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Zwei Seiten einer Medaille

von

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Die Nacht war der Horror gewesen. Egal, wie ich mich hingelegt hatte. Alles tat mir weh und wenn ich es nicht besser wissen würde oder weil ich es gerne ignorieren würde, hatte ich sogar das Gefühl, dass ich zeitweise geblutet hatte.
 

Nach den Schlägen hatte mir mein Vater noch einen Monat Hausarrest aufgebrummt und wollte mir den Laptop wegnehmen, doch zu meiner Überraschung schritt meine Mutter ein und meinte, dass ich ja freiwillig, wie von mir im Zettel versprochen, zurück gekommen war und somit eine leichte Milderung verdient hatte.
 

Es hatte mich verwundert, dass er wirklich auf sie hörte. Normalerweise war es ihm egal, was sie wollte, oder? Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann sich meine Mutter mal gegen meinen Vater gestellt hatte. Vielleicht hatte sie doch mehr Macht, als ich glauben wollte. Aber dieser Fakt schürte den Zorn in mir, wodurch ich nicht länger darüber nachdenken wollte.
 

Nicht darüber, ob es ihr möglich wäre, diesen Alptraum zu beenden oder nicht. Ich wollte nicht noch schlechter von meiner Familie denken. Sie... sie war doch das, was mir auf jeden Fall bis zum bitteren Ende blieb.
 

Mein Wecker riss mich aus einem viel zu kurzen Schlaf und so fühlte ich mich erschöpfter als vor dem zu Bett gehen. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass ich noch eine Nachricht von Luzifer hatte. Er wollte wissen, ob ich gut angekommen war und wie das Gespräch verlaufen war. Was sollte ich sagen? Die Wahrheit? Ich wusste es nicht und so verschob ich dies auf später.
 

Müde trottete ich ins Badezimmer und versuchte mich einigermaßen frisch zu machen. Die Ohrfeigen meines Vaters hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Mein Gesicht wirkte geschwollen und ein Auge war blau angelaufen. Wie sollte ich das denn wieder erklären? Schlägerei? Ja, das werden sie mir glauben. So schön wäre es. Ich musste kurz bei dem Gedanken auflachen, bevor ich mich duschte und dann anzog. Es sollte ein normaler Tag werden.
 

Frühstück ohne Worte, Schulweg mit Sticheleien. Ich hörte nicht zu. Es war mir egal. So unsagbar egal. In meinen Gedanken existierten nur die Schmerzen, die mit jeder Bewegung neu entfacht wurden und somit gar nichts anderes zuließen. Doch... es war es wert. Dieses Wochenende hatte meiner Seele etwas gegeben, dass sie gebraucht hatte, um nicht gänzlich zu versinken oder gar jede Hoffnung zu verlieren.
 

Mit einem schweren Seufzer ließ ich mich auf meinen Sitzplatz fallen und plötzlich waren dort besorgte blaue Augen umrahmt von langen braunen Haar. „Du siehst nicht gut aus, Nath.“ Ich konnte ein gequältes Lächeln nicht unterdrücken. Nicht gut war ja mal untertrieben. Ich sah richtig scheiße aus. Zumindest fühlte ich mich so und der all morgendliche Blick in den Spiegel hatte mir das auch bestätigt.
 

„Was ist am Wochenende passiert?“ Ihre Stimme war sanft und diese sanft geschwungenen Lippen waren vor Sorge leicht gekräuselt. „Nichts Besonderes. Nur eine kleine Schlägerei. Es wird schon wieder.“ Ich zuckte mit den Schultern und hoffte, dass sie es so hinnahm.
 

„Warum tust du das immer wieder, Nath?“ Ihr Blick wurde traurig und ich konnte sie nur besänftigend anlächeln. „Ich weiß es nicht. Es passiert einfach. Dafür kann ich nichts. Es ist ja nicht so, dass ich danach suchen würde, Melody. Am Liebsten würde ich es ja auch verhindern. Aber es geht nicht.“
 

„Wirst du sie dieses Mal anzeigen?“ Ihre sanfte Berührung meiner Hand war mir unangenehm und so zog ich sie langsam weg, um sie nicht zu stark zu verletzten. Melody war schon seit dem Kindergarten an meiner Seite. Ich würde sie nur bedingt als Freundin bezeichnen, weil wir an sich nur in der Schule und bei Arbeiten zusammen hingen. Noch nie hatten wir uns rein privat getroffen. Irgendetwas verhinderte es immer wieder. Mittlerweile war es das Gefühl, dass ich diese Nähe zu ihr nicht mochte.
 

„Ich weiß ja nicht, wer sie sind.“ Ich schnaubte und hoffte, dass sie es endlich ließ. Es machte die Sache nicht besser und ich fühlte mich einfach nur schuldig. Warum musste sie mich immer wieder zu diesen Lügen zwingen? Konnte sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?
 

Erneut war dort ihre Hand. Sanft legte sie sich auf meinen Unterarm. Versuchte mir Halt und Trost zu spenden, doch ich wollte diese Intimität von ihr nicht. Dennoch unterdrückte ich den Impuls sie von mir zu stoßen. Das hatte sie nicht verdient.

„Nath, ich will, dass du weißt, dass ich immer für dich da sein werde. Du kannst mit all deinen Problemen zu mir kommen. Wir kennen uns jetzt schon so lange. Bitte vergiss das nicht.“ Sie lächelte leicht und sah dabei wirklich süß aus, doch es erreichte mein Herz nicht. Dennoch zwang ich mich es zu erwidern. Sie konnte nichts für mein kompliziertes Leben und ihr Hilfeangebot war wirklich ernst gemeint, doch ich wollte nicht, dass sich dort jemand einmischte. Es brachte ja eh nichts.
 

„Danke, das weiß ich zu schätzen. Sollte es soweit sein, dann melde ich mich natürlich bei dir.“ Den Schein wahren konnte ich wirklich gut. Mein falsches Lächeln schien perfekt zu sein. Sie kaufte es mir ab und schien beruhigter zusein, wodurch sie sich schon abwandte und wieder nach vorne sah, da der Lehrer das Klassenzimmer betrat.
 

Der Unterricht begann und ich versuchte so unauffällig wie möglich zu sein. Meldete mich ab und an damit meine Eltern keinen Grund zur Aufregung beim nächsten Elterngespräch hatten und wünschte mir nur, dass der Tag vorbeiging. Dies dauerte viel zu lange und bei dem erlösenden Schulgong flüchtete ich schon fast aus dem Zimmer, doch Melody stoppte mich augenblicklich: „Nath! Du musst noch etwas als Schülersprecher tun! Hast du das etwa vergessen?!“
 

Ach, verdammt! Warum musste ich die Aushänge ausgerechnet heute vorbereiten und die Anmeldebögen erstellen und vervielfältigen? Scheiß anstehende Schnitzeljagd! Ich wollte doch gerade nur nach Hause und mich in mein Zimmer sperren damit mich mein Vater nicht in die Finger bekam.
 

„Kannst du das nicht alleine?“ Ich sah sie ein wenig zerknirscht an, doch ihr trauriger Blick verriet schon ihre Antwort. „Es tut mir Leid. Ich... ich habe heute einen Termin. Du hast doch gemeint, dass du es alleine schaffst. Kannst du jetzt doch nicht? Vielleicht kann ich den Termin ja verschieben.“
 

„Nein, nein. Es geht dann schon. Mach dir keine Umstände. Du hast Recht. Ich hab das gesagt. Danke für die Erinnerung, Melody.“ Erneut ein falsches Lächeln und dann war sie beruhigt. Sie verließ mit meinen Mitschülern die Schule während ich zurückblieb und meine Aufgabe erledigte. In diesem Moment verfluchte ich mein Amt so sehr. Ich hatte es doch nur angenommen um meine Eltern stolz zu machen und jetzt... saß ich hier fest.
 

Ich seufzte, als ich weiter am Computer bastelte und dann die Plakate ausdruckte, bevor ich mich an die Anmeldebögen machte. Mit möglichen Ortsvorschlägen konnte man sich in Teams anmelden, um dann daran teilzunehmen. Es sollte um die Osterzeit herum passieren, doch wir wollten jetzt schon Werbung dafür machen, dass sich die Schüler beraten konnten und genügend Zeit hatten um ihre Anmeldung auszufüllen.
 

Den einen Tag hoch oder runter hätte den Braten bestimmt nicht fett gemacht, aber wenn es erledigt war, dann war es das wenigstens auch. Es war schon spät, als ich die Schule endlich verlassen konnte und mich auf den Heimweg machte. Kurz hatte ich die Plakate noch aufgehängt und schloss dann auch die Tür ab. Es war niemand mehr da. Etwas, was ich schon öfters hatte und mir durchaus bekannt war.
 

Auf dem Heimweg wagte ich einen Blick auf mein Handy und erkannte, dass ich zwei Nachrichten hatte. Eine von Amber und die andere war von Luzifer. An sich fragten sie beide das Gleiche. Sie wollten wissen, wo ich steckte. Kurz antwortete ich beiden und steckte es dann wieder ein, um mich auf meinen Weg zu konzentrieren.
 

Ich wusste, dass mein Vater jetzt schon Zuhause sein würde und alleine bei dem Gedanken, dass er dort sein könnte, spannten sich die Verletzungen auf meinen Körper schmerzhaft an. Vielleicht würde er aber heute ein wenig gnädiger sein, wenn er hörte, dass ich meinen Nachmittag mit Schularbeiten verbracht hatte. Das war meine einzige Hoffnung auf ein friedliches Ankommen. Auch wenn ich mich an diesen Gedanken klammerte, so zitterten meine Hände als ich den Schlüssel ins Schloss steckte und aufsperrte.
 

Noch einmal tief einatmen und dann waren dort wieder all die Schuhe, die so viel Unheil bedeuteten. Doch ich versuchte sie zu ignorieren. Schlüpfte aus meinen und ging dann weiter in das Haus. Ich hörte die Vorbereitungen für das Abendessen und gesellte mich nach einem kurzen Gruß an meine Schwester, die wieder auf der Couch saß und in ihr Handy starrte zu meiner Mutter in die Küche. Wir nickten uns nur zur Begrüßung zu und ich half ihr dann schweigend mit den Vorbereitungen.
 

„Wo warst du?“ Die Stimme meines Vaters war kalt und hart. Sie ließ mich zusammen zucken und beinahe hätte ich das Messer in meiner Hand fallen lassen, doch ich drehte mich dann kurz zu ihm um. „Es tut... mir Leid. Ich habe vergessen, dass ich noch... ein paar Aufgaben als Schülersprecher hatte. Melody konnte mir leider nicht... helfen und so hatte das Ganze ein wenig länger gedauert als gedacht.“
 

Immer wieder brach ich ab, doch auch wenn ich gestern die schlimmste Strafe meines bisherigen Lebens bekam. So spürte ich, dass ich dennoch mehr Selbstvertrauen ihm gegenüber hatte. Ich machte mich nicht mehr so klein wie sonst, sondern blieb fast aufrecht stehen und auch die Angst verwandelte sich nicht sofort in Panik, sondern unterdrückte die Wut in meinem Inneren. Das Hochgefühl von diesem einen Schlag schlummerte tief in mir und sorgte für ein anderes Machtverhältnis meiner Gefühle.
 

„Okay. Dann ist es gut. Ich dachte schon, dass du wieder abgehauen bist.“ Er wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern verließ auch schon wieder das Zimmer und ich war mit meiner Mutter alleine. Nur kurz trafen sich unsere Blicke bevor wir dann ruhig weiter arbeiteten. Vielleicht würde es jetzt doch langsam mal bergauf gehen...



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