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Ein unverhofftes Familientreffen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wow und schon sind wir bei Kapitel 30. Am 24. schreibe ich dann schon genau ein halbes Jahr an dieser Geschichte. Die Zeit verfliegt wirklich. Das Kapitel ist 16 Seiten lang geworden, aber ich wollte es nicht teilen, also gibt es diesmal ein extra langes. :D Seht es als eine Art verfrühtes Weihnachtsgeschenk, weil ich keine Ahnung habe, ob ich bis Weihnachten ein Kapitel schaffe ^_^
Zu erklären gibt es nichts, der arme Rin muss leiden. ^^°

Viel Spaß und einen schönen dritten Advent :3 Komplett anzeigen

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Das Siegel zerbricht

Schlussendlich waren die Baal tatsächlich gezwungen in ihr jeweiliges Gebiet zu reisen, um eine Massenhysterie zu verhindern. Satan war sogar noch mehr beschäftigt als sonst, aber schaffte es irgendwie ein paar Trainingsstunden mit Rin reinzuquetschen. Der Umgang mit seinen Flammen fiel ihm immer einfacher und auch sein Gehennisch wurde besser. Im Nahkampf hatte er ebenfalls einen Durchbruch. Endlich hatte er es geschafft, Ankou zu umwerfen. Es war schwer zu sagen, wer überraschter war, aber als die Geisterdämonin ihn lobte, gefiel ihm dieses Gefühl sehr.
 

Er begann außerdem mehr über Gehenna zu lernen. Es gab in jedem Gebiet große Adelshäuser, die sozusagen als Statthalter fungierten und kleinere Adelshäuser, welche einem der großen die Treue geschworen hatten. Die Häuser ließen sich zusätzlich noch in verschiedene Clans unterteilen. Das waren meist Familien aus der Mittel- oder Unterschicht, die dem jeweiligen Haus dienten. In Lucifers und Samaels Gebiet gab es vier große Adelshäuser, in Azazels, Iblis' und Astaroths drei und in den restlichen zwei. Früher gab es noch mehr, doch nach Liliths Rebellion waren die ihr loyalen großen Häuser und damit auch die zugehörigen kleinen Häuser sowie die Clans vernichtet worden.
 

Die Hexen und Harpyien hatten dafür nur Clans und Stämme.
 

Das System war so gesehen nicht besonders kompliziert. Satan stand an der Spitze, danach kamen seine Söhne, gefolgt von Alastor und den Stellvertretern. Als nächstes kamen die Dämonen, welche zuerst geschaffen worden waren. Viele, wie beispielsweise Abaddon führten eines der großen Häuser. Danach kamen die Adligen und die kleinen Häuser, dann das gemeine Volk, wobei hier noch oft zwischen den "Reinen" und "Unreinen" unterschieden wurde. In anderen Worten: reinblütige Dämonen und Nephilim. Dazwischen lagen noch Dämonenmischlinge, also Dämonen mit Eltern unterschiedlicher Elementzugehörigkeit. Nephilim waren selten geworden, jedoch gaben seine Geschwister etwas zerknirscht zu, dass diese teilweise als unterlegen angesehen wurden. Ganz unten waren die Dämonen niederen Ranges.
 

Desweiteren erfuhr er noch mehr über seine Familie. Beelzebub war Legastheniker, Iblis und Astaroth hatten ADHS und Azazel ein fotografisches Gedächtnis. Lucifer und Egyn hatten eine dämonische Version der Bluterkrankheit. Lucifer war durch den Angriff auf seine Mutter knapp einen Monat zu früh geboren und auch bei Egyns Geburt war einiges schief gegangen. Er war ebenfalls zu früh dran gewesen und dann gab es noch Komplikationen, sodass er mittels Kaiserschnitt auf die Welt gekommen war. Dadurch waren ihre Regenerationsfähigkeiten nicht so gut ausgeprägt wie normalerweise und heilten sich wesentlich langsamer. Natürlich war es dennoch um einiges schneller als beim Menschen.
 

Zudem musste Rin am eigenen Leib erfahren, dass der Insektenkönig äußerst exzentrisch war. Bei seinen Brüdern war er relativ normal, aber in der Gegenwart von anderen Dämonen schien er nicht viel mit diesen anfangen zu können. Er war sehr verschlossen, distanziert und zerstreut. Dafür war er mit wachsender Begeisterung an seinen Insekten zugange. Er züchtete sie selber und verbrachte Stunden mit ihnen. Rin machte einmal den Fehler, nach seinen Züchtungen zu fragen. Alle Anwesenden (die restlichen Dämonenkönige, Amon, Tap und Halphas) hatten heftig den Kopf geschüttelt und eine abschneidende Handbewegung über dem Hals angedeutet, doch da war es schon zu spät. Sie waren einfach aufgestanden, Amon hatte gesagt, dass er sich das selber eingebrockt hätte und schon waren sie verschwunden. Beelzebubs Vortrag dauerte vier Stunden. Er hätte noch weiter gemacht, doch Satan rettete Rin durch eine Trainingsstunde. Also wichtige Regel im Hause Satan: frage Beelzebub nicht nach seinen Insekten, außer du willst die ganze Nacht wach gehalten werden.
 

Allmählich wurden Tage zu Wochen und aus den Wochen Monaten. Inzwischen war der 28. Oktober. Am ersten Juni war Rin nach Gehenna gebracht worden. Er war also schon seit fast fünf Monaten hier. In dieser Zeit erlebte er einiges. Samael und Astaroth hatten Geburtstag, er durfte endlich in ein paar Gebiete mitreisen und sich andere Teile Gehennas ansehen. Er begann sich mit Paymon, Ankou, Vaya, Shax, Amon, Halphas, (mehr oder weniger) Tap, Jahi und einigen Palastbewohnern anzufreunden, fing sich eine in Gehenna typische Kinderkrankheit ein und vieles mehr. Mittlerweile musste er es einsehen: Gehenna war für ihn ein Zuhause geworden. Zu seiner Schande stellte er fest, dass er immer seltener an Yukio und seine Freunde dachte. Er fragte sich sogar beinahe, warum er überhaupt Exorzist werden wollte. Er war so glücklich wie lange nicht.
 

Im Moment saß er in der Trainingshalle und schaute seinen Geschwistern zu. Neben ihm saß ein fluchender Astaroth. Er hatte vorhin mit einem Vieh gekämpft, welches einen seltsamen Schleim abgegeben und ihn damit voll erwischt hatte. Er hatte beim Duschen alles rausbekommen und sich umgezogen, doch leider war sein Schweif weiterhin ein Problem, denn das Fell am Ende war vollkommen verknotet und Rin wusste aus eigener Erfahrung, was für eine Tortur es sein konnte, sowas zu lösen. Egyn versuchte dem Fäulniskönig so gut es ging zu helfen. Allmählich beschlich Rin das Gefühl, einen ungewöhnlichen Schweif abbekommen zu haben. Wie auch bei Iblis, war das dunkelgrau-schwarze Fell von Astaroths Schweif nicht fluffig sondern relativ glatt und fing viel später an. Der Schweif selbst war schwarz.
 

Inzwischen hatte er erfahren, dass nur Familienmitglieder oder sehr nahestehende Personen den Schweif berühren durften. Außerdem musste diese Berührung nicht immer mit Schmerz verbunden sein, sondern konnte angenehm sein. Anscheinend nutze man das gerne bei Kindern, wenn sie sich nicht beruhigen wollten. Auch hatte er gelernt, dass man die Zähne ebenfalls nicht zeigen sollte, denn dies war eine Drohung oder Herausforderung und wenn er das beim falschen Dämonen machte, konnte das arg nach hinten losgehen. Er versuchte nicht darüber nachzudenken, wie oft er seine Zähne allein gegenüber dem Clown gebleckt hatte. Andere Dämonen hätten ihn dafür zusammengeschlagen oder sogar getötet. Unglaublich wie man sogar mit solchen Dingen ins Fettnäpfchen treten konnte. Man hätte ihm das ruhig eher erzählen können! Aber zurück zum Thema.
 

Die beiden stellten sich wesentlich geschickter als Rin an, dennoch fluchte der Fäulniskönig, als Egyn einen weiteren Knoten löste.
 

"Warum musste dieses Vieh Schleim haben?!"
 

"Sei froh, dass es keine Dornen sind, wie damals bei Azazel. Wir haben zwei Stunden gebraucht, um alle aus ihm raus zu bekommen.", seufzte Egyn.
 

"Soll mich das jetzt trösten?!"
 

"Hey, hör auf zu wackeln!"
 

"Dann reg mich nicht auf!"
 

Endlich war der letzte Knoten gelöst und Astaroth begann grummelnd damit sein Fell glatt zu bürsten. Rin verdrehte nur die Augen und sah wieder zu seinen anderen Geschwistern.
 

Iblis drillte einige Armeerekruten, die heute angekommen waren während Samael grinsend zusah. Offensichtlich fand er es mehr als amüsant, wie sehr sich die Dämonen abrackern mussten.
 

Amaimon, Lucifer und Beelzebub waren in einem Trainingskampf vertieft während Azazel Bogenschießen trainierte. Dafür verwendete er jedoch keine einfachen Zielscheiben, sondern eine Art Schattenfiguren, welche sich tatsächlich bewegten und Angriffe ausführten oder zumindest simulierten. Somit war der Geisterkönig gezwungen immer in Bewegung zu bleiben und Angriffen auszuweichen. Eigentlich war Rin davon ausgegangen, dass ihn das nerven würde, denn Bewegung war nun wirklich nicht seins, doch zu seiner Überraschung nahm der Geisterdämon Training sehr ernst. Gut, alle Dämonenkönige nahmen Training ernst. Sie schafften es tatsächlich jeden Tag irgendwo eine Trainingsstunde reinzuquetschen und hassten es dabei Fehler zu machen. Azazel war zumindest perfektionistisch, wenn es ums Bogenschießen ging.  Jedes Mal, wenn er auch nur einen kleinen Fehler machte oder mehr als einen Pfeil für ein Ziel brauchte, wiederholte er die Übung.
 

Egyn und Astaroth fuhren nun ebenfalls mit ihrem Training fort. Egyn kämpfte mit seinem Speer gegen seinen jüngeren Bruder, welcher seine Dolche benutzte. Dieser nutzte übrigens dieselben Schattengestalten wie Azazel, wenn er Messerwerfen übte und er traf ebenfalls so gut wie immer in Schwarze. Egyn war auch sehr begabt im Umgang mit seiner Waffe, doch schaffte es nach Aussage seiner Geschwister immer wieder diese zu schrotten.
 

Nach einer Viertelstunde machten sie Pause. Die von Iblis trainierten Rekruten brachen in dem Moment zusammen als der Feuerkönig sie entließ.
 

"Schätze, du hast es etwas übertrieben.", murmelte Rin.
 

"Ach, die werden's überleben.", antwortete Iblis schulterzuckend. "Bis Samhain haben sie erst mal Ruhe."
 

"Samhain?"
 

"Bei den Sterblichen heißt es Halloween.", erklärte Lucifer. "Weißt du, warum es ursprünglich gefeiert wurde?"
 

Als der Nephilim den Kopf schüttelte, begann Beelzebub zu erklären. "Der Brauch geht auf die Kelten zurück. Sie glaubten, dass an diesem Tag die Welt der Lebenden mit der der Toten zusammentrifft und sich vermischt, sodass die Toten nur an diesem Tag eine Chance hatten, von der Seele eines Lebenden Besitz zu ergreifen. Viele sind sehr scharf auf menschliche Körper, weil sie selbst keinen mehr haben und so weiterleben können. Die Menschen verkleideten sich also und zogen laut durch die Gegend. Sie glaubten, dass die Toten sie nicht erkennen beziehungsweise abgeschreckt werden und nicht von ihnen Besitz ergreifen."
 

"Es klingt im ersten Moment komisch, aber es ist was dran.", sprang Egyn ein. "An Samhain ist die Grenze zwischen Gehenna, Assiah und Devachan ziemlich dünn. Es öffnen sich oft von selbst Gehennapforten und viele Seelen versuchen zu fliehen. Das größte Problem sind aber wir Dämonen. An Samhain ist immer ein Blutmond und das lässt unsere Instinkte durchdrehen. Man wird aggressiver, verliert schneller die Kontrolle und manche laufen dann in Assiah Amok. Bei uns hochrangigen geht es meist noch, aber Dämonen mittleren und niederen Ranges machen gerne mal Ärger."
 

"In anderen Worten: der Großteil von uns darf wieder den ganzen Tag damit verbringen, irgendwelche wild gewordenen Dämonen zurück nach zu Gehenna zu schleifen.", grummelte Iblis. "Wobei es erst in der Nacht richtig los geht."
 

"Betrifft mich dieser Blutmond auch?", fragte der Nephilim etwas nervös.
 

"Ja, aber ich bezweifle, dass es allzu schlimm wird.", antwortete Astaroth schulterzuckend und der Rest nickte zustimmend.
 

Natürlich lagen sie total daneben.
 

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Samhain war da. Rin fühlte sich eigentlich normal, jedoch war da ein seltsames Kribbeln unter seiner Haut und er fühlte sich angespannter als sonst. Seiner Familie und den anderen Palastbewohnern schien es ähnlich zu gehen, versuchten sich jedoch so normal wie möglich zu verhalten. Normalerweise wurde zu Samhain eine Art Festival veranstaltet, jedoch wurde Alkohol nur in begrenzten Mengen verkauft. Man wollte immerhin keine Ausraster provozieren. Dafür wurde am 1. und 2. November ordentlich getrunken, denn dies war das Fest des Todes und ebenfalls ein Feiertag.  
 

Es war bereits Abend und saß er mal wieder in seinem Zimmer während die Dämonenkönige die Siegel in ihrem jeweiligen Gebiet kontrollierten. Bei Lucifer war es Superbia, bei Samael Luxuria, bei Beelzebub Gula, bei Iblis Ira, bei Amaimon Avaritia und Acedia war in Astaroths Reich versiegelt. Immerhin war er nicht alleine, sondern spielte Karten mit Jahi.
 

"Du hast schon wieder gewonnen?", schmollte sie.  "Gemeinheit..."
 

Rin grinste nur. "Noch 'ne Runde?" Dank seinen Geschwistern konnte er zumindest schon etwas Slang.
 

"Nein, das ist langweilig, wenn du immer nur gewinnst.", grummelte sie und wandte sich an den Fernseher der nebenbei lief. "Und davon verstehe ich kein Wort. Holt ihr Japaner auch mal Luft?"
 

"Gehennisch hat dafür einen Haufen Zungenbrecher und so viele harte Laute, dass man kaum das Wort rausbekommt.", hielt Rin dagegen.
 

"Du musst nicht gleich zickig werden."
 

"Zickig?!"
 

"Und jetzt schmollst du. Irgendwie ist das ganz knuffig."
 

Rin antwortete nicht, sondern sah sie einfach nur böse an, was leider mit seinem gerötetem Gesicht nicht allzu beeindruckend wirkte.
 

"Du bist so drollig, wenn du versuchst einschüchternd zu wirken."
 

"Ich geb's auf.", murmelte er kopfschüttelnd. "Also, was willst du stattdessen machen?"
 

Sie überlegte. "Wie wär's, wenn ich dir ein paar meiner Lieblingsstellen im Palast zeige? Ich kenne sogar ein paar Geheimgänge.~"
 

Rin biss sich auf die Lippe. Eigentlich sollte er möglichst in seinem Zimmer bleiben und nicht draußen alleine herumlaufen, aber er war ja nicht allein, sondern mit Jahi unterwegs. Da würde doch sicher nichts dagegen sprechen.
 

Das war der nächste große Irrtum.
 

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Auch wenn seine Geschwister ihm bereits große Teile des Palastes und des Gartens gezeigt hatten, war es doch schön etwas weiter zu erkunden. Jahi zeigte ihm einige ihrer Lieblingsplätze und ihre Lieblingsstellen im riesigen Palastgarten.
 

"Was ist das eigentlich für eine Pflanze?", fragte er sie plötzlich. Sie erinnerte etwas an eine Orchidee, nur wesentlich größer und mit anderen Blättern. Die Blüten sahen aus, als wären sie aus Gold. Jahi folgte seinem Blick.
 

"Oh, das ist ein Goldfunken. Die blühen normalerweise nur in Amaimons Gebiet. Hiisi hat sie damals angepflanzt. Sie hat viel Zeit im Garten verbracht und sich um die Pflanzen gekümmert, Amaimon hat immer geholfen. Als sie dann gestorben ist, gingen viele der Pflanzen ein. Das ist die Letzte und seit all den Jahren kümmert sich Amaimon um sie. Also bloß nicht anfassen, das mag er gar nicht."
 

"Also ist...Amaimon Hobbygärtner?", fragte Rin etwas perplex. Dämonenkönig der Erde hin oder her, er konnte sich den grünhaarigen Dämonen einfach nicht so vorstellen. Mit Gummistiefeln, Handschuhen, einem Strohhut und einer Harke in der Hand, bereit ein paar Petunien (oder was auch immer man in Gehenna so nahm) einzupflanzen. Das Bild war urkomisch und er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
 

Jahi schien ein ähnliches Bild vor Augen zu haben und kicherte. "Um Satans Willen, nein! Er hat zwar das nötige Wissen und die Fähigkeiten, aber so ein Hobby ist nichts für ihn. Ich schätze, er will seine tote Mutter ehren indem er sich um die letzte Pflanze  kümmert."
 

Das war traurig und rührend zugleich.
 

Jahi griff ihn am Arm. "Komm schon, weiter geht's! Eine Sache möchte ich dir noch zeigen."
 

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Iblis war sich nicht mehr sicher, ob er es wirklich tun sollte. Er war zu seinem Palast zurückgekehrt, um sich um einige Angelegenheiten zu kümmern (und seine Drachen zu besuchen, denn diese vermissten ihn immer sehr und warfen ihn vor Freude um, wenn er wiederkam), doch dann erreichte ihn eine Nachricht. Nach mehreren Monaten erfolgloser Suche hatte man zufällig eine der ehemaligen Priesterinnen des Tempels in dem seine Mutter und Halbgeschwister damals Zuflucht gefunden hatten, aufgespürt. Endlich konnten sie den Namen des dritten Kindes erfahren.
 

"Iblis, wenn es dich zu sehr fertig macht, kannst du auch draußen warten.", sagte Egyn besorgt und Astaroth nickte.
 

"Wir machen dir keinen Vorwurf."
 

Der Feuerkönig schüttele vehement den Kopf. "Scheiß drauf, ich will es endlich wissen."
 

Nachdem er tief Luft geholt hatte, klopfte er an die Tür. Kurz darauf öffnete eine Dämonin mit langen schwarz-roten Haaren und schwarzen Augen die Tür.
 

"Lavea? Feuerpriesterin?", erkundigte er sich. Die Frau nickte überrascht.
 

"Majestät, ich-"
 

"Lass den Majestätskram weg. Können wir rein kommen?"
 

"Natürlich." Sie folgten ihr in eine Art Wohnzimmer. Ihre Wohnung war relativ spartanisch eingerichtet.
 

"Also ich komme gleich zum Punkt. Vor vielen Jahren wollte eine Frau namens Aeshma Asyl in einem Tempel. Sie hatte drei Kinder. Zwei von ihnen hießen Stihi und Aym. Wer war das dritte Kind? Wisst Ihr was mit ihr passiert ist?"
 

Lavea sah sie verblüfft an. "Es tut mir leid, ich darf nicht einfach-"
 

"Es ist ein Notfall!", drängelte Egyn. "Sie arbeitet wahrscheinlich für Lilith!"
 

Die Priesterin zögerte, gab jedoch nach. "Nun gut. Ich werde euch den Namen sagen. Ich weiß sogar den Clan ihrer Adoptiveltern und welchem Haus sie dienen."
 

Als sie es ihnen sagte, starrten sie sie mit offenen Mündern an.
 

"Haus Ajax und Clan Ifrit? Sicher?", hakte Astaroth nach.
 

Die Priesterin nickte.
 

"Scheiße.", murmelte Egyn.
 

Alle drei sprangen auf.
 

"Wir müssen sofort zum Palast.", knurrte Iblis und stürmte los. Netterweise vergaß er nicht Lavea noch schnell 'Danke!' zuzurufen. Astaroth und Egyn stürmten hinterher, die Priesterin blieb etwas verwirrt zurück.
 

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Einige Dämonenkönige waren soeben zurückgekehrt und saßen zusammen mit Satan im Esszimmer. Sie waren gerade dabei von den Siegeln zu berichten als die Tür aufflog und Iblis herein gestürmt  kam, dicht gefolgt von Astaroth und Egyn.
 

"Wo ist Rin?!", fragte Iblis schon fast hysterisch.
 

"In seinem Zimmer?", murmelte Amaimon.
 

"Da kommen wir her und da war er nicht!", jammerte Egyn.
 

Satan stand stirnrunzelnd auf. "Was ist denn plötzlich los-?"
 

Astaroth unterbrach ihn. "Wir müssen sofort Rin finden!"
 

"Ich glaube, er wollte Zeit mit Jahi verbringen." überlegte Lucifer.
 

Die drei Dämonenkönige erbleichten.
 

"Was ist das Problem-"
 

"Das Problem ist, dass Jahi die Verräterin ist! Sie ist das verdammte dritte Kind!", fauchte Iblis.
 

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Rin stand zusammen mit der Feuerdämonin in einem Geheimgang. Allmählich machte sich in ihm ein flaues Gefühl in seiner Magengegend breit und er wurde immer nervöser. Lag das am Blutmond?
 

"Woher kennst du diese ganzen Geheimgänge überhaupt?"
 

Sie zuckte mit den Schultern. "Ich habe viel erkundet."
 

"Und niemand hatte etwas dagegen, dass du einfach im Palast rumschnüffelst?"
 

"Scheinbar."
 

Der Nephilim verdrehte die Augen. "Können wir zurück gehen? Dieser Ort bereitet mir Gänsehaut."
 

Sie sah ihn nachdenklich an. "Irgendwie ist es schon schade."
 

"Was ist schade?"
 

"Dass es so kommen musste. Ich mag dich eigentlich, aber Familie kommt zuerst. Und deine hat einiges zu verantworten."
 

Bevor der Nephilim irgendwie reagieren konnte, bekam er einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf und stürzte zu Boden. Er hörte nur noch wie Jahi "Tut mir leid, ist nichts persönliches." sagte, dann wurde alles dunkel.
 

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Rins Kopf dröhnte. Er hörte verzerrte Stimmen und das Scharren von Füßen. Gleichzeitig stellte er fest, dass er auf einem hartem, kaltem Boden lag. Vielleicht Stein? Ganz sicher war er nicht, er war zu benommen. Nun näherten sich Schritte und jemand kniete vor ihm. Er weigerte sich die Augen zu öffnen.
 

'Bitte lass das ein Traum sein.'
 

Die Person vor ihm lachte gehässig. "Ich weiß, dass du wach bist."
 

Als der Halbdämon die Stimme erkannte, handelte er instinktiv und trat zu. Ein lautes Fluchen und Knacken verriet ihm, dass er getroffen hatte. Lachen ertönte. "Komm schon Aulak, damit hättest du wirklich rechnen können."
 

Auch diese Stimme kannte er und stieß ein fast schon animalisches Knurren aus, von dem er nicht gedacht hätte, das er sowas überhaupt rausbekommen würde. "Berith."
 

Der Zeitdämon grinste und verneigte sich spöttelnd. "Stets zu Diensten."
 

Rin wollte aufspringen und ihm den Hintern anzünden, aber es ging nicht. Missmutig und etwas panisch stellte er fest, dass seine Hände festgekettet waren. Seine Flammen wollten nicht hervorkommen, was wohl an den seltsamen Symbolen auf den Ketten lag. Frustriert ließ er den Blick durch den Raum schweifen. Neben Berith und Aulak (welcher sich noch immer schimpfend die Nase rieb) erkannte er einige Ratsmitglieder wie Ose und Andras sowie eine Hand voll anderer Dämonen. Die meisten hatte er noch nie gesehen. Dann entdeckte er Jahi.
 

"Warum?", fauchte er.
 

Sie lächelte bitter. "Ich glaube die Antwort darauf kennst du schon. Wie gesagt, es ist nichts persönliches." Damit bestätigte sich seine Vermutung. Sie war dieses dritte Kind. Außerdem wurde ihm endlich bewusst, wo er überhaupt war. Es war der Raum in dem Lilith verseigelt wurde. Der Stern in der Mitte war voller Risse und Funken stoben hervor. Das war nicht gut.
 

'Ich muss hier raus.'
 

"Das wird nicht passieren."
 

Er zuckte zusammen als er die leider vertraute Stimme hörte. Sie war diesmal nicht in seinem Kopf, sondern echote im ganzen Raum.
 

"Lilith."
 

"Ich hatte dir ja gesagt, das wir uns bald wiedersehen.~", kicherte die ehemalige Königin Gehennas. "Leider musste ich bis Samhain warten, aber die kleine Verzögerung macht nach all den Jahrtausenden auch nichts mehr."
 

"Ich werde dir nicht helfen."
 

Liliths Anhänger begannen zu lachen. Er hatte außerdem das Gefühl, dass die Dämonin hämisch grinsen würde, wenn sie körperlich anwesend wäre.
 

"Ich brauche deine Zustimmung auch gar nicht, nur deinen Körper. Eine einfache Besitzergreifung reicht aus.~"
 

Angst machte sich breit, doch er wischte sie schnell beiseite.
 

"Du bluffst. Dämonen können nicht von anderen Dämonen Besitz ergreifen."
 

Dann traf es ihn. 'Moment. Wie ist die Reglung für Halbdämonen?! Alle sind doch davon ausgegangen, dass Satan mich als Gefäß will!'
 

Lilith kicherte. "Dir ist es sogar selbst klar geworden." Ok, damit war es offiziell. Dämonen konnten Gedanken lesen. Yippie.
 

"Gut, da wir noch Zeit haben bis es soweit ist, werde ich es dir sogar erklären. Keine Sorge, ich werde versuchen es einfach zu halten. Ich habe gehört, du bist der dümmere Zwilling."
 

Rin schnaubte nur, sagte jedoch nichts. Mit etwas Glück würde Lilith in den typischen Bösewichtsmonolog verfallen und seiner Familie genug Zeit geben, um ihn zu finden. Wenn sie überhaupt sein Verschwinden bemerkt hatten. Wie lange war er eigentlich bewusstlos gewesen?
 

"Es stimmt, dass Dämonen nicht von anderen Dämonen Besitz ergreifen können, aber mit Nephilim sieht die Sache schon anders aus. Dämonen niederen oder mittleren Ranges würden es wohl nie schaffen, aber für mich, deinen Vater und deinen Hurensöhne von Brüdern ist es durchaus möglich. In meinem momentanen Zustand bin ich geschwächt, doch Samhain oder besser gesagt der Blutmond lässt unsere Kräfte stärker werden und holt die animalischen Instinkte hervor. In anderen Worten: ich werde stärker und dein Geist schwächer."
 

Dem Jugendlichen wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. "Aber meine Dämonenhälfte müsste auch stärker werden-"
 

"Das wird sie, aber nicht stark genug. Die Versieglung macht es noch einfacher für mich. Vielleicht werde ich Samael dafür sogar einen schnelleren Tod gewähren als dem Rest.~"
 

"Ich lasse dich nicht rein, egal was passiert.", knurrte der Nephilim, auch wenn die Angst immer stärker wurde.
 

"Das spielt keine Rolle, ich brauche deinen Körper nur für ein paar Sekunden. Und wie es der Zufall will, steht der Mond endlich in der richtigen Position. Wehre dich besser nicht, du würdest nur das Unvermeidliche hinauszögern."
 

Rin hatte nicht mal mehr die Zeit zu protestieren, als ihn ein fürchterlicher Schmerz durchfuhr. Sein Schädel fühlte sich an, als würde er jeden Moment zerbersten, weder Luft zu holen noch sich zu bewegen erschien unmöglich. Gleichzeitig schienen heiße Nadeln und Krallen seinen Körper zu durchbohren. Das beängstigendste war allerdings, dass er irgendwie spüren konnte, dass etwas lebendiges versuchte in ihn zu gelangen. Es war ein furchtbares Gefühl, als würde sich langsam in Parasit hineinfressen.
 

Am Rande bemerkte er, wie jemand die Ketten löste und anmerkte, dass Rin länger durchhielt als gedacht, aber der Nephilim dachte nicht mal daran anzugreifen, zu intensiv waren die Schmerzen. Er wehrte sich nicht einmal, als er gegriffen und näher zum Siegel geschliffen wurde, wo man ihn einfach fallen ließ. Dennoch kämpfte er weiter gegen Lilith. Er würde sie nicht rein lassen! Leider reichte es nicht aus. Sein Körper wurde taub, sein Verstand war benebelt und ein Teil von ihm fragte sich, was er überhaupt hier tat. Langsam begannen seine Flammen aufzulodern, dann brach die Dämonin durch und er sah nur noch blau.
 

Ein lautes Knacken war zu vernehmen, gefolgt von einem lauten Knall und einer Druckwelle, welche den Nephilim gegen die Wand schleuderte. Für einen kurzen Moment herrschte Stille und aufgewirbelter Staub nahm die Sicht. Dann hörte er das Lachen einer Frau.
 

'Nein...'
 

"Ich bin wieder da!~" Noch immer lachte sie und eine Gänsehaut breitete sich auf ihm aus. Das war ein Traum. Ein Albtraum. Es musste einfach so sein. Leider war es Realität. Der Staub lichtete sich und gab endlich sie Sicht auf die erste Dämonin Gehennas frei.
 

Iblis hatte nicht übertrieben. Sie war schöner als jede Frau, die der Halbdämon jemals gesehen hatte. Ihr Körper hätte so einige Models neidisch gemacht, ihre Haut war blass und makellos. Goldene Augen funkelten gefährlich und passten hervorragend zu ihren lockigen, roten Haaren, welche bis über das Becken reichten. Das Kleid der Dämonen war ebenfalls rot, doch biss sich nicht mit der Haarfarbe. Der Rücken und die Taillen waren frei und der Ausschnitt sehr tief. Zu guter Letzt hatte sie goldene Armreifen, einer war wie bei Indra in der Form einer Schlange. Auch ihr goldener Gürtel war eine Schlange. Am Rande nahm er ein Zeichen an ihrem Oberarm war. Ein Sichelmond und ein Kreuz? Nicht, dass es eine Rolle spielen würde.
 

Entsetzt starrte er die Dämonengöttin an, sie grinste nur hämisch während sie langsam auf ihn zukam, offensichtlich genoss sie die Situation. Ihre Anhänger waren niedergekniet, doch sie schenkte ihnen keinerlei Aufmerksamkeit, sondern konzentrierte sich nur auf dem am Boden kauernden Jungen vor ihr.
 

"Endlich begegnen wir uns. Vielen Dank für deine Hilfe. Ohne dich hätte ich es nie geschafft.~" Grausamer Spott lag in ihrer Stimme. Rin versuchte aufzustehen, doch Lilith lachte nur leise. "Oh nein, du bleibst am Boden, wo du hingehörst."
 

Sie vollführte eine einfache Handbewegung und der Nephilim knallte erneut gegen eine Wand. Er sah Sterne und kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit an. Plötzlich kniete die Dämonin neben ihm, griff nach seinem Kinn und zwang ihn ihr in die Augen zu sehen.
 

"Meine Güte, du siehst ja wirklich aus wie dein Vater. Du hast seine Augen...na egal. Was mache ich jetzt mit dir?" Ihr Tonfall war verspielt, doch Rin fühlte sich wie eine Maus, die zwischen den Pfoten einer Katze saß. Noch waren die Krallen eingezogen und er wurde hin und her geschoben, aber er wusste, dass sich das bei der nächsten Stimmungsschwankung ändern konnte.
 

"Ich könnte dich wohl einfach töten, aber inzwischen haben wir ja festgestellt, dass das keine Option ist. Es ist viel zu unterhaltsam dich am Leben zu lassen und vielleicht bist du mir sogar nochmal nützlich." Sie legte den Kopf schief und ihre dunkelroten Fingernägel gruben sich tiefer in sein Fleisch. "Natürlich gilt das nicht für deinen kleinen Bruder, nicht wahr?"
 

Das riss den Nephilim aus seiner Starre. Er schlug Liliths Hand beiseite und beschwor seine Flammen herauf, doch die Rothaarige lächelte nur. "Ah, ah, ah. Nicht schummeln."
 

Etwas erschien in ihrer Hand. Er erkannte ihr Amulett und stellte fest, dass es rot leuchtete.
 

'Oh, oh.'
 

Hitze entstand in seinem Herzen und breitete sich in seinem Körper aus, dann wurde es zu einer eisigen Kälte. Leere blieb zurück. Erneut versuchte er seine Flammen zu beschwören. Nichts passierte.
 

"Wie es scheint, ist eine kleine Lektion angebracht. Niemand widersetzt sich mir.", sprach Lilith ihn an. Sämtliche Verspieltheit war jetzt verschwunden. Ihr Ton war kalt und ihre Augen verengt. Sie waren auch nicht länger golden, sondern rot. Die Dämonin musterte ihn prüfend. "Persönlich finde ich, dass Schmerz immer der beste Lehrer ist. Probieren wir es einfach mal aus."
 

Sie schnippte mit dem Finger und Rin schrie. Er fühlte sich an, als würden sich tausend glühende Messer in seinen Körper bohren. Alles schien zu brennen, er nahm nichts mehr wahr außer der Schmerzen. So plötzlich wie es begonnen hatte, hörte es auf. Zitternd lag er am Boden. Einige der anwesenden Dämonen lachten hämisch. Er spürte wie Lilith einen Fuß auf seinem Rücken platzierte. "Das war nur ein kleiner Vorgeschmack, ich kann dir wesentlich schlimmere Dinge antun. Vielleicht fühlst du dich dank der Flammen stark, aber ohne sie bist du nichts. Nur ein dreckiges Halbblut mit einer Hure als Mutter und mehr Glück als Verstand. Wertlos, ungewollt und verachtet. Ich habe dir meine Hilfe angeboten, aber du hast dich geweigert. Das war nicht klug von dir."
 

"Du kannst mich-", begann Rin, doch bevor er seinen Satz beenden konnte, hatte Lilith bereits ihre Hand in seinen Haaren und zog seinen Kopf nach hinten. Gleichzeitig legte sie einen Arm um seinen Hals und drückte ihm die Luft ab.
 

"Bekomme es endlich in deinen dicken Schädel.", flüsterte sie ihm ins Ohr. "Du bist meiner Gnade ausgeliefert. Du lebst nur noch, weil ich es so will. Weder Satan noch sonst wem hast du es zu verdanken, sondern mir." Sie begann mit ihm mit ihrer freien Hand über die Wange zu streicheln, doch es war nicht beruhigend. Es zeigte nur, dass es für sie ein Spiel war. "Und nun da du mich in deinen Geist gelassen hast, gehörst du mir."
 

"Nein.", krächzte Rin hervor. Er hasste sich dafür, dass er zitterte, aber er konnte nichts dagegen tun.
 

Sie lachte leise. "Du hast nachgegeben und mich rein gelassen, weil du die Schmerzen nicht mehr ertragen konntest. Dafür wird dir niemand vergeben. Man wird dich hassen, dich als Verräter hinrichten. Du kannst weder nach Assiah gehen, noch in Gehenna bleiben. Ich biete dir einen Ausweg. Hilf mir freiwillig und ich werde deiner erbärmlichen Existenz zumindest einen kleinen Sinn geben."
 

Ihre Worte trafen den Halbdämonen mehr als er zugeben wollte, doch er biss die Zähne zusammen und schnaubte verächtlich. "Du kannst einfach nicht die Klappte halten, wie? Es ist mir egal, was du sagst. Ich falle nicht drauf rein."
 

Erneut lachte sie. "Ich sage nur die Wahrheit." Damit ließ sie ihn fallen. Sie richtete nun das Wort an ihre Anhänger doch Rin hörte kaum zu, sondern überlegte fieberhaft, wie er aus dieser Situation rauskommen sollte. Er hatte keine Ahnung wie lange seine Kräfte blockiert sein würden, er war von einem Haufen Dämonen umgeben, die ihn töten könnten, wenn er auch nur schief schaute und seine Geschwister sowie Satan hatten wahrscheinlich keine Ahnung wo er steckte. So sehr es hasste es einzugestehen, er war mehr als nur verängstigt. Er fühlte sich genauso hilflos wie in der Nacht von Shiros Tod, genauso ausgeliefert. Der einzige Trost war, dass diesmal wenigstens keiner für ihn sterben könnte. Obwohl sein Körper schmerzte, versuchte er sich aufzustützen, doch nicht mal das wollte gelingen. Etwas warmes, klebriges lief sein Gesicht hinunter und er wusste sofort was es war. Allmählich näherte er sich dem Punkt, denn man wohl als blanke Panik bezeichnen konnte.
 

Die Realität und Liliths Worte sickerten endlich in seinen Verstand. Er hatte die größte Feindin Gehennas und Assiahs befreit. So viele waren im Kampf gegen sie gestorben und nun waren ihre Tode vergebens. Es würde sogar noch mehr Tote geben, denn ein Krieg erschien inzwischen unausweichlich. Wie sollte er das erklären? Wie sollte er beweisen, dass es gegen seinen Willen geschehen war? Ganz Gehenna würde ihn hassen. Seine Familie würde ihn hassen.
 

Nein. Er hatte jetzt endlich eine Familie, das würde er sich nicht von dieser rothaarigen Hexe wegnehmen lassen. Dummerweise konnte er ohne seine Flammen oder überhaupt eine Waffe nicht viel ausrichten. Er war so in Gedanken versunken, dass er sich gehörig erschreckte als die Dämonin wieder vor ihm stand.
 

"Also wo waren wir? Ach ja." Wieder flog er gegen die Wand. Was war bitte ihr Problem?!
 

"Seht ihn euch nur mal an.", kicherte Lilith, ihre Augen waren mittlerweile wieder normal. "Der allmächtige Kronprinz von Gehenna. Vollkommen hilflos und allein. Oh, das wird Spaß machen. Wie fühlt es sich an, wenn man für den Untergang des eigenen Reiches und der eigenen Familie verantwortlich ist, hm?"
 

Rin antwortete nicht. Er würde nicht mitspielen. Die anwesenden Dämonen lachten nur mitleidlos.
 

"Es ist ziemlich unhöflich einfach nicht zu antworten. Ich habe dir eine Frage gestellt.", fuhr Lilith in einem gefährlichen Tonfall fort. Als der Nephilim noch immer schwieg, schnippte sie erneut mit den Fingern und die schon bekannten Schmerzen durchfuhren ihn. Er versuchte nicht zu schreien, aber er konnte nicht anders. Als es endlich vorbei war, schnappte er nach Luft und hustete.
 

Er hörte wie sie seufzte. "Das wird allmählich langweilig. Es macht keinen Spaß dich zu quälen, wenn Satan es nicht sieht."
 

"Dann haben wir wohl beide einen schlechten Tag.", knurrte Rin, doch sie ignorierte den Einwurf.
 

"Wie wäre es mit einem Vertrag?", fuhr die Dämonin unbeirrt fort. "Du hilfst mir und dafür verschone ich deine kleinen Freunde. Falls sie überhaupt noch deine Freunde sind."
 

Im Kopf des Halbdämonen ratterte es. Dann fiel ihm ein, warum ihm das Konzept so bekannt vorkam. Iblis hatte es in der Bar erwähnt und Lucifer näher erklärt. Aus derartigen Verträgen gab es kein Zurück mehr und Lilith würde ihn definitiv über den Tisch ziehen.
 

"Vergiss es! Ich lasse mich nicht nochmal reinlegen!"
 

Er bekam eine Ohrfeige als Antwort. "Du impertinentes Balg! Deine Arroganz wird dein Ende sein."
 

"Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel gesehen?"
 

"Ich bin arrogant? Ha! Ich erkenne im Gegensatz zu manch anderem ein instabiles System. Die Menschen sind uns vollkommen unterlegen, wir stehen über ihnen, doch wir haben uns einfach aus Assiah vertrieben. Und wie hat man reagiert? Es wurde klein beigegeben! Die Sterblichen sind nur Insekten, wir sollten über sie herrschen und uns nicht von ihnen unterdrücken lassen! Es wird Zeit, dass jemand Gerechtigkeit bringt und wenn Satan das nicht tut, dann eben ich. Irgendjemand muss die Ordnung wieder herstellen."
 

"Gerechtigkeit ist dir doch egal!"
 

Erneut packte sie ihn an den Haaren. "Vielleicht sollte ich dir die vorlaute Zunge rausschneiden.", sagte sie im Plauderton. "Ich habe wirklich genug von deiner Stimme!"
 

"Witzig, das wollten wir auch grad sagen.", meldete sich eine neue Stimme und Rin erlaubte sich einen Funken Hoffnung. Lilith warf den Halbdämonen zu Boden und wirbelte herum, ebenso wie ihre Anhänger. Mit knapper Not entkam sie einer Flammensäule.
 

"Na, zielen sollten wir noch mal üben, oder Iblis?"
 

"Ach, halt die Klappe Sammy."
 

Tatsächlich. Am Eingang zum Tempel standen die acht Dämonenkönige. Rin hätte vor Erleichterung fast losgeheult.
 

"Tut uns leid, die Party zu unterbrechen, aber ihr habt hier was, was uns gehört.", knurrte Astaroth.
 

Bevor jemand einen Muskel rühren konnten, schossen blaue Flammen hervor und verbrannten mehrere von Liliths Anhängern. Nun trat auch Satan aus den Schatten. Sein Gesichtsausdruck war frei von jeglicher Emotion, aber man konnte die Wut spüren. Die Raumtemperatur schien um mehrere Grad zu sinken. Der Dämonengott sah Rin kurz an bevor er sich an Lilith wandte. Falls sie überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie redete mit ihnen als wäre es ein Plausch in der Schulmittagspause.
 

"Ich hatte mich schon gefragt, wann ihr uns mit eurer Anwesenheit beehren würdet. Früher oder später würden die Barrieren und Wachen nicht mehr ausreichen. Ich muss jedoch sagen, dass ihr euch alle ganz schön verändert habt. Sogar du Satan. Deine Haare sind kürzer, nicht wahr?~"
 

"Halt deine verdammte Klappe.", zischte Satan leise. Seine Augen schienen zu glühen. "Wie kannst du es wagen, dich an meinem Sohn zu vergreifen?"
 

Lilith machte einen Schmollmund. "Wir waren so lange zusammen, dann so lange getrennt und nun redest du so mit mir? Das tut wirklich weh."
 

"Oh, glaube mir, die Schmerzen kommen noch!", fauchte der Dämonengott und seine Flammen loderten auf. "Niemand vergreift sich an meinen Kindern!"
 

"Sagt derjenige, der seinem eigenen Sohn unbedingt ein Trauma verpassen musste.", antwortete Lilith trocken. "Abgesehen davon konnte ich zu so seinem Geschenk nicht nein sagen. Du hast nicht nur ein Kind bekommen, welches deine Flammen hat, sondern auch noch halb menschlich ist, sodass ich ihn ganz einfach dazu bringen kann zu tun, was ich will. So gesehen, warst du es, der meine Flucht möglich gemacht hat.~"
 

Satan schnaubte, während Iblis sich an Jahi wandte. "Warum?", fragte er bitter.
 

Sie lachte freudlos auf. "Warum? Ihr habt mein Leben ruiniert. Wir sind rausgeflogen und dann habe ich meine Mutter und Geschwister an euch verloren!"
 

"Selbst wenn das stimmen würde, ist das keine Entschuldigung für Blutjagden."
 

Jahi schwieg und funkelte ihn nur wütend an.
 

"Und was hast du eine Ausrede für deinen Verrat, Berith? Ich bin gespannt.", mischte sich nun Samael  ein. Zwar zeigte er sein typisches Grinsen, aber dennoch wusste der Nephilim, dass er genauso wütend war wie der Rest.
 

Der Zeitdämon grinste. "Meine Familie stand schon auf Liliths Seite und bezahlten dafür mit ihrem Leben so wie dem Untergang unseres Hauses. Ich denke, es ist nur fair, wenn ich den Gefallen erwidere."
 

"Und dieses Haus wäre?"
 

"Verrier."
 

Der Name sagte Rin etwas. Es war eines der großen Häuser in Samaels Reich gewesen. Heutzutage existierten nur noch die großen Häuser Cain, Milea, Abaddon und Carnivean.
 

"Dann vermute ich, dass der Tod deiner ehemaligen Diebesbande kein Unfall war?"
 

Berith schnaubte verächtlich. "Ich habe ihnen meine wahre Identität offenbart, um mir ihre Hilfe zu sichern. Ihre Antwort war, dass sie zwar Diebe, aber keine Verräter sind. Satan war für sie der bessere Herrscher, also ließ ich sie töten."
 

"Und das nachdem sie sich dich aufgenommen haben. Also wirklich. Jedoch muss ich zugeben, dass ich nicht mit so vielen Ratsmitgliedern gerechnet habe."
 

"Genug jetzt mit diesem Scheiß.", fauchte einer von Liliths Anhängern. "Beenden wir es!"
 

"Ich habe eine bessere Idee.", warf sich die rothaarige Dämonin ein. Plötzlich stand sie wieder hinter Rin, hatte eine Hand in seine Haare gekrallt und riss seinen Kopf brutal zurück. Warum immer die Haare und Wände? "Würde es dich stören, wenn ich ihm das Genick breche?~" Sprach sie Satan mit dieser nervigen Sing-Sang-Stimme an.
 

Dieser bleckte die Zähne zur Antwort. Die Dämonenkönige gingen in Angriffsstellung.
 

"Wenn du ihm auch nur einen Kratzer verpasst, wirst du dir wünschen nie geboren worden zu sein." Seine Stimme hatte eine Kälte angenommen, die Rin schon eher an diesen durchgeknallten Dämonen aus jener Nacht erinnert. Einige von Liliths Untergebenen schienen sich ebenfalls nicht wirklich wohl in ihrer Haut wohl zu fühlen und wichen langsam zurück.
 

"Er war es, der mich raus gelassen hat. Er hat dich verraten. Willst du ihn da wirklich noch als Sohn akzeptieren? Bildest du dir tatsächlich ein, dass er Gehenna statt Assiah wählen wird? Er hat mehr Grund die Dämonen zu vernichten als die Menschen. Er ist eine Gefahr für alle und eine Verschwendung dämonischen Blutes. Er macht dich und die königliche Blutlinie schwach. Meinst du nicht, dass es an der Zeit ist, sich seiner zu entledigen?"
 

"Warum hören wir uns das noch an?", grummelte Egyn.
 

"Erledigen wir sie.", stimmte Amaimon zu.
 

Satan starrte sie nur emotionslos an.
 

"Siehst du das?", flüsterte Lilith Rin ins Ohr. "Er versucht nicht einmal dich zu verteidigen, weil er weiß, dass ich Recht habe. Er weiß, dass er ohne dich besser dran wäre. Deine Geschwister denken das ebenfalls. Sie sind neidisch, weil du die Flammen geerbt hast. Momentan mögen sie noch nett zu dir zu sein, aber in ein paar Jahren wird das anders aussehen. Du wirst nie zu ihnen gehören."
 

Inzwischen war Rin sich sicher, dass sie ihn irgendwie mit ihren Kräften manipulierte, denn jedes Wort war wie ein Schlag ins Gesicht. Er wollte, dass es endlich vorbei war. Er wollte nicht mehr von Selbstzweifeln zerfressen oder wegen seines Halbblutstatus schief angesehen werden. Er hatte es satt, dass jeder Erwartungen an ihn stellte und es scheinbar keinen interessierte, was er wollte. Gut, er fühlte sich in Gehenna inzwischen zuhause, aber es war schlussendlich nicht seine Entscheidung hier zu sein und wahrscheinlich würde man ihn nie nach Assiah zurückkehren lassen auch wenn der Vatikan nicht hinter ihm her wäre.
 

Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, ließ ein lauter Knall gefolgt von einer Erschütterung Lilith und ihre Leute erschrocken zusammenfahren. Das nutzte die königliche Familie aus, um anzugreifen. Lilith ließ den Halbdämonen los. Schreie waren zu hören und Fluchen. Rin lag hustend am Boden als Samael ihn hochzerrte und aus der Gefahrenzone stieß bevor auch er mitkämpfte.
 

Ihre Gegner schienen allerdings nicht allzu scharf auf einen Kampf zu sein, sondern verschwanden einfach. Offensichtlich waren Phasensprünge plötzlich möglich. Die Dämonenkönige und Satan bauten sich vor Lilith auf. Diese verdrehte nur die Augen.
 

"Schön, wir beenden das ein anderes Mal. Ich habe eine Armee aufzubauen, ein paar Siegel zu zerbrechen, die Unterwerfung zweier Welten zu planen...na ihr kennt es ja. Man sieht sich!~" Sie verschwand in einem roten Leuchten.
 

"Wie ich es hasse, wenn sie das tut.", murmelte Beelzebub.
 

Satan antwortete nicht sondern lief zu Rin, welcher dabei war das Bewusstsein zu verlieren, kniete neben ihm und begann ihn leicht zu rütteln. "Rin!"
 

Der Nephilim antwortete nicht, sondern zitterte und starrte vor sich hin. Jetzt würde die Standpauke kommen. Man würde ihn anschreien, bestrafen und vielleicht sogar hinrichten. Was dann kam, hatte er nicht erwartet. Satan zog ihn näher zu sich und...umarmte ihn?
 

"Was tust du-?"
 

"Sh, es ist in Ordnung. Ich weiß, dass du nichts dafür kannst. Niemand macht dir deinen Vorwurf. Wir sind froh, dass es dir gut geht." Er strich dem Nephilim sanft durchs Haar. Die Geste erinnerte ihn an den Alten, wenn er ihn umarmt und getröstet hatte. Er spürte, wie Tränen in seinen Augen brannten. Verdammt, er vermisste den alten Knacker so sehr.
 

"Papa, ich...", flüstere er, nicht sicher mit wem er überhaupt sprach, aber das war ihm egal. Er bemerkte nicht mal, dass er den Dämonengott soeben zum ersten Mal laut als seinen Vater bezeichnet hatte.
 

"Schon gut. Lass es einfach raus."
 

Damit brach der Damm. Rin begann erst zu schluchzen, dann flossen die Tränen und er ließ alles raus. Die Frustration, die ständige Wut wegen seiner unfaire Behandlung, die Angst vor der Exekution, Shiro und seine Freunde zu enttäuschen, niemals dazuzugehören, immer ungeliebt und ungewollt zu sein, seine Zerrissenheit, die ständigen Erwartungen und zu guter Letzt der Schmerz anders zu sein. Er war in diesem Moment wieder ein kleines Kind, welches sich einfach mal wieder richtig ausheulen musste. Er spürte wie Satan ihn noch fester an sich drückte und ihm weiterhin über den Kopf strich während er ihm tröstende Worte zu wisperte. Rins Flammen waren ebenfalls draußen und wüteten wie ein aus dem Käfig gelassenes, wildes Tier. Normalerweise wäre es ihm peinlich vor so vielen Leuten zu weinen, aber er musste eingestehen, dass es half. Es fühlte sich an, als wäre endlich ein schmerzhafter Knoten geplatzt, der ihm seit Jahren die Luft abschnürte. Bisher hatte er nie mit irgendjemanden über seine Probleme und Ängste gesprochen, sondern alles in sich hineingefressen und weiter gelächelt. Nun war er froh, es endlich in gewisser Weise raus gelassen zu haben und genoss er die Präsenz seines Vaters. Die Dämonenkönige blieben still, sogar Samael, wofür er sehr dankbar war.
 

Am Rande hörte er Schritte, die sich schnell nährten und verschiedene Stimmen, doch er hatte nicht mehr die Kraft sich dafür zu interessieren. Inzwischen war er halbwegs runter gekommen und klammerte sich an Satan als würde er fürchten, dass er sich sonst auflösen würde. Der Dämonengott hatte nun ebenfalls seine Flammen auflodern lassen, welche ihm ein wohliges Gefühl gaben und Sicherheit verliehen. Schlussendlich schloss er einfach die Augen und ließ sich in die Bewusstlosigkeit fallen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yuna_musume_satan
2018-12-16T15:18:39+00:00 16.12.2018 16:18
Der arme ein soviel muss er durch machen da kommt man irgendwann an seine Grenzen
Antwort von:  Himikko
16.12.2018 19:44
Ja, das muss er und da ist auch vollkommen in Ordnung, wenn er mal an Grenzen stößt. Aber wie heißt es so schön: was dich nicht umbringt, macht dich stärker :)


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