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Die Leute von Millers Landing

von

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Offene Worte

Margarete schlief noch fest, als Alice sehr früh am folgenden Morgen erwachte. Das Mädchen betrachtete sie zärtlich. Ihre Decke war ein wenig heruntergerutscht und entblößte einen Arm. Die dunkle Haut wirkte so vollkommen und ebenmäßig, dass Alice nicht widerstehen konnte. Sie küsste sanft die Schulter der Frau neben sich. Dann deckte sie sie wieder vollständig zu, stand auf und flüsterte der Schlafenden ein: „Leb wohl!“ zu, ehe sie das Zimmer verließ, ganz so, als würde sie wirklich fortgehen.
 

Sie verschwand im Badezimmer, um sich frisch zu machen. Was ihr als nächstes bevor stand machte sie wahnsinnig nervös und sie wollte dafür so gut wie möglich aussehen. Als sie mit ihrem Spiegelbild endlich zufrieden war, schritt sie mit wackligen Beinen hinüber ins andere Haus.
 

Sie klopfte vorsichtig an Helenas Tür und rechnete eigentlich nicht wirklich damit, dass diese bereits wach sein würde, doch die Bewohnerin des Zimmers rief ihr durch die geschlossene Tür zu, dass sie hereinkommen solle. Zu Alices Überraschung saß die junge Frau bereits vollständig angezogen auf einem Stuhl am Fenster.

Hatte sie sie bereits kommen sehen?
 

Alice blieb zunächst unschlüssig im Türrahmen stehen:

„Willst du irgendwo hin?“ erkundigte sie sich schüchtern, da sie Helena seit Tagen nicht mehr in ihrer Straßenkleidung gesehen hatte.
 

Die Angesprochene schüttelte den Kopf:

„Nein, ich komme gerade wieder. Ich konnte nicht schlafen und bin darum spazieren gewesen. Ich habe einen wundervollen Sonnenaufgang gesehen. Und warum bist du schon so früh wach?“

„Ich konnte auch nicht mehr schlafen. Mir ist einiges durch den Kopf gegangen.“ entgegnete Alice „Darf ich dich etwas fragen? Es ist aber ein bisschen peinlich“
 

„Sicher!“ antwortete Helena.
 

„Ich muss es einfach wissen! Noah hatte nämlich eine Vermutung.“ Alices Gesicht lief hochrot an: „Er denkt…nein warte! Das ist vollkommen absurd! Ich werde einfach wieder gehen.“
 

„Warte! Lauf nicht weg“ rief Helena „Was denkt Noah?“
 

„Ich kann´s dir nicht sagen. Es ist zu peinlich.“ murmelte Alice.
 

„Du kannst mir alles sagen!“ versicherte Helena darauf.
 

Alice schloss die Tür hinter sich und nahm Helena gegenüber auf der Fensterbank Platz:

„Bist du verliebt in mich Helena?“

Sie fragte es so leise, dass ihr Gegenüber die Worte eigentlich mehr ahnen als hören konnte.
 

Helena blickte das Mädchen geradewegs an und antwortete:

„Ja, Alice!“
 

Die Jüngere zog überrascht die Augenbrauen hoch und hatte im ersten Moment keine Ahnung wie sie darauf reagieren sollte.

Verdammt! Sie überlegte vielmehr, ob sie sich irgendwie missverstanden haben konnten:

„Bist du dir wirklich ganz sicher?“ Alices Stimme überschlug sich bei der Frage ein wenig.
 

Helenas zuckte ein klein wenig mit den Schultern und nickte dann:
 

„Aber wieso denn ich, Helena? Ich habe dir doch gar nichts zu bieten!“ stotterte Alice: „Ich besitze nichts, bin nicht in der Lage dich zu heiraten, dir Sicherheit oder eine Familie zu geben. Ich bin bloß irgendein Mädchen! Hast du das etwa vergessen?“
 

Helenas Lächeln wirkte müde und traurig:

„Ich weiß, was du bist! Ich weiß, was dieses Leben bedeuten würde!“ erwiderte sie matt.
 

Alice zitterte leicht, schlang die Arme um den eigenen Körper, wie um sich selbst ein wenig Halt zu geben und musterte Helena. Schließlich sagte sie erbost:

„Ich verstehe nicht, wie du einfach so deine Verlobung auflösen konntest, bevor du überhaupt mit mir über deine Gefühle gesprochen hast, noch ehe du mich gefragt hast, ob ich sie erwidere. Warum gibst du eine Zukunft in Sicherheit für eine ungewisse Sache auf. Was, wenn dich das hier nicht glücklich machen kann? Was, wenn du mich dann hasst?“
 

Helena blickte Alice geradewegs an, als sie antwortete ruhig:

„Ich habe das nicht für dich getan, Alice.“
 

„Nicht?“ fragte diese und wurde ein wenig blass.
 

„Nein“ erwiderte Helena „Ich habe es getan, weil ich die Wahrheit liebe. Ich hätte nicht zu Francis zurückzukehren und so tun können, als sei alles in Ordnung. Ich könnte weder ihn, noch mich selbst derart belügen. Ich weiß jetzt, was ich will. Ich bin vollkommen verrückt nach dir, Alice! Auch wenn du bei mich nicht willst, ich weiß nun, wonach ich in meinem Leben suchen muss! Es ist dieses Gefühl von Leidenschaft und Erregung. Plötzlich erscheint alles endlich sinnvoll und wirklich.“
 

„Du bist verrückt nach mir?“ fragte Alice mit belegter Stimme.
 

Helena nickte ernst:
 

„Du bist das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe!“ stammelte Alice: „Und ich würde dich so gern küssen, Helena!“
 

Die Ältere antwortete nicht. Schließlich erhob sie sich und Alice hatte schon die Befürchtung, sie würde nun erschrocken aus dem Zimmer laufen, doch stattdessen kam sie einfach nur sehr, sehr langsam auf sie zu, ergriff die Gelegenheit, das Alice saß und sie das viel größere Mädchen nun leicht erreichen konnte beim Schopf, zog ihren Kopf zu sich heran, drängte sich nah an sie und küsste sie.
 

Alice versteifte sich zunächst ängstlich ein wenig, doch bald sprachen die warmen, wundervollen Rundungen, die sich an sie pressten in ihrer eigenen Sprache zu ihrem Körper und ließen ihre Muskeln schmelzen. Sie fasste mit der einen Hand Helenas Hüfte, griff mit der anderen in das volle schwarze Haar und erwiderte den Kuss. Er schien eine Ewigkeit zu dauern, denn keine der jungen Frauen wollte ihn enden lassen. Schließlich lösten die beiden sich dennoch für einen Moment atemlos voneinander und Helena fragte ratlos und mit einem kleinen Grinsen:

„Und wie geht so etwas normalerweise weiter?“
 

Alice zuckte mit den Schultern.

„Ich dachte du wüsstest das und hättest es schon getan.“ erwiderte Helena erstaunt.
 

Alice schüttelte beschämt den Kopf:

„Tut mir leid. Ich habe keine Ahnung!“
 

„Mach` dir keine Sorgen: Das finden schon heraus. Ich bin ziemlich clever, weißt du?“
 

„Das weiß ich!“ erwiderte Alice mit einem schüchternen Grinsen.

Sie ließ sich von Helena in Richtung Bett dirigieren und sah ihr dabei zu, wie sie ihr das Hemd aufknöpfte. Als Helena die Bandagen darunter erblickte, welche ihre Brüste verbargen, schüttelte sie leise lächelnd den Kopf, entfernte sie und begann dann, mit Fingern und Lippen die kleinen, weißen Brüste und deren blass rosafarbenen Spitzen zu erforschen.

Alices Atem beschleunigte sich und sie gab ein leises Seufzen von sich. Sie selbst traute sich noch nicht, irgendetwas zu unternehmen.
 

Ihre Zurückhaltung führte bei Helena zu Verunsicherung.

„Mache ich etwas falsch?“ wollte sie wissen: „Oder hast du es dir anders überlegt?“
 

Alice schüttelte heftig den Kopf und flüsterte:

„Überhaupt nicht! Hör´ bloß nicht auf! Ich habe einfach nur Angst!“
 

Damit hatte Helena nicht gerechnet. Sie kicherte und erwiderte:

„Ehrlich? Du hast Angst! Vor mir? Aber das musst du doch nicht! Ich beiße nicht, Süße!“
 

Helena entledigte sich ihrer Kleidung und Alice schluckte ein wenig:

„Du bist vollkommen!“ flüsterte sie heiser.

Dann blickte sie an ihrem eigenen Körper hinab, fand sich zu groß, zu knochig und zu flachbrüstig.
 

Helena schüttelte schmunzelnd den Kopf und erklärte:

„Du denkst so laut, dass ich beinahe hören kann, was in deinem hübschen Kopf vorgeht!“ erklärte sie und fügte streng hinzu: „Und ich will davon nichts wissen! Du bist wahnsinnig schön! Entspann` dich und dann beweise ich es dir.“
 

„Bist du wach, Thomas?“ fragte Joe.
 

Tiny öffnete die Augen, rieb den Schlaf fort und reckte und streckte sich ein wenig.

„Du siehst aus, als hättest du eine Entscheidung getroffen!“ fragte er, während er sich im Bett ein wenig aufrichtete:

„Du willst nicht, dass ich es mache, stimmt`s?“
 

Joe schüttelte den Kopf:

„Nein, das ist es nicht!“ gab er zurück: „Nachdem ich nun den ersten Schreck verdaut habe, gefällt mir die Idee sogar irgendwie. Margarete hat recht: Du bist zum Vatersein wie geschaffen! Und mir gefällt die Vorstellung, „Stiefmutter“ zu werden!“
 

„Was ist es dann?“ erkundigte sich Tiny stirnrunzelnd.

Joe seufzte, ehe er antwortete:

„Ich weiß, dass das blöd ist, aber wenn ich ehrlich bin verunsichert mich der Gedanke, dass du dann mit Margarete schlafen wirst, Thomas. Was, wenn es dir gefällt? Was, wenn du dann plötzlich merkst, dass es eigentlich das ist, was du willst und was du bist?“
 

Tiny grinste und beugte sich zu Joe herüber, um ihn zu küssen:

„Danke!“ sagte er.
 

Joe schaute ihn verdutzt an:

„Wofür bedankst du dich denn?“
 

„Dafür, dass du eifersüchtig bist. Dafür, dass du Angst hast mich zu verlieren.“ Joe fing an, ein wenig ärgerlich auszusehen, doch Tiny fuhr trotzdem fort: „Du bist alles, was ich will! Ich liebe dich so sehr!“
 

„Bringt es einfach schnell hinter euch, in Ordnung?“ erklärte Joe grimmig und fügte dann hinzu: „Und hinterher kommst du dann sofort zu mir und trittst den Beweis für deine Worte an!“
 

„Verstanden!“ erwiderte Tiny lächelnd. Dann sagte er noch: „Dir ist klar, dass es vielleicht nicht gleich klappt. Margarete und ich müssen es womöglich mehr als einmal versuchen.“

Joe stöhnte und vergrub sein Gesicht im Kissen.
 

„Ich muss jetzt wirklich aufstehen!“ erklärte Helena ohne große Überzeugung.

„Mhhm!“ machte Alice. Sprechen konnte sie gerade nicht, da ihre Lippen und Zunge mit Helenas Brüsten beschäftigt waren.
 

„Ich meine es ernst! Die Anderen zählen auf mich, Liebling!

Die Zunge war mittlerweile hinab zu ihrem Nabel gewandert.

„Ich komme doch heute Nachmittag schon wieder zurück!“ machte Helena einen weiteren gutgemeinten, wenn auch halbherzigen Versuch, doch als sie dabei zusah, wie Alices Kopf sich in ihren Schoß niedersenkte, wurde ihr klar, dass sie es keinesfalls pünktlich schaffen würde.
 

Tiny und Margarete saßen vor dem Haus in der Vormittagssonne.

Sie war nervös, denn es schien ihr wie ein schlechtes Zeichen, dass Tiny ihr so bald schon seine Entscheidung mitteilen wollte. Darum war sie auch umso überraschter, als sie nun vernahm, wie sie ausgefallen war:

„Und du bist dir wirklich vollkommen sicher?“ hakte sie noch einmal ungläubig nach: „Das ist immerhin eine Sache, die dein Leben für immer verändern wird. Was, wenn du es irgendwann bereust? Und was sagt Joe überhaupt dazu?“
 

„Ich werde es sicher nicht bereuen! Und Joe freut sich darüber!“ versicherte Tiny.
 

Margarete stutzte. Sie hätte nie im Leben damit gerechnet, dass es so einfach und unkompliziert sein würde. Sie traute dem Frieden noch nicht, sagte jedoch nichts dazu. Stattdessen hakte sie sich bei ihm unter und legte den Kopf auf seiner Schulter ab.
 

Vor dem Wohnhaus war mit einem Mal ein reges Treiben entstanden. Die Bostonerinnen begannen, sich auf die heutige Kundgebung direkt hier vor Ort in Millers Landing vorzubereiten. Sie spannten die beiden Ponys vor den kleinen Wagen des „Yasemines“ und schleppten Flugblätter und Transparente herbei.
 

Tiny und Margarete sahen ihnen von ihrem Standort aus dabei zu.

Als die Frauen beinahe zum Aufbruch bereit waren, kamen plötzlich Helena und Alice angerannt und riefen, man möge auf sie warten. Beide Mädchen sahen so aus, als seien sie in aller Eile aufgestanden, ohne noch Zeit zu haben, einen Abstecher ins Bad zu machen oder einen Kamm zur Hand zu nehmen.

Die Bostonerinnen wirkten ungeduldig, doch Alice und Helena verabschiedeten sich voneinander, als gäbe es für sie kein Wiedersehen. Sie blickten einander tief in die Augen, schlossen sich fest in die Arme und versanken dann in einen Kuss, der scheinbar gar kein Ende mehr nehmen wollte, bis Justine die beiden streng ermahnte, dass Helena nun endlich aufsteigen müsse.
 

Tiny deutete auf die Szene und fragte:

„Wann ist das denn passiert?“
 

„Heute Morgen!“ erwiderte Margarete mit tonloser Stimme.
 

„Und wie geht es dir damit?“ erkundigte er sich.
 

„Alice soll das nicht wissen,... “ raunte sie: „...aber ehrlich gesagt bringt es mich um vor Eifersucht!“
 

„Aber warum hast du dann nicht versucht, sie zu halten?“ wollte Tiny wissen.

„Wir beide sind nicht wie Joe und du.“ gab sie seufzend zurück: „Ich kann mir eine Beziehung mit einer anderen Frau nun einmal nicht vorstellen. Ich kann ihr nicht geben, was sie braucht und das wäre nicht fair. Und davon abgesehen ist sie doch beinahe noch ein Kind. Dennoch hätte ich die letzten Wochen ohne sie mit Sicherheit nicht überlebt. Und nun ist sie fort!“
 

Tiny nahm Margaretes Hand in seine.
 

Auf dem rumpelnden Pferdekarren nahm Claire Mcclaine neben Helena Platz und streichelte ihr mit einem mütterlichen Lächeln über die Wange. Dann begann sie wortlos, Helenas wilde schwarze Mähne zu einem ordentlichen Zopf zu flechten.
 

Heute war neue Ware eingetroffen. Noah hatte sie mit dem Pferdekarren vom Bahnhof geholt und war nun dabei, die Kisten ins Lager zu schaffen. Joe hatte beschlossen ihn dies heute allein tun zu lassen, um ihn ein wenig zu fordern.
 

Christian leistete Noah Gesellschaft, hatte die Arme auf dem Pferderücken abgelegt und schaute dem Jungen bei seiner Schufterei zu, während dieser wiederum sein Bestes tat, ihn zu ignorieren.

Es war recht warm für einen Maitag und Noah schwitzte unter dem schweren Gewicht der Kisten. Schließlich zog er sein Hemd aus und setzte seine Tätigkeit im Unterhemd fort:
 

„Du hast Muskeln bekommen!“ stellte Christian anerkennend fest: „Gefällt mir!“
 

„Das kommt von der schweren Arbeit!“ gab Noah grollend und auch ein wenig verlegen zurück: „Apropos: Was hältst du davon, mir zu helfen, anstatt nur da herumzustehen und zu glotzen?“
 

„Nö, keine Lust. Ich genieße gerade die Aussicht!“ erklärte Christian grinsend und fügte frech hinzu: „Du kannst ruhig noch mehr ablegen, wenn es dir zu warm ist! Das würde mich überhaupt nicht stören!“
 

Gegen seinen Willen musste Noah schmunzeln:

„Du bist eine Nervensäge, weißt du das?“ gab er zurück:
 

„Weiß ich! Und weißt du was? Ich denke, ich werde dir doch helfen, um mich bei dir einzuschmeicheln!“ verkündete Christian und begann zuzupacken.

Christian mochte im vergangenen Jahr zwar schmal geworden sein, aber Kraft besaß er immer noch reichlich, stellte Noah im Stillen fest. Bei ihm wirkte die Arbeit beinahe mühelos.

Als sie fertig waren, saßen er und Christian nebeneinander auf der Laderampe und ruhten sich aus.
 

Nach einer Weile erklärte Christian:

„Ich habe darüber nachgedacht, was ich tun kann, damit du mich wieder zurücknimmst und da kam mir eine Idee. Du kannst es nicht vergessen, was ich getan habe…dass…dass ich dich geschlagen habe. Das kann ich verstehen! Darum will ich nun, dass du mir heimzahlst, was ich dir angetan habe. Du kannst mich schlagen, so fest und so oft, wie du es für richtig hältst!“
 

Noah blickte ihn erschrocken an und Christian beeilte sich hinzuzufügen:

„Keine Angst! Ich werde mich nicht wehren! Versprochen! Oder du kannst mich vorher fesseln, wenn du dich dann sicherer fühlst!“
 

„Das ist eine furchtbare Idee!“ erwiderte Noah fassungslos: „Ich habe noch niemals jemanden geschlagen und dir werde ich das mit Sicherheit nicht antun!“
 

„Ich habe schon oft in meinem Leben Prügel bezogen. Ich stecke das weg, keine Sorge!“ versicherte Christian: „Hauptsache, die Dinge zwischen uns beiden kommen wieder in Ordnung!“
 

Noah schüttelte den Kopf und erwiderte heftig:

„So funktioniert es aber nicht! Du musst verrückt geworden sein? Ich werde das nicht tun! Niemals!“
 

Christian blickte ihn traurig an:

„Ich will doch bloß, dass du mir wieder vertraust. Was kann ich denn bloß tun?“
 

Noah zuckte ratlos mit den Schultern.
 

Die Ansprache der Frauenrechtlerinnen aus Boston stieß in Millers Landing nicht bei allen Bürgerinnen und Bürgern auf Zustimmung, doch Justine trug ihr Anliegen eloquent und sachlich vor und ließ sich auch von wütenden oder beleidigenden Zwischenrufen nicht aus dem Konzept bringen. Sie hatte eine sehr durchdringende Stimme, wenn sie wollte und obwohl sie nicht sehr groß war, taten ihr Auftreten und Ernsthaftigkeit das Ihrige dafür, dass die Menschen ihr zuhörten. Auf freche Zwischenfragen gab sie entwaffnende Antworten und schaffte es sogar einige Male, die Zuhörerinnen und Zuhörer zum Lachen zu bringen.

Insgesamt schien es tatsächlich eine erfolgreiche Veranstaltung zu werden.
 

Alarmiert durch die Lauten Stimmen und die Menschenmenge, die sich auf dem kleinen Platz vor dem Rathaus gebildet hatte, trat Sheriff Snyder vor die Tür des Departments und sah dem Treiben eine Weile zu.

Als er herausfand, worum es ging, rief er nach seinem Deputy:

„Jimmy, ich denke wir sollten diesem Schwachsinn ein Ende machen und die verdammten Weiber zur Hölle jagen!“ erklärte er grimmig.
 

James verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf:

„Tut mir leid, Sheriff, aber ich bin nicht ihrer Ansicht. Die Frauen haben ein Recht, hier zu sprechen und offen gesagt unterstütze ich ihre Sache. Und es sieht doch alles friedlich aus. Sollte die Angelegenheit aus dem Ruder laufen, bin ich sofort da, aber im Augenblick schlage ich vor, die Damen einfach sprechen zu lassen!“
 

„Hast du den Verstand verloren Junge? Das hier ist keine Diskussion! Ich gebe dir einen Befehl!“ bellte Snyder.
 

James blickte ihn finster an und rührte sich nicht.
 

„Willst du deinen Job loswerden Jimmy?“ fragte Snyder fassungslos: „Das kannst du haben, wenn du nicht tust, was ich sage!“
 

„Es tut mir leid, Sheriff, aber ich muss in dieser Sache meinem Gewissen folgen!“ erwiderte James ernsthaft.
 

Snyder kochte vor Wut, doch allein konnte er das Pack nicht vertreiben.

Er hatte auch nicht wirklich die Absicht, Jimmy seinen Stern wegzunehmen, denn er verspürte wenig Lust, schon wieder einen neuen Grünschnabel einzuarbeiten. Und auch wenn dieser Bursche ihm im Grunde viel zu weich war, hatte sein Deputy doch bisher einen ganz vernünftigen Job gemacht.
 

Aber er konnte ihn andererseits auch nicht einfach so davonkommen lassen, sonst würde der Junge ihm zukünftig auf der Nase herumtanzen, also sagte er:

„Also gut Jimmy! Dieses eine Mal bekommst du deinen Willen, aber sei dir über eines im Klaren: Diesen heutigen Tag werde ich nicht vergessen! Wenn du dich mir auch nur noch ein einziges Mal widersetzt, bist du nicht nur deinen Job los, sondern ich werde dann auch dafür sorgen, dass du in Millers Landing kein Bein mehr an die Erde bekommst! Hast du verstanden, Junge?“
 

James nickte:

„Verstanden!“ erklärte er knapp und kehrte ins Department zurück.
 

Lydia Snyder stand am Rande der Kundgebung und tat so, als würde sie sich etwas in einem Schaufenster betrachten, doch in Wirklichkeit lauschte sie mit klopfendem Herzen den Worten der Rednerin. Sie hatte einen kurzen Blick auf sie werfen können. Die Frau war nicht viel jünger als sie selbst und doch war sie so ganz anders! Die Menschen hörten ihr zu, obwohl das, was sie zu sagen hatte den meisten Leuten mit Sicherheit nicht passte. Niemand wollte hingegen hören, was Lydia zu sagen hatte, nicht einmal ihr eigener Ehemann und aus diesem Grund hatte sie das Sprechen schon vor geraumer Zeit weitgehend eingestellt.

Manchmal stellte Lydia sich auf der Straße absichtlich Leuten in den Weg; nur um sich zu vergewissern, dass sie noch vorhanden war; nur um sicherzugehen dass die Menschen nicht mittlerweile einfach durch sie hindurch laufen konnten, als sei sie nichts weiter als dünne Luft.
 

Und nun stand da diese Dame aus der Großstadt und sprach über verschenkte weibliche Potenziale, darüber, dass das Leben einer Frau nicht vorüber sei, wenn sie Kinder erzogen hatte. Sie sprach über Bildung, Wahlrecht, berufliche Verwirklichung für Mädchen und Frauen Es war als spräche sie direkt zu Lydia; als würde sie sie und ihr Leben kennen. Sie wollte sich jedes der Worte einprägen, weil sie so wichtig und kostbar waren!
 

Plötzlich erschrak Lydia, denn sie konnte ihren Mann vor dem Department stehen sehen. Zum Glück hatte er sie nicht gesehen, denn er war gerade dabei gewesen, den Deputy anzuschreien.

Lydia bückte sich nach einem Flugblatt, das irgendjemand auf den Boden geworfen hatte und ließ es unauffällig in ihrer Schürzentasche verschwinden. Dann machte sie sich rasch aus dem Staub.
 

Bob saß in seiner Zelle und spitzte die Ohren. Wie gut, dass er halb Wolf war. So konnte er hören, was heute da draußen auf der Straße vor sich ging. Einerseits konnte er diese Weiber von drüben aus dem roten Haus hören und den Schwachsinn über Rechte für Frauen, von dem sie die Leute überzeugen wollten.

Aber viel interessanter war das Gespräch zwischen dem Sheriff und dem lieben kleinen Jimmy. Das war genau die Gelegenheit, auf die Bob gewartet hatte.

Er grinste in sich hinein.
 

Das hatte James gewiss nicht erwartet, als seine Vermieterin Ms. Meyer anklopfte, um ihm mitzuteilen, dass er Damenbesuch habe.

Er war heute zuhause geblieben, weil er das Gefühl hatte, sich Melody gegenüber ein wenig rarmachen zu müssen, um nicht zu bedürftig, oder zu anhänglich zu wirken. Halb hatte er gehofft, dass sie vielleicht Sehnsucht nach ihm bekommen hatte und deswegen zu IHM gekommen sei, doch schon im nächsten Moment wurde ihm klar, wie absurd das war. Melody würde ihn nicht kompromittieren wollen. Sie würde ihn niemals zuhause aufsuchen.

In Wirklichkeit war es aber ausgerechnet Justine Carpenter, welche in seiner Tür erschien. Als er den ersten Schrecken verwunden hatte, erkundigte James sich kühl:
 

„Was kann ich für sie tun, Madame?“
 

„Ich bin gekommen, um mit ihnen über unsere gemeinsame Freundin zu sprechen.“ erwiderte Justine mit einem kleinen Schmunzeln.
 

James betrachtete sie misstrauisch:

„Hat sie sie geschickt!“ wollte er wissen.
 

Justine lachte warm und kehlig, wobei sie den Kopf in den Nacken legte und erwiderte:

„Ganz sicher nicht! Und es wäre ihr gewiss nicht recht, wenn sie wüsste, dass ich jetzt hier bei ihnen bin.“ Sie hielt kurz inne und fuhr dann fort: „Sie ist ein ganz besonderer Mensch, unsere Kathryn, denken sie nicht, Deputy? Sie ist scharfsinnig, stark, wunderschön…“ dann ergänzte sie mit einem unverschämten kleinen Grinsen: … und sie hat die geschicktesten Hände und die talentierteste Zunge, die man sich nur vorstellen kann!“
 

James blickte Justine elend an und fragte:

„Sind sie gekommen, um mich zu verspotten und ihren Triumph zu genießen, Madame Carpenter?“
 

Justine lächelte herzlich und antwortete kopfschüttelnd:

„Ganz im Gegenteil, junger Mann! Ich bin hier, um ihnen zu helfen.“
 

Nun war James wirklich gespannt, wie diese Frau ihm helfen wollte:
 

„Kathryn und ich haben im Augenblick eine wunderbare Zeit.“ fuhr Justine fort: „Sie ist gelöst und zufrieden bei mir, doch der einzige Grund, warum sie das zulassen kann ist jener, dass sie weiß, dass das mit uns nicht für immer ist. Sicherlich, sie schätzt und bewundert mich, aber sie liebt mich nicht. Ihr Herz ist nicht in Gefahr. Nicht so, wie bei ihnen, Deputy!“ James zog skeptisch eine Augenbraue hoch, doch Justine fuhr fort: „Sie hat sie zurückgewiesen, weil sie es sich selbst leicht machen wollte. Kathryn hat bereits einmal geliebt und verloren. Dieses Risiko will sie nicht wieder eingehen. Doch ich bin mir ganz sicher, dass sie sie liebt!“
 

„Das fällt ihr aber reichlich spät ein, Madame Carpenter!“ unterbrach James sie ärgerlich: „Sie hat mich wie Dreck behandelt. Und gerade in dem Moment, da es mir endlich wieder ein wenig besser geht, will Kathryn mich zurück? Warum? Kann sie es nicht ertragen, dass ich ohne sie glücklich bin! Will sie mich wiederhaben, um mich dann erneut in mein Unglück zu stürzen? Ich ertrage das sicherlich kein zweites Mal.“

Den letzten Satz hätte James am liebsten zurückgenommen, denn er war so bitterlich wahr und er fühlte sich nackt.
 

Lächelnd schüttelte Justine den Kopf:

„Sie haben eine Menge Ärger in sich Deputy. Das zeigt mir, dass hier starke Gefühle im Spiel sind. Sie und Miss Melody sind wirklich ein sehr hübsches Paar, aber ich denke, wir wissen beide, dass diese Verbindung mehr mit körperlicher Anziehung als mit Liebe zu tun hat. Und aus Erfahrung weiß ich, dass diese Art der Attraktion vergänglich ist. Das, was sie jedoch mit Kathryn verbindet ist wesentlich größer und haltbarer als das. Ich werde in einem Monat fort sein und Kathryn wird zu meinem Bedauern nicht mit mir kommen. Der Weg ist dann für sie beide frei!“
 

Ein Gespräch wie dieses hatte James sicher nicht erwartet. Er fragte stirnrunzelnd:

„Und was denken sie sollte ich tun?“
 

Justine holte tief Luft. ehe sie antwortete:

„Ich weiß, sie sind ein sensibler junger Mann und glauben, einer kraftvollen, manchmal auch ein wenig handfesten Frau wie Kathryn nicht gewachsen zu sein, doch ich möchte sie ermutigen, ihre Empfindlichkeit ein wenig zu überwinden und um sie zu kämpfen. Sie ist es wert! Wenn sie sie wirklich lieben, dann lassen sie sich von der rauen Fassade nicht täuschen. Versuchen sie, zu ihr durchzudringen. Sie wird es ihnen nicht leicht machen, also überwinden sie ihre sanfte Natur ein wenig und seien sie bestimmt und entschlossen.“
 

James vernahm die Worte nicht ohne ein wenig Groll, doch leider musste er sich eingestehen, dass das, was Justine Carpenter sagte vernünftig klang.

„Warum tun sie das für mich?“ fragte James skeptisch.
 

„Wenn ich ehrlich sein darf? Ich tue das gar nicht für sie, sondern für Kathryn.“ gab Justine zurück: „Denn auch, wenn sie auch mich nicht liebt, ich liebe sie sehr wohl! Ich will nur eines uns zwar dass sie glücklich ist!“

Mit diesen Worten erhob sich Justine und wandte sich zum Gehen, doch James musste noch etwas loswerden:
 

„Sie haben keine Ahnung davon, welchen Hass ich in den letzten Wochen gegen sie gehegt habe, Madame.“

Justine wandte sich um und ließ noch einmal ihr warmherziges Lachen erklingen, ehe sie antwortete:

„Ich denke, das ist wohl verständlich!“

Dann war sie verschwunden.
 

James blieb zurück und schüttelte erstaunt den Kopf.
 

Als Noah an diesem Abend am roten Haus ankam, um nach Alice zu sehen, fand er sie auf der Bank vor dem Wohnhaus eng umschlungen mit Helena. Die Mädchen waren so versunken ineinander, dass sie Noahs Ankunft gar nicht mitbekommen hatten. Er drehte sich höflich ein wenig zur Seite und räusperte sich geräuschvoll, um sich bemerkbar zu machen. Die beiden schreckten auf und Alice errötete, als sie ihren Freund erblickte.

„Hallo, ihr Zwei!“ sagte er schüchtern.
 

Helena grinste:

„Hallo Noah. Schön dich zu sehen.“ begrüßte sie ihn freundlich, erhob sich und fügte hinzu: „Ich will doch mal sehen ob ich drinnen beim Kochen helfen kann!“

Damit zog sie sich höflich zurück, um den Freunden ein wenig Privatsphäre zu geben.
 

„Ich schätze, sie will uns die Gelegenheit geben, miteinander über…na ja, das hier zu sprechen.“ erklärte Alice schüchtern.
 

„Schätze ich auch!“ erwiderte Noah strahlend.
 

Er zog Alice auf die Füße und schloss sie fest in seine Arme:
 

„Ich freue mich so für dich!“ flüsterte er in ihr Ohr und drückte ihr einen dicken Kuss auf die Wange.
 

Zunächst hatten sie beide nicht die Gestalt gar nicht bememrkt, die Noah heimlich hierher gefolgt war und die in diesem Moment hinter den Bäumen auftauchte.

Als Alice schließlich aufblickte, traute sie zunächst ihren Augen nicht:
 

„Was will der denn hier, zum Teufel? Den knöpfe ich mir vor!“ rief sie aus, machte sich von Noah los und wollte bereits loslaufen.
 

Noah jedoch hielt sie auf und versicherte:

„Warte bitte hier. Ich kümmere mich schon darum!“
 

Alice folgte seiner Bitte widerwillig und Noah rannte zu Christian hinüber. Dort angekommen schimpfte er:

„Sag mal, verfolgst du mich etwa?“
 

Christian zuckte mit den Schultern und erwiderte trotzig:

„Schon möglich! Was macht denn ein braver Pastorensohn an einem Ort wie diesem?“ Er deutete mit dem Kopf in Alices Richtung und fragte: „Ist der Kerl da drüben etwa dein Freund?“
 

Noah musste lachen. Christian wirkte verletzt:

„Komm` mit! Ich stelle dich vor!“ verkündete Noah und hakte ihn unter.
 

Christian folgte ihm widerstrebend. Und auch als er direkt vor ihr stand, musste er immer noch zweimal hinsehen, ehe er Alice erkannte. Noch bevor er etwas sagen konnte, trat diese bedrohlich nah an ihn heran und blaffte:

„Was schleichst du bei uns herum? Du hast hier nichts verloren. Wenn du irgendwem sagst, dass du mich gesehen hast, dann schwöre ich, dass ich dir alle Knochen breche!“
 

Alice war mit Christian auf Augenhöhe und sie plusterte sich absichtlich noch ein wenig auf, um beeindruckender zu wirken.
 

Friedfertig erwiderte Christian:

„Hallo Alice! Ich freue mich auch, dich zu sehen.“ Und mit einem kleinen Grinsen fügte er hinzu: „Du siehst echt gut aus!“
 

„Pfft!“ antwortete sie, reckte ihr Kinn vor und ging an ihm vorbei ins Wohnhaus, wobei sie ihn mit einer Schulter absichtlich anrempelte.
 

„Deine Freundin ist wirklich furchterregend!“ meinte Christian, als sie fort war.
 

„Sie hat Angst!“ erklärte Noah in ernsthaft: „Ihre Familie darf sie hier auf keinen Fall finden. Es sind schlimme Leute!“
 

Christian nickte:

„Sag´ ihr, von mir erfährt niemand etwas!“
 

„Mache ich!“ versicherte Noah und fügte hinzu: „Übrigens wäre ich auch froh, wenn du niemandem erzählst, dass du mich hier gesehen hast, auch wenn ich dir nicht glaubhaft mit körperlicher Gewalt drohen kann. Meine Eltern wären von meinem Hiersein sicher nicht begeistert!“
 

„Verstehe!“ antwortete Christian. Die beiden setzten sich auf die Bank und er wollte wissen: „Hat sich Alice deswegen so verkleidet, weil sie nicht gefunden werden will?“
 

„Ich denke, das ist mehr als eine Verkleidung! Ich schätze, sie gefällt sich so!“ erklärte Noah. Dann fragte er: „Hast du Hunger? Ich kann drinnen nachsehen, ob es etwas gibt?“
 

Christian zuckte schwach mit den Schultern. Er wollte nicht zuzugeben, dass er tatsächlich schon wieder eine Weile nichts gehabt hatte.
 

Noah verstand ihn auch so. Er lächelte ihm freundschaftlich zu und verschwand im Haus. Wenig später kam er mit einem Glas Milch und zwei Broten zurück, welche Christian sofort hungrig vertilgte.

Eine Weile lang saßen die beiden nebeneinander und Noah erzählte Christian, was Alice und ihn mit diesem Haus verband.

Plötzlich tauchte Sam bei ihnen auf. Noah erhob sich, umarmte ihn zu Begrüßung und erklärte dann:

„Sam, das hier ist Christian!“
 

Der Junge wurde schlagartig ernst. Er kniff finster die Augen zusammen, verschränkte die Arme vor der schmalen Brust und erklärte an Christian gerichtet:

„Ich habe von dir gehört!“ Und mit grollender Stimme fügte er hinzu: „Tu´ ja nicht meinem Freund weh, sonst kriegst du es mit mir zu tun!“
 

Christian verkniff sich ein Grinsen angesichts des mutigen Auftretens des schmächtigen Jungen und antwortete:

„Werd´ ich nicht! Versprochen!“
 

Sam nickte und stolzierte davon.

„Was war das denn? Wer war der Kleine?“ wollte Christian wissen.
 

„Das hast du doch gehört: Das war mein Freund! Er passt auf mich auf!“ erwiderte Noah, der Sam lächelnd hinterher schaute. Dann fragte er: „Warum bist du mir denn nun gefolgt? Was soll das, Christian?“
 

Dieser senkte den Kopf und antwortete verlegen:

„Mich hat interessiert, wo du nach Feierabend immer hingehst. Ich wollte wissen, ob du einen Freund hast. Du hast mir diese Frage nicht beantwortet.“
 

„Und wenn es so wäre? Was würdest du dann tun? Würdest du ihn verprügeln, wie du es mit mir gemacht hast?“
 

Christian schüttelte den Kopf:

„Nein! Ich habe doch gesagt, so bin ich nicht mehr!“ und bedrückt fügte er hinzu: „Aber ich wäre traurig, wenn es so wäre!“
 

Noah legte seine Hand auf die von Christian:

„Es gibt niemanden!“ antwortete er.

Es begann langsam zu dämmern und Noah erklärte, dass er vor der Dunkelheit zuhause sein müsse.
 

„Ich könnte dich begleiten?“ schlug Christian vor.
 

„Ich habe eine bessere Idee: ICH bringe DICH nachhause! Dann weiß ich künftig auch, wo ich dich finden kann. Wo wohnst du denn eigentlich momentan?“ wollte Noah wissen.
 

„Es würde dir dort sicher nicht gefallen. Es ist ein ziemliches Drecksloch. Ein verlassenes Haus am Stadtrand!“ erklärte Christian unsicher:
 

„Zeig´ es mir!“ bat Noah.
 

Christian zögerte kurz, doch dann stimmte er zu.
 

Noah verabschiedete sich vorher noch von allen und dann machte er sich mit Christian auf den Weg. Es zeigte sich, dass dieser nicht übertrieben hatte: Bei seiner Bleibe handelte es sich wirklich um ein Drecksloch! Das konnte Noah schon von außen erkennen.
 

„Immerhin regnet es nicht rein!“ erklärte Christian entschuldigend und fügte schmunzelnd hinzu: „Zumindest nicht an der Stelle, wo mein Bett steht. Willst du mit hinein kommen?“
 

Christian in ein leer stehendes Haus zu folgen, in welchem sich seine Schlafstatt befand, behagte Noah nicht. Er schüttelte den Kopf:

„Tut mir leid! Ich muss nachhause. Wir sehen uns!“ antwortete er und wollte gehen.
 

„Warte!“ sagte Christian: „Ich würde dich gern umarmen. Darf ich?“
 

Noah war sich sicher, dass es ein Fehler sein würde und dennoch konnte er nicht anders. Christian umfasste ihn zunächst sehr sanft und vorsichtig, doch dann drängte er sich enger an ihn und schließlich fanden seine Lippen Noahs Hals und küssten ihn dort.

Noahs Atem beschleunigte sich. Es fühlte sich fantastisch an; fantastisch, aber auch falsch! Er rief sich zur Ordnung, schob Christian sanft von sich und wiederholte:

„Wir sehen uns!“ dann rannte er nachhause, als sei der Teufel hinter ihm her.



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