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Crazy like a skull

Das Paradies hat einen Haken
von

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Kidnapping


 

1
 

Ein paar Monate sind ins Land gezogen, in denen die Mitglieder von Team Skull ihre zahlreichen Niederlagen gegen Sun Revue passieren lassen haben. Nach Bromley’s verlorenem Kampf haben schließlich auch die Rüpel den Mut gefunden, ganz offen über ihre Fehlschläge zu reden, sodass Fran und der Weißhaarige mittlerweile bestens im Bilde sind. Inzwischen sind auch Samantha und die Æther mit dem kleinen Bengel bekannt und teilen eine ganz ähnliche Meinung wie das Team: der Junge muss aus dem Weg geräumt werden und ein für alle Mal eine Lektion bekommen, die er so schnell nicht wieder vergisst! Von Gladio, der Sun mehr oder weniger folgt, ihn öfter zu irgendwelchen Kämpfen herausfordert und ihm etliche Dinge erzählt, um ihn möglichst in die gewünschte Richtung zu steuern, wissen sie, dass der Schwarzhaarige sich nun im Dorf der Kapu aufhält, um sich dort auf seine nächste Prüfung im verlassenen Laden vorzubereiten. Doch so weit wird es nicht kommen. Der Käfer-Trainer hat einen Plan ausgeheckt, der das nervige Balg direkt ins Messer laufen lassen soll...
 

So warten die Rüpel ab, bis sich der Bengel vom hiesigen Captain praktisch direkt in ihre Arme führen lässt. Unweit vom Dorf gibt es ein Gebäude der Æther, das einer Art Kindergarten gleichkommt, wo die Jüngsten an den Umgang mit Pokémon herangeführt werden. Der Captain ist oft in diesem Æther-Haus und kümmert sich um die Kinder und Pokémon. Lässt es sich daher auch nicht nehmen, Sun und seinen Begleitern Lilly und Tali die Einrichtung zu zeigen, ehe es Zeit für die Prüfung der beiden Jungs wird. Allerdings muss der Captain vorher noch etwas erledigen, weshalb sie Lilly und die Anwärter allein im Haus zurücklässt, um sie später wieder abzuholen. Allerdings ahnt sie nicht, dass Team Skull nur auf diesen Moment gewartet hat. Zum Glück ist Gladio nicht auch noch hier, sonst hätte er sicher etwas dagegen, dass die Rüpel frech zu seiner kleinen Schwester werden könnten und das würde den ganzen Plan erheblich gefährden. Auch, wenn er ihr hundert Mal gesagt hat, dass sie sich nicht solch einer Gefahr aussetzen soll, wo sie doch kein Trainer ist und das geheimnisvolle Pokémon in ihrem Besitz nicht in der Lage ist, sie zu beschützen. Doch natürlich hört sie nicht auf ihn und sieht Sun als einen guten Beschützer an, der ihr mittlerweile schon oft aus der Patsche helfen musste. Allerdings gestaltet sich das Ganze diesmal doch etwas schwieriger für den aufgeweckten Trainer.
 


 

2
 

Nachdem sich der Captain von ihnen verabschiedet hat, tritt Lilly aus dem Æther-Haus heraus, um die noch frische Luft dieses Vormittags zu genießen. Geistesgegenwärtig redet sie mit dem Pokémon in ihrer Handtasche, das darin herumzappelt, da es ganz offensichtlich auch heraus möchte. Doch das kann die junge Blondine keinesfalls zulassen, zu große wäre die Gefahr, dass es jemand sehen könnte und dadurch Chaos ausbricht. „Nun beruhige dich doch bitte wieder!“, weist sie das Pokémon an, das weiterhin in der Tasche zappelt. Auf einmal taucht jedoch eine Gestalt vor ihr auf und versucht nach dem Träger der Tasche zu greifen. Erschrocken weicht Lilly zurück und stellt mit Entsetzen fest, dass es sich bei dieser Gestalt um einen Skull-Rüpel handelt.
 

„Was soll das? Lass das bitte…“, fordert sie ihn nicht sonderlich überzeugend auf und versucht dabei die Tasche aus seiner Reichweite zu halten. „Was’n? Deine Handtasche hat sich plötzlich bewegt, da wird man doch wohl noch neugierig sein dürfen! Es könnt‘ ja ‘n seltnes Pokémon drin sein. Die klauen wa‘ nämlich, um uns ‘was dazuzuverdienen! Aber auch weniger seltne Pokémon bringen Geld ein, also lass ma‘ rüberwachsen!“, fährt sie Flo keck an und versucht abermals die Tasche zu fassen zu bekommen. In diesem Moment werden jedoch auch die beiden Jungs wie geplant auf das Ganze aufmerksam und kommen flugs aus dem Haus heraus. „Sun! Tali!“, entkommt es Lilly mit einem sichtbaren Anflug von Erleichterung. „Was ist denn hier los?“, fragt der Enkel von Hala auch sogleich, doch seine Worte gehen einfach unter. „Schon klar. Jetz‘ komm‘ die mutigen Trainer, die das Mädel in Not beschützen. Aber die Tour vermasseln wa‘ euch, wartet’s nur ab!“, kommt es schnippisch von Cameron, der sich auch sofort auf Tali stürzt. Flo tritt der weilen gegen Sun an.
 

„Gleich biste nich‘ mehr so mutig, du Hosenscheißer!“, gibt der Rüpel garstig von sich und schickt sein Pokémon in den Ring. Dabei handelt es sich um ein Traumato, das sich mit hypnotisch anmutenden Bewegungen auf dem Feld vor dem Haus manifestiert. Sun lässt sich jedoch nicht vom Gerede des anderen beeinflussen und setzt sein Snobilikat ein. Fauchend tritt der Kater seinem Gegner gegenüber. „Dein Fellball hat keine Chance gegen mich und mein‘ Bro Traumato! Los, Giftwolke!“, gibt Flo siegessicher von sich. Die dichte, lila Wolke breitet sich augenblicklich auf dem Kampffeld aus und hüllt den Kater in sich ein. Erschrocken weichen Lilly und Sun zurück. Tali und Cameron sind jedoch weit genug von ihnen entfernt und kümmern sich daher nicht darum. Sun erinnert sich allerdings noch sehr gut an seinen Kampf mit Fran, die ebenfalls zu allererst diese Attacke eingesetzt hat, von daher weiß er nur zu gut, was das bedeutet.
 

Und er behält recht damit. Getroffen mauzt sein Snobilikat auf, während sich das Gift in seinem Körper ausbreitet und ihm immer mehr zusetzt. Also muss der Schwarzhaarige den Kampf möglichst schnell für sich entscheiden. „Setz Finte ein!“, befiehlt er seinem Partner daher entschlossen. Wütend fauchend stürmt der Vierbeiner vor und landet einen harten Treffer gegen Traumato. Das Psycho-Pokémon hat eine große Schwäche gegen die Unlicht-Attacke, weshalb es ihm ziemlich schwer fällt, sich danach noch auf den Beinen zu halten. „Das haste nich‘ umsonst gemacht, du Zwerg! Komm schon, Bro! Psystrahl!“, schimpft Flo vor sich hin. Traumato rappelt sich so gut es geht wieder auf und feuert dann einen pulsierenden, regenbogenfarbenen Strahl auf sein Gegenüber ab. Sonderlich viel bringt es gegen den Kater aber leider nicht. Dieser schüttelt sich anschließend mauzend das kurze Fell und faucht dann wütend, während Flo langsam die Fassung verliert. Das Gift schwächt den Vierbeiner zwar ebenfalls etwas, doch nicht schnell genug, um diesen Kampf noch gewinnen zu können.
 

„Beende das Ganze jetzt, Snobilikat! Benutz Biss!“, kommt es siegessicher von Sun und schon sprintet sein Pokémon vor. „Scheiße!“, schimpft der Rüpel noch ungehalten, da wird Traumato auch schon von dem Kater in die Mangel genommen. Das Psychowesen sinkt schließlich kampfunfähig zu Boden. „Okay, genug! Mein Bro Traumato sieht auch schon total gelangweilt aus. Tschüssikowski!“, gibt Flo kurz angebunden von sich und setzt dann zum Rückzug an. Sun lässt ihn gewähren, es würde eh nichts bringen, außer noch mehr Ärger. Doch er hat das ungute Gefühl, dass das erst die Spitze des Eisbergs war. Tali hingegen hat den Kürzeren gegen Cameron gezogen, was den Rüpel mächtig freut. Dennoch tritt auch er den Rückzug an. Allerdings gehört das alles zum Plan.
 

Kurz darauf treffen sie mit Fran zusammen, die alles aus der Ferne beobachtet hat und nun gemeinsam mit den beiden wieder zurück zu den Kindern geht, die noch dabei sind, sich vom ersten Schrecken zu erholen. Sie wissen jedoch noch nicht, dass der kurze Kampf eben nur eine Art Ablenkungsmanöver war! Und somit hat Sun ganz recht mit seinem unguten Gefühl...
 


 

3
 

Wild gestikulierend und gehässig lachend kommen die beiden Rüpel auf die jungen Anwärter zu. Instinktiv zuckt Lilly zusammen und tritt ein paar Schritte zurück. „Nicht schon wieder...“, entkommt es Tali, der noch ziemlich geknickt von seiner Niederlage eben ist und somit einiges von seiner sonst so überschäumenden Fröhlichkeit eingebüßt hat. Sun verdreht leicht genervt die Augen. Langsam aber sicher fangen die Rüpel an, ihm wirklich auf die Nerven zu gehen und er findet es gar nicht mehr witzig, ständig von ihnen aufgehalten zu werden. Die Inselwanderschaft an sich ist ja schon anstrengend genug, doch so macht das Ganze ehrlich gesagt auch keinen wirklichen Spaß mehr. Diese Idioten könnten sich ruhig mal einen anderen suchen, den sie belästigen oder schlichtweg erwachsen werden. Allerdings sind die zwei nicht allein wiedergekommen, wie die kleine Truppe nun feststellt und das beunruhigt sie doch schon etwas mehr. Zwar hatte Sun vor einer Weile ja schon mal einen Kampf gegen Fran, doch das heißt ja noch lange nicht, dass er das deswegen jetzt auf die leichte Schulter nimmt, immerhin hat sie doch deutlich mehr drauf, als diese Hohlschädel, mit denen sie sich umgibt.
 

Die beiden Rüpel stoppen schließlich und machen den Weg für ihre Vorgesetzte frei, die mit einem herablassenden Blick direkt vor Sun stehenbleibt. „Wow! Den Kleinen habt ihr ausnahmsweise ja mal richtig schnell abgefertigt! Das bin ich von euch lahmen Enton gar nicht gewohnt. Bisher habt ihr euch ja von jedem dahergelaufenen Balg fertigmachen lassen…“, setzt sie erst einmal dazu an, ihre beiden Begleiter zu loben, dass es ihnen doch tatsächlich gelungen ist, gegen Tali zu gewinnen. Dann verfinstert sich ihr Blick aber und sie fixiert nur noch den Schwarzhaarigen. „Aber um den da kümmere ich mich trotzdem lieber selbst! Ich hoffe, du erinnerst dich noch an das, was ich bei unserem letzten Treffen gesagt habe? Wenn du uns weiter im Weg stehst, mache ich nächstes Mal Ernst! Sag also nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“, zischt die Gift-Trainerin wütend und verschränkt die Arme vor der Brust.
 

Sun hält ihrem eisigen Blick jedoch ungetrübt stand. „Keine Sorge. Wie könnte ich das auch vergessen?“, erwidert er daher keck und schenkt ihr ein Lächeln, das ihr weiß machen soll, wie sehr er seinen Sieg damals doch genossen hat. Verstimmt verzieht Fran das Gesicht. „Spiel dich ruhig weiter so auf, Kleiner, und du wirst eines Tages mächtig auf die Nase fallen und, wenn du Glück hast, ist heute schon dieser Tag!“, höhnt sie, tritt ein paar Schritte zurück und wirft einen Pokéball in den Ring. Daraus hervor springt das Golbat, das Sun noch vom letzten Kampf mit ihr kennt. Jetzt jedoch wirkt es um einiges zorniger und stärker. Allerdings lässt sich der junge Trainer davon nicht unterkriegen. „Sun, sei vorsichtig!“, ruft ihm Lilly zu und drückt ihre Tasche fester an sich, was das Pokémon darin nur wieder unruhig macht. „Du schaffst das!“, flötet ihm Tali zu. Auf dem Gesicht des eigentlich immer fröhlichen Jungen, breitet sich ein fast schon gehässiges Grinsen aus, das ihn richtiggehend fremd aussehen lässt.
 

Beim Anblick der großen Fledermaus und dem Abrufen der Erinnerung an den letzten Kampf, ist der Schwarzhaarige sehr froh, dass Fran nicht gemeinsam mit den Rüpeln aufgetaucht ist, sondern erst jetzt vor ihm steht. So hatte er wenigstens etwas Zeit, um sein Snobilikat von Lilly wieder aufpäppeln zu lassen. Die junge Blondine ist zwar sehr ängstlich und unsicher, möchte keinem Pokémon zu nahe kommen, wenn es nicht unbedingt nötig ist, doch sie ist immer auf alles vorbereitet und schleppt ständig Unmengen an Heilitems mit sich herum, sodass der Kater nun aufgefrischt und frei von der Vergiftung Traumatos in den Kampf ziehen kann. Dementsprechend ist der Vierbeiner auch zuversichtlich und faucht Golbat umso wütender an. Wahrscheinlich erkennt auch er die junge Frau und ihr Pokémon wieder und erinnert sich an das unschöne Zusammentreffen von damals, als es noch ein Mauzi war und einiges einstecken musste.
 

„Benutz Mogelhieb, bevor es dich wieder verwirrt!“, befiehlt Sun dem Kater auch sogleich. „Du hast anscheinend dazu gelernt, Kleiner. Aber das wird dir auch nichts nützen! Giftzahn!“, hält Fran dagegen. In diesem Moment wird die große Fledermaus aber auch schon von Snobilikat geschlagen, hält der Attacke jedoch stand. Kurz darauf setzt Golbat selbst zum Angriff an und Sun muss feststellen, dass das Pokémon diese Attacke beim letzten Mal noch nicht eingesetzt hat, und er ihr damit wohlmöglich wieder in die Falle gelaufen ist. Mit gebleckten Zähnen, die vor lauter Gift regelrecht lila glühen, verbeißt sich die Fledermaus in dem Kater. Dieser schreit schmerzlich auf und versucht seinen Gegner von sich zu schütteln, doch so leicht lässt sich dieser nicht vertreiben. Stattdessen rammt er seine Zähne noch tiefer in den zappelnden Körper und pumpt mehr und mehr Gift hinein. Als Golbat endlich von dem Kater ablässt, sieht dieser gar nicht gut aus. Der Angriff hat deutliche Spuren hinterlassen und die Menge an Gift ist beträchtlich höher, als bei den anderen Attacken, die er bisher gesehen hat.
 

„Mist...“, schimpft Sun in sich hinein. Sein Begleiter leidet nun nur seinetwegen, weil er das Ganze zu leicht genommen hat. Das ist nicht gut. Schmerzlich wird ihm bewusst, dass er auf seiner Reise zwar schon sehr weit gekommen ist, aber dennoch noch sehr viel zu lernen hat, ehe aus ihm ein perfekter Trainer werden wird. Diese idiotischen Teenager sind zwar kaum mehr, als ein schlechter Scherz, trotzdem sollte er sich angewöhnen, sie auf Grund ihres Auftretens und allem, nicht zu unterschätzen und das alles zu leichtfertig zu nehmen. Tali und Lilly geben hinter ihm einen erschrockenen Laut von sich, wirken verunsichert. Der Kampf hat zwar gerade erst begonnen, dennoch kann es sein, dass damit schon alles entschieden ist. Keuchend erhebt sich Snobilikat wieder und sieht betroffen zu seinem Trainer hinüber, dennoch ist es auch weiterhin kampfbereit.
 

Beim Anblick des Katers kommt Lilly schließlich eine Idee und sie beginnt in ihrer Tasche zu kramen. „Sun, ich habe noch ein Gegengift!“, meint sie gehetzt und will es ihm reichen. „Oh nein! So haben wir nicht gewettet, Püppchen! Du und dein dümmlicher Freund werdet euch schön raushalten! Das ist ganz allein eine Sache zwischen Team Skull und diesem Bengel hier! Jungs!“, wirft Fran bestimmend ein. Augenblicklich setzen sich die beiden Rüpel in Bewegung und drängen Tali und Lilly noch ein ganzes Stück weg vom Kampffeld, unterbinden jede Hilfe, die sie Sun zuteil werden lassen könnten. „Haltet euch gefälligst raus, ihr Zwerge!“, faucht Cameron die beiden an. „Genau, sonst mach’n wa‘ euch noch ma‘ so richtig platt!“, setzt Flo zornig nach. Machtlos ergeben sich die beiden Jüngeren ihren Worten.
 

„Ich warne dich! Lass sie in Frieden!“, kommt es nun von Sun. „Keine Sorge. Ich werde ihnen nichts tun, solange du dich schön brav weiterhin auf unseren Kampf konzentrierst.“, erwidert Fran streng. „Das werde ich! – Snobilikat, setz Krater ein!“ „Konter mit Windschnitt!“, hält die Gift-Trainerin dagegen. Dennoch gelingt es dem Kater dem Angriff zu entkommen und Golbat seine Krallen spüren zu lassen. Als der Vierbeiner allerdings wieder auf dem Boden landet, setzt ihm das Gift erneut zu. Schwer atmend blickt er sich um, während ihm die Sicht kurzzeitig verschwimmt. ‚Snobilikat hält das nicht mehr lange aus und für eine Z-Attacke ist es schon viel zu geschwächt. – Ich muss mir dringend etwas einfallen lassen! Eine neue Attacke wird sicher nicht das Einzige sein, was sie mir bieten wird...‘, geht es dem Schwarzhaarigen hektisch durch den Kopf, während er sein Pokémon mitleidig betrachtet.
 

Fieberhaft denkt er nach und entscheidet sich schließlich dafür, doch alles auf eine Karte zu setzen. „Komm zurück!“, befiehlt er dem Kater daher und richtet den Pokéball auf ihn. „Gibst du etwa schon auf, Kleiner?“, höhnt Fran. Sun ignoriert sie allerdings und blickt stattdessen auf den rot-weißen Ball in seiner Hand. Das Gift wird dadurch zwar leider nicht neutralisiert, aber immerhin kann er so verhindern, dass der Kater besiegt wird. Jede Minute weiter auf dem Kampffeld würde ihm nur kostbare Kraft rauben. So hofft er einfach, dass sein zweiter Begleiter den Kampf entscheiden kann. „Ich gebe ganz sicher nicht auf!“, wirft er der jungen Frau dann entgegen und schickt sein zweites Pokémon in den Ring.
 

Fran ist jedoch nicht die Einzige, die einige Neuerungen vorzuweisen hat. Denn Miezunder hat sich seit ihrem letzten Aufeinandertreffen entwickelt! Der überaus kräftige und mittlerweile auf zwei Beinen stehende Feuerkater heißt nun Fuegro und trägt zusätzlich den Unlicht-Typ. Er bietet einen äußerst beeindruckenden Anblick und ist dermaßen kampflustig, dass es schon beinahe schwer ist, ihn unter Kontrolle zu halten. Fran registriert die neue Form allerdings lediglich mit erhobener Augenbraue. „Golbat, Giftzahn!“ „Schnell, Fuegro, Feuerzahn!“ Fauchend rasen die beiden Pokémon auf einander zu und es ist schwer zu sagen, wer von ihnen den entscheidenden ersten Treffer landen wird. Für den Bruchteil einer Sekunde herrscht Totenstille und alle betrachten gebannt die beiden Kontrahenten. Wie aus dem Nichts ertönt schließlich ein Schmerzensschrei und lodernde Flammen gleiten über den Körper der Fledermaus hinweg. Fauchend schleudert Fuegro sie anschließend zu Boden, wo sie in einer qualmenden Wolke liegen bleibt.
 

Fassungslos betrachtet Fran ihre besiegte Begleiterin und gibt einen verstimmten Laut von sich. „Diese Runde mag vielleicht an dich gehen, doch ich bin noch längst nicht fertig mit dir!“, entgegnet sie Sun angesäuert, ruft Golbat zurück und schickt ihr zweites Pokémon ins Rennen. Überrascht stellt der Schwarzhaarige dabei fest, dass es nicht wie beim letzten Mal Molunk ist, sondern deren Weiterentwicklung Amfira. Listig und anrüchig blickt sich die Matriarchin auf dem Kampffeld um, während ungeduldige Funken um ihre großen Hände zucken. Zwei Feuer-Pokémon auf dem Feld – das wird nicht gerade einfach...
 

„Amfira, Toxin!“, befiehlt Fran schließlich. Sun hat so etwas schon befürchtet, dennoch kann er sich dem nicht entziehen. Ehe Fuegro zu einer eigenen Attacke ansetzen kann, bespuckt die Echse ihn schon mit einer zähen, lila Flüssigkeit, die sich in seinen Körper hineinfrisst und ihn schwer vergiftet. ‚Das ist ja noch weit schlimmer, als der Giftzahn. – Ich muss es unbedingt schaffen, sie zu besiegen...!‘, geht es Sun wieder durch den Kopf und ihm bleiben nur wenige Runden, ehe das Gift seinen Partner dahinraffen wird. Mit Feuer wird er hier allerdings nicht sonderlich weit kommen und sein Fuegro beherrscht sonst nur Biss und das ist eine Unlicht-Attacke. So kann er also nicht, wie erhofft auf eine Z-Attacke zurückgreifen, da er den Kristall für den Unlicht-Typ noch nicht besitzt und er dem Kater dummerweise seine Normal-Typ-Attacke hat verlernen lassen. Eine echte Zwickmühle!
 

„Fuegro, setz Biss ein!“, entscheidet er daher. „Amfira, Funkenflug!“, erwidert die Gift-Trainerin daraufhin. Mit einem düsteren Fauchen rennt der angeschlagene Feuerkater los und es gelingt ihm sogar, der Attacke der Matriarchin auszuweichen. Sun wiegt sich schon in Sicherheit, da wird sein Begleiter von den platzenden Feuerkugeln getroffen. Angespannt ballt der Junge die Fäuste. Schon zum zweiten Mal ist ihm der Nebeneffekt dieser Attacke entfallen. Er muss sich verdammt noch mal mehr konzentrieren! Zum Glück ist der Treffer nur sehr schwach und der kräftige Kater wird davon nicht beirrt und versenkt stattdessen seine langen Zähne in dem weichen Körper seiner Gegnerin. Der Schrei, den die Echse daraufhin ausstößt, ist nahezu ohrenbetäubend – schrill wie das Weinen eines Babys. Wild schlägt sie mit ihren glühenden Handflächen auf Fuegro ein, der lässt sich davon jedoch nicht abbringen und führt den Angriff zu Ende aus.
 

Als die Matriarchin wieder frei ist, wirft sie dem Kater einen so dermaßen hasserfüllten Blick zu, der wohl am ehesten an den Blick einer betrogenen Ehefrau heranreicht, aber dennoch nicht einmal ansatzweise alles widerspiegelt, was die Echse gerade empfindet. Frans Blick ist nicht minder wütend, dennoch betrachtet sie beinahe schadenfroh, wie Fuegro nach seinem Angriff kurzzeitig auf ein Knie hinab sinkt, als das Gift noch heftiger zuschlägt. Vielleicht besteht für Team Skull doch noch die Chance, als Sieger aus diesem Kampf herauszukommen? Der Gedanke wäre durchaus schön und Fran würde nichts lieber tun, als mit diesem miesen Bengel den Boden auszuwischen. Allerdings würde das auch den ganzen Plan zerstören, den sich Bromley ausgedacht hat. Oder auch nicht. Fran kommt da gerade eine ganz hervorragende Idee, die Sun zwingen wird, dem Plan des Weißhaarigen auch dann noch zu folgen, selbst, wenn er ihr jetzt unterliegen sollte. Und, wenn der Zwerg doch gewinnt, dann ist ihre Idee immer noch als prima Zusatz anzusehen, der erheblich an dem Schwarzhaarigen nagen wird!
 

„Sehr gut, Fuegro! Gleich noch einmal!“, legt Sun nun nach. „Amfira, setz Drachenwut ein!“, hält Fran dagegen, was ihr Pokémon durchaus freut, kann es so seinem Zorn doch etwas Luft machen. Während der Kater auf die Echse zu rennt, begibt sich die Matriarchin auf alle viere, lässt ihren lodernden Schwanz wild durch die Gegend schlagen und reißt dann fauchend das Maul auf. Heraus kommt eine kräftige Schockwelle, die all die Wut ihrer Erzeugerin bündelt. Sie trifft Fuegro, doch so leicht lässt sich der Kater nicht in die Knie zwingen. Schwerfällig stemmt er sich dagegen und schafft es schließlich durchzubrechen und seine Zähne wieder in der Echse zu versenken. An sich ist Drachenwut eine ganz gute Attacke, die sich prima kalkulieren lässt, da sie stets den selben Schaden anrichtet. Dies ist besonders gut bei schwächeren Gegnern, die dadurch mit einem Schlag besiegt werden können. Allerdings ist diese Kontinuität aber auch der größte Nachteil des Angriffs. Spätestens, wenn man damit auf einen stärkeren Gegner trifft, ist es so erheblich mühsamer, ihn zu besiegen.
 

Somit ist das Ganze also entschieden. Dem Feuerkater gelingt es, der nächsten Drachenwut auszuweichen und zum dritten Mal kräftig zuzubeißen. Damit ist Amfira schlussendlich doch besiegt, auch, wenn nicht mehr viel fehlt, um den vergifteten Zweibeiner in die Knie zu zwingen. Zähneknirschend besieht sich Fran ihr am Boden liegendes Pokémon, ehe sie es zurückruft und um Fassung ringt. Wieder geschlagen, einfach schrecklich! „Hmpf! Ich kann mich selbst nicht mehr ausstehen und dich noch viel weniger! Aber Mann, du hast es echt drauf! Jetzt verstehe ich, warum die Jungs dich nicht in Nullkommanichts vom Platz fegen können. Und es mir auch nicht gelingen will...“, teilt sie Sun nach einem Moment mit. Unbemerkt gibt sie ihren beiden Jungs dabei allerdings ein Zeichen. Diese nicken nur und können sich denken, was sie vorhat. Während Cameron Tali und Lilly noch etwas mehr einschüchtert, verschwindet Flo nahezu unbemerkt in das Æther-Haus.
 

Mit Wohlwollen betrachtet Fran das Ganze und redet weiterhin mit Sun, damit dieser nicht noch auf die Idee kommt, dazwischenfunken zu wollen. „Darum will unser Boss auch, dass du Team Skull einen Besuch abstattest. Ein endgültiger, letzter Versuch könnte man sagen, dich aufzuhalten oder, aber auch der letzte Versuch für dich, uns aufzuhalten. Ganz wie du willst.“, meint sie Schulter zuckend. Im Hinterkopf hat sie aber noch Samantha. Sollte es Sun tatsächlich gelingen ganz Skull fertigzumachen – sehr unwahrscheinlich, aber bei dem Bengel weiß man ja nie-, so kann er dennoch nicht aufhalten, was diese verrückte Blondine in Begriff ist zu tun! Argwöhnisch betrachtet der Schwarzhaarige sie, während Flo ungesehen aus dem Æther-Haus herauskommt. „Das hätte dieser Verrückte wohl gern! Warum kommt er nicht her, wenn er so scharf darauf ist, gegen mich zu kämpfen?“, hält Sun trotzig dagegen.
 

„Ganz einfach: Er ist der Boss und du nur ein trauriger, kleiner Wurm! Und damit du auch brav zu uns kommst, haben wir ein Pokémon aus dem Haus hier mitgehen lassen.“, höhnt sie triumphierend. Flugs taucht Flo neben ihr auf und hält das heftig zappelnde Mangunior in die Höhe. Wild gebärt sich das kleine Pokémon und versucht mit seinen äußerst scharfen Zähnen um sich zu beißen. Der Rüpel hält es jedoch erstaunlich geschickt so im Nacken gepackt, dass es ihn nicht erreichen kann. Zudem verpasst Fran der Manguste nun auch noch einen stabilen Maulkorb und eine Art Würgehalsband, damit es Flo nicht doch noch entkommt. Fassungslos betrachten die drei Kinder das Schauspiel und ihnen wird klar, wie ernst es Team Skull zu meinen scheint.
 

„Wenn du willst, dass wir diesen bissigen Flohteppich wieder zurückgeben, musst du zu uns kommen. Und zwar ganz allein! Unser Boss kann es kaum erwarten, dich in unserer Basis in Po‘u willkommen zu heißen.“, höhnt Fran ein letztes Mal, ehe sie sich abwendet und das wehrlose Mangunior einfach hinter sich her schleift. Sun und Tali wollen dem armen Ding selbstverständlich zu Hilfe kommen, doch sie werden vehement von Cameron und Flo daran gehindert, bis Fran mit ihrem Motorrad abgezogen ist. „Macht’s gut, ihr Pfeifen!“, flöten die Rüpel nahezu ausgelassen und verschwinden ebenfalls laut jubelnd und grölend auf ihren aufgemotzten Maschinen.
 

„Diese miesen...“, setzt Sun wütend an und ballt ungehalten die Fäuste. Betroffen sieht Tali seinen Freund an und kann dennoch kaum begreifen, was gerade alles passiert ist. Lilly ist ebenso fassungslos und den Tränen nahe. Dann jedoch zieht sie hörbar erschrocken die Luft ein. Auf den Stufen des Æther-Hauses steht ein kleines Mädchen, vielleicht fünf Jahre alt, neben ihr ein ebenso alter kleiner Junge. Beide wirken sehr mitgenommen. „Armes, kleines Mangunior...“, sagt das Mädchen mit bebender Stimme und bemüht sich fieberhaft nicht zu weinen. Das reicht nun aber wirklich! Sun ist außer sich. Ihn zu ärgern ist ja eine Sache, aber diese kleinen Kinder da auch noch mit rein zuziehen, überschreitet das Maß wirklich bei weitem! „Das werden sie mir büßen! – Aber ich muss zugeben, das war ein ziemlich cleverer Schachzug von diesen Hohlschädeln…“, entkommt es dem Schwarzhaarigen kraftlos.
 

„Ja. – Es gibt nur eine Möglichkeit, dass Pokémon zu retten! Sun muss allein nach Po‘u gehen, so wie sie es gesagt haben…“, mitleidig betrachtet der Grünhaarige seinen Freund und Rivalen und wünscht sich inständig, er könnte ihm beistehen. Auch auf die Gefahr hin, dass er wahrscheinlich eher hinderlich, als hilfreich für ihn sein würde. Lange mustert Sun Tali. Er hat den Ekel des Inselkönigs noch nie so niedergeschlagen und freudlos gesehen, wie in diesem Augenblick. Ein eiskalter Schauer gleitet seinen Rücken hinab, doch ihm bleibt wohl keine andere Wahl.
 

Unsicher kommen die beiden, kleinen Kinder die Treppe herunter und wenden sich an den Schwarzhaarigen. „Bitte hilf meinem kleinen Mangunior…“, fleht das Mädchen ihn schließlich an und bricht nun doch in Tränen aus. Der Kleine hält es einen Moment länger aus, fängt dann aber ebenfalls an zu weinen. Es bricht Sun regelrecht das Herz. Vorsichtig kniet er sich hin und zieht die zwei ungeschickt in seine Arme. „Ich werde alles tun, was nötig ist, versprochen!“
 


 

4
 

Schon wenig später macht sich der junge Trainer mit frisch gestärkten Pokémon auf den Weg. Zur Sicherheit hat er sich die Taschen diesmal auch mit allerhand Items gefüllt – wer weiß schon, was diese Spinner so alles auffahren, um ihn zu stoppen... Zudem hat er ja auch nur zwei Pokémon und da muss er besonders darauf achten, dass es ihnen stets gut geht, sonst ist er ganz schnell weg vom Fenster.
 

Das abgeriegelte Dorf der Skull liegt zwar gar nicht so weit vom Æther-Haus entfernt, dennoch ist der Weg lang und beschwerlich. So kommt es, dass er die Route siebzehn erst nach ein paar Tagen erreicht. Es überrascht den Schwarzhaarigen jedoch nicht wirklich, dass es hier in Strömen regnet. Die ganze Gegend liegt in einem bedrückenden, dunklen Schleier und vermittelt Sun damit ziemlich gut das beklemmende Gefühl, das diese Hohlschädel sonst nahezu verzweifelt versuchen in ihm wach zu rufen. Auf jeden Fall ist das hier seiner Meinung nach genau der richtige Ort für diese Möchtegerne.
 

Seufzend tritt er in den stetigen Regen hinein, der ihn augenblicklich mit einer fast schon erschreckenden Kälte einhüllt, obwohl er sich eigentlich angenehm warm anfühlt. Zudem hat er etwas äußerst Kummervolles, Bedrückendes an sich, wie eine unerwartete Beerdigung. Unbewusst schüttelt sich der Junge kurz bei diesem Gedanken und geht dann weiter. Wenige Meter vor ihm erhebt sich ein kleines Gebäude, das eine Polizeiwache zu sein scheint. Allerdings wirkt sie irgendwie verlassen, obwohl Licht brennt und Sun deutlich sehen kann, wie sich drinnen eine Gestalt bewegt. Dennoch glaubt er nicht wirklich, dass dies ein ausübender Polizist ist, sonst würde Team Skull hier wohl kaum wohnen. Vielleicht steckt er aber auch mit ihnen unter einer Decke oder wird von ihnen bedroht? So ganz möchte sich der Schwarzhaarige das aber auch gar nicht vorstellen. Für sich selbst hält er jedoch schon einmal fest, dass er hier wohl keine Hilfe erwarten kann. So geht er einfach weiter und lässt die Wache unangetastet hinter sich.
 

Er merkt gar nicht, dass der alte Yasu ihn ganz genau beobachtet. Schon vor einigen Tagen ist ihm aufgefallen, dass etwas mit diesen durchgedrehten Teenies hinter der Mauer nicht stimmt; dass sie scheinbar etwas Großes planen. Es gab lautes Gepolter, als würden sie die ganze Villa auf den Kopf stellen und auch im Rest von Po’u irgendwelche Umbauten vornehmen. Klammheimlich hat Yasu einen Blick riskiert und festgestellt, dass sich die Bande noch weiter als ohnehin schon verbarrikadiert hat, als würden sie sich auf einen heftigen Angriff von außen gefasst machen. Als er jetzt diesen kleinen Bengel hier so fest entschlossen vorbeimarschieren sieht, kommt ihm der Gedanke, dass er vielleicht der Grund dafür sein könnte. Wer sonst würde sich auch freiwillig hier heraustrauen? Doch kann es wirklich sein, dass sich Team Skull, die jedem versuchen das Fürchten zu lehren, vor so einem Dreikäsehoch verschanzt? Irgendwie kann sich Yasu das nicht so recht vorstellen.
 

Von Hala hat er zwar schon Einiges über einen gewissen Sun gehört, der auf Inselwanderschaft ist und somit auch irgendwann bei ihm aufschlagen wird, um den Unlicht-Kristall zu erwerben, aber er kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass das dieser Junge ist und er es wohlmöglich auch noch mit ganz Skull aufnehmen will. Wenn ihm das wirklich gelingen sollte, dann braucht sich Yasu nicht einmal die Hoffnung zu machen, den jungen Anwärter mit irgendetwas einschüchtern oder beeindrucken zu wollen. Eigentlich könnte er ihm auch gleich so den Z-Kristall in die Hand drücken, würde viel Arbeit ersparen. Aber erst einmal abwarten, ob der Bengel da überhaupt lebend wieder rauskommt. Gedankenverloren streicht der ehemalige Polizist einem seiner Mauzis über den Kopf. „Was meinst du? Soll ich den Bengel im Auge behalten?“, fragt er das Pokémon matt. Die Katze streckt sich neben ihm auf dem Schreibtisch aus und schnurrt entspannt vor sich hin. „Vermutlich hast du recht, aber ich werde doch mal einen Blick riskieren. Habe keine Lust, Ärger mit dem Kapu zu bekommen, nur, weil dem Bengel was passiert und ich dabei zugesehen habe...“, seufzt er schwer und erhebt sich langsam.
 

Der weilen hat Sun schon fast das solide Tor erreicht, das Po’u vom Rest der Welt abzuschneiden scheint. Es überrascht ihn nicht wirklich, dass das ganze Dorf von einer meterhohen Mauer umgeben ist. Allerdings kann er sich nicht wirklich vorstellen, dass diese Hohlschädel sie aufgestellt haben, dafür sieht sie einfach mal zu perfekt und zu alt aus. Fragt sich also, was hier passiert ist, dass diese Mauer nötig gemacht hat. Vielleicht kann ihm der Typ in der Polizeiwache dazu etwas erzählen, wenn er das hier alles hinter sich hat? Falls es ihn dann noch interessiert, heißt das natürlich. Jetzt entdeckt er erstmal, dass Team Skull scheinbar so etwas wie Wachen aufgestellt hat. Zumindest stehen zwei der Rüpel vor dem Tor und blicken sich um. Dann kann der Spaß also beginnen!
 

Zielstrebig nähert sich Sun den beiden, die ihn auch gleich blöd anmachen. „Na, willste etwa bei Team Skull mitmach’n?“, fragt ihn der Junge keck, obwohl sich der Schwarzhaarige nicht vorstellen kann, dass sie nicht Bescheid wissen. Sie wollen ihn ganz sicher nur ärgern und ablenken. „Nein, ganz sicher nicht.“, erwidert er daher schlicht. Überrascht blickt ihn das Mädchen an. „Wart‘ ma‘, das is‘ doch so ‘n Abzeichen?!“, entkommt es ihr und Sun kann gerade noch verhindern, dass sie es von seinem Rucksack abzieht. „Hey!“, gibt er zurück, doch die zwei ignorieren es scheinbar. „Ey, was geht ab?! Biste auf Inselwanderschaft oder was?!“, entkommt es Linus patzig. Allerdings gibt er Sun gar nicht die Chance zu antworten. „Oder wart‘ ma‘! Jetz‘ hab‘ ich’s geschnallt! Du willst uns nur dissen, weil wa‘ die Inselwanderschaft hingeschmissen ham!“, fährt ihn nun Dalia an. „Nein, das ganz bestimmt nicht. Ich will nur...“, versucht sich der junge Trainer zu rechtfertigen.
 

Aber wieder kann er nicht wirklich zu Wort kommen. „Du glaubst doch nich‘ etwa, du kannst hier einfach so aufkreuzen und uns runtermach’n?“, tritt Linus nun energisch an ihn heran und zieht einen Pokéball hervor. So hat sich Sun das Ganze sicher nicht vorgestellt, aber, was bleibt ihm schon anderes übrig? „Ja, natürlich bin ich nur hier, um euch auszulachen...“, gibt er daher augenrollend zurück. „Hab‘ ich’s doch gewusst!“, wirft ihm der Blauhaarige wütend entgegen und lässt sein Traumato frei. Der Kampf ist allerdings überraschend schnell erledigt und das Psycho-Pokémon am Boden. Ungläubig betrachtet der Rüpel seinen gefallenen Partner, ehe er aufsieht und Sun einen verletzten Blick zuwirft. „Ha, du bist so viel krasser drauf als ich! Da kann ich nur noch lachen…“, versucht sich der Blauhaarige hinter seiner Enttäuschung zu verstecken.
 

Seine Kollegin schenkt ihm einen entschlossenen Blick und tritt nun vor, um es mit dem Störenfried aufzunehmen. „Na wart’s nur ab, Kleiner! Jetz‘ biste fällig!“, höhnt sie siegessicher. Tragischer Weise muss aber auch sie feststellen, dass sie mit ihrem Alpollo keine Chance gegen Suns Snobilikat hat. Da hilft ihr auch kein noch so starker und furchterregender Spukball. „Boah ey, Mann! Dieses Inselwanderding scheint dir ja echt gut zu tun! Starke Trainer kann ich nich‘ ab!“, schmollt sie vor sich hin und ruft ihren geschlagenen Geist wieder zurück. „Nur, weil du uns besiegt hast, lassen wa‘ dich noch lang‘ nich‘ hier durch!“, legt Dalia dann nach und streckt ihm kindlich die Zunge raus. Ehe Sun auch nur irgendetwas erwidern kann, huschen die beiden hinter die Mauern und verriegeln lautstark das schwere Tor.
 

Perplex starrt der junge Trainer es an und weiß nicht recht, was er jetzt tun soll. In jedem Fall ist die Mauer viel zu hoch und durch den Regen auch viel zu glitschig, um daran hochzuklettern. Folglich muss ihm schnell eine andere Lösung einfallen, wenn er das Mangunior retten will. Fieberhaft grübelt er nach und geht ein Stück den Weg zurück, in der Hoffnung einen anderen Eingang zu finden, oder eine Möglichkeit doch noch über die Mauer zu kommen. Dabei stößt er fast mit einer anderen Person zusammen, die plötzlich vor ihm auftaucht. „Oh, Verzeihung...“, gibt der Schwarzhaarige kurz angebunden von sich und will schon an ihr vorbei. Dann bemerkt er jedoch das Polizeiabzeichen an Hemdärmel des Mannes und ihm fällt wieder die alte Wache am Anfang der Route siebzehn ein.
 

„He, Junge. Du siehst so aus, als wolltest du hier rein. Bist du dir da auch ganz sicher?“, fragt ihn Yasu in einen nicht sonderlich überraschten Tonfall – es klingt sogar eher gelangweilt. Etwas irritiert mustert Sun den Grauhaarigen einen Moment. „Ja, ich muss da rein und ja, ich bin mir ganz sicher!“, entgegnet er ihm daher selbstsicher. Der ehemalige Polizist nickt schwerfällig und blickt ihn weiterhin müde an. „Bereite dich lieber gut darauf vor, denn hinter dieser Tür wartet Team Skull auf dich. – Wer durch diese Pforte schreitet, tritt ihnen entweder bei oder fordert sie heraus! Hast du dir das gut überlegt?“, fragt der Alte ihn ein weiteres Mal. Innerlich rollt Sun nur mit den Augen und fragt sich, warum er ihm erzählt, was er eh schon weiß und er doch scheinbar selbst nichts gegen diese Rabauken unternimmt. Oder hat er das vielleicht sogar schon und ist gescheitert?
 

Allerdings hat der Schwarzhaarige keine Zeit, sich solche Fragen durch den Kopf gehen zu lassen. Wer weiß schon, was diese Grobiane dem armen Pokémon antun? „Ich habe mir das sehr gründlich überlegt und denke, dass ich damit fertig werden kann. Außerdem haben diese Hohlschädel ein wehrloses Pokémon in ihrer Gewalt! Da fällt die Entscheidung nun wirklich nicht schwer!“, beharrt der Junge nachdrücklich. Yasu nickt nur wieder gemächlich und tritt dann an das Tor heran. „Du wirst schon wissen, was du tust. Jeder von uns hat so seine Gründe. – Hier, ich öffne dir die Tür. Und keine Sorge, solltest du es nicht schaffen, werde ich deiner Familie Blumen schicken.“, gibt der Alte tonlos von sich, ohne auch nur den Funken einer Regung in seinem Gesicht. Perplex betrachtet Sun ihn einen Moment. Dieser Kerl ist mindestens genauso unheimlich, wie die bedrückende Stimmung der gesamten Route. Er passt hier demnach ebenso gut hin, wie diese Rabauken.
 

„Danke, doch ich denke nicht, dass das nötig sein wird. Ich werde sicher mit ihnen fertig!“, erwidert er ein letztes Mal und schiebt sich dann flink durch den Spalt im Tor. Yasu sieht ihm nur ausdruckslos hinterher und verriegelt die Tür dann wieder, als wolle er das Schicksal des Jungen damit eigenhändig bestimmen. „Wir werden sehen...“, murmelt er vor sich hin und trottet dann wieder zu seiner Wache zurück. Von dort aus kann er das Ganze zumindest im Trockenen etwas beobachten. In jedem Fall wird es nicht zu überhören sein, wenn alles vorbei ist – ganz egal, wie es auch ausgehen mag...
 


 

5
 

Den jungen Trainer überkommt ein ziemlich ungutes Gefühl, als das Tor hinter ihm zuschlägt. Er atmet ein paar Mal tief durch und versucht wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Das ist äußerst wichtig, damit er nicht dem Unfug dieser ganzen Spinner erliegt und sich von ihnen hinters Licht führen lässt. Nach einigen Minuten fühlt er sich dann doch bereit, weiterzumachen. Langsam blickt er sich um. Dichtes Gras, hohe Büsche und undurchdringliche Hecken dominieren seine Sicht. Die Vegetation scheint sich also nicht vom stetigen Regen unterkriegen zu lassen, wie es scheint. Ganz anders die Gebäude. Mit einem gewissen Bedauern betrachtet Sun die vernagelten Häuser und Geschäfte, die einst der ganze Stolz des Dorfes waren. Jetzt jedoch ist ihnen der Verfall deutlich anzusehen und sie sind über und über mit Schmierereien und Graffitis bedeckt. Team Skull hat sich hier also ziemlich ausgetobt. Etwas wehmütig schüttelt der Schwarzhaarige den Kopf und setzt sich dann in Bewegung.
 

Sonderlich weit kommt er jedoch nicht, da steht er auch schon vor einer brusthohen Barrikade, die die ganze Breite der Straße einnimmt und links und rechts von dichten Hecken und Büschen ergänzt wird. Skull scheint sich wohl wirklich etwas einfallen gelassen haben, um ihn am Weiterkommen zu hindern. So leicht wird Sun aber keineswegs aufgeben! Entschlossen nähert er sich daher der Absperrung, hinter der auch schon zwei Rüpel auf ihn warten. Die beiden wirken nicht sonderlich gut gelaunt, was vielleicht auch daran liegen könnte, dass sie hier im Regen stehen müssen. Andererseits ist das Sun auch ziemlich egal, denn immerhin ist er selbst schon nass bis auf die Knochen. Außerdem wollten es diese Spinner doch so.
 

„Yo! Check ma‘ diese Pfeife da aus, Bro! Was geht?! Der stört voll unsren Flow!“, gibt der eine auch sogleich von sich, kaum, dass Sun in Sichtweite gekommen ist. „Lass den Knirps im Regen stehen! Wa‘ ham schließlich unsre Ballade. – Äh, ich mein‘ natürlich Barrikade! Willste die jetz‘ extra aus’m Weg räumen, um dem Balg eins überzuziehen?“, meint sein Partner Nathan nur gehässig. „Da haste recht, Alter!“, stimmt ihm Matt siegessicher zu und entspannt sich merklich. „Mach ‘ne Biege! Du Fliege! Kannst da draußen gern versauern!“, brummt Nathan dem jungen Trainer finster zu und langt mit der Faust über die Barrikade, als wolle er Sun einen ordentlichen Schlag verpassen. Etwas überrascht weicht dieser jedoch einen Schritt zurück und wird so nicht mehr getroffen. Die beiden Rüpel geben nur ein abwertendes Schnauben von sich und beachten ihn dann nicht mehr weiter.
 

Es muss einen anderen Weg geben, um an den beiden vorbei zu kommen, Sun muss ihn nur finden. Während sich die Rüpel in ein unsinniges Gespräch zu vertiefen scheinen, nutzt der Schwarzhaarige die Chance und entfernt sich unbemerkt. Vorsichtig wendet er sich den Hecken neben der Absperrung zu und sucht sie nach einem Durchgang ab. Nach einer Weile entdeckt er zwischen den üppigen Pflanzen ein verwelktes Stück. Es ist gerade groß genug, dass er sich durchzwängen kann, jedoch nicht ohne, dass ihn die nackten Äste schmerzlich die Arme und Beine verkratzen. Ein ganz besonders fieser Zweig krallt sich sogar an seinem Hemd fest und reißt ein Loch hinein. Auf der anderen Seite angekommen, betrachtet sich der Junge den Schaden und verzieht verärgert das Gesicht. Doch er darf sich davon nicht ablenken lassen. Schließlich braucht das arme Mangunior ihn ganz dringend und dazu ist ihm Einiges recht!
 

Zu seinem Missfallen sind die beiden Rüpel jedoch weit aufmerksamer, als er es ihnen zugetraut hat und so haben sie ihn auch schon entdeckt. „Was geht’n jetz‘ ab?! Wie kommst du Eumel auf einma‘ hier rein?! Aber is‘ ja auch total egal! Das wirste nämlich jetz‘ gleich bereuen!“, plustert sich Matt stocksauer vor ihm auf. Kurz darauf wirft der Blauhaarige auch schon seinen Pokéball aufs Feld und heraus springt ein kleines Weberak. Die grün-blau gefärbte Spinne sieht sich mit ihren großen Augen etwas nervös um und fixiert Sun dann kampflustig.
 

Mit einem Seufzen greift der Junge an seinen Gürtel und lässt sein Fuegro frei, das der kleinen Spinne fauchend gegenübersteht. Weberak wirkt auf einmal sehr unsicher und würde wohl am liebsten weglaufen, scheint es doch zu ahnen, was ihm blühen könnte. Ungeachtet dessen schickt Matt es aber dennoch in den Kampf. „Los, Tiefschlag!“, grölt er dem leicht verängstigten Arachniden entgegen. Weberak nimmt all seinen Mut zusammen und huscht geschwind auf seinen sechs Beinen los. Der Treffer beeindruckt den großen Kater jedoch nicht sonderlich. „Fuegro, Feuerzahn!“, befiehlt nun Sun. Daraufhin beginnt die kleine Spinne panisch im Kreis zu rennen, um dem Ganzen irgendwie zu entkommen. Leider gelingt es ihr nicht und so wird sie von den glühenden Zähnen erwischt und auf die Matte geschickt. Die Tatsache, dass der Regen den Feuer-Angriff um Einiges abschwächt, behindert Sun jedoch keineswegs, da die kleine Spinne ja so empfindlich darauf ist, dass sie eh keine Chance hatte.
 

Mit weit aufgerissenen Augen und völlig ungläubig betrachtet Matt sein rauchendes Pokémon, bevor er ein schweres Seufzen von sich gibt. „Ich würd‘ gern in die Zeit vor diesem Kampf zurückreisen und mei’m damaligen Ich sagen, den Quatsch sein zu lassen. – Wär‘ ich doch bloß nich‘ so auf die Barrikaden gegangen! Jetz‘ hab‘ ich den Salat...“, schmollt er nun und wendet sich ab. Aufmunternd legt ihm sein Kollege eine Hand auf die Schulter. „Wa‘ sind auch ohne Barrikade krass stark! Das kriegste heimgezahlt und zwar sofort!“, tönt Nathan nun und schickt sein Sleima in den Kampf.
 

Der Müll liebende, grüne Schleimhaufen glibbert aus seinem Ball heraus und streckt seine unförmigen Arme nach dem Feuerkater aus. Dieser rümpft angewidert die Nase und stellt sich ihm fauchend entgegen. „Los, Sleima, Knirscher!“, höhnt der Rüpel. Das formlose Pokémon gleitet geschwind über den Boden und versucht nach Fuegro zu schnappen. Dem Kater gelingt es einige Male auszuweichen und einen flammenden Gegenangriff zu starten, doch das Giftwesen ist bei weitem nicht so empfindlich auf Feuer, wie es die Spinne eben war, erst recht, wo sein Angriff durch den Regen ja eh geschwächt wird. Dennoch scheint Sun vorn zu liegen. Zumindest, bis sich der große Tiger in Sleima verbeißt. Der Angriff sitzt gut, doch Fuegro scheint es dafür anschließend nicht mehr so blendend zu gehen. „Ha! Das haste nich‘ komm‘ seh’n, wa‘? Mein Bro hat die Fähigkeit Giftgriff und wird dich damit fertigmach’n!“, kommt es lachend von dem Blauhaarigen.
 

Etwas überrumpelt muss Sun feststellen, dass sein Begleiter tatsächlich unter einer Vergiftung leidet, die ihn zusehens schwächt. Trotz alledem gibt der Schwarzhaarige nicht auf und sein nächster Angriff trifft das schleimige Wesen mit aller Härte und zwingt es schlussendlich zu Boden. Gerade noch rechtzeitig, bevor das Gift dem Kater den Rest geben kann. Tiefe Erleichterung kommt in Sun auf, während er sein Pokémon entgiftet. Nathan hingegen sinkt geschlagen auf die Knie und wird nun seinerseits von seinem Partner getröstet. „Ich hab‘ versagt! Total versagt! – Jetz‘ schalt aber ma‘ ‘nen Gang zurück! Ohne Barrikade sind wa‘ doch bloß Fassade!“, jammert er und lässt sich dann von Matt wieder aufhelfen.
 

„Ihr habt gut gekämpft, wenn euch das ein Trost ist!“, meint der junge Trainer mit dem Anflug eines Lächelns. Verwundert betrachten ihn die beiden Älteren. „Ach sei doch still!“, faucht Matt zurück und droht ihm mit der geballten Faust. „Genau, sei still und schwing dein‘ Arsch weg hier! Die andren werden dich ordentlich versohlen! Dann haste nich‘ mehr so’ne große Klappe!“, setzt Nathan wütend nach. Beschwichtigend hebt der Junge die Hände und entfernt sich dann von den beiden. „Schon gut, schon gut...“, meint er noch und trollt sich dann endgültig.
 


 

6
 

Unmittelbar hinter der Barrikade entdeckt Sun zu seiner Erleichterung, wie auch Verwunderung, ein Pokémon-Center. Unter den wachsamen Augen der zwei geschlagenen Rüpel, die sich ein überaus fieses Grinsen nicht verkneifen können,- welches der Schwarzhaarige wegen ihrer Maskerade natürlich nicht sehen kann-, nähert er sich dem verfallenen Gebäude. Er glaubt nicht wirklich, dass er dort eine Krankenschwester antreffen wird, die seine Begleiter wieder aufpäppeln kann. Doch vielleicht findet sich etwas Medizin oder wenigstens ein ruhiges Plätzchen, wo er einen Moment rasten und sein weiteres Vorgehen überdenken kann?
 

Etwas unschlüssig steht Sun noch für einen Moment vor der verzogenen Eingangstür und blickt sich prüfend um. Niemand scheint ihn zu sehen und abgesehen von den beiden Rüpeln an der Barrikade, ist auch keine Menschenseele auszumachen. Das Ganze kommt Sun äußerst komisch vor. Von Augenblick zu Augenblick bekommt er immer mehr das Gefühl in einen Hinterhalt oder gar eine Falle zu tappen. Doch, was soll er schon tun? Das Mangunior braucht dringend seine Hilfe, da führt kein Weg dran vorbei. Er selbst ist dabei erst mal nebensächlich, auch, wenn er ungern direkt ins Messer laufen will. Daher hofft er inständig, dass der alte Yasu sich nur einen morbiden Scherz erlaubt hat, als er meinte, dass er seinen Eltern Blumen schicken würde, wenn Sun das hier nicht übersteht. Der Trainer kann sich auch nicht wirklich vorstellen, dass Team Skull soweit gehen und ihn ernsthaft verletzten würde, oder gar Schlimmeres, nur um ihm eine Lektion zu erteilen.
 

Dennoch kann er das mulmige Gefühl in seinem Magen nicht mehr unterdrücken. Seine Finger beginnen leicht zu zittern und er schluckt schwer. Eigentlich wäre das hier ja auch nicht die Aufgabe eines halbwüchsigen Anwärters, sondern die eines richtigen Polizisten oder Inselkönigs. Aber darauf kann er wohl lange warten. Yasu wird sich nicht darum bemühen, dass ist ihm anzusehen. Also muss sich eben Sun darum kümmern. Allerdings hat er so das Gefühl, dass Professor Kukui hier auch hilfreich wäre. Immerhin sah es im Ziergarten so aus, als hätte Bromley noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen und der Brünette wollte sich augenscheinlich davor drücken und hat Sun vorgeschickt. Wenn es sich der Schwarzhaarige so recht bedenkt, war das eine ganz schön miese Nummer vom Professor. Hätte er sich dem Weißhaarigen selbst gestellt, hätte Sun jetzt mit Sicherheit kein Problem. Sollte er das hier also überstehen, dann sollte er vielleicht mal ein ernstes Wort mit seinem Mentor reden. Wie sieht denn das auch aus, wenn sich so ein angesehener Professor ängstlich vor einer Auseinandersetzung drückt und ein kleines Kind für sich in den Kampf schickt?
 

Klar war es ein gutes Gefühl, einen scheinbar ihm so überlegenen Gegner zu besiegen, aber es hätte ja auch ganz anders ausgehen können. Bromley hätte einen von ihnen verprügeln können, statt sich selbst zu verletzten. Schon beim Gedanken daran, läuft es Sun eiskalt den Rücken herunter und ihm wird nicht zum ersten Mal bewusst, dass er hier völlig auf sich allein gestellt ist. Wenn der große Boss von Team Skull diesmal die Nase voll hat, könnte er ihn locker um die Ecke bringen und Niemand würde etwas davon mitbekommen. Vermutlich würde dieser gruselige Yasu das Ganze noch herunterspielen, wenn er seinen Eltern die schlechte Nachricht überbringt und es wohlmöglich wie einen ziemlich tragischen Unfall aussehen lassen. Um aller Kapus willen, woran denkt er hier nur?! Energisch schüttelt der Schwarzhaarige den Kopf, um diese schrecklichen Visionen seines möglichen Endes wieder loszuwerden, doch es gelingt ihm kaum. Stattdessen bewegt sich seine Hand wie ferngesteuert und er stolpert förmlich in das Pokémon-Center hinein.
 

Was er drinnen sieht, lässt ihn allerdings erst einmal all seine Sorgen vergessen und er weiß im ersten Moment auch gar nicht, ob er lachen oder sich vorsehen soll. Das Pokémon-Center liegt im Halbdunkeln. Nur ein paar Kerzen erhellen den Annahmebereich. Hinter dem Tresen steht ein weiblicher Rüpel und neben dem PC ihr männliches Pendant. Ein zweiter Junge liegt in der Ecke vor dem ehemaligen Café und schläft tief und fest. Rührt keinen Muskel. Auch nicht, als die beiden anderen Sun entdecken und augenblicklich zu rappen beginnen. „Hey! Yo! Was haste hier zu suchen, Bro?“, wendet sich Oliver an ihn. Es klingt nicht sonderlich musikalisch, andererseits aber auch nicht abweisend oder böse. Sun kann ein Schmunzeln nur knapp unterdrücken.
 

„Wa‘ stehen hier im Dunkeln, ham null Bock auf Munkeln! Nur Beats, richtig derbe, sind unser Gewerbe! Wa‘ soll’n Wache stehen, doch woll’n Däumchen drehen! Was willste, ‘nen Kampf? Ach komm, lass den Krampf!“, ertönt es nun von Ellen. Wild gestikulieren die zwei während ihrer Darbietung herum. Sun ist sich nicht sicher, ob die Rüpel wirklich keine Lust haben, ihrer zugeteilten Arbeit nachzugehen ober, ob das vielleicht nur Tarnung ist und ihn in Sicherheit wiegen soll. Doch egal, was es ist, es lenkt den Schwarzhaarigen zumindest für den Augenblick von seinen Sorgen ab, weshalb er einfach stehenbleibt und ihnen weiter zuhört.
 

„Yo, platz‘ hier nich‘ rein, wie’n wildes Kleinstein! Wenn du meinst, dass Team Skull an nix denkt, als Krawall, haste leider ‘n Knall, denn das is‘ nich‘ der Fall! Wa‘ woll’n hier nur gammeln und gechillt Staub ansammeln!“, kommt es nun wieder von dem Blauhaarigen. Das Auftreten der Rüpel wirkt so sorgenfrei und überzeugend, dass sich der junge Trainer das Lachen nun wirklich nicht mehr verkneifen kann. Kichernd hält er sich die Hand vor den Mund, damit sie es nicht gleich mitbekommen. Zu seiner Überraschung gehen sie jedoch überhaupt nicht darauf ein und machen ungetrübt weiter. „Hier in Pokémon-Center herrscht Stromausfall, und zwar permanenter! Komm, bring Licht ins Dunkel mit Münzen, die funkeln! Zehn Stück an der Zahl, das reicht allemal! Wirf sie uns in den Rachen, um dein Team fit zu mach’n!“, meint das Mädchen nun.
 

In ihren Worten liegt so viel Bitten, dass Sun sich zu fragen beginnt, wie das Team hier eigentlich lebt. Der ständige Regen ist sicher keineswegs angenehm. Ein Stromausfall auch nicht gerade. Sie sind hier völlig abgeschnitten von der Außenwelt ganz auf sich allein gestellt. Irgendwie kann sich der junge Anwärter da schon vorstellen, warum sie dann überall randalieren und die Leute bestehlen. Was bleibt ihnen schon anderes übrig, wenn sie sonst keine Perspektive im Leben zu haben scheinen? Ganz plötzlich empfindet Sun einen Anflug von Mitleid für Team Skull. Es rechtfertigt keinesfalls ihr schlechtes Verhalten und schon gar nicht, dass sie das arme Mangunior gestohlen haben, nur um ihm eine Abreibung zu verpassen, aber sie wirken irgendwie so hilflos. Auf der Straße versuchen sie hart zu sein, damit man sie ernst nimmt und fürchtet, doch in ihren eigenen vier Wänden sind sie gebrochen, einsam und traurig. Was muss das nur für ein Leben sein?
 

Der Schwarzhaarige mag sich das gar nicht vorstellen wollen. Dennoch glaubt er, dass er nun viel davon mitbekommen wird, wenn er dem Mangunior helfen will. Er wird in die Heiligtümer des Teams eindringen und sehen, was dem Rest der Welt verborgen bleibt. Fragt sich nur, ob er damit umgehen kann? Jetzt zumindest vergeht ihm erst einmal das Lachen und er wühlt in seiner Tasche herum. Schnell findet er die zehn Dollar. Der Preis ist ein echter Witz, wie er findet. Klar, normalerweise wird man in jedem Pokémon-Center stets kostenlos behandelt. Aber für zehn Dollar kann man sonst auch überhaupt nichts kaufen. In keinem Markt, nicht einmal im aller billigsten, würde er auch nur eine Sache damit bezahlen können. Von daher fällt es ihm überhaupt nicht schwer, dass bisschen abzugeben, um ihnen eine Freude zu machen und sich selbst vor einer weiteren Konfrontation zu bewahren.
 

Unter ihren äußerst wachsamen Augen nähert sich Sun soweit, dass er Oliver das Geld in die Hand fallen lassen kann. Perplex starren ihn die beiden Rüpel daraufhin an, haben sie wohl nicht damit gerechnet, dass er tatsächlich ihren Worten Folge leistet. Daher dauert es auch einen Moment, ehe sie sich wieder fangen. Warmherzig lächelt der kleine Junge sie an, woraufhin sich auch ein Lächeln in die Augen der beiden Rabauken schleicht. „Wow, krass, du lässt es krachen! Gleich biste fit, keine halben Sachen! Geld is‘ unser Lebenselixier, Geld is‘ der Hit! Biste alle, komm zu uns, wa‘ mach’n dich fit!“, flötet der Blauhaarige schließlich fröhlich und lässt die Münzen in seiner Tasche verschwinden.
 

Ellen reicht ihm einen Top-Trank über den Tresen, den Sun seinerseits in seiner Tasche verschwinden lässt. Sobald er wieder aus dem Pokémon-Center raus ist, wird er Fuegro damit füttern und dann ist alles wieder beim Alten. „Danke, Leute! Ihr seid echt in Ordnung!“, meint der Schwarzhaarige schließlich und wendet sich von ihnen ab. Kaum, dass er durch die Tür ist, blicken sich die beiden Rüpel an. „Is‘ schon irgendwie ‘n netter Bursche, nich‘?“, meint die Pinkhaarige etwas bedrückt. „Yo, schon fast ‘ne Schande, dass der Boss ihn plattmach’n wird...“, erwidert ihr Kollege leicht trübsinnig. In diesem Moment öffnet der zweite Junge die Augen und erhebt sich langsam. „Is‘ aber besser so. Der Bengel bringt nur Unglück und das wisster!“, kommt es gähnend von Toni. Eindringlich mustert er seine beiden Mitstreiter.
 

„Yo, wissen wa‘...“, erwidern diese nach einer kurzen Pause. Der dritte nickt zustimmend und schleicht sich dann aus dem Pokémon-Center hinaus zur Villa, um Bericht zu erstatten. Oliver und Ellen bleiben allein zurück und warten darauf, dass Sun wohlmöglich noch einmal wiederkommt oder das Ganze schlussendlich vorbei ist.
 


 

7
 

Nach dieser doch recht skurrilen Begegnung, setzt der Schwarzhaarige seinen Weg nun fort. Von dem verfallenen Pokémon-Center kommt er ein gutes Stück voran, bis er erneut vor einer Barrikade steht. Zu seiner Überraschung ist diese jedoch unbewacht oder zumindest kann er niemanden ausmachen. Nach kurzem Suchen findet Sun wieder eine Lücke in der dichten Hecke, die an die Absperrung grenzt, durch die er sich zwängen kann. Soweit so gut. Als er der Straße weiter in das Dorfinnere folgen will, entdeckt er allerdings einen roten Pick-up Truck, der so schief auf dem beschmierten Asphalt steht, dass er die ganze Straße blockiert. Da er aber nicht von irgendwelchen Büschen oder Hecken flankiert wird, ist es nicht sonderlich schwer an ihm vorbei zu kommen.
 

Das denkt der junge Trainer zumindest. Als er seinen Weg jedoch fortführen will, ertönt auf einmal eine Stimme. „Eins, zwei, drei! Auf ‘n Sandsack geht der Hieb! Vier, fünf, sechs! Oder in dein Gesicht, wenn du nich‘ stehen bleibst!”, tönt Gus von Dach des Trucks aus. Erschrocken zuckt Sun zusammen. Innerlich könnte er sich selbst ohrfeigen, weil er seine Umgebung so gar nicht im Auge hatte. Immerhin hätte das auch echt böse enden können. Der Rüpel sieht jedoch alles andere als freundlich aus. Drohend stapft er auf die Motorhaube und wirft auch schon seinen Pokéball. Heraus springt ein sehr mies gelauntes Imantis, dessen scharfkantige Blattarme bedrohlich im Regen schimmern. „Bis hier hin haste es vielleicht geschafft, Zwerg. Aber jetz‘ biste fällig!“, höhnt der Rüpel vielsagend und lässt sein Pokémon den ersten Angriff ausführen, kaum, dass Fuegro auf dem Feld erschienen ist.
 

Imantis‘ Arme beginnen grün aufzuleuchten und es stürmt mit wahnsinniger Geschwindigkeit heran, um den Feuerkater mit seinen Laubklingen zu verletzen. Der Treffer sitzt ziemlich gut, doch der Tiger gibt sich dadurch noch lange nicht geschlagen. Seine flammenden Zähne beenden diese Runde schnell, aber noch nicht den Kampf. „Das haste nich‘ umsonst gemacht, Bengel!“, gebärt sich der Blauhaarige wütend und schickt sein zweites Pokémon auf das Feld. Diesmal ist es ein Molunk. Der kleinen Echse ist Sun ja schon ein paar Mal begegnet und jedes Mal ist er auf dessen Attacke hereingefallen. Doch das wird ihm diesmal ganz sicher nicht passieren!
 

Schnell tauscht er Fuegro gegen Snobilikat aus und lässt es Mogelhieb einsetzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Es klappt auch und so entgeht er fürs erste einer neuerlichen Vergiftung. Wie er befürchtet hat, folgt aber nun der hinterhältige Funkenflug. Die sandfarbene Katze entkommt zwar dem Angriff, doch den platzenden Blasen natürlich nicht. Da der Nebeneffekt der Attacke aber typenlos ist, hält sich der Schaden glücklicherweise in Grenzen. Eine Finte und einen Biss später rührt sich die kleine Echse dann auch schon nicht mehr und Sun ist einen Schritt weiter. „Volle Kanne ausgeknockt, Baby! Und ausgezählt bis zehn, da kam der Gong!“, schnaubt Gus vor sich hin und lässt sich auf die Motorhaube plumpsen. „Mach, daste weiterkommst, Junge, ehe ich ein Comeback starte!“, warnt er ihn dann noch, woraufhin sich der junge Anwärter abwendet.
 

Durch eine Fehlstelle in einem Metallzaun gelangt er schließlich auf den Vorplatz der imposanten Villa, die Team Skull ihr Zuhause nennt. Nervös betrachtet er das gewaltige Bauwerk. Dort drinnen wird es mit Sicherheit weit härter werden, als hier draußen. Viele Nettigkeiten kann er sich dann wohl auch nicht mehr erhoffen, aber das ist egal. Er hat ein Ziel und er ist bereit es auch zu erreichen!
 


 

8
 

Mit äußerster Vorsicht und die Augen nach allen Richtungen blickend, öffnet Sun die marode Tür der Villa und tritt in das Halbdunkel des alten Gebäudes hinein. Wie er schnell feststellt, scheint es hier zumindest Strom zu geben. Einige unscheinbare, halb kaputte Lampen zieren die Wände und vertreiben die völlige Finsternis der regnerischen Bleibe immerhin soweit, dass man nicht über seine eigenen Füße fällt. Das wenige Licht reicht aber auch aus, um deutlich zu zeigen, in welchen Verhältnissen Team Skull hier wohnt. Es ist offensichtlich, dass die Rabauken einiges selbst dazu beigetragen haben, wie es hier aussieht, doch Sun fragt sich schon, wie der Zustand war, bevor sie diesen Ort erobert haben. Alles wirkt einfach zu verlassen und verfallen, als das es nur durch die Hände dieser hirnlosen Chaoten so gekommen ist.
 

Unschlüssig tritt er ein paar Schritte von der Tür weg und blickt sich aufmerksam um. Der Boden ist mit einem dunkelroten Teppich ausgelegt, der an seinen Seiten mit einem wahrscheinlich einmal goldfarbenen Band versehen ist. Wäre die Villa keine Ruine, würde der Teppich sehr gut den Stand und den Stil der Bewohner verdeutlichen. Nun jedoch ist er an vielen Stellen von Löchern und Schnitten durchzogen und nicht wenige Bereiche sind mit Farbe beschmiert, als hätten sich hier ein paar Kleinkinder ausgetobt. Suns Blickfeld wird von einer Ansammlung an herumliegenden Kartons aller Größen dominiert. Die meisten wirken nass oder verfallen. Einige sind aber auch zu Türmchen aufgestapelt. Tische, Regale, ja sogar ein Bett und ein Sofa stehen kreuz und quer überall verteilt. Das Ganze wirkt sehr strukturlos, als hätte jemand angefangen auszumisten und dann einfach die Lust verloren.
 

Andererseits kommt dem jungen Anwärter der Gedanke, dass nicht alles davon einfach nur wahllos herumsteht, sondern wohlmöglich extra so platziert wurde, um ihn am Weiterkommen zu hindern, beziehungsweise ihm eine Richtung vorzugeben, wenn er nicht über all den Müll hinwegkrabbeln und so vielleicht irgendetwas oder irgendjemandem in die Arme laufen will. Kurz gesagt, dies ist wahrlich kein Ort, den man gern aufsuchen möchte oder an dem man sich länger als irgend nötig aufhalten will. Zu allem Überfluss riecht es hier drinnen auch noch feucht, schimmlig und nach so vielen verschiedenen Pokémon und anderen Dingen, dass ein Zoo dagegen wirkt wie das reinste Parfum. Ein weiteres Mal geht dem Schwarzhaarigen der Gedanke durch den Kopf, wie Team Skull hier nur wohnen kann. Unwillkürlich schüttelt er sich leicht und macht dann noch ein paar Schritte in die große Eingangshalle hinein.
 

Direkt vor ihm erstreckt sich eine große Treppe, die in den ersten Stock führt, doch bis zu ihr kommt er gar nicht erst. Im Halbschatten direkt daneben bewegt sich etwas und schnell wird ihm klar, dass das sein erster Gegner zu sein scheint. Mit hängenden Schulter, aber doch irgendwie energisch, tritt Hektor aus dem Schatten heraus. „Ich taug‘ selbst als Rüpel nich‘ viel, aber hier hab‘ ich wenigstens mein‘ Platz gefunden.“, teilt er Sun mit. In seiner Stimme liegt etwas, dass dem Schwarzhaarigen klar macht, wie froh sein Gegenüber darüber ist, irgendwo hinzugehören. Unweigerlich fragt sich der junge Trainer, was dieser Bursche wohl durchgemacht haben mag, um so eine Einstellung an den Tag zu legen, da er nicht glaubt, dass das nur Show ist. In ihm kommt sogar kurz der Wunsch auf, ihn danach zu fragen, doch dafür lässt der Ältere ihm keine Chance. „Und du wirst mir diesen Platz ganz sicher nich‘ ruinieren!“, kommt es nun mit weit mehr Elan von Hektor, während er seinen Pokéball aufs Feld wirft.
 

Heraus kommt ein kleines Zubat, das sich aber nicht lange behaupten kann, ebenso nicht wie seine beiden Mitstreiter Nebulak und Molunk. Sun tut es schon fast leid, den anderen Jungen so schnell und einfach fertiggemacht zu haben, obwohl er es schon beachtlich findet, dass Hektor tatsächlich drei Pokémon besitzt. Sonst ist er das von Team Skull ja nicht gewohnt. Als alles vorbei ist und Hektor seine geschlagene Echse in den Ball zurückruft, lässt sich der Blauhaarige schwerfällig auf den Boden plumpsen und bleibt dort einfach sitzen, wie ein kleines Kind, das keine Lust mehr hat weiterzulaufen. „Wa‘ eigentlich klar, dass der Kampf so ausgehen würd‘. Passend für jemanden wie mich. Ende. Aus…“, gibt er betrübt von sich und lässt die Schultern hängen. Erneut überkommt Sun ein Anflug von Mitleid. Doch, als er sich dem Rüpel nähern will, wirft dieser ihm einen so strengen Blick zu, dass er es doch lieber bleiben lässt.
 

Stattdessen wendet er sich wieder der Treppe zu. Direkt daneben befindet sich eine Tür, die halboffen steht. Schwaches Licht dringt daraus auf den Flur. Vorsichtig geht Sun darauf zu und späht hinein. Im ersten Moment kann er nichts Ungewöhnliches erkennen. Der Raum scheint eine Art Esszimmer oder dergleichen zu sein. Als er ein paar Schritte in den Raum hinein macht, ertönt hinter ihm plötzlich ein Geräusch, das ihm gar nicht behagt. Die Tür ist zugefallen! Ruckartig dreht er sich um und stellt mit leichtem Entsetzen fest, dass der Ausgang nun von zwei Rüpeln versperrt wird. Der Junge und das Mädchen mustern ihn streng. „Endstation, Kleiner!“, kommt es von der Pinkhaarigen, während ihr Partner ein finsteres Lachen von sich gibt.
 

Sun überkommt ein eiskalter Schauer. Er war zu unvorsichtig und jetzt sitzt er in der Falle! Was werden sie nun mit ihm machen? Tragischer Weise würde er diesen Chaoten einfach alles zutrauen, das ist das Problem an der Sache. Dennoch versucht er sich seine beginnende Panik nicht anmerken zu lassen. Irgendwie kommt ihm auch der seltsam tröstende Gedanke, dass die beiden ihn nicht einfach zusammenschlagen und dann irgendwo liegen lassen werden. Das wäre ganz sicher nicht im Interesse ihres Bosses, der doch auf dieses Treffen bestanden hat. Sie werden ihm durchaus das Leben schwer machen, aber sie werden auch dafür sorgen, dass er es zu Bromley schafft, irgendwie und vielleicht sogar in einem Stück...
 

Allerdings stellt sich schnell heraus, dass die zwei nicht mit ihm kämpfen wollen, sondern eine dritte Person, die sich nun zu erkennen gibt. Rose nähert sich ihm vom anderen Ende des Raumes und zückt dabei ihren Pokéball. „Eindringlingen wie dir servier‘ ich immer ’n Drei-Gänge-Menü an Pokémon-Attacken!“, tönt sie und schickt ihr Garstella in den Kampf. Hierbei handelt es sich um ein Wesen von Typ Gift und Wasser, das äußerst fies werden kann, oder besser gesagt sehr garstig. Der Quälstern stützt sich auf die flexiblen Fortsätze, die aus seinem Kopf herauswachsen und die mit giftigen Dornen übersät sind. Sun ist diesem Pokémon bisher nur sehr selten begegnet, da sie sich für gewöhnlich gut verstecken und ihre Beute aus dem Hinterhalt angreifen. Dennoch weiß er, dass es sehr gefährlich werden kann, allein schon wegen seinem starken Gift.
 

Der Schwarzhaarige hat keine Attacke, der sehr effektiv auf Garstella wirken würde. Zudem könnte jede Berührung dafür sorgen, dass sein Pokémon vergiftet wird. Die Endscheidung fällt ihm wirklich schwer. Seine wirkungsvollsten Angriffe wären die vom Typ Unlicht, also schickt er Snobilikat in den Ring, das immerhin zwei dieser Attacken beherrscht. Die erste Finte sitzt ganz gut und bringt den kleinen Quälstern ins Wanken. Doch nicht lange, da reißt es sein Maul auf und überschüttet den Kater mit einer grün glühenden Flüssigkeit, die wie giftiger Schleim überall zu kleben scheint. Sun kann von Glück sagen, dass dieser Giftschock der sandfarbenen Katze nicht allzu sehr zusetzt und noch erleichterter ist er darüber, mal nicht gleich bei der ersten Gelegenheit vergiftet zu werden.
 

Auch die nächste Finte wird ein Volltreffer und bringt Garstella beinahe aus dem Gleichgewicht. Finster mustert es seinen Gegner und stellt sich für seinen Angriff dann plötzlich senkrecht auf seine Fortsetze. Die vielen spitzen Dornen, die die Oberseite seines Körpers bedecken, sind nun direkt auf Snobilikat gerichtet und fliegen dem Kater kurz darauf auch schon um die Ohren. Er hat sichtlich Mühe der Dornkrone auszuweichen und nicht wenige der Nadeln treffen oder streifen ihn schmerzlich. Angeschlagen mobilisiert Snobilikat seine Kräfte und setzt zur dritten Finte an, die die entscheidende Wendung bringt. Völlig erledigt sinkt Garstella in sich zusammen und entlockt den drei Rüpeln ein verstimmtes Geräusch.
 

„Puh, die Mahlzeit, die du mir da reingedrückt hast, wa‘ aber ganz schön schwer verdaulich!“, entkommt es Rose getroffen. „Mag sein, aber du hast dich gut geschlagen!“, erwidert ihr Sun aufmunternd. Auf so etwas haben die Rüpel aber überhaupt keinen Bock. „Halt die Klappe!“, faucht das Mädchen zurück, während ihre beiden Mitstreiter den Ausgang wieder freigeben. „Raus hier!“, blafft ihn der Junge noch an und versucht ihn sogar durch die Tür zu schieben, doch Sun entkommt seinem Griff noch ganz knapp. Ungehalten knallt die Tür hinter ihm wieder ins Schloss und Sun kann die aufgewühlten Stimmen der drei von drinnen hören, zudem heftiges Poltern, als würden sie ihre Wut nun an den Möbelstücken auszulassen versuchen.
 

Seufzend entfernt sich der Schwarzhaarige und biegt neben der Treppe in einen kurzen Flur ein, indem sich auch einige der Schlafzimmer befinden. Allerdings kommt er nicht so weit, dies herauszufinden, denn Sonja wartet im Gang schon auf ihn. „Sorry, aber bei mir is‘ Endstation für dich. Der Boss soll sich ja nich‘ ärgern müss’n!“, meint sie knapp und schickt ein Alpollo ins Rennen. Der Geist segnet aber schnell das Zeitliche, da Seinesgleichen von Natur aus auf so gut wie alles empfindlich reagieren. „Auweia. – Wegen dir muss unsre Villa echt noch dran glauben. – Ich hoff‘, du bist stolz auf dich...“, entgegnet sie ihm angesäuert und jagt ihn dann aus dem Flur heraus, ehe er sich genauer umsehen kann. Das soll ihm jedoch egal sein. Die ganze Villa ist ein einziges Trauerspiel, da ist es besser, wenn man nur so wenig wie nötig zu Gesicht bekommt...
 


 

9
 

Nach einer kurzen Rast geht Sun wieder zur Treppe zurück. Eine Weile blickt er sich noch im Eingangsbereich davor um, doch alle anderen Wege werden von Kisten, Möbelstücken und allerhand Müll dermaßen blockiert, dass sie praktisch nicht passierbar sind. Also bleibt ihm eigentlich nur der Weg in den ersten Stock. Als er auf dem ersten Absatz der langen Treppe ankommt, teilt sich der Weg nach rechts und links. Die rechte Seite wird jedoch völlig durch einen riesigen Kronleuchter versperrt, der mitten auf die Stufen gefallen ist. Allerdings ist seine Lage schon merkwürdig. Als Sun zur Decke schaut, bemerkt er, dass die Aufhängung des Leuchters eigentlich genau an der Stelle ist, an der er gerade steht. Folglich hat jemand den Leuchter die Stufen hoch gewuchtet, um den Durchgang zumindest auf einer Seite der Treppe freizumachen.
 

So muss Sun wenigstens nicht lange überlegen, welchen Weg er einschlagen soll und geht nach links. Am Ende der Treppe erstrecken sich einige Zimmer, doch bis auf eines, sind alle Türen verschlossen. Es ist schon fast zu offensichtlich, dass die Rüpel ihn dort hinein locken wollen. Andererseits muss er ja auch Bromley finden, um das Mangunior zu befreien. Und, um das zu schaffen, muss er sich wohl oder übel diesem Spielchen beugen und jedem Hinweis nachgehen. Mit einem leicht genervten Seufzen nähert er sich also der angelehnten Tür und findet sich sogleich in einer Art Fernsehzimmer wieder. Sessel, ein Sofa, allerhand Kissen und Matratzen liegen kreuz und quer verteilt, vor gleich mehreren TV-Geräten. Ja sogar ein paar Spielekonsolen entdeckt er. Der Anblick ist irgendwie seltsam beruhigend. Alles hier wirkt so trostlos, doch dieser Raum macht ihm klar, dass Team Skull doch nur ein Haufen Teenager ist, der ganz normalen Dingen nachgeht, ja vielleicht sogar allabendlich zusammensitzt und gemeinsam einen Film schaut oder sich ein paar aufregende Rennen liefert.
 

Dinge, die ganz normale Leute auch machen. Wieder entkommt ihm ein Seufzen, doch diesmal wirkt es eher traurig. Sein Mitleid für diese Bande Chaoten wird immer größer ohne, dass er es verhindern kann. Im Grunde sind sie nichts weiter als fehlgeleitete und im Stich gelassene Seelen, die versuchen sich ihr Dasein in dieser Welt so erträglich wie irgend möglich zu machen. Es ist zwar kaum vorstellbar, aber vielleicht hilft es dem Team ja sogar, wenn er ihnen allen einen Denkzettel verpasst? Vielleicht finden sie dadurch den Weg in die Wirklichkeit zurück und können irgendwann ein normales, gesittetes Leben führen? Der Schwarzhaarige würde es ihnen in jedem Fall gönnen auch, wenn er ihre Missetaten damit weder verteidigen, noch entschuldigen will. Doch ein wenig hat er das Gefühl, dass ihre bemitleidenswerte Lebensweise schon so etwas wie eine Strafe für sie ist und der Rest wird sich schon zeigen.
 

Sun ist mit seinen Gedanken noch gar nicht ganz durch, da ertönt die Stimme eines weiteren Rüpels von einem der Sessel. Ungelenk erhebt sich Ivan und stellt sich ihm gegenüber. „Hmpf! Ganz schön derb von dir, einfach so in Zimmer andrer Leute reinzukomm‘! Meinste nich‘?“ „Ja, vermutlich.“, entgegnet ihm Sun. „Ganz schön frech, wa‘?“ „Vermutlich auch das, aber vielleicht können wir das hier etwas beschleunigen?“, legt der Schwarzhaarige nach. Verstimmt schickt Ivan sein Imantis in den Kampf. Eine kräftige Feuer-Attacke von Fuegro reicht aber schon aus, um es weg zu pusten, besonders da nun kein störender Regen sie mehr abschwächt. „Also dein Pokémon is‘ ja auch ganz schön derb…!“, kommt es schmollend von dem Blauhaarigen, ehe er sich wieder zurück auf den Sessel fallen lässt und Sun keines Blickes mehr würdigt. Schulter zuckend verlässt der junge Trainer das Zimmer wieder und setzt seinen Weg fort.
 

Auf dem Flur läuft er aber praktisch schon dem nächsten Rüpel in die Arme. „Was geht? Haste ‘n Einladungsschreiben von Team Skull oder, was willste hier?“, fragt ihn John ganz locker. Innerlich verdreht Sun die Augen. Langsam aber sicher gehen ihm die dümmlichen Sprüche dieser Hohlschädel auf die Nerven – Mitleid hin oder her. „Nein, das habe ich nicht. Aber es wäre echt nett, wenn du mich vorbeilassen würdest.“ Der Ältere gibt nur ein fieses Lachen von sich. „Sicher, aber nich‘ ohne ‘n Kampf, Freundchen!“ Das Traumato des Jungen bringt Sun nicht gerade ins Schwitzen, von daher ist auch dieser Kampf schnell erledigt. „Du hast mir echt ‘n heftigen Kampf geliefert! Aber ‘n Einladungsschreiben ersetzt das nich‘!“, motzt John ihn an und stapft dann grummelnd an ihm vorbei – nicht aber, ohne ihn dabei anzurempeln.
 

Zum gefühlt hundertsten Mal gibt der Schwarzhaarige ein Seufzen von sich. Er kann nur hoffen, dass er nun endlich bald auf Bromley trifft, bevor er noch den Rest seiner angekratzten Beherrschung verliert und wohlmöglich etwas sehr Dummes tut...
 


 

10
 

Er hat seinen Weg noch gar nicht wirklich fortgesetzt, da quatscht ihn auch schon der nächste Rüpel an. Er steht vor einer großen Glastür, die wohl zum Balkon führt, den er von draußen sehen konnte. „Hey, du da!“ Schnell wirft Sun einen Blick den Rest des Flures entlang, muss aber feststellen, dass er hier nicht weiterkommt, da der Weg von etlichen Kisten versperrt wird und er damit wahrscheinlich gezwungen ist über den Balkon zu gehen. In der Ferne des versperrten Flures kann er eine einzige Tür erkennen. Hinter ihr wartet ganz sicher Bromley auf ihn, also wendet er sich dem Rüpel zu.
 

„Du willst sicher ‘ne Audienz beim Boss, hm? Da musste erst die drei Losungswörter nenn‘!“, kommt es grinsend von Karlo. Verwundert legt Sun die Stirn in Falten. Das kann ja heiter werden. „Losungswörter?“ „‘türlich! Oder denkste etwa, ich lass‘ dich einfach so durch? Wo bleibt ‘n da der Spaß?“ Also, wenn das Spaß sein soll, dann hat Sun definitiv schon genug davon gehabt. „Na, schön...“, gibt sich Sun geschlagen. Grinsend zieht der Rüpel eine Karte aus der Tasche, auf der drei Attacken-Namen vermerkt sind. „Okay, du Schlauberger! Dann nenn‘ mir jetz‘ ma‘ die Lieblings-Attacke vom Boss!“, höhnt Karlo siegessicher. Der Schwarzhaarige legt nur wieder die Stirn in Falten und will ihm schon entgegnen, dass er das doch unmöglich wissen kann. Dann besinnt er sich und liest sich die drei Attacken durch.
 

Von Professor Kukui und dem Kampf gegen Bromley weiß er, dass der Weißhaarige eine Vorliebe für Käfer-Pokémon hat. Dummerweise stehen auf der Karte keiner Attacken dieses Typs, also muss es eine andere Lösung geben. Grübelnd starrt er die Worte an, die für ihn alle unlogisch klingen. „Na, gibste schon auf?“, fragt der Blauhaarige keck. „Ruhe, ich denke nach!“, gibt Sun angesäuert zurück. „Lass das lieber, das bringt eh nichts!“ ‚Ja, dir wahrscheinlich nicht...‘, geht es dem Schwarzhaarigen gehässig durch den Kopf. Dann fällt es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen und er fragt sich, wie er das Offensichtliche nur so lange übersehen konnte. „Prügler! Es ist Prügler!“, platzt es schließlich aus ihm heraus.
 

Verdutzt sieht Karlo ihn an. „Yo, stimmt! Weiter im Text. Dann nenn‘ mir jetz‘ ma‘ das Lieblings-Pokémon vom Boss!“ Diesmal bekommt Sun keine Auswahlmöglichkeiten, was den Rüpel sichtlich zu freuen scheint. Nachdenklich schließt der junge Trainer die Augen. Er weiß ja, dass Bromley Käfer bevorzugt. Im Kampf gegen ihn hat er Tectass und Ariados eingesetzt. Beides Käfer. Also ist eines davon vielleicht sein Lieblings-Pokémon? Hatte Kukui da nicht auch etwas erzählt? Das Bromley zu seiner Inselwanderschaft einen schwierigen Start hatte, weil sein Pokémon so flüchtig war? Ja, genau! „Es ist Tectass!“, bringt er hervor. Wieder sieht Karlo ihn verdutzt an. „Himmel, wie kommste denn da drauf?“ Innerlich zuckt der Kleinere zusammen, da er fürchtet ,die falsche Antwort gegeben zu haben.
 

„Yo, Mann, das stimmt total! Okay, letzte Frage! Nenn‘ mir jetz‘ ma‘ das Lieblingsgetränk vom Boss!“, grinst Karlo so breit, dass Sun es schon durch das Tuch vor seinem Mund zu sehen glaubt. Wie absurd ist denn diese Frage bitte? Auch diesmal bekommt er keine Hilfe und weiß auch beim besten Willen nicht, wie er das beantworten soll. Immer mehr Verzweiflung macht sich in ihm breit und ihm will auch so gar nichts einfallen. Der Professor hat ihm zwar ein bisschen was über Bromley erzählt. Das sie zusammen auf Inselwanderschaft waren, aber mehr auch nicht. Weshalb der Käfer-Trainer bei ihrem Zusammentreffen so sauer auf Kukui war, weiß Sun bis heute nicht und er konnte dem Gespräch auch nicht wirklich folgen. Manuel muss nur irgendetwas getan haben, was Bromley sehr wütend gemacht hat, sodass sie jetzt keine Freunde mehr sind. Da hielt er sich aber sehr bedeckt und vermeidet es auch meistens über den Weißhaarigen zu reden, geht allen Fragen dahingehend aus dem Weg, was Sun schon verstehen kann.
 

Aber gerade jetzt hilft ihm das überhaupt nicht weiter! Fieberhaft denkt er an irgendwelche Getränke, doch er kann sich so gar keines bei diesem Irren vorstellen. Wahrscheinlich ist es auch etwas völlig Absurdes oder Ekelerregendes. Ihm platzt fast der Kopf und dann spricht er einfach das aus, was ihm als erstes in den Sinn kommt – dumm nur, dass es sein eigenes Lieblingsgetränk ist... „Eneco-Kakao!“ Diesmal sieht Karlo ihn nicht verdutzt an, sondern setzt sein Poker-Face auf, was Sun mehr als nur beunruhigt. „Die Losungswörter lauten deiner Meinung nach also Prügler, Tectass und Eneco-Kakao. Biste dir da sicher?“, hakt der Rüpel nun wieder grinsend nach.
 

Der Schwarzhaarige weiß jedoch überhaupt nicht mehr, was er denken soll und senkt resignierend den Kopf. Dabei fällt ihm etwas ein, dass Team Skull oft in seiner Gegenwart gesagt hat, wenn sie etwas abstreiten oder nicht glauben wollten. Wie automatisch kommen ihm die Worte nun über die Lippen ohne, dass er es verhindern kann. „No way...“ Das war es endgültig. Zu seinem Erstaunen fängt Karlo nun aber richtig heftig an zu lachen, sodass ihm schon fast die Tränen kommen. „Hahaha! Du kennst die Vorlieben vom Boss und antwortest dann noch rotzfrech mit ‚No way‘?! An dir is‘ echt ’n prima Skull-Rüpel verloren gegangen! – Für ‘ne Audienz beim Boss musste nur übers Dach latschen. Das kannste gar nicht verfehlen!“, bringt er schließlich hervor und tritt dann zur Seite, damit Sun auf den Balkon hinausgehen kann. Mit großen Augen mustert der Junge den Rüpel und kann es immer noch nicht fassen. Dann huscht er schnell an ihm vorbei, damit dieser es sich nicht noch anders überlegen kann.
 


 

11
 

Während sich Sun durch die Villa immer weiter zu Bromley durchkämpft, sitzt der Käfer-Trainer in seinem Zimmer auf seinem thronähnlichen Stuhl und beobachtet den Rüpel, der bei ihm ist. Pascal hockt vor einem kleinen Käfig, in den der Weißhaarige das entführte Mangunior gesperrt hat. Er weiß so gar nichts mit diesem überaus bissigen Fellball anzufangen und fragt sich zum wiederholten Mal, warum Fran ihn überhaupt angeschleppt hat. Sie hat es ihm zwar erklärt, doch so ganz will er nicht wahrhaben, dass dieser nervige, kleine Trainer nur zu ihm kommt, weil er das Vieh hier hat und Sun es retten will. Der Bengel sollte sich glücklich schätzen, die Gelegenheit zu bekommen, ihn hier besuchen zu dürfen. Ja, es sollte ihm sogar eine Ehre sein! Aber vermutlich bildet sich der kleine Furz ganz schön was darauf ein, dass er Bromley schon mal geschlagen hat, weshalb die Idee seiner Kollegin vielleicht doch nicht die Schlechteste ist.
 

Doch, warum in aller Welt musste es so eine Beißzange sein? Wer will so ein Biest schon haben? Seufzend bringt er sich in eine etwas aufrechtere Position und will dem Rüpel gerade sagen, dass er nicht schon wieder den Finger zwischen die Gitterstäbe stecken soll, da gibt dieser auch schon einen spitzen Schrei von sich, macht einen ungeschickten Satz nach hinten und landet dann unsanft auf seinen vier Buchstaben. „Ah, du verfluchtes Mistvieh, ich zieh dir das Fell über die Ohr’n!“, wimmert Pascal und steckt sich wie ein kleines Kind den blutigen Finger in den Mund. Geräuschvoll saugt er daran herum und versucht sich die Tränen zu verkneifen. Bei dem Anblick weiß Bromley nun wirklich nicht mehr, ob er nun lachen oder eher weinen soll.
 

Klar sind seine Rüpel echte Spielkinder, doch so dumm kann man doch nun wirklich nicht sein und drei Mal hintereinander seinen Finger in den Käfig zu stecken, wenn man schon zwei Mal gebissen wurde. Leicht verdreht der Größere die Augen und seufzt tonlos. „Pascal, komm doch ma‘ her.“, weist der Käfer-Trainer ihn schließlich an. Der Rüpel erhebt sich etwas schwerfällig, mit dem Finger im Mund und tapst auf ihn zu. Sein Gesichtsausdruck gleich dabei einem kleinen Kind, das gerade von Größeren schikaniert wurde und sich nun Trost bei seinem Vater oder Bruder erhofft. Kurz bevor er richtig vor ihm steht, nimmt er den Finger aus dem Mund, dreht sich um und streckt dem wütend fauchenden Mangunior die Zunge raus. Der Weißhaarige schnipst daraufhin mit dem Finger vor seiner Nase herum, um endlich seine Aufmerksamkeit zu bekommen und deutet dann auf die Armlehne seines Stuhles.
 

Pascal schiebt sich seinen blutigen Finger wieder in den Mund und grinst. Etwas ungeschickt setzt er sich dann auf die Lehne und sieht seinen Boss mit großen Augen an. Ein roter Schimmer breitet sich auf seinen Wangen aus, weil er wohl hofft, dass Bromley ihm jetzt ein wenig Trost spendet, wo er doch so schwer verletzt ist. Der Ältere lässt sich auch gar nicht lumpen, ihn in dem Glauben zu lassen, weiß er doch ganz genau, was im Kopf des Jüngeren so vorgeht. Beruhigend streicht er dem anderen Jungen über den Oberschenkel und wandert dabei gefährlich weit nach oben. Der Blauhaarige wird noch röter um die Nasenspitze und beginnt erwartungsvoll auf seiner Unterlippe herum zu kauen – sein verletzter Finger ist jetzt nur noch Nebensache. Mit einem sanften Lächeln nähert sich ihm der Größere, bis sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennen.
 

„Pascal...“, haucht Bromley mit tiefer, rauchiger Stimme. Den Rüpel überkommt augenblicklich ein wohliger Schauer, der ihn regelrecht unter der Hand des anderen erzittern lässt. „Ja, Boss...“, gibt er schluckend zurück. „Lass endlich den Scheiß!“, knurrt Bromley ihn plötzlich unmissverständlich an. Erschrocken zuckt der Junge zurück und kann dabei gerade noch verhindern von der Armlehne zu fallen. „Was’n für’n Scheiß, Boss...?“, fragt er unsicher. Beinahe grob packt der Weißhaarige nun seine Hand und erinnert ihn damit an seine Bisswunden. „Diesen Scheiß!“ „Oh...“, gibt Pascal kleinlaut zurück. „Sorry, Boss...“
 

„Du brauchst dich nich‘ bei mir zu entschuldigen. Tu dir einfach selbst ‘nen Gefallen damit. Sieh lieber zu, daste von dem verdammten Vieh wegbleibst, ehe es dir noch ‘n Finger abbeißt!“, kommt es tadelnd von dem Käfer-Trainer. „Is‘ gut, Boss..., eingeschüchtert lässt der Junge die Schultern hängen und senkt den Blick. Nun tut es Bromley schon beinahe leid, ihn so angefahren zu haben, aber er hat ja nun mal auch recht damit. Schließlich ist er für diesen Haufen liebenswerter Trottel verantwortlich und will nicht mit ansehen müssen, wie sie sich selbst zu Grunde richten. Sanft schließt sich daher nun seine Hand um das Kinn seines Gegenübers, damit dieser ihn wieder ansieht. „Mach nich‘ so’n Gesicht, Kleiner...“, raunt er ihm zu und haucht ihm dann einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
 

Überrascht weiten sich die Augen des Jüngeren und der Rotschimmer kehrt auf seine Wangen zurück. „Boss...?“ Bromley lächelt sanft. „Wir ham heut‘ noch viel vor uns, weißte? Und ich brauch‘ dich dafür in einem Stück, checkstes?“ Langsam nickt Pascal. „Gut. Dann sei jetz‘ ‘n braver Junge, hol dir ‘n verdammtes Pflaster und sieh nach, wie weit dieser Rotzlöffel Sun schon gekomm‘ is‘!“ „Yo, mach‘ ich, Boss!“, kommt es mit dem Anflug eines Grinsens von dem Rüpel. Er rutscht von der Armlehne hinunter und wendet sich zum Gehen, bleibt dann aber stehen und dreht sich noch einmal um. Seine Wangen glühen mehr denn je und er tapst nervös von einem Bein auf das andere, als müsse er ganz dringend aufs Klo. „Boss, kann ich vielleicht...“, setzt er an, doch Bromley lässt ihn nicht aussprechen, da er genau weiß, was Pascal jetzt für Fantasien durch den Kopf gehen. Doch dafür hat er keine Lust und es ist auch absolut keine Zeit. „Nee, kannste nich‘ und jetz‘ mach hin, bevor ich dich übers Knie leg‘!“, giftet er daher zurück, obwohl er sich gut vorstellen kann, dass das dem Rüpel keineswegs etwas ausmachen würde.
 

Erschrocken zuckt der Junge zusammen und schämt sich augenblicklich für seine Gedanken, hatte er doch gehofft, einen richtigen Kuss von ihm stibitzen zu können. Doch da ist der Käfer-Trainer knallhart. Wenn er das einem von ihnen durchgehen lässt, dann wollen die anderen es auch und das artet dann in etwas aus, das außerhalb jeglicher Kontrolle liegt und das will der Weißhaarige auf keinen Fall riskieren. Er will sich weder selbst so einer Enttäuschung hingeben, noch sie einem anderen wünschen. Dafür wurde er von Kukui einfach zu sehr verletzt, um sich so leichtfertig in dergleichen zu stürzen. Das wäre keine echte Liebe, sondern nur Spielerei für ihn und das hat er längst hinter sich gelassen. „Sorry, Boss. – Bin schon weg...“, kommt es dann reumütig von Pascal, ehe er sich wieder umdreht und dann wirklich das Zimmer verlässt. Seufzend sieht Bromley ihm nach, während ungewollt wieder einmal die Gedanken an sein Leben mit Manuel in ihm wach werden. Wütend schlägt er mit der Faust auf die Armlehne, auf der sein Rüpel gerade noch gesessen hat – schlägt wieder und wieder darauf ein, bis seine Hand fast völlig taub ist...
 


 

12
 

Der weilen betritt Sun den Balkon. Er hat eine halbrunde Form und schenkt einem einen atemberaubenden Blick über das ganze Dorf. Würde jetzt die Sonne zwischen den Wolken hervorschauen, wäre es sicher eine ganz unglaubliche Aussicht. Doch es regnet – unablässig. Und das wird sich wahrscheinlich auch niemals ändern. Unter den kalten Tropfen, die schwer auf seiner Seele zu liegen scheinen, wendet sich der Schwarzhaarige nach rechts. Als er jedoch um die Kurve biegt, steht er vor einer Sackgasse. Einige Kisten stapeln sich unordentlich in der Ecke des Balkons und vor ihnen liegt quer an das Geländer gelehnt, der fehlende Flügel der Tür. Das untere Glas ist zerbrochen und der Regen beginnt langsam damit, die Farbe abzuschälen. Einen Augenblick denkt der junge Trainer nach und dann fällt ihm ein, dass das Zimmer, das er für Bromley’s gehalten hat, ja auf der linken Seite des Flurs war. Gedanklich tadelt er sich selbst für seine Unachtsamkeit und wendet sich dann nach links.
 

Für gewöhnlich wäre auf dieser Seite natürlich auch eine Sackgasse, doch dem ist jetzt nicht so. Sun ist sich nicht sicher, ob die Rüpel diesen Aufbau seinetwegen dorthin gemacht haben, oder ob er schon länger da ist. Jedenfalls liegen einige lange Bretter an das Geländer gelehnt und weitere auf dem Dachvorsprung daneben. Zusammen bilden sie eine Art Brücke, die an einem offenen Fenster endet. Die Konstruktion sieht nicht sonderlich stabil aus und einige Dachziegel sind darunter verschoben, locker oder sogar runtergefallen. Doch einen anderen Weg gibt es wohl nicht, also muss er da durch. Vorsichtig testet er die Bretter, die an das Geländer gelehnt wurden. Sie scheinen sein Gewicht zu halten, also steigt er langsam an ihnen hoch.
 

„Na sieh ma‘ einer an, was der Regen da angespült hat!“, ertönt plötzlich eine Stimme kaum, dass er die Schräge hinter sich hat. Verdutzt sieht der Anwärter auf und entdeckt einen weiblichen Rüpel, die den Durchgang zum Fenster versperrt. Sie muss sich bis eben ihm Schatten der Hausecke versteckt haben, da Sun sie vorher gar nicht gesehen hat. „Kannst du mich bitte einfach durchlassen? Die Bretter sind ziemlich wacklig und rutschig vom Regen. Wenn wir kämpfen, fallen wir wohlmöglich vom Dach...“, entgegnet er ihr sachlich. Queeny rümpft allerdings nur die Nase und setzt sich dann demonstrativ auf das Fensterbrett. „Ich fall‘ bestimmt nich‘ runter, die Klugscheißer!“, kontert sie frech und schickt auch schon ihr Golbat in den Kampf.
 

Schnell wird Sun klar, dass sie damit gleich zwei Vorteile hat. Ganz vorsichtig tritt er zurück, schlittert die Bretter wieder hinab zum Balkon und ruft Snobilikat herbei. Mit einem missfallenden Fauchen kommentiert der Kater die unschöne Situation auf dem Dach und krallt sich am Untergrund fest. Dieser Kampf ist wirklich mehr als bescheiden und mehrmals fürchtet Sun, dass sein Pokémon haltlos abstürzen könnte. Die sandfarbene Katze fängt sich aber glücklicherweise immer wieder im letzten Moment und schafft es schließlich auch, die Fledermaus vom Himmel zu holen. „Das holt mich echt auf ‘n Boden der Tatsachen zurück...“, erwidert die Pinkhaarige geknickt und erhebt sich anschließend vom Fensterbrett, sodass Sun es erreichen kann.
 

„Mich haste vielleicht besiegt, aber der wirkliche Schrecken erwartet dich erst noch!“, gibt Queeny ihm zu verstehen und rutscht dann an der Bretterkonstruktion herab, um wieder nach drinnen zu gehen. Ihre Aufgabe ist erfüllt und sie hat sich ein trockenes Plätzchen verdient. Einen Moment sieht der Schwarzhaarige ihr noch nach, dann steigt er auf das Fensterbrett und schlüpft in die Villa zurück. Als er auf dem Boden landet, stellt er fest, dass das Fenster gar nicht offen war, sondern die Schiebe in funkelnden Scherben auf dem Teppich verteilt liegt. Ein kräftiger Windstoß fegt kalten Regen hinein und lässt den Jungen einen Augenblick erzittern. Wieder fragt er sich, ob die Scheibe schon länger kaputt ist oder, nur seinetwegen zerschlagen wurde.
 

Er wird keine Antwort darauf bekommen und im Moment ist es ihm auch völlig gleich. Er will nur dem kleinen Mangunior helfen und dann möglichst schnell von hier verschwinden, bevor er selbst noch auf komische Gedanken kommt. Das Wetter und der ewige Regen haben etwas derart Bedrückendes an sich, dass er glaubt, dass nicht mehr viel fehlt und er könnte ebenfalls den Verstand verlieren. Nachdrücklich schüttelt er den Kopf, um wieder auf andere Gedanken zu kommen und überbrückt dann das letzte Stück Flur zu Bromley’s Zimmer.
 

Vor der massiven Tür haben sich Aaron und Bryan postiert und mustern ihn finster. Sun will schon nach seinem Pokéball greifen, da winken die beiden ab. „Lass ma‘ stecken, Kleiner!“, meint Aaron. „Yo, bist weit genug gekomm‘. Wa‘ mach’n dir kein‘ Ärger.“, entgegnet Bryan. Dann treten die zwei zur Seite und öffnen ihm die Tür zum alles entscheidenden Kampf...
 


 

13
 

Einen Moment verweilt Sun unter der Zarge und betrachtet unsicher den Weißhaarigen, wie er abwesend auf seinem Stuhl lungert und scheinbar auf ihn wartet. Dann nimmt er all seinen Mut zusammen und tritt in den Raum hinein. Einer Endgültigkeit gleich schließt sich hinter ihm die Tür und völlige Stille breitet sich aus. Bromley scheint gar nicht mitbekommen zu haben, dass er nicht mehr allein ist, weshalb der junge Trainer nun ein Räuspern von sich gibt. „Boss, Boss!“, ertönt es auf einmal aufgeregt aus einer Ecke des Zimmers. Erst jetzt bemerkt Sun, dass der Käfer-Trainer gar nicht, wie von ihm angenommen, allein im Zimmer, sondern einer seiner Rüpel bei ihm ist. Der Schwarzhaarige blickt zu ihm und entdeckt neben ihm auch einen Käfig, in dem das entführte Mangunior nun lautstark seinen Unmut kundtut. Mit etwas Wohlwollen sieht Sun ebenfalls, dass der Rüpel einige Pflaster an den Fingern trägt.
 

Nun endlich hebt auch Bromley den Kopf und realisiert die Situation. Grinsend setzt er sich etwas aufrechter hin und beugt sich dann herausfordernd nach vorn. „Das is‘ echt ma‘ ‘ne schöne Abwechslung! Biste extra den weiten Weg zu mir gekomm‘, um von mir plattgemacht zu werden?“, fragt der Größere frech und mustert den Jungen vor sich eingehend. Sun findet das aber ganz und gar nicht witzig. „Lass sofort das Mangunior frei?“, kontert er trotzig und tritt etwas näher. Fragend sieht ihn der Ältere an, ehe ihm wieder einfällt, was der andere meint. „Mangunior? Ach, stimmt, ich wollt‘ ja, daste herkommst. – Du hast dich also für’n fremdes Pokémon ganz allein in unser Versteck geschlichen? Reicht’s dir nich‘, daste dich schon um deine eignen Pokémon kümmern musst?!“
 

„Das ist doch ganz allein meine Sache! Also lass es wieder gehen!“, beharrt der junge Anwärter. „Du bist ‘n ganz schöner Spinner, weißte das? Und, was macht man, wenn die Technik ma‘ wieder spinnt? Man haut ordentlich drauf! Jedenfalls funktioniert das bei mir immer. – Ich muss zugeben, dass dann meistens nich‘ mehr viel davon übrigbleibt. – Egal, jetz‘ biste dran!“, kommt es grob von dem Weißhaarigen, ehe er sich ruckartig erhebt und sein Tectass aufs Feld schickt, bevor Sun noch etwas erwidern kann. Gedanklich versucht sich der Schwarzhaarige an seinen ersten Kampf mit Bromley zu erinnern. Die Taktik damals war gut gewesen, obwohl er noch nicht wusste, was ihn erwartet. Nun hofft er, sie wieder anwenden zu können und keine böse Überraschung zu erleben, wie bei Fran. Daher schickt er Snobilikat ins Rennen.
 

Wie es sich Sun schon gedacht hat, befiehlt der Ältere seinem Pokémon seine wirkungsvollste Attacke. Der junge Trainer ist jedoch darauf vorbereitet und lässt seinen Kater Mogelhieb benutzen. Die Priorität dieser Attacke ist höher, als die von Tectass‘ Überrumpler, was es dem Vierbeiner erlaubt vor ihm einen Treffer zu laden und es dem Samurai so unmöglich macht, seinen Angriff einzusetzen. So steckt die große Assel den Schaden ein und schreckt zudem auch noch vor seinem Gegner zurück. Wütend beginnt Bromley zu knurren. „Freu dich bloß nich‘ zu früh, Kleiner! Mit so hinterhältigen Angriffen kommste bei mir nich‘ weit!“, wirft er dem Jungen vor, wobei sich Sun gerade noch die Bemerkung verkneifen kann, dass sein Angriff genauso hinterhältig ist, hätte er getroffen.
 

Stattdessen schweigt er lieber und konzentriert sich auf den Kampf. Da Tectass zurückgeschreckt ist, kann Snobilikat nun ein weiteres Mal angreifen, was dem Schwarzhaarigen äußerst recht ist. Je schneller das hier alles vorbei ist, desto besser. „Setz nun Finte ein!“, befiehlt er seinem Pokémon. Tatenlos muss der Käfer-Trainer mit ansehen, wie sein Partner einen weiteren Treffer einstecken muss. Doch Tectass ist noch kampfbereit und denkt noch nicht an Rückzug. Wütend faucht es dem Kater entgegen, als es selbst endlich angreifen darf. Blitzartig prescht es hervor, während seine großen Krallen bedrohlich zu leuchten beginnen. Snobilikat versucht noch auszuweichen, doch die scharfkantigen Kalkklingen erwischen es dennoch schwer. Grob wird der Kater zu Boden geworfen, schafft es aber noch, wieder aufzustehen.
 

„Halt durch, Snobilikat! Setz noch einmal Finte ein!“ „Pote, mach’s noch ma‘!“, hält Bromley dagegen und schon stürmen die beiden Kontrahenten aufeinander zu. Sun sieht sich schon im Vorteil, doch da unterschätzt er die erstaunliche Geschwindigkeit, mit der Tectass aufwartet. Die Assel wirkt mit ihrer Größe so unglaublich plump, dass der Schwarzhaarige nur fassungslos zusehen kann, wie sein Pokémon erneut in die Mangel genommen wird. Zu seinem Schrecken gelingt es Snobilikat diesmal auch nicht, wieder aufzustehen. „Na, Kleiner? Wie fühlt es sich an, von mir so richtig plattgemacht zu werden?“, höhnt Bromley siegessicher. „Der Kampf ist noch lange nicht zu Ende!“, hält Sun dagegen und ruft seinen Kater zurück. Der Weißhaarige grinst nur.
 

Einen Moment starrt der junge Anwärter seinen zweiten Pokéball einfach nur an und hofft, dass es ihm gelingen wird, diesen Verrückten zu besiegen. Ehe der Käfer-Trainer aber noch ungeduldig wird, schickt er Fuegro in den Kampf. Eine Regung huscht durch die grauen Augen des Größeren, der Sun entnimmt, dass ihm gerade aufgegangen ist, dass sich das Miezunder von damals inzwischen weiterentwickelt hat. Doch dieser verräterische Glanz hält nur ganz kurz, dann grinst er wieder und sieht sich überlegen. Damit könnte er sogar recht haben, denn immerhin ist Fuegro ein Feuer-Pokémon und Kalkklinge eine Wasser-Attacke.
 

Die beiden Gegner stürmen aufeinander zu und, obwohl es so aussieht, als wäre der Kater langsamer, gelingt es ihm dennoch, an Tectass vorbeizukommen und ihn kräftig in seinen schutzlosen Bauch zu beißen. Schmerzlich hallen die Schreie des Samurai durch das Zimmer und brennen sich regelrecht in Bromley’s Kopf ein. Es ist fast so, als würde er mit ihm leiden. Geschwächt zieht sich Pote schließlich zurück, was sein Trainer ihm gar nicht verübeln kann. Mit einem eher unguten Gefühl, schickt er nun sein Ariados in den Kampf.
 

Der großen Spinne gelingt es, einen heftigen Tiefschlag zu landen, doch schon kurz darauf wird sie erbarmungslos von der Feuerwalze der Z-Attacke niedergemäht. „Wie – wie kannste nachts eigentlich noch ruhig schlafen, wenn du so’ne miese Scheiße mit mir abziehst?“, fragt Bromley sein Gegenüber aufgebracht, während er sein qualmendes Pokémon zurückruft. „Ich kann sehr gut schlafen. Danke der Nachfrage.“, erwidert Sun trocken und wird daraufhin förmlich von den glühenden Augen des anderen durchbohrt. „Du kommst dir wohl ganz toll vor, mit diesen beschissenen Z-Attacken...“, mault der Weißhaarige und schickt Tectass wieder aufs Feld. Der Schwarzhaarige entgegnet ihm diesmal jedoch nichts, da er fürchtet, dass das Ganze sonst in eine Richtung ausarten könnte, der er nichts entgegenbringen kann. Nur zu gut erinnert er sich noch daran, was nach seinem ersten Kampf mit Bromley passiert ist. Er hofft, dass so etwas diesmal nicht auch vorkommen wird. Doch, um das zu verhindern, müsste er sich wahrscheinlich von ihm besiegen lassen und das kann er dem armen Mangunior einfach nicht zumuten.
 

Nun, da Pote wieder auf dem Schlachtfeld steht, kann er erneut zu einem Überrumpler ansetzen und diesmal gelingt er auch. Allerdings bemerkt Sun dabei, dass der Samurai doch weit geschwächter zu sein scheint, als es zuerst aussah. Der Treffer hat Fuegro aber auch ganz schön zugesetzt. Von daher muss es Sun schnell gelingen, ebenfalls einen effektiven Angriff zu landen, ehe er selbst zu Boden geht. Sollten ihn die Kalkklingen auch nur einmal treffen, ist alles aus! Genau in diesem Moment sieht der Kater sie auch schon auf sich zusteuern. Fauchend versucht er der Assel zu entkommen und eine gute Position für den eigenen Schlag zu finden. Mit gebleckten Zähnen steuert er wieder den ungeschützten Bauch von Tectass an.
 

Der Samurai reagiert jedoch blitzschnell und korrigiert seinen Trefferpunkt. Vernichtend dringen die Kalkklingen in den Körper des Feuer-Katers ein, gerade in dem Augenblick, als Fuegro seine Zähne in das weiche Fleisch der Assel hineinrammt. Sekundenlang herrscht absolute Stille und alle starren auf die beiden Pokémon, die wie versteinert in ihrer Position eingefroren scheinen. Keiner von ihnen rührt sich, eine Entscheidung scheint unmöglich. Wohl möglich haben sie sich gegenseitig ausgeknockt? Dann jedoch beginnt Pote zu schwanken, tritt wackelig einige Schritte zurück und fällt dann einfach um. Fuegro liegt vom Angriff ebenfalls noch am Boden. Es sieht aus wie ein Unentschieden. Doch plötzlich rührt sich der Kater wieder und stemmt sich ganz langsam und mühevoll auf die Füße zurück. Ein kleiner Funken Kraft steckt noch in ihm und kürt Sun somit zum Sieger!
 


 

14
 

Sprachlos stehen sich die beiden Kontrahenten gegenüber, zwischen ihnen ein schwer schnaufendes Fuegro, das einen erschöpften, aber sehr zufriedenen Ausdruck im Gesicht trägt. Langsam hebt Sun den Arm, um das Pokémon in seinen Ball zurückzurufen. Noch ehe dies geschieht, reißt Bromley erschrocken die Augen auf. Im Kopf des Weißhaarigen wird die Stimme seines herrischen Vaters laut. „Bromley! Was treibst du denn da?!“, faucht er seinen Sohn regelrecht an. Die Worte haben für den Käfer-Trainer so viel Gewicht, dass er sie im selben Moment laut ausspricht und sich die Haare zu raufen beginnt. Erschrocken zuckt Sun zusammen und lässt die Hand wieder sinken, noch bevor sein erschöpfter Partner zurückgekommen ist. Auch der Rüpel in der Ecke rührt sich nun. Unbehaglich weicht er einen Schritt zurück. Der junge Anwärter fragt sich, ob der Blauhaarige das schon einmal miterlebt hat. Irgendwie hofft er es sogar, denn er wüsste nicht, ob Bromley es zulassen würde, dass er ihm im Ernstfall hilft, wo er ihn doch gerade fertiggemacht hat.
 

Unbemerkt sind die beiden aber nicht die Einzigen, die das Verhalten des Weißhaarigen mit Schrecken beobachten. Aaron und Bryan haben den ganzen Kampf durch den Türspalt beobachtet und auch Fran ist bei ihnen und wollte sich das Ganze nicht entgehen lassen. Nun ist sie mehr als schockiert, wie fremd ihr der Ältere auf einmal vorkommt. Die beiden Rüpel kennen das Verhalten ihres Bosses ja schon, haben es mehrfach miterlebt und konnten ihm stets irgendwie beistehen. Für Fran ist das aber eher Neuland und sie kennt es nur aus den Erzählungen der Rüpel. Tiefe Sorge macht sich in ihr breit – die unerklärliche Angst ihn zu verlieren, wie einst ihren geliebten Bruder, obwohl sie beim besten Willen nicht weiß, wieso.
 

In der Zwischenzeit sinkt Bromley kraftlos auf die Knie. Seine Augen sind völlig ausdruckslos und leer. Die Stimme seines Vaters schallt weiterhin in seinem Kopf, auch, wenn er die Worte nicht mehr wiederholt. ‚Du bist so ein jämmerlicher Versager! Wie kann man sich nur zwei Mal von so einem dahergelaufenen Zwerg fertigmachen lassen? Du bist so eine Enttäuschung und verdienst es gar nicht anders!‘, höhnt der Mann wütend und zieht auf einmal den Golfschläger hinter dem Rücken hervor. Im selben Augenblick wirkt Bromley wie ferngesteuert. Nahezu zielsicher tasten seine Finger den Boden ab, bis sie den Hals einer zerbrochenen Flasche zu greifen bekommen. Vollkommen abwesend umklammert er ihn ganz fest und setzt den scharf gezackten Rand dann an seinen linken Unterarm, drückt das kalte Glas gegen seine weiche Haut.
 

Erschrocken zucken alle Beteiligten zusammen, selbst Fuegro scheint zu realisieren, dass das nicht richtig ist und gibt ein unbehagliches Grummeln von sich. Tectass schlägt gerade die Augen wieder auf und erkennt schnell, was mit seinem Trainer nicht stimmt. Gerade, als sich Sun dazu entschließt, doch etwas unternehmen zu müssen, setzen sich Pote und der Rüpel förmlich zeitgleich in Bewegung. Die großen Arme des Samurai schlingen sich von hinten um Bromley und ziehen ihn in eine feste Umarmung. Pascal hockt sich vor seinen Boss und versucht ihm die kaputte Flasche aus der Hand zu winden. „Boss, mach das nich‘...“, wimmert er schon fast und gibt sich alle Mühe nicht zu weinen. Langsam löst sich auch der Schock bei den dreien vor der Tür, doch sie halten sich erst einmal noch fern.
 

Sun hält sich ebenfalls zurück und ruft nun doch endlich Fuegro in seinen Ball. „Boss, bitte...“, jammert der Blauhaarige und bekommt endlich die Flasche zu fassen. Erleichtert wirft er sie ans andere Ende des Zimmers. Vorsichtig hebt er Bromley’s Kopf an, um ihm in die Augen sehen zu können. Noch immer sind sie vollkommen leer. „Boss, kannste mich hörn?“, fragt Pascal etwas hilflos, doch es kommt keine Reaktion. Langsam drückt er seine Stirn gegen die des Älteren. „Boss...?“ Plötzlich geht ein Zucken durch den großgewachsenen Mann. „Was is‘?“, nuschelt er schwach. „Oh Boss! Geht’s dir gut?“, fragt der Rüpel mit einem Anflug von Hoffnung. Allmählich kehrt der Glanz in die grauen Augen zurück. „Ja, ich denk‘ schon...“
 

Etwas umständlich lässt sich Bromley von dem Blauhaarigen aufhelfen. Kaum, dass er wieder steht, entdeckt er jedoch Sun und seine Erinnerung an den verlorenen Kampf kehrt zurück. Grob anmutend schiebt er den Rüpel von sich. „Hey, du da! Gib ihm das Pokémon zurück, das wa‘ gestohlen ham!“, weist er den Jüngeren dann streng an. Etwas überrascht braucht Pascal einen Moment, um zu verstehen, was sein Anführer von ihm will. Dann wendet er sich dem Käfig zu. Sicherheitshalber stellt er sich dahinter, um so weit wie möglich von diesem bissigen Vieh weg zu sein und öffnet dann den Riegel. Die Gittertür springt auf und das Mangunior kommt mit einem verstimmten Fauchen heraus. Zielstrebig flitzt es zu Sun hinüber, der es vorsichtig auf den Arm nimmt.
 

„Irgendwann mach‘ ich dich platt! Ich hab‘ noch ’n Ass im Ärmel! Wirst schon sehen.“, verkündet Bromley ihm nun, ganz in seinem altbekannten, selbstsicheren Tonfall. Dann lässt er sich auf seinen thronartigen Stuhl fallen und mustert Sun nur noch finster. „Auf das Ass bin ich sehr gespannt!“, erwidert der Schwarzhaarige ehrlich. In dem Moment öffnet sich die Tür völlig und Fran betritt den Raum. „Du hast, was du wolltest, Junge. Also mach, dass du Land gewinnst, ehe wir es uns anders überlegen!“, droht sie ihm verstimmt. Aaron und Bryan betreten ebenfalls das Zimmer, um dem Ganzen noch mehr Nachdruck zu verleihen. „Keine Sorge, ich gehe...“, seufzt der junge Trainer, drückt das fauchende Mangunior schützend an sich und verlässt dann das Zimmer. Fran und die Rüpel begleiten ihn allerdings noch bis nach unten und stellen sicher, dass er auch keinen Unfug mehr anstellt. Als er endlich durch die Eingangstür ist, knallt die Pinkhaarige sie zu und verzieht sich dann in ihr eigenes Zimmer. Diese Niederlage muss Team Skull erst einmal verdauen...



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