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A New Life

von

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Informationslos

Es war die erste Nacht seit langem, in der Chris wirklich ruhig und friedlich schlafen konnte.

Vielleicht lag es an den Gesprächen vom Vortag, mit Miss Williams und Piers, vielleicht wirkte diese eine Tablette schon ein wenig, oder es lag schlicht und ergreifend daran, dass sein Liebster hier neben ihm lag, eng an ihn gekuschelt, tief schlafend, am Leben, gesund...

Natürlich hörte Chris jetzt nicht einfach auf, sich Sorgen oder Vorwürfe zu machen, so einfach ging das nun einmal nicht. Aber er fühlte sich schon jetzt besser, geborgener, und er wusste, dass er sich immer auf den Jüngeren verlassen konnte, dass dieser immer für ihn da sein würde.

Er vertraute Piers, ebenso wie dieser ihm vertraute, und der Captain wollte dieses Vertrauen auch nicht zerstören. Er wollte ehrlich sein, wenn es besser wurde, aber auch, sollte es schlimmer werden oder sich gar nicht wirklich ändern.

Und auch, wenn es ihn so sehr in den Fingern juckte, los zu ziehen, um herauszufinden, wer Piers entführt hatte, um an das Virus zu kommen, er würde es nicht tun. Er würde sich brav zurückhalten, ganz gleich, wie schwer es ihm auch fallen mochte.

Bisher schien keine akute Gefahr von dieser Person auszugehen, und Chris wusste, dass die B.S.A.A. sich um die Sache kümmerte. Nur wenn es wirklich nicht anders ging, würde man ihn um Rat bitten. Und sollte das der Fall sein, würde er sich natürlich unverzüglich anbieten, ebenso wie Piers.

Piers...

Miss Williams hatte Chris ihr Okay gegeben und den Vorgesetzten klar gemacht, dass er theoretisch wieder einsatzbereit war, doch was den Jüngeren anging, hatte bisher niemand etwas gesagt, und Chris selber hatte in all der Aufregung und Sorge auch nicht daran gedacht, das Thema anzusprechen.

An sich sah er keinen Grund, den Scharfschützen nicht ebenfalls wieder auf Missionen zu schicken, aber es war gut möglich, dass man das da oben anders sah.

Zwar hatten sie momentan Ruhe vor dem Virus, aber sie wussten nicht, ob die Gefahr wirklich zu 100 Prozent gebannt war. Piers konnte eventuell ein Risiko für sich selber und andere Soldaten darstellen, ebenso für Zivilisten.

Aber konnten sie das nicht im Grunde alle? Konnte nicht jeder von ihnen auch auf einer Mission infiziert werden und andere angreifen?

Chris nahm sich vor, nach dem Frühstück das HQ zu kontaktieren.

Er wollte wissen, ob man sich irgendwelche Gedanken über dieses Thema gemacht hatte, und auch, ob es Neuigkeiten bezüglich der Entführer und des gesprengten Labors gab.

Zwar hatte man ihm bisher jegliche Informationen verweigert, aber vielleicht konnte er ja überzeugend klarmachen, dass er wirklich nur Infos wollte und sich brav raushalten würde.

Ob man ihm das wirklich glaubte, war natürlich eine andere Sache.
 

Aber nun hatte Chris diese Gedanken ohnehin erst einmal beiseitegeschoben, denn Piers neben ihm regte sich etwas, murrte leise, drückte das Gesicht gegen seinen Rücken und murmelte irgendetwas, das nach 'Mach das Licht weg' klang.

"Kann ich nicht weg machen, nennt sich Sonne. Gegen die bin selbst ich machtlos", erwiderte der Ältere nun mit einem leichten Grinsen, drehte sich etwas und betrachtete seinen Liebsten, der nun langsam die Augen aufschlug und ihn anblinzelte.

Für gewöhnlich war Piers ein Frühaufsteher, aber vermutlich war er momentan sehr froh, einfach mal ausschlafen zu können, ohne sich allzu viele Gedanken zu machen.

"Du siehst ausgeruht aus."

"Bin ich auch. Ich glaube... ich habe zum ersten Mal seit China wirklich durchgeschlafen und gut geschlafen, ohne Albträume..."

"Ohne Albträume? Wirklich?", hakte Piers nach, erst etwas kritisch, da er nicht wusste, ob Chris tatsächlich die Wahrheit sagte.

Aber da lag keine Lüge in den Augen des Soldaten, und er wirkte wirklich sehr frisch und ausgeruht. So hatte Piers ihn lange nicht gesehen, vielleicht noch nie.

"Dann bin ich erleichtert. Und das heißt auch, dass es wirklich Hoffnung gibt. Vielleicht bist du diese Albträume bald ganz los, und alles ist wieder gut. So gut es eben sein kann. Vergessen werden wir das alles vermutlich nie."

Das hoffte Piers zumindest sehr, dass alles wieder halbwegs gut wurde, und er war froh, dass sich Chris nun wirklich helfen ließ, von ihm, und auch von Miss Williams und den Tabletten.

Keiner von ihnen konnte Wunder vollbringen, aber solche schienen auch gar nicht nötig zu sein, wie es schien. Es reichte offenbar schon, sich ein wenig zusammen zu reißen und, vor allen Dingen, sich überhaupt schon mal einzugestehen, wie nötig man die Hilfe wirklich hatte.

Chris hatte sich darauf eingelassen, und das allein hatte sie schon ein ganzes Stück weitergebracht.

Sie wussten beide, dass noch einiges an Arbeit vor ihnen lag, und dass die ganze Sache nicht von jetzt auf gleich vorbei war, auch wenn es wirklich gut aussah und Chris diese Nacht keine Albträume gehabt hatte.

Es gab trotzdem noch viel zu tun, und es konnte durchaus Rückschläge geben. Und auch bei den Tabletten konnte man nicht sicher sagen, welche Nebenwirkungen sie vielleicht hatten.

Piers war optimistisch, aber ebenso realistisch. Er wollte auf jeden Fall für alle Eventualitäten vorbereitet sein.

"Sollen wir etwas frühstücken?", fragte Chris nach einer Weile und riss den Jüngeren damit aus dessen Gedanken.

"Gerne. Wir haben gestern Abend ja gar nichts mehr gegessen", erwiderte der Gefragte, und er errötete ein klein wenig, als sein Magen leise zu knurren begann.

Ein erneutes Grinsen huschte daraufhin über Chris' Lippen, und er hauchte Piers einen Kuss auf die Stirn, ehe er sich erhob, leicht streckte und das Gesicht verzog.

"Wird echt Zeit, dass wir mir ein neues Bett zulegen, damit du bei mir schlafen kannst."
 

"Auch mit dir?"

Chris hielt in der Bewegung inne, und für einen Moment huschten wieder die Bilder durch seinen Kopf, die Bilder von vor einem Monat.

Piers war zu ihm ins Schlafzimmer gekommen und hatte sich ihm sehr offensichtlich angeboten, augenscheinlich, um ihn versöhnlich zu stimmen.

Chris war, trotz seiner nicht sonderlich guten Laune, mehr als bereit gewesen, mit dem Scharfschützen intim zu werden, doch letztendlich hatte sich herausgestellt, dass dieser zu dem Zeitpunkt nicht Herr über seinen Körper gewesen war, und der Ältere hatte sich schließlich gegen ihn wehren müssen.

Es war nicht so, dass Chris seitdem keine Lust mehr hatte, mit Piers zu schlafen, aber jedes Mal, wenn dieser ihm näherkam, wenn sich da etwas anzubahnen schien, kamen die Erinnerungen an diesen Abend zurück, und mit ihnen auch die anderen.

Piers hatte nie etwas dazu gesagt, er war auch nicht verletzt gewesen.

Chris hatte ihm, nachdem der junge Soldat wieder er selbst gewesen war, ja erklärt, was geschehen war, und da hatte er auch den Teil vor dem Erwürgen nicht ausgelassen.

Piers konnte sich also vermutlich denken, dass sein Liebster einfach noch etwas Zeit brauchte. Und diese Zeit sollte er bekommen.

Und selbst, wenn sie nie intim miteinander wurden, es würde nichts an Piers' Liebe zu Chris ändern, er würde ihn dann nicht einfach verlassen oder sich den Sex woanders holen, so war er nicht.

Aber natürlich sehnte er sich dennoch nach dieser sexuellen Nähe, und er wusste, dass es seinem Captain an sich nicht anders ging. Er war vor einem Monat bereit gewesen, das war Beweis genug.

"Entschuldige, ich wollte nicht..."

Doch Chris schüttelte den Kopf, drehte sich zu Piers um und fuhr sich leicht durch die etwas strubbeligen Haare. Wurde Zeit, dass er sie mal wieder ein wenig stutzte.

"Ich möchte mit dir schlafen, Piers. Das möchte ich unbedingt. Aber bisher... bisher haben mich die Erinnerungen und Albträume davon abgehalten, und ich hätte dir vermutlich nur den Spaß an der ganzen Sache verdorben. Es wird besser werden, das verspreche ich dir. Ich denke... ich denke, dass wir es vielleicht... heute Abend versuchen könnten?"

Nun war es Chris, der ein wenig rot geworden war und sich verlegen den Nacken rieb.

Das sah niedlich aus, aber irgendwie auch so ungewohnt. Der große, muskulöse Chris Redfield, stark wie ein Bär, stand da wie ein verliebter, schüchterner Teenager-Junge.

Piers konnte nicht anders, als zu grinsen, und schließlich musste er sogar ein wenig lachen, was dem Captain ein leises Murren entlockte.

"Machst du dich etwa über mich lustig?", schnaubte er, klang aber nicht wirklich beleidigt, sondern schien eher zu versuchen, sich selber ein Lachen zu verkneifen.

"Vielleicht.. ein klein wenig...", grinste Piers, ehe er ebenfalls aufstand, Chris noch einen kurzen frechen Blick zuwarf, und dann ins Badezimmer verschwand, um sich ein wenig frisch zu machen und wacher zu werden.
 

Anschließend kümmerten sie sich um das Frühstück, damit ihre knurrenden Mägen ruhiggestellt wurden.

Der Duft von Kaffee strömte durch das Haus, die frischen Brötchen dampften, als Piers sie aus dem Backofen holte, und Chris hatte den Tisch bereits gedeckt, mit Wurst, Käse, Marmelade, Eiern, frischem Obst und Saft.

Sie aßen in Ruhe, ließen sich Zeit und unterhielten sich währenddessen ein wenig, überlegten, was sie die nächsten Tage so machen sollten.

Seit Piers aus dem Krankenhaus entlassen worden war, hatte er das Haus kaum verlassen, Chris hatte das verboten. Und da der Jüngere Streit hatte vermeiden wollen, hatte er sich brav gefügt. Der Captain hatte nun einmal Angst um ihn gehabt, und Piers hatte es nicht schlimmer machen wollen, indem er sich irgendwie aus dem Haus schlich oder so einfach raus ging.

Doch nun da sie dieses Thema besprochen hatten, nun da Chris einsah, dass er es eindeutig übertrieb, nun da er sich endlich mit seinen Problemen helfen ließ, war er auch bereit, Piers wieder in die Welt hinaus zu lassen.

Seit seiner Entlassung war es ruhig geblieben, er war fit und schien nach wie vor alleine in seinem Körper zu sein, sodass das Risiko nicht allzu groß war.

Und Chris konnte und wollte seinen Liebsten auch nicht länger hier einsperren, nur weil er sich Sorgen um ihn machte.

Er vertraute dem Jüngeren, er wusste, dass dieser Bescheid geben würde, wenn irgendetwas war, egal was.

Und so überlegten sie nun eben, wie sie sich die Zeit vertreiben konnten.

Schwimmen gehen schlug Piers vor, um fit zu bleiben, und weil es Anfang September nun einmal immer noch verdammt warm werden konnte, und eine kühle Erfrischung da definitiv nicht schadete.

Chris willigte ein, entschied aber, sich dazu trotz allem erst einmal einen eher abgelegenen See zu suchen.

Zwar war bisher alles ruhig geblieben, und es schien wirklich so, als sei das Virus endgültig weg, aber der Captain wollte kein unnötiges Risiko eingehen.

Piers hatte das Haus bisher nur zum Einkaufen verlassen, und um zu Miss Williams zu fahren.

Den Rest der etwa zwei Wochen, die er bisher bei Chris war, hatte er zu Hause verbracht, höchstens mal draußen im Garten.

Große Menschenmengen konnten von daher ein Risiko darstellen, falls das Virus doch noch da war, und sie konnten es triggern, falls es da, aber inaktiv war.

Ganz abgesehen davon hatte Chris selber zurzeit kein Interesse daran, groß unter Leute zu gehen.

Er wollte seine Zeit mit Piers genießen und musste auch immer noch all die Schrecken verarbeiten.

Zwar ging es ihm heute schon besser, und er konnte sich leichter ablenken, aber wegen eines Gesprächs und einer kleinen Tablette war das alles noch lange nicht vergessen oder egal.

Es nagte nach wie vor an ihm, und er wusste nicht, ob ihn größere Menschenmengen nicht verunsichern würden, ob er nicht vielleicht durch irgendetwas eine Panikattacke oder dergleichen erleiden konnte.

Piers hatte dagegen auch nichts einzuwenden, sondern fand es selber sinnvoll, erst einmal vorsichtig zu sein und nichts zu überstürzen.

Zudem klang ein abgelegener See auch viel romantischer und war auch sonst angenehmer. Gerade an heißen Tagen wie dem heutigen, an denen sich die Menschen an größeren und öffentlichen Seen nur so tummelten.

Weder Chris, noch Piers waren Freunde von solchen Seen oder Freibädern, bei denen man erst einmal stundenlang nach einem Liegeplatz suchte, um sich dann irgendwie zwischen ein dauerknutschendes Liebespaar und eine Großfamilie mit Kleinkindern zu quetschen, und anschließend dort liegen zu bleiben, weil es auch im Wasser selber einfach zu voll war.

Nein, dann lieber ein kleiner See, irgendwo weit draußen, wo man ungestört war und einfach mal abschalten konnte. Denn das war es, was die beide brauchten. Ablenkung, ja. Aber keinen unnötigen Tumult.
 

Nachdem also zumindest schon mal eine Aktivität geplant war, aßen sie erst einmal in Ruhe weiter, räumten nach dem Frühstück alles wieder weg, und Chris rief nun, wie zuvor geplant, beim HQ an, um um Informationen zu bitten. Das Thema Piers wollte er nun aber doch erst einmal verschieben.

Er wusste, dass es irgendwann unausweichlich war, aber es eilte auch nicht wirklich, und er wollte sich selber und dem Jüngeren nicht den Tag verderben, wenn ihn das, was er zu hören bekam, ebentuell wütend machte, oder wenn er stundenlang diskutieren musste. Und Informationen zu Piers' Entführung zu bekommen, war vermutlich ohnehin schon genug Ärger für ein Telefonat. Chris wusste, dass er diese nicht einfach so bekommen würde, hoffte aber, überzeugend genug zu sein, am Ende doch das Ein oder Andere zu erfahren.

Piers hatte sich dazu entschieden, die Betten neu zu beziehen und die Wäsche zu machen, damit Chris in Ruhe telefonieren konnte, und so hatte der Ältere sich mit dem Telefon ins Wohnzimmer gesetzt und etwas zurückgelehnt, und wartete nun darauf, dass jemand ran ging.

Einige Male klingelte es, dann wurde der Hörer auf der anderen Seite abgehoben, und an der etwas genervten Stimme des Gesprächspartners war Chris schnell klar geworden, dass man wusste, wer hier anrief.

Der Kerl wollte ihn auch gleich abwimmeln, doch Chris‘ Stimme wurde etwas schärfer, und er verlangte regelrecht, dass ihm zugehört wurde.

Der Mann am anderen Ende der Leitung verstummte erst einmal, dann war ein resignierendes Seufzen zu hören, und Chris atmete innerlich etwas auf.

„Captain Redfield, Sie haben Urlaub, Sie sollen sich erholen, sollen auf Mr. Nivans achten, Sie werden hier nicht…“

Doch Chris unterbrach den Mann sofort, atmete tief durch und beugte sich etwas nach vorne, starrte den schwarzen Bildschirm des ausgeschalteten Fernsehers an.

„Ich weiß, ich weiß. Ich habe auch nicht vor, mich einzumischen. Wirklich nicht. Aber können wir nicht wenigstens Informationen bekommen, irgendetwas? Es geht hier immerhin um Piers, um seine Sicherheit. Und wie soll ich denn auf ihn aufpassen, wenn ich rein gar nichts weiß?“

Das war ein gutes Argument, das würde auch sein Gesprächspartner einsehen müssen.

Und Chris sagte ja auch die Wahrheit. Er hatte sich damit abgefunden, erst einmal nichts tun zu dürfen. Aber er wollte wenigstens auf dem Laufenden gehalten werden.

Wieder Schweigen am anderen Ende, ein erneutes Seufzen, noch einmal Stille.

„Wir wissen nach wie vor nicht, wer hinter alledem steckt. Selbst wenn wir wollten, könnten wir Ihnen also nichts sagen. Professor Chambers hat uns die Daten von Professor Jackson zukommen lassen, aber damit haben wir nur die Infos, die Sie ohnehin schon hatten. Und auch Miss Valentines‘ Informationen bezüglich Umbrella, Tricell und Albert Wesker sind nichts, das Sie nicht selber schon wussten. Wir tappen noch immer im Dunkeln, wer auch immer hinter alledem steckt, ist ein Profi, und jemand, der sich um jeden Preis in Dunkelheit hüllen will. Bisher gab es keine weiteren Vorfälle, keine Outbreaks, nichts. Das heißt, dass unser Gegner sich entweder ruhig verhält, oder dass die Explosion im Labor nicht ganz planmäßig verlief.“

„Sie meinen… Der Verantwortliche könnte bereits tot sein?“

„Könnte, ja. Aber wir werden uns selbstverständlich nicht darauf verlassen. Die B.S.A.A. und die D.S.O. arbeiten momentan zusammen, um an neue Infos zu kommen, aber momentan sieht es nicht so aus, als hätten wir sonderlich großen Erfolg…“
 

Nun schwieg auch Chris einige Momente lang, schloss die Augen und presste die Lippen zusammen.

Da hatte man sich endlich so einfach überreden lassen, ihm mitzuteilen, was man wusste, und dann war es im Grunde gar nichts. Und wegen diesem Garnichts hatte man sich bisher so geziert?

Aber der Brünette wusste natürlich, warum man wirklich geschwiegen hatte. Eben, damit er selber nicht versuchte, zu helfen, sich einzumischen.

Es juckte ihn in den Fingern, klar, das war ja auch kein Wunder, aber er konnte sich zusammenreißen, weil er es musste.

Momenten schien Piers zumindest nicht in unmittelbarer Gefahr zu schweben, und Chris war sicher, dass man ihn in Zukunft informieren würde, wenn man doch etwas Neues wusste.

Zumindest war es das, worum er seinen Gesprächspartner nun bat.

Dieser zögerte erst, sagte dann jedoch zu und versprach es sogar, als Chris noch etwas eindringlicher wurde und klarmachte, dass er es wirklich ernst meinte.

Er wusste nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund war er sicher, dass der Verantwortliche für Piers‘ Entführung nicht bei der Explosion gestorben war, auch, wenn einiges darauf hindeutete.

Bisher war niemand zu ihnen gekommen, um den jungen Soldaten noch einmal zu entführen oder auszuschalten, es hatte keinen Ausbruch gegeben, keinerlei Spuren führten irgendwo hin.

Dennoch… ein Gefühl sagte dem Captain, dass es noch lange nicht vorbei war, dass das hier nur die Ruhe vor dem Sturm war.

„Ich glaube nicht, dass Derjenige, der hinter alledem steckt, tot ist“, teilte er dann auch dem Mann am anderen Ende der Leitung mit, und er lehnte sich wieder etwas zurück und blickte nachdenklich durch den Raum.

„Seien Sie vorsichtig, geben Sie Bescheid, wenn irgendetwas ist. Und wenn etwas Schlimmes passiert, etwas Großes… dann beziehen Sie uns mit ein. Es ist gut möglich, dass sich hier etwas ganz Übles anbahnt, etwas, bei dem wir jeden Mann und jede Frau brauchen.“

Wieder Schweigen, wieder ein Seufzen, und man konnte richtig spüren, dass Chris‘ Gesprächspartner fast etwas genervt war von diesen dramatischen Worten.

„Wir halten Sie auf dem Laufenden, das ist fürs Erste das Einzige, das ich versprechen kann. Einen schönen Tag noch.“

Und noch ehe der Captain noch irgendetwas hätte sagen können, hatte der Kerl auch schon aufgelegt.

Seufzend ließ er das Telefon in seinen Schoß fallen, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen.

Man schien seine letzten Worte nicht sonderlich ernst zu nehmen, und irgendwie konnte er das auch verstehen.

Aber da war eben dieses Gefühl, dieses mulmige, seltsame Gefühl in seiner Magengegend, und bisher hatte er sich auf so etwas eigentlich immer verlassen können.

Irgendetwas stimmte hier nicht. Oder wünschte er sich das einfach nur?

Wollte er etwa, dass irgendetwas passierte, damit man ihn wieder einbezog?

Nein. Niemals hätte Chris sich so etwas gewünscht. Lieber verrottete er hier tatenlos, als dass etwas passierte.
 

„Gibt es was Neues, Chris?“, hörte der Soldat nun Piers‘ Stimme hinter sich fragen, und er öffnete die Augen wieder und blickte zu dem jungen Mann, der sich etwas über ihn gebeugt hatte und ihn leicht kritisch musterte.

„Nicht wirklich…“

„Kein Glück gehabt?“

„Doch… und nein…“

Chris schüttelte den Kopf, legte das Telefon von seinem Schoß auf den Tisch und beugte sich wieder etwas nach vorne, wobei er die Hände verschränkte und auf seinen Knien ablegte.

„Man war bereit, mir Infos zu geben, so ist es nicht, nur… es gibt keine. Keine Spur von Demjenigen, der deine Entführung und die Experimente veranlasst hat, keine Ausbrüche, keine Regungen, nichts… Es ist, als wäre es einfach vorbei, als gäbe es niemanden mehr.“

„Aber das glaubst du nicht?“

„Nein.“

Chris schüttelte den Kopf und blickte kurz neben sich, als der Jüngere sich auf die Couch sinken ließ und etwas an ihn lehnte.

„Ich auch nicht“, gab er zu, schloss die Augen und legte den Kopf auf Chris‘ Schulter ab.

„Ich versuche die ganze Zeit, mich wenigstens an irgendetwas zu erinnern, aber da ist einfach nur Schwärze. Keine Gesichter, keine Namen, ich weiß nicht einmal mehr, wie der Raum aussah, in dem ich lag. Wenn ich mich nur erinnern könnte, vielleicht würde uns das irgendwie helfen…“

„Vielleicht, ja. Aber versuche nicht, es zu erzwingen. Man hat dir damals vermutlich alle möglichen Substanzen verabreicht, damit du nichts mitbekommst, damit dein Gedächtnis beeinflusst wird. Dass du dich nicht mehr erinnerst, ist also nicht deine Schuld, und vielleicht gibt es auch Dinge, die besser vergessen bleiben.“

Leicht hob Piers den Kopf an und runzelte bei diesen Worten die Stirn.

„Wie meinst du das?“, wollte er wissen, legte den Kopf gleich wieder ab, drehte ihn etwas und hauchte seinem Liebsten einen sanften Kuss auf die Schulter, während er nun selber kurz die Augen schloss.

„Denkst du, dass ich vielleicht gefoltert wurde oder so?“

„Es wäre möglich. Und dann wäre es besser, wenn das vergessen bleibt…“

Damit hatte Chris natürlich Recht, aber Piers wollte sich erinnern, wollte helfen können.

Sicherlich hatte er dort im Labor etwas gesehen, das ihnen weitergeholfen hätte. Irgendwelche Geräte, Gesichter, Namensschilder oder irgendetwas in der Art.

Aber ganz gleich, wie sehr Piers sich auch konzentrierte, wie sehr er es auch versuchte, wie sehr er sich auf das fokussierte, was er noch wusste, es brachte einfach nichts, und das ärgerte ihn.

Er war dort gewesen, im Labor, er war immer wieder mal bei Bewusstsein gewesen, das wusste er. Piers war der Einzige, der vielleicht irgendwelche hilfreichen Infos hatte, und ausgerechnet an diese kamen sie nicht heran.

Aber Chris hatte Recht. Er durfte nicht versuchen, es zu erzwingen. Vielleicht kamen die Erinnerungen irgendwann von selber zurück, vielleicht auch nicht.

Jetzt mussten sie einfach erst einmal auf die Arbeit von B.S.A.A. und D.S.O. vertrauen und hoffen, dass diese irgendetwas Hilfreiches fanden.

Und er selber und Chris sollten nun das tun, wozu sie verdonnert worden waren: Sich erholen und ihre freie Zeit genießen, so gut es nur ging.



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