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Ein unverhofftes Familientreffen

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
So endlich habe ich ein Problem hinter mir, welches jetzt schon seit mindestens zwei Monaten besteht. Ich liebe Ämter XD Auf jeden Fall gibt es zur Feier des Tages ein neues Kapitel ;)

Kleine Vorwarnung: es wird an einer Stelle etwas grafischer und einer der Dämonenkönige durchlebt ein Kindheitstrauma, aber ich denke es nicht zu extrem geworden, darum werde ich kein 'Adult' setzen.

Ohne weitere Umschweife geht es los :) Komplett anzeigen

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Von Handys und Albträumen

'Bin das nur ich oder wird der Palast immer größer?', fragte Rin sich verwundert während er mit Lucifer und Azazel (die Anderen hatten sich bereits verabschiedet) durch die Gänge lief. 'Und dann auch noch so viele Räume...sind die überhaupt alle in Benutzung? Andererseits müssen die Bediensteten wohl auch irgendwo leben.'
 

Wie immer herrschte reges Treiben, aber diesmal achtete er nicht wirklich darauf. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich zu fragen, was Satan von ihm wollte. Vielleicht eine Standpauke halten? Vom Alten hätte er sich jedenfalls etwas anhören können. Und von Yukio. Falls er je davon erfahren würde...oder Rin ihn jemals wieder sah. Er bezweifelte, dass man ihm erlauben würde nach Assiah zu gehen, immerhin wollte der Vatikan seinen Kopf. Allerdings waren auch seine Brüder oft dort unterwegs ohne aufzufallen. Vielleicht konnte er sie doch irgendwie überreden? Er wurde aus den Gedanken gerissen als Lucifer und Azazel plötzlich stehen bleiben. Vor ihnen standen zwei Dämonen, einen erkannte Rin als Berith, der Andere war eine Frau, welche mit dem Rücken zu ihnen stand.
 

Berith sah auf. "Interessant. Ich hatte gedacht, dass Lord Satans Geduldsfaden endlich gerissen ist und man euch für die nächsten Jahrhunderte nicht mehr sehen wird."
 

Netterweise übersetzte Azazel für Rin.
 

Lucifer zwang sich zu einem Lächeln und wechselte ins Japanische. Scheinbar war Rin nicht der einzige mit einer Abneigung für diesen Kerl. "Da lagt ihr wohl falsch, Lord Berith."
 

Auch der Zeitdämon wechselte die Sprache. "In der Tat." Sein Blick fiel auf Rin, welcher sich absolut nicht wohl fühlte. Lucifer schien dies zu bemerken.
 

"Wenn ihr nichts weiter mit uns zu besprechen habt, müssen wir weiter."
 

"Natürlich. Lasst euch von mir nicht aufhalten." Er verneigte sich vor ihnen und dann vor der Frau. "Lady Indra, wir reden später weiter."
 

Moment, den Namen 'Indra' hatte er doch irgendwo schon mal gehört!
 

"Ich bin überrascht dich hier zu sehen.", sprach der Lichtkönig die Frau an. Offensichtlich kannten sie sich gut.
 

Sie drehte sich um und Rin versuchte sich fieberhaft zu erinnern, ob er sie bereits gesehen hatte. Irgendwie kam sie ihm bekannt vor, besonders dieses Grinsen. Indra war ungefähr so groß wie Bon und trug ein langes, trägerloses, violettes Kleid. Ihre Augen waren grün, ihre dunkelvioletten Haare waren zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, einige Strähnen waren geflochten. Um den Hals trug sie eine lange, silberne Kette, jedoch war der Anhänger in ihrem Kleid versteckt. Außerdem hatte sie rechts einen silbernen Oberarmreifen in der Form einer Schlange.
 

"Also hat euch Satan noch nichts erzählt?" Moment, sie duzte auch Satan?!
 

Sie lächelte. "Ich bleibe für einige Tage im Palast, zumindest solange bis ich weiß, wer diese Attentäter schickt. Sie sind mehr als kontraproduktiv. "
 

Azazel verschränkte die Arme. "Na, Samael wird begeistert sein. Also stimmen die Gerüchte. Scheinbar bist du schwer zu töten."
 

Was hatte der Clown damit zu tun? Außerdem hätte Rin schwören können, dass ein Schatten über ihr Gesicht huschte, doch er war so schnell weg, dass er es als Einbildung abtat.
 

"Was soll ich sagen? Ich habe einen ausgeprägten Überlebenswillen. Ich denke, ich könnte es sogar mit Mitgliedern einer Eliteeinheit aufnehmen."
 

Azazel sah sie nur düster an, also richtete sich ihr Blick stattdessen auf Rin. Sie musterte ihn eindringlich. "Lass mich raten, du bist der neuste Spross der Familie? Der Nephilim?"
 

Er nickte, unsicher wie er sich verhalten sollte. "Okumura Rin."
 

"Freut mich sehr. Du bist also halb Japaner, wie? Ich heiße Indra, du kannst mich gern duzen." Ihr Blick wanderte wieder zu Azazel. "Verzeih die Bemerkung, aber du siehst...krank aus. Vielleicht solltest du zu einem Heiler gehen."
 

"Danke, ich komme super alleine klar.", knurrte der Geisterkönig. "Kümmere dich lieber um deinen eigenen Sohn. Andererseits könnt ihr eh nur streiten."
 

"Es war nur eine etwas lautere Diskussion."
 

"Man konnte euch bis ins nächste Stockwerk hören."
 

"Musst du immer meckern?"
 

"Du warst es doch die Samael abgeschoben hat!"
 

"Du bist Samales Mutter?!", platzte es aus Rin, welcher sich endlich erinnern konnte, wo er den Namen gehört hatte. Satan hatte sie als eine seiner zwei noch lebenden (gut Aeshma war inzwischen ebenfalls tot, also nur noch eine) Ex-Frauen bezeichnet. Darum kam sie ihm also so bekannt vor.
 

Die Zeitdämonin nickte. "Korrekt. Jedoch wäre ich von meinem Vater rausgeworfen worden, wenn er davon erfahren hätte. Heiraten wollte ich nach meinem letzten Ehemann nicht, also habe ich Samael Satan überlassen nachdem er geboren war und bin meines Weges gegangen."
 

Rin sah sie fassungslos an. "Aber er ist dein Sohn!"
 

Sie zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. "Ich hatte einen Ruf zu wahren. Satan war langweilig, mir ebenfalls und mein Mann war gerade gestorben. Samael war nun wirklich nicht geplant, aber Abtreibungen sind verboten. Alternativ hätte ich ihn aussetzen können, also sei nicht so dramatisch."
 

Der Nephilim starrte sie weiterhin an. Was ging im Kopf dieser Frau vor?! Er hätte alles dafür gegeben eine Mutter zu haben und der Gedanke, dass sie kurz nach seiner (und Yukios) Geburt gestorben war, hatte stets für Schuldgefühle gesorgt. Der Zeitkönig hatte eine Mutter gehabt, aber wurde eiskalt von ihr fallen gelassen. Er war sich nicht sicher, wer die größere Arschkarte gezogen hatte. Wahrscheinlich Samael, Rin und Yukio waren von ihrer Mutter wenigstens geliebt worden.
 

Bevor noch etwas sagen konnte, mischte sich Lucifer ein. "Wir würden gerne weiterreden, aber wir haben es eilig. Vater möchte mit uns sprechen."
 

"Dann will ich euch natürlich nicht weiter aufhalten. Es war schön dich kennen zu lernen, Rin.", sagte sie mit einem raubtierartigen Grinsen. Sie neigte leicht den Kopf in Richtung der Baal und ging. Azazel sah ihr mit verengten Augen nach.
 

"Ich mochte sie noch nie."
 

"Hat sie allen Ernstes Samael abgeschoben?", fragte Rin immer noch ungläubig.
 

Lucifer nickte düster. "Immerhin hat sie sich die Mühe gemacht ihm einen Namen zu geben. Ich denke auch, dass er ihr nicht so egal ist, wie sie tut. Jedenfalls ist Samael nicht gut auf sie zu sprechen."
 

Rin antwortete nicht, sondern ging einfach weiter. Normalerweise würde er den Zeitdämonen am liebsten auf seinen anderen Planeten schießen, doch diesmal hatte er einfach nur Mitleid mit ihm.
 

"Wir sind da.", unterbrach Azazel seine Gedanken. Bevor Rin etwas sagen konnte, klopfte er bereits an der Tür und öffnete sie. Dahinter lag eine Art Arbeitszimmer, allerdings war es sehr luxuriös. Es gab einen großen Kamin, einige Sofas und Tische. Überall an den Wänden zogen sich Bücherregale entlang. An einem Schreibtisch war Satan, ihm gegenüber saß eine Frau. Als er genauer hinsah, erkannte er, dass sie weinte oder zumindest kurz davor stand. Obwohl er nicht verstand, was sie sagte, konnte er hören, wie ihre Stimme zitterte.
 

Lucifer hustete kurz, woraufhin sich die beiden Dämonen überrascht an sie wendeten. Tatsächlich waren die orangen Augen der Dämonin gerötet.
 

Satan sagte etwas zu ihr, sie schniefte nur und nickte. Daraufhin wandte er sich an seinen ältesten Sohn.
 

"Lucifer, ea al Stihi ji Aym pwor'mawkcha. Zarboyt'syarzk anwa!"
 

"Sa, payri'drew."
 

"Lucifer, sie ist die Adoptivmutter von Stihi und Aym . Kümmere dich um sie. Ja, Vater.", übersetzte Azazel leise für Rin.
 

"Wir sehen uns nachher.", verabschiedete sich der Lichtkönig und folgte der Dämonin nach draußen. Azazel verschwand derweil in einer schwarzen Rauchwolke.
 

Satan nickte zu einem der Stühle. "Setze dich. Natürlich nur, wenn du willst."
 

Nach kurzem Zögern kam der Nephilim der Aufforderung nach. Die Nervosität wurde immer intensiver und ungewollte Erinnerungen stiegen ihn ihm hoch. Bevor er etwas sagen konnte, sprach ihn der ältere Dämon bereits an.
 

"Wie ich sehe, geht es dir besser. Ich hoffe, deine Volltrottel von Brüdern haben sich bei dir entschuldigt."
 

Natürlich wurde Rin knallrot. "Tut mir leid wegen letzter Nacht...", murmelte er.
 

"Du musst dich nicht entschuldigen. Ich durfte schon jeden deiner Brüder ins Bett bringen, weil sie zu viel hatten."
 

"Sogar Samael und Amaimon?!"
 

"Ja, auch wenn sie es abstreiten würden."
 

Rin stellte es sich bildlich vor und musste sich zusammenreißen, damit er nicht loslachte. Er spürte, wie er sich allmählich entspannte, wenn auch nicht vollkommen. Wahrscheinlich war dies Satans Ziel gewesen.
 

"Bevor ich es vergesse...hier.", fuhr der Dämonengott fort und reichte ihm etwas. Es war sein Handy.
 

Rin blinzelte überrascht. Er hatte daran überhaupt nicht mehr gedacht.
 

"Bevor du fragst: nein, ich habe mich nicht darin umgesehen.", sagte Satan. Er warf dem Telefon einen strafenden Blick zu. "Ich finde die Teile einfach nur nervtötend. Samael hat einmal irgendein komisches Lied über Gemüsesaft als Klingelton gehabt und ständig ging das los. Ein Mal sogar mitten in einem Ratstreffen. Zumindest waren die Gesichtsausdrücke der Anderen unterhaltsam."
 

Er rieb sich den Nasenrücken mit einer Hand, Rin schwieg. Noch immer wirkte die Situation surreal. Vor einer Woche noch hatte er Satan in den Arsch treten wollen und nun saß er ihm gegenüber und hörte zu, wie er über Samaels zweifelhaften Musikgeschmack sprach.
 

"Wie auch immer, dein Telefon hat öfter geklingelt und du hast mehrere Nachrichten. Azazel hat es übrigens an seinem Laptop aufgeladen, also wundere dich nicht, wenn da was drauf gelandet ist, was dort nicht hingehört. Lösche es dann einfach."
 

Der Halbdämon nickte gedankenverloren und entsperrte den Bildschirm. Er hatte wirklich einen Haufen verpasster Anrufe und Nachrichten.
 

Yukio: Rin, was ist passiert?! Warum ist das Signal weg?! Bitte melde dich!
 

Shiemi: Rin? Bitte antworte! Du warst vorhin noch online...wir und Yuki-chan sind krank vor Sorge! D:
 

Izumo: Hey du Trottel, antworte! Du machst den Anderen Sorgen und das nervt mich. -.-
 

Bon: Okumura, gehe an dein verdammtes Handy! Ich schwöre, ich trete dir in den Hintern, wenn du nicht antwortest! Bitte.
 

Es folgten weitere Nachrichten, auch von Shura, Koneko, Shima und den Mönchen aus dem Kloster.
 

'Sollte ich je wieder in Assiah landen, werden sie mich durch den Fleischwolf drehen.'
 

Nach kurzem Zögern stellte er fest, dass er niemanden antworten konnte. Er hatte weder Empfang noch Internetzugang. Satan erkannte, was ihm durch den Kopf ging. "Es war Samael, der damals dafür gesorgt hat, dass es hier Empfang und Internet gibt. Da aber momentan alle in Gehenna sind, hat er das wohl irgendwie abgestellt. Frag nicht wie, ich habe keine Ahnung von dem Kram."
 

"Wo nehmt ihr übernimmt den Strom her?", fragte Rin.
 

"Generatoren. Samael besorgt alles, Azazel erledigt den Rest."
 

Unspektakulär, aber logisch. Nun sprang ihm etwas anderes ins Auge.
 

"Euer Router heißt 'Highway to Hell'?!"
 

"Das war nicht meine Idee, ich wurde ja überstimmt.", seufzte Satan. "Aber kommen wir zum Wesentlichen. Ich habe einen Lehrer für Gehennisch gefunden. Es könnte noch öfter wechseln, aber vorerst wird Paymon übernehmen."
 

"Ich bin schlecht mit Sprachen..."
 

"Er hat viel Geduld. Iblis hat einmal einige Bäume beim Training angezündet und alles was Paymon gemacht hat, war streng zu gucken."
 

Es klopfte an der Tür und der Lichtdämon betrat den Raum. "Entschuldigung, bin ich zu spät?"
 

"Nein, du kommt gerade recht.", beruhigte ihn Satan.
 

Paymon lächelte Rin aufmunternd zu. "Schön dich wiederzusehen."
 

"Ebenfalls."
 

"Dann könnt ihr gleich anfangen. Ich muss mich um andere Sachen kümmern.", entließ der Dämonengott sie und betrachtete äußerst unmotiviert die Papierstapel neben ihm.
 

"Dann wollen wir Euch nicht weiter aufhalten." Paymon verneigte sich und ging.
 

"Ähm...bis später.", murmelte Rin etwas kleinlaut und huschte ebenfalls aus dem Zimmer ohne sich umzudrehen.
 

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Vollkomme Dunkelheit umgab den Geisterkönig, er konnte nicht die Hand vor Augen sehen. Aus allen Richtungen ertönte leises Geflüster, Stöhnen und Zischen. Verwirrt sah er sich um und versuchte verzweifelt einen Lichtstrahl zu finden, doch vergebens.
 

'Wo bin ich? Träume ich schon wieder? Als ob ich nicht genug Albträume hätte...'
 

Gerade eben war er noch in seinem Zimmer gewesen und hatte sich für sein Treffen mit Aello, der Anführerin der Harpyien, vorbereitet. War er etwa eingeschlafen?! Ankou würde ihn umbringen. Sie hasste es, wenn er verschlief und war sich nicht zu fein ihm dafür eine Kopfnuss zu verpassen. Sollte sie jemals einen festen Freund bekommen, konnte er sich auf etwas gefasst machen. Azazel hatte jetzt schon Mitleid mit dem armen Kerl.
 

Inzwischen wurde die Umgebung langsam heller, doch sein Magen drehte sich um als er erkannte, wo er sich befand. Er befand sich in einer helleren Ecke seines Königsreichs, der Wüste in der die Harpyien lebten, um ganz genau zu sein. Neben Sand, großen Felsen und Schluchten, sowie eher spärlichem Pflanzenwuchs, gab es normalerweise nicht viel zu sehen. Diesmal saß jedoch eine Gestalt auf ihren Knien im gelb-braunen Sand. Es war eine blasse Frau mit langen schwarzen Haaren. Sie umklammerte schluchzend ihren Oberkörper. Azazel brauchte nur Sekunden um sie erkennen.
 

"Mutter?" Seine Stimme zitterte, doch die vor sich hin kauernde Dämonin zeigte keine Regung. Dennoch bestand kein Zweifel, dass es Ruha, seine Mutter war.
 

'Bitte nicht. Ich dachte, dieser Albtraum wäre endlich vorbei!', flehte er im Stillen und wich zurück. Ihre Schluchzer wurden immer lauter und er erkannte nun auch das Blut, welches ihre Arme hinunterlief. Der Himmel begann sich ebenfalls rot zu verfärben und die Geräusche von vorhin waren wieder zu hören.
 

"Ganz ruhig.", murmelte er verzweifelt um sich zu beruhigen. Es funktionierte nicht. Seine Kehle und Brustkorb waren wie zugeschnürt, er bekam kaum Luft. Gleichzeitig hatte er das Gefühl sich jeden Moment übergeben zu müssen. Sein Herz klopfte wie verrückt und Schweiß stand ihm auf der Stirn.
 

"Das ist nicht echt, nur ein Traum. Wach auf, wach auf, wach auf...", flüsterte er eindringlich, aber er schaffte es nicht aus diesem Albtraum zu erwachen.
 

"Ich will einfach nur weg, bitte..."
 

Zu seiner Überraschung verstummte sowohl das Schluchzen als auch die Geräusche. Es herrschte Totenstille und dies verängstigte ihn sogar noch mehr. Er zuckte zusammen als seine Mutter plötzlich zu sprechen begann. Was sie zu sagen hatte, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
 

"Willst du mich etwa schon wieder im Stich lassen, Azzy? Bin ich dir so egal?"
 

Bevor er antworten konnte, ging das Gestöhne und Geheule von vorne los. Diesmal hörte er allerdings noch Flügelschlagen. Ruha hatte ebenfalls von neuem begonnen zu schluchzen bis sie richtig weinte.
 

"Azazel, bitte hilf mir! BITTE!"
 

Sie flehte ihn weiter an, doch er war wie gelähmt. "Ich kann nicht. Du bist...schon...tot.", krächzte er hervor.
 

Ein lautes Kreischen ertönte, es war der Jagdschrei einer Harpyie.
 

"AZAZEL!"
 

Er sah weg und schloss die Augen. Nur wenige Sekunden später hörte er, wie sie sich die geflügelten Monster auf seine Mutter stürzten und begannen sie zu zerfleischen. Er hörte nur das Flügelrauschen, die Schreie seiner Mutter, das Gekreische der Harpyien und das Spritzen von Blut. Riechen konnte er es ebenfalls, also zwang er sich die Luft anzuhalten. Vereinzelte Stimmfetzen waren ebenfalls zu vernehmen. Sie sprachen davon, dass es zu spät war, dass seine Mutter tot war und nie wieder für ihn da sein könnte. Er hörte sich selbst, wie er seinem Vater 'Ich hasse dich!' entgegenschrie.
 

'Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid...", wiederholte er im Stillen immer wieder als wäre es ein rettendes Gebet. Er bemerkte, dass ihm Tränen das Gesicht hinunterliefen, doch es kümmerte ihn nicht mehr. Es konnte ohnehin niemand sehen. Er war nicht mehr der Dämonenkönig der Geister und des Windes, sondern nur ein kleines verängstigtes Kind mit eingezogenen Schwanz, welches nach seinen Eltern schrie.
 

'Mama...Papa...Lu...Sammy....irgendjemand...bitte, helft mir...' Sogar seine Gedanken waren die seines jüngeren Ichs.
 

Dann fuhr ohne Vorwarnung ein gewaltiger Schock durch seinen Körper und alles um ihn herum löste sich auf.
 

Mit einem Aufschrei fuhr er hoch und sah sich wie ein verschrecktes Tier um. Er war in seinem Zimmer und...klatschnass?! Des Rätsels Lösung war schnell gefunden.
 

Vor ihm stand eine offensichtlich wütende Ankou mit einem leeren Wasserkrug. Scheinbar hatte sie ihn über den schlafenden Dämonen geleert. Sie war leider noch nicht fertig, sondern legte gleich mit ihrem Gezeter los.
 

"Schau nicht so, irgendwie musste ich dich wach bekommen! Unser Treffen mit Aello fängt bald an und du schläfst?! Was-" Sie stockte als sie Azazels Gesicht bemerkte.
 

"Hast du...geweint?", fragte sie mit komplett veränderter Stimmlage.
 

'Mist.'
 

"Ich habe nur Wasser in die Augen bekommen. Echt, vielen Dank.", knurrte er, allerdings klang er nicht besonders überzeugend.
 

Er war so froh von diesem Albtraum befreit zu sein, dass er sie glatt küssen könnte. Andererseits würde sie ihn dafür sicher einige Rippen brechen, also ließ er es lieber sein. Sie stellte den Krug wortlos ab und wandte sich besorgt an ihn.
 

"Hast du wieder von Ruha geträumt?", fragte sie leise. Verdammt. Sie war quasi die Eiskönigin im Palast, aber sowas bekam sie sofort mit.
 

"Mir geht's super.", log er schnell. Sie glaubt ihm natürlich nicht.
 

"Hör mal, vielleicht können wir das Treffen mit den Harpyien verschieben oder Shax und ich gehen allein-"
 

"Nein.", unterbrach der Dämonenkönig sie scharf. "Ich kann nicht einfach zu Hause bleiben, es ist meine Aufgabe mich darum zu kümmern."
 

Ankou ließ nicht locker. "Aello hat sicher Verständnis. Sei nicht so stur."
 

"Sagst grad du. Jetzt geh bitte raus, ich möchte mich umziehen."
 

"Aber-"
 

"RAUS!", fauchte Azazel. Er spürte, wie einige seiner Dämonenmale auf seinen Gesicht erschienen und seine Pupillen sich zusammenzogen, doch es war ihm egal. Warum konnte sie ihn nicht endlich in Ruhe lassen?!
 

Die Geisterdämonin zuckte zusammen, das kam selten vor.
 

"Gut, wie Ihr wollt.", murmelte sie nach einigen Sekunden Stille. Ihr Gesicht verriet nicht, was sie dachte. Sie drehte sich um und verließ das Zimmer ohne einen der Müllhügel umzustoßen.
 

Azazel seufzte. Er hatte sie nicht anfauchen wollen, es war einfach passiert. Scheinbar verlor er wirklich die Kontrolle über sein Dämonenherz. Langsam, aber stetig.
 

'Egal. Es ist ein kleiner Preis.'
 

Er stand auf, zog grummelnd seine nassen Sachen aus und warf sie auf einen Haufen. Dann stapfte er zu seinem Kleiderschrank und riss ihn auf. Seine Klamotten waren alle schwarz oder grau, nur einige T-Shirts waren weiß. Nicht unbedingt vorteilhaft in der Wüste, aber es war ihm egal. Er kramte eine schwarze Hose, eine schwarze Kapuzenjacke (seine schwarze Lederjacke, welche er immer darüber trug, ließ er weg sonst würde er erschwitzen) und ein graues Tanktop hervor und zog sich schnell an.
 

Währenddessen dachte er über seinen Albtraum nach. Er wusste, dass es nicht seine Schuld gewesen war. Seine Mutter war mit Kelaino, der damaligen Anführerin der Harpyien (und Aellos Mutter) befreundet gewesen und hatte sie oft besucht. Einmal waren auch Satan, Azazel und seine Geschwister mitgekommen. Satan hatte etwas mit den Harpyien zu regeln, also waren alle herumgestreunt und hatten versucht sich zu beschäftigen. Azazel war mit seiner Mutter ein wenig umhergelaufen als sie plötzlich von einigen Harpyien angefallen worden waren. Ruha hatte ihm befohlen sich zu verstecken und auf keinen Fall heraus zu kommen.
 

Erneut hatten die Harpyien sie überrumpelt, zu schnell als dass sie sich hätte verteidigen können. Der Geisterkönig war noch ein kleines Kind gewesen, er konnte nichts anderes tun als zuzusehen, wie diese Biester sie töteten. Einige andere Harpyien hatten den Lärm gekommen und kamen um zu helfen, aber es war zu spät. Er erinnerte sich flüchtig daran, dass Satan die drei Angreiferinnen sofort verbrannt hatte und rasend vor Zorn gewesen war. Es stellte sich heraus, dass die Harpyien durchgedreht waren und deswegen alles angegriffen hatten, was ihnen vor die Krallen kam. Die Anderen hatten damit nichts zu tun, doch ihm war es egal gewesen. Er wollte sie alle tot sehen. Satan hatte sie zu seinem Entsetzten jedoch nicht bestraft. Dafür hatte er ihn gehasst.
 

Der Geisterdämon war als Kind immer sehr aufgeweckt gewesen, hatte viel erzählt und konnte nie still halten. Lucifer und Samael hatten sich deswegen öfters beschwert. Nach dem Vorfall bereuten sie ihre Worte, denn Azazel hatte sich komplett zurückgezogen. Er hatte kein Wort mehr gesprochen, weder mit seinem Vater noch seinen Geschwistern oder den Bediensteten.
 

Als sein Vater Beelzebubs Mutter geheiratet hatte, war er noch wütender geworden. Er hatte sie stets seine Abneigung spüren lassen und Beelzebub hätte er am liebsten vom nächsten Turm geworfen. Wie hatten sie es wagen können seine Mutter ersetzen zu wollen?! Was bildete diese Frau sich ein?! In einer Nacht hatte der zukünftige Insektenkönig mal wieder eine Menge geplärrt, also war er in dessen Zimmer gegangen um dem Zwerg das Maul zu stopfen und ihm den Hals umzudrehen. Kaum hatte er vor der Wiege gestanden, hatte der Kleine jedoch aufgehört zu weinen.
 

Er war froh gewesen Azazel zu sehen und hatte ihn angelacht, obwohl sich der Geisterdämon so garstig gegenüber ihm und seiner Mutter verhielt. Natürlich war der ältere Dämon perplex gewesen, aber von da an konnte er ihn einfach nicht hassen, auch wenn er es versucht hätte. Er kam nun auch besser mit seiner Stiefmutter klar und sah ein, dass sie eine nette Frau war. Von da an hatte sich einiges gebessert, auch wenn immer noch die Albträume kamen, doch diese verschwanden irgendwann ebenfalls.
 

Dann kam dieser Tag und er veränderte sich für immer. Schon interessant, wie eine Entscheidung alles ändern konnte. Ein einfacher Handschlag. Ob seine Mutter enttäuscht von ihm wäre? Würde sie ihn sogar hassen?
 

Er wurde von seinem Mitbewohner aus seinen Gedanken gerissen. Taka tat mit einem lauten Knurren seinen Hunger kund, woraufhin der Geisterkönig die Augen verdrehte und eine halb aufgegessene Tüte Zwiebel-Chips in seine Richtung warf. Erneut kam ein leises Knurren.
 

"Friss es oder lass es bleiben, wir sind hier nicht bei wünsch dir was!", fauchte Azazel.
 

Kurze Stille folgte, dann waren ein leises Rascheln und lautes Schmatzen war zu hören.
 

"Geht doch..."
 

Als er auf den Flur trat, erwarteten ihn Shax und Ankou bereits. Keiner von beiden verlor ein Wort über seinen Ausbruch, auch wenn Ankou es sicherlich erzählt hatte.
 

"Gehen wir.", sagte Azazel knapp.
 

'Bitte lass alles problemlos funktionieren...'
 

............................................................................
 

Egyn wurde langsam, aber sicher unruhig. Agares und er standen schon seit 15 Minuten am Ufer des Acherusische See und warteten auf Ran, die Wächterin des Sees und des Siegels. Hinzu kam, dass der See alles andere als schön war. Es war später Morgen, dennoch war es schummrig und Nebel verdeckte den See größtenteils. Die Geräusche machten es nicht besser und jagten ihm einen kalten Schauer über den Rücken.
 

Agares ging es ähnlich, jedoch war sie wie immer ein Paradebeispiel der Ruhe.
 

"Jetzt beruhige dich doch, Eygn.", seufzte die Wasserdämonin. "Sie kommt sicher gleich."
 

"Wir warten schon seit 15 Minuten!"
 

"Azazel kommt manchmal bis zu einer Stunde zu spät."
 

"Das ist ja auch Azazel! Der würde es fertig bringen zu seiner eigenen Beerdigung zu spät zu kommen!"
 

"...Darauf hätte er nicht wirklich Einfluss..."
 

"Ach, du weißt, was ich meine!"
 

Agares verdrehte nur die Augen. Nach drei weiteren qualvollen Minuten hörten sie einige Äste hinter sich knacken. Instinktiv bereiteten beide sich darauf vor ihre Speere heraufzubeschwören, dann trat eine Gestalt aus dem Dickicht. Beide atmeten erleichtert auf als sie Ran erkannten.
 

"Tut mir leid, ich hatte etwas mit den Sirenen zu klären und musste deswegen ein paar Dörfer besuchen.", begrüßte sie die Beiden fröhlich. "Kyrene lässt übrigens Grüße ausrichten.~"
 

"Danke.", seufzte Egyn, sichtlich erleichtert. "Gibt es sonst etwas zu berichten?"
 

Die Wächterin überlegte kurz. "Eigentlich nicht wirklich. Vor ein paar Nächten wollte jemand die Stege betreten, aber hat ziemlich schnell wieder die Beine in die Hand genommen. Ein paar der Sirenen wollen woanders hin, weil es ihnen hier zu langweilig ist und wir müssten ein paar der Planken ersetzen, die rotten bald durch."
 

"Und das Siegel?", hakte Agares nach.
 

"Nichts ungewöhnliches."
 

"Wir schauen trotzdem nach. Aber Beeilung, die Höhle wird bald überflutet sein.", entschied Egyn und holte einen Leuchtkristall heraus. Die Frauen taten es ihm nach.
 

'Na dann...Augen zu und durch.'
 

Widerwillig betrat er den ersten Steg und ging los, Agares und Ran folgten im kurzen Abstand. Nach nicht einmal einer halben Minute hatte der Nebel das Ufer vollkommen verschlungen. Keiner sprach, nur das gelegentliche Plätschern des Wassers, das Knarren der Bretter, ihre Schritte und das leise Flüstern der Seebewohner war zu hören. Nach einer Weile konnten sie außerdem den Gesang der Sirenen hören, dieser hatte allerdings keine Wirkung auf sie, da sie Wasserdämonen waren. Gut, Ran war halb Wasser- und halb Geister- und Winddämonin, aber es kam auf dasselbe hinaus.
 

Endlich erreichten sie die Insel der Sirenen, nach weiteren fünf Minuten standen sie vor der Höhle mit Invidias Gefängnis. Egyn betrat sie ohne zu zögern. Eine steinerne Treppe führte in die Tiefe.
 

"Vorsichtig, die Stufen sind rutschig.", warnte er seine Begleiterinnen. Vorsichtig stiegen die hinunter bis sie endlich den Boden erreichten. Zu ihrem Missfallen mussten sie feststellen, dass ihnen das Wasser bereits bis an die Knöchel reichte. Die Höhle war dabei vollzulaufen.
 

"Schaut euch alles genau an.", befahl Egyn. "Wir können es uns nicht leisten etwas zu übersehen."
 

Die Frauen nickten und begannen sich in der Höhle umzusehen, während Egyn auf das Siegel zuging. Wie immer leuchtete es grün-bläulich, doch es waren eindeutige Risse zu erkennen. Er kniete sich hin, legte seine Hände auf den Kreis, welcher das Siegel umgab und schloss seine Augen. Er konzentrierte sich auf sein Dämonherz und die davon ausgehende Kraft. Das Leuchten wurde stärker, doch er wusste, dass er höchstens ein paar Tage gewonnen hatte. Leise seufzend begann er sich ebenfalls umzusehen.
 

"Also ich finde nichts.", meldete sich Ran nach einiger Zeit. Agares und Egyn hatten ebenfalls nichts entdeckt.
 

"Das Wasser steigt immer schneller.", meldete Agares. "Wenn wir nicht schwimmen gehen wollen, sollten wir verschwinden."  
 

Widerstrebend nickte Egyn. "Gehen wir."
 

Er ließ diesmal den Mädchen den Vortritt,  doch als er ihnen folgen wollte, stellten sich seine Nackenhaare auf. Er hätte schwören können, dass ihm etwas über den Rücken gestrichen und gekichert hatte. Die Stimme erkannte er sofort.
 

'Invidia?'
 

Natürlich kam keine Antwort. Kopfschüttelnd machte der Wasserkönig, dass er aus der Höhle kam.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das von Satan erwähnte Lied ist übrigens Po-Pi-Po von Miku Hatsune. Es geht darin um Gemüsesaft, denn es wurde ihn einer Werbung für Gemüsesaft verwendet. Es kommen also Passagen wie:

Now, drink it! You like it, don't you? Vegetable juice I've decided. I've decided just now. So drink it! My vegetable juice It costs 200 yen

Ich fand es damals zum echt lustig und ziemlich niedlich, also konnte ich nicht widerstehen sowas einzubauen. Natürlich hatte Sammy diesen Klingelton nur um andere zu nerven XD Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Vigeta_Lord_d_T
2021-06-16T23:25:26+00:00 17.06.2021 01:25
Das mit Azazel's Mutter ist schrecklich traurig.  Er tut mir richtig leid.  Weiß nicht wie ich auf sowas reagieren würde.  Wahrscheinlich alle Toten. Sorry

Ansonsten ein sehr schönes Kapitel. 😈😈😈😈
Antwort von:  Himikko
18.06.2021 21:26
Ja, das ist wirklich sehr tragisch. Es tut mir auch sehr leid für ihn ^^*

Dankeschön :3


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