Zum Inhalt der Seite

Zwei Seiten einer Medaille

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wir saßen schweigend beim Essen. Luzifer hatte nur ein paar Nudeln mit Tomatensauce gekocht. Nichts Aufregendes, aber es war doch gut genug, um den Hunger zu stillen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und auch er schwieg. Immer noch fühlte ich mich dämlich, weil ich den Sex abbrechen musste und ich konnte die Frustration von Luzifer fast im Raum greifen.
 

„Ich sollte vielleicht gehen. Nach dem Essen mache ich mich auf den Heimweg. Dann ist mein Vater vielleicht nicht ganz so böse, wenn ich freiwillig zurückkomme.“ Es war ein idiotisches Thema, doch ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte, wodurch Luzifer dunkel knurrte.
 

„Idiot. Du bleibst hier. Es ist mittlerweile viel zu spät um nach Hause zu fahren. Für den letzten Zug müsstest du dich jetzt schon am Bahnhof befinden. Und glaub mir, Bus willst du nicht fahren. Morgen ist auch noch ein Tag und keine Angst. Ich fress dich schon nicht. Für Demon lege ich meine Hand aber nicht ins Feuer.“ Er grinste breit und aß dann ruhig weiter, während ich mich gefangen fühlte.
 

Der große Hund lag aktuell im Flur und schien auf etwas zu warten, während wir ruhig aßen. Es war ein seltsames Gefühl und ich wollte mich weiter entspannen, doch irgendwie ging es nicht. Mein Rückzieher hing schwer im Raum und ich konnte spüren, dass ich damit etwas kaputt gemacht hatte. Eine Chance ruiniert hatte, doch ich sprach es nicht aus.
 

„Aber ich schlaf auf der Couch.“ Ich wollte diese Peinlichkeit endlich hinter mir lassen. Ihr irgendwie entkommen, doch auch jetzt ließ mich Luzifer nicht frei. „Quatsch. Mein Bett ist groß genug. Und erneut: Keine Angst, ich werde dich nicht fressen. Ich hab es verstanden. Bin ja nicht auf den Kopf gefallen.“
 

Warum ließ er mich nicht gehen? Wieso konnte er mir diesen Rückzug nicht erlauben? Ich wollte doch nur diesem beklemmenden Gefühl entkommen. Nicht mehr bei ihm sein und daran denken, was ich mit meinem Handeln in ihm angerichtet habe. Es... es war doch keine Absicht gewesen. Ach, ich wollte doch.
 

Ein Seufzer glitt über meine Lippen und ich schob den Teller von mir. Der Hunger war nun endgültig verschwunden und ich fühlte mich nur noch schlecht. Ich versuchte es doch allen recht zu machen, aber irgendwie lief alles schief. Jeden musste ich enttäuschen. Keine Erwartung konnte ich erfüllen. Ich... ich hielt das nicht mehr aus.
 

Ohne es zu bemerken hatte ich meine Finger fest in meine Haare gekrallt und plötzlich war dort wieder eine sanfte Berührung. Luzifer löste sie mit solch einer Zärtlichkeit, dass ich ihn verdutzt ansah. Er wirkte verletzt und im nächsten Moment legte er meine Hände auf den Tisch ab.
 

„Lass es gut sein, okay? Niemand hat schuld. Es ist halt scheiße gelaufen. Passiert.“ Er seufzte und aß ruhig weiter als wäre gerade nichts gewesen, während ich ihn entgeistert ansah. Was sollten diese Worte? War es wirklich so unbedeutend für ihn? Ich konnte doch sehen, dass es nicht stimmte, dennoch brachte ich kein Wort des Protestes heraus, sondern sah ihm nur beim Essen zu.
 

„Ja, es wäre wohl besser, wenn wir so tun, als wäre es nie passiert.“ Ich lächelte kurz schmerzhaft und sah den entsetzten Blick von Luzifer im Augenwinkel, weil ich auf meinen Teller starrte. Doch er lenkte fast sofort ein: „Ja, ist vielleicht besser so.“
 

„Genau. Du hast Xenia und schließlich liebst du sie. Es ist gut, dass nichts passiert ist. Dann brauchst du ihr gegenüber auch keine Schuldgefühle haben. Genauso wie ich meinem Vater gegenüber. Schließlich ist doch nichts passiert. Niemand muss böse auf uns sein.“ Ich wollte meine Worte so sehr glauben, doch irgendwie wusste ich, dass es eine reine Verzweiflungstat war. Ein Versuch das Geschehene herunter zu spielen und so den Schmerzen zu entkommen, die es zur Folge hätte.
 

„Hm.“ Mehr kam von Luzifer nicht und auch er begann jetzt in seinem Essen herum zu stochern, bevor er es von sich schob. Er verschränkte die Arme vor der Brust und starrte auf den Teller. Ich hoffte auf mehr, doch desto länger ich ihn ansah umso bewusster wurde es mir, dass da nichts mehr kommen würde. Er schwieg und seine Gedanken verbargen sich in einem unüberwindbaren Tresor. Egal, wie lange ich ihn ansah, ich kam nicht darauf, was gerade in seinem Kopf vorging und erschrak schon fast, als er dann doch seine Stimme erhob: „Ist es das, was du willst? So tun als wäre nichts gewesen?“
 

„Ja, es... es würde die Sache einfacher machen. Du hast doch vorhin schon gesagt, dass niemand davon erfahren muss. Also, lass uns einfach so tun, als wäre niemals etwas passiert, okay?“ Ich fühlte mich leicht gereizt, weil ich das Gefühl hatte, dass mir Luzifer nicht zuhörte oder absichtlich so tat, als wäre die Sache so kompliziert.
 

Erneut trafen sich unsere Blicke und dort war wieder das Gefühl, dass er bis tief in meine Seele sah, was mich trocken schlucken ließ. Meine Hände fingen an zu zittern und ich versuchte mich zur Ruhe zu ermahnen. Er durfte diese Macht nicht haben. Nicht über mich. Niemand sollte das und dennoch wirkte es so, als hätten sie alle. Als wäre ich nur eine kleine Spielfigur mit der jeder machte, was er gerade wollte. Jeder außer Alexy und Tayaka.
 

In diesem Moment wünschte ich mich zu ihnen. Dort war alles so unkompliziert. So wunderschön frei. Warum war ich gleich nochmal weggelaufen? Ach ja, wegen der Polizei. Aber vielleicht wäre es wirklich besser gewesen, ich wäre mit ihnen zurück nach Hause gefahren. Ja, vielleicht.
 

Meine Finger krallten sich in mein Hemd. Ich wusste, wie ich darunter aussah und ich konnte mir vorstellen, was noch dazu kam, doch ich... Oh Gott, warum konnte ich nicht fliehen!? Wieso konnte ich diese Spirale nicht durchbrechen?! Warum konnte ich ihm nichts mehr recht machen?! Ich... ich tat doch alles.
 

Mein Körper begann zu beben und plötzlich war dort wieder diese sanfte Berührung. Die Finger von Luzifer strichen über meine Wange und unter mein Kinn. Er hob meinen Kopf an. Wann war er hinter mich getreten? Erneut trafen sich unsere Blicke und seine grauen Augen waren plötzlich so sanft und warm. Ich fühlte mich dort geborgen und geliebt.
 

Er kam langsam näher. Unsere Lippen legten sich aufeinander und ich konnte ihn erneut leicht schmecken. Unter der Tomatensauce und den Nudeln war dort immer noch er. Wieder ließ ich es geschehen und genoss diese Sicherheit, die er in mein Herz streute.
 

Der Kuss war sanft, unschuldig und dennoch so lang, dass er definitiv kein Traum war. Seine Hände lagen schützend auf meinen Wangen und blieben auch dort als er sich schließlich von mir trennte. Wir sahen uns nur an. Es fühlte sich richtig und doch irgendwie falsch an.
 

„Warum?“ Dieses eine Wort verließ meine Lippen ohne dass ich darüber nachdachte. Ich wusste nicht einmal was ich damit hinterfragte. Es war unwichtig und musste dennoch raus. Auf eine seltsame Art und Weise zauberte es ein Lächeln auf Luzifers Lippen, bevor er sanft meine Nase küsste und mich dann weiter ansah.
 

„Weil ich Lust darauf hatte.“ Er zuckte mit den Schultern und ließ seinen Daumen über meine Lippen fahren. Dann kam noch einmal ein Kuss. Kurz, wohl eher ein Nippen an meinen Lippen und ich schloss dabei die Augen. Wollte nur ihn wahrnehmen. Alles andere wirkte aktuell falsch.
 

Plötzlich strich er über meine Wangen und erst da fiel mir auf, dass ich weinte. Sofort trennte ich mich von ihm und versuchte diese salzigen Verräter selbst zu vernichten. Das durfte nicht wahr sein! Ich konnte doch nicht vor Luzifer weinen! Was dachte er dann von mir? Verdammt!
 

Ich verfluchte mich weiter innerlich und hatte mich dadurch wieder beruhigt, während Luzifer schon den Raum verlassen hatte. Irritiert sah ich in den Flur, doch auch Demon war verschwunden und dann wurde die Stille schon von dem Öffnen einer Schiebetür zerstört. Was tat Luzifer?
 

Verwirrt und neugierig stand ich auf und folgte dem Geräusch, als ich Luzifer in seinem Zimmer fand. Demon rannte gerade durch die geöffnete Tür nach draußen und schien diese Freiheit zu genießen. Es wirkte sehr amüsant, wie dieser große Hund freudig über die Wiese sprang und das wohl größte Glück in seinem Leben genoss. Wie einfach Freude sein konnte, wenn man aufhörte allzu viel vom Leben zu erwarten.
 

„Ich muss noch mit ihm Gassi gehen. Willst du mitkommen?“ Luzifer sah mich bei dieser Frage nicht wirklich an, sondern trat schließlich ebenfalls nach draußen und zündete sich eine Zigarette an, während ich zurückblieb und nicht wusste, was ich antworten sollte.
 

Einerseits hatte ich Angst, dass man mich dann doch fand. Andererseits wollte ich ohne Luzifer nicht in dieser Wohnung bleiben, wodurch ich mir einen Ruck gab und dann nickte. Kurz darauf wurde mir schmerzlich bewusst, dass er dies ja nicht sehen konnte, weil er mit dem Rücken zu mir stand und so räusperte ich mich, um ihm auch verbal zu antworten: „Ja, ich würde mitkommen.“
 

Ich konnte mich ja immer noch unter meiner Kapuze verstecken und vielleicht würde ich dann noch etwas interessantes über Luzifers Leben erfahren. Oder über diese Stadt. Wenn ich schon hier festsaß, dann könnte ich auch die Zeit mit dem Menschen verbringen, der mich hierher gelockt hatte, oder etwa nicht? Da war ja nichts falsche dran, oder? Nur zwei Freunde, die zusammen durch die Stadt gingen. Nur zwei Freunde...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück