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Der Wert des Lebens

von

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Die Studie

Kapitel 28 – Die Studie
 

Der nächste Morgen begann für Itachi damit, dass er von einem Telefonklingeln geweckt wurde.

„Uchiha Itachi", murmelte er halb verschlafen.

„Itachi, habe ich dich geweckt?“, hörte er eine weibliche Stimme fragen.

„Ehm, ja, macht aber nichts. Was gibt es denn?“, fragte Itachi und versuchte wacher zu tun als er war. Beiläufig schaute er auf die Uhr. Erst 8. War es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen, dass seine Ärztin ihn so früh aus dem Bett klingelte? Der Abend mit Yumi schien ja nicht gerade lang gewesen zu sein, wenn sie jetzt schon wieder wach war und so munter klang. Andererseits hatte er auch keine Ahnung wann ihr Dienst begann. Soweit er es inzwischen mitbekommen hatte, machte die Ärztin ohnehin Überstunden ohne Ende. Sie lebte anscheinend für ihren Beruf.

„Nun, die Ergebnisse von dem Test, den ich angeordnet habe sind da. Du hast tatsächlich die Mutation, auf die ich die Probe habe untersuchen lassen. Ich möchte das weitere Vorgehen gerne mit dir persönlich besprechen. Kannst du um 10 zu meinem Büro kommen?“, verkündete sie und hackte dann nach.

Ins Krankenhaus? Na ja, gefallen tat Itachi der Gedanke nicht. Jedoch hatte sie ihm damals doch von einem Medikament erzählt, das in Frage käme, sollte der Test positiv ausfallen. Na seinetwegen. Er würde hingehen und wenn ihm das, was die Ärztin ihm mitzuteilen hatte nicht passte, gleich wieder gehen. Das Krankenhaus war schließlich kein Gefängnis und er könnte jeder Zeit gehen.

„Okay, ich komme“, antwortete Itachi dann schließlich nach kurzer Bedenkzeit.

„Sehr gut. Wenn du möchtest, bring Yuna mit“, meinte Tsunade und verabschiedete sich bis später.

„Oh man.“, murmelte Itachi. Eigentlich hatte er sich einen entspannten Tag zu Hause gewünscht um sich vom vergangenen Tag zu erholen. Doch daraus würde nun wohl nichts werden. Der Spaß war vorbei, jetzt musste er sich offenbar schon wieder der Realität stellen.
 

„Oh, schon wach?“, fragte Yuna überrascht, als Itachi halb verschlafen in Richtung Küche kam. Sie war bereits wach und bereitete das Frühstück vor.

„Tsunade hat mich angerufen“, erklärte Itachi den Grund seines Wachseins.

„Oh! Was wollte sie?“, fragte Yuna überrascht.

„Ich soll um 10 zu ihr ins Büro kommen“, meinte Itachi leicht seufzend.

„Hat sie gesagt worum es geht? Soll ich mitkommen?“, wollte Yuna wissen.

„Um ein Testergebnis, sie möchte persönlich mit mir reden. Wenn du möchtest, komm gerne mit“, antwortete Itachi. Von der ausgelassenen Freude des vergangenen Tages war plötzlich nichts mehr zu spüren. Eher eine gewisse Nervosität.

„Ah so, ja klar komme ich mit!“, antwortete Yuna.
 

Einige Zeit später gingen die beiden zum Krankenhaus. Wie sonst schon immer zur Uni, zu Fuß. Yuna hatte Itachi angeboten zu fahren, jedoch wollte er den kurzen Weg lieber gehen. Er wollte etwas frische Luft, um den Kopf frei zu machen. Yuna begleitete ihn, doch viel zu reden hatten die beiden nicht.

Pünktlich um 10 Uhr saßen die beiden in Tsunade Büro. Und wer war nicht da? Tsunade.

Diese kam mit 15 Minuten Verspätung an. Es hätte noch einen Notfall gegeben, entschuldigte sie sich.

„Macht nichts“, meinte Itachi ruhig.

Tsunade setzte sich auf den Bürostuhl und tippte ein paar Dinge in den PC, wohl um Itachis Daten aufzurufen. Dann widmete sie ihm endlich ihre volle Aufmerksamkeit. „Nun, wie ich dir am Telefon bereits erzählt habe, ist der Test positiv ausgefallen. Du kämest also rein theoretisch für die Behandlung mit einem neuen Medikament in Betracht. Jedoch gibt es dabei einige Probleme. Und einige Dinge die du wissen musst ehe du dich entscheidest es auszuprobieren.“

Itachi hätte am liebsten sofort ja gesagt, denn was auch immer es war, vielleicht könnte es ihm helfen. Doch der ernste Gesichtsausdruck der Ärztin ließ ihn nachdenklich werden. Gab es womöglich schwere Nebenwirkungen? Kam er vielleicht doch nicht in Betracht, weil seine Erkrankung bereits zu weit fortgeschritten war, so wie für die sonst übliche Chemotherapie? Aber wenn dem so wäre, weshalb erzählte sie ihm das ganze überhaupt? Ihm Hoffnung zu machen, nur um sie ihm gleich wieder zu nehmen wäre nicht die nette Art.
 

„Die da wären?“, fragte Itachi deshalb ruhig. Er versuchte seine Nervosität weitestgehend zu überspielen.

„Nun, es ist ein Medikament, welches sich noch im Versuchsstadium befindet. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Es ist kein Heilmittel. Es könnte jedoch den Verlauf hinauszögern. Die ersten Ergebnisse waren zwar vielversprechend, jedoch weiß man noch nicht genug über die genauen Wirkungen und Nebenwirkungen. Deshalb werden im Moment noch Probanden gesucht, um das Mittel besser erforschen zu können. Voraussetzung hierfür ist eben diese bestimmte Mutation, die ich bei dir nachweisen konnte. Und dass bei dem Patienten keine andere Therapie mehr in Frage kommt“, fing Tsunade an zu erklären. Es war ihr wichtig von vorn herein klar zu stellen, dass keine Heilung zu erwarten war, lediglich eine Verzögerung im Krankheitsverlauf. Sie wollte Itachi auf gar keinen Fall falsche Hoffnungen machen.

„Also soll ich ein Versuchskaninchen sein?“, fragte Itachi skeptisch.

„Na ja, so würde ich das nicht bezeichnen. Es ist eine Studie. Jedoch gibt es einen Hacken. Die Patienten, die in diese Studie aufgenommen werden sollen, sollen eine voraussichtliche Lebenserwartung von zumindest 6 Monaten haben. Damit man genaueres zur Wirkung erforschen kann. Eine kürzere Zeit wurde von oben als zu kurz für verlässliche Daten befunden. Zu dem geht es den Patienten dann oft bereits zu schlecht, für eine weitere Belastung durch Medikamente“, erklärte sie weiter.

„Und was mache ich dann hier?“, fragte Itachi skeptisch. Schließlich wurde ihm eine Lebenserwartung von nur 2 bis 3 Monaten prognostiziert, im besten Fall. Und das war noch bevor man durch Shimuras regelmäßige Aufnahmen herausfand, dass sich das Tumorwachstum in letzter Zeit beschleunigt hatte.
 

„Nun, ich habe mit dem Ethikkomitee gesprochen. Ich konnte sie davon überzeugen einige Patienten, in bereits noch weiter vorangeschrittenen Stadien, in die Studie aufzunehmen. Um herauszufinden ob es auch dann noch eine Wirkung hat, und ob es selbst dann noch möglich ist die Überlebenszeit zu verlängern. Seien es nur Tage oder auch Wochen. Es geht darum herauszufinden, bis zu welchem Punkt das voranschreiten zumindest noch etwas abgebremst werden kann. Sie waren sehr gespalten, doch nachdem auch Yumi sich dafür ausgesprochen hatte, haben sie schließlich zugestimmt, dass zusätzlich zu den 300 für diese Studie angedachten Patienten, zusätzlich noch 10-15 mit einer Lebenserwartung von nur 3 Monaten oder weniger mit einbezogen werden sollen. Und da kommst du ins Spiel“, erklärte Tsunade dann.

„Heh, also doch ein Versuchskaninchen“, kommentierte Itachi, nicht ganz wissend, was er zu all dem sagen sollte.

Da mischte sich Yuna ein. „Das habt ihr also gestern gemacht! Ihr habt euch gar keinen gemütlichen Mädelstag gemacht! Nicht wahr?“

„Erwischt“, gab Tsunade, kurz lächelnd, schließlich zu.

„Und warum gerade ich?“, fragte Itachi. Er war sicherlich nicht der einzige Patient mit Lungenkrebs im Endstadium, der hierfür in Frage gekommen wäre.

„Nun, ich weiß, wie sehr du dir wünschst, noch etwas mehr Zeit zu haben. Und du bist noch sehr jung. Dein Körper kann noch mehr verkraften, als sagen wir mal der eines 80-Jährigen. Für diesen etwas spezielleren Teil bevorzugen wir Patienten, die abgesehen vom Krebs insoweit guter Verfassung sind“, meinte Tsunade, als Itachi kurz künstlich auflachte. „Abgesehen vom Krebs, na als ob der nicht schon reichen würde!“, erwiderte er.

„Jetzt hör mir mal bitte erst weiter zu. Also, es geht nicht darum, dass diese Tatsache allein nicht ausreichen würde, sondern darum, den Einfluss von weiteren, eventuell vorhandenen Erkrankungen auszuschließen. Ältere Patienten haben oft sonst noch alles Mögliche als Begleiterkrankung. Du bist, abgesehen vom Krebs in Stadium 4, gesund, hast keine Vorerkrankungen, nichts. Ich weiß, es ist ein Wiederspruch in sich, die Worte Krebs und gesund in einem Satz zu verwenden, aber ich denke du verstehst, was ich meine. Und genau deshalb kommst du in Frage.“

Itachi biss kurz auf die Unterlippe. „Vor etwas über einer Woche hieß es noch, ich sei bereits zu schwach für irgendwelche Therapien. Du sagtest sie seien zu belastend und wären eher nachteilig“, merkte Itachi an. Das eine passte für ihn nicht zum anderen.

„Das stimmt auch. Ich bezog mich auf die bisher bekannten, üblichen Therapiemöglichkeiten und würde dir nach wie vor keine Chemotherapie verabreichen wollen. Die neue Therapie wirkt jedoch völlig anders und ist vergleichsweise nebenwirkungsarm. Sie hilft im Prinzip deinem Immunsystem die Krebszellen zu erkennen und sie dann selbst zu bekämpfen. Natürlich kann es auch hier zu Nebenwirkungen kommen. Doch in der ersten Studie hat der größte Teil der Patienten das Mittel sehr gut vertragen. Viele hatten nur schwache Nebenwirkungen, einige sogar gar keine. Leider gab es auch einige mit schwereren Nebenwirkungen, bei denen musste die Behandlung, um der Patienten Willen, dann abgebrochen werden. Es war jedoch der kleinste Teil. Die Therapie ist also nicht so belastend und würde dich in deinem Alltag, vorausgesetzt du verträgst es gut, nicht wirklich einschränken.“, erklärte Tsunade ihm.

„Mmhm“, brummte Itachi leise.

„Du musst es nicht nehmen, jedoch wollte ich mit dir darüber reden bevor ich andere Patienten frage. Du kannst da auch gerne noch eine Nacht drüber schlafen“, meinte Tsunade. Sie wollte sicher gehen, dass Itachi sich nicht bedrängt fühlte. Die Teilnahme an der Studie musste absolut freiwillig sein.

„Wie war denn das Ergebnis der ersten Studie?“, wollte Itachi wissen. Das war für ihn eigentlich die entscheidendste Frage.

„Nun, an der Studie nahmen 20 Patienten mit einer Lebenserwartung von noch etwa 6 Monaten Teil. Nach 6 Monaten lebten bis auf die beiden, die das Mittel gar nicht vertragen haben, tatsächlich noch alle. Jedoch starben drei weitere, kurz nachdem die ihnen prognostizierte Zeit verstrichen war. Bei ihnen schlug das Mittel nicht wirklich an. Sehr lange konnte das Medikament den zu erwartenden Tod, jedoch auch bei den verblieben Patienten nicht hinauszögern. Bei den verbliebenen 15 konnten wir immerhin eine gewisse Wirkung ausmachen. Nach einem Jahr lebten tatsächlich noch vier der Patienten, die anderen hatten 7 bis 10 Monate überlebt. Das voranschreiten der Erkrankung wurde vorrübergehend deutlich gebremst, bei denen, die nach über 10 Monaten noch lebten sogar vorrübergehend vollständig, oder zumindest beinahe vollständig angehalten. Doch nach einiger Zeit war die Wirkung wie aufgehoben, und die Erkrankung schritt wieder in normaler Geschwindigkeit voran. Da alle von ihnen bereits Stadium 4 waren, ging es dann in der Regel recht schnell. Bei allen war es so, dass es Mittel zunächst anschlug, das Tumorwachstum deutlich verlangsamte. Die Studie wurde nach 12 Monaten beendet, jedoch lebt ein Patient, nach nun 14 Monaten immer noch. Jedoch hat vor kurzem leider auch bei ihm das Medikament aufgehört zu wirken“, trug Tsunade das genaue Ergebnis vor.

„Also eine Wahrscheinlichkeit von 75%, dass das Medikament zumindest eine Verlängerung der Lebenszeit bewirkt, und 20%, dass sogar eine Verdoppelung erzielt wird“, fasste Itachi zusammen.

„Nun, die kleine Gruppe macht das Ergebnis nicht sehr aussagekräftig, daher soll nun eine Studie mit mehr Patienten stattfinden. Wir hoffen auch mehr zur Wirkungsweise herausfinden zu können, um das Mittel womöglich zu verbessern. Wir hoffen, dass wir den Krebs früher oder später damit auch zurückdrängen können, oder zumindest einen dauerhaften Stillstand erreichen können. Es gibt bereits ein ähnliches Medikament für andere Krebsarten, eine Heilung können wir damit zwar auch nicht erreichen, jedoch teilweise eine Verlängerung des Lebens um mehrere Jahre. Das schafft dieses Mittel noch nicht, aber wenn wir daran weiterforschen, wird es uns womöglich gelingen“, erklärte Tsunade.

Von 20 Patienten auf tausende zu schließen wäre etwas grob spekuliert. In einer Studie in die mehr Patienten eingebunden werden, könnte man zumindest eine brauchbarere Statistik aufstellen. Und würde das Mittel auch in der nun angedachten Studie, bei dem überwiegenden Teil der Patienten anschlagen, würde man eine weitere mit einigen tausend Patienten machen. Erst dann könnte man über eine offizielle Zulassung des Medikaments nachdenken. Doch bis dahin würde es noch ein weiter weg sein. Sicherlich würden bis dahin noch einige Änderungen gemacht werden müssen und noch diverse weitere Studien durchlaufen. Aber das wäre es sicherlich Wert, denn wenn es gelänge, könnte man so in Zukunft sicherlich vielen das Leben retten.

Itachi nickte. Er war sehr still und schaute nachdenklich auf die Unterlagen, die Tsunade ihm noch als zusätzliches Infomaterial gezeigt hatte. Dort war erklärt, wie das Medikament wirken sollte. Itachi las es sich durch und es wirkte soweit plausibel.

„Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten“, wollte er dann wissen.

„Überwiegend Übelkeit und Durchfall, eventuell Fieber. Vor allem am Anfang, aber nach einiger Zeit lässt es wohl nach. Schau mal, auf der nächsten Seite, da ist eine Liste, da sind die möglichen Nebenwirkungen nach Häufigkeit aufgeführt. Wobei das anhand der nur wenigen Patienten, wie erwähnt, nicht sehr genau ist“, antwortete Tsunade.

Itachi sah sich die Liste an. Kopfschmerzen, damit konnte er leben. Dank der starken Schmerzmittel, die er bekam, würde er davon wohl eh nichts merken. Verdauungsprobleme, na ja. Hängt vom Grad ab. Den ganzen Tag über der Kloschüssel hängen wollte er nicht, aber mit gelegentlicher Übelkeit konnte er sich anfreunden. Im war auch so schon oft genug übel, vor allem wenn die Schmerzen mal stärker ausfielen. Schlafstörungen? So müde wie er immer war, konnte er sich kaum vorstellen, dass dies ein Problem werden könnte. Gewichtszuname? Darüber würde er sich sogar freuen. Nachtschweiß? Hatte er auch so schon, als Symptom seiner Erkrankung. Zittern, Muskelkrämpfe, Herzrasen…und einige andere Dinge in die Richtung gefielen ihm dann doch weniger. Aber sowas stand doch schon auf fast jedem Beipackzettel und fiel in die Kategorie ‚selten‘ bist ‚sehr selten‘. Und wie war das? Sollte er das Pech haben, schwerere Nebenwirkungen, die ihn in seinem Alltag beeinträchtigten abzubekommen, würde er das Medikament eh nicht weiter nehmen müssen, sogar nicht weiter nehmen dürfen. Also eigentlich nichts, wovor er sich fürchten müsste. Und doch machte ihn die ganze Sache nervös. Denn Tsunade eröffnete ihm, dass das Ganze noch einen weiteren Hacken hatte: Er würde jede Woche zur Blutabnahme und jede zweite Woche für ein CT vorbeikommen müssen, um alles möglichst engmaschig zu kontrollieren. Und am Tag der ersten Einnahme müsste er für etwa 12 Stunden zur Kontrolle bleiben, um im Falle einer unerwarteten Reaktion sofort eingreifen zu können. Jedoch versicherte sie ihm, dass es abgesehen davon, und der Gespräche, in denen er von den Ergebnissen erfahren sollte, keinen Anlass für weitere Krankenhausaufenthalte gäbe. Die Blutergebnisse könne man auch jede zweite Woche zusammen mit dem CT besprechen. Um die psychische Belastung, die es für ihn bedeutete hier her zu kommen, möglichst gering zu halten.

„Hast du weitere Fragen?“, hackte die Ärztin nach, als sie Itachis Fragen alle so gut es ging beantwortet hatte.

Der schüttelte den Kopf. Er fühlte, dass Tsunade ihm wirklich helfen wollte. Klar wäre er eine Versuchsperson in der Studie. Aber im schlimmsten Fall würde einfach alles beim alten bleiben. Und im besten Fall lebt er länger. Er würde sterben, daran war offenbar leider nicht zu rütteln, jedoch hatte Tsunade Recht: Er sehnte sich sehr nach mehr Zeit. Zeit für so viele Dinge, die er gerne noch machen und erleben wollte. Ein Jahr würde da trotz allem wohl nicht draus werden, aber wer weiß? Er wusste, dass jetzt intensiv nach seinem Bruder gesucht wurde. Und jede Woche mehr erhöhte die Chance, seinen kleinen Bruder noch ein letztes Mal in die Arme schließen zu dürfen. Jede Woche mehr gab ihm die Möglichkeit, Zeit mit Yuna verbringen und sein Leben genießen zu können. Jede Woche mehr, machte es wahrscheinlicher, dass er es miterleben könnte, wie der Arzt, der ihm jegliche Chance auf Heilung nahm, zu einer ordentlichen Gefängnisstrafe verurteilt werden würde. Was hatte er also zu verlieren? Er hatte bereits alles verloren. Nein, ab jetzt konnte er eigentlich nur noch gewinnen. Denn zu verlieren hatte er nichts mehr.

Tsunade wollte ihm gerade nochmal anbieten, eine Nacht darüber zu schlafen und in Ruhe über alles nachzudenken, doch Itachi hatte sich bereits entschieden.

„Ich möchte es machen“, sagte er mit fester Stimme und sah Tsunade dabei direkt an.

„Und du möchtest auch nicht nochmal darüber nachdenken. Du bist dir sicher?“, hackte die blonde Ärztin nach.

„Ja. Sicher“, antwortete Itachi knapp.

„In Ordnung“, meinte Tsunade. „Dann müssen wir nur noch einige Formalitäten klären. Danach kannst du heute noch die erste Dosis bekommen. Yumi ist gerade unterwegs ins Forschungslabor und müsste bald zurück sein. Wir haben hier bereits mehrere Patienten an diesem Krankenhaus, und sie fährt für mich gerade Persönlich die Medikamente holen. Ansonsten wäre es erst morgen da, aber ich dachte mir, je früher wir anfangen, desto besser.“

Das erklärte Yuna nun auch, warum ihre Mutter immer noch nicht zu Hause war. Sie hatte sich bereits gewundert.

„Danke“, sagte Itachi leise. Und auch wenn er seine Gesichtszüge bestens im Griff hatte, merkte Yuna ihm an, dass er sehr aufgeregt war. Sie betete innerlich, dass das Medikament bei ihm anschlägt, und dass das alles hier nicht umsonst war.

„Bedanke dich bei Yumi, sie hat dich vorgeschlagen, und ebenfalls war es sie, die beim Ethikkomitee darauf gedrängt hat, eine weitere Personengruppe in die Studie aufzunehmen. Sie war sehr überzeugend. Und wenn zwei der bekanntesten Ärzte da stehen und ihre Argumente vortragen, nun, da konnten die vom Komitee wohl einfach nicht ablehnen“, erklärte Tsunade leicht lächelnd.

Das hatte sie also getan? Itachi war sehr beeindruckt. Yumi wäre sicherlich eine gute Schwiegermutter. Moment, was hatte er gerade gedacht? Der Gedanke war ihm etwas peinlich, so, dass sich spontan eine leichte röte auf seine Wangen legte und er den Blick senkte.

„Ist alles okay?“, fragte Yuna, die das natürlich bemerkt hatte.

„Ehm, ja, natürlich. Jetzt muss ich mich wohl gleich doppelt Bedanken“, antwortete er.

Yuna lächelte ihn warm an. „Sie hat es sicherlich gerne und kaum ausschließlich nur für dich gemacht. Jedoch ist der Zeitpunkt tatsächlich sehr passend“, meinte sie.

„Richtig, für dich könnte der Zeitpunkt kaum passender sein“, meinte Tsunade, während sie schon mal die Formulare ausfüllte.

Nachdem sie fertig war legte sie ihm das alles nochmal vor. Es war ein ganzer Stapel Papier der Itachi nochmal schriftlich über das ganze vorgehen aufklären sollte, und an dessen Ende er sein Einverständnis geben sollte, dass er sich der Risiken bewusst ist und vollkommen Freiwillig an der Studie teilnehmen möchte.

Er fing erst an zu lesen, doch nach der Hälfte gab er auf. „Kann ich das nicht einfach unterschreiben?“, wollte er das ganze abkürzen und massierte sich mit einer Hand die Schläfe, während er mit der anderen das Papier in der Hand hielt.

„Na ja, im Prinzip habe ich dich eben mündlich über alles aufgeklärt, aber ich hätte dennoch gerne, dass du dir das alles nochmal durchließt“, antwortete Tsunade. „Kopfschmerzen?“, fragte sie dann.

Itachi zögerte erst ein wenig mit der Antwort. „Die Schrift ist so klein…“, antwortete er dann.

„Oh.“, meinte Tsunade. Er hatte also Kopfschmerzen bekommen, weil er so lange die kleine Schrift lesen musste? Tsunade wusste ja, dass er schlecht sah, aber leider nicht genau wie schlecht. Auch Yuna war ein wenig überrascht. Immerhin hatte sich Itachi noch nie zuvor darüber beschwert. Hatte er diese Probleme schon die ganze Zeit, oder hatte er es einfach nur satt, sie zu verbergen?

Kurzerhand ratterte der Drucker und Tsunade drückte Itachi einen neuen Stapel Papier in die Hand. Es war der gleiche Informations- und Einverständnisbogen wie zuvor, dieses Mal jedoch in Schriftgröße 24 statt in 12. Was natürlich auch die Anzahl der Blätter mehr als verdoppelte.

„Ist es so besser?“, fragte Tsunade.

Itachi lächelte leicht und nickte dann. „Ja, viel besser“, antwortete er. Jetzt viel es ihm gleich viel leichter und bald hatte er den Text durch und schaute Tsunade etwas abwartend an.

„So, wenn du das alles also immer noch willst, musst du da unten unterschreiben. Dann können wir eigentlich, wenn du das so willst, auch sofort anfangen“, sagte sie.

Itachi nickte leicht und setzte dann schließlich seine Unterschrift auf den dafür vorgesehenen Strich.

„Bekomme ich jetzt also das Medikament?“, fragte er dann, für seine Verhältnisse sehr ungeduldig.

„Nicht so eilig. Erst die Blutabnahme, dann wanderst du noch ins CT, um den Status zu Beginn der Studie festzustellen. Sobald beides getan ist, werde ich dir die erste Dosis geben. Die bekommst du intravenös. Der Rest erfolgt entweder subkutan* oder oral**, je nachdem ob du dann Probleme mit Übelkeit hast.“

Itachi nickte. „Okay.“

Zumal sie ohnehin erst auf Yumi warten mussten, konnte er das Mittel auch gar nicht sofort bekommen.

Während dessen wurden alle nötigen Voruntersuchungen erledigt, als Yumi schließlich mit der Lieferung ankam.

„Itachi, ich habe dir ein Zimmer organisiert, geh schon mal bitte in die 208, ich bereite eben die Infusion vor“, meinte Tsunade dann.

„208, okay“, wiederholte Itachi und ging los, Yuna kam natürlich mit. Nachdem Itachi und Yuna einige Worte mit Yumi wechseln konnten war diese auch gleich wieder verschwunden. Sie meinte sie müsste noch etwas Dringendes erledigen, jedoch würde sie später auf jeden Fall wiederkommen.
 

Itachi ging zusammen mit Yuna durch die Flure des Krankenhauses. Stillschweigend. Es drehten sich noch viele Fragen in seinem Kopf, aber irgendwie fühlte er sich nicht danach, diese auszusprechen. Er wollte erst einfach abwarten was passiert.

Als die beiden an der Station ankamen, in der sich das genannte Zimmer befand, stockte Itachi doch leicht der Atem, und er bekam ein recht unangenehmes Gefühl in der Magengegend.

„Onkologische Station?“, las er vor. Mehr oder weniger mit einem Fragezeichen in der Stimme.

„Ja. Du hast halt Krebs. Was hast du denn erwartet? Den Kreißsaal?“, fragte Yuna und hoffte, dass er den Scherz verstand.

Tatsächlich brachte es ihn leicht zum schmunzeln. „Nein, soweit ich weiß, bin ich ein Mann“, antwortete der.

Was Yuna ihm verschwieg war, dass man ihn erst in die Palliativstation schicken wollte, als Tsunade einen Raum anforderte, doch das wollte sie ihm ersparen. Die innere war so schon überfüllt, also kam nur noch die Onkologie in Frage.

„Komm schon, schlag keine Wurzeln“, riss Yuna den immer noch da wie angewurzelt stehenden Itachi ermunternd, endlich das ihm zugewiesene Zimmer aufzusuchen, aus seinen Gedanken. Sie hielt ihm die Tür zur Station auf.

„Na was Solls. Ich darf ja nachher wieder gehen“, murmelte er und folgte.

Nicht lange, dann hatten sie das Zimmer gefunden. Es war ein Einzelzimmer mit Blick auf den Park.

Na immerhin etwas beruhigendes hier.

Bis Tsunade kam saß Itachi auf der Fensterbank.

„So nervös?“, fragte Yuna.

„Es geht. Ich hoffe nur, dass es mir irgendwie hilft. Wenigstens etwas…“, murmelte Itachi.

Yuna setzte sich neben ihn, legte ihre Arme um ihn und zog ihn an sich ran. „Wenn du daran glaubst, dann bestimmt. Ich denke Tsunade weiß was sie tut. Sie würde sicherlich nichts tun, was dir schaden könnte. Ich denke also, dass du keine Angst haben musst.“

Itachi schmiegte sich an sie an. Ihre Wärme und ihre Ausstrahlung waren so beruhigend. Am liebsten hätte er die nächsten 12 Stunden, die sein Aufenthalt hier dauern sollte, so verbracht. Doch leider wurde er von der blonden Ärztin, die einige Minuten später nachkam, aufs Bett zitiert.

Bei dem niedrigen Blutdruck den Itachi hatte, und den recht dünnen Armen, war es nicht ganz einfach eine vernünftige Vene zu finden, doch Tsunade war lange genug Ärztin und hatte keine Probleme zu treffen.

Nachdem der Zugang gelegt war und Itachi zur Überwachung mit allem möglichen verkabelt war, konnte es losgehen.

„So, es läuft jetzt langsam. Die Infusion wird etwa 2 Stunden brauchen. Ich werde von Zeit zu Zeit vorbeischauen. Wenn etwas ist, was auch immer, ruft mich sofort, klar?“, sagte Tsunade. Itachi und Yuna nickten.

Itachi schaute hoffnungsvoll auf den Beutel, der da über ihm hing. Er wäre für jede Woche mehr dankbar. Er wusste nicht auf was er nun genau hoffen durfte, schließlich war er nun der erste, bei dem das Mittel in einem solch späten Stadium der Erkrankung erprobt wurde. Aber wenn nicht ihm, würde dieses Experiment vielleicht ja irgendwann irgendjemand anderem helfen. Aber wie war das? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Tatsächlich geschah, während die Infusion lief nichts Erwähnenswertes. Itachis Blutdruck war lediglich ein wenig abgefallen, weshalb im leicht schwindelig wurde. Entsprechend war er nun doch froh zu liegen und nicht auf der Fensterbank zu sitzen. Jedoch war der Abfall nicht sonderlich gravierend und konnte die erste Dosis vollständig ohne nennenswerte Zwischenfälle oder Unterbrechungen verabreicht bekommen.
 

Inzwischen war es jedoch Abend, und es geschah genau das, womit Yuna gerechnet hatte. Itachi schlief ein. „Gut“, dachte sich Yuna. Dann würde er die Zeit, die er noch überwacht wurde, nicht so abwartend da rumhocken, sondern könnte sie einfach verschlafen. Das war für ihn die beste Variante. Ihm selbst war es erst spät aufgefallen, um welche Uhrzeit die 12 Stunden angefangen hatten zu laufen und dass dies unweigerlich bedeutete, er würde die Nacht hier im Krankenhaus verbringen. Erst war er absolut gar nicht begeistert und Yuna hatte alle Mühe ihn soweit zu beruhigen und ihm zu vermitteln, dass da nichts schlimmes bei sei, und sie ihm keinen Meter von der Seite weichen würde.

Doch als dann gegen 20 Uhr am Abend Yumi wiederkam, mit einer ganzen Ladung Dangos, alles nur für Itachi, hatte er das ganze einfach akzeptiert. So hatte er hier wenigstens ein leckeres Abendessen. Einige Zeit unterhielten sich die drei noch, wobei Itachi mit der Zeit immer stiller wurde und schließlich einschlief. Mit einem Dangospieß in der Hand.
 

So ernst der Tag auch war, dieser Anblick bescherte sowohl Yuna, als auch ihrer Mutter einen Lachkrampf. Yuna zückte ihr Handy, um es ihm später unter die Nase reiben zu können, in der Hoffnung, er würde es auch irgendwie lustig finden.

Nachdem Itachi ganz sicher fest schlief, ging sie mit Yumi auf den Flur um sich dort noch etwas mit ihr zu unterhalten. Die vorerst letzten gemeinsamen Stunden zu verbringen. Ihr Flugzeug ging schon um 8 Uhr morgens, so würde Yuna sie nicht zum Flughafen begleiten können. Klar, sie könnte, aber sie wollte Itachi auch nicht alleine hier lassen, wofür sie vollstes Verständnis bekam. Er würde vermutlich nicht vor 7 Uhr entlassen werden, und da hatte Yumi schon möglichst eingecheckt zu haben. Nur hier zu sitzen und etwas die Zweisamkeit zu genießen reichte den beiden Frauen für den Moment.

Und nur wenige Meter entfernt schlief Itachi tief und fest, davon träumend endlich seinen kleinen Bruder wieder in die Arme schließen zu können.
 

Kleine Erläuterung von Fachbegriffen, falls die wer nicht kennt:

*Unter die Haut gespritzt, i.d.r am Bauch

**über den Mund, also als Tablette


Nachwort zu diesem Kapitel:
So. nächstes Kapitel fertig. Das nächste ist auch schon in arbeit :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Berrii
2019-07-14T11:57:31+00:00 14.07.2019 13:57
Mal ein Kommi von einem Falter:
Danke, das du so gut korrigiert hast! <3
Das muss mal gelobt werden!
Von:  sama-chan
2019-07-10T05:15:16+00:00 10.07.2019 07:15
Juchu! Endlich wieder ein Hoffnungsschimmer!!!
Vielleicht wirkt das Medikament bei Itachi ja sogar noch viel besser als gedacht (Sorry - an und an lasse ich eben den Vollblutoptimisten raushängen 😂)
Aber dennoch tut es einem in der Seele weh, wie geschwächt und dennoch optimistisch Itachi ist. Er hat sich so viel vorgenommen, aber die Chancen auf Verwirklichung sind so gering.... Und das alles nur wegen einem Mann... Grauenvoll...
Deswegen hoffe ich immer noch auf ein Wunder. 😁


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