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Drei Haselnüsse sind nicht genug

von

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Kapitel 3:
 

Vinzeks POV
 

Die Vorbereitungen für die Bälle waren hektisch und unnötig. Vinzek musste zweimal an demselben Tag in die Stadt fahren, weil der Stoff nicht reichte. Und am nächsten Tag direkt noch einmal weil die Herrschaften sich ihren Schmuck selbst aussuchen wollten. Die Mägde arbeiteten als Schneiderinnen gleichzeitig, seine Frau musste in der Küche beinahe alleine arbeiten und Aschenbrödel war sowohl mit den Frisuren beschäftigt, als auch damit alle Wut und allen Frust aufzufangen, den die beiden Herrinnen hatten.
 

Ein einziges Mal äußerte sie den vorsichtigen Wunsch zumindest an einem Tag mit auf den Ball zu kommen. Ihr Blick als ihre Stiefmutter ihr befahl stattdessen Körner zu sortieren würde Vinzek noch lange verfolgen.

Und dabei wusste er wie unsicher Aschenbrödel selbst war. Als er sie im Stall einmal gefragt hatte ob sie tatsächlich mit auf den Ball wollte, hatte sie sich beinahe verraten: „Ich würde gerne, aber ich weiß nicht ob es ratsam ist. Mutter und Dora wollen mich nicht dabei haben und er . . .“

„Er?“

„Nichts.“
 

Sie schien den Tränen nahe. Aber er konnte ihr nicht sagen, dass Prinz Filip genug wusste. Und vielleicht war es auch besser so. Diese Freundschaft mit einem Prinzen würde nur für ein gebrochenes Herz sorgen. Denn bevor Aschenbrödel dem Prinzen nahe sein konnte, würde ihre Familie sie für immer wegsperren. Und diesmal in einen Turm anstatt als Sklavin in die Küche.
 

Zudem war die Frage, was die beiden jungen Menschen tatsächlich füreinander empfanden. Freundschaft? Liebe? Beide dasselbe oder wurden die Gefühle des einen nicht erwidert? Als was sah der Prinz Aschenbrödel überhaupt? Als Mann? Als Frau? Und warum machte er, Vinzek, sich solche Gedanken um zwei fremde Menschen?
 

Der Ball kam und verging. Die Herrin und ihre Tochter kamen spät nachts glücklich nach Hause, die Gespräche über das Interesse des Prinzen laut genug für alle Bewohner. Und so war es kein Wunder dass Aschenbrödel am Morgen des nächsten Tages freiwillig mit der Wäsche zum Fluss ging um den Beschreibungen der märchenhaften Begegnung zu entgehen.
 

Vinzek tat das Herz weh und doch dachte er wieder: Es wird schon besser so sein.

Und: Wenn das der Geschmack des Prinzen ist, ist es nicht schade um ihn.
 

Doch ein kleiner Teil in ihm fragte sich, was wirklich hinter der Neugierde des Prinzen an Dora stecken mochte. Denn er war sich noch bewusst, dass er seiner Majestät erzählt hatte an welchem Hof er und damit Aschenbrödel war. Und wenn der Prinz nun wusste, dass Dora von demselben Gut kam, sah die Situation bereits ganz anders aus. Oder zumindest ein wenig. Oder er bildete es sich nur ein.
 

Gedankenverloren spannte Vinzek seinen Esel vor den Holzkarren und trieb ihn aus dem Hof in den Wald. Die Herrinnen gaben nicht nur Unmengen für ihre Kleider aus, sondern verbrannten auch noch Holz für eine Großfamilie. Ein Glück, dass genügend Bäume auf dem Land standen . . .
 

„Vinzek! Vinzek!“
 

Ein Schatten hinter einem Baum sprach mit dringlicher, leiser Stimme zu ihm. Misstrauisch blieb Vinzek stehen, die Rute erhoben. Wer konnte das . . . Oh!
 

Prinz Filip wirkte leicht gehetzt als er Vinzek zu sich winkte, die Umgebung genau beobachtend. Das . . . änderte alles. Oder nichts.
 

„Eure Majestät!“
 

„Bitte seid leise.“, drängte der Prinz, das Gesicht wieder im Schatten.
 

„Warum versteckt sich Eure Majestät?“
 

„Was meint Ihr?“, kam die bissige Antwort, „Sicher nicht um von Eurer Herrin entdeckt zu werden.“
 

Also wollte er falsche Signale an Dora vermeiden. Das war beruhigend und beunruhigend zugleich. Denn das konnte nur heißen . . .
 

„Warum war sie gestern nicht auf dem Ball?“
 

Und da war es, was Vinzek gefürchtet hatte.
 

„Sie ...“
 

„Sie?“
 

„Sie befürchtet, dass Eure Majestät sie erkennt.“
 

Prinz Filip blinzelte, als könnte er nicht glauben, was er gehört hatte.
 

„Meint sie tatsächlich, dass ich vor dem ganzen Hof ein Drama veranstalten würde?“
 

„Ich denke sie weiß nicht, dass Euch ihr Geschlecht nicht stört. Und von dem was ich weiß, möchte sie Euch diese Abende auch nicht vermiesen.“
 

Dem ehrenvollen Prinzen entkam ein Schnauben.

Wobei nichts ehrenvolles dabei war, wie er sich im Wald versteckte und Vinzek ansah, als hätte man ihm etwas gestohlen. Diesen Blick sollte Aschenbrödel sehen.
 

Doch schon änderte er sich und Prinz Filip schien sich aufzurichten.
 

„Versucht sie bitte zu überreden. Ich möchte nicht, dass sie sich meinetwegen die Bälle entgehen lässt. Und ich würde mich freuen, sie zu sehen.“
 

Gerade wollte Vinzek dem Prinzen vorschlagen ihr das selbst zu sagen, da fiel ihm siedend heiß ein, dass dieser nicht einmal wusste wer Aschenbrödel wirklich war. Alleine dass er fragte bedeutete, dass er sie zum Adel zählte.
 

Vinzek konnte und würde ihr Geheimnis nicht verraten. Also lügte er und versprach, es ihr auszurichten. Der Prinz würde wohl kaum ein zweites Mal kommen, oder?
 

__________________
 

Filips POV
 

Matej war wieder nicht anwesend.
 

Filip spürte Frust in sich hoch steigen, als er die tanzende Menge betrachtete und das bekannte Gesicht nicht finden konnte. Genügend erwartungsvolle Blicke waren auf ihn gerichtet, kaum ein Gesicht abgewandt.
 

Hatte sie sich irgendwo versteckt? Oder sah sie in Frauenkleidern tatsächlich so anders aus? Nein, ihr Gesicht würde er überall wieder erkennen. Dessen war er sich sicher.
 

Also hatte Vinzek ihn angelogen? Oder hatte sich Matej doch dagegen entschieden am Ball teilzunehmen? Um ihm aus dem Weg zu gehen? Um nicht erkannt zu werden?
 

Dabei hatte er es sich so bildhaft vorgestellt. Wie sie den Saal betrat, die Blicke aller auf sich zog mit ihrem Strahlen. Und er würde auf sie zugehen, nur sie ansehen und sie zum Tanz auffordern. Und ohne etwas zu sagen, würde sie wissen, dass er sie kannte . . . ohne etwas zu sagen.
 

Da hatte er es sich wohl etwas leicht gemacht. Doch jetzt schien es beinahe als wollte sie nicht einmal, dass er wusste, dass sie eine Frau war. Und das war ein härterer Schlag, als er gedacht hatte.
 

Er konnte und würde nicht eher ruhen bevor er nicht wusste was dahinter steckte.
 

Und so kam es, dass er wieder einmal in dem Wald nahe Gut Novac stand und wartete. Auf Vinzek. Der was auch immer für eine Rolle hatte. In Matejs Leben, in seinem eigenen Leben.
 

Er würde sich fragen ob er dem Mann vertrauen könnte, wenn er nicht so verzweifelt auf ihn warten würde. Scheinbar war für ihn bereits alle Hilfe zu spät.
 

Und da kam er auch schon, einen kleinen Handkarren mit Wäsche ziehend. Was für eine Rolle hatte dieser Mann nur? Verwandt war er mit Matej sicher nicht. Ihr Bediensteter? Ein verrückter Onkel?
 

Egal!
 

„Vinzek!“
 

Der Mann zuckte zusammen, als wäre er einem Bär begegnet. Und ähnlich geschockt sah er Filip auch an: Die Augen weit aufgerissen, das Gesicht bleich und der Mund so weit offen, dass Filip alle der zehn krummen Zähne sehen und zählen konnte.
 

„Eure Majestät!“
 

„Matej war nicht da.“
 

Vinzek blinzelte und war einen Moment lang stumm. Schlussendlich fragte er leise: „Warum ist es Euch so wichtig? Warum seid Ihr wieder hier?“ Und nach einem Moment: „Verfolgt Ihr sie?“
 

Eine gute Frage . . .
 

„Wenn sie mich nicht sehen möchte, könnt Ihr mir das sagen. Ich möchte sicher gehen, dass sie nicht ihre Möglichkeiten in der Gesellschaft aufgrund unserer Freunschaft vermindert.“
 

„Aber warum, Eure Majetät? Mit Verlaub, aber was ist Euer Interesse an ihr?“
 

Filip wusste, dass es sich nicht gehörte seine Gefühle mit einfachen Bauern zu besprechen, doch wen hatte er sonst noch? Seinen Freunden konnte er diese komplexen Emotionen mit Sicherheit nicht erklären. Und zumindest wusste Vinzek von Matejs Situation.
 

„Ich versichere Euch, dass ich keine unehren Absichten verfolge. Ich würde sie gerne besser kennen lernen und sie auch außerhalb der Jagd treffen.“
 

„Und Ihr meint, dass dies auf einem Ball möglich ist?“
 

Filip musste lachen. Da hatte Vinzek recht. Er hatte es die letzten zwei Tage erlebt, wie wenig man Menschen auf einem Ball kennen lernen konnte. Wenn man sie noch gar nicht kannte. Doch mit Matej würd es anders sein. Sie kannten sich schon, sie hatten gemeinsame Interessen und Matej versuchte nicht ihm unter alle Umständen zu gefallen.
 

„Wir kennen uns schon. Es wäre nicht nur oberflächlich.“
 

Vinzek betrachtete Filip genau, schien ihn zu beobachten wie ein Raubtier sein Opfer.
 

„Wenn Eure Majestät auch nur die Anstalt macht sie zu benutzen, werdet Ihr nicht mehr sicher sein. Weder in Eurem Schloss, noch auf Eurem Pferd. Ich werde Euch finden, habt Ihr verstanden?“
 

Das war das erste Mal, dass jemand, mit Ausnahme seines Vaters, ihm gedroht hatte. Und im Gegensatz zu seinem Vater wusste Filip, dass diese Drohnung ernst gemeint war. Jedes einzelne Wort.
 

Er schluckte.
 

„Ich verspreche Euch, dass Ihr die Erlaubnis dazu habt, sollte ich ihr Vertrauen missbrauchen.“
 

Vinzek war weiterhin grimmig, aber nickte.
 

„Nun sagt mir bitte, wie kann ich Matej treffen? Oder warum kommt sie nicht zum Ball?“
 

„Sie ist sich immer noch unsicher, Eure Majestät. Und dazu hat sie nicht einmal ein passendes Ballkleid.“
 

„Das ist ihr Problem?“
 

Filip war ungläubig. Wie konnte sie kein Ballkleid haben? Doch dann dachte er an Dora und ihre Kleidung. Wenn schon die Gutsherrinnen kaum anständige Kleidung hatten, wie sollten sie da für die Cousine etwas übrig haben?

Das würde er ändern.
 

„Versucht sie zu überreden, ich bitte Euch, Vinzek. Ich werde mich um das Kleid kümmern. Wohin soll ich es bringen lassen?“
 

Vinzek schien zu überlegen. Ob aus Überraschung oder Misstrauen war nicht zu erkennen. Und nach einem Moment erklärte er: „Südlich von hier ist eine alte Jagdhütte. Sie gehört zu diesem Gut und ist doch ungenutzt seit dem Tod des letzten Herren. Lasst das Kleid in der Hütte ablegen und ich werde es ihr bringen.“
 

Und so ward es geschehen.
 

_______________________
 

Der Ballabend des dritten Tages begann wie alle anderen Bälle auch.
 

Ein Ansager begrüßte die Gäste, welche in Reih und Glied an König, Königin und Filip vorbei gingen, sich verbeugten und das ein oder andere Wort mit ihnen austauschten.
 

Noch war Matej nicht dabei, doch Filip übte sich in Geduld. Dass sie ihren Namen nicht preisgeben wollen würde, hatte er erwartet. Nicht in der Öffentlichkeit, wenn er doch eigentlich noch nichts von ihrem Geheimnis wusste.
 

Nervös war er trotzdem. Weil er hoffte, dass sie kommen würde? Weil er sich unsicher war, was passieren würde? Weil sie sein Kleid tragen würde? Dabei hatte er sich vorgenommen sie noch nicht anzusprechen, sondern ihr den Raum zu geben sich wohl zu fühlen.
 

Und da geschah es.
 

Eine Schimmer in Grün in seinem Augenwinkel ließ Filip aufmerksam werden. Und dort war sie. Dort war zumindest das Kleid, welches er für sie hatte bringen lassen. Das blasse Grün ließ sie unwirklich scheinen. Eine einzelne Locke fiel aus den hochgesteckten Haaren an ihrem Hals entlang auf die Schulter und Filip musste schlucken.
 

Es war Matej und doch gleichzeitig wieder nicht. War er sich überhaupt selbst sicher? Sie hatte ein leichtes Tuch vor ihr Gesicht gebunden, so dass nur ihre Augen zu sehen waren. Doch das war einerlei, denn Filip erkannte sie, war sich so sicher wie noch nie in seinem Leben. Sie mochte keine Männerkleidung tragen und ihre Haare nicht unter einer Kapuze verstecken, das war egal, denn er kannte sie. Und es drängt ihn zu ihr hin als würde davon abhängen.
 

Warum hatte sie noch niemand bemerkt? Warum ging kein Raunen durch die Menge als wäre eine leibhafte Prinzessin erschienen? Warum drehte sich niemand nach ihr um, als könnten sie nicht wegsehen? Denn Filip konnte es wahrlich nicht, egal wie sehr er sich vorgenommen hatte sie nicht zu verunsichern.
 

„Filip? Filip!“
 

„Ja?!“
 

Er war sich sicher sein Kopf war hoch rot, als er sich umdrehte und seinen Freunden gegenüber stand. Kamil versuchte grinsend hinter ihn zu sehen: „Wer hat dir denn deinen Verstand verdreht? Ist es doch endlich passiert?“
 

Vitekt dagegen wirkte gelangweilt: „Als ob! Bei den Anwesenden hat er sich wohl eher gegruselt!“
 

Filip wollte widersprechen, doch er konnte diese perfekte Ausrede nicht vernichten.
 

„Also Vitek, ganz so schlimm . . .“

Und schon hatten sie angebissen!

„Ganz so schlimm ist es nicht? Machst du Witze? Ich habe vorhin eine Dame mit so einem grässlichen Gelb gesehen, dass mir schwindelig wurde. Und habt ihr die Frau mit dem Schirm auf dem Kopf entdeckt? Sie trägt ihn seit drei Tagen! Und ihre Tochter erst!“

Kamil nickte vehement: „Habt ihr schon mit der Riesin getanzt? Ich hatte kein einziges Mal meine Füße auf dem Boden während dieser halben Stunde!“

„Aber zumindest kann sie tanzen . . .“

„Zumindest . . . wie bitte?“

Kamil und Filip starrten Vitek an, welcher mit einem Mal fasziniert den Boden betrachtete. Das war doch nicht möglich!
 

Und als sie ihren Freund verhörten und langsam zum Buffet schlenderten, blickte Filip noch einmal aus dem Augenwinkel zurück. Matej stand am Rand und beobachtete die Tanzenden, den Schleier weiterhin im Gesicht. Und doch konnte Filip das Lächeln erkennen.

Es war genug um sein Herz zu füllen.



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