszuweichen, sodass er stattdessen dessen Arm erwischte. Es war keine gefährliche Wunde, jedoch ließ der andere Dämon dadurch zumindest einen seiner Dolche fallen. Dafür griff er mit der anderen Hand an und da der Wasserdämon nicht die Zeit hatte, seinen Speer rechtzeitig herauszuziehen, war er gezwungen, diesen los zu lassen. Bevor sich der Blutsauger darüber freuen konnte, startete der Baal bereits einen Gegenangriff in Form einiger Eiszapfen und dieses Mal trafen sie. Schnell zog er seinen Speer heraus und wandte sich an die nächsten Gegner, die immer noch nicht aufgeben wollten.

 

‚Eins muss man ihnen lassen, stur sind sie. Sekunde, was ist das?‘ Auch er hatte nun endlich die Flammen entdeckt und realisierte, dass mehr Arbeit auf sie zukam als gedacht.

 

 

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Feuer zu löschen war wirklich das letzte gewesen, das Iblis erwartet hatte. Als sein Vater endlich zu ihnen zurückgekommen war, hatte er sie sofort losgeschickt, um sich darum zu kümmern, denn wie er erfahren hatte, trat überall entzündliches Gas aus. Überraschen sollte es ihn weniger, allerdings konnte er nach wie vor nur den Kopf über diese Entscheidung schütteln. Lilith würde dadurch vielleicht einige Stunden Zeit bekommen, aber war es das wirklich wert? Eigentlich nicht, zumindest hoffte er es. Ein weiteres Feuer erlosch, sehr zu seiner Zufriedenheit. Der Rest seiner Gruppe arbeitete trotz der unerwarteten Wendung ziemlich schnell und bisher war auch nichts in die Luft geflogen. Einige Anwohner hatten sogar ihre Hilfe zugesichert, somit würden sie hoffentlich heute noch den Palast erreichen. Mit etwas Glück konnten sie einige der Geheimgänge nutzen, um zumindest einen Teil ihrer Truppen hineinzuschmuggeln. ‚Fragt sich nur, wo die Aveira bleiben. Sonst kamen die doch auch immer an, wenn man sie null gebrauchen kann. Nicht, dass ich mich beschweren würde. Zumindest sind es nur noch sechs.‘

 

Noch immer konnte er nicht nachvollziehen, warum Lilith Gula einfach in den Tod geschickt hatte. Versagen hin oder her, warum sollte man seine eigenen Leute verschwenden? Eigentlich war es überraschend, dass die anderen nach der Aktion noch freiwillig für die Dämonengöttin arbeiteten. Er wäre an ihrer Stelle längst über alle Berge. „Sag den anderen, dass wir uns aufteilen. Es sind nicht mehr viele Feuer übrig und der Rest wird bald durch sein.“, befahl er Halphas, welcher kurz nickte.

 

„Verstanden. Ich gebe den anderen Bescheid. Sobald die restlichen Feuer aus sind, sollte das Gas kein Problem mehr sein und wir können weiter.“

 

 

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Seit dem Tod seiner Mutter hatte Azazel keinen wirklichen Kontakt mehr mit dieser Seite der Familie gehabt. Sicher, eine Zeit lang hatte er sie noch besucht und mit seinen Cousins und Cousinen verstand er sich nach wie vor (auch wenn er um Azrael meist einen Bogen machte, denn er wollte seine Augen gern behalten), allerdings war es nicht mehr dasselbe gewesen. Ständig hatten sich die Erwachsenen mit seinem Vater in den Haaren, viele Jahre später hatte er zudem erfahren, dass sie sogar versucht hatten, das Sorgerecht für ihn zu bekommen. So oder so wurden die Besuche seltener, er wollte nicht jedes Mal ihre Streitereien anhören, bis sie sich schlussendlich nur noch zu bestimmten Anlässen sahen, meist waren es Feste. Inzwischen hatte er sich damit abgefunden, weswegen ihn seine momentane Situation umso unangenehmer war. Sie hatten angeboten, sich um ihn zu kümmern, während die anderen weg waren und langsam wünschte er wirklich, sie hätten es nicht getan.

 

Er hatte sich eigentlich immer mit seiner Tante und seinen Onkeln verstanden, aber dank der Streitereien hatte jedes Treffen und Gespräch einen bitteren Beigeschmack, selbst wenn sie nicht über seinen Vater sprachen. Daher war es nicht weiter verwunderlich, dass unangenehme Stille herrschte. Das letzte Mal hatte er sie zu Azraels Geburtstag vor einem knappen Jahr gesehen, seitdem war Funkstille bis zur nächsten Feier, worüber sollte er da mit ihnen reden? Viduus hatte zwar versucht, ein Gespräch angefangen, aber recht schnell aufgegeben da weder Seker noch Keres besonders erpicht auf eine Konversation schienen. Warum hatten sie sich dann überhaupt freiwillig gemeldet? Zu dumm, dass alle großen Hausführer in den Kampf gezogen waren, die wären ihm wesentlich lieber gewesen.

 

„Also…du hast es wirklich nur mit der Hilfe anderer Toter rüber geschafft, Ruha?“, hörte er Viduus sagen. Es war offenbar ein neuer Versuch ein Gespräch anzufangen, selbst wenn er die Antwort bereits kannte.

 

„Ja, das stimmt.“, erwiderte seine Mutter dennoch. „Allerdings sollten wir lieber über eure Feindseligkeit gegenüber Satan reden, meint ihr nicht auch?“

 

Wie erwartet erhielt sie ein unzufriedenes Schnauben von Seker. „Aus gutem Grund. Wir haben dir von Anfang an gesagt, dass es eine schlechte Idee ist, sich mit ihm einzulassen, aber haben schlussendlich nachgegeben, weil du glücklich war. Wohin das geführt hat, weißt du selbst.“

 

„Es war mein Leben.“, antwortete Ruha knapp. „Es war meine Entscheidung mit wem ich es verbringe und was mit den Harpyien passiert ist, war nicht seine Schuld.“

 

„Nicht seine Schuld?!“, protestierte Keres und ihre Augen funkelten wütend. „Er hat dich allein gelassen und davon abgesehen war es doch wegen ihm, dass Lilith durchgedreht ist! Wir haben dich mehrmals gewarnt, wir wussten, dass er Ärger bedeutet, aber du wolltest ja unbedingt Königin werden.“

 

„Sekunde, ist es das, was ihr glaubt?! Dass ich nur Königin werden wollte?! So denkt ihr von mir?!“, unterbrach Ruha ihre Schwester mit wütender Stimme, welche sofort erblasste.

„N-Nein, so war das nicht gemeint! Es tut mir-“

 

„Keres hat recht.“, unterbrach Seker ihre Entschuldigung. „Wie konntest du dich mit jemanden wie Satan einlassen?! Nach allem was er getan hat, würde jeder, der halbwegs bei Verstand ist, Abstand halten! Er denkt nur an sich selbst, alle anderen sind ihm egal und nach allem was man so hört, geht er auch nicht gerade gut mit seinen Angestellten um und hat Lilith während sie zusammen waren mehrmals betrogen.“

 

„Das sind nichts weiter als Gerüchte!“, fauchte Ruha, nun erzürnt. „Ihr habt euch nie die Mühe gemacht, ihn näher kennen zu lernen und ihr urteilt wirklich anhand von dummem Gerede?! Nur um es mal klar zu stellen, er war ein wundervoller Gatte und immer respektvoll gegenüber seinen Angestellten, ganz egal welchen Standes und Hintergrunds!“

„Vor dir vielleicht, aber wer weiß, was er hinter geschlossenen Türen-“

 

„ES REICHT!“, donnerte mit einem Mal Azazel, welcher bisher still geblieben war, sprang auf die Füße und starrte die drei Dämonen wütend an. Sie würden so nicht über seine Eltern reden, wenn er daneben saß! „Wie könnt ihr es wagen, so über meinen Vater zu reden und Mutter zu verurteilen?! Ihr wisst GAR NICHTS über ihn und ganz im Gegenteil zu euch, ist er wenigstens für seine Familie da! Ihr seid einfach nur verbittert, weil ihr mit euren eigenen Leben unzufrieden seid. Seker, du solltest bezüglich Betruges und Respekt gegenüber Angestellten mal ganz ruhig sein, immerhin hast du es mit mehreren von ihnen getrieben, obwohl du noch mit deiner Ex zusammen warst. Streite es gar nicht erst ab, ich habe Ohren und das Gästezimmer ist nah genug an deinem Schlafzimmer.“, fügte er hinzu, als der andere Dämon zum Protest ansetzte. „Übrigens bin ich ziemlich sicher, dass sie nur so getan hat, um dein Ego zu befriedigen. Niemand stöhnt so laut und kommt so oft, also bleib mal auf dem Teppich.“ Inzwischen wurde er von den dreien mit offenem Mund angestarrt, Seker wechselte zwischen verschiedenen Rottönen während seine Mutter aussah wie Wild im Scheinwerferlicht. Bevor er unterbrochen werden konnte, wandte er sich an seine Tante.

 

„Und du hast Vater auch mehrere Male angegraben, bevor er und Mutter offiziell zusammen waren, aber dann warst du plötzlich dagegen. Klingt eher danach als könntest du den Gedanken nicht ertragen, dass er nichts von dir wollte und deine eigene Schwester vorgezogen hat. Hey, ich kenne das Gefühl, es ist Scheiße immer mit den Geschwistern verglichen zu werden, aber nur weil dein Liebesleben nicht läuft, hast du nicht das Recht Mutter Oberflächlichkeit vorzuwerfen. Außerdem, hast du damit gerechnet, dass Lilith jemals so weit gehen würde? Nein? Dann halt die Klappe und setz dich hin, außer du hast mal was zu sagen, was nichts mit Eifersucht und Häme zu tun hat. Niemand wusste, was mit Lilith war, also wage es ja nicht, Vater nochmal Vorwürfe zu machen.“ Keres schien ausnahmsweise nichts zu sagen haben, weswegen er sich an den letzten in der Runde wandte. Wahrscheinlich würde er seinen Ausbruch nachher bereuen, aber es tat gut nach all den Jahren, endlich all seinem Ärger Luft zu machen.

 

„Und was dich angeht, Viduus, warum musst du eigentlich immer so feige sein?! Egal, was Keres oder Seker sagen, du ziehst immer mit, aber wenn es dann drauf ankommt, hältst du dich raus. Frieden brechen hin oder her, du wusstest wie bescheuert diese ewigen Streitereien sind und du wusstest auch, dass es niemanden etwas bringt, aber nie hast du irgendetwas gesagt sondern nur zugesehen. Ihr schimpft alle auf Vater, aber ihr seid selbst nicht besser. Ihr seid allesamt Heuchler, die mir gegenüber auf nett tun und es dann nicht gebacken bekommen, wenigstens mal für einen Tag die Streitereien sein zu lassen oder euch wenigstens zu melden, außer ihr braucht was. Ihr habt mir nie ins Gesicht gesagt, was euer genaues Problem mit Vater ist, stattdessen habt ihr immer nur irgendwelche Sprüche und Kommentare abgelassen, damit er schlecht dasteht. Ich war ein Kind, ich hätte euch gebracht, aber ihr wart zu beschäftigt, auf Vater rumzuhacken und zu versuchen, mich gegen ihn aufzubringen. Hättet ihr das nicht wenigstens mal im Privaten bereden können, anstatt ihn vor mir anzuschreien?! Wisst ihr eigentlich wie oft ich mir die Schuld gegeben habe?!“

 

„A-Azazel, es war nie deine Schuld-“, warf Keres kleinlaut ein und schien sich aufrichtig schlecht zu fühlen, doch der Baal ließ sie nicht zu Wort kommen.

 

„Ach, ja? Nach eurer Logik müsste es eigentlich meine Schuld sein, ich war dort und konnte nichts tun. Ich dachte, ihr hasst mich, weil ihr kaum mit mir geredet habt. Sogar Azrael war eine bessere Unterstützung und er hat zwei Mal versucht, mir die Augen auszustechen! Ihr seid es, die sich nur um sich selbst kümmern und ganz ehrlich: Ich habe verdammt nochmal die Schnauze voll, also verpisst euch einfach aus meinem Leben! Schreibt mir nicht, kommt mich nicht besuchen oder irgendetwas! Sollte ja kein großes Problem für euch sein, bisher habt ihr das ja auch kaum gemacht!“ Er war immer lauter geworden und am liebsten wäre er aus dem Zimmer gestürmt und hätte die Tür zugeknallt, nur leider ging das nicht, daher konnte er sich nur hinsetzen und ihnen den Rücken zudrehen.

 

Einige ganze Weile sagte niemals etwas, dann trat Keres nach vorne. „Azazel, wir-“, setzte sie an, doch er schlug ihre Hand weg.

„Geht einfach. Raus. Ich will euch nicht mehr sehen.“, knurrte er. „Ich verstehe sowieso nicht, warum ihr überhaupt gekommen seid. Damit ihr weiter meinen Vater durch den Dreck ziehen könnt?!“

 

„Nein, wir-!“, rief Viduus, aber der Geisterkönig schüttelte den Kopf.

 

„Ich will es nicht hören.“

 

„Aber-“

 

„RAUS!“, er war selbst überrascht von seinem plötzlichen Ausbruch, doch er hatte genug. Wenn sie nichts Besseres zu tun hatten, als seine Familie schlecht zu machen und es nicht einsehen wollten, konnten sie ihm gestohlen bleiben. Dieses Mal protestierte niemand und sie verließen endlich den Raum, sehr zu seiner Erleichterung. Erschöpft sackte er auf dem Bett zusammen, das Gesicht in den Händen vergraben. Sie konnten nicht einfach gehen, immerhin musste jemand auf ihn aufpassen, also hockten sie wahrscheinlich weiterhin vor der Tür, doch zumindest würden sie ihn für eine Weile in Ruhe lassen. „Tut mir leid.“, murmelte er seiner Mutter zu. „Das solltest du nicht sehen…“

 

Diese nahm ihn mit einem Seufzen in den Arm. „Schon gut. Ich bin nicht wirklich überrascht. Sie waren schon immer…streitsüchtig.“

 

„Streitsüchtig?“, schnaubte er abfällig. „Das ist noch nett umschrieben.“

 

Ruha zögerte, gab sich dann aber einen Ruck. „Ich weiß, das ist nicht einfach, Azzy. Du musst wissen deine Großeltern waren sehr…konservativ. Sie glaubten noch daran, dass sich der Erbe beweisen muss, darum war die Konkurrenz zwischen uns groß und Angewohnheiten wird man nur schwer los. Als ich dann als Hausführerin zurückgetreten bin, um mit deinem Vater zusammen zu sein, war das wie ein Schlag ins Gesicht für sie.“

 

„Das entschuldigt nicht ihr Verhalten. Sie sind erwachsen, wenn sie immer noch nicht über sowas hinwegkommen, will ich nichts mit ihnen zu tun haben. Abgesehen davon ist Keres dadurch Hausführerin geworden und hat ihren Willen bekommen, also sollte sie sich nicht beschweren.“

 

„Das mag sein und ich verstehe dich auch. Keres hat sich wie die Zweitwahl gefühlt und war eifersüchtig, darum war sie dennoch unzufrieden. Sie waren schon immer schwierig, aber sie sind eben Familie und schlussendlich konnte ich mich auf sie verlassen. Darum habe ich den Kontakt aufrechterhalten.“ Ihr Gesichtsausdruck wurde traurig und sie seufzte. „Allerdings hätte ich wirklich gedacht, sie würden sich besser um dich kümmern und ihre Differenzen mit deinem Vater beilegen. Offenbar habe ich ihnen diesbezüglich zu viel zugetraut.“

 

„Ich habe es einfach satt, sie ständig streiten zu sehen. Vielleicht haben sie das jetzt endlich kapiert, auch wenn ich mich nicht drauf verlassen würde.“

 

Ruha schwieg und zog ihn näher zu sich, doch nach einigen Minuten Stille ergriff sie erneut das Wort. „Versprich mir bitte nur eins.“, sagte sie leise und sah ihren Sohn ernst an. „Egal was passiert, hör auf, dir die Schuld zu geben an allem zu geben. Du konntest nichts für meinen Tod und Selbiges gilt für die Familienstreitereien und allem, was momentan passiert. Dein schnelles Denken hat damals das schlimmste verhindert und wenn jemand das Gegenteil behauptet, wissen sie nicht wovon sie reden. Du hast die Unterstützung deiner Familie und Freunde, also lass dir helfen. Dein Vater würde alles für dich tun, aber rede mit ihm. Okay?“

 

Azazel nickte und zwang sich ebenfalls zu einem Lächeln. „Hoffen wir mal, dass es der Rat genauso sehen wird. Der Großteil stand zwar auf meiner Seite, aber das wird sich sicherlich ändern, wenn erst mal alles wieder vorbei ist.“

„Selbst wenn, es wird keine Rolle spielen. Ich mag keine Richterin sein, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass in deinem Fall mildernde Umstände bestehen.“

 

Erneutes Nicken, er wollte lieber nicht darüber nachdenken. „Ich leg mich wieder hin. Ist das in Ordnung für dich?“

 

„Sicher. Ich werde nochmal versuchen mit den anderen zu reden, aber lass dich davon nicht stören.“

 

Der Geisterkönig hatte nicht mehr die Kraft zu protestieren und nickte, dann legte er sich gähnend hin. Zumindest eine gute Sache in diesem ganzen Chaos: Er konnte so viel schlafen wie er wollte.

 

 

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Der Weg zum Palast zog sich etwas länger als gedacht, allerdings war Satan weiterhin zuversichtlich. Das Gas war unerwartet, aber nicht das Ende der Welt gewesen und die Feuerdämonen leisteten diesbezüglich gute Arbeit. Zugegebenermaßen war die Idee an sich nicht schlecht, doch ganz offensichtliche hatte die Zeit gefehlt, alles entsprechend vorzubereiten. Sein Blick wanderte kurz zu Rin, welcher zwar nervös aber nicht ängstlich wirkte. „Was glaubst du, wie lange es noch dauert?“, fragte der Nephilim stattdessen und starrte dabei Richtung Palast.

 

Satan zuckte mit den Schultern. „Schwierig zu sagen. Ich denke, gegen Abend könnten wir es rein schaffen, es kommt ganz darauf an. Wir haben es nur so schnell in die Stadt geschafft, weil sie ihre Aufmerksamkeit auf den Palast konzentriert haben, also wird das Problem dort kommen. Allerdings könnten einige versuchen, die Seiten zu wechseln, das wäre unser Glück. Wenn man bedenkt, wie viele bereits geflohen sind, als wir kamen, ist es nicht abwegig. Man sollte meinen, Lilith würde aus ihren Fehlern lernen, aber umso besser für uns.“

 

„Manche der Aveira schienen auch nicht gerade begeistert von ihr zu sein. Luxuria und Avaritia zum Beispiel.“, warf Rin ein, aber der Dämonenherrscher schnaubte.

 

„Mag sein, aber es ist zweifelhaft, dass sie helfen würden. Avaritia würde eine Gegenleistung wollen und Luxuria war schon immer wankelmütig. Abgesehen davon, sind sie immer noch Teile von Lilith, wir können sie nicht leben lassen.“

 

Zwar sah der Halbdämon ihn überrascht an, doch Satan würde sich nicht umstimmen lassen. Die Sünden waren zu gefährlich, um sie am Leben zu lassen und der Tod war nach allem, was sie getan hatten, eine gerechte Strafe. Rin war zu vergebungsvoll, wahrscheinlich würde er widersprechen, aber irgendwann würde er es hoffentlich verstehen. Nochmal würde er Liliths Leute nicht so einfach davonkommen  lassen. Wenn sie sie jagen mussten, dann würde sie das auch tun. „Rin, du bleibst hier.“, befahl er, noch immer die Kämpfe beobachtend. „Ich werde versuchen, etwas nachzuhelfen.“ Bevor Rin protestieren konnte, war er bereits verschwunden.

 

 

…………………………………………………………..

 

 

Die nächsten Stunden waren zäh und anstrengend, aber sie schafften es schlussendlich dennoch in den Palast. Lucifer war nicht weiter überrascht, dass die Bediensteten längst fort waren. Bevor sie allerdings weiter zum Thronsaal konnten, mussten sie zunächst das Erdgeschoss einnehmen. Zwar trafen sie auf Widerstand, aber zu seiner Verblüffung waren sie bisher weder auf die Aveira noch andere bekannte Gesichter getroffen. Hatten sie sich alle in den oberen Stockwerken verschanzt oder waren sie bereits in den Höhlen? Vermutlich letzteres, er konnte sich nicht vorstellen, dass Lilith etwas anders erlauben würde. ‚Die Aveira werden wahrscheinlich im Hinterhalt warten.  Die Frage ist wo…die Höhlen sind riesig, wir könnten sie verpassen, ohne es zu merken. Außer sie warten wirklich am Ende, was ich nicht glaube.‘ Seufzend schüttelte er den Kopf. Sich jetzt darüber Gedanken zu machen, würde nicht weiterhelfen.

 

Zwischendurch traf er noch auf Iblis, bei ihm war auch Jahi, welche er seit dem Kampf um Versailles nicht mehr gesehen hatte. Die Feuerdämonin hatte sich danach kaum noch sehen gelassen, ob nun aus Scham oder wegen des Todes ihres Rakshasa Freundes wusste er nicht. Während er einige Worte mit Iblis wechselte, schaute er immer wieder kurz zu ihr hinüber, aber sie beachtete ihn kaum und schien ihren eigenen Gedanken hinterherzuhängen. Insgesamt wirkte sie blass und kraftlos, doch er beschloss, nichts zu sagen. Sicher, sie hatte Reue gezeigt und versuchte zu helfen, trotzdem war es für ihn noch zu früh, um ihr wirklich zu vergeben. Er würde sie nicht schlecht behandeln, jedoch zumindest Abstand von ihr halten und nur dann mit ihr reden, wenn er musste.

 

Schlussendlich konnte er seine Neugier allerdings nicht im Zaun halten und er sprach Iblis kurz darauf an, welcher mit den Schultern zuckte. „Sie macht sich Vorwürfe wegen Kharas Tod, seitdem will sie nicht wirklich mit jemanden reden. Es scheint sie aber zumindest umso mehr angespornt zu haben. Ich lasse sie machen, solange sie für keine Probleme sorgt. Sie geht mir meist ohnehin aus dem Weg.“

 

„Verstehe.“ Also stimmte seine Vermutung. Nun, umso besser, wenn es ihr zusätzliche Motivation gab. Schlussendlich konnte man nicht abstreiten, dass Lilith sie hereingelegt hatte und sie durchaus Gründe für ihre Taten hatte. Je entschlossener sie war, es der Dämonengöttin heimzuzahlen, umso besser für sie, so eigennützig es wirken mochte. „Meine Leute sind dabei, die Ostseite zu sichern, ich werde zur Unterstützung hinzustoßen. Kommst du hier allein zurecht?“

 

„Sicher, geh ruhig. Ich halte mit Halphas die Stellung. Pass nur auf, dass euch niemand in den Rücken fällt. Bisher ist es auffällig ruhig hier.“

 

„Werde ich. Wir sehen uns dann nachher.“

 

Er hatte kein gutes Gefühl dabei, Iblis allein zu lassen, obwohl er wusste, dass der Feuerdämon allein zurechtkam. Wahrscheinlich lag es schlicht und ergreifend an seine Erinnerungen an den ersten Krieg mit Lilith. Damals hatten sie sich geschworen, es niemals wieder so weit kommen zu lassen und was hatte es ihnen gebracht? Gar nichts. Egal was danach kam, dieses Mal würden sie keine Fehler machen. Er warf einen letzten Blick zu seinem Bruder, dann machte er sich auf dem Weg. Paymon war vermutlich schon ungeduldig.

 

 

………………………………………………………

 

 

Kaum war Lucifer verschwunden, trat Halphas mit ernstem Gesichtsausdruck an den Dämonenkönig heran. „Es gibt Probleme. Eine andere Gruppe ist auf eine große Gruppe Alukah getroffen, darunter auch Aulak. Sie brauchen Unterstützung.“

 

Der Name reichte, um sein Blut zum Kochen zu bringen, doch Iblis zwang sich zur Ruhe und nickte ihm knapp zu, bevor er sich an seine restlichen Leute wandte, welche mit ihm zurückgeblieben waren. „Alles klar, die anderen brauchen Unterstützung gegen einige Alukah. Halphas, Jahi, Sekhmet, Rusalka, Aed und Safa, ihr kommt mit mir. Der Rest hält hier weiter die Stellung. Ich schicke euch Osiris, wenn wir fertig sind.“

 

Bei der Erwähnung seines Namens kam der Phönix sofort von der Lampe, auf der er bisher gewartet hatte, runtergeflattert und setzte sich auf seine Schulter. „Halte dich aus dem Kampf raus und warte, wo es sicher ist, okay? Ich will nicht, dass du verletzt wirst.“, wies er seinen Freund an und streichelte ihm über den Kopf. Dieser gab ein zustimmendes Geräusch von sich und kuschelte sich kurz an ihn, bevor er losflog.

 

Die Dämonen, welche er zu sich gerufen hatten, folgten kommentarlos, Jahi wich ihren Blicken wie so oft aus. Kümmern tat es sie wenig, inzwischen schafften sie es, sie mehr oder weniger wie den Rest zu behandeln und nicht an ihre Taten zu denken. Für ihn war es zwar noch schwieriger, aber er versteckte es gut. Zumindest hatte die Feuerdämonin bereits die ersten Schritte in die richtige Richtung gemacht. „Okay, beeilen wir uns!“, wies er die Gruppe an und gemeinsam machten sie sich auf den Weg.

 

Schon bald war der Kampfeslärm zu hören, Niemand sagte etwas, doch sie zogen sofort die Waffen. Wahrscheinlich würden sie nicht viel Zeit haben, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Je schneller sie eingreifen konnten, umso besser.

Das sollte sich auch als gute Idee herausstellen, denn kaum waren sie drinnen, kamen direkt die ersten Angriffe. Einige Geisterdämonen waren ebenfalls hier, was den Feuerdämonen überraschte. Eigentlich sollten sie ganz woanders sein, was trieben sie hier? Mehrere von Liliths Dämonen traten den Rückzug an, die Alukah dagegen traten ihnen fauchend entgegen. Aulak war noch immer bei ihnen und auch wenn er sich vorhin hatte zusammenreißen können, kam die Wut nun mit voller Wucht zurück. Es war inzwischen eine gefühlte Ewigkeit her, seit sie dem Dämon gegenübergestanden hatte und was er Rin angetan beziehungsweise versucht hatte anzutun, versetzte ihn immer noch in Rage! Instinktiv bleckte der Feuerdämon die Zähne, Aulak grinste nur, allerdings wirkte er nicht so selbstsicher wie sonst. Er war kein Trottel, er wusste, dass es schlecht für stand, aber kämpfte dennoch weiter, egal ob es nun aus Loyalität oder Verzweiflung war.

 

„Na schaut mal an, wen wir hier haben. Lange ist’s her, Iblis? Wie geht’s eurem Halbblutbruder und Azazel? Beide sind etwas blass um die Nase nach dem, was man so hört.~“

 

Automatisch machte der Baal einen Schritt nach vorn, doch Halphas zog ihn zurück. Überraschenderweise war er aber nicht der einzige, auch Ankou trat nach vorn und funkelte den Alukah wütend an. „Beide haben mehr Mumm und Mut als du es jemals haben wirst, du erbärmlicher, wichtigtuerischer Blutegel!“, fauchte sie, die Zähne nicht nur gebleckt, sondern obendrein länger als gewöhnlich. Normalerweise bewahrte sie einen kühlen Kopf, weswegen Iblis von ihrer Reaktion überrascht war. Die Dämonin hatte sich verändert, früher hätte sie es abgeschüttelt und ignoriert. Es blieb abzuwarten, ob dies eine gute oder schlechte Sache war.

 

„Deine Beleidigungen waren auch schon besser.“, erwiderte Aulak unbeeindruckt klingend. „Aber so aggressiv kenn ich dich gar nicht. Wütend, dass dein Liebhaber ein Verräter ist?“

 

„Azazel ist kein Verräter und auch nicht mein Liebhaber, wage es ja nicht, seinen Namen durch den Dreck zu ziehen!“

 

Der Dämon zeigte sich nach wie vor unbeeindruckt und lachte. „Oh ja, in jedem Fall wesentlich hitziger als früher. Steht dir allerdings, mir gefällt’s.“ Sein Gesichtsausdruck wurde wieder ernst, jedoch stand auch Wut darin. „Doch genug davon. Bringen wir’s hinter uns. Vielleicht lasse ich einige von euch leben, wäre schade um das gute Blut.“

 

Ohne auf ein weiteres Kommando zu warten, stürzten sich die Blutsauger auf Iblis‘ Leute, welche sich aber nicht weniger heftig zur Wehr setzten. Die restlichen Geister- und Luftdämonen waren offenbar genauso wenig begeistert darüber wie Aulak Azazel verspottet hatte und es zeigte sich.  Mehrere von ihnen hielten direkt auf ihn zu, dieser erkannte aber schnell die Gefahr und ließ sich zurückfallen, um hinter seinen Truppen Schutz zu suchen. Iblis hatte keinen Zweifel daran, dass der Alukah fliehen würde, wenn sie nicht aufpassten. Schlussendlich bevorzugte der Dämon es, aus den Schatten zuzuschlagen und das Überraschungsmoment zu nutzen, was sich natürlich in seinem Kampfstil zeigte. Er war keinesfalls schlecht, nein, aber der Stil passte schlicht und ergreifend nicht in diese Art von Kampf. In einem Duell mochte es noch gehen, doch auf dem Schlachtfeld hatte er damit schlechte Karten.

 

Iblis und Ankou wussten dies beide, darum versuchten sie, alle Fluchtwege zu blockieren. Ihr Vorteil war, dass sie sich besser im Palast auskannten und diesen würden sie in voller Kapazität nutzen. Dummerweise dauerte es in dem Getümmel nicht lange, bis sie den Dämonen verloren. Vom Verschwinden ihres Anführers demotiviert, floh auch der Rest oder ergab sich, nur wenige kämpften weiter und wurden schlussendlich getötet. Der Baal fluchte, wissend, dass er dies hätte vermeiden können, wenn er sich nur etwas mehr Mühe gegeben hätte. Wenn er sich so Halphas‘ und Ankous Gesichtsausdrücke ansah, dachten sie wohl ähnliches. Dennoch trat die Dämonin an sie heran, inzwischen wesentlich gefasst wirkend.

 

„Danke für die Hilfe, wir wurden vom Rest abgeschnitten. Ihr seid gerade noch rechtzeitig gekommen.“

 

„Sicher, war doch das mindeste. Auch wenn’s schade um Aulak ist. Er hätte uns einige Infos geben können.“

 

Ankou schüttelte schnell den Kopf, ihr Gesichtsausdruck entschlossen. „Ich verfolge ihn. Er könnte etwas zu Liliths Amulett und Azazels Seelenteil wissen. Vielleicht können wir ihn sogar irgendwie benutzen, um an die Aveira zu kommen.“

 

„Ich komme mit.“, sprang Halphas ein. „Feuer ist immer noch am effektivsten.“

 

„Vergesst es.“, widersprach Iblis sofort. „Wir brauchen euch und ihm hinterherzujagen, macht euch nur verwundbar.“

 

Er erwartete Widerspruch von Ankou, doch Halphas kam ihr zuvor. „Ankou hat recht. Er ist ein wichtiges Ziel und weiß vielleicht wirklich was zu Azazel. Abgesehen davon gehört er zu einer der obersten Kasten, allein dadurch haben wir nicht nur einen wertvollen Gefangenen, sondern bekommen kritische Informationen. Liliths Anhänger werden nicht einfach verschwinden, wenn sie weg ist, wir müssen jede Info und jeden Vorteil sichern, den wir kriegen können. Zu zweit werden wir nicht weiter auffallen, alle sind zu beschäftigt mit den Kämpfen.“

 

So sehr Iblis es hasste, die beiden hatten nicht ganz unrecht. Aulaks Informationen würden einiges wert sein und wenn er wirklich etwas wissen könnte, dass dabei half, Azazel zu helfen, musste er das nutzen. Ein Teil von ihm wollte es am liebsten selbst tun, immerhin ging es hier um seinen Bruder, doch er wusste, dass er dies seinen Truppen nicht antun konnte. Sie verließen sich auf ihn, er konnte sie jetzt nicht im Stich lassen, um Eventualitäten nachzugehen. „Ich komme zwar mit den Truppen allein klar, aber was ist mit deinen, Ankou?“

 

„Kári kann das übernehmen. Wir waren im selben Jahrgang an der Militärakademie, er ist mehr als qualifiziert.“

 

Sie kannte ihre Leute besser als er und selbst wenn er sie ungern allein ließ, gab er endlich seufzend nach. Je mehr Zeit sie mit Reden verschwendeten, umso wahrscheinlicher war es, dass der Alukah entkam, sie mussten sich also beeilen. „Also gut, ich vertraue euch. Aber wenn es zu gefährlich wird oder etwas komisch wirkt, dreht ihr sofort um, verstanden? Ich will euch nicht verlieren und die anderen werden mich durch den Fleischwolf drehen, wenn ich euch gehen lasse und was passiert.“

 

„Wow, wie nett, dass du dich sorgst.“, antworte Halphas mit einem Augenrollen, grinste allerdings. „Keine Sorge, wir kriegen das hin. Pass aber auch auf dich auf. Wir wollen Satan und deinen Geschwistern nämlich auch nicht erklären müssen, warum sie deine Überreste vom Boden kratzen müssen.“

 

Ein einfaches Nicken, mehr war nicht nötig. Damit trennten sich ihre Wege erneut.

 

 

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Halphas wusste nicht, ob es das Risiko wirklich wert war. Zwar hatte er alles, was er zu Iblis gesagt hatte, ernst gemeint, aber das änderte nichts daran, dass diese Aktion gewaltig nach hinten los gehen konnte. Er schaute zu Ankou hinüber, doch ihr Gesichtsausdruck verriet nicht, was sie dachte. „Sollte Aulak allein sein, greifst du direkt an, ich versuche mich ranzuschleichen und ihn aus dem Hinterhalt anzugreifen. Wenn jemand bei ihm ist, müssen wir für eine Ablenkung sorgen. Irgendwelche Vorschläge?“

„Ehrlich gesagt hat sich mein Plan darauf beschränkt nicht zu sterben, bin also für Ideen offen.“

„Mein Plan sieht leider nicht besser aus. Halten wir uns fürs erste versteckt und schauen, was uns erwartet, dann können wir uns immer noch etwas überlegen.“

 

Halphas schnaubte, allerdings war es nicht abfällig, sondern vielmehr resigniert. „Also alles wie immer. Unsere Ausbilder würden durchdrehen, wenn sie sehen wie wir uns ständig überall planlos reinstürzen.“

 

„Dann sollen sie erstmal mit besseren Ideen kommen.“, knurrte die Dämonin zurück. „Viele Optionen haben wir nun wirklich nicht.“

 

Sie setzten ihren Weg relativ ungestört fort, hin und wieder mussten sie in eines der Zimmer ausweichen und dort verharren, um entgegenkommenden Feinden auszuweichen, aber davon abgesehen gab es keine Probleme. Schlussendlich erreichten sie einen der kleineren Festsäle, wo sie endlich den flüchtigen Alukah fanden, welcher jedoch nicht allein war. Zwei weitere Alukah sowie ein Rakshasa und eine Naga waren ebenfalls da. Langsam schlichen Ankou und Halphas näher, letzterem blieb jedoch das Herz stehen als er Kaliya in der Gruppe erkannte. Verdammt nochmal. Warum immer ausgerechnet sie?!

 

Ankou warf ihm einen fragenden Blick zu, doch er schüttelte den Kopf. Er würde tun, was nötig war, auch wenn es weh tat. Die Dämonin zögerte, nickte dann aber in Richtung Kronleuchter unter dem die Dämonen versammelt waren. Der Feuerdämon verstand sofort. Die Kette hielt dem Feuerstoß nicht lange stand und bereits Sekunden später fiel der schwere Kronenleuchter laut scheppernd zu Boden. Es traf keinen der Dämonen, allerdings flohen einer der Alukah sowie der Rakshasa, sie hatten es also nur noch mit Aulak, Kaliya und dem anderen Alukah zu tun. Letzterer fiel jedoch beinahe sofort einem von Ankous Pfeilen zum Opfer während Halphas Aulak angriff, doch der Schlag wurde gerade noch von Kaliyas Dolch gestoppt. „Zu langsam, Liebling.“, zischte sie, bevor sie mit ihrem zweiten Dolch zustieß, doch auch sie verfehlte.

 

„Noch kannst du weglaufen.“, sagte er ihr und für eine Sekunde zögerte sie, doch dann verhärtete sich ihr Gesichtsausdruck.

„Hättest du wohl gerne.“ Erneut griff sie an und obwohl Halphas ausweichen konnte, wussten sie beide, dass es eine Weile dauern würde, bis einer von ihnen die Oberhand gewann. Halphas war größer und stärker, Kaliya war klein und flink, zudem waren ihre Dolche vergiftet, es reichte also schon ein Kratzer. Ankou kümmerte sich derweil um Aulak, allerdings wurde schnell deutlich, dass dies ebenfalls kein einfacher Kampf werden würde. Jedoch konnte er nicht zu lange zu ihr schauen, immerhin erforderte seine eigene Gegnerin all seine Konzentration. Immer wieder stach sie auf ihn ein, ein Mal schrammte die Klinge an seiner Seite entlang, glücklicherweise traf es nicht die Haut. Er versuchte daraufhin ihre Beine anzugreifen und sie so aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch sie sprang zurück und brachte dadurch mehr Abstand zwischen sie. Mit ihrer begrenzten Angriffsreichweite war sie damit im Nachteil.

 

Er wollte gerade zu einem weiteren Angriff ansetzen, als Ankou plötzlich einen kurzen Schmerzensschrei ausstieß. Alarmiert schaute er zu ihr hinüber und stellte fest, dass es sie am Oberarm erwischt hatte. Es war schwierig abzuschätzen wie tief der Schnitt war, allerdings quoll reichlich Blut heraus. Die Dämonin biss dennoch die Zähne zusammen und griff Aulak weiterhin an, welcher nur hämisch grinste. Sie beide wussten, dass sie das nicht lange mitmachen würde. Fluchend ließ Halphas von Kaliya ab, um Ankou zu helfen, aber Aulak hatte bereits damit gerechnet und wich ihm problemlos aus. „Ihr seid wirklich erbärmlich. Und ihr sollt zu den besten Kämpfern gehören? Dass ich nicht lache!“

 

Kaliya sagte nichts und hielt auf Ankou zu, glücklicherweise sah diese sie kommen, wich sofort aus und erwischte die andere Dämonin dabei am Rücken. „Du verdammtes Miststück! Warum musst du immer alles ruinieren?!“, fauchte Kaliya und machte offenbar reflexartig einen Satz nach vorn, doch genau darauf hatte Ankou die ganze Zeit gewartet. Mit einer schnellen Bewegung rammte sie ihrer Angreiferin ihren Dolch, welchen sie Notfälle immer dabeihatte, in die Seite. Röchelnd stolperte die andere Dämonin zurück, machte aber nicht den Fehler, die Waffe herauszuziehen, sondern presste die Hand gegen die Wunde. Auf den Beinen halten konnte sie sich allerdings nichts mehr und sie fiel auf die Knie. Halphas widerstand den Drang zu seiner ehemaligen Geliebten zu laufen, Aulak seufzte unterdessen nur genervt.

 

„So viel dazu. Na was soll’s, du hast deinen Zweck ohnehin erfüllt. Nicht, dass du überhaupt jemals besonders nützlich gewesen wärst.“

 

Kaliya warf ihm einen Blick voller Abneigung zu. „Wenigstens bin ich kein Feigling!“, presste sie hervor, wovon sich Aulak nur wenig beeindruckt zeigte. Dafür hatte er für eine Sekunde nicht aufgepasst, was Ankou genug Zeit gab, ihn erneut anzugreifen und dieses Mal traf sie. Die Klinge ging tief in seine Schulter und er taumelte fluchend zurück. Mit diesem Arm würde er heute nicht mehr kämpfen, dass wussten sie alle.

 

„Wie war das mit schlechten Kämpfern?“, spottete die Dämonin, dieses Mal rammte sie ihr Knie in seine Magengegend sodass er zu Boden sank. „Was weißt du über Azazels Abmachung und dem Seelenteil? Und wo sind die Aveira?“

„Keine Ahnung, wir wurden getrennt und über Azazels Abmachung weiß ich auch nichts mehr als ihr. Selbst wenn es so wäre, würde ich es euch nicht sagen.“, zischte er und grinste sie schadenfroh an. „Aber langsam müsste es ihm zu schaffen machen, nicht wahr? Zu Schade, dass ich es nicht selbst mitansehen kann.“

 

Ankou reagierte nicht auf die Provokation, weder sie noch Halphas glaubten ihm. „Du lügst. Irgendwas musst du wissen!“

„Was gibt es da zu wissen? Azazels schnelles Denken mag euch damals den Sieg ermöglicht haben und jetzt fällt es ihm auf die Füße. Die einzigen, die den Vertrag auflösen können, sind Lilith und die Aveira und die werden sich weigern.“

 

Also war es genauso wie es sich bereits gedacht hatten. Natürlich könnte er lügen, aber sie hatten nicht die Zeit ihn ewig auszufragen. Sie wechselte einen vielsagenden Blick mit Halphas und nickte ihm zu. Je eher sie die anderen informierten, dass sie zwei Gefangene hatte, desto besser. Aulak hatte inzwischen wieder angefangen zu reden, wahrscheinlich war es wieder Spott, aber Ankou hörte ihm nicht und schlug ihn bewusstlos, damit er endlich die Klappe hieß. „Wollen wir mal schauen, ob du noch so selbstbewusst bist, wenn dich das Kriegsgericht zum Tode verurteilt.“ Sie wandte sich an Kaliya, die sich inzwischen zusammengerollt hatte, aber sie immer noch hasserfüllt anstarrte.

 

„Ich hoffe, ihr seid zufrieden mit euch.“, knurrte sie. „Das ändert gar nichts!“

 

Ankou antwortete nicht und nutzte stattdessen den Griff ihres Fächers, um sie ebenfalls bewusstlos zu schlagen. „Halt einmal die Klappe.“; murmelte sie, bevor sie sich wieder an Halphas wandte. „Ist alles okay bei dir?“

 

Der Feuerdämon nickte, sein Blick war allerdings noch immer auf Kaliya gerichtet. „Ja, geht schon. Es wird aber nicht einfacher, egal wie oft ich sie sehe.“ Er hatte eigentlich gedacht, er wäre inzwischen darüber hinweggekommen, offenbar war das ein Irrtum gewesen. Natürlich wusste er, was Kaliya bevorstand. Für ihre Verbrechen würde sie wahrscheinlich die Todesstrafe bekommen, doch trotz allem, was sie getan hatte, wusste er nicht, was er dabei empfinden sollte. Sie würde sich nicht mehr umstimmen lassen, das war ihm klar, aber dennoch fragte er sich, ob er es hätte verhindern können. Kurz darauf kam die Verstärkung, um Aulak und Kaliya in Gewahrsam zu nehmen. Zumindest ein Problem weniger.

 

 

……………………………………………………

 

 

Als sie endlich den Thronsaal erreichten, waren kaum noch Gegner anzutreffen. Der Eingang in die Höhlen war bereits offen und keiner der Zurückgelassenen machte sich wirklich die Mühe sie aufzuhalten. Viele traten direkt den Rückzug in die Höhlen an oder ergaben sich, was allerdings kein Grund für Erleichterung war. Es kam Satan suspekt vor, dass die meisten draußen so verbittert gekämpft hatten, während diese hier nicht mal versuchten, Widerstand zu leisten. Vielleicht hatten sie wirklich einfach die Motivation verloren, aber schlussendlich machte es keinen wirklichen Unterschied. Es gab kein Zurück mehr, sie mussten so oder so in die Höhlen runter. Das Ritual vorzubereiten würde dauern und im Gegensatz zum letzten Mal hatten sie bisher noch nicht mal mit den Zeichnungen angefangen.

 

Na ja, man konnte es nicht mehr ändern. Seine Kinder stießen nur kurz darauf hinzu, somit stand ihnen nichts mehr im Weg. Lucifer nickte ihm zu, um zu bestätigen, dass sie bereit waren. Er schaute kurz zu Rin hinüber, der recht blass wirkte, aber auch entschlossen. Mehr konnte er sich in so einer Situation wohl nicht wünschen.

‚Na, dann. Wird schon schief gehen.‘

 

Helheimr

Das Höhlensystem war sogar noch größer als es sich Rin ursprünglich vorgestellt hatte. Zwar war er schon in den Verliesen gewesen, doch im Vergleich zu Helheimr waren diese wesentlich weniger unheimlich gewesen. Er wusste selbst nicht, woran es lag. Etwas an diesem Ort wirkte bedrohlich und verlieh ihm ein ungutes, bedrückendes Gefühl, gleichzeitig übte es eine gewisse Anziehung auf ihn aus. „Ist es normal, dass ich einerseits hier bleiben möchte, aber andererseits direkt wieder gehen will?“, fragte er seinen Vater kleinlaut, welcher den Kopf schüttelte.

 

„Ersteres ist normal, unsere Kräfte sind stärker hier unten, aber dank Lilith geht alles drunter und drüber. Ignoriere es fürs erste und mach dir keine Gedanken.“ Dummerweise klang er selbst extrem angespannt, weswegen es nicht sehr überzeugend wirkte. Dennoch beschloss der Nephilim, es lieber hinzunehmen und nichts zu sagen. Er selbst stand schon unter großem Druck, da wollte er sich nicht vorstellen wie schlimm das bei Satan und seinen Brüdern sein musste.

 

Letztere waren überall in den Höhlen verstreut, um das Ritual vorzubereiten. Im Gegensatz zum ersten Mal, als sie Lilith versiegelt hatten, reichte es nicht mehr die Siegel und Symbole in einem Raum zu platzieren, stattdessen mussten sie diese im ganzen Höhlensystem verteilen, was wiederum ein weiteres, größeres Zeichen ergab. Sie wussten glücklicherweise bereits, in welchen Räume sie mussten, das große Problem war jedoch, dass sie anschließend Lilith finden und in den Hauptraum des Rituals locken mussten, gleichzeitig durfte das natürlich nicht zu früh oder zu spät passieren. Im besten Fall würden sie sogar einige Aveira erwischen, dennoch hatte die Dämonengöttin absolute Priorität.

 

Je weiter sie vorstießen, umso nervöser wurde der junge Halbdämon. Wie so oft begann er das Ritual sowie die Worte, die er sprechen musste, im Kopf durchzugehen. Seine Angst es in den Sand zu setzten, kam langsam zurück, was Egyn sofort zu bemerken schien. „Mach dir keine Gedanken. Du schaffst das, Rin.“, flüsterte er und lächelte ihm zu. „Ich war beim letzten Mal genauso aufgeregt, aber es hat trotzdem funktioniert.“

 

Das mochte zwar stimmen, allerdings war Rin erst 16 und hatte so gut wie kein Wissen über Rituale oder dämonische Kultur, Egyn war dagegen damit groß geworden, hatte die nötigen Rituale über längere Zeit studiert und war obendrein wesentlich älter. Ihm war weiterhin hundeelend zumute, trotzdem nickte er. Der Wasserdämon kaufte es ihm nicht ab. „Hey, du bist nicht dumm. Du weißt, was zu tun ist, du hast es oft genug geübt. Es wird alles gut werden.“

 

„Egyn hat recht.“, warf Agares ein, welche hinter ihnen lief. „Du musst nur tun, was dir gesagt wurde, um den Rest musst du dir keine Gedanken machen. Abgesehen davon hätte Satan dich wohl kaum um Hilfe gebeten, wenn er nicht glauben würde, dass du das hinbekommst. Gib einfach dein Bestes, in Ordnung?“

 

Tatsächlich fühlte sich Rin dadurch etwas besser und nickte. Er konnte das, er hatte seine Flammen inzwischen wesentlich besser unter Kontrolle, dieses Ritual war etwas schwieriger, aber sie waren es gemeinsam immer wieder durchgegangen. Theoretisch sollte nichts schief gehen. Ein lautes Kreischen ließ ihn zusammenzucken, aber es wurde schnell klar, dass es wieder einige Furien waren, die eine ihrer Gruppen angriff. Wie es den anderen Truppen erging, wussten sie nicht, dafür waren sie zu weit verstreut und er hoffte wirklich, dass sie ebenfalls gut vorankamen und nicht zu viele Verluste einstecken mussten.

 

An der nächsten Gablung trennte sich ihre Gruppe erneut, Satan, Rin, Lucifer und der Rest gingen tiefer ins Innere, Egyn und seine Leute machten sich derweil auf den Weg, um eins der Siegel zu platzieren. Er warf Rin einen letzten, aufmunternden Blick zu, dann war er bereits in einem der zahllosen dunklen Gänge verschwunden. Der Halbdämon hatte nach wie vor ein ungutes Gefühl, aber rief sich in Erinnerung, was sie gesagt hatten. Alles würde gut werden, er durfte jetzt keine Panik schieben, er konnte das. Je eher sie dieses Ritual beenden konnten, umso besser. Alle verließen sich auf ihn und es hing zu viel dran, um sich einen Fehltritt zu erlauben.

 

„Wie lange wird es dauern, bis alle Siegel fertig sind?“ Der Aufbau des Rituals im Hauptraum würde besonders schwierig und kompliziert werden, sie mussten also gründlich, aber auch schnell arbeiten. Zum Glück musste er da nichts tun außer aus dem Weg zu bleiben, er würde wahrscheinlich nur die Nerven verlieren.

 

„Mindestens eine Stunde, aber ich denke, es wird mehr werden. Trotz allem ist Lilith nicht dumm, sie wird irgendwann merken, was wir vorhaben, wenn sie es nicht schon weiß.“

 

Na, das baute doch mal wieder auf. Er sollte wohl einfach aufhören zu fragen. Nach einer Weile ergriff der Dämonenherrscher erneut das Wort. „Ich weiß, ich habe es schon mal gesagt, aber nochmal zur Erinnerung: Während wir arbeiten, hälst du dich bitte raus, aber bleibst, wo ich dich sehen kann. Wir brauchen unsere ganze Konzentration, wir dürfen keinen Fehler machen, verstanden?“

Der Halbdämon nickte protestlos, danach war es für eine Weile still, hin und wieder hörten sie Kampfeslärm und einige Male wurden sie auch direkt angegriffen, konnten diese allerdings schnell zurückschlagen. Ihm entging nicht, dass diese Angriffe immer heftiger wurden, aber sein Vater machte mit den meisten kurzen Prozess, auch wenn sie versuchten, gar nicht erst in seine Nähe zu kommen. So arbeiteten sie sich immer weiter vor, bis sie endlich ihr Ziel erreichten.

 

Diese Höhle sah anders aus als jene, in der sie Lilith ursprünglich versiegelt hatten. Der Boden war zwar eben, doch der Platz begrenzt, drum herum führten steile Abgründe in die Tiefe. Sie würden also aufpassen müssen, wo sie hintraten. Satan verschwendete keine Zeit. Er sah sich kurz um, wahrscheinlich um einzuschätzen, wo sie anfangen mussten, um alle Symbole auf diese begrenzte Fläche zu bekommen, dann nickte er schließlich Lucifer zu.

 

 „Fangen wir an.“

 

 

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„Sie rücken immer weiter vor, Eure Hoheit. Bisher ist es uns noch nicht gelungen sie einzukesseln, viele unserer Leute sind geflohen.“

 

Lilith drehte sich nicht um oder sah überhaupt auf, sondern starrte weiterhin in das Flammenmeer unter ihr. Die Urflammen, der Beginn Gehennas, allen Lebens und ihr Geburtsort. Sie kam nur ungern her, zu viele schlechte Erinnerungen waren mit diesem Ort verbunden. Welch Ironie, dass ihr Weg sie nun erneut hierhergeführt hatte. „Sie sind Feiglinge. Allesamt.“, antwortete sie schließlich. Zu ihrer eigenen Überraschung empfand sie keine Wut während sie dies sagte, nur grimmige Entschlossenheit. Wenn sie lieber wegliefen dann gut. Sie würden dafür irgendwann die Quittung bekommen, momentan hatte sie allerdings andere Prioritäten.

 

Sie wusste, was Satan vorhatte. Er wollte sie erneut versiegeln, nur dieses Mal war das Ritual anders, weswegen überall diese Siegel verteilt wurden. Sie hätte nicht gedacht, dass er nochmal so etwas versuchen würde, allerdings trieb die Verzweiflung einen immer wieder zu Dingen, die sonst undenkbar wären. „Konzentriert euch weiterhin auf die Dämonenkönige und haltet sie voneinander fern. Um Satan und den Nephilim kümmere ich mich persönlich.“

 

Bisher war sie einem offenen Kampf mit ihm aus dem Weg gegangen. Noch hatte sie ihr Amulett, sie konnte es schnell beenden, wenn das Timing richtig war. Obendrein hatte sie Azazels Leben als Trumpf, weder Satan noch seine Gören würden sie töten. Egal was passierte, sie würde gewinnen. Satan war geschwächt, sie hatte den Vorteil! Wer weiß, vielleicht konnte sie auf dem Weg sogar diesen anderen Menschensohn finden und ihm ebenfalls den Garaus machen.

„Seid Ihr Euch sicher? Er-“

 

Augenblicklich fuhr sie herum, ihre Augen waren sofort rot geworden. „HINTERFRAGE MICH NICHT! GEH MIR AUS DEN AUGEN!“

Der Dämon kam dieser Aufforderung nur zu gern nach und stürmte davon. Sie atmete kurz durch, um sich zu beruhigen, dann setzte sie sich in Bewegung. Das war ihre letzte Chance. Sollte sie scheitern (und sie würde NICHT scheitern) würde sie ihren letzten Plan umsetzen. Koste es, was es wolle.

 

 

…………………………………………………

 

 

Das Siegel vorzubereiten dauerte länger als es Egyn lieb war. Agares half ihm zwar so gut sie konnte und er hatte es zudem immer wieder geübt, aber es war dennoch eine Tortur. Die Zeit lief ihnen davon, jede Sekunde zählte! ‚Ich habe Rin gesagt, er soll ruhig bleiben und sich nicht zu viele Gedanken machen und jetzt bin ich selbst nicht besser.‘, stellte er innerlich seufzend fest. ‚Ich hoffe, er kommt klar…‘

 

Zwar hatte er vollstes Vertrauen in den Nephilim, aber er machte sich dennoch Sorgen wegen seines geistigen Zustands. Lilith wieder zu sehen, würde ihn wahrscheinlich sehr aufwühlen. Eins stand allerdings fest, nochmal würde sie nicht an ihn herankommen, nur über seine Leiche. „Egyn.“, riss ihn Agares aus den Gedanken. „Woran auch immer du denkst, wir haben keine Zeit, Konzentriere dich!“

 

„Ja, ja!“

 

Sie arbeiteten zügig weiter, hin und wieder hörten sie ihre Leute in den Höhlen um sie herum kämpfen. Bisher hatten sie Liliths Truppen fernhalten können, was ihnen ein ungestörtes Arbeiten ermöglichte, doch Eile war geboten. Es schien sich ewig zu ziehen, er hatte längst jegliches Zeitgefühl verloren, aber sie kamen relativ gut voran. Sie waren beinahe fertig, als ihre Arbeit von einem Ausruf unterbrochen wurde. Er sah auf und entdeckte Ankou, die sichtlich aufgeregt auf ihn zugelaufen kam.

 

„Ankou? Was machst du denn hier?“, fragte Agares verwirrt und schaute die andere Dämonin verwundert an. Eigentlich hatte sie in diesem Teil der Höhle nichts verloren.

 

„Liliths Leute haben unsere Gruppe getrennt.“, berichtete sie düster. „Das Siegel ist allerdings fertig, beim Rest scheint es ebenfalls voran zu gehen.“

 

„Immerhin eine gute Nachricht. Wir sind auch bald fertig.“, erwiderte der Dämonenkönig und bückte sich, um seine Arbeit fortzuführen. Agares tat es ihm gleich. „Wenn du schon mal hier bist, kannst du den Truppen da draußen etwas unter die Arme greifen.“ Etwas stimmte hier nicht. Er hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache.

 

„Alles klar.“

 

Eigentlich sollte sich die Dämonin in Bewegung setzen, doch zu Egyns Verwunderung hörte er keine Schritte. Stirnrunzelnd hielt er inne und war dabei sich umzudrehen, aber bereits in der Bewegung fiel sein Blick auf ihre Schatten am Boden und sein Verdacht bestätigte sich. Sofort machte er einen Satz nach vorne und der Dolch verfehlte ihn. „Dachte ich mir doch, dass was faul ist.“, zischte er und griff zur Waffe. „Zeig dein wahres Gesicht!“

 

Agares war ebenfalls aufgestanden und hatte die Waffe gezogen, die falsche Ankou verzog derweil das Gesicht. „Hätte ja klappen können.“, knurrte sie und ein grünes Licht verriet ihm alles, was er wissen wusste.

 

„Invidia!“, zischte er hasserfüllt und spürte dabei, wie etwas in ihm aufflammte, dass er sonst immer unter Kontrolle hielt, doch dieses Mal spürte er wie es immer eindringlicher wurde. „Es ist alles ihre Schuld! Reiß sie in Stücke!“

 

Die Gestaltwandlerin legte grinsend den Kopf schief und verschränkte die Arme. „Hey, Iggy. Immer noch sauer wegen Mama?~“

Sofort sah er rot. Wie konnte sie es wagen?! „Agares, beende das Siegel. Ich kümmere mich hier drum.“, befahl er ungewöhnlich scharf.

 

Sie schien protestieren zu wollen, aber er hörte nicht zu und griff bereits an. Invidia wich lachend aus und grinste ihn noch breiter an, offenbar nahm sie ihn nicht wirklich ernst. „Daneben, tut mir leid!~ Na komm, los, fang mich doch!“ Sie verspottete ihn, damit er unvorsichtig wurde und er wusste das. Dennoch fiel es ihm schwer, sich zusammenzureißen. Er spürte das vertraute Ziehen in seinen Ohren, Zähnen und Fingern, ein klares Indiz dafür, dass er kurz davorstand, in seine Dämonenform zu wechseln.

„Warum hälst du dich zurück?! Sie hat es verdient! Töte sie! Lass sie leiden!“, tobte sein Dämoneninstinkt. „Damit würdest du allen einen Gefallen tun! Sie verdient keine Gnade!

 

Für gewöhnlich hatte Egyn kein Problem damit, diesen Einflüsterungen zu widerstehen. Er war alt genug und verfügte über genug Kontrolle, um diese Triebe zurückzudrängen, aber diese brennende Wut machte es schier unmöglich. Lilith hatte bereits mehr als genug Leute verletzt. Seine Familie, seine Freunde und die Bewohner Gehennas. Invidia war jedoch nicht weniger Schuld, sie hatte immerhin ihren Willen ausgeführt und verdiente es daher genauso hart bestraft zu werden.

 

Die Angriffe, die sie untereinander austauschten, wurden immer brutaler, sein Speer zerbrach, daher griff er auf Wasser und Eis zurück, doch auch hier gestaltete es sich schwierig, einen Treffer zu landen. Sie war einfach zu schnell. „Hast du etwa Schwierigkeiten? Na komm, gib dir mal Mühe!“, lachte Invidia und wechselte die Gestalt. Nun in Agares Form kämpfte sie weiter, doch er schaffte es, sich davon nicht ablenken zu lassen.

 

‚Das ist nicht sie. Fall da nicht drauf ein.‘

 

Sie wechselte einige Mal die Gestalt, offenbar realisierte sie, dass es langsam eng für sie wurde, denn der Spott ließ nach. Die Situation eskalierte allerdings als sie ausgerechnet die Gestalt seiner Mutter annahm und ihm einen flehenden Blick zuwarf. „Egyn, bitte nicht!“ Ihre Stimme war eine perfekte Kopie, verdammt nochmal, sogar ihre Haltung und ihr Gesichtsausdruck waren korrekt, aber anstatt ihn zögern zu lassen, kochte die Wut hoch.

 

„DU. BIST. NICHT. MEINE. MUTTER!“

 

Es war zu spät, sich noch zusammenzureißen, sein Dämoneninstinkt hatte die Überhand gewonnen und ließ ihn seine wahre Dämonenform annehmen. Sie wollte also Spiele spielen? Gut. Er würde mitspielen und sie jeden Moment bereuen lassen.

 

 

…………………………………………………………..

 

 

Shura hätte wissen müssen, dass dieser ganze Angriff viel zu glatt lief. Früher oder später musste es Probleme geben, andernfalls wäre es ja auch ein Wunder. Ihre Gruppe wurde vollkommen von Liliths Leuten überrumpelt, überall um sie herum starben Leute wie die Fliegen. Yukio und die Adepten waren ebenfalls hier, allerdings konnte sie sie nicht entdecken, als sie sich umsah. Leider hatte sie keine Zeit nach ihnen zu suchen, ihre Angreifer waren gnadenlos und gestatten ihr keine Pause. Dafür sah sie allerdings Izumos Füchse vorbeihuschen, daher ging es wohl zumindest ihr gut.

 

Nur kurz darauf kam allerdings das Signal zum Rückzug und neu gruppieren. Ihr war das mehr als recht, denn es kamen immer mehr und es war kein Ende in Sicht. „Shura!“, hörte sie plötzlich und erkannte die Person als Yukio. Er hatte die Adepten im Schlepptau, die zwar etwas mitgenommen, aber unverletzt wirkten. Sofortige Erleichterung machte sich breit und sie gab ihnen ein Zeichen, ihr zu folgen.

 

„Kommt schon, los!“ Nicht wirklich der eleganteste Rückzug, tatsächlich waren sie wie ein aufgescheuchter Haufen Hühner, aber da die Höhlen teilweise eng waren und sie sich obendrein nicht hier auskannten, war das wohl verständlich. Ohne zu wissen, in welche Richtung sie sich bewegten, rannten sie. Glücklicherweise hatte niemand Interesse daran, sie zu verfolgen und nach einer Weile blieben sie endlich stehen. Einige andere Exorzisten und Dämonen waren mit ihnen gelaufen und atmeten nun ebenfalls durch.

 

„Das…ist nicht gelaufen wie es sollte…“, schnaubte einer der Dämonen. „Aber wenn wir weiter in diese Richtung gehen, sollten wir bei Egyns Gruppe landen. Das macht mehr Sinn als zurückzugehen.“

 

„Klingt gut.“, stimmte Shura zu und auch der Rest war einverstanden. Sie erlaubten sich noch eine weitere Minute Rast machen, dann ging es direkt weiter. Diese kurze Zeit nutzte sie, um nach Yukio und den Adepten zu sehen, glücklicherweise waren diese tatsächlich unverletzt. Hoffentlich würde das auch so bleiben. Shura selbst hatte nur einige Kratzer, aber da kein Gift oder sonstiges im Spiel gewesen war, musste sie sich diesbezüglich keine Sorgen machen, zumindest vorerst.

 

„Also gut, los geht’s.“, wies einer der Dämonen an und keiner der Exorzisten protestierte. Der Weg war nicht lang, schon kurz darauf hörten sie Kampfeslärm, woraufhin Shura ihre Waffe zog. Sie waren jedoch im Vorteil, sie fielen ihren Feinden direkt in den Rücken und hatten somit das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Ausnahmsweise fühlte sich Shura relativ zuversichtlich, zumindest bis aus scheinbar heiterem Himmel zwei neue Personen das Schlachtfeld betraten. Nun, erstere wurde eher mit gewaltiger Wucht darauf geschleudert.

 

Sie registrierte die grünen, wilden Haare, die Hörner und die riesigen Fledermausflügel, allerdings konnte sie nicht zuordnen was oder wer das war. Es war keine Furie, soviel war ihr klar. Interessanter wurde es da schon bei Person Nummer zwei. Lange, blau-weiße Haare, geschuppte Haut, Hörner und seltsam geformte Flügel machten eine Identifikation schwierig. Dennoch kam ihr dieser Dämon irgendwie bekannt vor…

 

Dummerweise schien sich der besagte Dämon nicht darum zu kümmern, ob er jemanden verletzte und griff immer wieder seinen (zumindest glaubte sie, dass es männlich war) Gegner an, wobei einmal beinahe Izumo getroffen, doch von Shima in letzter Sekunde beiseite gezogen wurde.  „Was zum-?!“, entfuhr es der Adeptin und erhielt damit die Aufmerksamkeit des Dämons. Mit einem markerschütternden Kreischen, hielt er auf die Adeptin zu, die langen Zähne gebleckt und die Krallen bereit zum Angriff.

 

‚Scheiße!‘ Shura war zu weit weg, um etwas zu tun!

 

Alles geschah extrem schnell. Der Dämon griff an, Izumo schrie, doch der Angriff wurde in letzter Sekunde abgeblockt und der Dämon zurückgestoßen.

 

„EGYN! Was tust du da?! Hast du den Verstand verloren?!“, ertönte Iblis wütende Stimme. Er war es gewesen, der Izumo gerettet hatte, doch Shuras Erleichterung hielt nicht lange, als ihr bewusst wurde, dass der Baal mit dem Dämon vor ihm redete.

 

Das war Egyn?!

 

‚Jetzt wo ich drüber nachdenke, die Ähnlichkeit ist da. Und sie haben gesagt, dass sie eine Dämonenform haben.‘ Dennoch konnte sie kaum fassen, was sie sah. Egyn war immer so nett und zurückhaltend, doch gerade eben hatte er ohne zu zögern Izumo angegriffen und noch dazu grundlos! Der Wasserdämon ignorierte Iblis allerdings und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seiner Gegnerin zu, die sich langsam aufrappelte. Sekunde. Grüne Haare, Egyn hatte offensichtlich einen Groll gegen sie…Invidia? Es würde Sinn machen. Verdammt nochmal, als ob Dämonen nicht schon in normaler Form stark genug waren!

 

Izumo war derweil zu ihnen gerannt und starrte sie noch immer schwer atmend an. „H-Habt ihr auch gehört…?“

 

„Ja. Das sind Egyn und Invidia.“, antwortete Shura düster. Sicherlich, sie wusste wie gefährlich die Dämonenkönige waren. Obwohl Egyn immer nett zu ihnen war, hatte sie diesen Fakt nie vergessen. Momentan erinnerte er sie eher an Rin, als er damals die Kontrolle im Wald verloren und überall gewütet hatte, nur dass das hier wesentlich schlimmer war.

 

Iblis versuchte derweil den rasenden Dämon zu beruhigen, doch Egyn ignorierte ihn und stürzte sich dafür weiterhin auf Invidia, welche die Angriffe allerdings kaum erwiderte und weiterhin erfolglos versuchte, vor ihm zu fliehen. Inzwischen hatten sie die Aufmerksamkeit anderer Dämonen und Exorzisten auf sich gezogen, allerdings hielten sie ausnahmslos Abstand. Nicht mal Liliths Leute machten Anstalten, Invidia zu helfen, stattdessen sahen sie nervös Egyn zu. Offenbar hatten sie Angst, dass er sie angreifen würde, wenn sie ihn versehentlich provozierten.

 

Mehrere Mal versuchte Iblis dazwischen zu gehen, schlussendlich musste er jedoch fluchend aufgeben. Egyn gab ihm keine Gelegenheit sich einzumischen. Shura sah nicht was als nächstes passierte, die folgende Hitze und Helligkeit ließ sie ihren Blick abwenden, aber es dauerte nicht lange, bis ihr klar wurde, dass Iblis seine Dämonenform angenommen hatte und nun versuchte, die beiden irgendwie voneinander zu trennen und Invidia gleichzeitig an der Flucht zu hindern. Die anderen kämpften ebenfalls wieder, hielten sich allerdings nach wie vor von den kämpfenden Dämonenkönigen und der Gestaltwandlerin fern.

 

Es war ein großes hin und her, aber Shura wusste beim besten Willen nicht, wie sie helfen sollten. Wahrscheinlich war es wirklich das Beste, sich dieses Mal rauszuhalten. Es gab mehr als genug Gegner und Iblis hatte wesentlich bessere Chancen seinen Bruder zu beruhigen. Yukio hatte sich ebenfalls bereits wieder in den Kampf gestürzt, sie setzte schnell nach und vertraute darauf, dass die Adepten in der Nähe blieben. Sie konnte sich jetzt nicht ablenken lassen.

 

 

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Nachdem Iblis das Siegel an der ihm zugewiesenen Stelle platziert hatte, machte er sich auf direktem Wege zu Egyn, welcher am nächsten zu ihm war. Dies stellte sich als richtige Entscheidung heraus, denn wie er feststellen musste, war dieser vollkommen in Rage. Zunächst verstand er nicht, was los war, sein Bruder verlor sonst nie die Kontrolle. Als ihm jedoch klar wurde, dass seine Gegnerin Invidia war, konnte er sich zusammenreimen, was passiert war.

 

Glücklicherweise war er gerade noch rechtzeitig gekommen, sonst wäre Izumo (inzwischen hatte er sich endlich die Namen gemerkt) in Stücke gerissen worden. Allerspätestens in diesem Moment wurde klar wie ernst die Situation war. Seine folgenden Versuche den Wasserdämonen zur Vernunft zu bringen, scheiterten allesamt. Somit blieb ihm nur seine Dämonenform, anders würde er den anderen Baal wohl nicht zu Boden bekommen. Zwar widerstrebte es ihm, da dies viel Kraft brauchen würde, aber es musste sein und glücklicherweise dauerte die Verwandlung nur Sekunden.

 

Agares war nirgends zu sehen, daher hoffte er, dass sie sich um die Siegel kümmerte und Egyn nur nicht bei ihr war, weil Invidia sie unterbrochen hatte. Diese schien dies inzwischen zu bereuen, wahrscheinlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass Egyn so aggressiv reagieren würde. Unter anderen Umständen hätte er seinen Bruder zu gern gewähren lassen, aber die Gefahr, dass er dabei andere verletzte, war hoch und davon abgesehen brauchten sie die Sünde vielleicht. Sie könnte Informationen bezüglich Azazel haben oder sogar den Vertrag auflösen.

 

Er duckte sich unter einen weiteren Angriff von Egyn und wurde von ihm angefaucht. Das konnte so nicht weiter gehen. Wenn er es nicht bald beendete, würden sie Zeitprobleme bekommen. Momentan war er nicht sicher, ob es gut oder schlecht war, dass der Wasserdämon nicht länger logisch dachte, sondern rein instinktiv handelte. Das machte es zwar etwas leichter, ihn auszutricksen, aber das bedeutete auch, dass er ohne Rücksicht alles und jeden angriff.

 

Er täuschte einen Angriff an und der Dämon fiel darauf rein, was ihm wiederum die Gelegenheit verschaffte, hinter ihn zu kommen und anzugreifen. Natürlich versuchte der Baal seinen Bruder nicht zu verletzen, sondern einfach nur auszuknocken, doch sein Angriff schien Egyn lediglich zu benebeln. Er erholte sich schneller als erwartet, schnellte vor und bevor er reagieren konnte, hatte der andere Dämon bereits seine Zähne in seinem Unterarm versenkt. ‚Verdammt nochmal!‘

 

Instinktiv trat er ihm in den Magen und stieß ihn von sich, dabei warf er schnell einen Blick auf die Wunde. Glücklicherweise war sie nicht ganz so tief wie erwartet und begann bereits zu heilen. ‚Gut, dass seine Zähne nicht giftig sind…‘

 

Dafür hatte der Tritt den anderen Dämonenkönig aus dem Gleichgewicht gebracht, was Iblis das nötige Zeitfenster gab, um ihn endlich bewusstlos zu schlagen. Damit blieb nur Invidia, welche natürlich erneut versuchte, die Flucht zu ergreifen, aber nicht weit kam. Ohne zu zögern, rang er sie zu Boden und obwohl sie um sich trat, kratzte und biss, konnte er sie am Ende ebenfalls ausknocken. ‚Das war mehr Glück als Verstand…‘ Langsam rappelte er sich wieder auf und sah sich um. Die meisten Gegner waren erledigt, der Rest trat bereits den Rückzug an und seine Bisswunde war so gut wie verheilt. Zumindest etwas, das gut lief.

Erleichtert nahm er wieder seine normale Gestalt an und streckte sich. Sein oberer Rücken verspannte sich immer, wenn er seine Flügel lange nicht benutzt hatte und sie danach wieder verschwinden ließ. Da Egyn und Invidia bewusstlos waren, konnten sie ihre Dämonengestalt nicht länger aufrechterhalten und verwandelten sich ebenfalls zurück. Ihre Wunden heilten bereits, daher hoffte er, dass sie bald aufwachen würden. Es wäre eine Katastrophe, wenn Egyn nicht bis zum Ritual wieder wach wurde.

Ihre Truppen sammelten sich derweil und einige Heiler kamen zu ihm herüber. „Kümmert euch zuerst um Egyn. Ich komme schon klar.“, wies er sie an. Sie zögerten zunächst, kamen der Aufforderung dann jedoch nach.

 

Kurz darauf kam Agares dazu, welche sichtlich erleichtert schien, ihn zu sehen. „Ein Glück bist du hier!“ Ihr Blick wanderte zu Egyn und ihre Erleichterung wurde zu Besorgnis. „Geht es ihm gut?“

 

„Ja, er ist nur bewusstlos.“, versicherte er ihr schnell. „Invidia wurde gefangen genommen, sobald sie zu sich kommt, schauen wir mal, ob sie diese Verbindung auflösen kann. Hast du die Siegel fertig?“

 

Sie nickte. „Es ist alles bereit, ich habe auch schon eine Nachricht losgeschickt.“ Erneut wanderte ihr Blick zu Egyn, dieses Mal wirkte sie als würde sie sich schuldig führen. „Invidia hat ihn so lange gereizt, bis er ausgerastet ist. Ich konnte nichts tun…“

 

„Mach dir keine Gedanken. Wahrscheinlich hätte er auf mich genauso wenig gehört. Er hat jeden Grund sie zu hassen, diese Reaktion war zu erwarten.“ Die Dämonin schwieg, offenbar in ihren eigenen Gedanken versunken. Dafür kam Izumo ein wenig zögerlich auf ihn zu.

 

Sie hatte einige Kratzer, aber schien ansonsten unverletzt zu sein. Was sie sagte, überraschte ihn allerdings. „Danke für die Hilfe.“, sagte sie zögerlich. „Wärst du nicht gewesen…ich will nicht drüber nachdenken.“

 

Iblis verkniff sich den Spruch, dass er keinen Dank von einer Exorzistin erwartet hatte und nickte nur. „Kein Problem. Egyn hätte sich ewig Vorwürfe gemacht, wenn er jemanden verletzt hätte, war also ein Gefallen für euch beide.“ Das und er musste zugeben, dass er diese Adeptin irgendwie mochte. Gut, mögen war vielleicht etwas übertrieben, aber er hatte nicht vergessen, dass sie sofort bereit gewesen war, sämtliche Differenzen beiseite zu legen und obendrein war sie immer höflich geblieben. Das konnte er respektieren. Abgesehen davon wäre Rin am Boden zerstört, wenn seinen Freunden etwas passieren würde.

 

„Ja, mag sein, aber trotzdem.“ Sie zögerte und sah stirnrunzelnd zu Egyn, bevor sie weitersprach. „Geht es ihm gut? Die Angriffe sahen brutal aus.“

 

„Oh, er sollte bald wieder auf den Beinen sein. Es sah schlimmer aus als es ist.“

 

„Gut. Ich hätte nicht erwartet, dass er so…aggressiv werden kann. Er wirkt immer so ruhig.“

 

Der Feuerdämon schnaubte, allerdings war es nicht abfällig. „Dann solltest du ihn mal sehen, wenn die Sirenen Gene durchkommen. Das ist schlimmer als was gerade passiert ist.“

 

Da sie offenbar nicht wusste, was sie daraufhin sagen sollte, zuckte sie nur mit den Schultern und verabschiedete sich, bevor sie zurück zu den anderen Adepten ging. Die Exorzisten und ihre Truppen waren bereits dabei, sich neu zu sammeln und Gegner waren nicht mehr in Sicht. Jetzt mussten sie nur noch warten, bis sein Bruder und Invidia aufwachten.

 

 

…………………………………………………….

 

 

Manchmal hatte das Schicksal wirklich einen seltsamen Sinn von Humor. Eigentlich sollte es Samael nicht mehr überraschen, er hatte viele Zukünfte gesehen, eine abstrakter als die andere und doch erwischte manches selbst ihn im Kalten. Nachdem er seinen Teil der Siegel platziert hatte, waren sie erneut angegriffen worden, dieses Mal unter anderem von mehreren Naga. Zu seiner Schande musste er sich eingestehen, dass er unvorsichtig geworden war, darum gelang es einer der Naga tatsächlich einen Treffer zu landen und ihn zu vergiften. Zwar konnte er sie besiegen und der Kampf war inzwischen vorbei, aber es verletzte dennoch sein Ego. Nun waren sie jedoch bei der Ironie angekommen, denn es war ausgerechnet seine Mutter, die ihn versorgte. Wer hätte das kommen sehen sollen?

 

Sicher, sie hatten irgendwie Frieden geschlossen, aber die Situation war dennoch sehr unangenehm.  Indra versuchte zwar Konversation zu betreiben, aber das machte es nicht  wirklich besser. „Du hattest nochmal Glück gehabt.“, hörte er sie sagen. „Wäre die Klinge tiefer gegangen, hätte sich das Gift um einiges schneller verteilt und das hätte gefährlich werden können.“

 

„Mir wäre es lieber, wenn ich gar nicht erst vergiftet worden wäre.“, knurrte er. „Der einzige Trost ist, dass die anderen nichts davon mitbekommen haben.“

 

Sie summte zustimmend, nach wie vor auf die Wunde konzentriert. „Ich habe heute schon alle möglichen Dämonen und Exorzisten aller Ränge behandelt. Es gibt also keinen Grund, sich zu schämen.“

 

Das ließ sich so einfach sagen. Er sagte jedoch nichts, schlussendlich konnte sie auch nichts dafür. Stattdessen wanderten seine Gedanken zu seinem Vater und seinen Geschwistern. Wahrscheinlich waren manche von ihnen ebenfalls bereits mit ihren Siegeln fertig, vorausgesetzt natürlich, sie waren nicht auf Probleme gestoßen. „So, fertig. Ruhe dich noch etwas aus, es wird einige Minuten dauern, bis sich die Wunder wieder verschließt.“, wies Indra an und stand auf. „Ich muss mich noch um einige andere Verletzte kümmern, aber rufe ruhig, wenn du mich brauchst.“

 

Damit war sie wieder verschwunden und ließ ihn mit seinen Gedanken zurück. Er war froh darüber, dann endete immerhin dieses unangenehme Gespräch. Gelegentlich wünschte er sich fast, er hätte Rin ignoriert und sich weiterhin von seiner Mutter ferngehalten, aber natürlich war das albern. Selbst wenn es unangenehm war, er war kein Feigling.

 

Leider währte die Ruhe nicht lange. Ob nun ihre vorherigen Angreifer mit Verstärkung zurückgekommen waren oder es neue Gruppe war, es waren viele. Zu allem Überfluss entdeckte er unter ihnen Ira und Luxuria, welche allerdings beide nicht allzu begeistert wirkten. Hier waren sie also geblieben. Wundervoll. Gerade was er gebraucht hatte.

‚Na, da kann man wohl nichts machen.‘

 

Dieses Mal würde er nicht so unvorsichtig sein.

 

 

……………………………………………………

 

 

Als Egyn zu sich kam, sah er zuerst Iblis und Agares, die neben ihm saßen und ihn besorgt ansahen. Zunächst wusste er nicht, was los war, doch dann kamen die Erinnerungen mit einem Schlag zurück. Sofort spürte er einen dicken Kloß im Hals und sein Magen verkrampfte sich. Oh, verdammt. Was hatte er in Dämonenform angestellt? „Habe ich jemanden verletzt?“, fragte er sofort, doch zu seiner Erleichterung verneinten sie. „Und Invidia?“

 

Dieses Mal antworteten sie nicht sofort, sondern wechselten Blicke, bevor Iblis zu sprechen begann. „Bewusstlos. Du hast sie ganz schön zugerichtet, ich musste selbst in Dämonenform dazwischen gehen.“

 

Also doch so schlimm. Verdammt, das hätte nicht passieren dürfen! Egal wie sehr er Invidia hasste, er hätte seinen eigenen Leuten sonst was antun können! Oder gar Iblis und Agares! Sein Kontrollverlust war unverantwortlich, ein Dämon seines Alters und Standes sollte es besser wissen. Hastig versuchte er sich zu rechtfertigen. „Es tut mir leid, ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Ich war so wütend und sie-“ Er wollte aufstehen, aber der Feuerdämon drückte ihn zurück auf den Boden.

 

„Schon gut, ich weiß.“, beruhigte er ihn seufzend. „Es spielt jetzt keine Rolle. Niemand wurde verletzt, Invidia wurde gefangen genommen und Agares hat die Siegel fertig gestellt. Sobald Invidia wach ist, schauen wir, ob wir etwas für Azazel tun können.“ Egyn fühlte sich immer noch schuldig, was dem anderen Baal natürlich nicht entging, daher redete er weiter. „Mach dir jetzt keine Gedanken darum. Ich wäre an deiner Stelle genauso ausgerastet. Vielleicht war es sogar ganz gut, dass du sie so aggressiv angegangen bist, sonst wäre sie wahrscheinlich wieder abgehauen. Je mehr Aveira wir erwischen desto besser.“

 

Zwar war hatte er damit nicht unrecht, aber es ärgerte den Wasserkönig dennoch und machte ihm sogar etwas Angst. Noch nie hatte er so sehr und so schnell die Kontrolle verloren. Dennoch wusste er, dass jetzt nicht die richtige Zeit war, sich deswegen den Kopf zu zerbrechen. Sie hatten immer noch eine Aufgabe und die war momentan wichtiger. Das Ankommen eines Heilers ließ sie alle aufsehen, sie konnten sich bereits denken, weswegen er hier war und sie sollten Recht behalten.

 

„Lord Iblis? Invidia ist wach.“, berichtete er. „Ihr könnt kommen, wenn ihr wollt.“

 

„Ja, ich komme.“ Iblis stand auf, doch Egyn hielt ihn auf.

 

„Ich komme auch mit. Versuche nicht, mir das auszureden. Ich kann mich dieses Mal zusammenreißen!“

Zwar zögerte der andere Dämonenkönig zunächst, aber schlussendlich nickte er. Agares wollte sie ebenfalls begleiten, somit gingen sie zu dritt in die Höhle nebenan. Invidia war gefesselt und wurde von mehreren Dämonen bewacht, die sie nicht aus den Augen ließen. Als sie den Raum betraten, warf sie ihnen einen hasserfüllten Blick zu, welches zu einem spöttischen Grinsen wurde, als sie Egyn entdeckte. „Ach, hast du dich endlich zusammengerissen? So einen Ausraster hätte ich nicht von dir erwartet. Ich bin beeindruckt.“

 

Trotz ihrer Worte meinte der Baal, Risse in ihrer Fassade zu sehen. Sie mochte die große Klappe haben, aber sie schien damit nur ihre Unsicherheit und Angst verstecken zu wollen. Immerhin wäre diese Situation ohne Iblis‘ Eingreifen höchstwahrscheinlich ganz anders geendet. Der Feuerkönig sah die Sache offenbar ähnlich.

 

„Spar dir die Show und komm zur Sache. Wir wollen wissen, was du über Liliths Vertrag mit Azazel weißt.“

Sicherlich hatte die Sünde es bereits kommen gesehen und schnaubte zur Antwort. „Inzwischen dürftet ihr doch wissen, was Sache ist. Wenn ihr Lilith tötet, wird das nichts bringen, sie muss den Vertrag und die Seelenverbindung selbst auflösen ansonsten könnt ihr euch von Azazel gleich mit verabschieden.“

 

„Aber du bist ein Teil von ihr. Das heißt, du kannst das wahrscheinlich auch, nicht wahr?“, warf Egyn scharf ein und sah sie erwartungsvoll an.

 

Die Aveira antwortete nicht und zuckte lediglich mit den Schultern, doch Iblis ließ sich davon nicht abwimmeln. Mit einem Mal hatte er sie am Hals gepackt und gegen die Wand gepresst. Invidia, die damit nicht gerechnet hatte, versuchte ihn wegzustoßen, aber ihre Fesseln verhinderten jeglichen Widerstand und sie konnte lediglich versuchen nach Luft zu schnappen.

 

Für einen Moment konnten sie einen Funken Angst in ihren Augen sehen, den sie schnell wieder versteckte. Iblis entging es natürlich nicht und zwang die Dämonin ihn anzusehen. „Ich habe verdammt nochmal die Schnauze voll von diesem Scheiß! Entweder, du kooperierst jetzt mit uns und sagst uns, was wir wissen wollen oder ich verspreche dir, du wirst dir wünschen, ich hätte zugelassen, dass Egyn dich zerfetzt.“ Er ließ sie wie einen Sack Kartoffeln fallen und sie schnappte nach Luft. „Also wie sieht’s aus?“

 

Erneut zögerte sie, wahrscheinlich wog sie ihre Optionen ab, bevor sie aufsah, der Blick voller Abneigung. „Damit ihr mich danach umbringen könnt? Ich passe!“

 

Natürlich ließ der Feuerdämon nicht locker und rückte ihr erneut auf die Pelle. Die Dämonin sank etwas zusammen, sagte jedoch nichts. „Entweder du kannst jetzt zustimmen oder dich weigern und Vater kümmert sich um dich. Deine Wahl.“, zischte Egyn.

Zwar versuchte die Gestaltwandlerin sich nichts anmerken zu lassen, aber sie wurde sichtlich blasser und ihr Gesichtsausdruck verriet ihre Unsicherheit. Trotz ihrer großen Klappe wollte sie sich momentan lieber nicht mit dem Dämonengott anlegen, insbesondere nachdem sie Rin entführt und ihre Rolle bezüglich Salacias Schicksal zugegeben hatte. Sie hatte noch Glück, wenn der Dämonengott sie nur umbrachte.

 

„Okay, gut, schön! Ich mach’s! Ich trenne die Verbindung!“, sagte sie plötzlich, offenbar fertig mit den Nerven. All ihre angestaute Frustration schien rauszukommen, denn sie war noch nicht fertig. „Lilith kann mich mal! Egal, was ich tu oder wie sehr ich mich abrackere, sie ist sowieso nicht zufrieden und gibt nie irgendwas zurück! Ich will, dass dieses Miststück endlich bekommt, was sie verdammt nochmal verdient und wenn ich dafür Azazel befreien muss, dann gut!“

 

Das war…unerwartet. Die Dämonen wechselten verunsicherte Blicke, bevor Egyn zu sprechen begann. „Du hast deine Meinung ziemlich schnell geändert.“

 

„Weil ich einfach die Schnauze voll habe!“, kam die gefauchte Antwort. „Ihr habt keine Ahnung wie es ist, ihr zu dienen. Nicht nur hat sie Gula ohne zu zögern zum Sterben weggeschickt, sie verliert immer mehr ihren Verstand! Sie ist völlig durchgedreht!“

Das fiel ihr jetzt erst auf? Wirklich?!

 

„Ich habe nicht vor, die nächste zu sein, inzwischen will ich sie nur noch am Boden sehen und wenn ich dafür ausgerechnet euch dafür helfen muss, dann gut! Ist mir scheiß egal, sie hat es nicht anders verdient!“

 

Sie wirkte aufrichtig, aber natürlich wussten sie wie hinterhältig und manipulativ sie sein konnte, daher zögerten sie. Es würde sie zwar nicht überraschen, wenn sie inzwischen tatsächlich genug hatte, aber konnten sie das wirklich riskieren? Andererseits gab es keine Garantie, dass sie eine andere Aveira lebend erwischen würden und bei Lilith hätten sie erst recht keine Chance. Eher heiratete Satan sie nochmal als das die Dämonengöttin freiwillig den Vertrag mit Azazel beendete. Sie hatten keine große Wahl.

„Gut, ich schicke einen Boten, um den Spiegel herzuholen.“, entschied Iblis. „Brauchst du sonst noch was?“

 

„Nur den Spiegel, Kreide, Aglaophotis Tinte, Papier und etwas, um mich zu schneiden.“, antwortete Invidia knapp.

 

„Ich gebe dir nichts Scharfes. Ich mache es selbst.“

 

„Ja, ja, was auch immer.“

 

Iblis wandte sich zum Gehen, Egyn griff ihn jedoch an Arm. „Sollen wir es wirklich riskieren? Ich traue ihr nicht.“

 

„Ich auch nicht, aber haben wir eine Wahl?“

 

Der Wasserdämon verzog das Gesicht und schaute zu Invidia, diese machte keine Anstalten einen Fluchtversuch zu starten. Tatsächlich schien sie in ihren eigenen Gedanken versunken zu sein, denn sie starrte nur mit einem leeren Gesichtsausdruck vor sich hin. Kopfschüttelnd wandte er sich ab, er wollte sie nicht länger ansehen als nötig, sonst würde er wahrscheinlich wieder die Kontrolle verlieren. „Noch ist es nicht zu spät. Wenn du es jetzt machst, werden sie keine Zeit zum Reagieren haben. Töte sie!“

‚Ach, halt die Klappe!‘

 

Nochmal würde er sich nicht dazu hinreißen lassen, sich seinem Dämoneninstinkt hinzugeben. Auch wenn er die Gestaltwandlerin zu gern getötet hätte, er musste sich zusammenreißen, zumindest fürs erste. Sie würde ihre Strafe bekommen, bis dahin konnte er sich gedulden. Ihr unausweichliches Ende würde dann umso zufriedenstellender sein. Agares schien zu wissen, was er dachte, denn sie sagte zwar nichts, doch sie nahm seine Hand, drückte sie sanft und lächelte ihm aufmunternd zu.

 

Überraschenderweise half dies ziemlich gut, er beruhigte sich beinahe sofort, auch wenn einiges an Frustration blieb. Nur noch etwas mehr Geduld, dann würde sie bekommen, was sie verdiente. „Tut sie das aber wirklich? Nach allem, was sie getan hat, ist sogar der Tod zu gut für sie. Du solltest sie genau das durchmachen lassen, was sie Mutter angetan hat! Wie sagen die Menschen so schön? Auge um Auge, Zahn um Zahn!“

 

Frustriert schüttelte er den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Für gewöhnlich hatte er seine Dämoneninstinkte sehr gut im Griff, doch wenn sie dann richtig rauskamen, waren sie extrem nachdrücklich und nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen. Hoffentlich würde ihm diese Stimme nicht den gesamten restlichen Kampf über auf die Nerven gehen.

 

Glücklicherweise kehrte kurz darauf Iblis zurück, in einem Beutel hatte er den Spiegel sowie sämtliche Gegenstände um die die Sünde gebeten hatte. „Das ist besser kein Trick.“, warnte er knapp, während er ihr alles überreichte. „Ich mache jetzt deine Hände los, aber wenn du versuchst, uns anzugreifen oder dich zu verwandeln, bist du tot. Verstanden?“

 

„Ja, ja, ich weiß!“, fauchte sie gereizt. „Bringen wir’s einfach hinter uns!“

 

Iblis nickte und schnitt die Fesseln durch. Beinahe erwartete Egyn, dass die Gestaltwandlerin ihr Wort brechen würde, stattdessen griff sie nach der Kreide und begann schnell die nötigen Symbole auf den Boden zu zeichnen. Sie sahen ihr für eine knappe Minute zu, bevor Egyn das Wort ergriff. „Welche Symbole brauchst du? Wir helfen dir.“ Natürlich war dieses Angebot keineswegs nett gemeint, er wollte einfach nur Zeit sparen. Die Aveira zögerte, antwortete schlussendlich jedoch. Iblis, Egyn und Agares griffen daher die restliche Kreide und halfen.

 

Anschließend schrieb Invidia mit der Aglaophotis Tinte etwas auf das Papier, dann wandte sie sich an Iblis. „Mein Blut muss auf den Spiegel und das Papier.“

 

Der Feuerdämon nickte, griff seinen Dolch, setzte ihn an ihrer offenen Handfläche an und zog die Klinge durch. Invidia zuckte nicht einmal zusammen und ließ das Blut mit einem teilnahmslosen Gesichtsausdruck auf das Papier und den offenen Spiegel tropfen. Sie legte das Papier in die Mitte des gezeichneten Symbolgeflechtes, darauf kam der Spiegel. „Zünde das Papier an.“

 

Iblis schien es nicht zu passen, dass sie ihm Anweisungen gab, tat aber wie ihm geheißen wurde. Invidia hatte sich derweil hingekniet, die Augen geschlossen und atmete einige Male durch, bevor sie mit den gemurmelten Beschwörungen begann. Innerlich seufzend lehnte sich Egyn gegen eine der Wände und beobachtete das Geschehen stumm. Jetzt konnten sie nur abwarten und hoffen. Natürlich spitzte er die Ohren und hörte genau zu, was die Todsünde sagte, doch sie schien sich tatsächlich an ihr Wort zu halten.

 

Agares, Iblis und die Wachen beobachteten Invidia ebenfalls ganz genau, nur darauf wartend, dass sie etwas versuchte. Sie wussten nicht, wie viel Zeit am Ende vergangen war. Für Egyn fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Das Papier war inzwischen verbrannt und doch brannte die Asche noch immer, ein klares Zeichen dafür, dass das Ritual bisher erfolgreich verlief. Das war zwar noch kein Grund zum Aufatmen, doch eins nach dem anderen.

 

Endlich war Invidia am Schluss angekommen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, nahm sie den Spiegel und schmetterte ihn zu Boden. Das Glas zerbrach augenblicklich, gefolgt von einem lauten, kreischenden Geräusch aus dem Spiegel und die Papierreste verbrannten endgültig in einer Stichflamme. Die Gestaltwandlerin hielt inne und wartete ab, ob noch etwas geschah, dann nickte sie grimmig. „Es ist erledigt. Der Vertrag ist beendet und das Seelenteil befreit.“, verkündigte sie knapp.

„So einfach?“, hakte Egyn nach, der dem Frieden nicht wirklich traute.

 

„So einfach. Sie hat das Ritual, das sich Satan ausgedacht hat, nur leicht abgewandelt, aber da sie nicht riskieren wollte, das etwas schief geht, hat sie den Prozess einfach gehalten. Ist aber keine Garantie, dass sich Azazel jemals davon erholen wird.“, bestätigte sie.

 

Das machte durchaus Sinn. Iblis griff nach den Fesseln und begann diese erneut um ihre Hände zu wickeln. „Jetzt ist es so oder so vorbei, kein Zurück mehr.“, knurrte er und wandte sich an die Wachen nachdem er sie gefesselt hatte. „Schafft sie weg. Wir kümmern uns um sie, wenn der Kampf vorbei ist.“

 

Die Dämonen nickten und zogen Invidia auf die Füße. Diese wehrte sich nicht, wandte sich den Dämonenkönigen jedoch ein letztes Mal zu. „Lilith wird nicht einfach aufgeben. Sie hat plant etwas, ich weiß nur nicht was.“ Ihr Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, doch es wirkte gequält. „Selbst wenn ihr Plan fehl schlägt, sie zu versiegeln wird euch auf Dauer nichts bringen.“

 

„Das ist nur eine Übergangslösung.“, antwortete Iblis knapp. „Sobald alles vorbei ist, lassen wir sie raus und erledigen sie endgültig.“

 

„Wenn ihr meint. Hauptsache, ihr lasst leiden.“

 

Egyn biss die Zähne zusammen, um keinen Kommentar abzugeben. Sie war fürs erste kein Problem mehr, Lilith war jetzt wichtiger. „Wir sollten uns auf dem Weg zur Haupthöhle machen und Vater wissen lassen, dass wir uns um das Seelenteil gekümmert haben. Hoffen wir nur, dass es wirklich funktioniert hat.“

 

Iblis nickte und verwischte noch die Spuren der Zeichnungen, die Invidia angefertigt hatte, um ganz sicher zu gehen, dass es nicht in den Konflikt mit dem Versieglungsritual kam. „Dann mal los. Ich habe schon Leute abgestellt, die die Siegel bewachen werden.“ Damit verließen sie die Höhle, um zu ihrem Vater aufzuschließen.

 

 

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Azazel war am Schlafen gewesen, als die Schmerzen kann. Zunächst begann es schleichend, es war genug, um ihn aus dem Schlaf zu reißen und blieb zunächst bei leichten Kopfschmerzen. Mit einem genervten Stöhnen drehte er sich auf die andere Seite, um weiterzuschlafen, stattdessen wurde der Schmerz allmählich schlimmer. ‚Verdammt nochmal, warum schon wieder?!‘

Er setzte sich auf, den Kopf in den Händen vergraben. Für einen Moment spielte er mit dem Gedanken, seine Tante und seine Onkel zu rufen, entschied sich dann jedoch dagegen. Selbst wenn es ihm nicht gut ging, es war nicht so schlimm wie am Anfang, er konnte das aushalten und er wollte sie momentan wirklich nicht sehen. Zumindest dachte er das, dann wurde es ohne Vorwarnung schlimmer. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren, gleichzeitig hatte er Schwierigkeiten Luft zu holen. Schnell wurde seine Genervtheit zu Panik, hier stimmte etwas ganz und gar nicht!

 

„V-Viduus…S-Seker…K-K-Keres-“, krächzte er hervor, leider war es natürlich zu leise, als dass sie es hören konnten. Dafür stand nur kurz darauf seine Mutter neben ihm, sichtlich panisch. „Azazel?! Was ist los?!“ Sie streckte die Hand nach ihm raus, erinnerte sich dann allerdings, dass sie nur ein Geist war und folglich nichts tun konnte. „VIDUUS, SEKER, KERES, KOMMT SOFORT HER!“

Er hörte wie die Tür aufging und einige panische Stimmen, jedoch verstand er kaum, was sie sagten. Jemand berührte ihn am Arm, er wollte denjenigen wegschieben, jedoch erfolglos. Eine Stimme fuhr die anderen an, dass sie einen Heiler holen sollten, woraufhin sich ein paar Schritte hastig entfernten. „Ganz ruhig, es wird alles gut, tief durchatmen…“, hörte er jemanden sagen, aber das war das letzte, was er mitbekam, bevor er endlich das Bewusstsein verlor.

 

 

…………………………………………………………………….

 

 

Yukio und die Adepten waren gerade noch dabei gewesen, sich auszuruhen, als Shura an sie herantrat. Der letzte Kampf hatte sie mehr Kraft gekostet als erwartet, entsprechend dringend war die Pause gewesen. Die Dämonen hatten Recht gehabt, je mehr Zeit sie in Gehenna verbrachten, desto mehr schwächte es sie. Immer wieder musste er andere Exorzisten und Mitglieder von Hexenzirkeln verarzten, manche von ihnen konnten bereits nicht mehr weiterkämpfen.

 

„Alles in Ordnung bei euch?“, erkundigte sich Shura und erhielt von allen ein stummes Nicken. „Gut. Es geht gleich weiter, wir sollen uns auf den Weg zur Haupthöhle machen. Die Aveira lassen sich kaum blicken und niemand weiß, wo Lilith ist. Das sollte also interessant werden.“

 

„Wie sollen wir aber Lilith in die Haupthöhle locken, wenn wir nicht mal wissen, was sie ist?“, fragte Izumo. „Sie könnte sonst wo oder sogar längst weg sein!“

 

„Satan meinte, er kann sie immer noch hier spüren, wahrscheinlich hat sie sich in den tieferen Höhlen verschanzt.“

 

Keiner war sonderlich begeistert davon, immerhin gab es so viel das schief gehen konnte. Wahrscheinlich hatte die Dämonengöttin ihren Plan sogar schon erkannt, dann würde es richtig interessant werden. „Gibt es zumindest irgendwelche guten Nachrichten?“, seufzte Yukio und zu ihrer Überraschung nickte Shura.

 

„Iblis konnte Egyn am Ende beruhigen und es ist ihnen gelungen, Invidia gefangen zu nehmen. Bleiben also nur noch fünf Todsünden übrig.“

 

„Nur ist gut.“, murmelte Bon. „Was wenn sie irgendwo lauern, um uns aus dem Hinterhalt zu  überfallen?“

 

„Wenn dann werden sie eher Satan oder einen Baal überfallen.“, hielt Shura dagegen. „Wenn einer von ihnen ausscheidet, ist das ganze Ritual gelaufen. Rin sollte mit Satan recht sicher sein, beim Rest wird es dann schon kritisch.“ Sie seufzte kurz und schüttelte den Kopf. „Spielt jetzt eigentlich keine Rolle. Packt eure Sachen zusammen und los geht’s.“

 

Niemand protestierte, nur Shiemi schaute etwas unglücklich drein und Yukio wusste sofort warum. Sie hatte kaum noch Heilpflanzen und Nee eigentlich schon überbeansprucht. Früher oder später würde sie gar nichts mehr haben und Nee nicht mehr beschwören können. „Shiemi, du kannst etwas von mir haben.“, bot er daher an. „Du brauchst die Pflanzen dringender als ich.“ Es war keine Lüge, auch wenn er bereits einige Leute verarzten musste, war sein Verbrauch im Vergleich zu Shiemi recht gering. Die junge Adeptin zögerte zunächst, stimmte dann allerdings verhalten zu.

 

„Danke, Yuki.“, sagte sie, während sie die Pflanzen in ihren Taschen verstaute.

 

Er nickte lediglich und überprüfte zum letzten Mal seine Pistolen, bevor er Shura folgte. „Weißt du wie lange wir zur Haupthöhle brauchen werden?“

 

„Keine Ahnung, niemand hat was gesagt. Aber hoffentlich nicht allzu lange, uns läuft immer mehr die Zeit davon.“

 

Der jüngere Exorzist wusste nicht, was er dazu sagen sollte, daher er schwieg er. Hin und wieder hörten sie Kampfeslärm, doch sie ignorierten es und liefen weiter. Es war offensichtlich, dass sich die anderen ebenfalls unwohl fühlten. Eine seltsame Spannung lag in der Luft. Immer wieder sahen sie sich nervös um und horchten. Sie alle erwarteten jeden Moment angegriffen zu werden, aber abgesehen von einigen kleineren Gruppen, stellte sich ihnen niemand in den Weg. Ob das nun ein Fluch oder ein Segen war, würde sich wohl noch zeigen.

 

Kurz darauf trafen sie auf Mephistos Gruppe. Shura verschwendete keine Zeit und begann direkt den Zeitkönig mit Fragen zu löchern, doch dieser unterbrach sie. „Ich nehme an, ihr seid ebenfalls auf dem Weg zur Haupthöhle?“

 

„Japp. Solltet ihr nicht längst dort sein?“ Eine durchaus berechtigte Frage, immerhin war der Clown einer relativ nahen Höhle zugeordnet worden. Fast schon rechnete er mit irgendeiner dramatischen Reaktion, stattdessen seufzte der Baal nur kopfschüttelnd.

 

„Eigentlich schon, wir wurden allerdings von zwei Angriffen überrascht. Beim letzten waren Ira und Luxuria dabei, sie sind allerdings recht schnell wieder verschwunden nachdem sie mich gesehen haben. Ich nehme an, sie versuchen sich einen von uns rauszupicken und im Kalten zu erwischen, damit das Ritual nicht vollzogen werden kann.“

Also hatte Shura mit ihrer Vermutung recht gehabt. Sie hoffte wirklich, dass die anderen Baal aufpassten, sonst hatten sie ein großes Problem. „Weißt du schon, was mit Egyn passiert ist?“

 

Der Baal versteifte und runzelte die Stirn, dennoch versuchte er seine offensichtliche Sorge für Egyn zu verstecken. „Nein, der Bote muss mir entgangen sein. Was ist passiert?“

 

„Er hat bei einem Kampf mit Invidia durchgedreht. Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber er hat die Kontrolle verloren und sogar Izumo attackiert, Iblis ist gerade noch rechtzeitig aufgetaucht und hat sie gerettet. Es hat eine Weile gedauert, aber er konnte ihn am Ende ruhigstellen und sie habe Invidia gefangen genommen. Soweit ich weiß wollte er sie dazu bringen, Azazels Vertrag mit Lilith aufzulösen, ich weiß allerdings nicht, ob das funktioniert hat.“

 

Äußerlich zeigte der Baal keine Regung, doch Yukio konnte sich vorstellen, dass ihn diese Nachricht überraschte und zugleich. „Aber beiden geht es gut?“

 

„Soweit ich weiß ja.“

 

Dieses Mal sah er Erleichterung, auch wenn der Dämon es schnell versteckte. „Gut. Hoffen wir, dass Invidia tatsächlich den Vertrag beenden kann. Wir sollten jetzt keine Zeit verlieren und uns auf dem Weg machen.“ Er wechselte einige Worte mit mehreren Dämonen, natürlich verstand Yukio nicht was er sagte, doch nahm an, dass es Befehle waren, da sie sich daraufhin wieder in Bewegung setzten.

 

Ihm entging nicht, dass sie ebenfalls angespannt wirkten, viele hatten sogar die Waffen gezogen und sahen sich immer wieder in der Dunkelheit um. Dabei achteten sie jedoch kaum auf den Boden und bevor Yukio wusste was los war, stolperte er plötzlich. Gerade so schaffte er es noch, sich aufzufangen und er war nicht der einzige, den es so entging. Schnell begriff er, warum er gefallen war. Überall lagen Leute, sowohl Menschen als auch Dämonen. Sie schienen nicht tot zu sein, er konnte sehen, dass sie atmeten. Die Szene wirkte erschreckend vertraut, hatten sie ein ähnliches Bild während des Kampfes um den Vatikan vor sich gehabt?

 

„Acedia.“, hörte er Mephisto seine Vermutung bestätigen. „Wir können fürs erste nichts für sie tun, geht einfach weiter.“

Zunächst wollte Yukio protestieren, doch der ernste Gesichtsausdruck des Baal änderte seine Meinung und er ging widerwillig weiter, bis sie eine große Höhle erreichten. In der Mitte kniete eine einzelne Person, die offenbar ihr Ankommen bemerkt hatte und sich langsam aufrichtete. In ihren langen, blauen Haaren und ihrem Gesicht klebte Blut, allerdings schien es nicht ihr eigenes zu sein. Falls sie von ihrem plötzlichen Auftreten überrascht war, ließ sie sich nichts anmerken. Sie sagte etwas in Gehennisch, es war offenbar nur ein Wort oder ein sehr kurzer Satz, der bereits genug war, dass die Dämonen in Angriffsposition gingen. Derweil realisierte Yukio endlich wen sie vor sich haben musste. ‚Sie muss Acedia sein.‘

 

Mephisto wechselte einige Worte mit ihr, er klang ruhig, sie schüttelte lediglich den Kopf. Weigerte sie sich, sich zu ergeben oder eine Frage zu beantworten? Höchstwahrscheinlich war dem so, allerdings hatten sie andere Sorgen, denn mehrere von Lilith Truppen betraten nun die Höhle. Ob das nun geplant war oder nicht, ein Kampf ließ nicht lange auf sich warten. Acedia schien dagegen kein Interesse an einer direkten Konfrontation zu haben, sie wandte sich um und rannte. ‚Verdammt!‘

 

Satan und die Dämonenkönige hatten mehr als einmal erwähnt wie wichtig und gefährlich die Aveira waren, sie gefangen zu nehmen, würde ihnen einen Vorteil bringen. ‚Ich muss verrückt sein…‘ Scheinbar färbte Rin auf ihn ab, denn er plante etwas dummes zu tun.

 

„Shura! Sie rennt weg!“, rief er der älteren Exorzistin zu, welche für einige Sekunden verwirrt schien, dann aber seinem Blick folgte und begriff, was er meinte. Sofort nahmen beide die Verfolgung auf, was den Adepten nicht entging. Izumos Füchse blockierten der Aveira den Fluchtweg, diese versuchte daraufhin eine andere Route zu nehmen, doch dieses Mal stellte sich ihr Shura in den Weg und griff an. Erneut rief die Dämonin etwas, wahrscheinlich war es ein Ausruf der Frustration, aber sie versuchte dennoch weiterhin dem Kampf aus dem Weg zu gehen. Sie war keine gute Kämpferin, die Dämonenkönige hatten dies einmal erwähnt, erinnerte sich Yukio.

 

Natürlich würde er sie nicht so einfach entkommen lassen und gab einige Schüsse ab, einer traf sie im Arm. Sie wich zurück während sie sich panisch umsah. ‚Ich habe mich richtig erinnert. Sie ist keine Kämpferin, darum ist sie mit der Situation überfordert.‘ Dummerweise hatten nun einige von Liliths Dämonen begriffen, dass die Todsünde in Bedrängnis geraten war und versuchen ihr zur Hilfe kommen. Shura zögerte allerdings nicht lange und rief „Hey!“ in die Richtung einiger Dämonen, die zu ihnen gehörten, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Diese erkannten ebenfalls, was los war und stürzten sich auf Liliths Anhänger, um sie von Acedia fernzuhalten, welche das erneute Chaos genutzt hatte, um weiter vom Kampfgeschehen wegzukommen.

 

Shura war ihr bereits auf den Fersen und nur mit Mühe konnte die Aveira ausweichen. Für einen Moment war Yukio

zuversichtlich, dann tauchte jedoch die Person auf, mit der keiner gerechnet hatte. Mit einem Mal loderten überall Flammen auf, die sich schnell durch die Höhlen zogen und sie somit zwangen, sich in kleinere Gruppen zu teilen. Die Flammen waren nicht blau, Satan fiel somit raus, Iblis konnte es aber ebenfalls nicht sein, er war in eine ganz andere Richtung gegangen und die Flammen waren so groß und intensiv als dass sie von irgendeinem zufälligen Feuerdämonen stammen konnten.

 

Das Feuer versperrte ihm die Sicht auf andere Gruppen, bei ihm waren nur noch Shura und die Adepten. Acedia hatte dummerweise nicht lange gefackelt und war abgehauen, aber das wurde schnell zweitranging, als stattdessen eine andere Dämonin mit langen, roten Haaren und goldenen Augen vor ihm stand. Er hatte sie bisher nur einmal getroffen und zu diesem Zeitpunkt war sie nicht in ihrem eigenen Körper gewesen, dennoch erkannte er sie sofort. „Lilith.“, knurrte er.

 

Die Dämonin grinste zur Antwort und verschränkte die Arme, ihre Lippen zu einem spöttischen Grinsen verzogen. Die Beschreibungen stimmten, sie war wirklich extrem schön, aber schon allein ihre Haltung und ihr Gesichtsausdruck lösten eine unbeschreibliche Abneigung in ihm aus. Sie sah auf ihn herab, daran bestand kein Zweifel. „Du weißt also wer ich bin, sehr gut. Dann muss ich mich nicht vorstellen. Du musst Satans jüngster Bastard sein. Was für eine Schande, einen Menschen als Nachkommen zu haben, aber das macht es wohl zumindest einfacher dich los zu werden.“

 

Yukio antwortete nicht und schoss, verfehlte jedoch. Shura und die Adepten hatten ebenfalls Eins und Eins zusammengezählt und griffen an. Zu ihrem Entsetzen wischte sie die Dämonengöttin beiseite als wären sie nichts weiter als ein paar Fliegen, gefolgt von einer Handbewegung, welche eine weitere Feuerwand bildete, um sie zu trennen. Yukio war somit vollkommen auf sich gestellt. Sichtlich zufrieden mit sich, wandte sie sich wieder an ihn. „Warum bist du überhaupt hier? Ich dachte, du hasst Dämonen, vor allem deinen Bruder. Besitzt du gar kein Schamgefühl?“

 

„Ich hasse Rin nicht!“, fauchte Yukio und schoss erneut, wieder ging es daneben. Sie war verdammt schnell, das musste er ihr zugestehen. Natürlich waren andere Dämonen das ebenfalls, nur hatte er es hier mit einer Dämonin zu tun, die fast so gefährlich wie Satan war, wenn nicht sogar gefährlicher.

 

„Ach, wirklich? Da habe ich aber ganz andere Sachen gesehen, während ich seinen Körper übernommen hatte. Wusstest du, dass wir teilweise die Erinnerungen unserer Wirte sehen können?“ Bevor der Exorzist antworten konnte, stand sie plötzlich hinter ihm, die Arme nach wie vor verschränkt, obwohl er immer noch die Waffen gezogen hatte. Offenbar nahm sie ihn absolut nicht ernst und zeigte es offen. „Eure Kindheit war nicht einfach, allerdings aus verschiedenen Gründen und du hast eindeutig den Kürzeren gezogen. Immer war dein Bruder im Mittelpunkt, der Paladin hat sich viel mehr um ihn gekümmert als um dich und dann hat er dich ohne ein Wort allein gelassen. Er hat immer nur in Rins Interesse gehandelt, nie in deinem und dann hat er es dir nicht einmal gedankt.“

 

„Halt den Mund!“

 

Wieder daneben, sie stand nun vor ihm und grinste ihn weiterhin an, bevor sie plötzlich mit den Fingern schnippte und ihn ein brennender Schmerz durchfuhr. Es hielt nicht lange an, doch war plötzlich genug, dass er seine Waffen fallen ließ und zu Boden sank. Die Dämonengöttin trat die Pistolen achtlos beiseite und lachte. „Die Wahrheit tut weh, oder nicht? Du hast deine ganze Kindheit geopfert, während dein Bruder ahnungslos aufgewachsen ist und was war der Dank? Er hat euch immer nur Ärger gemacht und schlussendlich dem Paladin das Leben gekostet. Trotzdem hat er sich nicht verändert, oder? Er hat die Exorzistenausbildung nie ernst genommen, er hat sich nur beschwert und deine Anstrengungen nicht mal ansatzweise zur Kenntnis genommen. Er ist nichts weiter als eine undankbare, kleine Göre.“

 

Ihre Worte trafen ihn härter als er zugeben wollte. Er versuchte sie zu ignorieren und sah sich stattdessen nach seinen Waffen um, was Lilith natürlich nicht entging. „Augen auf mich, Sterblicher.“, zischte sie, bückte sich und griff ihm in die Haare. Er versuchte ihre Hand wegzuziehen und unterdrückte einen Schmerzensschrei als sie seinen Kopf hochriss und ihn zwang sie anzusehen. „Du weißt, dass ich recht habe. Du hast alles für ihn und den Paladin gegeben doch keiner von beiden hat sich jemals wirklich erkenntlich gezeigt. Der Paladin hat dich ignoriert und als ein Mittel zum Zweck gesehen, während sich Rin schlussendlich gegen dich und die Menschen gewandt hat. Er hat dich und alle anderen verraten und trotzdem bist du willens, ihm zu helfen? Klingt als hätte der Paladin alles richtig gemacht. Du bist ein guter, kleiner Schoßhund der Exorzisten geworden, der Befehlen bedingungslos folgt anstatt selbst nachzudenken.“

 

Die Pistolen waren zu weit weg und sie war zu schnell. Er wäre tot bevor er auch nur die Hälfte des Weges hinter sich hatte. ‚Rede einfach mit ihr, schinde die Zeit.‘

 

„Hör schon auf damit. Ich weiß, dass du mich nur manipulieren willst. Das wird nicht passieren!“ Mephisto sollte früher oder später Liliths Anwesenheit bemerken, wenn er es nicht sogar schon wusste. Er musste nur irgendwie durchhalten!

 

Dummerweise schien die Dämonin ihn zu durchschauen. Von einer Sekunde zur nächsten knallte er gegen die Felswand und die Luft blieb ihm weg. Liliths Gesicht war seinem plötzlich ziemlich nah, ihre Augen glühten rot und eine Hand drückte ihm den Hals zu, doch ihr Lächeln bestand weiterhin. Gerade so bekam er noch genug Luft, um nicht das Bewusstsein zu verlieren und ihr weiterhin zuhören zu können.

 

„Süß von dir, dass du glaubst, du würdest mit deinem dummen Plan Erfolg haben. Aber kommen wir zurück zur Sache. Ich weiß du bist der schlauere Zwilling, also werde ich direkt sein. Dein Bruder wird der Anfang vom Ende sein. Du bist ihm egal. Eure kleinen Priester und der Paladin sind ihm egal. Eure Menschenfreunde und Assiah sind ihm egal. Er hat seinen Platz in Gehenna gefunden, er genießt seine Rolle als Prinz und er sieht keinen Grund nach Assiah zurückzukehren. Das ändert aber nichts an den Taten der Exorzisten. Wir Dämonen hassen sie und auch wenn Satan und seine Gören momentan auf nett tun, wird sich das ändern sobald dieser Kampf hier vorbei ist. Du hast die Größe ihrer Armeen gesehen und weißt, was sie können. Sie werden Assiah überrennen und dein kostbarer Zwilling wird keinen Finger krumm machen, um sie aufzuhalten. Ihr schaufelt hier nur euer eigenes Grab.“

 

Yukio wollte protestieren, sie log! Rin würde das niemals zulassen! Zu seiner Schande musste er sich allerdings eingestehen, dass ihre Worte nicht ganz wirkungslos waren. Natürlich hatte er immer wieder darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn sie Lilith endlich besiegt hatten. Beide Seiten würden Zeit zur Erholung brauchen, aber war das wirklich eine Absicherung gegen eine Dämoneninvasion? Schlussendlich gab es so viel mehr Dämonen als Exorzisten und Lilith hatte selbst demonstriert wie schnell diese Eroberungen passieren konnten. Wenn es wirklich so weit kommen sollte, auf welche Seite würde sich Rin stellen?

 

Man konnte es nicht schön reden, die Exorzisten fürchteten und hassten ihn, zumindest die meisten. Er hatte selten Güte von ihnen erfahren und schlussendlich hatten sie sogar seinen Tod verlangt. Von den Dämonen war er dagegen mit offenen Armen empfangen worden und er sah Satan und die Dämonenkönige als Familie. Man konnte es nicht leugnen, aber nach allem, was er bisher gesehen hatte, schienen die Baal bessere Brüder für Rin gewesen zu sein als er. Vielleicht würde sich der Halbdämon einfach raushalten und die Dämonen zumindest bitten ihn und ihre Freunde nicht zu verletzen, aber das machte sie dennoch zu Feinden. Verdammt nochmal!

 

Lilith schien seinen inneren Zwiespalt zu bemerken und lachte. Es war offensichtlich, dass sie seine Unsicherheit genoss und genau darauf abgezielt hatte. „Die Wahrheit tut weh, nicht wahr? Du könntest das allerdings noch verhindern. Rin ist nicht mehr zu retten. Der Paladin ist bereits seinetwegen gestorben, was glaubst du, wer als nächstes dran ist? Einer dieser Priester aus eurem Stift? Diese rothaarige Frau mit den Schlagen? Oder doch das süße blonde Mädchen?~“

 

Insbesondere die Erwähnung von Shiemi ließ Wut in ihm aufsteigen. Wie konnte sie es wagen?! Trotzdem zwang er sich, sich zu beruhigen und sie nicht anzufahren. Sein erster Gedanke war, einfach mitzuspielen und so zu tun, als würde er darauf eingehen, doch er war sich beim besten Willen nicht sicher, ob er sie täuschen konnte. Am Ende würde er sie nur noch wütender machen.

„Rin würde das niemals tun!“, fauchte er daher. „Du kennst ihn nicht-“

 

„Oh, Schätzchen, ich kenne ihn wahrscheinlich sogar noch besser Satan. Er ist ein Tier im Käfig, das wartet auszubrechen. Denk dran, er ist immer noch versiegelt und es würde mich nicht wundern, wenn sich aus seinem Dämonenherzen eine separate Identität gebildet hätte. Sobald diese herausgelassen wird und zu Rin zurückkehrt, wird er nicht mehr die Person sein, die du kanntest. Höchstwahrscheinlich würde er dich und deine nervige Bande ohne zu zögern angreifen. Also wie-“

 

„Ehrfürchtig spreche ich zu dir Gottheit Inari, es gibt kein Begehr, das sich so nicht verwirklichen ließe!“

 

Lilith hatte gerade noch genug Zeit, um ihn fallen zu lassen und eine weitere Barriere aus Flammen zu errichten, damit die Füchse sie nicht erreichen konnten. Wutentbrannt wandte sie sich an Izumo, welche bereits ihren nächsten Angriff vorbereitete. Sie war allerdings nicht allein, das Kyoto Trio war ebenfalls bei ihr, welche sie offenbar nicht ganz sicher waren, was sie rezitieren sollten.

Yukio schnappte derweil nach Luft und hustete. Endlich hatte sie los gelassen!

 

„Ihr verdammten, kleinen Gören!“, zischte Lilith erbost. „Wisst ihr überhaupt mit wem ihr es zu tun habt?!“

 

„Eine Dämonin, die für immer Single sein wird, weil sie über nicht über ihren Ex hinwegkommt?“, fragte Shima.

 

Für einen Moment meinte Yukio sich verhört zu haben. Sicherlich war Renzo nicht so dumm jemanden wie Lilith zu reizen. Schnell wurde jedoch klar, dass er tatsächlich richtig gehört hatte. Trotz der wütenden Flammen senkten sich sofort die Temperaturen und die Luft wurde eisig, bevor es plötzlich ins Gegenteil umschlug und die Hitze ihnen den Schweiß auf die Stirn trieb.

 

„Du wagest es?!“, kreischte sie, die Augen rot. Shima schien seine Aussage bereits zu bereuen, doch das Feuer, dass Lilith ihnen entgegenschickte, prahlte an einem goldenen Symbol ab. Ryuji hatte eine Barriere beschworen, nur kurz darauf landete ein zweiter Angriff, dieses Mal in der Form von Erde, was ihn beinahe zurückstolpern ließ. Die Dämonengöttin setzte zum nächsten Angriff an und genau darauf hatten die Adepten nur gewartet.

 

„Moriyama, JETZT!“, rief Bon, Lilith wirkte für eine Sekunde verwirrt, aber es war zu spät, um zu reagieren. Ranken schossen aus dem Boden und wickelten sich um die Dämonin. Mit einem wütenden Aufschrei ließ sie Flammen hervorbrechen, die mehrere der Ranken verbrannten, sie wuchsen allerdings schneller nach als sie sie verbrennen konnte. Endlich wurde ihm bewusst, dass dies alles Teil eines Plans war.

 

Shura hatte derweil nur auf den richtigen Moment gewartet und hielt mit gezogenem Schwert auf Lilith zu. Die Dämonin erkannte schnell die Situation in der sie sich befand und erholte sich schnell von dem Schock. Innerhalb von Sekunden hatte sie sich endlich aus den Ranken befreit und sprang aus dem Weg, sodass Shura verfehlte. Das Kyoto Trio rezitierte derweil, leider wurde schnell klar, dass sie nichts tun konnten, tatsächlich schenkte Lilith ihnen keinerlei Beachtung. Hatte sie überhaupt einen Todesvers?!

 

Yukio schnappte sich seine Pistolen, zielte und drückte ab, aber dieses Mal erwartete sie es bereits und wich aus. „Was für ein erbärmlicher Versuch!“, knurrte sie.

 

Izumo ließ sich davon nicht beeindrucken und hetzte erneut Uke und Mike auf die Dämonin, welche sich allerdings schnell durch weitere Barriere schützte. 

 

„Lass mich raten, du bist eine Nachfahrin dieses Miststücks Inari. Ich hatte gehofft, dass eure Brut längst ausgestorben wäre!“

 

Izumo antwortete nicht, Shura versuchte erneut ihr Glück, Lilith wich mühelos aus und zwang die Exorzistin zurück. Einer ihrer Angriffe mit Erde saß schlussendlich und schleuderte Shura gegen die Wand. Mit einem selbstzufriedenem, doch immer noch wütendem Gesichtsausdruck ging die Dämonenherrscherin auf die am Boden liegende Exorzistin zu. „Wertloser Abschaum…“, fauchte sie und wollte Shura mit Feuer endgültig erledigen, aber hielt inne, als Samaels spöttische Stimme ertönte.

„Problemchen mit den Sterblichen, Lilith~?“

 

Mit einem hasserfüllten Fauchen wandte sich Lilith an den Dämonenkönig und ihr Gesicht verzog sich, als sie erkannte, wer noch bei ihm war.

 

 „DU!“

 

Indra lächelte lediglich selbstgefällig. „Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Lil. Du hast dich kaum verändert. Wirklich eine traurige Existenz.“

 

Lilith bleckte die Zähne, die Hände zu Fäusten geballt. „Sagt die enterbte Hure. Dir ist nichts mehr geblieben! GAR NICHTS!“

 

Die Zeitdämonin zeigte sich von ihrem Geschrei wenig beeindruckt und zuckte lediglich mit den Schultern. „Getroffene Hunde bellen, nicht wahr?“

 

Samael lachte gehässig auf, ließ sich allerdings überraschenderweise nicht auf weitere Sticheleien ein. „Es ist vorbei Lilith, du hast verloren. Gib auf.“

 

Wie erwartet lehnte die Dämonin sofort ab. „Das hättest du wohl gern. Wir sind noch lange nicht am Ende.“ Sie schnippte mit den Fingern und die Flammenwände versperrten erneut die Sicht, gefolgt von einem hellen, roten Licht, einem lauten Knall und einer gewaltigen Hitze. Kurz darauf war es vorbei und Yukio konnte gerade noch eine Gestalt mit roten Haaren und Flügeln davonfliegen sehen. Offenbar hatte sie wie schon die Aveira kein Interesse an einem längeren Kampf.

 

„Alles in Ordnung bei dir?“, hörte er Shura fragen. Sie sah ihn sichtlich besorgt an, weswegen er schnell antwortete.

„Ja, alles gut.“ Die Wahrheit war, dass ihm Liliths Worte ihm noch immer im Kopf widerhallten. ‚Wir Dämonen hassen sie und auch wenn Satan und seine Gören momentan auf nett tun, wird sich das ändern sobald dieser Kampf hier vorbei ist. Du hast die Größe ihrer Armeen gesehen und weißt, was sie können. Sie werden Assiah überrennen und dein kostbarer Zwilling wird keinen Finger krumm machen, um sie aufzuhalten. Ihr schaufelt hier nur euer eigenes Grab.‘

 

Verdammt. Das hatte ihn doch härter getroffen als erwartet. Konnte man ihm da allerdings Vorwürfe machen? Er war immer noch Exorzist, das Misstrauen gegenüber Dämonen war ihm seit Jahren eingebläut worden, natürlich konnte er das nicht einfach vergessen. Abgesehen davon hatte Lilith nicht ganz unrecht. Rin war immer noch versiegelt und niemand wusste, was passieren würde, wenn das Siegel endgültig brach. Bisher hatte er versucht nicht darüber nachzudenken, doch jetzt konnte er kaum an etwas anderes denken. Kein Wunder, dass sogar jemand willensstarkes wie Rin da eingeknickt war. Dummerweise wirkte Shura nicht überzeugt und wollte ihn ganz offenbar darauf ansprechen, jedoch kam Samael ihr zuvor.

 

„Yukio, auf ein Wort.“ Seine Stimme klang ruhig, aber ließ keinen Widerspruch zu. Yukio nickte stumm und sie traten einige Schritte beiseite, die besorgten Blicke von Shura und den Adepten ignorierend.  Der Baal kam direkt zur Seite. „Lass mich raten, sie hat versucht dir einzureden, dass du Rin nicht mehr trauen kannst und wir Assiah angreifen werden, sobald unsere Zusammenarbeit vorbei ist,“

 

Der Gesichtsausdruck des jungen Exorzisten schien Antwort genug zu sein, denn der Dämon verdrehte die Augen. „Natürlich hat sie das. Und du bekommst ihre Worte nicht mehr aus dem Kopf.“

 

Erneutes Schweigen, gefolgt von Nicken. Lügen würde nichts bringen, das wusste er. Glücklicherweise wirkte der Baal weder wütend noch enttäuscht. „Dir darüber den Kopf zu zerbrechen, wird weder dir noch Rin helfen, im Gegenteil. Konzentriere dich auf das, was jetzt wichtig ist, um den Rest kannst du dich kümmern, wenn es vorbei ist. Verstanden?“

„Aber-“

 

„Kein aber.“, kam die strenge Antwort. „Du hattest Rin versprochen, dich nicht von Vorurteilen leiten zu lassen, also halte dein Wort. Wir werden keinen zweiten Versuch bekommen.“  

 

Sagte ausgerechnet der Dämon, der dafür berüchtigt war, Leute über den Tisch zu ziehen und sogar seine eigene Familie in seine Wetten mit reinzog. Dummerweise änderte das nichts daran, dass er recht hatte, auch wenn es leichter gesagt war als getan. Er konnte sich diese Zweifel allerdings nicht leisten und er wollte seine Beziehung mit Rin nicht endgültig wegen den Einflüsterungen einer größenwahnsinnigen Dämonin ruinieren. „Ja, ich weiß. Es wird nicht wieder vorkommen.“, antwortete er steif.

 

Die verengten Augen des Zeitdämonen machten deutlich, dass er seine Zweifel hatte. Natürlich wusste er ganz genau, was Yukio dachte, glücklicherweise gab er sich damit zufrieden. „Gut. Jetzt konzentrier dich. Ich will Rin und Vater nicht erklären müssen, dass du wegen Unaufmerksamkeit ums Leben gekommen bist.“

 

Yukio verkniff sich die Frage, ob es Satan wirklich allzu sehr kümmern würde, immerhin hatte er den Dämonenherrscher bei jeder Gelegenheit zurückweisen. Andererseits schien Satan nie wirklich wütend deswegen zu werden, er wirkte vielmehr enttäuscht. Nein. Er würde darüber jetzt nicht nachdenken. Die Situation war momentan zu kompliziert und sein unbestreitbarer Groll gegen den Dämon wegen Shiros Tod machte es nicht wirklich einfacher. Sobald das hier alles vorüber war, konnte er seine Gedanken in Ruhe ordnen, nochmal mit Rin reden und irgendwann vielleicht mit Satan. Fürs erste war allerdings das hier und jetzt wichtig.

„Ich habe nicht vor zu sterben.“, versicherte er knapp. „Also machen wir weiter.“

 

Scheinbar endlich zufrieden, nickte der Baal und ging wortlos davon. Shura sah ihn immer noch an, ihrem Gesichtsausdruck konnte er entnehmen, dass sie zumindest Teile des Gespräches mitgehört hatte, aber er schüttelte nur kurz den Kopf. „Später.“

 

Sichtlich widerwillig nickte sie und gemeinsam gingen sie weiter. Die Adepten waren bereits voraus gegangen, doch auch sie warfen ihm hin und wieder Blicke zu. Er holte sie schnell ein, ignorierte allerdings ihre fragenden Blicke. Schlussendlich unterbrach Izumo die Stille. „Lilith ist nicht wie ich sie mir vorgestellt habe. Nach allem, was die Dämonen uns über sie erzählt haben, dachte ich sie wäre…monströser? Wenn das Sinn macht.“ Er war offensichtlich, dass sie nur die Anspannung überbrücken wollte, sie sprach allerdings leise genug, damit es nicht ablenkte und man weiterhin auf verdächtige Geräusche achten konnte.

„Na ja, sie hatten ja gesagt, dass sie als schönste Dämonin Gehennas gilt.“, warf Shima ein. „Und übertrieben war das nicht. Man kann Satan echt keine Vorwürfe machen, sie ist-“

 

„Nein, wage es ja nicht ihr jetzt noch Komplimente zu machen.“, zischte Bon, woraufhin der andere Adept mit den Schultern zuckte.

 

„Ich sage nicht, dass ihr Aussehen ihre Taten entschuldigt! Und Satan hat selbst zugegeben, dass er auf sie stand!“

 

„Mir ist egal, wie sie aussieht oder warum sie was tut. Ich kann ihr nicht verzeihen, was sie Rin und allen anderen angetan hat!“, meldete sich Shiemi zu Wort, bevor sie sich besorgt aussehend an Yukio wandte. „Ist wirklich alles in Ordnung? Wir sind so schnell gekommen wie wir konnten, aber es war schwer durch das Feuer zu kommen!“

 

„Macht euch keine Sorgen, mir geht es gut.“ Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er sich noch immer nicht bedankt hatte. „Danke. Ohne euch wäre ich wahrscheinlich tot.“ Es war ungewohnt das zu sagen, nicht weil er der Meinung war, besser als alle andere zu sein und niemanden Dank zu schulden, sondern weil er im Kampf gegen Dämonen sonst so gut wie immer allein zurecht kam. Ganz offenbar eine weitere Sache in der sich gern überschätzte.

 

„Natürlich, wir sind doch Freunde!“, antwortete Shiemi, welche die Anspannung für einen Moment vergaß und ihn fröhlich anlächelte. „Ich wünschte nur, unser Plan hätte funktioniert.“

 

„Hat es ja.“, mischte sich unerwartet Shura ein, welche plötzlich neben ihnen lief. Yukio hatte sie bis jetzt nicht bemerkt, war sie schon die ganze Zeit hier? „Brillenschlange hier lebt noch, wir leben und sie wurde etwas gedemütigt. Gut genug für mich.~

Da hatte sie wohl nicht unrecht. Niemand protestierte und sie setzten ihren Weg stumm fort. Was immer sie erwartete, sie waren bereit.

 

Hoffentlich.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Anmerkung vom 20.08.2019: Ich werde stückchenweise damit beginnen die Kapitel nochmal zu überarbeiten, denn es gibt immer noch ein paar Ungereimtheiten und Dinge, die mich stören, aber auch grammatikalische Fehler. Hier wurden nur ein paar Fehler berechtigt und einiges umformuliert. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So das war's, endlich ist es geschafft ^^ Wie immer freue ich mich über jede Review/Kritik :)
Da ich jedoch ab morgen für 3 Wochen nicht in Europa bin, wird es mit Antworten wahrscheinlich dauern. Ein schönes Wochenende euch allen!
Anmerkung vom 27.08.2019: Es wurde nicht wirklich etwas geändert, nur einige Sätze wurden umformuliert und Rechtschreibfehler ausgebessert.
Außerdem hatte ich öfter die Frage bekommen was "Exwire" (候補生(エクスワイア)Ekusuwaia) sind. Im deutschen scheint der Begriff zwar nicht vorzukommen, aber wenn man mit japanischer Synchronisation schaut, hört man sie den Begriff öfter verwenden. Ich meine mich sogar zu erinnern, dass an einer Stelle die Anmerkung kam, dass Rin beim ersten Mal "Squire" verstanden hat, weswegen er relativ ratlos bei dem Begriff war. Auf jeden Fall ist eine Bezeichnung für Adepten. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Anmerkung vom 05.02.2020: Grammatik- und Tippfehler behoben und einige Sätze umformuliert. Aus dem "Maulwurf im Betonklotz" habe ich "Hobogoblin im Betonklotz" gemacht, da diese Redewendung besser nach Gehenna passt. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Tut mir leid, wenn ihr euch in diesem Kapitel ein paar Antworten erhofft habt. Ich weiß, der Cliffhanger ist mal wieder furchtbar. Ich wollte jedoch Rins und Kuros Wiedervereinignung und seinen inneren Konflikt in den Mittelpunkt stellen und wenn diese Stelle war nun mal passend zum aufhören. Dafüt gibt es im nächsten Kapitel Antworten und Liliths Hintergrundgeschichte :)
Also: Die Realität ist eine Illusion, das Universum ist ein Hologramm, kauf Gold. Und Tschüß! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das von Satan erwähnte Lied ist übrigens Po-Pi-Po von Miku Hatsune. Es geht darin um Gemüsesaft, denn es wurde ihn einer Werbung für Gemüsesaft verwendet. Es kommen also Passagen wie:

Now, drink it! You like it, don't you? Vegetable juice I've decided. I've decided just now. So drink it! My vegetable juice It costs 200 yen

Ich fand es damals zum echt lustig und ziemlich niedlich, also konnte ich nicht widerstehen sowas einzubauen. Natürlich hatte Sammy diesen Klingelton nur um andere zu nerven XD Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ja ich geb's ja zu, die Idee mit dem beißenden Buch ist aus Harry Potter, aber wenn wir schon sprechende haben, dann eben auch beißende :D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ich hatte eine Frage angekündigt, zuerst aber eine kurze Erklärung. Da ich diesmal nicht wirklich voran kam, habe ich die Zeit genutzt, um einen OS zu "Willkommen Gravity Falls" zu schreiben. Als er fertig war, hatte ich noch immer eine Schreibblockade, also habe ich begonnen einige One-Shots zu Blue Exorcist zu schreiben. Meine Idee ist eine OS-Sammlung zu machen, welche sich auf diese Geschichte bezieht. Ein paar würden vor der eigentlichen Geschichte (z.B. Dinge aus der Kindheit der Baal, bereits angesprochene Erlebnisse wie als Lucifer sie in Peru falsch geführt hat usw.) stattfinden, andere währenddessen (das wären beispielsweise Ideen, die ich noch hatte, aber nicht mehr reingepasst haben) und einige danach. Einige werden recht lang sein, andere eher kurz, ein paar sind ernster und andere lustiger.

Nun meine Frage: Soll ich damit warten, bis die Geschichte fertig ist und zum Beispiel an One-Shots arbeiten, wenn ich mal wieder Schreibblockaden habe oder soll ich lieber jetzt schon beginnen sie zu veröffentlichen und immer dann updaten, wenn es gerade passt?

Ich weiß, die Entscheidung muss ich selber treffen, aber ich wollte es einfach mal ansprechen.

Also, die Realität ist eine Illusion, das Universum ist ein Hologramm, kauf Gold. Und Tschüss! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Fun Fact: Der Platzhaltername des Kapitels war "Rin geigt Yukio endlich die Meinung". Bin ich die einzige, die auf so seine Szene auch im Anime/Manga hofft? ^^° Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Zum Thema Azrael: Amaimon erwähnt im Anime, dass er einen Cousin hat, welcher auf Okkultismus und Augen steht. Laut einer Anmerkung meint er damit wohl Azrael. Ich habe keine Ahnung wie er im Kanon einen Cousin haben kann, aber jetzt hatte er mal in meiner Geschichte einen "Auftritt". :D

Schönes Wochenende euch allen. :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
"Las damas primero." (Spanisch) = "Die Damen zuerst." Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
„How about we go play in another room? I think I saw some paper and pens.” (Englisch) = „Wie wäre es, wenn wir in einem anderen Raum spielen gehen. Ich glaube ich habe Stifte und Papier gesehen.”

*Schaut vorsichtig aus dem Kissen-Bunker hervor und hält Rin als lebenden Schutzschild hoch* Ähm...Don't shoot the author? Ja, Cliffhanger vom feinsten und gefühlt 100 weitere Fragen. Sie werden beantwortet werden, habt etwas Geduld. Vielleicht habe ich sogar einiges zu offensichtlich gemacht, wer weiß. Bis zum nächsten Mal! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Übersetzungen:

Ignacio, ¿qué hay de nuevo? - Ignacio, was gibt es neues?

Entiendo. No estoy soprendida. Te llamo luego, ¿vale?...Sí. ¡Hasta luego! - Verstehe. Ich bin nicht überrascht. Ich rufe dich zurück, ok? Ja. Bis später! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ich habe oben gesagt, dass ich noch was zu sagen hätte. Wie erwähnt hatte ich große Probleme und teileweise sogar keine Lust an dem Kapitel zu schreiben und wenn ich keine Lust habe, liest man das raus, also habe ich es sein lassen. Ich möchte nicht, dass das Endergebnis darunter leidet. Dann hatte ich allerdings auch keine Lust OS zu schreiben. Wer selbst schreibt wird es sicher kennen. Man arbeitet ewig an etwas, hat auch Spaß daran, aber möchte eben hin und wieder was anderes machen. So ging es auch mir, ich wollte mal etwas anderes ausprobieren und hatte sogar schon im März eine Idee für eine neue Blue Exorcist Geschichte, welche diesmal jedoch eher im Bereich DarkFic/Drama/Angst, wenn nicht sogar schon etwas in Richtung Horror bewegt. Also habe ich angefangen daran zu arbeiten und es lief richtig gut. Ich hatte neue Ideen, neue Motivation und zwischendurch kamen sogar ein paar Ideen für die eigentliche Geschichte, sodass ich dann auch dort stückchenweise weiterschreiben konnte. Ich fühle mich etwas schuldig, dass ich nebenbei noch an etwas anderem gearbeitet habe, weil ja alle auf das nächste Kapitel warten und ich gesagt habe, dass die Priorität dabei liegt. Aber wie gesagt, ich brauchte einfach mal Abwechslung und es hat wirklich geholfen. Inzwischen habe ich bei der anderen Geschichte das erste Kapitel (ca. 6 Seiten) und auch das zweite Kapitel (16 Seiten, was ich nie erwartet hätte) fertig, wobei ich beide noch überarbeiten muss. Insgesamt wird sie wohl ca. 5 Kapitel haben. Gut möglich, dass sie sogar vor der momentanen Geschichte fertig wird, denn ich werde wohl noch öfter weiter dran arbeiten. Habt bitte Verständnis dafür, ja? Ein unverhofftes Familientreffen wird weiterhin Priorität haben, sie wird nicht abgebrochen werden. Sonst würden mich die Baal und Satan im Schlaf heimsuchen. ^^° Also kurz gesagt: Ein unverhofftes Familientreffen wird normal fortgeführt und Priorität haben, an einer weiteren Geschichte werde ich nebenbei arbeiten. Diese wird eher in die Richtung DarkFic/Angst/Drama/Horror gehen und "Fegefeuer" heißen. Worum es darin geht verrate ich noch nicht, wenn ihr Interesse habt, müsst ihr noch etwas rätseln. ;D

Eine kleine Randnotiz zu Rasputin: Rasputin wurde wirklich oft als heiliger Teufel bzw. als Dämon bezeichnet und im Kinderfilm "Anastasia", wo er der Antagonist ist, hat er sogar einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, um die Romanow Familie zu vernichten. Dass er an seinem Todestag eine Vergiftung und drei Schüsse überlebt haben soll, hört man oft. Ich habe allerdings einen Bericht gefunden, in dem gesagt wurde, dass bei der Autopsie keine Giftspuren in seinem Körper oder Wasser in den Lungen gefunden wurde. Ein Schuss in die Stirn hat ihn wohl getötet, aber das wurde in den Memoiren seines Mörders nicht mal erwähnt. Anscheinend wollte er sich als noch größeren Held darstellen bzw. die Tat rechtfertigen, indem sie Rasputin dämonisiert haben. In dieser Geschichte bin ich allerdings beim Mythos geblieben. :-) So habt ihr gleich alle was gelernt. Falls noch wer in der Schule ist, gibt's vielleicht mal einen Punkt mehr in Geschichte. Bitteschön. ;D

Bis zum nächsten Mal! :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Mit Blutschande ist normalerweise Inzest gemeint, in der NS-Zeit war es die sexuelle Beziehungen zwischen Juden und angeblichen "Ariern". In diesem Fall ist damit die Vermischung von menschlichen und dämonischen Blut gemeint und wird oft als Beleidigung für Nephilim verwendet. Wie erwähnt sind manche Dämonen und vor allem Adlige der Meinung, dass dämonisches Blut nicht durch menschliches "verdreckt" werden sollte. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
"REC" ist ein spanischer Horrorfilm aus dem Jahr 2007, die meisten werden vielleicht eher die Neuverfilmung "Quarantäne" kennen. Allerdings ist in REC einiges anders, unter anderem ist dort die Seuche auf andere Weise entstanden. Dort spielt dämonische Besessenheit eine Rolle.

Jikininki sind japanische, fleischfressende Geister.

Falls sich jemand unter dem Vokalise der Sirenen nichts vorstellen kann: Geht auf YouTube und sucht den Soundtrack "Sirens" von dem Film Sinbad. Das passt ganz gut. ^^

Bis zum nächsten Mal. :3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Falls es jemanden interessiert, der Todesvers, den Christina benutzt, um den Parasiten auszutreiben ist: 2. Buch Moses, Kapitel 10, 16-19. Je nach Übersetzung können kleine Unterschiede auftreten.

Wendigowak (ja die Mehrzahl heißt wirklich so) sind fiktive Wesen der Anishinabe-Kultur, einem Indianervolk in Nordamerika. Ich habe nicht wirklich was am Mythos geändert. In dieser Geschichte gehören Wendigo zu Astaroth, allerdings gelten sie als extrem gefährlich und nicht kontrollierbar. Sie leben in den unerforschten Gebieten, aus den Reichen wurden sie vertrieben, weil sie zu viele Todesopfer gefordert haben. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Und das war's! Ich bin glücklich, dass ich es hinter mir hab. Im nächsten Kapitel versuchen sie noch Rin zu retten und Azazel wird wohl endlich ein paar Erklärungen liefern. Bis zum nächsten Mal, was hoffentlich nicht in einem Monat ist. ^^° Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Omake: Größenunterschiede

„Also…warum zum Henker ist Egyn so klein, wenn du und die meisten deiner Kinder so groß sind?“, fragte Shura aus heiterem Himmel und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Bier. Sie erhielt verwunderte Blicke von Exorzisten und Dämonen gleichermaßen, doch wirklich zu kümmern schien es sie nicht. Satan sah sie ebenfalls ein wenig verwundert an, antwortete jedoch nach kurzem Schulterzucken. „Er kommt nach seiner Mutter, sie war zwei Köpfe kleiner als ich.“ Blinzelnd sah Shura ihn an, ihr Blick wanderte von oben nach unten und dann wieder nach oben, bis sie schließlich vollkommen trocken und ohne das Gesicht zu verziehen eine mehr als unerwartete Erwiderung gab: „Und die konnte danach noch laufen? Oder schlucken?“ Kollektives husten, röcheln und entsetzte „Shura!“- Ausrufe erklangen, während Egyn eine Mischung aus einem Kreischen, Weinen und hysterischem Lachen von sich gab. Der einzige, der verwirrt drein schaute, war Rin, der sich fragend umsah. „Hab ich was verpasst? Warum gucken alle so?“

(Sorry, not sorry. ^^*)



Omake: Wie Lilith besiegt wurde

Mit gezogenen Waffen standen sie Lilith gegenüber, bereit ihrer Herrschaft ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Wie erwartet hatte sie bereits ihr Amulett in der Hand und wartete nur darauf, dass sie angriffen. Satan sah sie zähnebleckend an und stellte ihr ein letztes Ultimatum. „Gib auf und ich mache deinen Tod schnell.“ Die Dämoninherrscherin lachte nur. „Oh bitte, wir wissen doch beide, dass ich die Oberhaupt habe. Ihr habt keine Chance, ich bin die-“ Sie würden nie erfahren was Lilith war, denn genau in diesem Moment wurde der Rothaarigen das Amulett weggerissen und mit einem triumphierenden Aufschrei rannte Galatea davon. bevor irgendjemand reagieren konnte. „Ich habe endlich das Ding, das so schön funkelt. Wuuuuuuhuuuu!“ Damit war die Sirene verschwunden und ließ eine äußerst verdatterte Gruppe Dämonen zurück. „Wow…das war…random…“, murmelte Beelzebub. „Wo kam die überhaupt her?“ Alle zuckten mit den Schulten, dann wandten sie sich wieder an Lilith. „….Okaaaay…tun wir jetzt mal nichts voreiliges…“, sagte diese mit einem „Ich bin am Arsch“- Grinsen und hob beschwichtigend die Hände, während sie langsam zurückwich. „W-Wir können über alles reden, nicht wahr?~ Das war alles nur Spaß, keine Grund nachtragend zu sein, oder?“ Als Antwort erhielt sie nur mehrere Grinser, Astaroth und Iblis knackten bereits mit den Knöcheln. „Oh, klar. Wir sind nicht nachtragend. Gar nicht.“, versicherte Satan grinsend, stand aber Sekunden darauf bereits in Flammen. Aus einer Ecke heraus betrachteten einige der Aveira mit großen Augen das Geschehen. „Sie…wird nicht gerade begeistert sein, wenn sie da raus kommt…“, kommentierte Invidia schluckend. „Du meinst…falls sie da wieder raus kommt.“, warf Avaritia ein und ihr Gesicht weitete sich zu einem Grinsen. „Falls…, "falls" ist gut.“, bestätigte Ira, während sie mit einer gewissen Genugtuung zusahen, wie Lilith um ihr Leben rannte.

(Keks an alle die die Filmreferenz verstanden haben. Falls es keiner tut, fühl ich mich alt. XD)



Omake: Die Gehennapforte

„Also nur mal so aus Interesse.“, begann Shima vorsichtig. „Die Gehennapforte heißt so, weil sie nach Gehenna führt, richtig?“

„Japp.“, bestätigte Iblis gähnend. „Und?“

„Aber wenn Satan eine Pforte nach Assiah öffnet, müsste die dann doch eigentlich Assiahpforte heißen, oder?“ Kurze Stille folgte, dann zuckte Azazel mit den Schultern. „Ging nicht, da ist ein Patent drauf.“

„…..Bitte was?“

(Wahrscheinlich weniger witzig, aber es ist in meinem Kopf herumgespukt, ok?! XD) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (87)
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Von:  Kasumi18
2022-12-22T23:45:42+00:00 23.12.2022 00:45
Da wird mann mal krank und verpasst die neusten sachen und wieder wird bei einer spannend stelle aufgehört 🤣🤣🤣🤣
Antwort von:  Himikko
23.12.2022 02:04
Tut mir leid, cliffhanger sind inzwischen quasi ein muss bei meinen Geschichten XD
Gute Besserung, ich versuche schnell ein neues Kapitel zu bringen ^^
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2021-06-17T04:26:28+00:00 17.06.2021 06:26
Anscheinend jagt eine Katastrophe die nächste. Und Satan mittendrin.

😈😈😈😈
Antwort von:  Himikko
18.06.2021 21:28
Oh ja, und es geht auch noch eine ganze Weile weiter :D
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2021-06-17T01:06:27+00:00 17.06.2021 03:06
Wenn Astaroth schon am hellichten Tag angegriffen wird.  Sollte man Rin eine Leibwächterrin zur Seite stellen. Oder mit seinem Kampf Training beginnen. Und er sollte immer eine Waffe/ Schwert bei sich tragen.

Bei trocken Luft immer Nasenbluten ha ha ha ha das Kann er einen Schneemann in der Wüste erzählen irgendwas stimmt hier ganz gut garnicht.
Azazels Gesundheits Zustand  Attentat auf Astaroth.

Was hat Iblis gegen  Kuro????

Feuer , Säure spuckt, Blut und Hirn aussaugt, parasitär , giftig ist und was aus Versehen im Essen landen könnte. Ich schmeiß mich weg vor lachen. 🤣😂🤣😂

Ich würde sehr gerne Drachen als Haustiere haben.

Aaaa ein bisschen Gehennisch ist doch hängen geblieben.

Amer Rin das Training war hart.

Ämmm jeder Baal hat ein Herrschaft gebiet wie sieht es  mit Rin aus????


😈😈😈😈
Antwort von:  Himikko
18.06.2021 21:28
Iblis mag keine Katzen :D
Rin ist nun wirklich viel zu jung, um eins zu bekommen:D
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2021-06-17T00:10:45+00:00 17.06.2021 02:10
Waaaaaasssss beim allen Schmerzen schreien im Tartaros.  Bei Gehennisch bekomme ich Kopfschmerzen.  Verstehe kein einziges Wort. 🤯🤯🤯🤯🤯🤯🤯🤯🤯🤯🤯🤯😵😵😵😵

Armer Paymon Frau und Kind verlieren ist schrecklich. 😥😥😥😥

dass einer seiner Baal ein Verräter sein könnte????

List, Lügen  ein Hauch Wahrheit, Charisma, Bestechung und Versuchung. Na toll das kann ja lustig werden.

😈😈😈😈
Antwort von:  Himikko
18.06.2021 21:27
Das sollte auch so sein, die Sprache ist immerhin fiktiv :D

Wirst du sehen ^^
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2021-06-16T23:25:26+00:00 17.06.2021 01:25
Das mit Azazel's Mutter ist schrecklich traurig.  Er tut mir richtig leid.  Weiß nicht wie ich auf sowas reagieren würde.  Wahrscheinlich alle Toten. Sorry

Ansonsten ein sehr schönes Kapitel. 😈😈😈😈
Antwort von:  Himikko
18.06.2021 21:26
Ja, das ist wirklich sehr tragisch. Es tut mir auch sehr leid für ihn ^^*

Dankeschön :3
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2021-06-16T22:39:34+00:00 17.06.2021 00:39
Eiso echt super Kapitel. Vor allem die ganzen Infos. Flüsse Gebiet und.s.w.

Ach ja ehe ich es vergesse :
Oke Sie haben alle versprochen Egyn nichts zu sagen ABER Rin nicht. Eiso könnte er es im sagen
Antwort von:  Himikko
17.06.2021 01:17
Danke, Worldbuilding macht mir auch mit am meisten Spaß ^^
Ja das stimmt :D
Von:  spet1234
2021-06-15T14:02:48+00:00 15.06.2021 16:02
Hey.
Ich habe deine Geschichte vor ca einer Woche entdeckt und kurz und knapp diese ist der komplette Hammer . Blue Exorcist hab ich vor Jahren gesehen und geliebt aber deine Geschichte toppt es komplett. Schon nach den ersten Sätzen gefiel mir dein Schreibstil sehr und ich konnte mich gar nicht mehr von der Geschichte los reißen. Das gute daran das ich es erst kürzlich deine Fanfiction gefunden habe und somit einiges zu lesen hatte. Aber nun bin ich auch mit diesem Kapitel fertig. Nun muss ich auch quälend auf neue Kapitel warten. :)
Freue mich aber schon sehr darauf.
Antwort von:  Himikko
15.06.2021 21:17
Hey ebenfalls :)
Dankeschön, das freut mich immer sehr zu hören, auch wenn sich ein Teil von mir wünscht, dass alle die Geschichte erst finden nachdem ich endlich mal die ersten Kapitel überarbeitet habe. Ich finde die inzwischen ein wenig...na ja, verbesserungsbedürftig XD
Aber egal, jedenfalls nochmal danke, es ist wirklich schön, dass sich die Mühe und gelegentliche Frustration auszahlt. Ich hoffe, du bleibst bis zum Ende dabei und hast weiter Spaß dran auch wenn meine Updates momentan eine Ewigkeit dauern :,D

Also dann, bis zum nächsten Mal! ^^
Von:  Yuna_musume_satan
2021-04-26T18:02:32+00:00 26.04.2021 20:02
OMG du lebst noch ich bin so Happy das es weitergeht. Das Kapitel war wieder mal wunderbar und ich bin schon mächtig gespannt wie es weitergehen wird und die omake fand ich auch witzig besonders Größen Unterschied und das Wie Lilith besiegt wurde. Ich hab mich kaput gelacht wie der Groschen gefallen ist mit Pech und Schwefel Hach ich hab mich weggeschmissen vor lachen .

Freue mich schon auf das nächste Kapitel
Antwort von:  Himikko
26.04.2021 21:47
Japp, tu ich, bin selbst überrascht XD
Danke danke, freut mich, dass es dir gefallen hat. :D
Und jaaaaaa, du hast die Referenz verstanden :3 Ich bin glücklich XD

Wir sehen uns beim nächsten Mal :3

Von:  Kasumi18
2021-01-06T17:41:42+00:00 06.01.2021 18:41
Da passt mal nicht auf und da kommst mit neuen kapitel um die ecke 🤣 gott der arme Rin 😭 du kannst in doch nicht so fertig machen aber wenigst kümmern sich sicher seine großen brüder um in bin auf das nächste gespannt

Und bleib gesund 😊
Antwort von:  Himikko
06.01.2021 22:43
Ja, ich lebe noch und komme dann aus der Versenkung, wenn keiner damit rechnet. XD
Japp, Rin kann einem echt leid tun, er hat irgendwie nie Glück. ^^*

Danke du auch ;)
Von:  Yuna_musume_satan
2021-01-03T21:22:23+00:00 03.01.2021 22:22
OMG der Arme ein es reicht nicht das er seinen bruder beim Rummachen mit seiner "Lehrerin" sieht und das alles was er bei der sch.......ampe durchmachen musste. Nein nun wurde er wie er sich allen mut zusammen genommen hat und kp solange herum gestottert hat, bis es shura reichte und sie shiemi einfach die Fakten auf den imaginären Tisch knallte. Jetzt wurde er vor allen seinen Adepten Freunden und allen seinen Brüdern auch noch gekorbt wegen seinem jüngeren Zwilling. Hach ich will ihn einfach nur in meine Arme nehmen und nie wieder los lassen. Ich liebe die Story und kann es bis zum nächsten Kapitel nicht erwarten wie es weitergehen wird
Antwort von:  Himikko
04.01.2021 00:25
Das war in der Tat kein angenehmes Kapitel für Rin. Erst stottert er ewig und dann wird er für den eigenen Bruder gekorbt XD
Aber er wird schon drüber hinweg kommen, seine Brüder trösten ihn schon fleißig ^^
Danke, dann freue ich mich schon aufs nächste Mal ^^


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