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Drei Haselnüsse sind nicht genug

von

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Kapitel 4
 

Vinzek’s POV
 

Voller Angst und Sorge hatte Vinzek gewartet. Die Kerze im Stübchen war beinahe herunter gebrannt und er hatte sich bereits überlegt eine neue zu holen. Doch da ertönte das Herannahen eines Reiters und durch ein beschlagenes Fenster konnte er Nikolaus erkennen.
 

„Aschenbrödel?“
 

Sie hatte sich bereits umgezogen. Doch Spuren ihres nächtlichen Abenteuers waren ihr noch anzusehen. Wie das glatt gekämmte Haar, das saubere Gesicht und das strahlende Lächeln auf ihren Lippen.
 

„Vinzek?“
 

Sie schien ihn nicht erwartet zu haben.

„Was machst du noch hier?“

Er zuckte mit den Achseln.

„Ich habe den Stallburschen ins Bett geschickt. Irgendjemand muss die Herrin ja empfangen.“

„Hat sie nicht einen Kutscher?“

„Der nicht alles auf einmal kann.“
 

Aschenbrödel seufzte und führte Nikolaus ein paar Schritte auf und ab, bevor sie ihn in den Stall brachte und absattelte.
 

„Ich vermute du warst doch auf dem Ball?“
 

„Gib doch einfach zu, dass du neugierig bist!“

Ein Moment Stille, während sie Nikolaus Flanken mit Stroh abrieb und Vinzek einfach abwartete.

„Ja, ich habe deinen Rat befolgt und bin gegangen. Ja, der zweite Wunsch hat ebenfalls gewirkt und ich habe ein Ballkleid in der Jagdhütte vorgefunden. Ja, Mutter und Dora haben mich nicht erkannt. Zum Glück.“
 

Was wohl bedeutete, dass sie noch jemand nicht erkannt hatte.
 

„Du hattest Spaß?“
 

Ihr Lachen füllte den Stall und Nikolaus schnaubte als würde er einstimmen wollen.
 

„Es war wundervoll, Vinzek! So viel Glanz und so schöne Menschen bei solch romantischer Musik. Es war wie ein Traum.“
 

„Du redest als würdest du es nicht wiederholen können. Dabei bleiben dir noch vier Tage.“
 

„Meinst du es fällt auf, wenn ich in demselben Kleid komme? Oder wird das Kleid morgen verschwunden sein?“
 

„Probiere es aus. Oder wünsche dir ein neues Kleid.“
 

„Als ob das ein gerechter Wunsch wäre, Vinzek.“
 

Und doch musste sie lachen. Was sie wohl wirklich dachte?
 

Das Geräusch von einer Kutsche schreckte beide hoch. So bald waren die Herrschaften schon wieder da? Mit einer Handbewegung schickte Vinzek Aschenbrödel hinaus aus dem Stall.

Er selbst machte sich auf, das Tor zu öffnen.
 

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Aschenbrödels POV
 

Aschenbrödel hatte sich den dritten Wunsch aufgespart und stattdessen auf das alte Kleid gehofft. Etwas restlicher Stoff von ihrer Stiefmutter und sie hatte neue Ärmel und Bänder. Auch wenn sie aus diesem Grund etwas später auf den Ball kam. Aber wie auch am Abend zuvor wollte sie nicht, dass sie jemand erkannte oder sie ihren Namen preisgeben musste. Weder ihre Stiefmutter und -schwester, noch Prinz Filip. Auch wenn es sie reizte sich ihm preis zu geben. Würde er ihr glauben? Sich freuen? Sie verdammen? Auch wenn sie nicht glaubte dass er zu einer grausamen Tat fähig war, so wusste sie doch was Wilderern und Dieben blühte, wenn man sie erwischte. Und sie würde sicher nicht weniger hart gerichtet werden.
 

Die Wachen erkannten sie dieses Mal und ließen sie ohne weitere Fragen durch. Kein Wunder, denn im Inneren ging es hoch her. Die Musik spielte noch, die Tanzfläche war gefüllt von jungen Tanzpaaren und schönen Kleidern. Überall erklangen Stimmen und Gelächter. Es war einfach in der Menge zu verschwinden. Niemand suchte einen, alle waren mit der Feier beschäftig. Eine leichte Sorge zur Sicherheit des Prinzen machte sich in ihr breit, aber sie unterdrückte diese. Er war wohl kaum ungeschützt an solch einem Abend.
 

Die ersten Tänze verbrachte Aschenbrödel mit einem Glas Wein am Rand der Tanzfläche, den Rücken zum Balkon, den Blick auf die Paare gerichtet. Sie beneidete diese und war gleichzeitig doch glücklich. Sie hatte nicht gedacht, dass sie diesen Traum erleben könnte und doch war es wahr geworden. Sie würde wohl kaum länger träumen dürfen, denn spätestens am Ende der Woche würde wieder alles so sein wie zuvor.
 

Alles? Nicht ganz. Denn wenn sie Glück hatte, würde sie Prinz Filip weiterhin treffen und mit ihm jagen. Und jedes Mal wenn sie ihn sehen würde, würde sie an diesen kleinen Traum denken. An diesen kleinen Augenblick Freiheit. Denn auch wenn er nicht wusste, dass sie da war, er war mit ein Grund für diese Bälle und dass sie solch einen Spaß hatte.

Wenn sie es ihm doch nur sagen könnte . . .

Wenn er es doch nur schon wüsste . . .
 

Eine Gestalt schob sich in ihr Blickfeld und schreckte sie aus ihren Gedanken auf.
 

Kamil.
 

Kurz kam Panik über sie, doch er zeigte kein Anzeichen von Wiedererkennung. Nicht einmal ein wenig. Und da fiel ihr wieder der Schleier vor ihrem Gesicht ein. Da weder ihre Mutter noch Schwester oder gar der Prinz sie erkannt hatten, musste er gut wirken. Und Kamil erwartete wohl kaum, dass Matej, der Jäger, als Frau auf diesem Ball erscheinen würde.
 

„Darf ich bitten, Mylady?“
 

Es war lange her, dass sich jemand so elegant vor ihr verbeugt hatte und Aschenbrödel konnte dem Kompliment nicht widerstehen. Er würde sie schon nicht erkennen. Und warum sollte sie sich dieser Freude verweigern? Sie hatte nur diese Möglichkeit.
 

„Mit Freude, Mylord.“
 

Eine höfische Verbeugung so gut es ging und schon führte er sie galant auf die Tanzfläche. Ihr war als würden sie alle anstarren, als würden sich alle fragen was diese Magd in ihrer Mitte machte. Doch niemand wagte es, die Frage zu stellen. Und so tanzten sie im Einklang mit der Musik. Sie tanzten bis Aschenbrödel schwindelig war. Bis sie außer Atem war und nicht mehr wusste wo ihre Hand aufhörte und wo seine begann. So gekonnt führte er sie durch die Schrittfolgen und vermied zur selben Zeit ihre Fehltritte.
 

Als sie sich einmal näher kamen, sprach er und die Panik kam zurück.
 

„Wer seid Ihr, Mylady? Und warum versteckt Ihr Euer Gesicht?“
 

„Verzeiht Mylord, aber ich bin nur eine niedere Cousine einer der anwesenden Gäste. Ich wurde aus Großzügigkeit mit eingeladen, doch ich will niemanden beschämen sobald ich meinen Namen nenne.“
 

Kamil zog eine Augenbraue hoch, eindeutig interessiert.
 

„Seid Ihr Euch bewusst, dass dies Euch umso faszinierender macht, als es Euer Name je könnte?“
 

„Dann müsst Ihr wohl damit leben, Mylord.“
 

Er lachte und schüttelte den Kopf.
 

„Wir werden schon hinter Euer Geheimnis kommen, Mylady.“
 

„Wir?“
 

Ein schrecklicher Verdacht erwachte in ihr. Kamil war immer mit Vitek und Prinz Filip beisammen. Das konnte nur eines bedeuten . . .
 

Nur ein Grinsen auf den Lippen verbeugte sich Kamil, denn der Tanz war zu Ende. Und dann führte er sie zum Rand der Tanzfläche. An welcher Filip und Vitek warteten.
 

„Wir.“
 

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Filip’s POV
 

Was hatten Kamil und Vitek nur mit einem Mal? Statt zu tanzen flüsterten sie hinter seinem Rücken ununterbrochen und warfen ihm abschätzende Blicke zu. Hatte er sich mal wieder blamiert, ohne dass er es bemerkt hatte? Dabei hatte er den Abend über doch nichts anderes gemacht als etwas Wein zu trinken, mit ein oder zwei Damen zu tanzen und nach Matej Ausschau zu halten. Als er sie das erste Mal erkannt und entdeckt hatte, war er überrascht gewesen. Hatte sie etwa doch ein neues Kleid bekommen? Aber dann hatte er das alte in dem neuen erkannt. Sie hatte es wohl umnähen lassen. Oder selbst umgenäht, meinte eine kleine Stimme in seinem Kopf. Doch er ignorierte sie gekonnt.

So sehr er ihre neue Kreation auch bewunderte, er würde ihr am nächsten Tag noch ein neues Kleid zukommen lassen. Oder war das zu direkt?
 

„Filip? Eure Majestät?“
 

Verwirrt blinzelte er und sah Vitek vor sich. Kamil war verschwunden und auch Matej stand nicht mehr an ihrem Platz am Rand der Tanzfläche, wie zuvor. Wo konnte sie nur hin sein? War sie bereits nach Hause gegangen?
 

„Filip!“
 

„Ja?“
 

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Vitek’s POV
 

So verwirrt hatte Vitek Filip noch nie gesehen. Und dabei kannte er ihn seit Kindheitstagen. Doch diese unbekannte Frau schien es ihm wirklich angetan zu haben. So wie er sie anstarrte. Hatte er sich tatsächlich in eine Frau verliebt, deren Gesicht er nicht sehen konnte? Und dabei hatte Filip nicht einmal den Versuch unternommen sie kennenzulernen. Als hätte er Angst zurück gewiesen zu werden? Sie hatte keine Bewunderer und doch hatte Filip sie nie zum Tanzen aufgefordert.

Sowohl Kamil als auch er konnten sich dies nicht erklären.
 

Doch bevor ihr Freund einer Unbekannten hinterher trauerte wie ein Hündchen, mussten sie etwas unternehmen. Und genau das passierte jetzt.
 

„Komm mit. Ich muss etwas mit dir besprechen.“
 

„Aber können wir das nicht genauso gut hier bereden?“
 

Vitek warf einen eindrücklichen Blick in Richtung des Königs und Filip schien endlich zu verstehen. Wenn auch irritiert, aber zumindest willig, stand er auf und folgte Vitek.
 

Aus dem Augenwinkel sah dieser, wie Kamil das Mädchen über die Tanzfläche wirbelte. Sie hatte Freude, das sah man von weitem. Also lag ihr Mangel an Tanzpartnern nicht an ihrem Desinteresse. Oder?
 

Nahe der Balkontüre blieb Vitek stehen und überlegte einen Moment. Konnte er ... ?
 

„Und was möchtest du bereden, Vitek?“
 

Er drehte sich zu Filip um und zog ihn näher an sich heran.
 

„Filip, mein Prinz und Freund, Kamil und ich machen uns Sorgen um dich. Seit Tagen schon bist du mit deinen Gedanken weit weg und deine Stimmung schwankt wie ein Blatt im Wind.“
 

Wirkte der Kerzenschein nur so, oder wurde Filip tatsächlich rot?
 

„Das ist nichts, Vitek. Nur meine Eltern, die wollen dass ich endlich eine Braut wähle. Du weißt genau wie sie sind. Mach dir keine Sorgen. Nach den Bällen wird wieder alles wie es war.“
 

„Oh nein, mein Freund. Wir wissen dass das nicht der einzige Grund ist. Und deshalb haben wir uns entschieden dir zu helfen.“
 

Aus den Augenwinkeln bemerkte Vitek Kamil, der mit großen Schritten die Unbekannte zu ihnen brachte.
 

„Helfen?“
 

Filip war zu recht misstrauisch und doch würde er keine Wahl haben.
 

„Aber ja doch.“
 

Und mit breitem Grinsen drehte Vitek ihn in die Richtung der Tanzfläche und des entgegen kommenden Paares.
 

Es war als hätte jemand die Zeit angehalten. Filips Gesichtszüge entgleisten, wandelten sich zu Schock, Scham und etwas wie Unglauben, als sein Blick auf ihre Hand auf Kamils Arm fiel.
 

Doch auch die Unbekannte stockte in ihren Bewegungen, ihre Augen weit und ihr Blick hektisch als würde sie einen Fluchtweg suchen. Kannten sich die beiden etwa? War etwas passiert, von dem Vitek und Kamil nicht wussten? War das eine gute Idee gewesen?
 

Es war zu spät, ihr Plan war im Rollen.
 

„Darf ich vorstellen, Mylady? Dies ist Eure Majestät, der Prinz.“
 

Zwei steife Verbeugungen wurden ausgetauscht und Filip hauchte einen Kuss auf ihren Handschuh als würde sie jeden Moment zerbrechen.
 

Diese Entwicklung war auf jeden Fall interessant.
 

Kamil fuhr fort: „Diese Bälle sind zu Ehren des Prinzen ausgerichtet. Doch habt Ihr bereits mit ihm getanzt?“
 

Die Unbekannte schüttelte stumm den Kopf. Es war als wüsste sie bereits wohin dieses Gespräch führen würde und sie hatte sich ihrem Schicksal ergeben.
 

„Filip, wie konntest du nur diese Dame vergessen? Bist du wirklich so ein nachlässiger Gastgeber?“
 

Und obwohl Filip nur mit einem Bruchteil aller Damen bei dem Feste getanzt hatte, so konnte sich niemand der beiden dem Druck entziehen, welchen diese Worte mit sich brachten.
 

„Nein, nicht doch ... ich hatte vor ... Mylady? ... es war nur noch nicht ... Mylady? ... wie wäre es ... ein Tanz vielleicht? ... es wäre eine Ehre ...“
 

Filip stammelte und murmelte, doch die Unbekannte war nicht besser. Auf diese kaum verständliche Aufforderung murmelte auch sie eine vage Bejahung und mit einem Mal lag ihre Hand auf seinem Arm und ohne den Blick voneinander zu lassen, marschierten beide auf die Tanzfläche.
 

„Was war das denn?“

Kamil sah den beiden ebenso fassungslos nach, wie sich auch Vitek fühlte.

„Frag mich etwas leichteres.“, murmelte Vitek und wandte sich ab.

Nun war es an Filip etwas aus der Situation zu machen. Er jedenfalls brauchte Wein. Und einen Tanz mit seiner Verehrten.
 

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Aschenbrödel POV
 

Ihre Hand auf seinem Arm fühlte sich an als wäre sie am Brennen. Ebenso wie ihr Gesicht unter ihrem Schleier.
 

Genau solch eine Situation hatte sie vermeiden wollen. Und doch war sie eingetroffen. Würde er sie nun erkennen? Und wenn nicht, was hieß das für ihre Gefühle, welche in diesem Moment ein Rad nach dem anderen schlugen in ihrem Inneren?
 

Sie hatte ihn vermisst. Sein Lachen, seine Vertrautheit, seine Witze und seine Nähe. Dabei war es erst ein paar Tage her seit sie sich im Wald gesehen und geredet hatten. Nun war sie ihm wieder nahe, doch gleichzeitig fühlte sie sich so weit weg wie nur möglich. Obwohl sie bei ihren Treffen Männerkleidung trug, fühlte sie sich jedoch mehr wie sie selbst als in diesem Moment. Und hier war sie für ihn eine Fremde.
 

Aber warum sagte er nichts?

Sie wagte einen Blick in sein Gesicht.
 

Er starrte verkrampft auf seine Füße, während er leise etwas vor sich her sagte. Zählte er?
 

„Zählt Ihr?“
 

Er sah sie an, als hätte sie ihn geschlagen. Was ihm vielleicht sogar lieber gewesen wäre. Sofort kamen sie aus dem Takt, stolperten ein paar Schritte bevor sie wieder in eine einfache, wenn auch stockende Schrittfolge fielen.
 

Noch immer schien er mit einer Antwort zu kämpfen. Schlussendlich befreite sie ihn von dieser Pflicht: „Ich wollte euch nicht in Verlegenheit bringen. Bitte verzeiht mir. Eure Majestät.“

Sein Blick glitt ein weiteres Mal hinunter zu ihren Füßen, als wollte er sichergehen, dass sie das taten was er ihnen aufgetragen hatte. Aschenbrödel versuchte ihm zu folgen so gut es ging, während ihre Gedanken sich überschlugen.
 

„Wenn ich ehrlich bin, beruhigt es mich. So brauche ich mir keine Sorgen machen, wenn ich Euch auf die Füße trete. Und Ihr Euch auch nicht.“
 

Fast schon scheu sah er sie an, ein zaghaftes Lächeln auf den Lippen. War er etwa nervös?
 

„Sollen wir gemeinsam zählen?“
 

Nun musste auch sie lachen.
 

„Das klingt nach einem wunderbaren Plan.“
 

Und sie zählten.



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