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Perfekt

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi,

es geht weiter.... Komplett anzeigen

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Kapitel 4

Kapitel 4
 

Weihnachten zog vorbei, Albus schickte die obligatorischen Dankesbriefe an seine Familie und Freunde und bekam die üblichen Antworten. Lediglich von zwei Personen kamen noch ein paar zusätzliche Worte. Der Erste war Scorpius, der wirklich bedauerte, dass sie sich nicht sehen konnten und der ihm dennoch eine schöne Ferienzeit wünschte. Unterschwellig las Albus allerdings auch heraus, dass er sich Sorgen um ihn machte. Der Zweite war sein Dad und das überraschte Albus wirklich. Denn er schrieb nicht die üblichen Floskeln über 'Streng dich an', 'Sei brav und lieb' und das Tolle, was seine Mom immer schrieb, 'Sorg dafür, dass wir stolz auf dich sein können'. Nein, sein Dad schrieb einfach nur, dass er ihn lieb hatte und immer für ihn da sein würde, egal was wäre. Er könne mit jedem Problem zu ihm kommen.

Albus drehte den Brief in den Händen, sein Vater würde so etwas nicht schreiben wenn er wüsste für wen sein Herz schlug. Mit einem Knurren zerknüllte er den Brief und warf ihn ins Kaminfeuer, keiner seiner Familie würde ihn jemals verstehen. Er seufzte schwer während sein Blick zu der Uhr auf Scorpius' Nachttischchen und seufzte noch schwerer. Es war gerade mal halb acht und ihm war jetzt schon sterbenslangweilig. Wie sollte er die ganze Nacht überstehen? Morgen hätte er wenigstens etwas Abwechslung denn morgen begann sein Nachhilfeunterricht. Er bedauerte noch immer, dass sein Severus ihn nicht unterrichtete sondern diese Verwandlungslehrerin aber er würde es überleben. Er würde besser werden, schon allein um seinen Severus zu beeindrucken. Genau, er würde beeindruckt sein und stolz auf ihn, ganz bestimmt. Albus lächelte, er würde ihn beeindrucken.
 

Zwei Stunden später schlenderte Albus durch Hogwarts, unter dem Tarnumhang verborgen doch seine Aufmerksamkeit war nicht wirklich in den Korridoren. Wer sollte ihm auch begegnen? Es waren nur vier andere Schüler anwesend und genau vier Lehrer, die Chance jemanden in diesem riesigen Gemäuer zu begegnen, war schwindend gering. Deswegen hing er seinen Gedanken nach während seine Füße ihn von ganz alleine durch die Korridore trugen. Wie immer schwelgte er in Zukunftsplänen.
 

Als er vor der Tür zum Tränkelabor zum stehen kam, kam Albus wieder zu sich. Er blinzelte etwas verwirrt in das Dämmerlicht bevor ihm bewusst wurde, dass die Tür vor ihm nur angelehnt war und dass dahinter Licht brannte. Es gab nur einen Menschen, der freiwillig herkommen würde, sein Severus. Aber wie kam er ungesehen da hinein? Wenn er die Tür öffnete, würde sein Severus ihn bemerken und er war sich nicht sicher ob er schon so weit war. Er versuchte durch den Spalt zu linsen, er sah einen Teil des Raumes und da er den Raum kannte, wusste er, dass sein Severus links von ihm war. Er hörte das leise Klacken von Metall auf Holz, ein Messer, welches Zutaten zerschnitt.

Plötzlich stockte das Geräusch, ein kurzes Zögern und dann tauchten sein Severus in seinem Blickfeld auf. Er durchquerte den Raum, die Schritte wurden leiser. Er musste nach nebenan in den Zutatenraum gegangen sein, Albus wusste, dass er diese Chance nutzen musste. So leise wie möglich schob er die Tür auf, schlüpfte hinein und schob die Tür wieder so weit zu, wie sie vorher war. Zumindest hoffte er das. Er schlich in seine Ecke und ließ sich dort auf seinen Stuhl sinken, er hatte Recht gehabt denn aus dem Nebenraum erklang das leise Klirren von Gläsern. Scheinbar suchte sein Severus ein paar Zutaten.
 

Wie hatte er nur diese verdammten Aalaugen vergessen können? Eine der Hauptzutaten. Severus schüttelte über sich selbst den Kopf während er das Glas mit den Aalaugen zurück ins Tränkelabor brachte. Er war in letzter Zeit nicht mehr ganz bei der Sache, seine Gedanken kreisten fast ausschließlich um den jungen Potter. Zwar konnte er sich nicht wirklich erklären wann sich seine Gefühle für ihn so geändert hatten aber sie hatten es und genau daran verzweifelte er gerade fast. Er konnte sich dem Jungen nicht nähern, das würde eine Katastrophe herauf beschwören. Diese Katastrophe hieß Harry Potter.

Er seufzte leise, warf die benötigte Anzahl von Aalaugen in den Trank und rührte ihn vier Mal im Uhrzeigersinn um. Noch die Flammen etwas zurücknehmen und dann setzte er sich, seine rechte Hand fuhr abwesend über sein linkes Knie, konnte das Zittern aber nicht beeinflussen. Sein Blick fiel auf den köchelnden Trank, er hoffte, dass er besser wirkte als der Bisherige. Warum der Trank seine Beschwerden plötzlich nicht mehr verschwinden ließ, war ihm ein Rätsel. Seit über fünfzehn Jahren nahm er den Trank jetzt schon, hatte er sich etwa daran gewöhnt? Nun, das wäre eine Erklärung. Das Zittern in seinem Bein nahm zu, er fluchte lautlos und holte eine Phiole aus seiner Tasche, der Trank wirkte zwar nicht mehr richtig aber besser als nichts.

Mit einem Seufzen schluckte er den Trank, schüttelte sich kurz und sah dann wieder zu dem Trank, der ordnungsgemäß köchelte. Er konnte in der nächsten Stunde nicht sehr viel tun. Normal hätte er ein paar Dinge probiert, ein bisschen rum experimentiert aber das starke Zittern hatte ihn heute fest im Griff. Und er wollte nicht riskieren, dass sein Bein einfach unter ihm weg knickte. Oder noch schlimmer, das Zittern seiner Hand könnte unbeabsichtigt die falschen Zutaten in den Trank fallen lassen und das könnte sehr schwerwiegende Konsequenzen haben. Nein, dann blieb er lieber hier sitzen und wartet bis er die nächsten Zutaten hinzu fügen musste. Da konnte er in aller Ruhe nachdenken.

Allerdings drehten sich seine Gedanken im Kreis und als er den Blick durch den Raum schweifen ließ, blieb er plötzlich an der Tür hängen. Er war nicht mehr der Jüngste aber er war noch nicht senil und er war sich hundert prozentig sicher, dass er die Tür deutlich weniger angelehnt hatte. Wind gab es hier nicht, die Geister konnten keine Türen bewegen und Filch und seine Katze würden nicht wagen sich ihm zu nähern. Blieb ein jugendlicher Zauberer mit einem Tarnumhang, der jetzt wahrscheinlich hier bei ihm im Raum war. Er ließ den Blick schweifen, sonst hatte sich nichts im Raum verändert aber irgendwo musste der Junge sein. Er zog den Zauberstab, verschloss die Tür und flüsterte dann den Aufspürungszauber, er wollte auf keinen Fall, dass der Junge seine richtige Stimme hörte. Tatsächlich, in einer Ecke leuchtete eine Gestalt auf.
 

Er war entdeckt. Die Art und Weise, wie sein Severus genau in seine Richtung sah, zeigte ihm, dass er ihn irgendwie entdeckt hatte.

Sein Severus griff gerade nach einer Phiole, trank einen Schluck und schnarrte dann, „runter mit dem Umhang, Mr. Potter.“

Seufzend zog Albus den Tarnumhang von sich runter und versuchte möglichst ertappt auszusehen.

„Was machen sie hier?“, fragte Severus.

Gute Frage, dachte sich Albus bevor ihm eine Idee kam und er sagte, „ich wollte mich persönlich für das Buch bedanken. Und für die hilfreichen Anmerkungen.“

„Sie sollten sich daran halten wenn Sie Ihre Note verbessern wollen“, sagte Severus.

„Das werde ich. Muss ich sofort gehen?“, fragte Albus, der jetzt auf stand und näher kam.

„Es ist weit nach der Ausgangssperre.“

„Ich störe Sie auch nicht. Ich könnte doch was lernen.“

Severus zögerte, die Aussicht den Jungen noch ein bisschen länger um sich zu haben, war verlockend aber da war das Problem mit seiner Stimme. Der Inhalt der Phiole würde für ungefähr vier Stunden reichen aber danach musste er für mindestens zwei Tage aussetzen oder er würde bei jeder weiteren Einnahme des Sprachtrankes die Schmerzen in seinem Hals verstärken. War es das wert? Ein Blick auf den Jungen und sein Antwort war klar, ja das war es wert. Also nickte er und erhob sich.

„Dann wollen wir doch mal sehen ob Sie auch nur die geringste Ahnung von Zaubertränken haben“, schnarrte er und wandte sich dem Tisch zu, er hielt sich unauffällig mit der rechten Hand am Tisch fest denn er hatte keinen Nerventrank mehr hier. Er konnte es sich nicht leisten vor Albus zu Boden zu gehen, das wäre mehr als blamabel. „Wir fangen mit der Zutatenbestimmung an“, bestimmte Severus.

Albus verleierte innerlich die Augen, trat aber dann gehorsam an den Tisch ran und versuchte sich an diese verdammten Zutaten zu erinnern. Aber eigentlich war ihm das egal, er war in der Nähe seines Severus und das war alles, was zählte.
 

Die Sonne ging über Hogwarts auf und die wenigen Bewohner, die über die Ferien im Schloss verweilten, standen langsam auf. Bis auf Zwei denn Severus hatte die überraschende Zaubertrankstunde erst vor kurzem beendet. Albus lag mittlerweile tief und fest schlafend in seinem Bett, mit einem seligen Gesichtsausdruck und absolut und rundum glücklich. Er hatte die ganze Nacht mit seinem Severus verbringen dürfen, was wollte er für den Anfang mehr?

Der Zweite hingegen saß wach in seinem Wohnzimmer und versuchte nicht den Verstand zu verlieren. Sein Hals kratzte und brannte, die Schmerzen, die zusätzlich noch durch sein linkes Bein und den linken Arm rasten, machte ihn schier wahnsinnig. Er hatte bereits einen hochkonzentrierten Schmerztrank genommen, sonst würde er wahrscheinlich nicht mal ordentlich sitzen können aber einen Weiteren konnte und durfte er nicht nehmen. Poppy würde ihm sowieso schon einen Vortrag über die unsachgemäße Verwendung von Zaubertränken halten wenn sie wüsste, was er in dieser Nacht alles geschluckt hatte.

Einen normalen Nerventrank, um normal laufen und arbeiten zu können. Eine komplette Phiole des Sprachtrankes, um sich mit einem Jungen, der sein Enkel sein könnte, über vier Stunden unterhalten zu können. Sogar noch eine Phiole voll von dem neuen Nerventrank, der weder in seiner Wirkung noch in seiner Wechselwirkung mit den anderen Tränken getestet war. Es war absoluter Wahnsinn gewesen aber nur so hatte er weiter aufrecht stehen können und auch normal den Raum mit Albus verlassen können, ohne Trank hätte er schweben müssen oder sich helfen lassen. Beides in Gesellschaft unvorstellbar. Severus seufzte leise, die Nacht war es wert gewesen. Er mochte den Jungen und wenn er seine Beobachtungen von dieser Nacht richtig deutete, beruhte das auf Gegenseitigkeit. Aber wie sollte er diesem wunderbaren, jungen Mann gegenüber treten?

Er war ein Krüppel, der Biss und das Gift dieser verfluchten Schlange hatten sein Leben zerstört. Der Biss hatte seine linke Halsseite aufgerissen, die Stimmbänder irreparabel geschädigt und nur durch sehr viel Glück war er nicht verblutet. Doch der Biss war sein geringstes Problem, den meisten Schaden hatte das Gift und dessen Nichtbehandlung angerichtet. Die Nerven seiner kompletten linken Körperhälfte waren fast zerstört, ohne den Trank konnte er nicht mal richtig laufen sondern wäre auf einen Stock angewiesen. Was natürlich außerhalb jeder Diskussion stand. Seine Hand war nicht länger brauchbar, er konnte kaum ein Messer halten und wenn, dann zitterte sie so stark, dass er eher Gefahr lief sich selber zu verletzen. Dazu war er körperlich wesentlich schwächer als früher, seine Organe waren zwar angegriffen aber sie würden ihm, zum Glück und Merlin sei Dank, nicht weiter einschränken. Denn für alles gab es Tränke.
 

Stärkungstränke, damit er nicht mitten am Tag so müde war, dass er kaum noch gerade aus gehen konnte. Und damit er nicht im Stehen oder Sitzen einschlief.

Nerventränke, damit er seine Hand wenigstens teilweise normal benutzen konnte und damit er normal laufen konnte.

Aufbautränke, damit seine Organe die Schädigung überlebten und ihre Funktion nicht einstellten. Die Heiler hatte ihm versichert, dass er damit noch alt werden konnte.

Ein Trank, der ihm seine frühere Stimme wieder gab, die Schmerzen in seinem Hals nahm und ihm erlaubte ein normales Gespräch zu führen.

Schmerztränke, die die Schmerzen von den Schädigungen in Grenzen hielten.

Doch jeder Trank, egal wie gut er gebraut wurde, hatte Nebenwirkungen. Die Masse an Tränken, die er jeden Tag nehmen musste, hatten ihre Nebenwirkungen, mit denen er mehr oder weniger gut leben konnte. An die Schmerzen hatte er sich gewöhnt, vor allem weil er an den Meisten selber schuld war.
 

Für sein Bein gäbe es einen Zauber, der es von außen stützte und mit dem er auch laufen könnte, aber er müsste einen Stock benutzen um das Gleichgewicht zu halten.

Für seine Stimme gäbe es einen weit weniger aggressiven Trank, der ihm die Schmerzen nahm aber er beeinflusste seine Stimme nicht. Und er würde mit dieser abartigen, krächzenden Parodie einer Stimme garantiert nicht in die Öffentlichkeit gehen.

Wenn er nicht darauf bestehen würde, dass er unbedingt den ganzen Tag auf den Beinen sein musste, könnte er die Stärkungstränke auf ein Minimum reduzieren.

Nur auf die Aufbautränke, auf die konnte er nicht verzichten aber er könnte sie reduzieren wenn er sich an eine sehr strenge Diät halten würde.
 

Auf das alles hatte er keine Lust und keine Nerven. Er wusste, dass es Wahnsinn war aber wenn er diese Einschränkungen in seinem Leben akzeptieren würde, hätte ER doch noch gewonnen. Das konnte Severus einfach nicht zulassen also lebte er sein Leben so weiter wie vorher und nahm halt die Schmerzen und die anderen Unannehmlichkeiten in Kauf.

Das alles führte ihn zu dem eigentlichen Problem zurück, wie sollte er Albus gegenüber treten? Der Junge stand noch vor der Blüte seines Lebens und würde sich nicht mit einem solchen Krüppel belasten. Er schien ihn zu mögen und Severus wollte sich diese Chance, so winzig klein sie auch sein möge, nicht entgehen lassen. Sein Blick schweifte zu den Phiolen, die auf seinem Couchtisch standen. Er würde in Zukunft wesentlich mehr Tränke brauchen, vor allem den Nerven- und den Sprachtrank.

Poppy konnte er nicht danach fragen, er musste sie selber brauen und das war sehr viel Arbeit, hm, mit Albus' Hilfe hatte er in dieser Nacht eine Menge geschafft. Wenn er ihm nicht sagte, was er vor hatte, könnte er ihm wieder helfen. Severus lächelte bei dem Gedanken, er schlug zwei Fliegen mit einer Klappe. Er konnte Zeit mit Albus verbringen und gleichzeitig die benötigten Tränke herstellen, die es ihm ermöglichten, vor Albus perfekt zu sein. Und er würde perfekt sein.
 

„Sollten Sie Interesse an einer weiteren Nachhilfestunde in Zaubertränke haben, so finden Sie sich bitte heute Abend gegen 22 Uhr im Klassenzimmer für Zaubertränke ein. Ich wäre Ihnen sehr verbunden wenn dieses Angebot unter uns bleiben würde.
 

S. Snape.“
 


 

Fassungslos aber auch unfassbar glücklich starrte Albus auf die kurze Notiz, die ihm gerade ein Hauself gebracht hatte. Sein Severus wollte ihn wieder sehen, heute schon und wenn er es richtig anstellte, konnte er wieder die ganze Nacht bei ihm verbringen. Ihm waren schon Zweifel gekommen, sein Severus hatte ihn die letzten zwei Tage fast völlig ignoriert und war ihm aus dem Weg gegangen. Albus hatte schon befürchtet, dass sein Trank seine Wirkung verloren hatte und hatte schon überlegt ob er die Dosis erhöhen sollte aber jetzt war er beruhigt. Warum sein Severus ihn ignoriert hatte, war ihm jetzt eigentlich egal. Er sah zur Uhr, es war kurz vor Acht also hatte er noch etwas Zeit. Mit einem Grinsen hüpfte er vom Bett und verschwand ins Bad, er konnte genauso noch duschen gehen bevor er zu seinem Severus ging.
 

Er war nervös, schrecklich nervös. Und das wegen einem sechzehnjährigen Bengel. Severus fluchte lautlos vor sich hin während er die Zutaten aus dem Nebenraum holte und vorsichtig vor sich her schweben ließ. Er traute seiner linken Hand nicht, tat er nie aber heute musste sie funktionieren, es musste perfekt sein sonst würde Albus sein Interesse schnell wieder verlieren. Das musste er auf alle Fälle verhindern aber dafür durfte Albus nichts von seinen Fehlern erfahren. Vielleicht irgendwann einmal, wenn er sicher sein konnte, dass Albus über die Fehler hinweg sehen konnte aber jetzt, nein, auf keinen Fall.

Ein Klopfen ließ ihn erschrocken zusammenzucken, er konnte gerade noch so verhindern, dass die Zutaten auf dem Boden zerschellten. Mit einem Schwenk des Zauberstabes ließ er die Zutaten auf dem Tisch landen. Bevor er allerdings die Tür öffnete, griff er nach einer Phiole und trank sie komplett aus. Die Schmerzen und das unerträgliche Kratzen im Hals, welches ihn wieder über vierundzwanzig Stunden nicht zur Ruhe kommen lassen würden, schob er in den Hintergrund. Er brauchte diese Nacht seine normale Stimme. Dann erst öffnete er die Tür mit Hilfe des Zauberstabes.
 

„Guten Abend, Professor Snape“, sagte Albus höflich während er eintrat.

„Guten Abend, Mr. Potter“, gab Severus zurück.

Sofort verzog sein Gegenüber das Gesicht und bat, „könnten Sie mich bitte Albus nennen?“

„Das wäre mehr als unpassend.“

„Aber wenn Sie Mr. Potter sagen, sehe ich ständig meinen Vater vor mir“, sagte Albus.

Ein schwaches Grinsen erschien auf Severus' Gesicht bevor er sagte, „den habe ich nie Mr. genannt. Aber wenn Sie darauf bestehen, dann nenne ich Sie Albus.“

„Dann müssen Sie mich aber auch duzen, das klingt doch sonst doof.“

Aus dem Grinsen wurde ein Lächeln und schließlich nickte Severus. Er zögerte noch einen Moment, überlegte und sagte dann, „wenn ich dir damit nicht zu nah trete, sag doch bitte Severus wenn wir unter uns sind.“ Albus blinzelte ihn einfach nur an. War er zu weit gegangen? Hatte er sich das Interesse des Jungen doch nur eingebildet? „Du musst natürlich nicht“, fügte er sehr schnell an.

Zu seiner Überraschung schüttelte Albus schnell den Kopf und sagte, „doch, doch, ich würde mich freuen wenn ich Severus sagen darf. Vielen Dank. Also, was machen wir heute?“

Severus fühlte sich plötzlich sehr leicht im Kopf vor Glück, er drehte sich schnell zum Labortisch um, damit er sein breites Lächeln verstecken konnte. „Wir brauen ein paar Nerventränke für das St. Mungo“, sagte er. Sofort stand Albus neben ihm, auf seiner rechten Seite denn Severus hatte sich so hingestellt, dass nur dort Platz war. Er wollte ihn nicht auf seiner linken Seite denn sein linkes Auge war auch nicht mehr das, was es mal war. Er wollte diesen wunderbaren jungen Mann völlig klar sehen können.

„Was muss ich machen?“, fragte Albus. Er interessierte sich weiter einen Dreck für Zaubertränke aber er wusste, dass er zumindest hier Interesse vor heucheln musste. Allein die Nähe zu seinem Severus war diese Scharade wert.

„Die Zutaten bestimmen“, sagte Severus und neben ihm erklang ein leises Seufzen.

„Ich erkenne nicht alle.“

„Versuch es. Erst mal die Zutaten, die du kennst. Dann sehen wir weiter.“

„Ich werde dich bestimmt enttäuschen“, murmelte Albus.

„Schlimmer als dein Vater kannst du nicht sein.“

„Ich bin nicht mein Vater.“

Severus drehte etwas überrascht den Kopf, dieser eine Satz war mit so viel Hass und Wut gesprochen worden. Grüne Augen blitzten ihn an und in dem Moment erkannte er, dass Albus nicht die Augen seines Vaters oder seiner Großmutter hatte. Ja, sie waren grün, Lilys wirklich sehr ähnlich aber es war nicht exakt dieselbe. Albus' waren etwas heller, etwas verwaschener und nicht so rein wie Lilys. Aber in seinen Augen dennoch wunderschön.

„Severus?“, fragte Albus. Er machte sich Sorgen denn Severus starrte ihn einfach nur an. „Severus?“, versuchte er es erneut und diesmal kam eine Reaktion.

Sein Gegenüber blinzelte kurz und sagte dann, „nein, du bist nicht dein Vater. Ihr unterscheidet euch in vielerlei Hinsicht.“

„In welcher?“

Severus deutete auf den Tisch mit den Zutaten und schnarrte, „dein Vater hat sich nie eingestanden, dass er eine furchtbare Niete in Zaubertränke ist und dass er Nachhilfe dringend benötigt hätte.“

„Aber er ist doch Auror geworden. Braucht man da nicht einen UTZ in Zaubertränke?“, fragte Albus verwundert. Seine Wut war verraucht, der Hinweis mit seinem Vater war scheinbar nicht böse gemeint gewesen.

„Nur, weil ich den Kurs nicht mehr geleitet habe. Sonst hätte er nie bestanden.“

„Warum hast du den Kurs nicht geleitet?“

„Weil diese Schwachköpfe des Ministeriums sich nicht einig waren ob ich ein Held oder ein Verräter war. Ich durfte damals nicht unterrichten und danach hatte ich keine Lust mehr. Deswegen hat man mir dann den Posten als Schulleiter angeboten und ich habe angenommen“, erklärte Severus.

„Schade. Ich hätte dich gerne in Zaubertränke gehabt“, sagte Albus, „ich mag Professor Barnett nicht.“

„Du hättest mich im Unterricht gehasst.“

„Nein, bestimmt nicht.“

„Doch, glaub mir, du hättest mich gehasst, genau wie alle Anderen. Ich war nie beliebt als Lehrer, ich war immer zu streng und ich war sehr parteiisch“, gestand Severus, allerdings hatte er ein Grinsen im Gesicht.

„Hast du gerne unterrichtet?“, fragte Albus. Er war froh, dass er um diese sinnlose Zutatenbestimmung herum kam und stattdessen mehr über seinen Severus erfuhr.

Dieser schien über die Antwort nachdenken zu müssen bevor er sagte, „ja, ich habe gerne unterrichtet, auch wenn mir das keiner glauben würde. Aber ich bin einfach nicht für die ersten Klassen gemacht, diese Unwissenheit und Unaufmerksamkeit macht mich wahnsinnig.“

„Du könntest die sechste und siebte Klasse unterrichten. Das wäre doch toll.“

„Ihr habt bereits eine sehr gute Zaubertränkelehrerin. Zugegeben, sie ist noch jung und muss noch einiges lernen aber sie hat Bestnoten in ihrem Abschlusszeugnis und sie ist sehr engagiert. Du wirst dich an sie gewöhnen“, sagte Severus grinsend.

„Muss ich wirklich?“

„Warum hast du den Kurs überhaupt belegt? Du hättest Zaubertränke abwählen können.“

„Mein Dad.“

Severus runzelte kurz die Stirn und fragte, „was hat der damit zu tun?“

„Mein Dad ist der Meinung, dass ein UTZ in Zaubertränke sehr hilfreich ist. Er geht wohl davon aus, dass ich auch Auror werden will“, murrte Albus.

„Willst du?“

„Nein.“

„Was willst du dann machen?“

„Keine Ahnung. Ich bin doch erst sechzehn, ich weiß noch nicht was ich den Rest meines Lebens machen will. Wusstest du das in meinem Alter?“

Zu Albus' Überraschung nickte Severus und sagte, „Ja, wusste ich.“

Albus schwieg, er fühlte sich unwohl und das schien Severus auch zu merken. Denn er wandte sich den Zutaten wieder zu und sagte, „du hast noch Zeit um dich für einen Beruf zu entscheiden aber in einem hat dein Vater Recht. Ein guter UTZ in Zaubertränke ist immer hilfreich also sollten wir in dieser Nacht noch etwas arbeiten. Komm, hör auf zu grübeln.“

„Ich grüble nicht“, widersprach Albus.

„Dann hör halt auf zu schmollen“, gab Severus grinsend zurück.

„Ich schmolle nicht“, sagte Albus mit einem Lachen in der Stimme.

„Dann komm her und bestimme die Zutaten. Ich muss diese Tränke bis morgen fertig bekommen sonst muss ich mir eine sehr peinliche Ausrede für die Heiler im St. Mungo ausdenken. Das will ich nicht. Also?“

Albus trat wieder an den Tisch ran und meinte, „das schaffen wir.“

„Sehr gut. Nun, welche Zutaten kennst du?“

Jetzt erntete Severus wieder ein leises Seufzen bevor Albus die wenigen Zutaten benannte, die er kannte. Danach begann Severus mit seinem Unterricht, er erklärte Albus die Zutaten und ihre Verarbeitung. Bei der späteren Zubereitung waren die Berührungen rein zufällig, wenn sie überraschend nach derselben Zutat griffen oder wenn Severus seinem Schüler zeigen wollte, wie er das Messer richtig halten musste oder wie man den Trank richtig umrührte. Severus wollte schließlich nur, dass die Tränke perfekt worden und dafür musste es Albus ja richtig machen. Dass sich dieses warme Gefühl in ihm immer mehr verstärkte, versuchte er zu ignorieren.
 

Genau so zogen die Tage bis zum Schulbeginn hin. Severus und Albus trafen sich jede zweite oder dritte Nacht um in den Kerkern Tränke zu brauen. Sie unterhielten sich immer mehr, mal über alltägliche Dinge und mal über Privates aber nie ließ Severus seine Maske fallen. Er wollte den Jungen nicht verschrecken und sorgte mit allen Mitteln dafür, dass seine Behinderungen nicht auffielen. Dass er immer mehr Tränke nehmen musste um diesen Zustand für die wenigen Nachtstunden aufrecht zu halten, schob er in die hinterste Ecke seines Gehirns. Er wollte es nicht sehen denn das würde bedeuteten, dass er den perfekten Schein nicht mehr aufrecht erhalten konnte. Und das durfte unter keinen Umständen passieren. Severus' Blick schweifte von den Unterlagen zur großen Standuhr in seinem Büro, es war kurz vor halb acht und er war eigentlich furchtbar müde. Aber er musste noch einige Papiere ausfüllen auch wenn er gar keine Lust dazu hatte. Viel lieber würde er sich wieder mit Albus treffen.

Es war der letzte Tag, morgen ging die Schule wieder los und dann würden ihre Treffen wesentlich schwieriger werden. Aber sie hatten sich erst gestern getroffen, er quälte sich schon seit dem Treffen mit unsäglichen Schmerzen im Hals und in den Gliedern. Sein Blick fiel auf die leere Tasse, er roch den Honig noch und er hasste Honig, zumindest seit er ihn in warmer Milch trinken musste um das Kratzen in seinem Hals zu besänftigen. Die Tatsache, dass er den ganzen Tag schon nichts anderes trank, führte nicht gerade zu einer Verbesserung seiner Laune. Dennoch tippte er mit dem Zauberstab gegen die Tasse, sie füllte sich sofort wieder und er nahm einen großen Schluck von der warmen Milch. Widerlich.
 

Die Dokumente waren fertig, Severus hatte seinen Sitzplatz in sein Wohnzimmer verlegt denn an Schlaf war bei all den Schmerzen nicht zu denken. Er hatte den ganzen Tag auf unnütze Tränke verzichtet und dementsprechend nicht gesprochen und sich mit Hilfe eines Schwebezaubers fort bewegt. Seine Gedanken kreisten, jetzt wo sie nicht mehr beschäftigt worden, um Albus und um dieses unerklärliche Verlangen den Jungen zu sehen. Warum fand er ihn plötzlich so interessant? Was war nur plötzlich los mit ihm? Das war doch nicht normal. Der Junge sah seinem alten Erzfeind zum Verwechseln ähnlich und doch wollte er ihn sehen, wollte ihn haben, wollte, dass er sein ist. Aber warum? Severus fuhr sich fahrig durchs Gesicht und die Haare, so ein intensives Gefühl hatte er noch nie jemanden gegenüber verspürt. Selbst die Liebe zu Lily war nicht so stark gewesen, warum also jetzt zu deren Enkel?

Er machte sich keine Illusionen, er liebte Lily schon lange nicht mehr, es war viel zu lange her. Er hatte mit diesem Teil seiner Vergangenheit längst abgeschlossen, sonst wäre er wahrscheinlich daran zerbrochen. Doch jetzt musste er sich mit der Gegenwart beschäftigen, sein Blick ging zur Uhr, es war kurz vor zehn und er wusste, dass ihn die Schmerzen nicht schlafen lassen würden. Und da war noch dieses starke Verlangen, welches langsam aber sicher übermächtig würde.
 

Es wurde zu viel, gegen elf konnte sich Severus nicht mehr gegen den Drang wehren. Mit einem Knurren griff er nach einer Phiole mit Nerventrank, stürzte sie hinunter und während er ungeduldig darauf wartete, dass die Wirkung einsetzte, schrieb er ein paar Worte auf ein Stück Pergament. Als er spürte, dass seine Nerven sich langsam beruhigt hatten, stand er auf und war mit wenigen Schritten am Fenster, ein Wink mit dem Zauberstab und nur kurze Zeit später tauchte eine Schuleule auf. „Albus Potter“, krächzte er leise, die Eule schuhute ein Mal kurz und nahm dann das Pergament mit dem Schnabel mit. Er sah der Eule nicht nach sondern wandte sich um und verließ seine Gemächer, natürlich nicht ohne vorher noch drei Phiolen einzustecken.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Was wohl passieren wird wenn die Maske fällt?

Tata. Komplett anzeigen

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