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Drei Haselnüsse sind nicht genug

von

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Kapitel 5
 

Filips POV
 

Er hatte ihr doch nur ein Freund sein wollen. Er hatte ihr doch nur nahe sein wollen.

Und doch . . .
 

Die Neckereien seiner Freunde sowie der Tanz mit Matej hatten Filip vor Augen geführt, dass es vielleicht nicht nur Freundschaft war. Vielleicht war mehr hinter seinem Bedürfnis mit ihr zu reden und sie in seiner Nähe zu haben. Oder doch nicht? Musste es Liebe sein, nur weil sie eine Frau war?
 

Oder war es eine Mischung aus beidem?
 

Filip wälzte sich ein weiteres Mal auf die andere Seite des Bettes in der Hoffnung, dass der Schlaf ihn doch übermannen würde. Sein Körper war müde, doch sein Geist war so wach wie seit dem Moment als er Matej gesehen hatte. Und er musste zugeben, dass sie eine Wirkung bei ihm auslöste, die weder Kamil noch Vitek hatten. Lag es daran, dass er beide bereits seit Kindertagen kannte und die Freude über ihre Anwesenheit selbstverständlich war?
 

Aber er konnte auch nicht leugnen, dass er sie ehrlich kennen lernen wollte. Er war nicht von einer verschleierten Frau verzaubert worden, wie es seine Freunde dachten. Nein. Er kannte Matej, hatte mit ihr seit Wochen geredet und gelernt ihre Gespräche und ihre Nähe zu genießen. War er deshalb verliebt? Nein. Er wollte nur noch mehr Zeit mit ihr verbringen, sie noch besser kennenlernen und sie in seiner Nähe wissen.
 

Okay, vielleicht waren seine Gefühle doch nicht ganz so freundschaftlich, wie er sich vorgemacht hatte. Aber woher sollte er es auch wissen? Er war noch nie verliebt gewesen und seine Eltern waren nicht die besten Vorbilder.
 

Wobei von ihm in seiner Position sowieso nicht erwartet wurde, dass er sich verliebte. Er sollte ein Reich führen und einen Erben zeugen. Eventuell auch kämpfen und generell königlich sein. Aber verlieben? Das war ein Extra, dass sich kaum ein Prinz leisten konnte.
 

Und doch passierte es gerade. Und was sollte er nun tun? Wie konnte er sich von seinen Gefühlen überzeugen?
 

Mit einem Ruck setzte sich Filip auf, zog die Vorhänge auseinander und ging zum Fenster. Vielleicht würde ein wenig Luft ihm beim Denken helfen? Doch als er das Fenster öffnete, schloss er es sofort wieder. Es war eindeutig Winter, auch wenn es ihm in seinem Bett unglaublich warm gewesen war.
 

Schlussendlich setzte er sich auf das Fenstersims, das weiche Kissen unter ihm als Schutz gegen den kalten Stein.
 

Der Mond schien hell über den verschneiten Wiesen in der dunklen Nacht, doch der Morgen kündigte sich bereits an. Erste Vögel sangen ihr Lied und am Horizont konnte er einen Hauch von Morgenrot entdecken. Sollte ihm dies ein Zeichen sein? Dass es Zeit war für etwas Neues? Doch so wenig, wie er wusste, wie der nächste Tage wurde, konnte er wissen was seine Gefühle für Matej bedeuteten. Und vielleicht war der einzige Weg, der ihm blieb, dass er abwarten musste. Abwarten und beobachten. Und mit aller Hoffnung würden sich ihm seine eigenen, wahren Gefühle offenbaren. Und die ihrigen.
 

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Filip hatte ihr ein neues Kleid zukommen lassen. Er wusste nicht, ob sie es tragen würde, aber es war ihm wichtig gewesen. Er hoffte nur, sie konnte nicht erahnen, von wem das Geschenk kam. Denn er wollte nicht, dass sie sich zu irgendetwas verpflichtet fühlte.
 

Die Feier startete wie gehabt mit einer kurzen Einführung der neuen Gäste. Von ein paar Familien waren noch Verwandte angereist, doch Filip nahm sie kaum wahr. Sein Blick war auf den Eingang gerichtet, obwohl er doch wusste, dass sie erst später auftauchen würde, um sich unbemerkt in die Menge zu begeben.
 

„Ich kann nicht glauben, dass du sie nicht nach ihrem Namen gefragt hast“, murmelte Kamil neben ihm.
 

„Ich wollte sie nicht verschrecken“, gab Filip mit einem Schulterzucken zu.
 

Was sein Freund nicht wusste war, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr kommen würde, hätte er darauf bestanden ihren Namen zu erfahren. Stattdessen hatte er ihr zum Abschied gesagt, dass er sich darauf freute, mit ihr am nächsten Abend ein weiteres Mal zu tanzen. Und ihrem Lächeln nach zu urteilen, freute sie sich zumindest über diesen Wunsch.
 

Mit Überraschung erkannte er kurz darauf die zierliche Gestalt mit dem blass rosanem Kleid und den dunkelblauen Bändern. Sie trug sein Kleid!

Sie schlüpfte durch die Menge zu ihrem angestammten Platz als wäre sie im Wasser. Doch diesmal geschah dies nicht unbemerkt. Dank ihrem Tanz mit Filip am Abend zuvor, wurde sie wiedererkannt und forschende Blicke folgten ihr den langen Weg entlang.
 

Dass sie niemand ansprach, bedeutete aber auch, dass sie niemand erkannte und das wunderte Filip nun doch. Selbst als entfernte Cousine sollte sie den direkten Nachbarn von Gut Novac bekannt sein. Oder verwirrte der Schleier doch so viele? Er hatte jedoch auch nicht verstanden wie Kamil und Vitek sich davon hatten hinter das Licht führen lassen. Oder hatten sie ihren gemeinsamen Freund Matej einfach noch nie so genau angesehen?
 

Filip wollte sie erst später begrüßen. Er hatte wirklich vor gehabt es langsam anzugehen, doch er hatte eine Bewegung nahe ihr bemerkt. Ein junger Mann aus der Nachbarschaft hatte sich auf den Weg zu ihr gemacht. Sein Ziel und sein Blick waren unmissverständlich gewesen. Filip hatte einfach handeln müssen.
 

Ohne weiter nachzudenken, war er mit langen Schritten über die Tanzfläche marschiert, Matej’s Blick suchend. Doch der andere Mann war bereits bei ihr angelangt und war bereits dabei sie um einen Tanz zu bitten. Und sie ging darauf ein!
 

Filip war als würde er an Kraft verlieren. Seine Schritte wurden langsamer, während seine Augen weiter auf Matej gerichtet waren. Wohin nun?
 

Er blieb am Rand der Tanzfläche stehen, dem Paar weiter mit seinen Blicken folgend. Nach all den Tagen ohne einen Tanzpartner freute er sich ja für sie, aber zugleich wollte er nicht, dass jemand ihr nahe war. Hatte er Angst sie könnte sich in einen anderen Mann verlieben? Vielleicht.
 

Filip atmete ein paar Mal tief ein und aus. Diese Ungewissheit machte ihn noch wahnsinnig!
 

Wissend, dass das neue Lied bald eine halbe Stunde andauern würde, machte er sich auf den Weg sich ein Erfrischungsgetränk zu besorgen und sich danach nahe dem Balkon gegen die Wand zu lehnen, die Augen wieder fest auf die tanzenden Paare gerichtet.
 

Und als der Tanz zu Ende war, war er da. Er stand an ihrem Platz, ein Lächeln auf den Lippen, als sie von ihrem Partner zurückgeführt wurde. Sie konnte ihn nicht übersehen. Und er nicht das Strahlen, welches sie erfüllte, als sie ihn erblickte.
 

„Eure Majestät.“
 

Eine Verbeugung der beiden und mit einer Handbewegung schickte Filip den jungen Mann hinfort.
 

„Ihr seid wieder hier.“

„Ja.“

„Und Ihr seht wunderschön aus.“

Irrte er, oder wurde sie rot?

„Danke, Eure Majestät. Ihr auch.“
 

Und mit diesen Worten war es vorbei mit seiner inneren, eisernen Ruhe. Hitze stieg ihm in den Kopf und sein Magen schien sich vor Aufregung zu verknoten. Noch niemand hatte ihn je schön genannt.
 

„Vielen Dank.“
 

Einen Moment lang schien niemand von ihnen zu wissen, was sie jetzt sagen sollten. Doch Filip hatte sich seine Pläne häufig genug vorgesagt und aufgeschrieben. Genau aus diesem Grund.
 

„Erweist Ihr mir die Ehre?“
 

Er zeigte mit seiner Hand grob in die Richtung der Tanzfläche in der Hoffnung, dass sie verstand, worauf er hinaus wollte.
 

„Wollen wir wieder gemeinsam zählen?“
 

Filip musste lachen. Wie von alleine ergriff seine Hand ihre und er führte sie mit einem breiten Grinsen auf die Tanzfläche. Genau aus diesem Grund genoss er ihre Anwesenheit und die Gespräche mit ihr.
 

„Ich bin sehr dafür, dass wir gemeinsam zählen“, bestätigte er, „Aber lasst uns bei derselben Zahl beginnen, sonst bringt uns auch diese Taktik nichts.“
 

„Dann bin ich für Sieben“
 

„Für sieben?“
 

„Als erste Zahl. Lasst uns mit der Sieben beginnen!“
 

„Ich füge mich ganz Euren Wünschen, Mylady.“
 

Und so zählten sie ab der Sieben und begannen zu tanzen.
 

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Kamil’s POV
 

Drei Tänze später standen sie, wieder lachend, ein weiteres Mal am Rand der Tanzfläche. Diesmal gemeinsam mit Kamil und Vitek, welche mit Überraschung festgestellt hatten, dass die Unbekannte nur im ersten Moment scheu und zurückhaltend war. Und dass ihr bester Freund seine Augen nicht mehr abwenden konnte.
 

Bereits bei ihrem ersten Tanz hatten sie beisammen gestanden und das Paar beobachtet.
 

„So habe ich ihn noch nie gesehen“, hatte Vitek gesagt, die Augenbrauen so hoch gezogen, dass sie beinahe in seinem lächerlichen Hut verschwanden.

„Meinst du es, ist ihm ernst?“

„Ich weiß nur, dass es ihm mit einer unbekannten, verschleierten Frau ernster ist als mit jeder anderen zuvor. Ob er sogar bereit ist sie zu heiraten oder ihr einen Antrag zu machen, kann ich dir jedoch nicht sagen.“

„Er sollte sie zumindest einmal ohne Schleier sehen“, überlegte Kamil.

Vitek nickte vehement, während sein hoher Hut mit dem grünen Samt ihm beinahe vom Kopf fiel.

„Sie könnte schwarze Zähne haben. Oder schlimmer: gar keine Zähne!“

Kamil blinzelte aufgrund der Dramatik.

„Das hätten wir doch gehört. Sie spricht normal, also muss sie zumindest ein paar ihrer Zähne noch haben.“

Vitek zuckte mit den Schultern.

„Aber wer weiß, wie diese aussehen. Oder sie hat einen Bart. Oder eine furchtbare Verletzung? Er sollte zumindest wissen, warum sie sich verschleiert!“
 

Kamil nickte gedankenverloren und ließ den Blick schweifen.

Sie hatten nur noch zwei Ballnächte übrig und bis dahin sollte Filip wissen wie sie hieß, wie sie aussah und was sie wollte. Denn wer wusste, ob sie danach noch aufzufinden war? Sie war ja nicht einmal an den ersten beiden Nächten aufgetaucht.
 

Mit einem Mal stieß Vitek ihn an und wies auf die entfernte Ecke des Raumes.

Er meinte doch nicht . . .
 

„Denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?“
 

Viteks Grinsen sprach Bände und Kamil konnte nicht leugnen, dass die Idee ihren Reiz hatte. Ein Blick zum König sagte ihm, dass dieser tief versunken in ein Gespräch war, während die Königin mit ein paar Frauen über die diesjährige Ernte sprach.
 

Grinsend wendete er sich wieder seinem Freund zu.
 

„Na dann wollen wir mal.“
 

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Aschenbrödels POV
 

„Ziemlich warm hier drin, meint ihr nicht?“
 

Vitek wedelte sich Luft zu und zog für einen Moment seinen unglaublichen Hut aus. Wie er mit diesem tanzen konnte, war Aschenbrödel ein Wunder.
 

Aber er hatte recht und so nickte sie, sich selbst etwas Luft zuwedelnd. Nicht, dass das tatsächlich etwas brachte, in diesem stickigen Raum voller Menschen und Kerzen.
 

„Sollen wir uns einen Moment auf den Balkon zurückziehen?“

Kamil blickte fragend in die Runde, während er auf den Balkon hinter ihnen zeigte.
 

„Aber nur für einen Moment“, antwortete Filip, nach seinem Vater Ausschau haltend, „Ihr wisst wie mein Vater ist.“
 

„Keine Sorge. Wir sind doch zusammen.“
 

„Ich würde gerne etwas frische Luft atmen“, bestätigte Aschenbrödel. Ihr war inzwischen unglaublich heiß und die stickige Luft machte es schlimmer.
 

Ergeben öffnete Filip die Türe und ließ seine Freunde durch. Dann drehte er sich zu Aschenbrödel und hielt ihr die Hand hin: „Kommt Ihr auch?“
 

Nur drei Schritte und sie waren draußen. Die Kälte ließ sie direkt wieder wach werden, auch wenn die Position des Balkons dafür sorgte, dass sie vor dem Wind geschützt waren. Und doch wollte niemand von ihnen wieder hinein, denn was sie gerade verlassen hatten, war weitaus schlimmer als die winterliche Kälte.
 

„Meinst du das ernst?“
 

Aschenbrödel sah überrascht auf, als Kamil seine Stimme erhob. Auch Filip warf seinen Freunden einen verwunderten Blick zu, als diese sich wütend anstarrten.

Kamil sah zu ihnen herüber, bevor er sich wieder seinem Freund zuwandte.
 

„Verzeiht uns, wir brauchen einen kleinen Augenblick.“
 

Und mit diesen Worten schob er Vitek in die andere Ecke des Balkons, wo sie leise aber bestimmt anfingen zu flüstern.
 

„Wisst Ihr, um was es geht?“

Auch Aschenbrödel flüsterte, als wollte sie die beiden nicht stören.

Filip starrte ihnen weiter nachdenklich hinterher: „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht geht es um die Frau, für die Vitek seit drei Tagen schwärmt. Es sollte uns aber nicht weiter kümmern. Sie werden ihren Streit schon beilegen. Kamil ist gut darin Vitek zur Vernunft zu bringen.“
 

Aschenbrödel lächelte und wandte sich zum Geländer hin, welches dick eingeschneit war.
 

„Es muss schön sein, solche Freunde zu haben.“
 

Einen Moment später trat Filip vorsichtig neben sie, auch wenn er noch genügend Abstand wahrte.
 

„Ich schätze mich tatsächlich sehr glücklich. Ich kenne die beiden von unserer Kindheit an und wir gehen gemeinsam durch dick und dünn. Ich wüsste nicht, wo ich ohne sie wäre.“
 

Aschenbrödel konnte sich gut vorstellen, wie die drei bereits als Kinder viel Blödsinn gemacht hatten. Sie hatte sie bei der Jagd gesehen und sich immer wieder gewundert, wie man so unbeschwert sein konnte. Reichtum und Stand halfen sicher, aber auch die offensichtlich enge Freundschaft dieser Männer war wohl ein Grund. Denn ihre Stiefmutter hatte Reichtum und Stand, aber ehrlich lachen hatte Aschenbrödel sie noch nie gesehen.
 

„Habt Ihr keine Freunde wie diese?“
 

Sie schüttelte den Kopf: „Ich habe ein paar gute Bekannte und zwei Freunde, die mir sehr wichtig sind. Aber Freundschaften wie Eure, die bereits ein ganzes Leben anhalten, sind es nicht.“
 

Filip trat näher an sie heran, sodass sie seine Wärme spüren konnte: „Dann möchte ich Euer Freund sein. Wenn Ihr es wollt.“
 

Ihr Blick fand seinen. Sie suchte nach einem Anzeichen von Ehrlichkeit, einem Anzeichen von Lüge und alles, was sie fand, war Offenheit und Hoffnung.
 

„Ich . . .“
 

„Könnt Ihr mir erklären, was hier vor sich geht, mein Sohn?!“



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