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Realms torn apart

von

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Zukunftsmusik

Kapitel 1 – Zukunftsmusik

 

 

 

 

 

Das erste, was er spürte war Schmerz. Atemus Schädel fühlte sich an, als hätte ihm jemand mit einem Hammer dagegen geschlagen. Mit einem Ächzen richtete er sich auf, die Augen hielt er noch geschlossen, und hielt sich die Hand an die Schläfe, hinter der es so pochte.

"Na, tut's weh?", hörte er eine höhnische Stimme. Die Augen des Pharaos öffneten sich erschrocken und als er in ein nur zu vertrautes Gesicht sah, zweifelte er für einen Moment an seinem Sinn für Realität. Vor ihm hockte nicht etwa Seto Kaiba, sondern jemand den er nie wiedersehen wollte. Doch scheinbar war ihm das nicht gegönnt.

"Du? Das ist absolut unmöglich! Ich habe dich zerstört!"

"Hast du nicht!", erwiderte sein Gegenüber ernst und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Weißes Haar fiel ihm unordentlich über die Schultern und dunkle Augen musterten ihn kühl und abschätzend, aber -und das schockierte Atemu am meisten- nicht feindselig.

Es war jene Seele die von Ryou Bakura Besitz ergriffen hatte und die sich später als die finstere Kreatur Zorc entpuppt hatte. Nun stand er vor Atemu, wie er ihn in Erinnerung hatte, ihn einer Erscheinung, die Yugis Freund Ryou sehr ähnelte.

"Was ist dann mit dir passiert, wenn ich dich schon nicht vernichtet habe?"

"Du hast Zorc vernichtet!", korrigierte der Mann vor ihm. Atemu verzog verwirrt das Gesicht und stellte sich nun ebenfalls hin. Sein Stolz hätte wohl die weiße Fahne geschwenkt, wenn er weiterhin vor seiner Nemesis gesessen hätte.

"Sagtest du nicht, du wärst Zorc?"

"Sagte ich!", meinte sein Gesprächspartner. "Aber wann war ich je wirklich ehrlich?"

"Da ist was dran!"

"Bevor du fragst: Ich hatte nichts mit dem Vorfall zwischen Yugi und Diva zu tun."

"Aber der Ring..."

"Ist nicht mehr meine Angelegenheit. Ich habe andere Dinge, um die ich mich kümmern muss!"

"Und was bitte?", fragte Atemu zweifelnd, während er für sich überlegte, wie er seinem Gegenüber denn nun nennen sollte. Er hatte ihn teilweise mit Ryous Nachnamen angesprochen, aber das passte ja nicht mehr, da die beiden getrennt waren. Hatte der ehemalige Geist des Ringes denn einen weiteren Namen?

"Das hier!", sagte er und schnippte. Es war, als hätte er plötzlich das Licht angemacht und der Blick auf die Umgebung wurde frei. Sie befanden sich auf einem Hügel, der den Blick auf ein weites Tal freigab. Weiter hinten konnte man dichte Wälder, ein paar Flüsse und ein Gebirge erkennen, das sich wie ein Schutzwall um das Tal schloss.

"Wo sind wir?", wollte Atemu wissen und konnte den Blick nicht von der vielfältigen und zugegeben schönen Landschaft abwenden. Er konnte nicht fassen, dass ausgerechnet sein ehemaliger Feind sich um das da kümmerte.

"Das ist das Reich der Schatten!"

"Unmöglich!", gab Atemu sofort zurück. Das konnte einfach nicht das Reich der Schatten sein! Das Schattenreich, das er kannte, war ein finsterer Ort an dem Überleben eine Herausforderung darstellte und an dem das Böse herrschte. Doch das was sich vor seinen Augen erstreckte war so friedlich und ... wunderschön?

"Ebenso unmöglich, wie ich vor dir stehe?"

"Wer bist du dann? Wenn du schon nicht Zorc sein willst?"

"Ich hüte diese Welt. Das hab ich schon immer getan, oder sollte es zumindest tun. Ich muss gestehen, das mit Zorc hat mich ein wenig davon abgebracht, aber... seit er weg ist kann ich der Aufgabe wieder nachgehen!"

"Und wer war Zorc jetzt? War er du? War er eine eigenständige Person? Das ist..."

"Verwirrend? Allerdings. Zorc war... eine Art Geschwür an meiner Existenz. Sagen wir, mich hat etwas sehr, seeeeehr aus dem Konzept gebracht und Zorc entstand. Dumme Sache, die da passierte aber nicht mehr zu ändern. Allerdings ist das, was du und Kaiba euch geleistet habt weitaus dümmer!"

"Wovon sprichst du?"

Sein Gegenüber, der nicht Zorc war, deutete auf etwas am Himmel hinter sich. Atemu wandte sich um und schrak zurück. Dort, wo eigentlich blauer Himmel sein sollte, klaffte ein gigantisches Loch, das die Realität auseinanderzureißen schien.

"Was..."

"Das hat Kaiba verursacht, indem er mit diesem komischen Würfel zu dir gereist ist! Ich hab versucht es zu schließen, aber es geht nicht! Es muss aber wieder geschlossen werden, sonst sprengt es das Reich der Schatten in kleine Stückchen!"

"Und warum sollte uns das kümmern!", sagte da jemand, der bis gerade eben noch bewusstlos am Boden hinter den beiden gelegen hatte. Seto Kaiba kam taumelnd auf die Beine und musterte sowohl Atemu als auch den anderen mit Abscheu und Wut.

"Ihr habt keine Ahnung, was das Reich der Schatten wirklich ist, oder?"

Die beiden schüttelten im Gleichtakt mit dem Kopf und ihr ungewollter Gastgeber fuhr sich seufzend mit der Hand über das Gesicht.

"Wir sind am Arsch!", sagt er. "Doch die Details klären wir später. Erstmal müssen wir euch wieder halbwegs auf die Beine kriegen!"

"Wieso das?!", meinte Kaiba abschätzend und verschränkte mürrisch die Arme vor der Brust. Er war davon ausgegangen, dass Atemu ihn mithilfe des Milleniumspuzzles wieder in seine Welt bringen würde, doch stattdessen waren sie ganz woanders gelandet! Scheinbar konnte dieser "Pharao" wohl doch nicht alles richtigmachen!

"Gerade du müsstest merken wieso!", meinte ihr ungewollter Gastgeber und gestikulierte in seine Richtung. "Du hast zwei Weltenreisen in kurzer Zeit hintereinander gemacht. Dass du noch stehen kannst ist ein Wunder, aber woher will ein Hohlkopf wie du das auch wissen!"

"Was hast du da gesagt!?"

"RUHE!", schaltete sich da Atemu in den aufwallenden Streit ein. Er war auch wütend über den Umstand, mehr vielleicht als Kaiba, immerhin hatte er das hier zu verantworten. So sehr es ihn jedoch wurmte, sein ehemaliger größter Feind -denn auch wenn Kaiba sich auf den Kopf stellte, er würde ihn immer als Verbündeten ansehen- schien einiges an Informationen zu besitzen, die ihnen noch nützlich sein konnten und Atemu würde lieber eine Klinge durch seine Zunge donnern als das laut zuzugeben, doch... sie waren auf den anderen angewiesen. Mit verbitterter Miene wandte sich Atemu an den Weißhaarigen.

"Was hast du vor?"

"Was wohl?! Uns umbringen, was sonst?!"

"Ich hab gesagt, du sollst ruhig sein!"

"Ich lass mir von dir doch nicht den Mund verbieten!"

"HABT IHR'S DANN AUCH MAL???"

Atemu hob in abwehrender Manier die Hände und nickte mit dem Kopf in Richtung Kaiba.

"Er zankt die ganze Zeit rum!"

"Das tut er doch immer!", kam die Antwort und nicht einmal Seto Kaiba selbst konnte dieser Feststellung ernsthaft widersprechen. "Aber zurück zum Thema: Ich bringe euch erst einmal zu mir, dort gebe ich euch etwas, damit ihr diese Weltenreise etwas besser verarbeiten könnt und dann schicken wir Kaiba erstmal nach Hause!"

Wieder schien Seto nicht gerade eben begeistert von dieser Tatsache zu sein, aber das war immer so. Immer wenn er etwas nicht geplant hatte, wenn er nicht alle Asse für sich beanspruchen konnte und nicht am längeren Hebel saß, wurde er sehr schnell sehr wütend.

"Warum werde gerade ich »nach Hause geschickt«?"

"Er ist schon tot!", meinte der Hüter des Schattenreiches und wies auf Atemu. "Du hingegen kannst noch sterben und da dein antikes Gegenstück in der modernen Welt ist, kann das für ganz schön derbe Probleme sorgen und um ganz ehrlich zu sein, habe selbst ich von all den Problemen so langsam die Schnauze voll!" Das war für eine ganze Weile das einzige, was sie von ihm hörten. Er drehte ihnen einfach den Rücken zu und ging voran, gab ihnen mit einem knappen Winken zu verstehen, sie mögen ihm folgen und das war's auch schon. Kaiba und Atemu sahen sich kurz verwundert an, ehe Letzterer einfach mit den Schultern zuckte und ihrem unerwarteten Helfer folgte.

"Sag mal wie heißt du eigentlich?!"

 

 

 

 

 

***fünf Jahre später***

 

 

 

»Zeit allein

kann nicht sein;

Raum allein

kann auch nicht sein.

Und so gehen Raum und Zeit

Hand in Hand in Ewigkeit« *

 

Mit einem schiefen Lächeln klappte der junge Mann das Buch zu, in dem er diesen kleinen, poetischen Text gelesen hatte und legte es zur Seite. Er hatte sich dieses Buch aus der Stadtbibliothek in Domino ausgeliehen, um ein wenig seine Sprachkenntnisse zu prüfen, denn der Text war keineswegs in seiner Muttersprache verfasst, aber er verstand es dennoch recht gut.

Mit einem Seufzer lehnte er sich ein wenig vom Schreibtisch zurück und musterte den Sternenhimmel, den man durch das Fenster über dem Tisch wunderbar im Blick hatte. Wenn er sich daran erinnerte, wie oft er aus diesem Fenster geschaut hatte, mit seinem anderen Ich an seiner Seite...

'Wie lange das doch her ist!', dachte er sich und strich sich eine wirre, blonde Strähne aus dem Gesicht. Es war allerdings nicht die einzige Haarfarbe, die der junge Mann hatte. Nein, sein etwas extravagant anmutender Haarschnitt brachte es auf stolze drei verschiedene Haarfarben. Neben blond fand sich noch ein dunkles schwarz und ein unnatürliches Violett darunter.

Woher er diese seltsame Frisur hatte und ob die Haare von Natur aus so waren -was der Wahrheit entsprach- oder ob er sie nur färbte um so richtig aufzufallen -was eine Lüge war!- beschäftigte diverse Klatschblätter schon seit einigen Jahren. Genau genommen, seitdem der Junge mit einem einzigen, nicht einmal offiziellen, Duell den amtierenden DuelMonsters-Meister in die Knie gezwungen hatte und sich innerhalb kürzester Zeit die Aufmerksamkeit der Welt auf ihn gerichtet hatte.

Seit jenem, schicksalhaften Tag war einiges an Zeit vergangen...

Yugi Muto war schon lange kein kleiner Schuljunge mehr, bei dem man kurz vor seinem Abschluss noch gezweifelt hatte, ob er denn wirklich die Oberschule besuchte. Aber auch diese Zeiten lagen hinter ihm, denn kurz nach seinem Schulabschluss war der lang ersehnte Wachstumsschub dann doch noch gekommen. Er war zwar immer noch kleiner als seine beiden besten Freunde, Joey und Tristan, aber der Unterschied betrug nun nicht mehr anderthalb Kopflängen und mehr, sondern höchstens ein paar Zentimeter.

Grinsend dachte Yugi an den Tag zurück, als Joey aufgefallen war, dass sie beide nun beinahe auf Augenhöhe waren. Dem Chaoten war damals fast der Lötkolben aus der Hand gefallen -was schmerzhafte Verbrennungen zur Folge habt hätte-.

Was Joey Wheeler mit einem Lötkolben machte?

Tja, er war bei einer Elektrikerfirma in die Lehre gegangen. Natürlich hegte der blonde Wirbelwind immer noch den Wunsch ein professioneller Duellant zu werden und er hatte sich auch unmittelbar nach seinem Abschluss an die entsprechenden Leute gewandt um das in die Wege zu leiten, doch dort war ihm direkt davon abgeraten worden. "Zu unsicher..." sagte man ihm und schlug dem hitzköpfigen Jungen vor, erst eine Ausbildung abzuschließen und sich dann noch einmal zu melden. Es hatte schon etliche gegeben, die denselben Traum, wie Joey gehabt hatten und die dann, als das nach hinten losgegangen war, mit nichts dastanden. Nüchtern betrachtet, war der Vorschlag also keine böswillige Aktion gewesen, sondern ein guter Rat. Und weil es Joey immer gewurmt hatte, dass seine DuelDisc kaputtging und er sie teuer reparieren musste und sich kein Ersatzgerät leisten konnte, hatte er das Gute mit dem Nützlichen verbunden, in der Hoffnung die gröbsten Probleme bei der DuelDisc in Zukunft selbst beheben zu können -auch wenn für das Feintuning sicher ein Automatisierungstechniker oder ein Informatiker ranmusste-. Allerdings hatte es einige Fehlversuche in andere Richtungen gegeben, weshalb Joey auch die Ausbildung noch nicht beendet hatte.

Tristan und Ryou hatten die Tatsache von Yugis Wachstum gelassener aufgenommen, als er sie in der Uni besucht hatte. Ersterer war ja schon immer ein recht großer Kerl gewesen und auf dessen Höhe würde Yugi wohl nie kommen. Soweit sie alle wussten war Kaiba der einzige, der ungefähr gleich groß war, aber wenn man sich seinen jüngeren Bruder Mokuba so ansah, schlug der in dieser Hinsicht genau in dieselbe Richtung.

Tristan hatte nach seinem Abschluss wirklich in der Firma seines Vaters angefangen, sehr widerwillig, doch er hatte in die verschiedensten Richtungen die Fühler ausgestreckt und ein Jahr später hatte er tatsächlich eiskalt gekündigt und sich an der Universität für ein BWL-Studium eingeschrieben. An seiner Seite war Ryou, der sich für Anglistik entschieden hatte. Nun, einige Jahre später war Tristan schon mit dem Bachelor fertig und besuchte die ersten Masterkurse, während Ryou noch an ein paar Prüfungen knabberte, bevor er sich seiner Bachelorarbeit widmen konnte. Es lag nicht daran, dass er "schlechter" war, sondern viel mehr daran, dass er die Dinge einfach langsamer, aber um einiges gewissenhafter anging.

Die einzige, die nicht mehr in Domino weilte, war Tea. Nach dem Austauschprojekt in Amerika war die junge Frau dortgeblieben und hatte noch einige Kurse besucht, bevor sie vor zwei Jahren schließlich ihre eigene Schule hatte eröffnen können. Der Beweis dafür klebte an Yugis Wand, über dem Bett. Dort hatte er inzwischen eine Art Collage angefertigt aus Fotos, Zeitungsartikeln, Postkarten und diversen anderen Erinnerungen an seine Freunde. Im Zentrum war ein Foto, das Tea und ihre Freunde zeigte, an dem Tag an dem Tea ihren ersten Tanzkurs gegeben hatte. Die ganze Truppe war damals nach Amerika geflogen, sogar der gute, alte Opa Muto war mitgekommen.

Das war keine Selbstverständlichkeit, denn das Alter machte sich nun vollends bei dem Mann bemerkbar. Er sagte keinen Ton, doch Yugi konnte hören, wie er ächzte, wenn ihm seine Knochen Probleme machten und er sah auch, dass sein Großvater viele Dinge einfach langsamer machte als er es früher getan hatte. Umso eifriger war Yugi dabei, seinem Opa im Laden zu helfen und seit der "König der Spiele" -ja er hielt den Titel noch immer- höchst persönlich hinter dem Tresen stand und die Kunden bediente, stieg der Umsatz rasant an.

Doch Yugi half nicht nur im Spieleladen. An einigen Abenden traf man den jungen Mann an einem Ort, wo man ihm wohl zuletzt erwartet hätte: An der Volkshochschule von Domino. Yugi besuchte hin und wieder einige Abendkurse. Sicher war das nicht billig und vor allem war es zeitaufwendig, aber Yugi hatte all dem nur positives abgewinnen können. So verstand er jetzt Englisch um einiges besser als früher und er hatte sogar ein paar Brocken Altägyptisch gelernt. Hinzu kamen noch ein paar Geschichtskurse und andere Dinge, die Yugi einfach interessierten. Daher hatte er auch in dem Buch gelesen, das er sich ausgeliehen hatte. Doch nun war es so spät, dass er eine Augen kaum noch aufhalten konnte, immer wieder fielen sie ihm zu und der Kopf fiel vornüber.

"Gut, das heißt dann wohl, ich sollte schlafen!", beschloss Yugi und zog sich um. Als er schließlich auf dem Bett lag -es war noch zu warm um sich zuzudecken- verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und sah wieder aus dem Dachfenster raus. Er wusste nicht, was es war doch irgendwie hatte in ein Gefühl der Unruhe ergriffen. Als würde bald etwas passieren... etwas Schlimmes, oder etwas Wundervolles, das wusste er nicht. Aber er beschloss, dass er dem ganzen wohl besser ausgeschlafen entgegentrat...

 

 

#*+*#

 

 

Am Morgen darauf war Yugi gerade vollkommen damit beschäftigt, die neuen Produkte in die Regale einzusortieren, als die Klingel über der Ladentür ankündigte, dass eben jemand hereingekommen war.

"Einen Moment, bitte! Ich bin gleich vorn!", rief er hastig und räumte weiter die Regale ein. Der potentielle Kunde schien das nicht gerade zu stören...oder wohl eher eine Kundin, denn die Geräusche verrieten eindeutig, dass die Person hochhakige Schuhe trug und das taten Männer für gewöhnlich recht selten.

"Meine Güte, hier hat sich ja gar nichts verändert!", hörte Yugi eine Stimme, die tatsächlich einer Frau gehörte und irritiert hielt er inne. Er kannte diese Stimme, so gut als wäre es seine eigene. Wie konnte er auch nicht, wenn er an der Seite der Frau, zu der diese Stimme gehörte, aufgewachsen war. Hastig schob Yugi den Karton mit den restlichen Produkten in eine Ecke und kam in den vorderen Teil des Ladens. Tatsächlich, da stand sie.

"Tea!", rief er ihren Namen aus, voller Freude sie nach einer sehr langen Zeit wieder zu sehen. Seitdem sie ihre Tanzschule in Amerika hatte, kam die junge Frau nur noch zu Geburtstagen und den Feiertagen nach Japan und sah ihre Freunde demnach nur selten. Aber jedes Mal, wenn sie alle wieder beisammen waren, war es so, als wäre keine Zeit vergangen und sie alle wären noch Schüler.

Mit einem sanften Lächeln, das man von ihr nur allzu gut kannte, legte Tea den Kopf ein wenig schief und sagte:

"Ach herrje, du hast mich ja schon überholt!"

"Hä!", machte Yugi daraufhin, wenig geistreich und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Dabei fiel ihm etwas auf, das er schon lang nicht mehr wahrgenommen hatte. Sein Herz donnerte ihm so kräftig gegen die Brust, dass er sich für ein paar Momente Sorgen um seine Gesundheit machte. Das war jedes Mal so, wenn er Tea wieder traf. Eigentlich müsste man meinen, fünf Jahre seien Zeit genug, um seine Gefühle für sie zu vergessen... Eigentlich.

Aber jedes Mal, wenn sie sich sahen, flackerte das alte Licht von neuem auf, wenn auch nur für kurze Zeit. Yugi konnte sich keinen Reim darauf machen, zumindest vorerst noch nicht. Die Bedeutung dieser nicht unerheblichen Tatsache sollte ihm erst sehr viel später klarwerden. Doch das rückte nun in einen eher verborgenen Winkel seiner Gedanken, als er merkte, dass Tea nun unmittelbar vor ihm stand und ihn eingehend musterte.

"Du bist größer als ich... Dass ich den Tag noch erlebe!"

"Das war ich auch letztes Mal schon!", erinnerte Yugi sie und sie lachte einfach nur.

"Ich weiß... und trotzdem guck ich jedes Mal wie eine Wunderblume, oder?"

"Nicht die Worte, die ich gewählt hätte aber wenn du es schon so sagst..."

Teas Faust landete wenig sanft auf seinem Oberarm, aber ihr Grinsen sagte ihm, dass sie nicht wirklich sauer auf ihn war, sondern dies nur ein unreifes Geplänkel war. Die Zeit in Amerika hatte die junge Frau nicht wirklich verändert. Natürlich war sie um einiges erwachsener geworden, das war jeder von ihnen. Aber irgendwie schaffte sie es, trotzdem immer noch ganz die Tea zu bleiben, die Yugi so schätzte.

"Was führt dich denn hierher?", fragte er, während er einladenderweise auf einen Hocker hinter der Ladentheke deutete, wo sich Tea hinsetzen konnte, was sie auch tat. Er selbst setzte sich völlig ungeniert auf die Tischplatte.

"Urlaub!", gab Tea mit einem Schulterzucken zurück. "Der Laden lief den Sommer über ganz gut, aber unsere meisten Schüler sind grad mit den Familien fort, darum habe ich kurzerhand Betriebsferien angeordnet!"

"War wohl mal bitter nötig?"

"Du hast ja keine Ahnung!", meinte Tea und streckte sich demonstrativ, ehe sie fragte: "Und was hat sich hier so getan? Was gibt es Neues?"

Yugi sah kurz zur Seite und dachte fieberhaft nach, ob es tatsächlich etwas gäbe, dass so wichtig war, dass Tea es unbedingt wissen müsste, aber es fiel ihm zunächst nichts ein.

"Ah, versteh schon!", sagte sie augenzwinkernd.

"Wissen die anderen auch, dass du da bist?"

Tea schüttelte den Kopf, ehe sie wieder aufstand. Sie war gerade erst vom Flughafen gekommen und der Spieleladen war ihre erste Anlaufstelle gewesen. Der Koffer, den sie neben dem Eingang hatte stehen lassen untermalte diese Tatsache deutlich. Yugi folgte Teas Blick.

"Aha, erstmal nach Hause, oder?"

"Jap! Ich lechze förmlich nach einer Badewanne!", antwortete sie. Auch wenn ihre Tanzschule so gut lief, dass sie finanziell recht stabil dastand, konnte sie sich natürlich keinen Flug in der Business-Class leisten und dementsprechend unkomfortabel war die Reise gewesen.

"Na, dann sieh zu, dass du nach Hause kommst!", sagte Yugi, während er seine Kindheitsfreundin zur Tür brachte.

"Wollen wir im Laufe der Woche was zusammen machen? Also die ganze Mannschaft, Joey, Tristan, Wir... du weißt schon?"

"Das klingt toll", erwiderte Yugi lächelnd. "Wir wollten uns Freitag sowieso zu einem kleinen Turnier bei mir Treffen, Opa ist bei Professor Hawkins eingeladen, das heißt wir stören ihn nicht... und Duke kocht!"

"Oh, da muss ich dabei sein!", schwärmte Tea. Dukes Kochkünste waren innerhalb des Freundeskreises um Yugi nicht nur geschätzt, sondern regelrecht berüchtigt. Der junge Mann hatte zwar schon versucht den anderen etwas davon beizubringen, doch nachdem Joey es geschafft hatte, Wasser anbrennen zu lassen, hatte er voller Verzweiflung das Handtuch geschmissen.

"Komm einfach mit her, die anderen werden sich freuen!"

"Gut, dann bist Freitag!", verabschiedete sich Tea und zog den Griff ihres Rollkoffers hoch. Ehe sie ging, wandte sie sich noch einmal zu Yugi um, und küsste ihn kurz auf die Wange. Das war an sich nichts Neues, sie machte das seit gut drei Jahren. Irgendwann hatte sie es sich in Amerika angewöhnt und verabschiedete sich immer so, aber dennoch...

Yugi hatte das Gefühl, seine Wange stünde in Flammen, während Tea sich hastig umwandte. Ohne es zu wollen war ihr das Blut ins Gesicht geschossen und sie war ein wenig rot angelaufen. Woher das kam, das wusste Tea nicht. Sicher, sie hatte Yugi gern, doch seit einiger Zeit überkam sie immer so eine Unruhe, wenn sie in seiner Nähe war. Gern hatte sie ihn schon immer gehabt, doch das... das war einfach so anders. Tea hatte die ein oder andere Vermutung was das anging, doch sie verbot sich einfach darüber nachzudenken.

'Er ist dein Kindheitsfreund, Tea. Jetzt mach dich nicht lächerlich! ’, dachte sie noch während sie sich auf den Weg nach Hause machte. Aber, entsprach das noch der Wahrheit, oder machte sie sich hier selbst etwas vor?

 

#*+*#

 

 

 

 

Während es in Domino bereits Nachmittag war und manche auf den Feierabend warteten, begann in Ägypten gerade erst einmal der Tag. Die Sonne stand schon eine ganze Weile am Himmel und bei einer Familie, die am Rand der Hauptstadt Kairo lebte, waren schon zwei Bewohner der seltsamen Wohnung auf den Beinen. Seltsam war es deshalb, weil die gesamte Familie, die bis vor kurzem noch ein alter Grabwächterclan gewesen war, unter Tage lebte. Drei Mitglieder waren von Familie Ishtar noch im alten Unterschlupf, der Rest war fortgegangen oder lebten nicht mehr. Doch die drei Geschwister, die geholfen hatten, den Pharao ins Jenseits zu geleiten, wollten an diesem Ort bleiben, um nicht zu vergessen, was vorgefallen war. Sicher waren nicht alle Erinnerungen schön, doch es war ihnen allen wichtig.

Sogar Marik, der jüngste von ihnen und derjenige, der am Meisten hatte erdulden müssen, wollte nicht fort -entgegen der Erwartungen seiner Schwester-.

Nun lag Marik allerdings selig schlummernd in seinem Bett... und zwar quer! Weder Ishizu noch Odion wussten, woher er das hatte, aber seit Marik von seiner finsteren Seite befreit worden war, schlief er in dieser seltsamen Position. Eines hatten die letzten Jahre zu Tage gebracht: Marik Ishtar war einerseits ein Nachtmensch und andererseits auch noch ein Langschläfer, wie er im Buche stand. Die meisten Menschen wären um diese Uhrzeit bereits wach, doch er schlief noch tief und fest.

Keiner würde ihm das jedoch verübeln, immerhin war er vor gut vier Stunden erst erschöpft ins Bett gefallen. Marik würde sich jedoch nie über seinen Beruf beschweren, dazu liebte er das, was er tat viel zu sehr.

Nachdem der Pharao ins Jenseits zurückgekehrt war, hatte Ishizu darauf bestanden, dass ihr jüngerer Bruder eine Schule besuchte, was dieser getan hatte. Wenn auch Zähneknirschend. Doch Marik hatte immer wieder die Schule geschwänzt und war unter die Leute der Stadt gegangen. Früher war ihm das nicht gegönnt gewesen: Wie ein ganz normaler Junge durch die Stadt zu schlendern und Spaß zu haben. Bei seinen Ausflügen hatte er eine neue Leidenschaft für sich entdeckt: Feuer.

Nein, Marik war kein Brandstifter!

Allerdings verdiente er sein Geld nun dennoch mit Flammen. Er hielt sich des Nachts stets auf gut besuchten Plätzen auf und lieferte den Leuten eine Feuershow, die sie so schnell nicht vergessen würden. Marik liebte es mit den Flammen Bilder in die Luft zu malen und den Menschen Ausrufe des Erstaunens zu entlocken, wenn er wie ein Drache Feuer spie. Natürlich tat er das nicht wirklich, sondern nahm vorher einen Schluck brennbarer Flüssigkeit in den Mund die er wieder ausspukte, aber der Effekt war dennoch schön anzusehen.

Ishizu hatte sich irgendwann damit abgefunden, dass ihr Bruder keinen normalen Beruf ausüben würde und hatte ihn gewähren lassen. Ab und zu, wenn sie nicht gerade Texte für diverse ausländische Botschaften oder altägyptische Gravuren übersetzte, sah sie ihrem Bruder zu. Einmal hatte sie beinahe einen Herzinfarkt bekommen, als Marik vor ihren Augen in Flammen aufgegangen war. Die Zuschauer hatten sich vor Begeisterung kaum wieder beruhigen können, Ishizu wäre vor Sorge fast geplatzt.

Doch Marik hatte sich nicht wirklich angezündet! Er hatte nur seine Arme mit einer Art Gel bestrichen, das die Flammen von seiner Haut fernhielt, sich aber dennoch brennen ließ. Der Effekt war einfach gigantisch.**

Da seine kleinen Shows im Dunkeln so viel besser ankamen, machte Marik das meist in der Nacht, was auch der Grund war, dass er noch so tief und fest schlief. Allerdings währte dieser Zustand nicht lange, denn seine Schwester stand vor der Tür.

Auf ihr energisches Klopfen hin kam von Marik lediglich ein unwirsches Brummen, doch er rührte keinen Muskel. Ishizu seufzte kurz resigniert, ehe sie die Tür zum Zimmer ihres Bruders öffnete und sich ein kleines Lächeln sich auf ihr Gesicht stahl. Warum auch immer Marik so komisch schlief, es sah aus den Augen einer großen Schwester einfach nur putzig aus. Doch ihr Lächeln verschwand ebenso schnell, wie es erschienen war und Sorge trat auf ihr Gesicht.

"Marik!", rief sie aus, und rüttelte ihrem Bruder sanft an den Schultern, um ihn wach zu bekommen.

"Was-is-n-los?", murmelte Marik und hob schwerfällig den Kopf.

"Er hat sich gemeldet! Er will, dass wir zu ihm kommen...sofort!"

Mit einem Ruck war Marik hellwach und saß senkrecht im Bett. Das hieß nichts Gutes!

 

 

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
(* Dr. Carl Peter Fröhling )

(** Gibt es tatsächlich, man sollte aber Erfahrung haben um das zu benutzen!!!) Komplett anzeigen

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