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Paul MacLain der Privatschnüffler

Ein ehemaliger SAS-Offizier als Privatdetektiv
von

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Prolog

Prolog

Hi. Ich möchte mich kurz vorstellen. Mein Name ist MacLain. Paul MacLain. Geboren am 20.06.1971 in Inverness, Schottland, als ältestes von drei Kindern. Mein Vater war ein hoch dekorierter Veteran beim SAS. Da er mein Idol war, war es für mich naheliegend, mein Glück ebenfalls beim Militär zu versuchen. Für meine jüngeren Geschwister trifft das allerdings nicht zu. Mikey, mein jüngerer Bruder ist Steuerberater von Beruf, meine Schwester Samantha ist Rechtsanwältin.

Während meiner Schulzeit habe ich meine Jungendliebe Catherine kennen gelernt. Sie war das schönste Mädchen an der ganzen Schule. Doch unsere Beziehung war einem Mitschüler, Mick Doohan hieß er, ein Dorn im Auge. Sein Vater war Robert Doohan. Ihm gehörte damals das Highlands Inn, ein Pub in unserer Stadt. Vater und Robert Doohan hatten seinerzeit zusammen gedient. Doch Micks Alter war ein Feigling, wie mein Dad bis zu seinem Tod immer behauptet hat.

Der Vorfall, der die Feindschaft zwischen Vater und Robert Doohan ausgelöst hat, ereignete sich am 14. Juni 1982. Sechs Tage vor Ende des Falklandkrieges mit Argentinien. Mein Vater und Robert Doohan gehörten zu der Einheit von Fallschirmjägern, die am Morgen des besagten 14. Juni unter dem Befehl von General Thompson auf die Moody Brook Kaserne vorrücken sollten. Am Mount Tumbledown wurden sie von argentinischen Marineinfanteristen unter Beschuss genommen. Robert Doohan lief einfach davon und ließ meinen Dad, sowie mehrere Kameraden im Stich.

Nach seiner Rückkehr von den Falklandinseln machten sich mein Vater und viele seiner Kameraden dafür stark, dass Robert Doohan bei der Verleihung von Orden und auch bei anstehenden Beförderungen übergangen werden sollte. Sie setzten sich durch. Robert Doohan schied am 12.01.1983 aus der Royal Army aus. Da es keine unehrenhafte Entlassung war, bekam er bis zu seinem Tod am 26.05.1998 eine stattliche Rente. Doch Micks Vater wollte diese Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Er bezichtigte meinen Dad öffentlich des Vaterlandsverrats, weshalb man entschied, meinen Vater anzuklagen. In einem der Öffentlichkeit zugänglichen Prozess wurde Dad aus Mangel an Beweisen zwar freigesprochen, doch seine Karriere beim SAS war damit vorbei. Bis zu seinem Tod am 20.02.2000 war mein Vater ein gebrochener Mann.

Im Alter von 19 Jahren bin ich dann dem Special Air Service beigetreten. Ich hab mich die Karriereleiter hochgearbeitet. Als ich am 21.03.2010 aus der Einheit ausgeschieden bin, hatte ich den Rang eines Regimentskommandeurs inne. Ich freute mich schon auf ein Leben mit meiner Freundin Catherine in den schottischen Highlands, doch leider musste mir Mick Doohan, dieses Arschloch dazwischen grätschen. Eines Abends, ich saß gerade mit ein paar Freunden in einem Pub in Glasgow, da kam dieser kleine Wichtigtuer Mick mit seinen Brüdern und tippte mir auf die Schulter. Doch ich reagierte nicht. „Hey Paul. Kannst du dich vielleicht mal umdrehen? Ich will was von dir!“, sagte er. 01

„Ich aber nichts von dir.“ „Wenn du dich nicht gleich umdrehst und mir ins Gesicht siehst, hat das Konsequenzen. Natürlich nur für dich.“ „Falls du denkst, dass du mich provozieren kannst, dann bist du bei mir auf dem Holzweg.“, erwiderte ich gelassen. „So? Na wir werden sehen.“

Ohne ersichtlichen Grund schlug Mick zu. Sein Bruder Jamie zog mich nach oben. Lümmel dich hier nicht so auf dem Fußboden rum.“ Nun wurde es mir aber zu bunt. Ich rammte Jamie den Ellenbogen in die Rippen und trat Mick genau zwischen die Beine. Norris, Micks zweitem Bruder verpasste ich einen Tritt ans Kinn. Das Mick die Schlägerei nur eingefädelt hatte, um mich aus dem Weg zu haben, damit er sich an Catherine ranmachen konnte, ahnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Es kam, wie es kommen musste. Man stellte mich vor Gericht. Und obwohl die Wahrheit ans Licht kam und Mick ein Geständnis ablegte, wurde ich der vorsätzlichen Körperverletzung für schuldig befunden und zu drei Jahren Haft verurteilt. Catherine kam mich in den drei Jahren nur ein einziges Mal besuchen. „Ich habe Mick geheiratet.“, hatte sie damals gesagt und war wieder gegangen. Seitdem habe ich sie nie wieder gesehen.

Zwei Tage vor meiner Entlassung aus der Haft bekam ich Besuch von einer Rechtsanwältin. Ihr Name war Jessica Crafton. In meiner Zelle eröffnete sie mir, dass ich geerbt hatte. Mein Onkel Phil hatte mir eine Summe von 560.000 Pfund hinterlassen. Das reichte aus, um mir eine neue Existenz aufzubauen. Doch ich hatte nicht vor in Großbritannien zu bleiben. Ich wollte nicht in der Nähe von Mick und Catherine leben, sonst hätte ich mir wieder einen Aufenthalt im Knast eingehandelt. Und das wollte ich tunlichst vermeiden. Am Tag meiner Entlassung holte mich Samantha ab. „Mick war da. Er hat gemeint, er ist noch nicht fertig mit dir.“ „Keine Bange. So schnell kriegt er mich nicht noch mal an den Kanthaken.“ „Was hast du vor?“ „Ich werde Großbritannien verlassen. Wahrscheinlich gehe ich nach Europa. Vielleicht Frankreich oder Italien. Oder auch Deutschland. Mal sehen.“ „Das wird Mick nicht zulassen. Er will dich noch mal vor Gericht stellen lassen. Catherine soll gegen dich Strafanzeige wegen Vergewaltigung stellen.“ „Bring mich erst Mal nach Hause. Danach sehen wir weiter.“

Zu Hause packte ich meine Sachen zusammen und machte mich wieder auf die Socken. „Du gehst schon wieder, Paul?“, fragte mich Mikey. „Hör zu, Bruderherz. Mick will mich schon wieder hinter schwedische Gardinen bringen. Bleibe ich hier, komme ich wieder unschuldig vor Gericht und darf wieder im Knast brummen. Es ist uns allen besser damit gedient, wenn ich gehe.“ „Paul. Bitte überleg es dir noch mal.“ „Warum? Mick hat mich unschuldig hinter Gitter geschickt, um mir Catherine wegzunehmen. Denkst du wirklich, ich habe Lust noch mal in den Bau zu wandern?“ „Ich gebe auf. Und du hast es wahrscheinlich schon erahnt. Mick hat mich bezahlt, damit ich dich davon abhalte, das Land zu verlassen. Denn er weiß sehr gut, dass er keine Chance mehr hat, deiner habhaft zu werden, sowie du dich außer Landes befindest.“ „Und genau deshalb mach ich die Biege. Pass auf dich auf Bruder.“ „Ich bring dich zum Flughafen.“, sagte Mikey. 02

Am Flughafen von Glasgow staunte ich nicht schlecht, als ich Samantha am Check-In traf. „Sam, was um alles in der Welt machst du denn hier?“, fragte ich. „Ich werde in Europa meine eigene Kanzlei aufmachen. Mein Chef hat alles vorbereitet. Ganz abgesehen davon großer Bruder, wirst du vielleicht meine Hilfe brauchen. Du brauchst einen Job, ein Dach über dem Kopf.“ Samanthas Argumenten hatte ich nichts entgegenzusetzen.

Wir entschieden uns, unser Glück in Deutschland zu versuchen. Sam und ich hatten uns für die Stadt Frankfurt am Main als Start für unseren Neuanfang entschieden. Mikey brachte uns noch bis zur Sicherheitsschleuse, bevor er sich von uns verabschiedete. „Machs gut Paul. Und viel Glück.“ „Danke, Mikey.“ An jenem Tag sahen Samantha und ich unseren Bruder zum letzten Mal lebend. Um 13:45 Uhr Ortszeit startete unser Flieger in Richtung Deutschland.

Was wir nicht ahnten war, dass Mick bei uns zu Hause auf Mikey wartete. Als unser Bruder nach Hause kam, sah er meinen Erzfeind in Dads Ohrensessel sitzen. „Du hast versagt, Mikey. Es war deine Aufgabe, deinen großen Bruder aufzuhalten. Aber was machst du? Du bringst ihn zum Flughafen und lässt ihn seelenruhig das Land verlassen. Ist dir klar, was das bedeutet, Mikey? Du hast mich verraten. Und auf Verrat, steht bei mir die Todesstrafe.“ Mit diesen Worten zückte Mick eine 45er Magnum mit Schalldämpfer und schoss meinem Bruder zwei Mal ins Herz.

In Frankfurt wussten Sam und ich noch nichts von Micks kaltblütigem Mord an unserem Bruder. Wir waren zu sehr damit beschäftigt uns eine Bleibe zu suchen, wo wir wohnen konnten. In Niederrad hatten wir zwei Büroräume angemietet. Sam hatte zuvor ihre Kanzlei unter „Samantha MacLain Rechtsanwältin und Notarin“ angemeldet. Ich selbst wollte mein Glück als Privatdetektiv versuchen. Sam fand die Idee gar nicht schlecht, machte mich jedoch darauf aufmerksam, dass ich erst mal lernen müsste, worauf es ankommt. Bei der berühmten Frankfurter Detektei Tudor konnte ich als Azubi anfangen und mir das Fachwissen aneignen, dass ich für mein eigenes Detektivbüro brauchte.

Schließlich war es soweit. Ich hatte mein eigenes Unternehmen. Doch bevor ich in meinem neuen Job als Privatermittler durchstarten konnte, musste ich mich noch einmal den Dämonen meiner Vergangenheit in Person von Mick Doohan stellen. Ich hatte die Polizei auf meinen Erzfeind aufmerksam gemacht und sie gebeten, zwei Beamte in meiner Detektei zu postieren. Es war der 20.05.2017 als Mick und ich uns nach 3 Jahren wieder Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. „Dein Bruder Mikey war der erste, den ich mir vorgeknöpft habe. Den kannst du in Inverness auf dem Friedhof besuchen. Als nächstes ist deine Schwester dran. Aber die werd ich noch mal durchnageln, ehe ich ihr die Lampen auspuste. Und das ganze vor deinen Augen. Na ist das nichts?“ „Du warst eine miese, kleine Kakerlake und du bist immer noch eine miese, kleine Kakerlake. Ich werde dich nicht zu Samantha bringen.“ „Ganz wie du willst. Aber hast du dich nie gefragt, warum ich es ausgerechnet auf dich abgesehen habe?“ „Wegen meinem Dad.“ „Nicht nur wegen ihm. Ich hatte persönliche Gründe. Bevor du kamst, waren Catherine und ich uns schon03

einig. Hatten Pläne für die Zukunft geschmiedet. Und dann kamst du, und von da an waren alle unsere Pläne Catherine egal. Als sie erfahren hat, dass du das Land verlassen hast, hat sie sich selbst das Leben genommen. Du hast meine Frau auf dem Gewissen. Und dafür will ich Vergeltung.“, sagte Mick. „Ach so ist das. Du versuchst mir die Schuld am Freitod deiner Frau anzulasten. Hast du dafür Beweise?“, fragte ich und zog süffisant eine Augenbraue hoch. „Ich brauche keine Beweise. Deine Schuld ist in meinen Augen erwiesen. Willst du wissen, was Catherines letzte Worte waren, bevor sie sich mit dem Armee-Revolver meines Vaters erschossen hat?“ „Spuck aus.“ „Sie hat gesagt: „Ich hätte lieber Paul geheiratet, als dich Mick. Aber du hast mir keine andere Wahl gelassen.Wegen deiner Eifersucht, saß der Mann, dem mein Herz gehört drei Jahre unschuldig im Gefängnis. Du hast uns um unser Glück betrogen.Du wirst weder meinen Körper, noch meine Seele besitzen.“Dann hat sie die Waffe auf sich gerichtet und abgedrückt.Und das nur deinetwegen. Sie hat dich mehr geliebt als mich. Ich kann nicht erlauben, dass du noch weiter die Luft dieses Planeten atmest, Paul.“

Als Mick seine 45er auf mich richtete stürmten die beiden Polizisten in das Zimmer. „Polizei! Werfen Sie die Waffe weg und nehmen Sie die Hände über den Kopf!“ Mick drehte sich zu den beiden Polizisten um und war so einen Augenblick unaufmerksam. Blitzschnell schlug ich ihm seine Bleispritze aus der Hand und zog ihm die Beine weg. Einer der Beamten packte Mick und legte ihm Handschellen an.

Mick Doohan wurde wegen vorsätzlichen Mordes und versuchten Mordes sowie Androhung von sexueller Gewalt zu einer lebenslänglichen Haftstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Catherines Tod hinterließ in meiner Seele eine tiefe Wunde. Doch nun wollte ich mich an die Arbeit machen. Und mein erster Fall sollte nicht lange auf sich warten lassen. 04

1. Fall - Der Scharfschütze von Neu-Isenburg

1. Fall – Der Scharfschütze von Neu Isenburg

Es war ein ruhiger Morgen. Ich saß auf dem Balkon meines Apartments in Niederrad am Frühstückstisch. Sam, meine Schwester saß mir gegenüber. Sie bewohnte das Apartment gleich nebenan. Doch das hielt uns nicht davon ab, gemeinsam zu frühstücken. Ich hatte eine Tasse Kaffee in der Hand und las gerade den Regionalteil der Frankfurter Rundschau, neben der Frankfurter Neuen Presse und der FAZ eine der großen Tageszeitungen hier in Frankfurt. Ich hatte gerade die Tasse abgestellt, als mir ein Artikel ins Auge fiel, der von einem Mord auf einen türkischen Gemüsehändler in Neu-Isenburg, der am nächsten gelegenen größeren Stadt, berichtete.

„Das muss ein Scharfschütze gewesen sein.“, sagte ich. „Wie kommst du darauf, Bruderherz?“ „Die Präzision mit der der Gemüsehändler erschossen wurde, lässt auf einen Scharfschützen schließen. Der Mann ist ein Profi. Ich bin beim SAS gewesen, vergiss das nicht. Der Mörder weiß genau, was er tut. Das ist kein Anfänger.“ „Ich habe einen Klienten, der mit einem der Mordopfer verwandt ist. Ich schicke ihn mal zu dir.“ „Tu das.“ Später am Nachmittag, es war 16:45 Uhr kam dann Herr Celik zu mir. Er war 1,85 m groß und besaß einen durchtrainierten Körper. Ayhan Celik besaß schwarzes Haar und trug einen Schnauzbart. Er war 55 Jahre alt und hatte ein rundes Gesicht mit braunen Augen. Bekleidet war er mit einer blauen Stoffhose, einem weißen Hemd, einer blauen Anzugjacke und einer roten Krawatte. Dazu kamen schwarze Socken und schwarze Lackschuhe.

„Guten Tag, Mr. Celik.“, begrüßte ich Herrn Celik. „Guten Tag, Herr MacLain. Darf ich fragen, ob Sie mit Samantha MacLain verwandt sind?“ „Sie ist meine Schwester. Was kann ich für Sie tun?“ „Sie haben sicherlich von dem Mord an meinem Cousin Bülent Menemenci vor zwei Monaten gelesen.“ „Das habe ich. Wenn ich richtig informiert bin, wurde die Akte geschlossen.“ „Das ist leider wahr, Herr MacLain. Frau MacLain hat mich an Sie verwiesen, deshalb bin ich hier.“ „Bitte setzen Sie sich doch. Und dann erzählen Sie mir alles, was Sie wissen. Wollen doch mal sehen, ob sich Ihre Schilderungen nicht mit meinen Beobachtungen decken.“

Ayhan Celik berichtete mir alle Einzelheiten, des tragischen Vorfalls. Wie er und sein Cousin aus dem Transporter des Lebensmittelladens, der ihnen beiden gehörte, Gemüse ausgeladen hatten, als aus einem vorbeifahrenden Auto heraus ein Schuss abgegeben wurde, der Bülent tötete. „Frau MacLain sagte, Sie hätten eine konkrete Spur.“, sagte Ayhan Celik, als er mit seinem Bericht zu Ende war. „Ich habe eine Vermutung, Mr. Celik. Allerdings brauche ich das Projektil, um meine Vermutung zu bestätigen.“ „Und was vermuten Sie?“ „Ich tippe auf einen Scharfschützen.“ „Sind Sie sicher?“ „Wenn bei dem Mord an Ihrem Kollegen, dasselbe Projektil am Tatort gefunden wird, dann ist der Mörder ihres Cousins, so gut wie geliefert.“

Bevor Ayhan Celik ging, gab er mir einen durchsichtigen Beutel mit einer Patronenhülse darin. „Die hat die Polizei übersehen.“, sagte er. „Sehr gut. Damit kann ich was anfangen. Wie viel wäre Ihnen die Ergreifung dieses 05

Mistkerls wert?“ „5.000 Euro.“ „In Ordnung. Ich werde diesen Bastard schnappen. Verlassen Sie sich drauf, Mr. Celik.“

Gleich am nächsten Tag machte ich mich an die Arbeit. Mit einem Mietwagen, den ich mir für eine Woche gemietet hatte, fuhr ich nach Neu-Isenburg an den Tatort, an dem Ayhan Celiks Cousin umgebracht worden war. Offenbar hatten die Ermittlungsbeamten geschludert, denn ihnen war entgangen, dass der Täter einen zweiten Versuch benötigt hatte, um Bülent Menemenci zu erschießen. Ich fand das Projektil vor einem Textiliengeschäft. Ich sah mich um, einfach nur um sicherzustellen, dass mich niemand überraschen und an meinen Ermittlungen hindern konnte.

Und ich fand noch mehr. Der Wagen, aus dem geschossen wurde, musste mit durchdrehenden Rädern losgefahren sein. Ich machte ein Foto mit meinem Smartphone von den Reifenabdrücken auf dem Asphalt. Ich war so in meine Untersuchungen vertieft, das ich den Polizisten gar nicht bemerkte, der hinter mir stand. „Würden Sie mir freundlicherweise sagen, was Sie da machen?“, fragte er barsch. Ganz langsam stand ich auf und drehte mich zu ihm um. „Ich mache meine Arbeit.“, sagte ich. „Was machen Sie beruflich?“ „Ich bin Privatermittler. Hier ist meine Karte.“ Mit diesen Worten gab ich dem Polizisten meine Visitenkarte. „Paul MacLain. Privatdetektiv. Sie sind nicht zufälligerweise mit der Rechtsanwältin Samantha MacLain verwandt?“ „Ich bin ihr ältester Bruder. Mikey unser Bruder wurde von meinem Erzfeind kaltblütig erschossen.“

„Mein Beileid. Aber kommen wir nun zu ihren Ermittlungen zurück. Haben Sie einen Auftrag erhalten, den Mord an Herrn Özcan aufzuklären?“ „Das nicht. Aber ich wurde beauftragt, den Mord an Bülent Menemenci aufzuklären. Sein Cousin Ayhan Celik ist mein Klient.“ „Verstehe. Haben Sie schon konkrete Hinweise?“ „Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber ich darf mich aus Gründen der Diskretion nicht zu laufenden Ermittlungen äußern. Aber es könnte durchaus sein, dass zwischen dem Mord an Bülent Menemenci und Karim Özcan ein Zusammenhang besteht.“ „Sind Sie sicher?“ „Das kommt drauf an, was Ihre Kollegen von der Spusi am Tatort finden. Ich habe hier am Tatort ein Projektil gefunden. Könnte von der Tatwaffe stammen. Wenn meine Vermutung stimmt, dann haben wir es mit einem Scharfschützen zu tun.“ „Verstehe. Dann viel Glück, bei Ihren Ermittlungen, Herr MacLain. Und tun Sie mir bitte einen Gefallen. Halten Sie ihren Arsch aus dem Schussfeld, wenn die Luft bleihaltig wird.“

Zurück in meinem Detektivbüro loggte ich mich ins Internet ein und sah mir Bilder von sämtlichen Scharfschützengewehren und deren Munition an. Speziell die deutschen Exemplare nahm ich genauer unter die Lupe. Und schließlich wurde ich fündig. Die beiden Projektile gehörten zu einem Scharfschützengewehr Modell GOL Sniper. Mein nächster Schritt bestand darin mir die Reifenspuren genauer anzusehen, die ich am Tatort entdeckt hatte. Als Technik-Nerd wurde mir schnell klar, dass der Täter aus einem Opel Astra der Modellreihe H, die von 06

2004 bis 2010 gebaut wurde, auf Bülent Menemenci geschossen hatte. Das waren zwar wertvolle Erkenntnisse, doch es gab tausende Fahrzeuge dieses Modells, die auf den Straßen von Neu-Isenburg herumfuhren. Ich musste noch einmal an den Tatort zurück und mich dort umsehen.

Als ich dort eintraf suchte ich zielstrebig nach Farbresten, denn es bestand die Möglichkeit, dass der Fahrer beim Anfahren einen Pfosten gestreift hatte. Und siehe da. Da war jemand so unvorsichtig gewesen und hatte beim Anfahren einen Begrenzungspfosten erwischt. Ich nahm eine Lackprobe um sie mit der Farbpalette von Opel zu vergleichen. Erst dann konnte ich mir wirklich sicher sein, ob ich richtig vermutet hatte. Ich wollte gerade in meinen Mietwagen steigen um in mein Büro zurückzufahren, als ein ziviler Streifenwagen neben mir anhielt. Ein Mann stieg aus. Er war schlank, 1,81 m groß und hatte graue Haare. Seine blauen Augen sahen mich kalt und durchdringend an. Der Mann musste 60 Jahre sein, schätzte ich. Bekleidet war er mit einem dunkelblauen Anzug und schwarzen Wildlederschuhen. Darüber trug er einen dunkelgrauen Mantel.

Zielstrebig ging der Mann auf mich zu. „Guten Tag.“ „Guten Tag. Kann ich Ihnen weiterhelfen?“ „Zuerst sollte ich mich wohl vorstellen. Mein Name ist Gunter Seewald. Ich bin von der Mordkommission. Mir wurde gemeldet, dass Sie sich für den Mord an Bülent Menemenci interessieren, Herr...“ „MacLain. Paul MacLain. Und es ist eine Untertreibung, dass ich mich für den Fall interessiere. Ich wurde von Ayhan Celik angeheuert, den Mörder seines Cousins dingfest zu machen.“ „Es scheint ja so zu sein, dass Herr Celik kein großes Vertrauen in uns hat.“, sagte Kommissar Seewald. „Kann ich ihm nicht verdenken. Wenn ihre Leute am Tatort nicht gründlich genug nachsehen und einen entscheidenden Hinweis übersehen, dann sind Dilettanten am Werk gewesen.“ „Was sollten meine Jungs denn übersehen haben?“ „Ich habe am Tatort eine Patronenhülse gefunden. Und die ist identisch mit der Hülse, die mir Mr. Celik überlassen hat. Es war nicht schwer, die Projektile der entsprechenden Waffe zuzuordnen.“ „Sie sind wohl ein Waffennarr, wie?“ „Nein. Ich war Fallschirmjäger beim SAS. Sagt Ihnen der Name Douglas MacLain etwas?“ „Und ob.“ „Sie reden gerade mit seinem ältesten Sohn.“ „Und was ist mit Samantha MacLain, der Rechtsanwältin?“ „Sie ist meine jüngere Schwester. Aber nun zurück zu meinem Job. Beim SAS lernt man im Laufe der Zeit die Waffengattungen, die eventuelle Feindsoldaten benutzen. In diesem Fall hat der Mörder ein Scharfschützengewehr Modell GOL Sniper benutzt. Lassen Sie ihre Leute noch einmal den Tatort untersuchen, an dem Karim Özcan ermordet wurde. Wenn die dort eine entsprechende Hülse finden, dann besteht zwischen den beiden Morden ein Zusammenhang.“ Gunter Seewald nickte. „Und was ist mit den Reifenspuren? Haben Sie da auch schon einen konkreten Hinweis?“ „Der Wagen, aus dem geschossen wurde ist ein OPEL Astra Modell H in tiefseeblau lackiert. Ich habe Farbreste an diesem Begrenzungspfosten gefunden. Könnte sein, dass die vom Fluchtfahrzeug stammen.“ „Nun, Herr MacLain, es sieht so aus, als ob ich Sie ganz schön unterschätzt habe. Ich sage Ihnen was. Klären Sie den Mord an Bülent Menemenci auf, und wir machen unseren Job. Es ist besser für uns, wenn 07

Sie Ihre Nase aus unseren Angelegenheiten raus halten.“ „Werd´s versuchen.“

In meinem Büro verglich ich die Farbreste mit der Farbpalette von OPEL. Und siehe da: Volltreffer! Das war zumindest mal etwas brauchbares. Doch für mich stellte sich nun die Frage, wer ein GOL Sniper Scharfschützengewehr besaß. Und ich musste vor allem das Kennzeichen in Erfahrung bringen. Eine Täterbeschreibung brauchte ich auch. Und das hieß: Zeugen befragen. Ich beschloss, zunächst die Ladenbesitzer in der näheren Umgebung zu befragen. Außerdem wollte ich mir den Tatort noch einmal ansehen. Denn dort gab es eine Shopping Mall. Das Isenburg-Zentrum. Vielleicht konnte ich dort etwas in Erfahrung bringen.

An einem schönen Sonntag fuhr ich wieder nach Neu-Isenburg. Im Cafe´Eiffler wollte ich mich ein wenig umhören. Ich hatte mir als Tarnung zwei Croissants und eine Tasse Cafe´ au Lait geholt und suchte nun nach einem Tisch, von dem aus ich alles überblicken konnte. Ich hatte mich gerade an einen frei gewordenen Tisch gesetzt, als eine gut aussehende Brünette auf mich zu kam. Die Frau war 1,65 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper mit wohlgeformten Brüsten. Ihre Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. Das runde Gesicht mit den grünen Augen hatte etwas magisches. Ebenso die hübsche Nase und die sinnlichen Lippen. Ich schätzte die Dame auf 40 bis 44 Jahre. Bekleidet war sie mit einem schwarzen, eng anliegenden Trägerkleid und schwarzen High Heels. An ihrem rechten Handgelenk trug sie ein dreiteiliges Perlen-Armband.

„Entschuldigen Sie, aber ist hier noch frei?“, fragte die Brünette mit einer sexy Stimme. „Sicher. Nehmen Sie Platz.“ „Sie sind mir die letzten Tage schon aufgefallen. Oh, wie dumm von mir, aber ich habe mich gar nicht vorgestellt. Ich bin Angelika Bachmann. Ich leite die Filiale der Deutschen Bank hier in Neu-Isenburg.“ „Paul MacLain. Sehr erfreut.“ „Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie am Mordfall Bülent Menemenci arbeiten.“ „Das stimmt. Was wissen Sie darüber?“ „Ich habe bei Bülent und seinem Cousin immer die Lebensmittel eingekauft, wenn ich abends was türkisches zubereiten wollte. Bülent war ein Gentleman wie er im Buch steht. Höflich, charmant, hilfsbereit. Kurz um, er wäre der perfekte Schwiegersohn.“ „Sehr interessant. Hatte Mr. Menemenci Feinde?“ „Nicht das ich wüsste. Er war bei allen sehr beliebt.“ „Haben Sie am Tag der Tat irgendetwas gesehen, oder gehört, was mir weiter hilft?“ „Ich habe hier im Cafe´ Frühstückspause gemacht, als ich den Opel vorfahren sah. Am Steuer saß nur ein Mann. Ich hab nur schemenhaft seine Kontur erkennen können. Aber den Mann der 5 Minuten später von dem Tisch dort vorne aufgestanden und in den Wagen eingestiegen ist, vergess ich nie.“, sagte Frau Bachmann.

„Welchen Tisch meinen Sie?“ „Diesen dort.“ Angelika Bachmann wies auf einen Tisch der zur Straße hin aufgestellt war. Dort standen einige Blumenkübel. „Ist Ihnen sonst noch was aufgefallen?“ „Allerdings. Der Kerl hatte einen Koffer bei sich. Aber keinen Reisekoffer. Dafür war dieser von den Maßen her zu klein.“ „Wie groß ungefähr?“ „Von der Länge nicht länger als zwei dieser Tische hier.“ „Sie sprachen von einem Mann, der in den Opel eingestiegen ist. Können Sie ihn 08

beschreiben?“ „Ich kann ihn sogar aus dem Gedächtnis zeichnen.“ Angelika Bachmann nahm ein Blatt Papier und einen Stift und zeichnete ein Bild des Kopfes.

Der mutmaßliche Mörder trug eine Brille mit Holzgestell und großen Gläsern. Die Augen waren braun und auf der linken Kopfseite verlief eine Narbe quer vom Mundwinkel bis zum Ohr. Angelika Bachmann schrieb noch etwas dazu. So erfuhr ich, dass der Verdächtige 1,91 m groß war. Das Alter schätzte Angelika Bachmann auf 60 bis 65 Jahre. Bekleidet war er mit einer Uniform der Bundeswehr.

„Vielen Dank für ihre Hilfe, Miss Bachmann.“, sagte ich freundlich. „Keine Ursache. Sollten Sie heute noch länger in Neu-Isenburg bleiben, kommen Sie ruhig bei mir vorbei.“ „Wo wohnen Sie?“ „Hugenottenallee 29. Dritter Stock.“ „Komme gerne auf Ihr Angebot zurück.“ Nachdem Angelika Bachmann gegangen war, tauchte dieser Schmierlappen von der Mordkommission, Gunter Seewald auf. „Sie trifft man aber auch überall.“, sagte er. „Wenn Sie mich schon persönlich aufsuchen, dann muss es wichtig sein.“ „Es gab wieder einen Mord. Sibel Görlik. Ihr gehört eine Dönerbude hier in der Nähe.“ „Und Sie wollen meinen Rat?“ „Ich befürchte, wir sind dazu gezwungen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.“ „Mit anderen Worten, es gelingt ihren Männern nicht, den Kerl zu kassieren.“ „Leider. Der Kerl ist ein Profi. Nach jedem Mord verschwindet er spurlos.“ „Zumindest im Mordfall Bülent Menemenci habe ich eine Zeugin, die den Täter sehr genau beschrieben hat. Besser gesagt, sie hat ihn gezeichnet.“

Ich schob Kommissar Seewald das Phantombild über den Tisch. Dieser staunte nicht schlecht. „Kommt Ihnen diese Käsemilbe etwa bekannt vor?“ „Sicher kenn ich die Hackfresse. Das ist ein ganz gefährlicher Bursche.“ „Was wissen Sie über ihn?“ „Nicht viel. Er war früher bei den Fallschirmjägern. Außerdem ist er für seine ausländerfeindlichen Hetzkampagnen bekannt, die er gerne im Internet verbreitet.“ „Sonst noch was, was wichtig wäre?“ „Der Mann heißt Robert Burgstaller. Geboren in München. Burgstaller werden Verbindungen in die rechtsextreme Szene nachgesagt, aber es lässt sich schwer beweisen.“ „Besitzt Robert Burgstaller ein GOL Sniper?“ „Er gilt als Waffennarr und hat ein Arsenal aufgebaut, das hier in Neu-Isenburg seines Gleichen sucht. Gut möglich, dass er ein solches Gewehr besitzt.“ „Die einzige Möglichkeit, das herauszufinden, ist seine Wohnung auf den Kopf zu stellen.“ „Dazu brauchen wir einen Durchsuchungsbefehl. Und ein bloßer Verdacht reicht nicht aus, um einen zu erwirken.“ „Dann müssen wir ihn beschatten. Irgendwo muss er seine Waffen ja her haben.“ „Als ehemaliger Bundeswehr-Offizier hat er genügend Beziehungen um legal an Waffen zu kommen.“ „Ich finde raus, wo er seine Waffen her bekommt. Und dann werde ich seinen Lieferanten hochgehen lassen.“ „Passen Sie auf. Mit Robert Burgstaller ist nicht gut Kirschen essen.“ „Bin auch nicht aus Zucker. Ich hatte während meiner Zeit beim SAS schon mit ganz anderen Kalibern zu tun. Gegen die Kämpfer der IRA ist Robert Burgstaller eine Witzfigur.“

Am Nachmittag fuhr ich nach Frankfurt zurück. Ich wollte Nachforschungen über Robert Burgstaller anstellen. Vielleicht konnte ich herausfinden, welche Waffen er bevorzugte. Ich fand eine Liste mit aktiven und ehemaligen 09

Offizieren bei den Fallschirmjägern. Robert Burgstaller war heute 65 Jahre alt, war aber schon 2004 unehrenhaft entlassen worden, weil er einen Kameraden mit Migrationshintergrund brutal zusammengeschlagen hatte. Damals hatte er den Rang eines Majors inne. Außerdem fand ich heraus, dass Robert Burgstaller bevorzugt Waffen der Hersteller GOL und Heckler & Koch benutzte. Ich beschloss, noch einmal zu Angelika Bachmann zu fahren und sie ein bisschen über diesen Mann auszuquetschen.

Ich wollte mich gerade auf den Weg machen, als Ayhan Celik mein Büro betrat. „Wie kommen Sie voran?“, fragte er ohne Umschweife. „Besser als ich erwartet hatte. Eine Zeugin hat einen Verdächtigen gesehen. Sie kennen die Dame. Angelika Bachmann.“ „Angie Bachmann, die Süße. Kommt immer zu uns auf ein Schwätzchen vorbei.“ „Sie hat mir dieses Phantombild erstellt. Kennen Sie den Mann?“, fragte ich Herrn Celik. „Und ob ich den kenne. Das ist Robert Burgstaller. Er hat Bülent und mich schon öfter angepöbelt. Einmal hat er folgendes gesagt: „Schert euch wieder in die Türkei, wo ihr hingehört, ihr dreckigen Kümmeltürken.“ Sehr freundlich, finden Sie nicht?“ „Überaus freundlich. Aber was ist mit dem Opel Astra? Haben Sie vielleicht das Kennzeichen?“ „Hier.“ Ayhan Celik gab mir einen kleinen Notizzettel auf dem OF-PL 4400 notiert war.

„Danke. Damit kann ich zumindest den Halter ermitteln. Würde mich nicht wundern, wenn der da mit drin hängt.“ Als Ayhan Celik gegangen war, machte ich mich auf den Weg nach Neu-Isenburg. Es war 19:00 Uhr, als ich vor dem Haus Hugenottenallee 29 parkte. Nachdem ich bei Angelika Bachmann geklingelt hatte, meldete sich die Gegensprechanlage. „Ja, hallo?“, meldete sich eine Frauenstimme. „Miss Bachmann? Hier ist Paul MacLain. Ich hätte noch ein paar Fragen an Sie. Kann ich rein kommen?“ „Moment.“ Im nächsten Moment summte der Türöffner. Ich betrat das Haus und ging zielstrebig in den dritten Stock.

An der Tür wurde ich bereits erwartet. Jetzt konnte ich sehen, was für eine heiße Frau Angelika Bachmann war. Bis auf einen schmalen Strich war die Scham komplett rasiert. Ihr Körper war Erotik pur, genau wie ihre Brüste. „Kommen Sie rein.“, sagte Angelika Bachmann. Die Wohnung war geschmackvoll eingerichtet. Im Schlafzimmer stand ein Wasserbett und auf beiden Seiten jeweils eine Wassersäule. Ein großer Kleiderschrank stand in der Ecke. Eine Kommode direkt gegenüber. Die Küche war ebenfalls ein Hingucker. Weiße Marmorfliesen waren auf dem Boden verarbeitet worden. Ich sah eine Anrichte mit Spüle und darunter konnte ich eine Spülmaschine sowie eine Waschmaschine erkennen. Auch einen großen Kühlschrank konnte ich sehen, sowie Küchenschränke und eine Dunstabzugshaube. Auch ein Cerankochfeld war eingebaut worden. Die stilvolle Einrichtung setzte sich auch im Wohnzimmer fort. Eine Eckcouch aus schwarzem Velours stand an der Wand. Auf der gegenüberliegenden Seite ein riesengroßer Vitrinenschrank mit einer Fernsehnische sowie einer Stereoanlage, DVD-Player und einem Home Cinema-System. Auch ein LED TV-Gerät mit einer Bildschirmdiagonale von 164 cm des japanischen Herstellers LG und ein Receiver für DVB-T 2 HD-Empfang waren vorhanden. Um die Couch und den Couchtisch waren noch mehrere Stühle angeordnet, wenn Frau 10

Bachmann Gäste hatte. „Setzen Sie sich doch, Mister MacLain.“, sagte sie freundlich. „Vielen dank.“ Ich nahm auf der Couch Platz. Angelika Bachmann setzte sich zu mir und sah mich mit ihren grünen Augen an. „Also, schießen Sie los. Was wollen Sie wissen?“ „Was wissen Sie über Robert Burgstaller? Das ist der Mann, dessen Phantombild Sie so liebevoll gezeichnet haben.“ „Den Zusatz hätten Sie sich sparen können. Ich weiß viel über Burgstaller. Der Mann ist ein Vorzeigenazi, wenn Sie es so nennen wollen.“ „Wie darf ich das verstehen?“ „Der Mann ist Mitglied in mehreren rechtsextremen Gruppierungen. Fragen Sie lieber nicht nach Namen. Mit diesen Brüdern ist nicht gut Kirschen essen.“ „Verstehe. Haben Sie eine Ahnung woher Robert Burgstaller seine Waffen bezieht?“ „Das nicht. Aber er hat seine Waffendeals über ein Konto abgewickelt, das in meiner Filiale geführt wurde. Einer Mitarbeiterin, Fatma Yilmaz, sind die astronomischen Summen aufgefallen, die eingegangen sind und abgebucht wurden. Daraufhin hat sie mich um Rat gefragt, was sie tun soll. Und ich habe entschieden, das Konto zu sperren.“

„Verstehe. Und was passierte dann?“ „Am Tag nachdem wir das Konto von Robert Burgstaller gesperrt hatten, kam er mit seinem Anwalt und hat die Wiederaufhebung der Sperre durchgedrückt. Ich bringe Ihnen die Unterlagen morgen Abend vorbei.“ „Einverstanden. Was dagegen, wenn meine Schwester sie sich mal ansieht? Sie kennt sich mit juristischen Dokumenten aus.“ „Ich bin die letzte die „Nein“ sagt.“ „Wann können meine Schwester und ich Sie morgen Abend erwarten?“ „Sagen wir, 20:00 Uhr.“ „Geht in Ordnung. Hier ist meine Visitenkarte. Wegen der Adresse.“

Am späten Abend, es war 23:30 Uhr kehrte ich in mein Apartment zurück. Ganz leise schloss ich die Tür auf, um meine kleine Schwester nicht zu wecken, die in ihrem Apartment nebenan schlief. Ich hatte mich gerade fertig für die Nacht gemacht, als Samantha neben mich trat. „Du warst ziemlich lange weg, Paul.“, sagte sie. „Ich hab noch eine Zeugin befragt.“ „Und das dauert bis halb zwölf? Komm schon Paul, du hast bestimmt mit der Lady gepoppt.“ „Sie kommt morgen Abend um 20:00 Uhr vorbei und bringt alle Dokumente mit, die mit Robert Burgstaller zusammenhängen. Es sind auch juristische Dokumente darunter, die du dir mal genauer ansehen solltest.“ „Alles klar. 20:00 Uhr.“

Der nächste Tag verlief weitgehend ruhig. Nach dem Frühstück ging ich ins Büro und sah mein E-Mail-Postfach durch. Eine Nachricht der Zulassungsstelle fiel mir sofort ins Auge. Der Opel Astra, der am Tag der Tat gesehen worden war, war auf einen Peter Löwitsch zugelassen. Ich begann mich zu fragen, ob dieser Löwitsch mehr als nur einmal der Komplize von Robert Burgstaller war. Doch zunächst galt es herauszufinden, was es mit diesen dubiosen Transaktionen auf sich hatte, die zur ersten Sperrung von Robert Burgstallers Konto geführt hatten.

Das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung war Gunter Seewald. „Hat Robert Burgstaller wieder zugeschlagen?“, fragte ich. „Noch nicht. Aber es wird Sie interessieren, dass er eine neue Lieferung Waffen bekommen hat. Wir haben die Übergabe beobachtet. Einem der Beamten, der am nächsten am Geschehen dran war, ist aufgefallen, dass der Wagen auf der Beifahrerseite vorne einen 11

fetten Kratzer hatte.“ „Kennzeichen?“ „OF-PL 4400. Wieso fragen Sie?“ „Weil es das Auto ist, aus dem Bülent Menemenci heraus erschossen wurde. Zugelassen auf Peter Löwitsch. Sagt Ihnen der Name etwas?“ „Und ob. Peter Löwitsch gehört zu den Reichsbürgern.“ „Reichsbürger?“ „Entschuldigen Sie, Mr. MacLain. Ich habe total vergessen, dass Sie Brite sind. Die Reichsbürger sind eine Gruppierung, die die Bundesrepublik Deutschland in ihrer heutigen Form nicht anerkennt. Für diese Leute existiert noch das Deutsche Kaiserreich von 1871. Innerhalb dieser Gruppe gibt es aber auch Gruppierungen, die der rechtsextremen Szene angehören und die das dritte Reich, das in der Zeit von 1933 bis 1945 existiert hat, als noch existent anerkennen. Und diese Splittergruppen sind gefährlich. Peter Löwitsch hat schon öfter für Robert Burgstaller Waffen beschafft.“ „Dann lassen wir ihn hochgehen. Wir sollten die Aktion bald durchziehen, ehe Robert Burgstaller davon Wind bekommt.“ „Einverstanden.“

Nachdem ich das Telefonat mit Kommissar Seewald beendet hatte, kam Ayhan Celik vorbei. „Was machen Ihre Ermittlungen?“ „Ich habe einiges interessantes herausgefunden. Der Astra, aus dem auf ihren Cousin geschossen wurde, gehört einem Reichsbürger namens Peter Löwitsch. Er ist auch Robert Burgstallers Waffenlieferant. Ich habe vor, ihn bald hochgehen zu lassen.“ „Sehr gut. Es gibt noch etwas, dass Sie wissen sollten. Robert Burgstaller hat gestern einen Brandanschlag auf ein Geschäft verübt, dass auf Reisekoffer und Einkaufswägelchen spezialisiert ist.“ „Ich hab davon gelesen. Wird Zeit, dass ich den Bastard zu Strecke bringe. Aber ich habe noch nicht genug Informationen um ihm eine Falle zu stellen.“

Um 19:30 Uhr kam dann meine Schwester Samantha in mein Büro. „Konntest du noch einige Informationen zusammentragen?“, fragte sie. „Ja. Aber es reicht noch nicht, um an Robert Burgstaller heran zu kommen. Ich muss mehr wissen.“ „Und von Frau Bachmann erhoffst du dir was?“ „Wenn ich weiß, wohin das Geld von Burgstallers Konto fließt, kann ich vielleicht auch seine Geldquelle trocken legen. Seinen Waffenlieferanten konnte ich ausfindig machen. Und den lasse ich bald hochgehen.“ „Was hast du vor?“ „Weiß ich noch nicht. Aber mir fällt was ein.“

Um 20:00 Uhr klingelte es an der Tür meines Büros. Ich betätigte den Türöffner, ließ aber die Tür meiner Detektei noch geschlossen. Erst als ich durch den Spion Angelika Bachmann vor der Tür stehen sah, öffnete ich. „Guten Abend, Miss Bachmann.“ „Guten Abend. Ich habe die Dokumente dabei.“ „Treten Sie ein. Darf ich Ihnen meine Schwester Samantha vorstellen?“ „Freut mich sehr. Hier sind die Dokumente.“ Samantha und ich sahen uns die Sachen an. Schließlich meinte Sam: „Sie hätten nicht vor diesem Schmierlappen von Anwalt den Schwanz einklemmen brauchen. Wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass die Transaktionen illegal sind, haben Sie das Recht, das Konto von Mr. Burgstaller zu sperren oder ganz zu löschen.“ „Danke für den Hinweis. Ich werde meiner Mitarbeiterin gleich morgen früh die Anweisung erteilen.“

Ich stieß einen leisen Pfiff aus. „Was gefunden?“, fragte Sam. „Und ob. Sämtliche Transaktionen von Robert Burgstallers Konto wurden auf ein 12

Kreditinstitut auf den Cayman Islands angewiesen. Der Empfänger ist ein gewisser Malcolm Griffin.“ „Der Name sagt mir nichts.“, sagte Angelika Bachmann. „Mir auch nicht, Bruderherz.“ „Aber mir. Malcolm Griffin ist Waffenhändler. Die meisten seiner Geschäfte sind illegal. Jetzt weiß ich, was ich wissen muss. Kann ich mir die Dokumente kopieren, Miss Bachmann?“ „Sicher.“ „Wenn ich nicht mehr gebraucht werde, werde ich mich nach nebenan verziehen.“ „Danke für deine Hilfe, Sam.“

Später, es war 22:45 Uhr, lagen Angelika Bachmann und ich in meinem Bett. Wir hatten noch miteinander geschlafen. „Kannst du mir einen Gefallen tun, Angie?“ „Alles, was du willst, Süßer.“ „Warte mit der Sperrung von Robert Burgstallers Konto, bis ich seinen Mittelsmann einkassiert habe.“ „Ich verstehe nicht ganz, Paul.“ Ich sah Angelika in die Augen und strich eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. „Die Sache liegt doch glasklar auf der Hand. Peter Löwitsch ist der Mittelsmann, über den die Bestellung abgewickelt wird. Robert Burgstaller gibt ihm den Auftrag bei Malcolm Griffin zu bestellen. Die Bezahlung übernimmt er selbst. Griffin liefert die Waffen an Peter Löwitsch und dieser übergibt sie an Robert Burgstaller.“ „Das leuchtet zwar ein, aber ich kann dir immer noch nicht ganz folgen.“ „Wenn ich Peter Löwitsch aus dem Verkehr ziehe, ist Robert Burgstaller gezwungen einen neuen Mittelsmann zu suchen. Außerdem muss er zu Malcolm Griffin Kontakt aufnehmen, um ihn über die neue Situation in Kenntnis zu setzen. Robert Burgstaller muss also auch seinen Lieferanten gefährden, um seinen Waffennachschub sicherzustellen. Wenn du ihm genau zu diesem Zeitpunkt den Zugriff auf sein Konto bei der Deutschen Bank entziehst, gerät er in ernsthafte Schwierigkeiten. Malcolm Griffin geht über Leichen, wenn er ein lukratives Geschäft in ernsthafter Gefahr sieht.“ „Jetzt verstehe ich. Einverstanden. Sag mir Bescheid, wenn du soweit bist, Babe.“

Am nächsten Morgen klingelte um 7:45 Uhr der Wecker. Zuerst dachte ich, dass ich die heiße Nacht mit Angelika nur geträumt hatte. Doch als ich sie neben mir liegen sah, wusste ich, dass wir tatsächlich die Nacht miteinander verbracht hatten. Ich wollte gerade aus dem Bett, als Angelika mich festhielt. „Wohin willst du denn so früh, Schätzchen?“, fragte sie. „Na arbeiten. Solltest du übrigens auch.“ „An meinem freien Tag? Nix gibt’s.“ Ich sah Angelika fragend an. „Heute werde ich durch meine Kollegin Renate Folkerts vertreten. Deswegen hab ich frei. Hoffentlich ruft Sie nicht an.“ Doch leider kam es anders. Angelikas Handy klingelte. Ich sah, wie sie entnervt die Augen verdrehte.

„Das war Renate. Es gab wieder eine Überweisung von Robert Burgstallers Konto auf das Konto auf den Cayman Inseln.“ „Wie viel?“ „480.000 €. Sie hat mir das Dokument auf mein E-Mail-Konto geschickt.“ „Kannst du es ausdrucken?“ „Sicher. Wenn ich an deinen Laptop kann.“ Nachdem Angelika mir das Dokument ausgedruckt hatte, wollte ich erst mal duschen. „Warum duschen wir nicht gemeinsam? Dann können wir uns noch mal sexuell amüsieren.“ „Du bist ja ganz schön sexsüchtig, Angie.“ „Ist das ein Wunder? Der letzte wirklich gute Sex liegt schon vier Jahre zurück.“ „Na hoppla.“ „Du siehst, ab und zu brauch ich das.“ Dann waren wir unter der Dusche. Angelika hatte mir ihre sexy Kehrseite 13

zugewandt. Ich stand hinter ihr und seifte sie ein. Als sich meine Hand zwischen ihre Beine verirrte, fing Angie an lustvoll zu stöhnen. „Mach weiter, Baby.“, sagte sie lustvoll.

Schließlich trieben wir es miteinander. Angelika schrie laut auf, während ich sie von hinten mit kräftigen Stößen nahm. „Oh Ja! Komm fick mich Paul! Los gibs mir! Oh Mann ist das geil!“ Als Angelika ihren Orgasmus hatte, stieß Sie einen lauten Schrei aus. Keine zwei Minuten später war ich dran , und ich verspritzte meinen Samen in ihrer Lustgrotte. „Alter Schwede, war das geil.“, sagte Angie völlig außer Atem. „Zugegeben, ich hatte auch meinen Spaß. Aber jetzt sollte ich mal wieder für mein täglich Brot tun.“ „Du bist ein Workaholic, weißt du das?“ „Mir scheint, du hast was vergessen.“, sagte ich. „So, und was sollte das sein?“ „Ich habe mein Detektivbüro gerade erst eröffnet. Und da muss ich zusehen, dass Geld reinkommt.“

Am frühen Nachmittag fuhr mich Angelika zum Polizeipräsidium, wo Kommissar Seewald arbeitete. „Na so was. Sie hier? Ich dachte, Sie wären zu Hause in Frankfurt.“, sagte er. „Ich habe von Angelika Bachmann ein paar Dokumente erhalten, die es uns ermöglichen, Robert Burgstallers Mittelsmann zu kassieren.“ „Peter Löwitsch ist nur ein kleiner Fisch. Ich weiß nicht recht, ob das eine gute Idee ist.“ „Ich habe bereits einen Plan ausgearbeitet. Denn diese Kontoauszüge haben mir den Namen von Robert Burgstallers Lieferanten verraten. Sagt Ihnen der Name Malcolm Griffin etwas?“ „Und ob. Das ist ne ganz miese Ratte. Der hat bei mehr Putschen seine Finger mit im Spiel gehabt, als Sie auch nur im Entferntesten erahnen können.“ „Malcolm Griffin ist Robert Burgstallers Lieferant. Peter Löwitsch ist der Verbindungsmann, über den die Bestellung abgewickelt wird.“

„Und was hat das mit ihrem Plan zu tun?“ „Ich dachte, das wäre vollkommen klar. Wenn wir den Verbindungsmann ausschalten, muss Robert Burgstaller die elementarste Regel im Waffengeschäft brechen.“ „Und wie lautet die?“ „Kontaktiere NIEMALS deinen Lieferanten persönlich.“ „Das heißt, Robert Burgstaller müsste Malcolm Griffin darüber informieren, dass sein Verbindungsmann geschnappt wurde.“ „Genau. Er wäre gezwungen seinen Lieferanten in Gefahr zu bringen. Und mit der Verhaftung von Peter Löwitsch beginnt Phase 1. Danach wird Frau Bachmann Robert Burgstallers Konto sperren. Und dann haben wir ihn am Kanthaken.“ „Das heißt, Sie spekulieren darauf, dass Robert Burgstaller sich zu einer unbedachten Aktion hinreißen lässt.“ „Ich spekuliere nie. Mr. Burgstaller wird sich zu einer vorschnellen Aktion verleiten lassen, wenn er nervös wird. Und ich werde dafür sorgen, dass er nervös wird.“

Es war 21:45 Uhr, als ich nach Hause kam. Ich hatte gerade meine Jacke an die Garderobe gehängt und den Laptop hochgefahren, als Samantha zu mir kam. „Ayhan Celik hat mich gefragt, wann du Robert Burgstaller endlich hinter schwedische Gardinen bringst.“ „Und was hast du ihm geantwortet?“, wollte ich wissen. „Dass er das mit dir klären soll. Er will morgen früh um 10:00 Uhr da sein.“ „Von mir aus. Aber Wunder soll er keine von mir erwarten. Außerdem soll er mir nicht vorschreiben, wie ich zu arbeiten habe.“ 14

Am nächsten Morgen kam Herr Celik pünktlich um 10:00 Uhr. „Wie lange soll ich noch auf das gewünschte Resultat warten?“, brüllte er mich an. „Mr. Celik, ich sage das in aller Deutlichkeit. Sie haben kein Recht, mir zu befehlen, wie ich vorzugehen habe. Außerdem kann ich Robert Burgstaller nicht einfach verhaften. Ich brauche Beweise.“ „Die haben Sie doch!“ „Ja, ich habe Beweise. Aber ich muss Robert Burgstaller festnageln. Die Aktion ist bereits geplant.“ „Wurde auch langsam mal Zeit. „Ich werde mir zuerst Peter Löwitsch vorknöpfen. „Sie sollen Burgstaller schnappen, dafür habe ich Sie schließlich engagiert.“ „Alles zu seiner Zeit.“, sagte ich. „Ich sollte Ihnen den Auftrag entziehen.“ „Tun Sie das. Aber dann bekomme ich von Ihnen die Hälfte des vereinbarten Honorars hier und jetzt cash on the desk ausbezahlt.“ „In Ordnung. Sie haben gewonnen. Also wie wollen Sie vorgehen?“ „Wie gesagt, ich werde mir zuerst Peter Löwitsch schnappen. Ich habe heraus gefunden, dass er Robert Burgstallers Verbindungsmann ist.“ „Inwiefern?“ „Herr Burgstaller bezieht seine Waffen von Malcolm Griffin. Peter Löwitsch gibt die Bestellung auf, Burgstaller bezahlt. Malcolm Griffin liefert die Ware an den Verbindungsmann, und dieser übergibt die Waffen an den Kunden.“ „So läuft das also.“ „Zumindest wenn die Geschäfte illegal sind. Wenn es mir gelingt, Peter Löwitsch festzusetzen, ist Robert Burgstaller gezwungen, die wichtigste Regel bei illegalen Waffengeschäften zu brechen. Er muss Malcolm Griffin persönlich von der Festnahme seines Verbindungsmanns unterrichten. Vielleicht bestellt er dann sogar erst mal selbst, denn es wird eine gewisse Zeit dauern, bis er adäquaten Ersatz für Peter Löwitsch gefunden hat.“ „Für ihre Aktion werden Sie aber einen Köder brauchen.“ „Und an wen haben Sie gedacht?“ „Die Nichte von Angelika Bachmann. Sie ist 25 und absolute Waffenliebhaberin.“

Ich saß gerade am Laptop um im Internet nach Handfeuerwaffen zu suchen, die für meine Falle geeignet waren, als es klingelte. Ich betätigte die Gegensprechanlage. „Paul MacLain.“, sagte ich. „Angelika Bachmann. Hast du Zeit für mich?“ „Ich mach auf.“ Ich betätigte den Knopf für den Türöffner. Nur kurze Zeit später hörte ich Schritte auf der Treppe. In der Wohnung setzte sich Angelika auf das Sofa. „Wo brennts denn?“ „Ich hab grad eben Ayhan getroffen. Er sah ziemlich verärgert aus. Was ist passiert?“ „Es geht ihm nicht schnell genug. Zugegeben, er ist mein Brötchengeber, aber hat er deshalb das Recht, mir vorzuschreiben, wie ich meinen Job zu machen habe?“ „Eigentlich nicht. Was hat eigentlich dein Gespräch mit Kommissar Seewald ergeben?“ „Er ist einverstanden mit meinem Plan, sich zuerst Peter Löwitsch zu krallen.“ „Da würdest du mir eine Riesenlast von der Schulter nehmen. Peter Löwitsch ist in letzter Zeit mir gegenüber sehr aufdringlich. Ständig stalkt er mich.“ „Und seit wann macht er das?“ „Seit ungefähr einem Monat. Irgendwie muss er erfahren haben, dass ich Sex mit dir hatte. Aber heute war er besonders aggressiv.“ „Was war denn los?“ „Peter Löwitsch kam in die Filiale gestürmt und hat mich vor Kunden aufs übelste beleidigt.“ „Was hat er denn gesagt?“ „Er hat „Ich bin enttäuscht von dir, Angie. Mit diesem schottischen Privatschnüffler steigst du ungeniert in die Kiste, und mich lässt du am ausgestreckten Arm verhungern. Du bist nichts weiter als eine billige Hure.“ zu mir gesagt. „Warst du mal mit ihm liiert?“ „Nein. Er hat es sich zwar gewünscht, aber ich 15

habe meine Grundsätze. Ich gehe keine Beziehungen mit Reichsbürgern und anderen Kriminellen ein.“

Angelika Bachmann war von Ayhan Celiks Idee, ihre Nichte als Lockvogel zu benutzen, alles andere als begeistert. Dennoch wollte sie mit ihr sprechen und sie bei ihrem nächsten Besuch mitbringen. Außerdem hatte sie nach Absprache mit Kommissar Seewald zwei Sporttaschen mit konfiszierten Geldern mitgebracht. „Soweit, so gut. Wann soll die Aktion starten?“, sagte sie. „Schon bald. Ich will, dass du und die anderen Bürger wieder ruhig schlafen könnt.“ „Apropos schlafen. Hättest du was dagegen, wenn ich heute hier übernachte? Nach der Pöbelattacke von vorhin, habe ich Angst nach Hause zu gehen.“ „Ist verständlich. Ich bin einverstanden. Du kannst heute hier bleiben.“ „Ich danke dir.“

Später am Abend kam dann noch meine kleine Schwester zum Abendessen vorbei. „Sorry, Bruderherz aber ich habe Frau Bachmann leider nicht zum Abendessen eingeplant.“ „Kein Problem. Ich habe schon gegessen. Zwei Pizzen.“ „Angie wird von Peter Löwitsch seit einiger Zeit belästigt. Kannst du sie vor Gericht vertreten?“ „Sicher. Als Nebenklägerin dürfte das kein Problem sein.“ Später nach dem Abendessen saßen wir zu dritt auf der Couch. Angelika hatte sich an mich gekuschelt und die Beine ausgestreckt. Ich hatte Samantha von meinem Gespräch mit Ayhan Celik und dessen Idee, Angelikas Nichte als Köder zu benutzen, berichtet. „Hat der noch alle Bananen an der Staude? Was ist, wenn was schief geht? Dann ist Angies Nichte in ernster Gefahr.“

Am nächsten Morgen, Angie und ich waren gerade fertig mit frühstücken, klingelte es. Als ich durch den Türspion blickte, staunte ich nicht schlecht. Vor der Tür stand Mick Doohan, der Schleimscheißer. Ich öffnete nur leicht. „Hi Paul. Lange nicht gesehen, was?“ „Ja. Und dabei wollen wirs auch belassen.“ „Nicht gerade die feine englische Art, einen alten Freund zu begrüßen.“ „Wir sind keine Freunde. Wir sind nie welche gewesen. Also was willst du?“ „Ich brauche deine Hilfe.“ „Meine Hilfe? Du hast wohl einen an der Klatsche, Mick.“ „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber ich hab läuten gehört, dass du hinter einem Neo-Nazi namens Robert Burgstaller her bist.“ „Und wenn schon, was hat dich das zu interessieren?“ „Hör mir doch erst mal zu, Paul.“ „Warum sollte ich, du Schleimscheißer? Deinetwegen saß ich drei Jahre unschuldig im Knast und Mikey liegt sechs Fuß unter der Erde. Ich trau dir keinen Zoll über den Weg, Mick. Also spuck aus. Wieso interessierst du dich für meinen Fall?“ „Weil ich der einzige bin, der verrückt genug ist, den Lockvogel zu spielen. Ich hab von der Idee von diesem Gemüsehändler gehört, die Nichte von deiner Bankerin als Köder zu benutzen. Eine Schwachsinnsidee, wenn du mich fragst.“ „Wenigstens in dem Punkt sind wir mal einer Meinung. Aber wie kommt es, dass du aus dem Knast raus bist? Wegen guter Führung haben Sie dich bestimmt nicht gehen lassen.“ „Dann lies dir dieses Schreiben mal durch.“, sagte Mick und gab mir einen Brief.

Als ich mit lesen fertig war kam ich nicht umhin Mick zu fragen. „Was soll der Scheiß?“ „Der Staatsanwalt hat mich dir als Lockvogel zugeteilt.“ „Hast du dem Kerl etwa Honig ums Maul geschmiert?“ 16

„Wie könnte ich? Ich wurde angefordert.“ „Und das soll ich dir glauben, Mick? Wer garantiert mir, dass das Schreiben nicht gefälscht ist?“ „Glaub mir, oder lass es. Fakt ist, dass der Staatsanwalt entschieden hat, dass ich den Lockvogel spielen soll. Also, was ist Paul? Hilfst du mir oder nicht?“ „Sag mir erst Mal, was du dir von mir erhoffst.“, sagte ich kühl. „Hast du schon eine Shopping Liste erstellt?“ „Ja natürlich. Was dachtest du denn?“ „Hätte ja sein können.“ „Hör mal zu du Meisenarsch, ich bin zwar nicht mehr der jüngste, aber eine Kalkleiste bin ich noch lange nicht.“ „Du sollst mir deine Liste aushändigen.“ „Na von mir aus. Hier, werd glücklich damit.“

Nach einer Woche, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, war es dann endlich soweit. Wir standen kurz davor Peter Löwitsch zu kassieren. Was aber nun meine Zielperson Robert Burgstaller betraf, so verhielt dieser sich verdächtig ruhig. Es war am frühen Morgen, als ich und ein Aufgebot der Polizei im Stadtwald von Neu-Isenburg an der Oberschweinstiege wartete. Mick Doohan war auch schon auf seinem Posten. Um 9:15 Uhr kam dann Peter Löwitsch mit seinem Opel Astra. „Guten Morgen Mr. Löwitsch.“ „Schönen guten Morgen, Herr Doohan. Haben Sie das Geld dabei?“ „Ja das habe ich. Aber erst möchte ich meine Ware sehen.“ „Gerne.“ Peter Löwitsch nahm eine Walther P22 und gab sie Mick. „Wollen Sie die Waffe mal testen, Herr Doohan?“ „Warum nicht?“

Mick feuerte einen Schuss auf einen Ast an einer Douglasie ab. Dann nickte er anerkennend. „Ein Schmuckstück, dass muss ich sagen.“ Auf genau diesen Augenblick hatte ich gewartet. Denn das Wort „Schmuckstück“ war das Codewort für den Zugriff. Mit vorgehaltenen Waffen stürmten wir aus unseren Verstecken. „Keine Bewegung! Hände über den Kopf!“, befahl ich. „Du miese, schottische Ratte, du hast mich reingelegt!“ Peter Löwitsch entriss Mick die Walther und richtete sie auf ihn. „STIRB DU RATTE!“, brüllte er und drückte ab. Mick war auf der Stelle tot. Danach warf Löwitsch die Waffe auf den Boden und ließ sich widerstandslos festnehmen. Im Polizeipräsidium ließ mich Kommissar Seewald das Verhör führen, obwohl ich als Zivilist eigentlich nicht dazu berechtigt gewesen wäre. Doch Peter Löwitsch hatte gegenüber Kommissar Seewald geschwiegen. „Von mir werden auch Sie nichts erfahren.“, sagte Robert Burgstallers Verbindungsmann. „Ganz wie du willst. Dann verfahre ich mit dir, wie wir es beim SAS gemacht haben. Ich reiß dir die Nägel einzeln aus.“

Diese Androhung reichte schon aus, um diesem Reichsbürger die Zunge zu lösen. Peter Löwitsch plauderte aus dem Nähkästchen. Wie er Robert Burgstaller kennen gelernt und für ihn die Waffendeals ausgehandelt hatte. „Was mich am brennendsten interessiert, warum hat Robert Burgstaller gezielt Türken ermordet.“ „Weil er Ausländer nicht leiden kann. Er hat einmal gesagt, er hätte den Auftrag erhalten, jeden Türken im Rhein-Main-Gebiet abzuknallen.“ „Und wer soll ihm den Auftrag erteilt haben?“, fragte ich nach. „Hat er nicht gesagt.“ „Soso. Und welche Partei wählt Mr. Burgstaller?“ „AfD, was denn sonst?“ „Deshalb auch dieser Hass auf Ausländer wie?“ „So ungefähr.“ „Na schön. Dann wäre soweit alles geklärt. Wenn Sie vor Gericht umfassend aussagen, können Sie eventuell auf Strafmilderung hoffen. Wobei eine besondere Betonung auf „EVENTUELL“ liegt.“ 17

Mein nächster Schachzug bestand darin, Robert Burgstaller aus seinem Versteck zu locken. Ich war mir sicher, dass er versuchen würde, so schnell wie möglich eine neue Bestellung an Malcolm Griffin aufzugeben. Also schickte ich eine kleine Notiz an die Zeitungsverlage. Auf Meldungen in den Abendnachrichten im TV verzichtete ich aus Sicherheitsgründen. Ich wollte vermeiden, dass Robert Burgstaller mein Gesicht zu sehen bekam.

Es war 18:00 Uhr, als ich in mein Apartment in Frankfurt-Niederrad zurückkehrte. Ich konnte mit dem Tag ganz zufrieden sein, hatte ich doch einen ersten Erfolg erzielt. Doch die 5.000 Euro hatte ich erst in der Tasche, wenn ich auch Robert Burgstaller aus dem Verkehr gezogen hatte. Um 18:45 Uhr klingelte es an meiner Tür. Wer mochte das wohl sein, fragte ich mich. „Paul MacLain, mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte ich durch die Gegensprechanlage. „Angelika Bachmann. Ich hab von deinem Erfolg gehört und dachte, dass wir das zusammen feiern.“ „Okay, ich mach auf.“

Nur kurze Zeit später saßen Angie und ich auf meiner Couch. Vor uns standen zwei Flaschen Sekt und zwei gefüllte Gläser. „Jetzt, wo du Peter Löwitsch eingesackt hast, wie geht es weiter?“ „Jetzt könnte man Phase 2 anlaufen lassen, und Robert Burgstallers Konto sperren. Aber das ist noch zu früh. Er muss erst Malcolm Griffin kontaktieren, ehe du die Sperrung veranlasst.“ „Sagst du mir Bescheid?“ „Du kannst dich auf mich verlassen.“ „Okay. Aber jetzt könnten wir beide uns doch eigentlich noch ein bisschen amüsieren. Findest du nicht?“ „Du meinst jetzt aber nicht Sex, oder?“ „Natürlich. Ich finde so einen Erfolg, wie den von heute sollte man nicht nur mit einem Gläschen Sekt und Small Talk feiern.“ „Und was schwebt dir so vor?“ „Verrate ich dir gleich. Aber jetzt zieh mich bitte erst mal aus.“

Keine 5 Minuten später lagen wir auf dem Boden und küssten uns leidenschaftlich. Angie hatte mit ihrer rechten Hand mein bestes Stück so lange massiert, bis es ganz steif war. Nun rieb ich meinen Penis an ihrer Scham und stimulierte sie. „Oh Paul, ich halts nicht mehr aus. Schieb ihn mir rein und fick mich.“ „Wenn du mich schon so lieb darum bittest.“

Und während ich mich mit Angelika amüsierte, druckten die Verlage bereits die Ausgaben für den morgigen Tag. Meine Geschichte war eine Meldung auf der Titelseite wert. „Verbindungsmann von mutmaßlichem Neonazi-Killer verhaftet.“, lautete die Schlagzeile. Auf Seite 3 erschien dann auch ein ausführlicher Artikel über die Verhaftung von Peter Löwitsch.

In der Zwischenzeit hatten Angelika und ich uns in mein Badezimmer zurückgezogen. Auf ihren Wunsch hin hatte ich die Sektflaschen mitgenommen. Was damit passieren sollte, hatte Angie mir nicht verraten. Erst, als sie in meiner Badewanne Platz genommen hatte, rückte sie mit dem Grund raus, was mit den Sektflaschen geschehen sollte. Zumindest mit deren Inhalt. „Schütte mir den Inhalt aus der angebrochenen Flasche zwischen meine Brüste.“, sagte sie. „Mit Lebensmitteln spielt man nicht.“ „Bitte.“, flehte sie und setzte ihren 18

Dackelblick auf. Das ich da schwach wurde, lag auf der Hand. Also nahm ich die angebrochene Sektflasche und ließ den Sekt zwischen ihren Brüsten entlang laufen.

Als am nächsten Tag die Tageszeitungen erschienen, ging meine Rechnung auf. Ayhan Celik rief um 8:10 Uhr an und fragte, ob er vorbei kommen könnte. Er wollte eine Ausgabe der neuesten Zeitung mitbringen. Um 9:25 Uhr kam Ayhan Celik dann vorbei. „Mir scheint, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Mr. MacLain. Sie hatten Recht, was Ihre Vorgehensweise angeht. Haben Sie heute schon die Zeitung gelesen?“ „Bin noch nicht dazu gekommen.“ „Dann lesen Sie mal.“, sagte Ayhan Celik und reichte mir die druckfrische Ausgabe der Frankfurter Rundschau. „Na das läuft doch wie am Schnürchen. Jetzt muss Robert Burgstaller nur noch Malcolm Griffin kontaktieren, und dann geht Phase 2 meiner Aktion los.“ „Die Sperrung seines Kontos.“ „Richtig. Und dann hab ich ihn.“

Robert Burgstaller hatte genauso reagiert, wie ich es erwartet hatte. Denn nachdem er von der Verhaftung seines Verbindungsmannes Peter Löwitsch erfahren hatte, rief er sofort Malcolm Griffin an. Das sein Handy abgehört wurde, interessierte ihn nicht. Malcolm Griffin war alles andere als begeistert über diesen Anruf. „Was wollen Sie, Mr. Burgstaller? Sie wissen doch ganz genau, dass Sie mich nicht kontaktieren sollen.“ „Peter Löwitsch, mein Verbindungsmann, wurde gestern von der Polizei verhaftet.“ „Das ist jetzt wohl ein verfrühter Aprilscherz.“ „Leider nicht. Ich hab es gerade durch einen Artikel in der Frankfurter Rundschau erfahren. Und die recherchieren sehr gründlich. Außerdem wurde als Quelle das Polizeipräsidium Neu-Isenburg genannt.“ „In diesem Fall lasse ich mal Gnade vor Recht ergehen. Aber beim nächsten Mal gibt’s eins aufs Dach. Ihr Verbindungsmann hätte mal ein bisschen besser aufgepasst.“ „Das ist noch nicht alles. Ich habe gehört, dass ein schottischer Privatschnüffler den Mord an Bülent Menemenci untersucht. Ist wohl ein ehemaliger SAS-Offizier.“ „SAS? Seien Sie bloß vorsichtig. Mit den Kerlen ist nicht zu spaßen.“

Später am Tag rief mich Kommissar Seewald an. „Wissen Sie schon das neueste, Mr. MacLain?“, fragte er. „Nein.“ „Robert Burgstaller hat Malcolm Griffin über die Verhaftung von Peter Löwitsch informiert. Aber anscheinend weiß er, dass Sie ihn jagen.“ „Solange er nicht meinen Namen weiß, ist der Schaden minimal.“ „Passen Sie auf, dass daraus kein Kollateralschaden wird.“ „Keine Sorge. Zeit für Phase 2 meiner Operation.“ „Was genau haben Sie vor?“ „Ich werde Frau Bachmann anweisen, Robert Burgstallers Konto zu sperren.“ „Perfekt. Sie sind ja ein ganz gerissener Fuchs.“ „Ich tu nur meinen Job.“ Angie kam in die Küche. Außer einem Paar halterloser, schwarzer Nylonstrümpfe trug sie nichts. „Wer war denn dran?“, fragte sie und setzte sich auf meinen Schoß. „Kommissar Seewald. Robert Burgstaller hat seinen Waffenlieferanten über die Verhaftung von Peter Löwitsch informiert. Du kannst das Konto von Herrn Burgstaller sperren.“ „Wird erledigt.“

Ein kurzer Anruf von Angelika Bachmann in der Filiale reichte aus um die Sperrung zu veranlassen. Da eine Racheaktion von Seiten Burgstallers zu befürchten war, bestand ich darauf, Angelika am Tag darauf in die Bank zu begleiten. 19

Und so geschah es dann auch. Um 8:00 Uhr betrat Angie in meiner Begleitung die Bankfiliale der Deutschen Bank in Neu-Isenburg. „Wurde die Sperrung von Robert Burgstallers Konto ausgeführt?“, fragte sie ihre Mitarbeiterin Fatma Yilmaz. Das Konto ist gesperrt, wie von Ihnen angeordnet, Frau Bachmann.“ „Sehr gut.“

Keine 20 Minuten später erschien Robert Burgstaller in Begleitung seines Rechtsanwalts. Dieser Mann war hochgewachsen, hatte braune Haare, die an der Stirn einen Scheitel bildeten und einen Schnauzbart. Bekleidet war er mit einem dunkelblauen Anzug, einem weißen Hemd und einer dunkelblauen Krawatte. Ganz Anwalt trug er schwarze Lackschuhe. An seinem linken Handgelenk trug er eine goldene Rolex. „Frau Bachmann. Ich muss sagen, dass ich von ihrem Verhalten doch sehr enttäuscht bin. Sie haben zum zweiten Mal eine Sperrung des Kontos, meines Mandanten ohne jegliche Art von Begründung veranlasst. Sie haben 72 Stunden, um das Konto meines Mandanten wieder freizugeben. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, juristisch gegen Sie vorzugehen.“ „Herr Volkmann. Unsere Bank hat Grund zu der Annahme, das über das Konto ihres Mandanten illegale Transaktionen vorgenommen werden. Aus diesem Grund sehen wir uns zu dieser Maßnahme gezwungen und werden Ihrer Forderung nicht nachkommen. Das Konto bleibt eingefroren.“

„Warten Sie bitte draußen.“, sagte Robert Burgstaller zu seinem Anwalt. „Hey Du!“, brüllte der Neonazi Frau Yilmaz an. „Meinen Sie mich?“ „Ja, ich meine dich, du Türken-Schlampe! Komm hinter dem Tresen vor. Aber zackig!“ Fatma Yilmaz gehorchte. „Runter auf die Knie!“ Doch die Türkin weigerte sich. „WIRDS BALD?“, sagte Robert Burgstaller und zog eine Walther CCP. Fatma Yilmaz kniete sich auf den Boden. „Hände auf den Rücken! Aber hurtig! Wenn du wieder nicht spurst Türken-Schlampe, dann kannst du was erleben!“ Frau Yilmaz verschränkte ihre Hände auf dem Rücken. „Und jetzt ist es Zeit zu sterben, Türken-Schlampe!“, sagte Robert Burgstaller und richtete Fatma Yilmaz mit einem Kopfschuss hin. „Das war erst der Anfang! Jetzt werde ich diese Bankfiliale niederbrennen und ein Exempel statuieren!“ „Einen Dreck wirst du, Nazi-Schwein!“ „Was mischen Sie sich da ein? Wer sind Sie überhaupt, dass Sie es wagen, mich rassistisch zu beleidigen?“ „Mein Name ist MacLain. Paul MacLain. Ich bin Privatermittler. Und wo wir gerade von rassistischen Beleidigungen reden, die Ihren waren rassistisch.“ „Mann halt dein dummes Maul. Scheiß Tommy-Schnüffler!“ „Sei mal nicht so vorwitzig, du verdammter Kraut!“

Ich hatte mein Ziel erreicht. Robert Burgstaller zückte ein Springmesser und griff an. Ich wich aus, packte sein Handgelenk und bog es nach unten. Vor Schmerzen ließ Burgstaller die Waffe fallen. Doch seinem Angriffsschwung schadete das nicht. Nun hieß es, den richtigen Augenblick abzuwarten. Als er auf mich zustürmte, verpasste ich dem Neo-Nazi aus der Aufwärtsbewegung heraus einen kräftigen Kinnhaken, der ihn von den Beinen holte. Rasch war ich bei Ihm und verdrehte seine Arme auf dem Rücken.

Eine Woche später, machte man Robert Burgstaller den Prozess. 20

Aufgrund der erdrückenden Beweislage wurde er des vierfachen Mordes und vorsätzlicher Brandstiftung für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Ein psychologisches Gutachten hatte ergeben, dass Robert Burgstaller eine dauerhafte Gefahr für das deutsche Volk darstellte.

Einen Tag, nachdem Robert Burgstaller, nun bekannt unter dem Spitznamen „Der Scharfschütze von Neu-Isenburg“, verurteilt worden war, kam Ayhan Celik in meinem Büro vorbei und übergab mir 10 500-Euro-Scheine mit einer Folienbanderole. „Sie haben sich das Geld redlich verdient.“, sagte er. „Also habe ich den Job zu Ihrer Zufriedenheit erfüllt?“ „Zu meiner vollsten Zufriedenheit. Im Nachhinein schäme ich mich für meine Ungeduld, und das ich an Ihrer Vorgehensweise gezweifelt habe. Ich hätte Ihnen mehr Vertrauen entgegen bringen sollen.“ „Schwamm drüber. Sie haben sich entschuldigt und damit ist die Sache erledigt.“ „Haben Sie eigentlich schon die Zeitung gelesen?“ „Heute morgen zum Frühstück.“ „Sie sind der Held des Tages.“ 21

2. Fall - Die gestohlene Steuerungssoftware

2. Fall – Die gestohlene Steuerungssoftware

Mein nächster Fall war ein ganz anderes Kaliber. Was auf mich zukam, konnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen. Mein Tag begann wie jeder andere auch. Frühstück mit meiner jüngeren Schwester Samantha. Danach ein kurzer Abstecher im Autohaus um die Ecke, um an meinem Auto zu arbeiten. Ich hatte mir einen Opel Diplomat Baujahr 1974 zugelegt.

Der alte Opel hatte sich als totale Baustelle entpuppt. Die Seitenbleche vorn und hinten waren auf beiden Seiten vom Rost nahezu zerfressen. Die Reifen waren platt, das Vinyldach war ebenfalls in einem desolaten Zustand. Der großvolumige V8-Motor hatte auch eine Überholung nötig, genau wie der Auspuff. Das Fahrwerk des Diplomat hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Doch Kopf in den Sand stecken gab es bei mir nicht. Mein Großvater väterlicherseits Brandon, hatte mich in meiner Kindheit oft an seinem alten Morris Minor schrauben lassen und mir so mein technisches Wissen vermittelt. Es gab keinen Motor, den ich nicht hätte reparieren können.

An diesem Tag hatten Giovanni, der Betreiber, und ich die alten Bleche abmontiert und den Rest mit einem Sandstrahler abgeschliffen. Danach hatten wir neue Bleche zugeschnitten und mit einer von Giovanni entwickelten Presse in Form gepresst. Danach war ich in mein Büro gegangen und hatte zuerst mein E-Mail-Postfach durchgesehen. Doch wie immer herrschte gähnende Leere. Also fuhr ich meinen Privat-Laptop hoch und rief mein Lieblingslesezeichen auf. Ein Erotikspiel mit dem Namen „Katarina – The Generals Daughter“. Ich hatte die schöne rothaarige Generalstochter anal durchgefickt und abgespritzt, als es an meiner Tür klingelte. Wer mochte das nun wieder sein? „Paul MacLain, mit wem habe ich die Ehre?“ „Susan Adkins. Ich würde gerne mit Ihnen sprechen.“ „Kommen Sie rauf.“

Die Frau, die mein Büro betrat war echt eine Augenweide. Lange rote Haare die bis zu ihrem Gesäß reichten, ein sexy Körper, üppige Brüste. Ihre sinnlichen Lippen waren auch nicht zu verachten. Dazu kam eine hübsche Nase und ein ovales Gesicht. Ihre grünen Augen schienen Verführung pur zu sein. Dann fiel mir das Tattoo auf, das Miss Adkins seitlich ihrer linken Brust besaß. Bekleidet war mein Gast mit einem roten Minikleid, roten halterlosen Nylonstrümpfen und Schuhen mit flachen Absätzen. „Bitte setzen Sie sich, Miss Adkins.“ „Danke. Ich bin die persönliche Assistentin von Miss Tamara Alistair. Der Gründerin und Inhaberin von Alistair Software Solutions.“ „Der Name sagt mir was. Die Firma bietet doch Computerprogramme für die Steuerung von Flugzeugen an. Nicht wahr?“ „Ja, das stimmt. Wir haben ein neues Steuerungsprogramm, für Großraumflugzeuge mit dem Namen Starflight One kurz vor der Serienreife.“ „Miss Alistair hat Sie ja nicht ohne Grund zu mir geschickt.“ „Sehr richtig. Vor rund einer Woche wurden aus unserem Hauptquartier in Chicago, Illinois, sämtliche Unterlagen und der Prototyp gestohlen.“ „Worin würde meine Aufgabe bestehen, sollte ich mich dazu entschließen, mich der Sache anzunehmen?“ „Sie haben lediglich die Aufzeichnungen und den Prototypen wieder zu beschaffen. Sollte es aber hart auf hart kommen, 22

so sind Sie ermächtigt, jedes Mittel einzusetzen, um den Auftrag zu Ende zu bringen.“

„Und wie sehen die preislichen Vorstellungen Ihrer Chefin aus?“, fragte ich. „Diesen Punkt klären Sie bitte mit Miss Alistair. Ich bin nur befugt, Ihnen mitzuteilen, was vorgefallen ist und Sie um Hilfe zu bitten. Sollten Sie annehmen, so soll ich Ihnen diesen Umschlag übergeben.“ Susan Adkins schob einen Umschlag über den Schreibtisch. „In diesem Umschlag befinden sich 15.000 €, um Ihre Reisekosten zu decken.“ „Ich bin einverstanden. Wann kann ich mit Miss Alistair hier in meinem Büro rechnen?“ „Machen Sie einen Vorschlag, Mr. MacLain. „Morgen früh um 10:00 Uhr.“ „Ist geritzt.“ „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Miss Adkins?“ „Nun, wo das geschäftliche besprochen ist, würde mich gerne noch ein bisschen mit Ihnen amüsieren, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“

Ich ahnte, was Susan Adkins wollte. Am nächsten Morgen klingelte es pünktlich um 10:00 Uhr an meiner Bürotür. In Begleitung ihrer persönlichen Assistentin Susan Adkins betrat Tamara Alistair mein Büro. „Miss Alistair, es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Bitte setzen Sie sich doch.“ „Ich danke Ihnen, Mr. MacLain. Miss Adkins hat mir berichtet, dass Sie bereit sind, den Auftrag zu übernehmen.“ „Das bin ich in der Tat. Was wären Sie bereit zu zahlen?“ „Wenn Sie die Aufzeichnungen und den Prototypen unseres Steuerungsgerätes heil zurückbringen, 45.000 €. Wenn Sie unserem Konkurrenten noch Schaden zufügen können, kommen noch einmal 80.000 € dazu.“ „Wen haben Sie denn im Verdacht, Miss Alistair?“ „Der Mann, den wir im Verdacht haben, heißt Charles Kang. Ihm gehört die Kang Software Enterprises. Es wird gemunkelt, dass er nur deshalb so erfolgreich ist, weil er seinen 23

Mitbewerbern reihenweise die Ideen stiehlt.“ „Wo hat er seinen Firmensitz?“, fragte ich. Es war Susan, die antwortete. „In Tianjin.“ „Na schön. Können Sie mir irgendwelche Namen nennen, beispielsweise von Informanten, die kontaktieren kann?“ „Ich lasse Ihnen eine Liste aller uns wohlgesonnenen V-Leute zukommen, und wo Sie sie finden.“, sagte Tamara Alistair und stand auf.

Nun hatte ich die Möglichkeit, mir meine Klientin genauer anzusehen. Tamara Alistair hatte dunkelbraune Haare, die bis zu ihren prallen Brüsten reichten. Sie war 1,74 m groß und hatte einen Körper, der kein Gramm Fett zu viel hatte. Ihre braunen Augen blickten verführerisch drein und passten perfekt zu ihrem ovalen Gesicht. Ebenso die sinnlichen Lippen und die hübsche Nase. Ihre Haut war schön gebräunt. Bekleidet war Tamara Alistair mit einem fliederfarbenen Kleid und schwarzen Sandaletten. „Eine Frage noch, Miss Alistair.“ „Bitte, ich höre.“ „Wie sind sie eigentlich auf mich aufmerksam geworden?“ „Wir haben den Artikel über den Scharfschützen von Neu-Isenburg gelesen. Und deshalb dachten wir, dass Sie genau der richtige für diesen Job sind.“

Später am Tag kam Susan noch einmal vorbei und brachte die Liste mit. Ich wollte gerade reinschauen, als sie die Hand zurückzog. „Nicht so hastig. Glaubst du wirklich, dass ich dir die Liste gebe und gleich wieder verschwinde? Garantiert nicht. Ein bisschen Spaß muss schon sein. Findest du nicht?“ „Was genau schwebt dir vor?“ „Dasselbe wie gestern. Analsex.“ „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Susan verdrehte entnervt die Augen. „Muss das sein?“ „Ja. Ich will nicht unvorbereitet in diesen Fall starten. Außerdem weißt du, wer von den Leuten wichtig ist, und wer nicht.“ „Okay, okay. Du hast gewonnen.

Es war 19:45 Uhr, als Susan Adkins mein Büro verließ. Ich ging in mein Apartment und ging mir noch einmal im Geist das Gespräch mit Susan durch. Ich würde zuerst mein Glück in Südkorea versuchen. Mein dortiger Kontaktmann war ein gewisser Philipp Zang. Ich sollte ihn in Seoul in einem Nachtclub namens Bonita treffen. Als Erkennungszeichen sollte ich einen weißen Anzug mit roter Krawatte tragen. Na toll! Ich und Anzüge. Schließlich klopfte es an der Verbindungstür. Es war Samantha, die mit mir zu Abend essen wollte. Heute sollte es mal ein deutsches Gericht geben. Rouladen mit Semmelknödeln. „Hast du einen neuen Fall?“, fragte Sam, als wir die Rouladen zubereiteten. „Ja.“ „Wer ist es?“ „Tamara Alistair.“ „Die Chefin von Alistair Software Solutions?“ „Genau. Jemand hat die Aufzeichnungen und den Prototyp eines neuen Steuerungsgerätes gestohlen. Sie vermutet einen Konkurrenten aus China hinter dem Diebstahl.“ „Wie sieht dein Plan aus aus?“ „Ich fliege nächste Woche nach Seoul und treffe dort einen Informanten. Einen Mann namens Philipp Zang.“ „Brauchst du etwas dafür?“ „Einen weißen Anzug und eine rote Krawatte.“ „Verstehe. Morgen hab ich frei, da können wir shoppen gehen.“ „Und was schwebt dir vor?“ „Lass dich überraschen, Bruderherz.“

Am nächsten Morgen fuhren Samantha und ich zunächst in die Innenstadt und kauften bei C&A einen weißen Anzug, ein schwarzes Seidenhemd und eine rote Krawatte. Bei Deichmann dann noch weiße Lackschuhe. 24

Die Woche darauf machte ich mich dann auf den Weg nach Seoul. Um 11:00 Uhr startete mein Flug und nach einer Flugzeit von 9 Stunden und 2 Minuten landete ich auf dem Incheon International Airport. Ein Shuttle Bus brachte mich zu meiner Unterkunft, dem Gangnam Family Hotel. Nach dem ich mein Zimmer bezogen hatte, machte ich mich erst mal frisch und ging dann ins Restaurant um etwas essen. Zugegeben, der Magen hing mir bis zu den Kniekehlen.

Am nächsten Morgen ging ich erst mal im Hotel frühstücken. Danach ging ich ins Bonita um mir für später den Weg merken zu können. Der Hotelmanager hatte mir ein Foto von Philipp Zang mitgegeben. Es zeigte einen Mann mit langen schwarzen Haaren, einem schwarzen Schnauzbart und einem schwarzen Kinnbart. Der Mann war ca. 1,80 m groß und war athletisch gebaut. Wie mir der Manager auch verriet, war Mr. Zang ein Kollege von mir.

Um 11:00 Uhr kam ich den Club. Ein Mann saß am Tresen und trank Kaffee. Ich setzte mich neben ihn. „Einen Tee bitte. Earl Grey mit Zitrone.“, sagte ich. Der Mann hatte mich wohl bemerkt, denn er zückte ein Stilett und ließ die Klinge herausspringen. Ich sah mir mein Gegenüber genau an. Kein Zweifel, der Mann, der mir das Stilett unter die Nase hielt, war kein geringerer als Philipp Zang. „Was wollen Sie?“, fragte er barsch. „Zuerst sollte ich mich wohl vorstellen, Mr. Zang. Mein Name ist MacLain. Paul MacLain. Ich bin Privatermittler von Beruf.“ „Für welche Detektei arbeiten Sie?“ „Ich arbeite für das Detektivbüro MacLain. Ich habe nämlich das Glück, mein eigener Chef zu sein.“ „Soso. Was tun Sie hier in Seoul?“ „Ich bin im Auftrag von Tamara Alistair unterwegs.“ „Sagten Sie Tamara Alistair?“, fragte Philipp Zang. „Ja. Wieso?“ „Ich bin einer ihrer Informanten. Normalerweise werde ich im Vorfeld von Miss Alistair oder ihrer persönlichen Assistentin Susan Adkins informiert, dass ich jemanden treffen soll.“ „Und das war dieses Mal nicht der Fall?“ „Nein. Wie lange arbeiten Sie schon für Miss Alistair?“ „Seit letzter Woche.“ „In Ordnung. Heute Abend 21:00 Uhr wieder hier.“

Am Abend ging ich wieder ins Bonita. Dieses Mal hatte ich meinen weißen Anzug, das Seidenhemd, sowie die rote Krawatte an. Dazu trug ich schwarze Socken und meine weißen Lackschuhe. Ich hatte gerade mein Hotel verlassen, als ich bemerkte, dass mir eine Frau folgte. Ich schätzte ihr Alter auf 20 bis 22 Jahre. Die Größe auf 1,56 m. Die unbekannte Schöne hatte dunkelbraune Haare, die über die Schultern bis zu ihren üppigen Brüsten reichten. Das ovale Gesicht mit den sinnlichen Lippen und der hübschen Nase war ein Hingucker, wie ich zugeben musste. Bekleidet war sie mit einem roten Paillettenkleid und roten Plateauschuhen. Ihre Augen hatte die Unbekannte hinter einer Sonnenbrille verborgen.

Als ich das Bonita betrat, hielt ich unauffällig nach Philipp Zang Ausschau. Ich fand ihn in einer Nische. Auf dem Weg dorthin sah ich mich unauffällig nach meiner Verfolgerin um. Auch sie hatte den Club betreten. Doch statt mir zu folgen, setzte sie sich an den Tresen. Wer war sie? „Ist Ihnen jemand gefolgt?“, fragte Mr. Zang. „Ja. Sehen Sie die Brünette mit dem roten Paillettenkleid und den Plateauschuhen da am Tresen?“ „Ist nicht zu übersehen, die Kleine.“ 25

„Seit ich das Hotel verlassen habe, hängt sie an mir, wie eine Klette. Kennen Sie die Lady?“ „Und ob. Seien Sie auf der Hut, Herr Kollege. Ihre Lady in Red ist keine geringere als Jelena Romanova. Sie hat mal zur Elitetruppe des russischen Geheimdienstes, den Speznas gehört. Wurde vor zwei Jahren entlassen, weil der Etat ihre Stelle nicht zugelassen hat. Seitdem hält sie sich mit Gelegenheitseinsätzen über Wasser. Mal ist sie hier, mal ist sie dort.“ „Soviel zur Lady in Red. Aber ihretwegen wollte ich Sie nicht sprechen. Miss Alistair hat den Verdacht, dass Charles Kang hinter dem Diebstahl der Unterlagen und des Prototypen für das neue Starflight-One-Steuerungsgerät steckt. Was wissen Sie über ihn?“

„Charles Kang. Geboren am 28.12.1955 in Tianjin. Sein Vater war Astrophysiker, seine Mutter Chemielaborantin. Hat in Oxford EDV studiert. Hat nach dem Studium bei einem Softwareunternehmen für PC-Spiele gearbeitet. Hat aber schon früh Ansätze von Skrupellosigkeit gezeigt.“ „Inwiefern?“ „Er hat die Ideen seiner Kollegen annektiert und als seine eigenen ausgegeben. Die Lorbeeren hat dann selbstverständlich Charles Kang kassiert und die anderen sind leer ausgegangen.“ „Ich schätze, diese Methode hat er bis heute beibehalten.“ „Das hat er in der Tat. In den 80er Jahren hat er entdeckt, dass sich mehr Geld mit der Programmierung von Steuerelementen für Flugzeuge verdienen lässt, als mit dem Programmieren von Spielen. Er steht in dem Ruf, nur die besten der Besten anzuheuern. Aber wehe, einer dieser hellen Köpfe zieht ein Angebot eines Konkurrenten vor, dann kennt Charles Kang keine Gnade.“

„Wie reagiert er dann?“, fragte ich. „Er hat meistens einen sogenannten Maulwurf in den jeweiligen Unternehmen platziert, die die Zielpersonen auf Schritt und Tritt überwachen und die ihm dann über deren Projekte Bericht erstatten. Wenn ein solches Projekt kurz vor der Serienreife steht, wie in unserem Fall das Starflight One-Projekt, dann wird es für Charles Kang interessant. Er hat noch ein Team für Außeneinsätze, dass dann in Aktion tritt. Meistens reicht ein Mann aus. Er hat mehrere Spezialisten für Diebstähle. Aber wenn es ein Unternehmen in den USA ist, schickt er meistens seinen besten Mann.“ „Und wer ist das?“ „Man nennt ihn „Den schwarzen Ninja“. Aber den richtigen Namen dieses Mannes kennt nur eine.“ „Wer ist die Dame?“ „Ihr Name ist Kelly Ling. Sie finden sie im Pattaya Beach. Ist einer der angesagtesten Nachtclubs in Pattaya. Sie arbeitet dort als Sängerin. Aber ich sage Ihnen gleich, Mr. MacLain, die Lady ist eine harte Nuss.“ „Inwiefern?“ „Bevor Kelly Ling redet, müssen Sie erst mal eine heiße Nacht mit ihr verbringen.“ „Das heißt im Klartext Informationen gegen Sex.“ „Genau das.“

Ich blieb noch drei Tage in Seoul, ehe ich mich nach Pattaya aufmachte. Um 10:35 Uhr Ortszeit startete mein Flug von Incheon nach Pattaya, wo ich um 21:10 Uhr auf dem U-Tapao Flughafen landete. Von dort aus ging es mit einem Shuttlebus zu meinem Hotel. Ich hatte mich für das Sunshine Vista Hotel entschieden. Nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, machte ich mich erst mal frisch und ging im Restaurant etwas essen. Danach ruhte ich mich erst mal aus, damit ich für den nächsten Tag fit war. Am nächsten Morgen frühstückte ich erst mal, bevor ich mich dann auf den Weg zum Pattaya Beach machte, in der Hoffnung, Kelly Ling bei 26

ihrer Probe für den Abend anzutreffen. Doch zu meiner Enttäuschung war sie nicht im Club. „Miss Ling übt nie hier. Ist zu gefährlich.“, sagte der Barkeeper. „Wieso gefährlich?“ „Böse Männer treiben sich hier herum. Suchen hübsche Thai-Frauen, um sie als Sex-Sklavinnen zu verkaufen.“ „Wir sind doch nicht im Orient, wo mit Mädchen gehandelt wird.“ „Sie irren sich, Mr. MacLain. Mädchenhandel gibt es auch hier in Thailand. Aber nicht jede Frau hat Glück und findet am Ende die Liebe ihres Lebens.“

Am Abend, es war 20:30 Uhr war ich im Pattaya Beach Club. Auf dem Weg dorthin war mir die Brünette aufgefallen. Also war sie mir von Südkorea nach Thailand gefolgt. Das bedeutete, dass Jelena Romanova entweder für die Gegenseite arbeitete oder von einem ehemaligen Weggefährten aus SAS-Zeiten angeheuert worden war, um mich zu töten. Doch dieses Rätsel musste erst mal warten. Jetzt galt es, mir Informationen über Charles Kangs obersten Handlanger zu besorgen. Den Mann, den man „Der schwarze Ninja“ nannte. Ich suchte mir einen Tisch, der so gelegen war, dass ich alles überblicken konnte, ohne dass man mich selbst entdeckte. Auf der Bühne stand eine sexy Thai-Frau. Sie hatte lange schwarze Haare, die bis zu ihren üppigen Brüsten reichten. Im Gegensatz zu den meisten Asiatinnen, die in diesem Club anwesend waren, hatte sie ein rundliches Gesicht. Die mandelförmigen braunen Augen verrieten jedoch eindeutig die asiatischen Wurzeln der Frau. Das Gesicht der Dame war durch eine hübsche Nase und sinnliche Lippen noch stärker ausgeprägt. Die Lippen waren durch einen dunkelroten Lippenstift noch etwas stärker hervorgehoben. Bekleidet war die Lady mit einem dunkelroten, eng anliegenden Kleid mit tiefem Ausschnitt, das im Bauchbereich von einer Diamantschnalle zusammengehalten wurde. Dazu kamen rote High Heels in derselben Farbe des Kleides. Das musste Kelly Ling sein.

Auch Jelena Romanova war wieder im Club. Und offenbar tat sie dasselbe wie ich. Sie beobachtete das Geschehen. Doch aus welchem Grund war sie hier? Mein Smartphone klingelte. Es war meine Schwester Samantha. „Na Bruderherz, alles in Ordnung?“, fragte sie. „Na sicher.“ „Bist du noch in Südkorea?“ „Nein. Ich bin nach Pattaya weitergereist. Es hat den Anschein, als ob die Vermutung meiner Klientin, dass ein chinesischer Softwaremogul in die Sache verwickelt sein könnte, zutrifft.“ „Wenn das der Fall ist, dann wirst du Hilfe brauchen.“ „Ich komm schon allein zurecht.“ „Abwarten und Tee trinken.“ „Mal was anderes. Ich werde seit meiner Ankunft in Seoul von einer ehemaligen Speznas-Mitarbeiterin beschattet. Jelena Romanova. Du hast sie mir nicht zufälligerweise als Babysitter zugeteilt?“ „Ganz bestimmt nicht. Du kennst mich gut genug, dass ich nicht dein Leben aufs Spiel setze, indem ich mich zu so einer Dummheit hinreißen lasse. Aber tu mir den Gefallen und arbeite mit ihr zusammen, sollte sie dir ihre Hilfe anbieten. Vielleicht wird dein Leben von ihr abhängen“ „Die Frau ist fast noch ein Kind, Sam.“ „Trotzdem. Manchmal ist es nie verkehrt eine Frau an seiner Seite zu haben. Weibliche Intuition.“ Ich musste mir eingestehen, dass Sam Recht hatte.

Um Mitternacht machte ich mich auf den Weg zurück ins Hotel. Ich hatte gerade den Club verlassen, als jemand meinen Namen rief. 27

„Mr. MacLain! Warten Sie einen Augenblick.“ Kelly Ling kam auf mich zu. „Ich habe vor kurzem einen Anruf von Philipp Zang aus Seoul erhalten. Er sagte mir, dass Sie Informationen über den schwarzen Ninja wünschen. Ich weiß viel über ihn. Aber das kostet was.“ „Ich weiß schon Bescheid. Eine heiße Nacht.“ „Ganz genau. Vielleicht kann ich Ihnen noch mehr verraten.“ „Was denn zum Beispiel?“ „Ich weiß, warum Jelena Romanova Ihnen folgt.“

Kelly war eine Granate im Bett, wie ich feststellen musste. Doch diese heiße Sex-Nacht war mir die Informationen wert, die ich von ihr bekam. „Was willst du als erstes wissen?“, fragte sie mich. „Vielleicht, warum Jelena Romanova an mir dranhängt wie eine Klette.“ „Sie arbeitet für ein anderes Software-Unternehmen, dem Charles Kang ebenfalls den Prototypen und sämtliche Aufzeichnungen gestohlen hat.“ „Aha. Und wie heißt diese Firma?“ „Akira Software Industries. Der Firmensitz ist in Kure. Sie sind wie Alistair Software Solutions auf Steuerungsgeräte für Flugzeuge spezialisiert. Allerdings liegt bei den Japanern der Schwerpunkt auf militärischen Fabrikaten.“ „Verstehe. Und was ist mit dem schwarzen Ninja?“ „Nimm dich in Acht vor ihm. Er ist sehr gefährlich. Sein wirklicher Name ist Chong Li. Er ist früher bei Vollkontakt-Turnieren angetreten. Hier in Asien nennen wir das Kumite. Davor war er bei den japanischen Marinetauchern. Wurde aber unehrenhaft entlassen. Ab da hat er sich dem Kumite verschrieben. Jetzt arbeitet er hauptsächlich für Charles Kang. Er übernimmt die Diebstähle, die schwierig sind.“ „Inwiefern schwierig?“ „Na ja. Wenn es darum geht, bei Unternehmen einzusteigen, die schwer bewacht sind, brauchst du jemanden, der keinerlei Skrupel kennt, und der auch nicht davor zurückschreckt einen Mord zu begehen. Der schwarze Ninja ist dafür der richtige Mann.“

Die Tage, die ich noch in Pattaya blieb, verbrachte ich mit Kelly. Sie wollte mir die schönsten Ecken Pattayas zeigen. Doch dann hieß es Abschied nehmen. Ich hatte Sam eine E-Mail geschickt und sie gebeten, Kelly bei sich unterzubringen. Denn nachdem Kelly geredet hatte, schwebte sie nun in Lebensgefahr. Und ich wusste, dass ich mir schwere Vorwürfe machen würde, wenn dieser hübschen Lady etwas passieren würde. Also hielt ich es für angebracht, Kelly Ling aus der Schusslinie zu nehmen. Um 9:45 Uhr startete Kellys Flieger Richtung Frankfurt am Main. Meine Maschine Richtung Tokyo startete um 9:50 Uhr. Um 16:42 Uhr landete ich auf dem Narita International Airport. Ich hatte mich bei der Buchung dieser Reise für ein Hotel der APA-Kette, nämlich das Asakusa Kuramae, entschieden. Nachdem ich mein Zimmer bezogen hatte, machte ich mich erst mal frisch und legte mich bis 18:30 Uhr Ortszeit schlafen.

Um 19:00 Uhr war ich dann im Restaurant zum Essen. Danach wollte ich ins Newlex, um eine Informantin zu treffen. Um 20:30 Uhr betrat ich den Club. Und wie schon in Seoul und Pattaya hatte sich Jelena Romanova an meine Fersen geheftet. Doch dieses Mal wollte ich der hübschen Russin auf den Zahn fühlen. Als sie an meinem Tisch vorbeiging packte ich sie am Handgelenk und hielt sie fest. „Au! Sie tun mir weh!“, rief sie. „Ich lasse Sie los. Aber erst will ich wissen, warum Sie mir seit Seoul auf Schritt und Tritt folgen.“ „Ich habe dieselben Informanten wie Sie. Reicht Ihnen das?“ „Nein. Da ist noch mehr. Ich merke, wenn jemand mir etwas 28

verschweigt.“ „Okay, okay. Ich sage Ihnen, was ich weiß. Aber erst lassen Sie mich los.“ „Von mir aus.“ Ich gab das Handgelenk der Speznas-Agentin frei. „Darf ich mich wenigstens setzen, oder muss ich mit Stehplatz vorlieb nehmen?“ „Es steht Ihnen frei, sich zu setzen.“, sagte ich. Jelena Romanova setzte sich mir gegenüber und nahm zum ersten Mal ihre Sonnenbrille ab. Nun konnte ich zum ersten Mal ihre Augen sehen. Jelena Romanova besaß wunderschöne braune Augen.

„Was haben Sie herausgefunden, Miss Romanova?“ „Der schwarze Ninja war nicht der erste, der versucht hat, bei meinem Brötchengeber einzusteigen. Charles Kang hat vorher einen anderen seiner Außendienstmitarbeiter geschickt. Einen Mann namens Kato. Den haben wir aber geschnappt. Und Kato hat gesungen. Charles Kang hat sich, wie unsere Brötchengeber auch, um zwei lukrative Aufträge beworben. Aber seine neuesten Entwicklungen taugen keinen Schuss Pulver. Also hat er erst Mal versucht, neue Fachkräfte anzuwerben. Aber im Moment sind so gut wie keine Software-Spezialisten auf dem freien Arbeitsmarkt zu bekommen. Also hat er bei meinem Brötchengeber zuerst wie gesagt Kato geschickt. Nachdem dieser aber versagt hatte, hat Mr. Kang den schwarzen Ninja geschickt.“ „Bei Miss Alistair hat er gleich Chong Li geschickt.“, sagte ich. „Chong Li?“ „So heißt der schwarze Ninja mit richtigem Namen.“ „Sie haben also schon die Identität des schwarzen Ninja aufgedeckt. Sehr schön. Jetzt gilt es, Charles Kangs Chef-Handlanger aus dem Verkehr zu ziehen.“ „Das dürfte nicht einfach werden, schätze ich.“ „Ich habe nicht gesagt, dass das ein Spaziergang wird.“ „Also, was schlagen Sie vor, Miss Romanova?“

„Arbeiten wir zusammen. So können wir uns zum einen gegenseitig den Rücken frei halten, und zum anderen steigen unsere Chancen unseren Brötchengebern das zurückzuholen, was rechtlich ihnen gehört.“ „Ich habe vor noch weiter zu gehen. Ich will Charles Kangs Computersysteme lahm legen und dafür sorgen, dass er nicht mehr auf seine Daten zurückgreifen kann.“ „Dann werden Sie meine Unterstützung brauchen. Ich bin in der Lage eine Schadsoftware einzuschleusen, ohne dass jemand etwas davon mitbekommt.“ „Irgendwer wird das Programm sicher entdecken.“, warf ich ein. „Aber erst, wenn es zu spät ist. Wenn einer der internen Abwehr-Spezialisten mein Programm entdeckt, hat er keine Chance mehr, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Aber eines verstehe ich nicht, Mr. MacLain.“ „Und was wäre das?“ „Wie es Charles Kang gelingen konnte, das Starflight-One-System und das Shibuya-Gerät in seinen Besitz zu bringen.“ „Shibuya-Gerät?“, hakte ich nach. „Das Shibuya-System ist die neueste Entwicklung von Akira Software Industries für Kampfjets.“ „Dann ist Starflight One das zivile Pendant dazu.“ „Also eine Steuerungssoftware für Passagierflugzeuge.“ „Genau.“

Eine unbekannte Frau kam an unseren Tisch. Sie war 33 Jahre alt und 1,56 m groß. Sie hatte braune Haare, die über die Schultern bis zu ihren wohlgeformten Brüsten reichten. Ihr schlanker Körper zog jeden Mann in seinen Bann. Im Gegensatz zu den meisten Asiatinnen, denen ich auf meiner Reise begegnet war, war die Haut dieser Frau weiß. Das runde Gesicht mit den braunen Mandelaugen, den sinnlichen Lippen und der hübschen Nase war auch nicht zu verachten. 29

Bekleidet war die Unbekannte mit einem schwarzen eng anliegenden Kleid und schwarzen High Heels. „Sind Sie Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte sie gerade heraus. „Paul MacLain. Zu ihren Diensten.“, sagte ich. „Jelena Romanova. Sehr erfreut.“ „Mein Name ist Wai Lin Luan. Ich bin Ihr Kontaktmann.“ „Setzen Sie sich doch.“ „Vielen Dank. Kommen wir gleich zur Sache. Ich weiß, wer bei Alistair Software Solutions und bei Akira Software Industries der jeweilige Maulwurf ist, der auf Charles Kangs Gehaltsliste steht.“

„Ich nehme an, diese Information hat ihren Preis.“, sagte ich. „Umsonst ist nichts, Mr. MacLain. Nicht einmal Gevatter Tod.“ „Wie viel?“, fragte Jelena. „Ein Drink. Egal, auf wessen Rechnung er geht.“ „Einverstanden. Was trinken Sie, Miss Luan?“ „Eine Bloody Mary.“ „Und für Sie, Miss Romanova?“ „Eine Ipanema.“ Ein Kellner kam an unseren Tisch. „Wünschen die Herrschaften etwas zu trinken?“ „Eine Bloody Mary für die Lady in Black und eine Ipanema für die Lady in Red.“ „Und für Sie, Sir?“ „Einen Singapore Sling.“ „Kommt sofort, Mister.“ „Ach übrigens...“ „Ja, Sir?“ „Die Drinks gehen auf meine Rechnung.“, sagte ich. „Sehr wohl.“

Als man uns unsere Getränke serviert hatte kam ich umgehend zur Sache. „Also, Miss Luan. Sie sagten, dass Sie die Namen der beiden Maulwürfe kennen.“ „So ist es.“ „Um wen handelt es sich?“ Es war Jelena Romanova, die diese Frage gestellt hatte. „In ihrem Fall, Mr. MacLain ist der Maulwurf eine Frau. Dr. Laura Lyons. Sie ist die Leiterin der Testabteilung.“ „Und als solche hat sie Zugang zu sämtlichen Software-Projekten.“ „So ist es. Und bei Ihrem Brötchengeber, Miss Romanova, ist der Maulwurf Dr. Cody Harris. Er ist der Leiter der Forschungsabteilung.“ „Weil er wie Dr. Lyons so Zugang zu sämtlichen Projekten hat.“ „Ganz genau. Ich verabschiede mich dann. Ihnen beiden noch einen schönen Abend und eine gute Nacht.“

Als Wai Lin gegangen war, meinte ich: „Das sind Informationen, die wir sofort unseren Klienten melden müssen, Miss Romanova.“ „Das werden wir auch tun. Stoßen wir an. Auf eine gute Zusammenarbeit.“ „Auf eine gute Zusammenarbeit, und vielleicht auch eine gute Freundschaft.“ „Auf eine Gute Freundschaft.“ „Cheers!“ „Nastrovje.“ „Übrigens, ich heiße Paul.“ „Ich bin Jelena.“ „Warst du schon mal auf dem Gelände von Kang Software Enterprises?“ „Nein. Du?“ „Nein. Wir brauchen jemanden, der schon dort war und den Komplex in- und auswendig kennt.“ „Aber wo nach ihm suchen?“ „Irgendwer hier in dem Laden muss es doch wissen.“ „Sehr zweifelhaft Paul.“ Ich sah mich unauffällig um, und entdeckte zwei Asiaten in Biker-Montur. „Achtung Jelena! Da sind zwei Biker, die auf Krawall gebürstet sind.“ „Die Brüder sind mir auch schon aufgefallen. Wollen wir denen ein bisschen auf den Zahn fühlen?“ „Du erweist mir eine... große Ehre.“

Die beiden Biker kamen zu uns an den Tisch. „Würden der Herr und die Dame, die Freundlichkeit haben, uns nach draußen zu folgen?“, fragte einer der beiden. „Was meinst du, Jelena?“ „Ich könnte ein bisschen frische Luft vertragen. Und du Paul?“ „Ja, du hast Recht. Die Luft hier drin, wird allmählich etwas stickig.“ Also folgten wir den Bikern nach draußen. Vor dem Eingang des Clubs zeigten die beiden, dann ihr wahres Gesicht. Einer schnappte sich eine Kette und schlug damit nach 30

Jelena. Diese duckte sich, und der Schlag ging ins Leere. „Na warte, du Miststück. Ich krieg dich. Und wenn ich dich habe, schlitz ich dir die Kehle auf.“ „Erst mal musst du mich kriegen, Schlitzauge.“ Der Biker griff Jelena erneut an, doch meine Kollegin von den Speznas zog ihrem Gegner mit einem Fußfeger das Bein weg. Dann packte sie den Biker am Kinn und sah ihm in die Augen. „Doswedanja Arschloch!“, zischte sie. Dann trieb sie ihrem Gegner das Nasenbein ins Gehirn.

Der zweite Biker griff nun mich an. Doch ich konnte seinen Schlag abwehren und ihm stattdessen einen Schlag in die Magengrube verpassen. „Na warte, du mieser Tommy-Schnüffler. Ich mach dich fertig.“ „Ich bin kein Schnüffler, ich bin Privatermittler. Und ich bin kein Tommy, ich bin Schotte.“ Der Biker raffte sich wieder auf um erneut anzugreifen. Doch meine SAS-Ausbildung bewährte sich erneut. Ich machte eine halbe Drehung und rammte dem verblüfften Killer meinen rechten Ellenbogen an den Solarplexus. Der Asiate sackte zusammen, wie ein nasser Sack. „Der hat gesessen.“, sagte Jelena. „Bis der wieder aufsteht, vergehen einige Stunden.“ „Kannst Du sprechen?“, fragte Jelena den Biker. „Ja.“ „Sehr gut. Wir haben nämlich einige Fragen, die wir beantwortet haben wollen.“ „Wer kennt den Gebäudekomplex von Kang Software Enterprises so gut, dass er sich dort mit verbundenen Augen zurecht finden würde?“ „Yamoto Tanaka. Er war einer der hellsten Köpfe und Leiter der Forschungsabteilung, bis sein Stellvertreter Mao Yeung ihn durch eine Intrige aus dem Unternehmen bugsiert hat.“

„Und dieser Mao Yeung ist nun der Chef der Forschungsabteilung.“, sagte ich. Der Biker nickte. „Wo finden wir Mr. Tanaka?“ „Er lebt in Singapur. Sie finden ihn jeden Abend in einem Club namens Blu Jaz Cafe´.“ „Danke schön. Und jetzt, ist es Zeit, der Welt auf Wiedersehen zu sagen.“, sagte Jelena und brach dem Killer das Genick. „Dann auf nach Singapur.“ „Jetzt schon? Paul, um diese Zeit kriegen wir keinen Flug mehr gebucht.“ „Der einzige Ort, wo ich jetzt sein will, ist in meinem Bett im Hotel.“ „In welchem Hotel bist du abgestiegen?“ „ Im Asakusa Kuramae.“ „Was für ein Zufall. In dem Hotel habe ich auch ein Zimmer gebucht.“ „Das ist mir schon in Seoul aufgefallen. Du brauchst nicht denken, dass ich dich nicht bemerkt hätte.“ „Akira sucht die Hotels aus. Ich muss nur buchen.“ „So großzügig ist Tamara Alistair nicht.“

Später im Hotel ließen Jelena und ich uns unsere Zimmerschlüssel geben. Und wie sich herausstellte, waren unsere Zimmer direkt nebeneinander. Ich lag schon im Bett, als sich die Verbindungstür zu meinem Zimmer öffnete und Jelena eintrat. Und bei ihrem Anblick stockte mir der Atem. Was ich vorher schon hatte erahnen können, wurde nun zur Gewissheit. Diese Frau war sogar nackt eine Granate. Ihr Schambereich war bis auf einen kleinen Strich komplett rasiert. An ihrem Bauchnabel trug sie ein Piercing. „Gefällt dir was du siehst, Paul?“, fragte Jelena und fuhr sich mit ihrer Zunge verführerisch über die Lippen. „Das musst du mich doch nicht fragen. Du bist eine Göttin, Jelena. Vielleicht noch eine ganz junge Göttin, aber eine Göttin.“ Jelena musste lachen. Und dieses Lachen verzauberte mich.

Jelena kam zu mir unter die Bettdecke und kuschelte sich an mich. Sie gab mir einen Kuss auf die Schulter. „Darf ich dich was fragen?“ „Was?“ 31

„Warum hast du Kelly Ling nach Frankfurt geschickt?“ „Weil Sie mir die Identität des schwarzen Ninjas verraten hat. Wollen wir hoffen, dass ihr nichts zugestoßen ist. Denn das würde ich mir nie verzeihen.“ „Wo wohnt sie?“ „Bei meiner Schwester Samantha.“ „Dann ist Kelly sicher in guten Händen. Aber jetzt lass uns schlafen. Wir müssen morgen völlig ausgeruht sein.“ „Wir haben unseren Job hier erledigt. Also können wir die restlichen Tage, die wir hier sind noch genießen.“ „Da hast Du recht.“

Vier Tage blieben Jelena und ich noch in Tokio. Und in diesen vier Tagen kamen wir uns näher. Nun konnte ich eine andere Seite von Jelena Romanova kennenlernen. Und im privaten war sie ein ganz anderer Mensch, als im Dienst. Sie war zärtlich, freundlich und verschmust. Denn nichts tat sie lieber, als mit mir zu schmusen und zu kuscheln. Doch dann rief wieder die Arbeit. Kelly Ling hatte mich angerufen und mir mitgeteilt, dass Chong Li sich zurzeit in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias, aufhielt. Als ich ihr von unserer Begegnung mit den Bikern berichtet hatte, riet sie mir und Jelena, sofort nach Singapur aufzubrechen und Yamato Tanaka aufzusuchen, ehe Chong Li ihn finden würde.

Um 9:15 Uhr startete unser Flieger nach Singapur. Dort landeten wir um 15:15 Uhr auf dem Singapore Changi Airport. Wir hatten uns bei der Buchung der Reise für das Hotel Ibis Singapore Novena entschieden und ein gemeinsames Zimmer gebucht. Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten machten wir uns frisch und sahen uns über Jelenas Laptop einen Stadtplan von Singapur an. Wir wollten den kürzesten Weg zum Blu Jaz Cafe´ herausfinden. Um 18:30 Uhr gingen wir im Restaurant etwas essen, ehe wir uns auf den Weg machten. Jelena trug an diesem Abend wieder ihr rotes Paillettenkleid und die roten Plateauschuhe. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen entschieden wir uns, so zu tun, als wären wir ein Liebespaar. Händchen haltend schlenderten wir durch die Straßen. An einem Juweliergeschäft blieb Jelena stehen. „Lass uns reingehen.“, schlug sie vor. „Warum denn dieses?“ „Wenn wir schon ein Liebespaar spielen, dann sollten wir uns auch dementsprechend verhalten. Ein Mann, der seiner Liebsten keinen Schmuck kauft, ist unglaubwürdig.“ Ich musste mir eingestehen, dass ich Jelenas Argumenten nichts entgegenzusetzen hatte.

Als wir das Geschäft betraten, fiel Jelena ein Paar Ringe auf, die aus 585er Gelbgold gefertigt waren. Auffällig waren jedoch die drei kleinen Tansanitsteine, die auf der Oberfläche eingearbeitet waren. Die Ringe sollten pro Stück 80 Singapore Dollar kosten. „Was meinst Du, Paul?“ „Einverstanden. Die gefallen sogar mir. Aber eine Kette sollte auch drin sein.“ „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ „Das will ich doch hoffen. Meine Lebensgefährtin und ich hätten gerne dieses Paar Ringe für 80 Dollar. Und welche Kette würden zu diesen Ringen empfehlen?“ „Ah! Ich sehe, der Herr hat Geschmack. Nicht nur was Schmuck angeht.“ „Danke für das Kompliment.“, sagte Jelena. Der Verkäufer holte die Ringe aus dem Schaukasten und nahm dazu eine Goldkette mit einem Aquamarin, so groß wie eine Perle, von einem Kettenhalter. „Wäre die Dame so freundlich, die Kette mal anzuprobieren?“ „Aber gerne.“, sagte Jelena und legte sich die Kette um. Beim Verschluss brauchte sie aber dann doch meine Hilfe. „Und wie seh ich aus?“, fragte meine russische Kollegin. „Einfach umwerfend. Was kostet mich der Spaß?“ 32

„320 Singapore Dollar.“, sagte der Verkäufer. „Würden Sie die Ringe bitte noch gravieren?“ „Das kann ich machen. Die Gravur ist im Preis mit inbegriffen. Wie sollen die Ringe graviert werden?“ „In den Ring für die Dame bitte meinen Vornamen. Paul. Und in meinen bitte den Namen meiner Lebensgefährtin. Jelena.“ „Wird sofort erledigt.“ Ich gab dem Verkäufer das Geld und dieser verschwand im Hinterzimmer.

15 Minuten später kam er mit den gravierten Ringen zurück. Jelena und ich sahen uns unsere Ringe an. „Wundervoll.“, sagte Jelena. „Genauso wundervoll, wie seine Trägerin.“ „Alter Charmeur.“ Wir steckten uns die Ringe an, dann verließen wir das Geschäft. „So. Jetzt ist unsere Tarnung perfekt. So sehen wir wirklich wie ein verliebtes Pärchen aus.“ Um 20:45 Uhr kamen wir im Nachtclub an. Ein Gorilla von Türsteher beäugte uns kritisch. Er wollte uns schon abweisen, als der Besitzer des Clubs kam. „Ich nehme an, Sie beide sind Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Paul MacLain.“ „Jelena Romanova.“ „Dann folgen Sie mir bitte. Mr. Tanaka erwartet sie bereits.“ Ich wurde stutzig. „Woher weiß er, dass wir kommen?“ „Der Manager Ihres Hotels ist mein Cousin. Sie haben sich bei ihm nach Mr. Tanaka erkundigt. Also hat er mich angerufen, und mich wissen lassen, dass Sie Mr. Tanaka sprechen wollen.“ Wir folgten dem Besitzer des Clubs. Am Tresen sahen wir einen Mann sitzen. Ich erkannte ihn sofort. Es war die Dartlegende Paul Lim, der „Singapore Slinger“.

Der Clubbesitzer führte uns zu einem Tisch im rückwärtigen Bereich des Clubs. An diesem saß ein schlanker Mann, Mitte 30 mit einer Nickelbrille. Er hatte schwarze kurz geschnittene Haare. Bekleidet war er mit einem schwarzen Seidenhemd, einer weißen Leinenhose , schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. „Ich habe gehört, dass Sie mit mir sprechen wollen.“, sagte Mr. Tanaka. „Wir brauchen jemanden, der den Gebäudekomplex von Kang Software Enterprises in und auswendig kennt.“ „Da sind Sie bei mir an der richtigen Adresse. Aber würden Sie mir vorher eine Frage gestatten?“ „Bitte.“ „Was wollen Sie dort?“ „Wir wurden beauftragt, den Prototypen und die Aufzeichnungen des Starflight-One-Projektes und des Shibuya-Projektes wieder beschaffen. Aber ich will noch viel weiter gehen. Ich will die Computersysteme von Charles Kang lahm legen.“ „Ich sage Ihnen was, Mr. MacLain. Ich helfe Ihnen beiden. Auf diesen Augenblick habe ich lange gewartet.“ „Was können Sie uns sagen?“ „Ich habe die Pläne des Komplexes mitgebracht. Prägen Sie sich die Einzelheiten gut ein.“

Yamato Tanaka zeigte uns den Haupteingang, sowie zwei Seiteneingänge. Doch diese wurden schwer bewacht. Doch wie uns Mr. Tanaka berichtete, gab es einen vierten Eingang, der unterirdisch verlief. „Sie haben höchstens 30 Minuten um da reinzukommen. Denn dann kommt der Wachposten um die Ecke und bleibt 15 Minuten um eine zu rauchen. Meistens ist noch ein zweiter Posten dabei.“ „Sie sollten mit uns in Funkkontakt stehen, und zwar auf einer Frequenz, die nicht abgehört werden kann.“ „Das ist absoluter Hybris, Mr. MacLain. Jeder, der annähernd etwas von Elektrotechnik versteht, wird einen Weg finden, sogar abhörsichere Frequenzen zu infiltrieren.“ „Ich war beim SAS. Ich finde Mittel und Wege, um sogar einen IT-Nerd zur Verzweiflung zu treiben.“ 33

„Dann machen Sie mal. Wann wollen Sie und Miss Romanova die Aktion starten?“ „Sagen wir in 14 Tagen?“ „Das ist zu wenig, Paul. Wir müssen einen Plan ausarbeiten. Außerdem brauchen wir entsprechende Ausrüstung. Heißt Nachtsichtgeräte, Präzisionswaffen, et cetera et cetera.“ „In Ordnung. Was meinst du, wie viel Zeit wir brauchen, um einen geeigneten Plan auszuarbeiten?“ „Einen Monat vielleicht auch zwei. Wir müssen viele Faktoren mit einbeziehen.“ „Den schwarzen Ninja zum Beispiel.“ „Zum Beispiel. Gehen wir besser ins Hotel zurück. Wie können wir Sie erreichen, Mr. Tanaka?“ „Ich melde mich bei Ihnen. In welchem Hotel wohnen Sie?“ „Im Hotel Ibis Singapore Novena.“ „Gut. Ich wünsche Ihnen beiden eine gute Nacht.“ „Ihnen auch eine gute Nacht.“

Als wir den Nachtclub verließen, erlebten wir eine böse Überraschung. Denn wir sahen uns gleich drei Gegnern gegenüber. Zwei von ihnen waren vermummt. Aber der Anführer fiel sofort auf. Er war 1,68 m groß und besaß einen kräftigen Körperbau. Er hatte lange schwarze Haare und trug ein weißes Stirnband, das auf der Vorderseite in der Mitte das Zeichen Südkoreas trug. Links und rechts davon waren zwei rote Streifen zu sehen. Der schwarze Ninja trug kein Hemd. Bekleidet war er mit einer schwarzen Trainingshose und schwarzen Kampfsportschuhen. Am Hosenbund trug er einen roten Gürtel. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Na da hab ich aber doppeltes Glück.“, sagte Chong Li mit einer tiefen, etwas rauchigen Stimme. „Hüte deine vorlaute Zunge, Schlitzauge.“, zischte Jelena. „So jung, und schon so eine Kratzbürste.“

Dann gab er den beiden Vermummten ein Zeichen und wies auf Jelena. Doch meine russische Kollegin war auf Draht und tauchte weg. Sie tauchte hinter dem Ninja wieder auf packte ihn am Genick und drehte es mit einem Ruck nach links. Dem zweiten trat Jelena in den Unterleib und rammte ihm das Knie ins Gesicht. Ich selbst nahm mir Chong Li vor. Der schwarze Ninja umkreiste mich, wie ein Raubtier, dass auf seine Beute lauert. Er war vorsichtig, das war mir klar, denn er hatte gesehen, was Jelena mit seinen Begleitern angerichtet hatte. „Speznas, was?“, fragte er. „Vielleicht, vielleicht auch nicht.“ „Und was ist mit dir? In welcher Einheit hast du gedient? Navy Seals?“ „SAS.“ „Special Air Service. Nicht schlecht. Wollen doch mal sehen, ob deine Ausbildung was wert ist.“

Der schwarze Ninja griff an, doch ich packte ihn am Handgelenk und zog ihn zu mir und rammte ihm den Ellenbogen ins Gesicht. Charles Kangs Chefhandlanger taumelte, doch er ging nicht zu Boden. Er schüttelte kurz den Kopf und sein Gesicht verzog sich zu einer fanatischen Grimasse. „Jetzt bist du dran.“, sagte er. „Du stinkst ja geradezu vor Überheblichkeit, Du Pappnase!“ Der ehemalige Elitekämpfer stürmte auf mich zu. Doch ich nahm ihm den Angriffsschwung, indem ich ihm das eingesprungene doppelte Knie auf den Solarplexus verpasste. Wieder ging Chong Li nicht zu Boden. Doch er war jetzt angeschlagen. Rasch war ich bei ihm und bewegte seinen Kopf ruckartig nach hinten und brach ihm das Genick.

„Der muss einen Tipp gekriegt haben.“, sagte ich. „Entweder Dr. Lyons, oder Dr. Harris.“ „Vielleicht.“ „Wir sollten uns morgen mit unseren 34

Auftraggebern in Verbindung setzen.“ „Der Meinung bin ich auch.“ Als wir in unser Hotel zurückkamen, erwartete uns eine Überraschung. In der Lobby erwartete uns Tamara Alistair. „Sie sehen etwas ramponiert aus, wenn ich das mal so sagen darf, Mr. MacLain. „Halb so wild.“ „Ihre Nachricht, dass Dr. Lyons eine Verräterin ist, hat mich schockiert. Ich wollte es zuerst nicht glauben. Bis ich ein Gespräch von ihr mit einem gewissen Chong Li belauscht habe. War er es, der Ihnen über den Weg gelaufen ist?“ „So ist es. Aber meine Kollegin, Jelena Romanova und ich haben ihn und seine beiden Papiertiger unschädlich machen können.“ „Hut ab. Bis jetzt sind Sie jeden Cent wert, den ich Ihnen zahle. Mr. Akira sieht das ebenso.“ „Freut uns, das zu hören, Miss Alistair.“ „Ruhen Sie beide sich aus. Sie haben für heute genug gearbeitet. Und den Rest der Woche haben Sie beide zu Ihrer freien Verfügung.“ „Vielen Dank.“

Die restlichen Tage der Woche nutzten Jelena und ich, wie es uns gefiel. So sahen wir uns auf dem Marina Bay Street Circuit ein Rennen der internationalen Tourenwagenserie WTCC an. Eines abends, Jelena und ich saßen gerade in der Cocktailbar unseres Hotels, kam meine Kollegin aus Smolensk auf eine Idee. „Ich würde gerne bei dir in die Detektei mit einsteigen.“ „Hab ich da richtig gelauscht, Du willst meine Partnerin werden?“ „Warum denn nicht? Wir beide sind doch ein gutes Team. Ganz abgesehen davon, wird es Situationen geben, in denen Du meine weibliche Intuition gar nicht missen möchtest.“ Samanthas Worte fielen mir wieder ein. „Manchmal ist es gut, eine Frau an seiner Seite zu haben.“, hatte sie in Pattaya am Telefon zu mir gesagt.

Wir wollten gerade die Cocktailbar verlassen, als Mr. Tanaka zu uns an den Tisch kam. „Ich habe einen Freund wegen einer speziellen Lieferung angerufen. Sie kommt morgen aus Coronado Beach.“, sagte er. „Und woraus besteht diese spezielle Lieferung?“ Jelena hatte diese nicht ganz unerhebliche Frage gestellt. „Ich konnte von den Navy Seals ein paar Nachtsichtgeräte der neuesten Generation bekommen.“ „Normalerweise geben die SEALS nur ältere Geräte an Privatleute ab.“ „Diese Geräte mussten zwangsweise abgetreten werden, da sogar die Reservebestände keine Kapazitäten mehr frei haben.“ „Sehr gut. Kennen Sie einen guten Waffenschmied, der uns ordentliche Präzisionswaffen anfertigen kann?“ „Für die Wachposten?“ „Sehr richtig.“ „Mein Bruder ist Waffenschmied. Er kann Ihnen beiden zwei Signaturpräzionswaffen anfertigen, mit einer Präzision bis zu 130 mm.“ „Was bitte schön ist eine Signaturwaffe?“, wollte Jelena wissen. „Die Waffen besitzen im Griff einen Scanner der entweder deinen Fingerabdruck oder das Muster deiner Handinnenfläche abtastet. Stimmt es mit dem im Vorfeld einprogrammierten Abdruck überein, wird die Waffe entsperrt. Stimmt der Abdruck nicht überein, weil die Signatur nicht einprogrammiert ist, kann derjenige, der die Waffe benutzen will, nicht abdrücken, weil die Waffe gesperrt ist.“ „Clever. Ein überraschender Gimmick.“

„Haben Sie spezielle Wünsche?“ „Die Waffen sollten leicht zu montieren und wieder auseinanderzunehmen sein.“, sagte ich. Jelena ergänzte: „Außerdem hätten wir gerne Zielfernrohre, die auf Bewegungen der Zielperson reagieren und sich automatisch neu einstellen.“ „Schalldämpfer brauchen wir auch. 35

Muss ja nicht jeder Wachmann mitkriegen, wenn für seine Kollegen die Luft bleihaltig wird.“ „Ich werde Ihre Wünsche weitergeben. Aber es wird einige Zeit dauern, mein Bruder ist momentan ausgelastet.“ „Davon bricht uns jetzt kein Zacken aus der Krone. So können wir noch in Ruhe unseren Plan ausarbeiten.“ „Und wenn ich mich recht entsinne, haben Sie uns ja auch ihre Unterstützung angeboten.“, sagte Jelena. „Das ist richtig. Mein Bruder und ich werden am Tag X in einem Übertragungswagen sitzen und das Gelände ausspionieren.“

Die nächsten Tage trafen wir uns mit Yamato Tanaka und besprachen unsere Vorgehensweise. Unser Plan sah vor, dass Jelena und ich vor den Tanaka-Brüdern nach China fliegen und dort warten sollten. Ein Hubschrauber würde uns in der Nähe der Firmenzentrale von Kang Software Enterprises absetzen. Yamato Tanaka würde uns per Funk vor feindlichen Sicherheitskräften warnen. Die beiden Scharfschützengewehre würden uns die Tanaka-Brüder dann vor Ort übergeben. Jelena und ich sollten nach Hongkong fliegen und dort in einem Hotel unserer Wahl auf eine Nachricht der Brüder warten.

Wir entschieden uns für das Silka Seaview Hotel. Es war zwar wieder nur ein 3-Sterne-Hotel, aber Jelena und ich waren bescheiden, da wir noch nicht lange als Privatermittler tätig waren. Außerdem wollten wir unser Reisebudget nicht unnötig belasten. Am Mittwoch, den 11.04.2018 flogen Jelena und ich dann weiter nach Hongkong. Unsere Maschine startete um 8:30 Uhr und landete nach einer Flugzeit von 3 h und 35 Min auf dem Hong Kong International Airport. Ein Shuttlebus brachte uns in unser Hotel. Wir bezogen unser Zimmer und machten uns frisch. Da Tamara Alistair unser Reisebudget auf 45.000 € erhöht hatte, hatten Jelena und ich uns für sechs Wochen eingemietet, mit Option von 14 Tagen Verlängerung.

Zwei Wochen nach unserer Ankunft kamen Yamato Tanaka und sein Bruder Matsushiro. Der ältere der beiden Tanaka-Brüder hatte für uns einen Transporthubschrauber vom Typ EC145 organisiert. An diesem Exemplar mussten jedoch noch einige Modifikationen vorgenommen werden, um den EC145 leiser zu machen. Denn das letzte was wir brauchen konnten, war, dass man uns frühzeitig entdeckte. Der Hubschrauber sollte auf einem kleinen Sportflugplatz etwas außerhalb von Tianjin für uns bereitstehen. Tamara Alistair hatte uns für die Fahrt von Hongkong nach Tianjin eine amerikanische Limousine aus dem Hause Tesla Motors, einen Model S in Deep Blue Metallic gemietet.

Am Donnerstag, den 03.05.18, trafen Jelena und ich uns mit Yamato und Matsushiro Tanaka. Wir wollten die letzten Einzelheiten klären und den Plan noch einmal durchsprechen. „Also fangen wir an.“, sagte Matsushiro Tanaka, nachdem wir uns begrüßt hatten. „Sie, Mr. MacLain, erhalten als Codenamen „Taipan“. Sie, Miss Romanova, erhalten den Codenamen „Kobra“. Mein Bruder Matsushiro und ich sind Ark Angel. Haben Sie das verstanden?“ „Bis ins kleinste Detail.“ „Ich habe über einen ehemaligen Weggefährten aus SAS-Zeiten diese Headsets bekommen. Sie sind absolut abhörsicher. Es dürfte für Charles Kangs Sicherheitsdienst extrem schwierig werden, uns anzupeilen.“ „Wurden die Geräte auf 36

Herz und Nieren geprüft?“, fragte Matsushiro. „Wir haben die Geräte in Singapur erhalten und haben mit den dortigen Polizeikräften und der Armee eine umfangreiche Testreihe durchgeführt. Sowohl Polizei als auch Armee haben ihre besten Leute aufgeboten. Aber jeder hat nur ein statisches Rauschen gehört. Und das bei allen vier Geräten.“

Eine Woche später fuhren wir dann nach Tianjin. Wir mieteten uns dort im Ocean Hotel Tianjin ein. Unser Plan sah vor, dass wir noch eine Woche bis zum 17.05.2018 warten sollten, ehe wir zuschlugen. Diese Zeit nutzten wir, um den modifizierten EC145 zu testen, und sämtliche Funktionen auf Herz und Nieren zu prüfen. Wie sich herausstellte, hatte Matsushiro Tanaka ganze Arbeit geleistet. Denn der Hubschrauber war wirklich derart leise, dass man schon wirklich gute Ohren haben musste, um ihn akustisch wahrnehmen zu können.

Am 16.05.2018 waren Jelena und ich um 23:55 Uhr auf dem Sportflugplatz von Tianjin, wo unser Hubschrauber bereits mit laufenden Motoren wartete. Um Mitternacht startete der EC145 dann in Richtung Firmensitz von Kang Software Enterprises. Um 0:10 Uhr landeten wir auf einer Wiese 1,5 Km vom Grundstück entfernt. Wir nutzten den Schutz der Wolken und schlichen bis zum ersten Wegpunkt. „Taipan ruft Ark Angel. Könnt Ihr mich hören?“ „Hier Ark Angel. Wir hören Sie klar und deutlich. Wo seid Ihr zwei Hübschen?“ „Wir sind noch einen Kilometer von eurem Standpunkt entfernt, Ark Angel.“ „Verstanden.“ Wir setzten unseren Weg zum zweiten Wegpunkt fort. Ich hatte mit meiner russischen Kollegin vereinbart, dass sie die zweite Meldung absetzte. Als wir am Checkpoint eintrafen aktivierte sie ihr Headset. „Kobra ruft Ark Angel. Wir sind am zweiten Wegpunkt.“ „Hier ist Ark Angel. Gut gemacht. Ihr braucht vielleicht noch 15 Minuten, bis Ihr hier seid. Und dann geben wir euch eure Bleispritzen.“ „Besten Dank Ark Angel.“, sagte Jelena.

Schließlich hatten wir den Übertragungswagen erreicht. Matsushiro Tanaka stand draußen und hatte unsere Ausrüstung bereits parat. „Wie sieht’s aus?“, fragte ich. „Bis jetzt ist alles ruhig. Lehnt euch zurück, die Gemeinheiten kommen erst noch.“ Damit gab er uns die Nachtsichtgeräte und die Waffen. „Viel Glück.“ „Danke.“ Yamato Tanaka steckte seinen Kopf aus dem Truck. „Waidmanns Heil, Mr. MacLain.“ „Waidmanns Dank.“

Jelena und ich schlichen in die Richtung, die uns Matsushiro genannt hatte. Hinter einem Busch bezogen wir Deckung und setzten unsere Nachtsichtgeräte auf. Es war ruhig. Soweit man das von unserem Standpunkt aus erkennen konnte. „Ark Angel ruft Taipan. Hören Sie mich?“ „Hier Taipan. Sprechen Sie Ark Angel.“ „In 10 Minuten kommt der Wachposten. Beeilen Sie sich besser.“ „Wir sind schon unterwegs.“ Schließlich hatten wir den Begrenzungszaun erreicht. „Ark Angel ruft Taipan. Erbitte Lagebericht.“ „Hier Taipan. Wir gehen jetzt rein.“ „Negativ Taipan. Der Wachposten kommt um eine zu paffen.“

Und tatsächlich. Ein Wächter kam um die Ecke. Er stellte sich vor den Eingang zum Tunnel und kramte eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug hervor. Kurz 37

darauf erschien ein zweiter Wächter. Auch er holte Zigarette und Feuerzeug hervor. „Der Boss sollte Mao Yeung endlich feuern, dann bräuchte er nicht die Ideen der anderen zu klauen. Meiner Meinung nach war es ein Fehler, Yamato Tanaka zu feuern und diesen elenden Versager Mao Yeung zum Chef der Forschungsabteilung zu machen.“ „Die Yeungs sind seit Generationen eine angesehene Familie. Und da ist es natürlich verständlich, dass Maos Vater seinen Sohnemann in einer leitenden Position sehen will. Er war auch derjenige, der damals Druck auf Charles Kang ausgeübt hat. Doch Mr. Kang hat dem Junior Yamato Tanaka vor die Nase gesetzt.“ „Also ging die Intrige vom Senior aus.“ „Nein. Die Intrige hat der Sohn gesponnen. Der Vater hat nur die Idee dazu geliefert.“

„Wie dem auch sei. Um die Zukunft von Kang Software Enterprises ist es schlecht bestellt. Mr. Kang hat heute die neuesten Zahlen bekannt gegeben. Der Abwärtstrend geht weiter. Die Firma hat schon wieder einen Verlust in Höhe von 126.800 $ erzielt.“ „Heißt im Klartext?“ „Dass das Überleben von Kang Software Enterprises von der Vergabe der beiden Aufträge abhängt, um die sich unser Boss beworben hat. Er muss diese beiden Aufträge an Land ziehen, oder die Firma ist nicht mehr zu retten.“ „Das heißt, dass Mao Yeung das Unternehmen praktisch in den Ruin getrieben hat.“ „Sieht fast so aus. Aber die Gerüchteküche besagt, dass Tamara Alistair und Henry Akira zwei Privatschnüffler angeheuert haben, um die gestohlenen Unterlagen und auch die Prototypen zurückzuholen.“ „Wen?“ „Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Noch nie gehört.“

Mich traf der Schlag. Irgendjemand hatte unsere Auftraggeber an Charles Kang verraten. Ich sagte Jelena, was ich gerade gehört hatte. „Kobra ruft Ark Angel. Hören Sie mich?“ „Hier Ark Angel. Empfang klar und deutlich. Wo brennts?“ „Mr. MacLain hat gerade ein Gespräch zwischen den beiden Wachposten mitgehört. Miss Alistair und Mr. Akira wurden verraten. Mr. Kang weiß, dass wir engagiert wurden, und er weiß auch wozu.“ „Dr. Lyons und Dr. Harris.“ „Sieht fast so aus.“

Die beiden Wachposten entfernten sich wieder. „Die Luft ist rein. Ihr könnt reingehen.“, hörte ich die Stimme Matsushiro Tanakas. „Roger.“ Jelena und ich warfen zwei Haken und kletterten an den Seilen hoch, die daran befestigt waren. Auf der anderen Seite kletterten wir wieder herunter und machten uns auf den Weg zum Tunneleingang. „Taipan ruft Ark Angel. Hört Ihr mich?“ „Klar und deutlich. Soweit alles in Ordnung?“ „Soweit ja. Wie sieht es mit der Kommunikation aus, wenn wir drin sind? Nicht, dass Jelena und ich auf uns allein gestellt sind.“ „Keine Bange. Unsere Sender sind so stark, dass wir mit euch in Kontakt bleiben können. Meldet euch, wenn Ihr das Gebäude betreten habt.“ „Verstanden.“

Schließlich hatten wir den Tunnel betreten und sahen uns aufmerksam um. „Kobra ruft Ark Angel. Wir sind drin.“, sagte Jelena über das Headset. „Roger. Haltet euch links.“ „Verstanden.“ Wir gingen nach links bis wir zu einer Weggabelung kamen. „Wenn Ihr zum Tresorraum wollt, müsst Ihr nach rechts. Links geht es zu den Laboren. Ich verwette meinen Arsch, dass die Aufzeichnungen und die Prototypen im Tresor lagern. Jeder bekommt nur einen Bruchteil 38

des Gerätes zu Gesicht und das auch nur einmal.“ Jelena und ich gingen nach rechts. Unsere Waffen hatten wir im Anschlag. Plötzlich hörten wir Matsushiros Stimme. „ACHTUNG! Böse Buben im Anmarsch. Nähern sich aus drei Uhr.“ Jelena hatte die Soldaten als erste entdeckt und feuerte zwei Schüsse auf den ersten ab. Dieser brach zusammen. Ich feuerte nun ebenfalls und erwischte den zweiten. „Taipan ruft Ark Angel. Beide Bad Guys eliminiert. Ich wiederhole: Beide Bad Guys eliminiert.“ „Roger. Gehen Sie nun geradeaus bis zur nächsten Gabelung. Melden Sie sich dann wieder.“ „Verstanden, Ark Angel.“

Wir gingen weiter, wie Yamato Tanaka gesagt hatte. Als wir auf die nächste Gabelung trafen sagte Jelena: „Kobra ruft Ark Angel. Wir sind an der nächsten Gabelung. Wo lang jetzt?“ „Gehen Sie nach links. Und zwar solange, bis Sie an eine große Stahltür kommen.“ „Verstanden.“ Wir folgten den Anweisungen und gingen in den linken Gang. Wir folgten ihm bis wir am Ende vor einer großen Stahltür standen. „Wir sind da.“, sagte Jelena. „Taipan ruft Ark Angel. Wir haben unser Ziel erreicht.“ „Verstanden. Die Tür wird durch ein Kombinationsschloss gesichert, das sich auf der rechten Seite befindet. Sehen Sie es?“ Jelena hatte das Schloss entdeckt. „Ja, wir sehen es. Es ist ein elektronisches Zahlenschloss.“ „Geben Sie nun folgende Kombination ein: 15“ Ich gab die ersten beiden Zahlen an Jelena weiter. Sie gab sie in das System ein. „Haben wir.“ „Dann erhalten Sie nun die beiden nächsten Zahlen. Geben Sie 20 ein.“ Jelena gab auch diese Zahlen ein. „Erledigt.“ „In Ordnung. Ich gebe Ihnen die beiden letzten Zahlen durch. Sie lauten: 47.“ Jelena gab auch diese Zahlen ein.

Auf dem Display erschien eine Anzeige. „Access confirmed“ war zu lesen. Ganz langsam schwang die Tür nach innen auf. „Kobra ruft Ark Angel. Wie lange bleibt die Tür offen?“ „Solange, bis Charles Kang den Gegencode eingibt. Er ist aber zurzeit in Peking auf dem Parteikongress der nationalen Volkspartei. Sie haben zwar alle Zeit der Welt, aber dennoch sollten Sie beide nicht trödeln. Er kommt heute um 21:00 Uhr hierher.“ „Okay. Wir gehen jetzt in den Tresorraum.“ Als wir den Raum betraten sahen wir auf beiden Seiten riesige Tresore stehen. Aber welcher war der richtige? Ich wollte gerade Yamato Tanaka rufen, als ein Wachposten den Raum betrat. „Vielleicht nehmen Sie den mittleren Tresor auf der linken Seite. Dort befinden sich die Neuerwerbungen.“, sagte er. „Ach Sie meinen das Diebesgut.“ „Diebesgut. Wie sich das anhört. Mr. Kang hat e sich geborgt. Und jetzt die Hände hoch.“ Doch ich dachte nicht daran mich zu ergeben. Ich richtete meine Waffe auf den Wächter und drückte zweimal nacheinander ab.

Danach untersuchten wir den Tresor. „Taipan ruft Ark Angel. Wir mussten einen Wächter ausschalten, der uns überrascht hat. Er meinte, wir sollten den Tresor Mitte Links öffnen.“ „Tun Sie das nicht. Wenn Sie diesen Tresor öffnen, wird ein schnell wirkendes Nervengift freigesetzt. Es ist der Tresor auf der gegenüberliegenden Seite. Mitte Rechts.“ Wir gingen zu dem Tresor. Auch er besaß ein elektronisches Zahlenschloss. „Ark Angel ruft Taipan.“ „Wir hören Sie.“ „Ich gebe Ihnen nun die ersten Zahlen der Kombination. Sie lauten 86.“ Jelena gab die Zahlen ein. „Haben wir.“ „Dann erhalten Sie jetzt die nächsten beiden Zahlen. Sie lauten: 39

53.“ Jelena gab auch diese Zahlen ein. „Sind eingegeben.“ „Gut. Und jetzt die letzten beiden Zahlen. Sie lauten 90.“ Jelena gab auch die beiden letzten Zahlen ein. Wieder leuchtete die Anzeige „Access confirmed“ auf. Erneut öffnete sich die Tür. Jelena betrat den Raum und nahm die Aufzeichnungen und die beiden Prototypen an sich, die dort lagerten. „Okay. Nicht wie raus hier.“, sagte sie.

Wir rannten den Weg zurück, den wir gekommen waren, und waren schon bald aus dem Komplex wieder draußen. Wir kletterten über den Zaun und rannten zum Übertragungswagen zurück. „Gute Arbeit. Das wird Charles Kang ganz schön fuchsen.“ „Unser Job ist noch nicht erledigt. Meine Kollegin und ich werden das System vom Hubschrauber aus lahmlegen.“ „Wenn Ihnen das sicherer erscheint. Es ist letzten Endes Ihre Entscheidung.“ Wir kehrten zum Hubschrauber zurück und dieser startete. Auf meine Anweisung hin flog der Pilot abgedunkelt an die Firmenzentrale heran und ging in den Schwebeflug. Jelena begann sich über ihren Laptop in den Zentralrechner von Kang Software Enterprises einzuhacken. Als sie dies geschafft hatte, lud sie die Schadsoftware auf den Rechner und baute einen Countdown ein. Um 21:45 Uhr, sollte sich die Software aktivieren.

Nachdem der Trojaner installiert war flogen wir auf den Sportflugplatz zurück. Wir stiegen in den Tesla und fuhren zum Hotel zurück. Der Portier gab uns den Schlüssel und wir gingen auf unser Zimmer. Wir duschten noch schnell, dann legten wir uns in Bett. Um 10:00 Uhr waren wir wieder wach. Als wir beim Frühstück saßen, sagte ich: „Bin jetzt schon auf Charles Kangs blödes Gesicht gespannt.“ „Nicht nur du, Paul. Aber eins weiß ich. Mao Yeungs Tage als Leiter der Forschungsabteilung sind gezählt.“ „Was meinst du damit, Jelena?“ „Liegt das nicht auf der Hand, Paul? Mao Yeung wird wahrscheinlich als Sündenbock herhalten müssen. Wenn Charles Kang merkt, dass die Aufzeichnungen und die Prototypen nicht mehr im Tresor liegen, wird er deren Verschwinden, dem Leiter seiner Forschungsabteilung in die Schuhe schieben.“

Jelena sollte Recht behalten. Denn als man den Diebstahl der Aufzeichnungen und Prototypen bemerkte, wurde Mao Yeung sofort verhaftet. Er wurde ins Büro des Firmenchefs gebracht. Charles Kang, der Chef selbst, war zwar noch auf dem Parteikongress in Peking, doch der Vizepräsident, Takanobu Ishikura, saß auf dem Stuhl des Firmengründers. „Mr. Yeung. Die Aufzeichnungen und die Prototypen von Starflight One und Shibuya wurden gestohlen. Es war Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass niemand diese Daten an sich bringt. Jetzt musste ich Mr. Kang über den Verlust der beiden Projekte in Kenntnis setzen.“ „Mr. Ishikura, ich habe die beste Falle konstruiert, die mir eingefallen ist. Jeder Wachmann der einen Eindringling stellt, weiß, welche Information er dem feindlichen Spion zu übermitteln hat.“ „Offenbar waren diese beiden Schnüffler nicht so dumm und sind auf Ihre List reingefallen. Oder Sie hatten Hilfe von außen.“ „Ich würde auf Hilfe von außen tippen. Und es fällt mir nur einer ein, der es wagen würde, zwei feindlichen Agenten zu helfen.“ „Wen haben Sie im Verdacht?“ „Yamato Tanaka. Er war mein Vorgänger als Leiter der Forschungsabteilung.“ „Also hat er seinen unrühmlichen Abgang Ihnen zu verdanken. Ich hatte von Anfang an den Verdacht, dass dieses 40

Komplott auf Ihr Konto geht. Ich kann Sie nicht leiden, Mr. Yeung. Das konnte ich noch nie. Charles Kang ist in Peking, und kann Ihnen nicht helfen. Wir werden Ihre Falle auf volle Funktionsfähigkeit prüfen. Mit Ihnen als Versuchskaninchen.“ Takanobu Ishikura schnippte mit den Fingern und die beiden Wachposten, die Mao Yeung flankierten, packten ihn an den Armen. „Bringt ihn in den Tresorraum und sperrt ihn dort ein. Ich werde die Tür mit meinem Dienstausweis verriegeln.“

Später am Abend saßen wir in einer Bar und tranken eine Kleinigkeit. Jelena trug wieder ihr rotes Paillettenkleid und die roten Plateauschuhe. Ein Fernseher lief. Ohne Ton. Doch plötzlich wurde die Stereoanlage hinter dem Tresen gestoppt und der Ton am Fernseher angestellt. „Wir unterbrechen das laufende Programm für eine Sondermeldung. Heute Abend um 21:45 Uhr wurde das Firmennetzwerk von Kang Software Enterprises durch eine unbekannte Schadsoftware komplett verschlüsselt. Damit einher geht der Verlust der beiden Aufträge, um die sich das von Charles Kang gegründete Software-Unternehmen beworben hat. Es steht zu befürchten, dass die Firma nicht mehr in der Lage ist, die drohende Insolvenz abzuwenden.“ „Wir haben unseren Auftrag erfüllt. Mir zumindest wird er 125.000 € einbringen.“, sagte ich. „Für mich springen 85.000 € raus. Was wirst du mit deinem Geld machen?“ „Ich werde einen Teil auf mein Firmenkonto einzahlen. Den anderen Teil werde ich dazu verwenden, um an meinem Auto weiter zu arbeiten.“ „Was für ein Auto nennst du dein Eigen?“ „Einen Opel Diplomat B aus dem Jahr 1974. Den großen mit dem V8-Motor.“ „Hoffentlich komme ich in den Genuss, die erste zu sein, die auf der Motorhaube dieses Klassikers gebumst wird.“ „Denkst du nur an das eine?“ „Nein. Aber ich werde von meinem Geld, dass ich mit diesem Fall verdient habe, eine Reise machen. Ich will nach Italien. Genauer gesagt in die Toskana. Warst du schon mal dort?“ „Hatte noch nicht die Ehre.“

„Warum kommst du nicht mit? Wir beide haben uns jetzt einen ausgiebigen Urlaub verdient.“ „Keine schlechte Idee.“

Nach drei Wochen hatten unsere Auftraggeber uns unser Gehalt ausgezahlt und Jelena und ich waren in die Toskana gereist. Wir hatten uns für ein 4-Sterne-Hotel, das Idea Hotel Milano San Siro, entschieden. In den zwei Wochen, die wir in Italien Urlaub machten, kamen Jelena und ich uns noch einmal näher, als in Tokio. In diesen 14 Tagen erneuerte sie noch einmal ihren Vorschlag, bei mir in die Detektei als Partnerin einzusteigen. Ich wollte diese Entscheidung jedoch nicht sofort treffen und erbat mir ein wenig Bedenkzeit. Außerdem wollte ich in diesem Punkt noch ein Gespräch mit meiner kleinen Schwester Samantha führen.

Wieder zu Hause sah ich erst mal die Post durch. Samantha hatte sie in einem leeren Schuhkarton aufbewahrt und nach Rechnungen und Mahnungen und Werbung vorsortiert. Werbung hatte sie sofort in den Papierkorb geworfen. Mahnungen waren jedoch keine eingegangen. Nur ein Schreiben aus Schottland erregte meine Aufmerksamkeit. Auf meinem Esstisch lag die neueste Ausgabe der Frankfurter Rundschau. Doch ich wollte mir erst den Brief durchlesen. Danach die Zeitung. Als ich den Umschlag öffnete, fiel mir ein Foto des Loch Ness 41

auf. Dann entdeckte ich den Brief.

„Mr. MacLain,

in diesem See ist mein Vater, Kurt MacNamara, unter mysteriösen Umständen bei einem Tauchgang ums Leben gekommen. Ich möchte Sie bitten, zumindest den Versuch zu unternehmen die Todesursache herauszufinden. Erst dann werde ich endlich mit diesem dunklen Kapitel abschließen können.

Es grüßt Sie

Natalie MacNamara“

Danach nahm ich mir die Zeitung vor. Auf der Titelseite sah ich ein Foto von Charles Kang. Die Schlagzeile lautete jedoch: „Charles Kang begeht Selbstmord.“ Der Artikel dazu war dann etwas ausführlicher. „Tianjin. Am Morgen des 22.05.2018 wurde der chinesische Softwaremogul Charles Kang tot in seinem Büro aufgefunden. Wie der Betriebsarzt von Kang Software Enterprises gegenüber den Medien bestätigte, hat sich der Firmenchef durch einen Kopfschuss selbst das Leben genommen. Sein Selbstmord dürfte im Zusammenhang mit der Insolvenz von Kang Software Enterprises stehen. Wie später bekannt wurde, wurde in der Tresorkammer noch eine weitere Leiche entdeckt. Der Tote wurde als Dr. Mao Yeung identifiziert. Dr. Yeung war der Leiter der Forschungsabteilung bei Kang Software Enterprises. Eine Autopsie seines Leichnams ergab, dass Dr. Yeung durch ein extrem starkes Nervengift zu Tode gekommen war.“

Ich konnte mir ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen und schickte Jelena über Facebook eine entsprechende Nachricht. Ihre Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Geschieht diesen beiden kriminellen Schmierlappen ganz recht.“, war ihr Kommentar dazu. Später am Abend kam dann meine Schwester Samantha zum Abendessen vorbei. „Gut, dass du Kelly Ling zu mir geschickt hast. Charles Kangs Handlanger haben ganz Pattaya auf den Kopf gestellt. Danach sind sie nach Malaysia weiter gereist und haben dort nach ihr gesucht.“ „Das erklärt auch, warum Jelena und ich den Schwarzen Ninja in Singapur getroffen haben.“ „Immerhin hast du den Fall gelöst.“ „Da wäre noch etwas, dass ich gerne mit dir besprochen hätte.“ „Bin ganz Ohr.“ „Jelena hat mir zweimal den Vorschlag unterbreitet, als Partnerin bei mir in die Detektei einzusteigen. Allerdings weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll. Was rätst du mir?“ „Wäre ich an deiner Stelle, würde ich ohne zu zögern „JA“ sagen. Du kannst Jelena ja schreiben, dass du noch keine Entscheidung getroffen hast und dass du dich nach deinem nächsten Fall meldest.“ „Einverstanden.“ 42

3. Fall - Der mutierte Grönlandhai

3. Fall – Der mutierte Grönlandhai

In meinem nächsten Fall führte mich meine Reise in meine alte Heimat Schottland. Ich hatte keine Ahnung, was mich am Loch Ness erwartete. Doch zuerst besuchte ich Natalie MacNamara. Sie lebte in Glasgow. Als ich an ihrem Apartment klingelte, wusste ich nicht, was genau Kurt MacNamaras Tochter von mir wollte. Die Frau, die öffnete, war eine 1,63 m große 24jährige Brünette. Ihre blauen Augen hatten sicher schon manchen Mann in ihren Bann gezogen. Auch ihre üppigen Brüste waren nicht zu verachten. Ebenso der schlanke Körper und die sexy Beine. Das ovale Gesicht mit der hübschen Nase und den sinnlichen Lippen war auch ein Hingucker. Ihre Haare trug sie offen und schulterlang. Bekleidet war Natalie MacNamara mit einem schwarzen, schulterfreien Minikleid, und schwarzen High Heels.

„Kommen Sie rein, Mr. MacLain.“, sagte sie. In der Wohnung nahm ich auf der Couch Platz, während meine Gastgeberin auf einem Designerstuhl Platz nahm. „Ich habe Ihren Brief gelesen. Was genau soll ich tun?“ „Ich möchte, dass Sie zum Loch Ness fahren und dort Nachforschungen anstellen. Irgendwer muss etwas gehört oder gesehen haben. Vielleicht hat sogar jemand die Filmaufzeichnungen von Vaters Helmkamera aufbewahrt.“ „Ihr Vater trug eine Kamera an seinem Taucherhelm?“ „Ja. Das hat er immer getan, wenn er im Loch Ness unterwegs war. Er ist auch selten allein getaucht. Meistens war ein Freund von ihm dabei. Er ist Ire und heißt Shaun O´ Shane.“ „Wo finde ich Mr. O´Shane?“ „Sie meinen, wo er lebt?“ „Genau.“ „Shaun O´ Shane lebt in Cough. Er betreibt dort einen Pub. MacNamaras Inn hat er ihn genannt, als Andenken an meinen Vater.“ „Also ab nach Irland.“ „Nicht so schnell, Mr. MacLain. Sie haben Glück. Mr. O´ Shane ist gerade in Schottland. Er hält sich in Inverness auf.“ „Was wäre Ihnen die Aufklärung der Todesumstände Ihres Vaters wert?“, fragte ich. „Ich habe zwar das Vermögen meines Vaters geerbt. Aber ich kann Ihnen nur 8.500 € zahlen.“ „Zu wenig. 10.000 Minimum.“ „Na schön. Also 10.000.“ „Okay. Ich mach den Job. Aber beantworten Sie mir eine Frage.“ „Bitte.“ „Wann ist der Unfall passiert?“ „Letztes Jahr im Sommer. Man hat seine Leiche am Ufer des Loch gefunden. Sie liegt noch in der Kühlkammer eines rechtsmedizinischen Instituts in Inverness.“

Ich blieb bis spät in die Nacht bei Miss MacNamara. Sie zeigte mir Fundstücke, die ihr Vater bei seinen Tauchgängen aus dem Loch Ness geborgen hatte. Das wohl bedeutendste Stück war das Bord-MG einer Spitfire. „Ich mach mich dann wohl besser auf den Weg, Miss MacNamara.“, sagte ich. Natalie MacNamara zog einen Schmollmund. „Wie schade, dass Sie nicht bleiben wollen. Sie verpassen ja das Beste.“ „Lassen Sie mich raten: eine heiße Nacht.“ „Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.“ „Zugegeben, das Angebot ist verlockend. Aber bevor ich mich darauf einlasse, will ich doch erst mal sehen, was Sie zu bieten haben.“ „Mit anderen Worten, ich soll vor Ihren Augen die Hüllen fallen lassen.“ „Nennen Sie es, wie Sie wollen.“ „Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich auszuziehen. Also sehen Sie genau hin.“ „Sind Sie immer so sarkastisch?“ „Manchmal. Und das ist noch harmlos, Mr. MacLain. Es gibt auch Tage, da bin ich ein richtiges 43

Biest.“ Natalie MacNamara ließ das Kleid auf den Boden fallen. Zwei wunderschöne pralle Brüste kamen zum Vorschein. Die Scham wurde noch durch einen schwarzen Slip verdeckt. Dieser fiel auch bald auf den Boden und gab den Blick auf eine komplett rasierte Scham frei. „Gefällt Ihnen, was ich zu bieten habe, Mr. MacLain?“

„Bleibst Du heute Nacht bei mir?“, fragte mich Natalie. „Ein Hotel in dem ich noch ein freies Zimmer kriege, werde ich wohl nicht mehr finden.“ „Im Hotel MacNamara bist du immer ein gern gesehener Gast.“, sagte Natalie. „Daran habe ich keinen Zweifel, Natalie.“ Am nächsten Morgen frühstückten Natalie und ich erst mal.

Ich wollte zum Bahnhof, um den Zug nach Inverness zu erwischen, als Natalie mich zurückhielt. „Ich fahr dich.“, sagte sie. Wir gingen in die Tiefgarage. Unzählige Autos standen dort. Ich wollte mich umsehen, doch Natalie schien es ein bisschen eilig zu haben. „Willst du Wurzeln schlagen Paul? Mein Wagen steht dort drüben.“, sagte sie und ging schnurstracks zu einem Ford Escort Cosworth aus dem Jahr 1995. Dieser Wagen war dunkelblaumetallic lackiert.

Während der Fahrt nach Inverness unterhielten wir uns ein wenig. „Als du gestern mit deiner Schwester telefoniert hast, habe ich Shaun O´ Shane angerufen. Er erwartet uns.“, sagte Natalie. In Inverness suchte ich zuerst den Friedhof auf. Ich legte einen Kranz am Grab meines Vaters und einen Strauß Blumen am Grab meines Bruders nieder. Natalie hielt sich im Hintergrund um mich nicht bei meiner Andacht zu stören. Um 12:00 Uhr trafen wir dann Shaun O´ Shane. Der Mann aus Cough war ein 1,88 m großer Mann im Alter von 60 Jahren. Er war kräftig gebaut und hatte hellblondes kurz geschnittenes Haar. In den braunen Augen des Iren konnte ich klares Misstrauen mir gegenüber sehen. Im runden Gesicht des Mannes aus Cough konnte ich Ablehnung erkennen. Ganz klar: Shaun O´ Shane war alles andere als erfreut, mich zu sehen. Bekleidet war Shaun O´ Shane mit einer Khakihose und einem schwarzen Rollkragenpullover und einer Lederjacke, wie wir sie beim SAS benutzten. Dazu trug er schwarze Armeestiefel.

„Wer ist der Kerl?“, fragte er Natalie. „Das ist Paul MacLain. Ich habe ihn 44

angeheuert, damit er den Tod meines Vaters aufklärt.“ „Sie sind nicht zufällig mit David MacLain verwandt?“ „Er war mein Vater, Mr. O´ Shane.“ Die Miene des Iren hellte sich auf. „Ich habe ihren Vater gekannt. Dave war einer der besten SAS-Soldaten, denen ich je begegnet bin. Sie haben, soweit ich weiß, mit meinem Sohn Patrick zusammen gedient.“ „Das stimmt.“ „Nun, wo das geklärt ist, und ich weiß, dass ich Ihnen vertrauen, kann ich Ihnen ruhigen Gewissens den Speicherchip aus Kurts Helmkamera geben.“ „Wieso haben Sie ihn aufbewahrt?“, fragte ich. „Ich wollte verhindern, dass der Chip in falsche Hände fällt. Ich habe einen Laptop mitgebracht, auf dem wir uns den Inhalt des Chips ansehen können.“

Shaun O´ Shane legte den Chip in ein Lesegerät und schloss es an den Laptop an. Der letzte Filmclip war vom 20.04.2017. Diesen Videoclip spielte er ab. Die ersten 2:30 Minuten passierte nichts. Doch dann tauchte aus den Tiefen des Loch Ness ein Schatten auf. „Was ist das?“, fragte Natalie. „Ein Grönlandhai.“ Dann ging alles sehr schnell. Der Hai griff Kurt MacNamara an und tötete ihn mit einem Biss. „Gott! Was für ein Monster!“, entfuhr es mir. „Es gibt nur einen Mann, der Ihnen jetzt weiterhelfen kann.“ „Wer ist es?“ „Jeremy Wade. Er ist Biologe und Extremangler. Er lebt in Ipswich. Fahren Sie hin und schildern ihm den Vorfall.“ „Keine schlechte Idee. Aber zuerst würde ich gerne zum Loch Ness fahren, und mich dort umsehen.“ „Einverstanden.“

Am Abend erreichten wir den Loch Ness. In Fort Augustus, Natalies Geburtsstadt, mieteten wir eines der vielen Ferienhäuser. Da es bereits dunkel war, machte es keinen Sinn, noch einmal an das Seeufer zu gehen. Mitten in der Nacht, Natalie und ich schliefen, hörten wir laute Schreie. Sie kamen vom See. Wir zogen uns an und liefen ans Ufer. Ich schaltete meine Taschenlampe an und leuchtete auf das Wasser. Doch ich fand keine Spuren. Am nächsten Morgenstand ich früh auf um mich am Seeufer umzusehen. Dort hatte sich schon eine kleine Gruppe von Einheimischen zusammengefunden. Ich tat so, als würde ich spazieren gehen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Ich wollte wissen, was passiert war.

Doch einer der Bewohner von Fort Augustus bemerkte mich und kam auf mich zu. Als er vor mir stand konnte ich ihn genauer ansehen. Der Mann war 1,85 m groß und besaß einen kräftigen Körperbau. Er hatte dunkelbraune Haare, die unter einer rot-weiß-gestreiften Bommelmütze versteckt waren. Seine stechend blauen Augen im von einem dichten Bart gesäumten ovalen Gesicht, durchbohrten mich förmlich. Die etwas breite Nase wollte irgendwie nicht zu dem Kerl passen. Bekleidet war der Mann mit einem caramellfarbenen Pullover und einem Schal in der gleichen Farbe. Dazu trug er schwarze Jeans und Turnschuhe. „Sie sind nicht von hier.“, sagte er mit einer kalten Stimme. „Nein. Ich komme aus Inverness.“, sagte ich so ruhig wie möglich. „Das hört man. Wenigstens ein Landsmann und kein gottverdammter Yankee.“ „Sie scheinen nicht viel für die Amerikaner übrig zu haben.“ „Nicht wirklich. Aber lassen wir das. Was haben Sie hier zu suchen? Wer sind Sie überhaupt?“ „Mein Name ist MacLain. Paul MacLain. Ich arbeite für Natalie MacNamara. Sie will, dass ich den Tod ihres Vaters Kurt MacNamara aufkläre.“ „Der gute alte Kurt. 45

Der Hai hat ihn mit einem Biss getötet.“ „Ich habe den Videoclip gesehen. Leider kenne ich mich mit dem Verhalten von Grönlandhaien nicht aus. Wie groß war dieser Hai eigentlich?“ „Die Größenangaben variieren. Es gibt Leute hier die sagen, der Hai wäre 8 Meter lang. Andere sagen, er wäre nur 6,50 Meter. Wieder anderen behaupten, dieser Hai wäre 10 Meter lang und bis zu fünf Tonnen schwer.“ „Verstehe. Was genau ist passiert?“ „Gestern Nacht ist jemand mit einem Boot raus auf den Loch Ness gefahren. Er kam nicht zurück.“ Einer der Einwohner von Fort Augustus gestikulierte wild. „Ich glaube, Sie haben etwas gefunden! Kommen Sie!“

Am Seeufer angelangt, sah ich ein kieloben treibendes Boot. „Großer Gott!“, entfuhr es mir. Im Rumpf des Bootes klaffte ein Loch mit einem Durchmesser von 55 cm. Im Holz steckte noch ein Zahn. Ich zog ihn heraus. „Wie groß werden Grönlandhaie eigentlich?“, fragte ich in die Runde. „Sie können bis zu 5 Meter lang werden und ein Gewicht bis zu 2,5 Tonnen auf die Wage bringen. Aber normalerweise greift ein Grönlandhai keine Menschen an. Höchstens Robben.“ „Ich würde den Zahn und den Videoclip von Kurt MacNamaras letztem Tauchgang gerne jemanden zeigen.“, sagte ich. „Und wem, Mr. Besserwisser?“ Einer der Dorfbewohner hatte diese Frage gestellt. „Jeremy Wade.“ „Wenn Sie meinen.“

Vom Ufer stieß ein Boot ab. Ich konnte erkennen, dass eine Frau und ein Mann darin saßen. Ich zückte mein Smartphone und aktivierte die Kamera. „Was haben Sie vor?“ „Ich werde ein Video machen, sollte der Hai noch hier im Loch Ness sein.“ „Sie meinen, als Beweis?“ „Exakt.“ In dem Moment sprang der Mann ins Wasser, während seine Begleiterin mit dem Boot wartete. Wir alle warteten gespannt, was passieren würde, denn auch meine Auftraggeberin und Shaun O´ Shane waren nun dazu gekommen.

Plötzlich zeigte Natalie auf den See. „Dort ist etwas!“, rief sie. Und tatsächlich: Die Fluten hatten sich geteilt und die Rückenflosse eines Grönlandhais war zu sehen. Der Hai schwamm zielstrebig auf den Mann im Wasser zu. Ein klares Zeichen, dass er vorhatte den Schwimmer anzugreifen. Das Tier tauchte ab. Damit war die letzte Phase des Angriffs angebrochen. Als der Kopf des Schwimmers ruckte, war jedem klar, dass der Hai einen Biss gesetzt hatte. Der Schwimmer zuckte noch einmal, ehe er unter Wasser gezogen wurde und Blut an die Oberfläche stieg. „Wie furchtbar.“, sagte Natalie. „Wollen wir hoffen, dass der Hai nicht auch noch die Frau angreift. Denn ein solches Ende hat sie nicht verdient.“ „Da brauchen Sie keine Angst zu haben, Mr. MacLain. Die Fischer aus dem Nachbarort sind schon vor Ort und helfen.“

Am Abend, Natalie und ich saßen vor dem Kamin, klopfte es bei uns an der Tür. Kurt MacNamaras Tochter öffnete. Es war die Frau, deren Begleiter dem Hai zum Opfer gefallen war. Ich konnte sehen, dass sie geweint hatte. „Sie haben den Vorfall gefilmt, nicht wahr?, fragte sie mit tonloser Stimme. „Ja. Ich will den Clip einem Experten vorlegen, der sich mit so etwas auskennt.“ „Sparen Sie sich ihre Erklärungen. Sie sind nichts weiter als ein sensationsgieriger Lügner.“ „Ich wäre vorsichtig. Dieser Mann ist Privatdetektiv. Ich habe ihn angeheuert, damit er den Tod meines Vaters aufklärt. Wenn er der Meinung ist, einen Haiangriff, 46

den er selbst hautnah miterlebt, zu dokumentieren, dann ist er dazu berechtigt. Und ich glaube ihm, wenn er sagt, dass er einen Experten zu Rate ziehen will.“ „Welcher Experte kann das schon sein?“ „Jeremy Wade.“ „Ich gebe Ihnen einen guten Rat, Mister. Verschwinden Sie von hier und lassen Sie sich nie wieder blicken. Wenn ich Sie nach 48 Stunden hier noch antreffe, dann lasse ich Sie wegen unterlassener Hilfeleistung verhaften.“ „Ich werde gehen. Aber ich komme wieder.“ „Wenn ich Sie noch einmal hier am Loch Ness antreffe, kratze ich Ihnen die Augen aus.“

Am nächsten Morgen reisten Natalie und ich ab. Shaun O´ Shane blieb vor Ort um dafür zu sorgen, dass die Frau uns bei meiner Rückkehr nicht in die Quere kam. In Ipswich fragten wir uns, wo der berühmte Biologe und Extremangler Jeremy Wade wohnen mochte. In einer Taverne am Hafen fragte ich den Besitzer nach Mr. Wade. „Er sitzt dort drüben. Der Mann mit der braunen Lederjacke.“ Natalie und ich gingen zu einem Tisch, von dem aus man den Hafen von Ipswich überblicken konnte. Dort saß ein Mann mit weißen Haaren und blauen Augen. Er war 1,83 m groß und besaß einen kräftigen Körperbau. Das runde Gesicht war vom Wetter gebräunt. Bekleidet war Jeremy Wade mit einer dunkelblauen Jeans, schweren Trekkingschuhen, einem dunkelblauen Pullover und der braunen Lederjacke.

Ich beschloss aufs Ganze zu gehen. „Sind Sie Jeremy Wade?“, fragte ich gerade heraus. „Wer will das wissen?“ „Mein Name ist Paul MacLain. Ich bin Privatermittler. Die Lady ist meine Klientin, Natalie MacNamara. Ihr Vater kam letztes Jahr bei einem Tauchgang im Loch Ness unter mysteriösen Umständen ums Leben.“ „Und ich soll Ihnen helfen, die Todesursache herauszufinden. Habe ich Recht?“ „Es geht in diese Richtung. Im Loch Ness treibt sich ein Grönlandhai herum, der gezielt Menschen angreift.“ Jeremy Wade sah mich an, als wäre ich der erste Mensch. „Sie belieben zu scherzen, Mr. MacLain.“ „Keineswegs. Ich habe Beweise, die ich Ihnen zeigen kann. Zum einen den Speicherchip aus Mr. MacNamaras Helmkamera. Sein Freund Shaun O´ Shane hat den Chip aufbewahrt.“ ich startete den Laptop, den Natalie mitgenommen hatte und zeigte dem Biologen den Filmclip des letzten Tauchgangs. Jeremy Wade war fassungslos. „Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, ich hätte gesagt, Sie wollen mich auf den Arm nehmen.“ „Es gab noch zwei Todesfälle. In einem Ruderboot, das am Ufer angeschwemmt wurde, steckte dieser Zahn.“ Mit diesen Worten legte ich den Zahn, den ich gefunden hatte, auf den Tisch.

Jeremy Wade sah ihn sich genauer an. „Es ist der Zahn eines Grönlandhais.“, sagte er dann. „Den letzten Angriff habe ich selbst miterlebt. Ein Schwimmer kam durch den Hai zu Tode. Hier habe ich das Video.“ Ich wählte den Clip, den ich von meinem Smartphone auf den Laptop kopiert hatte, und spielte ihn ab. Der Biologe und Extremangler schüttelte den Kopf. „Unfassbar.“ sagte er. „Sie kennen sich doch mit Fischen auf. Haben Sie eine Erklärung für ein solch abnormales Verhalten?“ „Da bin ich überfragt. Aber Sie haben meine Neugier geweckt. Ich fahre mit Ihnen zum Loch Ness und dann will ich dieser Sache auf den Grund gehen.“

Nur wenige Tage waren wir am Loch Ness, der Heimat des berühmten Seemonsters. Der Fischer kam zu mir, nachdem Natalie und ich unser Ferienhaus 47

bezogen hatten. „Sie sind also wieder zurück.“ „Wie angekündigt.“ „Kelly McAlistair, hat sich zwar soweit beruhigt und wird Ihnen keinerlei Schwierigkeiten bereiten, aber sie ist ziemlich angepisst, weil sie den Tod ihres Freundes Peter MacCorley gefilmt haben.“ „Ich habe Das Video Jeremy Wade gezeigt. Wie ich es Miss McAlistair auch versucht habe klar zu machen. Aber ich habe Verständnis für ihre Reaktion. Immerhin wurde ihr Freund vor ihren Augen von einem Killerhai getötet.“ „Was gedenken Sie als nächstes zu tun?“ „Mr. Wade und ich wollen morgen früh auf den Loch Ness raus fahren und versuchen den Hai zu fangen.“ „In Ordnung. Ich hole Sie morgen um 8:00 Uhr ab.“ „Einverstanden.“

Am nächsten Morgen trafen Natalie und ich uns zuerst mit Shaun O´Shane und Jeremy Wade. Um 8:00 Uhr holte uns der Fischer dann ab. Mit seinem Boot fuhren wir auf den Loch Ness hinaus. Als wir an der tiefsten Stelle waren, machte Jeremy seine Ausrüstung fertig. Er entschied sich für eine schwere Nylonschnur und ein Stahlvorfach mit einem stabilen Haken. Als Köder nahm er einen Fisch, wie er im Loch Ness vorkam. Er warf die Angel aus und wartete. Doch es dauerte nicht lange, bis Mr. Wade einen Biss hatte. Jeremy riss die Rute nach hinten und begann die Leine einzuholen. Es war unser aller Hilfe notwendig, um den Fisch, der da am Haken hing, am Ende auszudrillen. Mit vereinten Kräften gelang es uns schließlich dieses Monster ins Boot zu holen. Und siehe da, unser Fang war der Grönlandhai, der als mutmaßlicher Täter für den Tod von Natalies Vater Kurt und Peter MacCorley infrage kam.

Zuerst wurde das Tier vermessen. Und Messung ergab, das der Hai eine Länge von 7,25 Metern hatte. Mit einer Spezialwaage ermittelten wir das Gewicht. Und was wir sahen, ließ uns Angst und Bange werden. Der Grönlandhai wog stattliche 3,8 Tonnen. „Auch wenn ich von so etwas keine Ahnung habe, würde ich die Behauptung aufstellen, dass wir es hier mit einem Mutanten zu tun haben.“, sagte ich. „Eine etwas abenteuerliche These.“ „Eine Blutprobe wird Aufschluss geben.“ Mit einer Spritze entnahmen wir dem Hai etwas Blut. Dann schlug ich ihm den Schädel ein. Auch Jeremy Wade, der sonst das sogenannte Catch and Release bevorzugte hatte schweren Herzens der Tötung zugestimmt.

Die Blutprobe des Hais schickten wir an die Universität in Cambridge. Da es dauerte, bis die Ergebnisse vorlagen, entschied ich mich, zurück nach Deutschland zu fliegen. Ich hinterließ eine Nachricht für Natalie, wo ich erreichbar war. Kaum war ich in Frankfurt gelandet, lief ich Jelena in die Arme. Nach einer innigen Umarmung fragte ich: „Was machst du denn hier, Jelena?“ „Ich hatte solche Sehnsucht nach dir. Und weil ich es nicht mehr ausgehalten habe, wollte ich dich besuchen.“ „Das ist echt lieb. Aber es kann sein, dass mich mein aktueller Fall schneller wieder in meine alte Heimat führt, als mir lieb ist.“ „Wo genau in Schottland?“ „Loch Ness.“ „Die Heimat von Nessie.“

Jelena und ich hatten eine Woche Zeit füreinander. Doch dann rief wieder die Arbeit. „Kann ich nicht mitkommen? Vielleicht brauchst du ja meine Hilfe.“, sagte Jelena. 48

„Ich weiß nicht, ob das meiner Klientin recht ist. Aber von meiner Seite gibt es keine Einwände.“ Vorsichtshalber buchte ich einen Flug für zwei Personen.

In Glasgow auf dem Flughafen erwartete uns Natalie. Zuerst war sie gar nicht erfreut, dass Jelena mitgekommen war. Doch das änderte sich, als wir in Natalies Apartment fuhren.

Dort zeigte mir Natalie den wissenschaftlichen Bericht der Blutprobe. „Ich kann mit den Begriffen Molybdän und Cäsium nichts anfangen.“, gestand sie Jelena und mir. „Molybdän Ist ein radioaktives Metall ähnlich dem aus der Kernforschung bekannten Uran 235. Meistens wird es im medizinischen Bereich eingesetzt, kann aber auch zur Herstellung von Nuklearwaffen benutzt werden. Cäsium ist ein Alkalimetall, das auch radioaktiv ist. Wenn ich mir den Bericht so ansehe, dann hat dieser Hai davon wohl ordentlich was abgekriegt.“ „Bei den Werten kein Wunder.“, sagte ich. „Aber wie hat er diese Mengen zu sich genommen?“ „Wir können mit definitiver Sicherheit davon ausgehen, dass dieser mutierte Grönlandhai bei der Nahrungsaufnahme vergiftet wurde.“, sagte Jelena.

„Das würde bedeuten...“ „Das dieser Hai das Resultat eines handfesten Umweltskandals ist. Irgendjemand hat haufenweise radioaktiven Müll in den Fluten des Atlantik entsorgt. Wahrscheinlich in Tiefseegräben.“ „Und die Giftstoffe sind irgendwann in die höher gelegenen Schichten aufgestiegen und wurden von den dort lebenden Fischen gefressen.“, sagte ich. „Richtig. Und die Robben, die Hauptspeise der Grönlandhaie haben diese Fische dann selbst in Massen verputzt.“ „Und der Hai hat sich dann die verseuchten Robben geschnappt.“, sagte Natalie. „Ist für mich die logischste Erklärung.“

„Es gibt nur eine Möglichkeit das rauszufinden.“, sagte Jelena. „Welche?“ „Wir müssen mit dem Tauchboot runter.“ „Gibt es denn überhaupt Tauchboote, die so tief runter gehen können?“ „Die gibt es. Es sind die russischen MIR-Tauchboote. Sie sind an Bord des Forschungsschiffes Akademik Mstislaw Keldysch stationiert.“ „Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als die Keldysch zu chartern.“ „Ich habe Kontakte und könnte mich darum kümmern.“, bot Jelena an. „Okay. Aber wer soll die Kosten übernehmen?“ In diesem Augenblick klopfte es an der Tür zu Natalies Apartment. Meine Klientin sah durch den Spion und erkannte Jeremy Wade.

Als der Biologe die Wohnung betreten hatte, kam er gleich zur Sache. „Ich nehme an, Sie haben den Bericht gelesen.“, sagte er. „Habe ich. Einfach unfassbar.“ „Haben Sie eine Erklärung dafür?“ „Wir glauben, dass der Hai die Schadstoffe über die Nahrung aufgenommen hat.“ „Lässt sich das beweisen?“ „Wenn wir uns mit dem Tauchboot im Atlantik umsehen könnten, wären wir einen entscheidenden Schritt weiter.“ „Gibt es Tauchboote, die so tief runter kommen?“, fragte Jeremy. „Die russischen MIR-Tauchboote sind dafür ausgelegt. Aber dazu müssten wir das Forschungsschiff Akademik Mstislaw Keldysch chartern.“ Jeremy Wade dachte nach. „Ich hätte folgenden Vorschlag. Ich chartere das Schiff und dann tauchen wir mal runter.“ „Gut. Aber wo genau sollen wir suchen?“, fragte Natalie. 49

„Am Besten dort, wo der Hai vorkommt. Vor der Küste Grönlands.“

Es dauerte eine ganze Weile, bis wir die Keldysch chartern konnten. Die russische Regierung schoss immer wieder quer. Doch schließlich hatten wir es doch noch geschafft. Es war mittlerweile Sommer, denn wir schrieben den 24.06.2018. Doch auch der Atlantik konnte um diese Jahreszeit seine Tücken haben, wie uns Jeremy Wade bei einer der allabendlichen Besprechungen erzählte. Unser nächster Schritt bestand darin, die Hoheitsgewässer Grönlands als Suchgebiet auszuweisen. Dies machte es aber notwendig, dass wir die dänische Regierung in Kopenhagen über unsere Pläne informierten. Damit wuchs der Kreis der Mitwisser erneut. Und damit auch das Risiko, dass jemand Wind von unserer Aktion bekam, der uns nicht wohl gesonnen war.

Doch schließlich kam aus Kopenhagen grünes Licht für unser Vorhaben. Zu unserem Schutz hatte die dänische Regierung die Fregatte Esbern Snare, ein Schiff der Absalon-Klasse, abkommandiert. Auch die Peter Willemoes, ein Schiff der Iver-Huitfeldt-Klasse, sollte uns vor feindlichen Übergriffen schützen. Doch schon nach zwei Tagen bemerkte ich einen Kajütkreuzer, der sich auffällig in unserer Nähe herumtrieb. Die Yacht hieß „White Diamond“. Ich gab den Namen an die dänische Küstenwache durch und fragte nach dem Eigentümer. Die Antwort folgte umgehend. „Keldysch, hier ist die dänische Küstenwache. Die „White Diamond“ gehört einem Lars Erik Holm. Er ist der Inhaber der Holm Nuke Removement.“

Bei der allabendlichen Besprechung berichtete ich von meiner Entdeckung. „Lars Erik Holm. Was wissen wir über ihn?“, fragte Natalie. „Lars Erik Holm geboren am 12.12.1965 in Nyköbing. Hat in Kopenhagen an der Universität Jura studiert. Sein Vater hat einen Sitz im dänischen Parlament.“ „Könnte sein, dass der Sohn von Gunnar Holm uns beobachtet um herauszufinden, weshalb wir hier sind.“ „Sieht fast danach aus. Und wenn er gegen uns aktiv wird, wird der alte Holm seinen Sohn vor dem Zugriff der dänischen Justiz bewahren.“ „Das werden wir sehen.“, sagte ich.

Die ersten vier Tage nach seinem Auftauchen begnügte sich Lars Erik Holm mit beobachten. Bei den Tauchgängen mit den MIR-Booten bemerkten wir ein fremdes Boot, das immer in unserer Nähe agierte. Erst als wir Fässer mit der Aufschrift „Holm Nuke Removement“ entdeckten, änderte sich die Lage. Das fremde Tauchboot rückte uns zusehends auf die Pelle. Anfangs beließ es der Pilot bei Abdrängmanövern, doch als wir uns nicht abschrecken ließen, wurde der Ton härter. Es war wieder Zeit für die allabendliche Besprechung. „Das fremde Tauchboot hat schon wieder versucht, uns abzudrängen. Aber dieses Mal hat man einen Bohrer am unteren Schlitten montiert.“ „Der soll wohl eine Warnung für uns sein, dass wir beim nächsten Mal baden gehen.“

Jelena hatte mit ihrer Vermutung Recht behalten. Denn als wir beide in MIR-II unterwegs waren, rammte uns der Pilot des fremden Bootes und versuchte mit Hilfe seiner Greifarme das Boot zu beschädigen. Doch der Pilot der MIR-II konnte ausweichen und der Angriff ging ins Leere. Doch Aufgeben kam für den Piloten 50

fremden Bootes nicht infrage. Er fuhr eine Wende und schaltete den Bohrer ein. Für mich war klar, was der Mann beabsichtigte. Er wollte in die Plexiglaskuppel unseres Bootes ein Loch bohren, und uns auf den Meeresboden schicken. Doch ich weigerte mich, zu sterben. Da ich während meiner SAS-Zeit oft Tauchboote gesteuert hatte, wusste ich, was zu tun war. Ich bat den Pilot der MIR-II mich die Führung übernehmen zu lassen.

Nur widerwillig ließ mich der Russe ans Steuer. Doch ich wusste was ich tat. Ich fuhr eine Wende und rammte das Boot seitlich. Dabei traf ich mit einem der beiden Greifarme unseres Bootes den Bohrer und brach ihn ab. Dieser Waffe beraubt, blieb dem feindlichen Piloten nur die Flucht. Doch ich war nicht gewillt, ihn entkommen zu lassen. Ich packte mit den Greifarmen der MIR-II die Tiefenruder des feindlichen Bootes und drückte es mit dem Heck voran in eine Felsspalte. Dabei wurde die Sauerstoffversorgung unseres Gegners zerstört. Ich hatte im wahrsten Sinne des Wortes sein Todesurteil unterschrieben. Denn für den feindlichen Tauchbootpiloten gab es kein Entrinnen. Er steckte in der Felsspalte fest, wie ein Korken in einer Flasche. Da er nun keine Sauerstoffzufuhr mehr hatte, war der Tod durch Ersticken vorprogrammiert.

Bei der allabendlichen Besprechung herrschte eine angespannte Atmosphäre. „Der Pilot des fremden Tauchbootes hat heute versucht, uns zu versenken.“, sagte ich. „Konntest du ihn unschädlich machen, Paul?“ „Während wir hier reden, dürfte er schon auf dem Weg zum Knochenhof sein. Ich habe ihn in eine Felsspalte gedrückt. Dabei wurde die Sauerstoffzufuhr zerstört. Wenn er kein internes System hatte, war es schon nach 15 Minuten vorbei.“ „Ich bin der Meinung, wir haben genug Beweise dafür, dass der Grönlandhai, den wir im Loch Ness gefangen haben durch den radioaktiven Müll, den wir hier vor Grönlands Küste gefunden haben, vom harmlosen Meeresbewohner zum blutrünstigen Killer mutiert ist.“

Die Videoaufnahmen auf denen die versenkten Fässer zu sehen waren, schickten wir der Staatsanwaltschaft. Ebenso einen Bericht der Besatzung der MIR-Tauchboote über den Angriff des feindlichen Tauchbootes. Dieser Vorfall sorgte für fette Schlagzeilen in allen Tageszeitungen. Gunnar Holm, dem Vater von Lars Erik Holm, wurde auf einer Pressekonferenz folgende Frage gestellt: „Herr Holm, Ihr Sohn Lars Erik hat versucht, zwei russische Tauchboote zu versenken und deren Besatzungen kaltblütig zu ermorden. Der Grund dürften die kürzlich vor der Küste von Grönland gefundenen Fässer mit radioaktivem Inhalt gewesen sein. Haben Sie davon Kenntnis?“ „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von diesen Ereignissen. Aber eines möchte ich an dieser Stelle ein für allemal klar gestellt wissen: Ich distanziere mich von den Taten meines Sohnes und verurteile diese aufs aller schärfste.“

Im folgenden Gerichtsprozess bot Lars Erik Holm noch einmal schweres Geschütz, in Person seines Rechtsanwalts Ingmar Persson auf. Dieser Mann hatte noch keinen Prozess verloren. Doch auch unser rechtlicher Beistand war ein Hochkaräter unter den Anwälten. Es war Benjamin Matlock. 51

Dem Anwalt der Gegenseite ging es in erster Linie um die Aktion mit dem Tauchboot. Denn der Pilot war nach 25 Minuten qualvoll erstickt. Ingmar Persson versuchte alles um uns als rücksichtslose Mörder hinzustellen. Doch nicht wir saßen auf der Anklagebank, sondern Lars Erik Holm. Im Prinzip war der Prozess nichts weiter als ein verbaler Schlagabtausch zweier Staranwälte, die noch nie verloren hatten. Für einen der beiden würde dieser jedoch in einem Desaster enden.

Der Prozess dauerte ganze zwei Wochen. Lars Erik Holm wurde der vorsätzlichen Umweltverschmutzung, Vertuschung und des versuchten Mordes schuldig gesprochen. Das Urteil lautete lebenslange Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 1,5 Millionen Euro. „Die Verteidigung legt gegen das Urteil Einspruch ein. Diese Bande von Mördern darf nicht frei rumlaufen.“ „Das Gericht lehnt den Revisionsantrag der Verteidigung ab. Die Verbrechen von Herrn Holm wiegen schwerer als der Tod des Tauchbootpiloten durch Paul MacLain.“

Es war die Geldstrafe, die den Sohn von Gunnar Holm am härtesten traf. Denn er verlor sein gesamtes Vermögen. Doch ganz ehrlich: Ich hatte kein Mitleid mit ihm. Dieser Bastard hatte bekommen, was er verdiente. Für mich war der Fall abgeschlossen. Natalie überwies mir die vereinbarten 10.000 Euro. Eines Abends, ich saß gerade mit Samantha auf dem Balkon meines Apartments, klingelte es an meiner Wohnungstür. „Wer mag das wohl sein?“, fragte mich Sam. „Keine Ahnung. Ich seh mal nach.“ Ich war überrascht, als ich die Wohnungstür öffnete. Denn vor mir stand Natalie MacNamara. „Ich wollte dich noch einmal sehen, bevor ich in Urlaub gehe.“ „Wo geht’s hin?“ „Nach Peru. Ich wollte schon immer mal Macchu Picchu sehen.“ „Den heiligen Berg der Inkas.“ „Ganz genau. Darf ich reinkommen?“ „Sicher.“

Wieder zurück auf dem Balkon stellte ich Natalie meiner Schwester vor. „Setz dich doch. Bei dieser Gelegenheit möchte ich dir meine jüngere Schwester Samantha vorstellen.“ „Sehr erfreut.“ „Die Freude ist ganz auf meiner Seite.“ „Irgendwelche Neuigkeiten?“ „Die dänische Regierung hat die Fässer bergen lassen und die Küste dekontaminiert. Die Kosten dafür darf Lars Erik Holm auch tragen.“ „Wie viel darf er denn noch drauflegen?“, fragte Samantha. „750.000 €.“ „Geschieht ihm Recht, dass er für den Schaden, den er verursacht hat, gerade stehen darf.“

Es klingelte erneut an meiner Wohnungstür. „Jede Wette, dass ist Jelena.“, sagte ich. „Dann lass sie nicht warten.“, sagte Samantha. Als ich aufstand rief sie mir hinterher: „By the Way, Bruderherz, hast du dich wegen ihrem Vorschlag entschieden?“ „Hab ich. Ich werde annehmen.“ „Sehr gut.“ Ich sollte Recht behalten. Denn als ich die Tür öffnete, stand Jelena vor mir. Sie trug wieder das rote Paillettenkleid und ihre roten Plateauschuhe. „Stör ich?“, fragte sie. „Nicht das ich wüsste.“ „Freut mich das zu hören. Ich wollte etwas mit dir besprechen.“ „Was immer es ist, Samantha und Natalie kannst du vertrauen.“ „Natalie ist hier?“ „Komm erst mal rein. Und dann klären wir alles.“

Schließlich saßen wir zu viert auf dem Balkon. „Also was hast du auf dem Herzen?“, fragte ich. „Hast du über meinen Vorschlag nachgedacht?“ 52

„Das habe ich. Ich könnte mir keine bessere Partnerin als dich wünschen.“ „Du wirst es nicht bereuen.“, sagte Jelena. Und wie Recht meine neue Partnerin haben sollte, sollte unser erster gemeinsamer Fall zeigen. 53

4. Fall - Die gestohlenen Nacktfotos

4. Fall – Die gestohlenen Nacktfotos

Unser erster gemeinsamer Fall führte uns nach Belgien. Es war Juli geworden. Jelena war erst vor kurzem als Partnerin in mein Detektivbüro eingestiegen. An der Tür stand nun nicht mehr „Detektivbüro MacLain“ sondern „Detektivbüro MacLain – Romanova“. Es schien ein Tag wie jeder andere auch zu werden. Morgens gemeinsames Frühstück mit meiner Schwester Samantha, mit der Jelena bestens klar kam. Dann eine Runde joggen durch den nahegelegenen Park. Dann ab ins Büro und auf mögliche Klienten warten. Doch es tat sich einfach nichts. „Wollen wir für heute Schluss machen, Jelena?“ „An und für sich keine schlechte Idee. Aber lass uns noch 10 oder 15 Minuten warten. Nicht, dass jemand einen Auftrag für uns hat, und vor verschlossener Tür steht.“, sagte Jelena. „Okay. 15 Minuten. Aber nicht länger.“

Jelenas Idee noch ein bisschen zu warten zahlte sich aus. Denn um 13:35 Uhr klopfte es an der Tür. „Herein!“, rief ich. Die Tür öffnete sich und eine gutaussehende Brünette trat ein. Vom Aussehen her erinnerte sie mich an Catherine Zeta-Jones. Das Alter schätzte ich auf 46 bis 48 Jahre. Unsere Klientin war 1,70 m groß, und hatte schulterlanges, brünettes Haar. Der wohl proportionierte Körper und die ebenso wohlgeformten Brüste rundeten den ersten Eindruck unserer Klientin ab. Aus ihrem runden Gesicht mit der hübschen Nase und den sinnlichen Lippen, schauten zwei schöne braune Augen. Bekleidet war die Unbekannte mit einer hellblauen Jeansshorts und einem roten Trägerhemd mit einem Muster, das ein bisschen an Pfauenfedern erinnerte. Dazu trug sie schwarze Sandaletten mit silbernen Zierelementen.

„Bin ich hier richtig bei Paul MacLain?“, fragte sie unsicher. „Paul MacLain. Zu ihren Diensten. Die Lady ist meine Partnerin Jelena Romanova.“ „Ich sehe, dass Sie etwas bedrückt. Wie können wir Ihnen helfen?“, sagte Jelena. „Ich werde erpresst.“ „Verstehe. Doch bevor wir weiter reden, würde ich doch gerne wissen, mit wem ich es zu tun habe.“ „Mein Name ist Daniela van den Bergh.“ „Nun Miss van den Bergh. Würden Sie Miss Romanova und mir noch verraten, was Sie beruflich machen?“ „Ich bin die Assistentin der Filialleitung der Filiale der Argenta Spaarbank in meiner Geburtsstadt Antwerpen. Vor kurzem gab unser Chef bekannt, dass er vorhat Ende September in Rente zu gehen.“ „Hat er schon einen Nachfolger benannt?“ „Ja. Mich.“, sagte Daniela van den Bergh. „Und Ihre Beförderung kommt jemandem in die Quere, der selbst gerne den Posten einnehmen würde.“ „Richtig.“ „Haben Sie denn schon einen Verdacht, wer hinter der Erpressung steckt?“ „Da fällt mir nur einer ein. Bert Huybrechts. Der Mann geht über Leichen, wenn es seiner Sache dienlich ist. Und um Ihre unausgesprochene Frage zu beantworten: Ja, er ist derjenige, der gerne Filialleiter werden will.“

„Was hat er denn bis jetzt unternommen, um Sie zum Rücktritt zu zwingen?“ „Vor einer Woche kam dieser Umschlag bei mir an.“, sagte Daniela und gab mir einen braunen Umschlag. Ich öffnete ihn und sah mir den Inhalt an. Da war zum einen ein Brief, und zum anderen ein Foto unserer Klientin. Der Brief war aus 54

verschiedenen Buchstabenfragmenten aus unterschiedlichen Tageszeitungen zusammen gesetzt. Der Wortlaut des Briefes lautete: „Zahlen Sie 3.500 € oder verzichten Sie auf den Posten der Filialleitung. Ansonsten wird das beiliegende Foto überall in Antwerpen veröffentlicht.“ Auf dem Foto war Daniela van den Bergh zu sehen. Mit nichts anderem bekleidet als einem Paar halterloser, schwarzer Nylonstrümpfe. Ein Bein hatte sie verführerisch über das andere geschlagen und ihren restlichen Körper so gedreht, dass man ihre Scham und ihre Brüste sehen konnte.

„Gestatten Sie mir eine Frage, Miss van den Bergh. Wieso machen Sie solche Fotos und wozu?“, fragte ich. „Es soll ein Geschenk für meinen Mann werden. Ich hab mir gedacht, dass es vielleicht originell wäre, wenn ich ihm einen Kalender mit Nacktfotos von mir schenke.“ „Originell vielleicht. Aber auch mit einem hohen Risiko verbunden. Sie haben sich mit diesen Fotos nicht nur erpressbar, sondern auch angreifbar gemacht.“, sagte ich. Daniela van den Bergh verstand nicht ganz. „Was mein Partner damit sagen will, Miss van den Bergh, ist, dass falls Ihr Verdacht zutrifft, und Bert Huybrechts wirklich in den Besitz dieser Fotos gelangt ist, kann er Sie so sehr unter Druck setzen, bis Sie zu seinen Gunsten auf den Filialleitungsposten verzichten.“ „Ich nehme an, dass Sie die Fotos in einem Fotostudio gemacht haben.“ „Ja. Dieses Fotoatelier hat sich auf erotische Fotos spezialisiert. Auf Diskretion wird dort sehr großen Wert gelegt.“

In diesem Zusammenhang fiel mir ein Artikel aus der FNP ein, in dem von einem Einbruch in ein Antwerpener Fotostudio berichtet wurde. Zum Glück hatte ich den Artikel aufgehoben. Ich holte ihn aus der Schublade und gab ihn unserer Klientin. „War es dieses Atelier?“, hakte ich nach. „Ja genau. Das Kuriose ist, dass nur meine Fotos gestohlen wurden.“ „Der Einbruch hat sich also ereignet, nach dem Sie als Nachfolgerin für Ihren jetzigen Chef bestätigt wurden.“ „Das ist richtig. Deswegen habe ich ja auch Monsieur Huybrechts in Verdacht.“ „Würden Sie uns das bitte näher erläutern?“, bat Jelena. „Vor zwei Jahren ist der Chef der Vermögensberatung in den Ruhestand gegangen. Eigentlich sollte Elaine van Elst den Posten bekommen.“ „Wurde sie auch erpresst?“, fragte ich. „Ja. Aber nicht mit Nacktfotos, sondern mit Erotikvideos.“ „Was wurde gefordert?“ „Entweder die Zahlung von 2.000 € oder der Verzicht auf den Posten.“ „Also so wie bei Ihnen. Hat Miss van Elst auf die Forderung reagiert?“ „Nein. Aber danach fing der Ärger an. Im Internet ist ein Video von ihr aufgetaucht, in dem man sie in einem nackt in einem Schweinestall beim Sex mit einem männlichen Schwein sieht. Mein Chef hat sie gefeuert und Bert Huybrechts den Posten gegeben. An Elaines letztem Tag hat er in der Filiale großspurig rumgetönt: Elaine war nur das erste Opfer. Weitere werden folgen, wenn man mich nicht befördert.“

„In Ordnung. Wir übernehmen den Fall. Gehen Sie auf gar keinen Fall auf die Forderung ein. Weiß Ihr Chef schon Bescheid?“ „Er ist eingeweiht. Er stärkt mir den Rücken. Bert Huybrechts wurde bereits von der Führungsriege der Bank abgemahnt.“ „Wie hat er reagiert?“, fragte Jelena. „Er hat Gift und Galle gespuckt.“ Wir brachten Daniela van den Bergh noch zur Tür. 55

„Wann fahren Sie nach Antwerpen zurück?“ „Morgen früh.“ „Wir kommen in zwei Tagen nach. Sagen Sie niemandem, dass wir kommen. Außer Ihrem Vorgesetzten.“ „Einverstanden.“

Zwei Tage nach dem Gespräch reisten Jelena und ich nach Antwerpen. Mit dem ICE ging es nach Brüssel Nord. Von dort mit dem Thalys nach Antwerpen. Dort angekommen, nahmen wir uns ein Taxi, das uns zu unserem Hotel brachte. Wir hatten uns für das Plaza Hotel entschieden. Das Hotel hatte zwar 4 Sterne, aber die Bank hatte entschieden, die Kosten für die Unterkunft zu übernehmen.

Wir hatten uns gerade frisch gemacht und umgezogen, als es an der Tür klopfte. Jelena öffnete. „Ja bitte?“, fragte sie. „Bitte verzeihen Sie die Störung, Miss Romanova, aber ich würde gerne einen Augenblick Ihrer Zeit in Anspruch nehmen.“ „Darf ich fragen, wer Sie sind?“ „Mein Name ist Marc Lauwers. Ich bin der CEO der Argenta Spaarbank. Der Leiter der Filiale hier in Antwerpen hat uns informiert, dass seine Assistentin Sie und Mr. MacLain angeheuert hat, um den Erpresser zu fassen, der sie erpresst.“ „Das stimmt. Bitte kommen Sie.“ Marc Lauwers setzte sich auf einen Stuhl. Der CEO der Argenta Spaarbank war ein 1,80 m großer Mann mit kurzgeschnittenen Haaren, die eine Halbglatze bildeten. Er war schlank und hatte ein rundes Gesicht mit braunen Augen. Er trug eine Brille mit Plastikgestell. Bekleidet war er mit einem dunkelblauen Anzug einem weißen Hemd, einer roten Krawatte schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. „Hat Daniela van den Bergh Ihnen von Elaine van Elst erzählt?“ „Sie meinen die Kollegin, die mit den Erotikvideos erpresst wurde?“ „Richtig. Hat Frau van den Bergh Ihnen auch von dem Video im Schweinestall berichtet?“, fragte der CEO. „Ja.“ „Das Video ist eine Fälschung. Deshalb haben wir Madame van Elst wieder rehabilitiert. Sie arbeitet in unserer Filiale in Brüssel.“ „Eine Frage, Mr. Lauwers. Woher wissen Sie, dass das Video gefälscht ist?“, fragte ich. „Wir haben das Video auf dem Laptop unseres IT-Spezialisten entdeckt. Ein PC-Spezialist hat mit Hilfe einer Spezialsoftware die Originalfassung wieder zum Vorschein gebracht. Dort sieht man eine belgische Pornodarstellerin.“

Nach dem Gespräch mit dem CEO der Argenta gingen Jelena und ich ins Restaurant etwas essen. Danach machten wir einen Stadtbummel durch Antwerpen. An einem Modegeschäft blieb Jelena stehen. Im Schaufenster war ein nachtblaues Abendkleid mit goldenen Stickereien ausgestellt. „Dieses Kleid würde perfekt zu unserer Tarnung passen.“, sagte meine Partnerin. „Was schwebt dir vor?“ „Wir spielen ein wohlhabendes Ehepaar aus der Investmentbranche.“ „Du überraschst mich immer wieder, Jelena.“ „Darin bin ich ein Naturtalent.“

Als wir den Laden betraten, witterte der Besitzer ein dickes Geschäft. „Kann ich dem werten Herrn und der werten Dame behilflich sein?“, fragte er. „Meine Ehefrau hat im Schaufenster dieses Kleid entdeckt.“ „Ah! Ich sehe, die Frau Gemahlin hat Geschmack. Dieses Kleid, passt sehr gut zu der Kette, die Ihre Holde um den Hals trägt. Dazu gehört aber noch der Seidenschal, der um den Hals der Schaufensterpuppe gelegt ist und die Schuhe.“ 56

„Und was kostet das alles?“ „5.500 Euro.“ „Ganz schön happig. Aber bevor ich die Geldbörse zücke, will ich meine Frau in dem Kleid bewundern dürfen.“ „Nichts lieber als das.“

15 Minuten später kam ich aus dem dem Staunen nichts mehr heraus. Jelena war eine Augenweide. Dieser Anblick wäre mir sogar eine Million Pfund Sterling wert gewesen! Vor lauter Staunen bekam ich den Mund nicht mehr zu. „Mach den Mund zu, sonst gibt’s nen Kurzen, Schatz.“, sagte Jelena. „Haben Sie sich entschieden, Monsieur?“ „Ja, habe ich. Dieser Anblick meiner Frau ist mir die 5.500 € wert.“ „Es ist gut, wenn ein Mann zu schätzen weiß, was er an einer Frau, wie der Ihren hat.“ „Miss Romanova ist nicht nur meine Ehefrau, sondern auch meine Partnerin.“ „Wie darf ich das verstehen?“, fragte der Ladenbesitzer. „Meine Frau und ich sind Privatermittler. Es gibt keinen Fall, den wir nicht lösen könnten. Meine Name ist übrigens Paul MacLain. Meine Ehefrau Jelena Romanova.“ „Ich habe von dem Fall mit den Steuerungsgeräten gehört. Raffiniert wie Sie beiden das gelöst haben. Ich würde, wenn es Ihnen Recht ist, einer Freundin von mir von Ihnen erzählen. Sagt Ihnen der Name Patricia O´Byrne etwas?“ „Sie meinen die Autorin?“ „Richtig. Wir sind wie gesagt, ziemlich dicke Freunde. Ich berate Pat ab und zu, wenn sie neue Kleider für diverse Veranstaltungen braucht. Dieses Kleid würde auch gut zu ihr passen.“ „Dann bestellen Sie doch neu.“ „Keine Sorge. Ich habe noch genug auf Lager.“

Am nächsten Tag gingen Jelena und ich in die Filiale der Argenta, in der unsere Klientin arbeitete. Daniela van den Bergh kam uns entgegen. Im Gegensatz zu unserer ersten Begegnung hatte sie ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und war mit einem schwarzen Nadelstreifenanzug und einer weißen Bluse bekleidet. Dazu trug sie schwarze High Heels. Jelena trug das nachtblaue Kleid mit den goldenen Stickereien. Dazu den Seidenschal und die blauen Schuhe mit den flachen Absätzen. „Mr. MacLain, Miss Romanova. Bitte hier entlang. Mein Chef hätte Sie gerne gesprochen.“

Der Filialleiter war ein Mitsechziger mit grauen Haaren, einem runden Gesicht und stechenden blauen Augen. Der Körperbau des Mannes war eher durchschnittlich. Bekleidet war Daniela van den Berghs Vorgesetzter mit einem schwarzen Anzug, einem weißen Hemd, einer roten Krawatte, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. „Monsieur MacLain, Madame Romanova. Bitte nehmen Sie Platz.“, sagte er. Als wir uns in die Sessel vor dem Schreibtisch gesetzt hatten, kam der Filialleiter gleich zur Sache. „Sie können sich sicher vorstellen, dass wir als renommiertes Finanzunternehmen daran interessiert sind, dass der Erpresser so schnell wie möglich gefasst wird.“ „Das verstehen wir.“ „Gut. Wie wollen Sie vorgehen?“ „Wir geben uns als wohlhabendes Ehepaar aus der Investmentbranche aus. Wir werden ein Auge auf Mr. Huybrechts haben, den wir noch heute kontaktieren wollen.“

„Und wie genau stellen Sie sich das vor?“, fragte der Leiter der Filiale. „Wenn die Information Ihrer Assistentin stimmt, dann hat Mr. Huybrechts vor Kurzem das Investmentressort noch zusätzlich zur Finanzberatung 57

übernommen.“ „Das stimmt. Der ehemalige Investmentberater ist in den Ruhestand gegangen.“ „War vorgesehen, dass Mr. Huybrechts auch diesen Posten übernimmt?“, fragte Jelena. „Nein. Den Posten sollte Katja Vandoorne bekommen. Aber dann sind im Internet Nacktfotos von ihr aufgetaucht. Es hat erst aufgehört, als Madame Vandoorne zugunsten von Herrn Huybrechts auf den Posten verzichtet hat.“ „Also so wie ich die Sache sehe, ist Bert Huybrechts unser Mann. Zeit ihm auf den Zahn zu fühlen, oder was meinst Du, Jelena?“ „Schaden kann´s nicht.“

Als Jelena und ich in den Arbeitsraum zurückkamen suchte ich gezielt nach Bert Huybrechts. „Falls Sie Bert Huybrechts suchen, er sitzt dort vorn, in dem Glasanbau.“, sagte Daniela van den Bergh. „Vielen Dank.“ Als wir den Glaskasten betraten sah ich mir den mutmaßlichen Erpresser genauer an. Bert Huybrechts war ein Mittfünfziger mit schwarzen, dauergewellten Haaren, die an einigen Stellen schon ergraut waren. Er hatte ein rundes Gesicht mit braunen Augen und einem Schnauzbart. Die Haut war gebräunt. Offenbar zog es den Finanz- und Investmentberater in wärmere Gefilde. Bert Huybrechts war 1,80 m groß und athletisch gebaut. Bekleidet war er mit einem schwarzen Anzug, einem weißen Hemd, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. Dazu trug er eine schwarze Krawatte mit weißen Punkten.

„Monsieur, Madame. Bitte setzen Sie sich doch.“, sagte Bert Huybrechts freundlich. „Mit Vergnügen.“ „Nun Monsieur, dürfte ich, bevor wir uns mit Ihrem Anliegen näher befassen, nach Ihrem Namen fragen?“ „Mein Name ist Paul MacLain und das ist meine Ehefrau Jelena Romanova.“ „Sehr erfreut. Darf ich fragen, in welcher Branche Sie beide tätig sind?“ „Wir sind Investmentbanker.“ „Ah! Ein interessantes Geschäft nicht wahr? Vor allem mit viel Macht verbunden.“ „Was meinen Sie damit, Mr. Huybrechts?“, fragte ich. „Nun, lassen Sie es mich so ausdrücken. Sie spielen. Und zwar mit dem Geld anderer Leute. Und mal haben Sie Glück und mal haben Sie eben Pech.“ „Von Investmentgeschäften können Sie mir nichts erzählen, Mr. Huybrechts. Dafür habe ich eine Nase.“, gab Jelena zurück. „Es überrascht mich, dass ausgerechnet eine Frau solch eine Behauptung aufstellt. Sie sollten wissen, dass ich der Meinung bin, dass Frauen nichts in leitenden Positionen verloren haben. Das sollte doch lieber uns Männern vorbehalten bleiben. Im Vertrauen kann ich Ihnen sagen, dass ich schon sehr bald in dieser Filiale das Sagen haben werde.“ „Ach wirklich? Sie scheinen je sehr von Ihren Führungsqualitäten überzeugt zu sein, Mr. Huybrechts:“

Nachdem wir die Filiale der Argenta Spaarbank verlassen hatten, fragte ich Jelena: „Was meinst du, Jelena?“ „Ich würde sagen, dass Bert Huybrechts in die Erpressungsgeschichte verwickelt ist. Wahrscheinlich ist er sogar der Drahtzieher.“ „Deine Einschätzung deckt sich mit meiner. Wir müssen ihn beschatten.“ „Auf jeden Fall. Lass uns bei einer Autovermietung einen Mietwagen nehmen.“ „Keine schlechte Idee. Ich habe auf dem Weg hierher eine Niederlassung von Hertz gesehen.“ „Dann nichts wie hin.“

Wir entschieden uns für einen Alfa Romeo Giulia aus dem Jahr 2017. 58

Lackiert war der Wagen in Monza Rot Metallic und hatte die 17-Zoll-Leichtmetallfelgen des Modells Elegante. Wir fuhren zur Filiale zurück und parkten auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dann sahen wir Bert Huybrechts die Filiale verlassen. Er verschwand auf dem Hinterhof und kam wenig später mit einem BMW 750Li aus dem Jahr 2016 zurück. Ganz vorsichtig fädelte sich Jelena in den Feierabendverkehr ein. Sie hielt eine Wagenlänge Abstand, damit wir nicht sofort auffielen.

Die Fahrt dauerte eine Stunde, ehe Bert Huybrechts anhielt. Er betrat ein Restaurant. Jelena und ich folgten ihm unauffällig. Wir setzten uns an einen Tisch etwas weiter entfernt, aber nah genug um alles mitzukriegen, was gesprochen wurde. Bert Huybrechts hatte sich an den Tisch gesetzt und wartete offenbar. Schließlich kam jemand. Es war eine Frau. Sie hatte schulterlange blonde Haare und einen schlanken Körper. Ihr ovales Gesicht mit der hübschen Nase und den sinnlichen Lippen hatte zwei blaue Augen, aus denen eiskalte Berechnung herauszulesen war. Bekleidet war die Fremde mit einem rosa Kleid und Pumps mit hohen Absätzen in derselben Farbe wie das Kleid.

Bert Huybrechts strahlte, als er die Frau sah. „Bernadette. Schön dich zu sehen. Nimm Platz.“ Als die Dame sich gesetzt hatte kam sie gleich zur Sache. „Bert, wann reichst du endlich die Scheidung ein?“, fragte sie knallhart. „Ich weiß nicht, ob ich das kann, Bernadette. Ich habe immer noch Gefühle für Emilia.“ „Du solltest langsam mal eine Entscheidung treffen, Bert. Der Privatdetektiv, den ich angeheuert habe, hat dir doch die Fotos übergeben, oder etwa nicht?“ „Doch. Ich habe Emilia zur Rede gestellt. Aber sie hat alles abgestritten. Sie hat mir sogar gedroht, im Falle einer Scheidung mir nicht nur das Sorgerecht für unsere gemeinsame Tochter zu entziehen, sondern mir auch das Besuchsrecht zu verweigern.“ „Ach so ist das. Wegen deiner Tochter zögerst du das unvermeidliche immer wieder hinaus.“ „Camille ist erst 5 Jahre alt. Wenn es zu einem Scheidungskrieg zwischen Emilia und mir kommt, dann wird dieser auf Camilles Rücken ausgetragen. Es reicht, wenn ich das durchmachen musste. Und deshalb will ich meiner Tochter dieses Schicksal ersparen.“

Später am Abend verließ Bert Huybrechts das Restaurant wieder. Wir folgten ihm unauffällig. Der mutmaßliche Erpresser stieg wieder in seinen BMW und fuhr weiter. Jelena und ich folgten ihm in unserem Alfa. Am historischen Rathaus hielt er an. Auf einem Parkplatz in der Nähe konnte ich einen Mercedes S600 erkennen. Aus diesem Wagen stieg jemand aus. Es war ein junger Man im Alter von 35 Jahren mit dunkelbraunen gelockten Haaren und blauen Augen. Er war athletisch gebaut. Gekleidet war er mit Jeans und Turnschuhen und einem grauen Kapuzenpulli. Jelena hatte eine Kamera gezückt und machte nun Fotos von den beiden. „Wie sieht es aus?“, fragte Bert Huybrechts den anderen. „Nicht gut. Wir müssen vorsichtig sein. Ich habe ein neues Foto mitgebracht. Den Brief müssen dieses Mal Sie verfassen. Sonst fliegen wir womöglich noch auf.“

Wir folgten dem Komplizen weiter, bis zu dessen Haus in einem der 59

Vororte von Antwerpen. Dort stellten wir den Mann. Als er ausstieg packte ich ihn von hinten und drehte ihm den Arm auf den Rücken. „So Freundchen. Jetzt bist du dran. Du hast die Wahl. Entweder du redest, oder wir prügeln die Antworten aus dir raus. Und weder Jelena noch ich sind zimperlich.“, sagte ich. „Okay, okay. Ich werde auspacken.“ Im Haus händigte uns Bert Huybrechts Komplize dann die restlichen Fotos von Daniela van den Bergh und die Negative dazu aus. „Na also. Geht doch. So und jetzt raus mit der Sprache.“ „Wie meinen?“ Als Antwort rammte ihm Jelena ihren rechten Ellenbogen in die Magengrube. „Du wolltest doch auspacken. Also was ist? Ich warne dich, wenn du versucht hast uns zu verkohlen, dann nehmen wir dich solange in die Mangel, bis du redest.“

Diese Androhung meiner Partnerin löste die Zunge von Bert Huybrechts Helfer. Wie er uns berichtete, hatte Bert Huybrechts ihn für den Diebstahl angeheuert. Auch das Video hatte er auf Wunsch des Mannes gefälscht und dem IT-Spezialisten untergeschoben, damit der Verdacht auf diesen fiel. Doch das war nicht alles. Wie sich herausstellte, war er früher Investmentbanker bei Argenta gewesen. Doch er hatte sich an der Börse verzockt und einen Rentner um dessen gesamte Ersparnisse gebracht. Argenta hatte den Kopf dafür hinhalten müssen und eine Schadenersatzzahlung in Höhe von 65.000 € zu leisten. Die Bank hatte entsprechend reagiert und den Pleitebanker entlassen und ihm nur einen halben Monatslohn ausgezahlt. Den Lohn für die restlichen anderthalb Monate hatte Argenta als Wiedergutmachung einbehalten. Das Zeugnis, das dem ehemaligen Banker ausgestellt worden war, war derart schlecht, dass er nirgendwo mehr einen Job fand.

„Danke für Ihre Kooperation. Aber erwarten Sie kein Mitleid von uns. Das kriegen die Opfer, die Sie und Mr. Huybrechts mit ihren schmutzigen Gaunereien erpresst haben.“ Am nächsten Tag fuhren wir wieder in die Filiale. Der Filialleiter kam uns entgegen. „Kommen Sie bitte mit in mein Büro. Ich muss dringend mit Ihnen sprechen.“ Im Büro kam er gleich zur Sache. „Ich hoffe, Sie haben gute Neuigkeiten. Denn die Situation droht außer Kontrolle zu geraten.“, sagte er. „Was ist passiert?“ „Madame van den Bergh hat einen neuen Brief erhalten. Dieses Mal wird kein Geld verlangt, sondern der Verzicht auf den Posten des Filialleiters zugunsten von Monsieur Huybrechts.“ „Wir können mit definitiver Sicherheit sagen, dass Bert Huybrechts der Erpresser ist. Diese Fotos sind der Beweis.“ sagte Jelena und legte die Fotos auf den Schreibtisch. Der Filialleiter sah sich die Bilder an. „Kennen Sie diesen Mann?“ „Oh ja. Das ist Gert van Basten. Er ist Holländer, lebt aber in Belgien.“ „Er war mal bei Argenta als Investmentbanker tätig. Stimmt das?“ „Ja. Aber wir haben ihn gefeuert, nachdem wir eine Schadenersatzklage am Hals hatten.“ „Es sieht so aus, als ob Bert Huybrechts ihn zur Mithilfe gezwungen hat.“ „Was meinen Sie, was ich jetzt tun soll?“, fragte der Leiter. „Verkünden Sie über das schwarze Brett, dass Daniela van den Bergh weiterhin Ihr Vertrauen genießt und Ihnen als Leiterin dieser Filiale nachfolgen wird. Das müsste Bert Huybrechts zu einer unbedachten Handlung verleiten.“

Nur eine Woche später hing eine entsprechende Meldung in der Filiale 60

am schwarzen Brett. Als Bert Huybrechts dies las, drehte er vollends durch. Er stürmte in das Büro unserer Klientin und zückte ein Messer. Er packte Daniela an den Haaren und hielt ihr das Messer an den Hals. Wir kamen gerade an der Filiale an, als er mit seiner Geisel die Filiale verließ. Jelena und ich zückten unsere Waffen und richteten sie auf Bert Huybrechts. „Bleiben Sie stehen Huybrechts! Das Spiel ist aus!“, rief ich. „Halts Maul, Scheiß Tommy! Werft eure Waffen weg, oder Frau van den Bergh leistet den Engeln bald Gesellschaft!“ Jelena tat so als würde sie die Waffe senken. Doch dann riss sie ihre Makarow PMM wieder nach oben und gab einen Schuss ab. Die Kugel traf Bert Huybrechts an der Schulter. Vor lauter Schmerzen ließ er das Messer fallen. Danach überwältigte ich ihn und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Unsanft riss ich Bert Huybrechts nach oben und drückte ihn gegen unseren Mietwagen. „So Arschloch, wenn ich sage, das Spiel ist aus, dann meine das auch. Du hast hoch gepokert, du mieser Pisser, aber Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall.“

Im Gefängnis übernahm Jelena das Verhör. „Also Durak, jetzt hör mir mal gut zu. Wenn du das Maul nicht aufmachst, dann werde ich dich so zurichten, dass man dich in Gips nachformen lassen muss, damit man dich im Gericht erkennt.“ „Ich sage nichts.“, sagte Bert Huybrechts. Als Antwort schlug ihm meine Partnerin mit dem Handrücken ins Gesicht. „Wenn du dir weitere Qualen ersparen willst, dann solltest besser den Mund aufmachen. Ich kenne keine Gnade mit so miesen kleinen Drecksäcken wie dir.“, sagte Jelena und packte Mr. Huybrechts am Kinn. „Von mir erfährst du nichts, du miese, kleine Russenschlampe.“ Jelenas nächster Schlag ging ans Kinn und zertrümmerte Bert Huybrechts Unterkiefer. „Beim nächsten mal bearbeite ich dein Krankenkassengebiss mit dem Presslufthammer.“, sagte Jelena kalt.

Die Drohung meiner Partnerin wirkte. Denn Bert Huybrechts fing an zu singen wie ein Vögelchen. Seit einiger Zeit hatte Bert Huybrechts mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Sein Gehalt bei Argenta reichte gerade so aus, um seine Familie nicht an den Rand der Existenz zu bringen. Nur eine Beförderung zum Filialleiter hätte ihm aus der Klemme geholfen. Wie sich herausstellte, hatte Emilia, seine Frau mit dem Geld ihren Geliebten bei Laune gehalten und sich dessen Loyalität erkauft. Doch das rechtfertigte in meinen Augen keine schmutzigen Erpressungen mit Nacktfotos und gefälschten Sex-Videos.

Bert Huybrechts wurde vor Gericht gestellt und wegen Erpressung in drei Fällen zu einer Haftstrafe von 4 Jahren auf Bewährung verurteilt. Seine Ehefrau Emilia wurde in einem gesonderten Prozess der Untreue und des Ehebruchs schuldig gesprochen. Außerdem verlor sie das Sorgerecht für das gemeinsame Kind. Der Richter wollte das Sorgerecht für Camille Huybrechts Jelena und mir zusprechen. Doch da wir wegen unserer Arbeit selten zu Hause sein würden, wurde meiner Schwester Samantha das alleinige Sorgerecht für das Mädchen zugesprochen.

Das Ehepaar Huybrechts wollte gegen dieses Urteil Berufung einlegen. Doch der Richter wies diese mit der Begründung ab, dass Camille bei solch 61

kriminellen Eltern schnell auf die schiefe Bahn geraten könnte. Ferner fügte er an, dass eine fünfjährige ein stabiles soziales Umfeld benötigte und Bert und Emilia Huybrechts ihrer Tochter dieses nicht geboten hätten. So wurde Samantha unfreiwillig Mutter.

Zwei Tage nach der Verhandlung kehrten Jelena und ich mit Camille nach Frankfurt am Main zurück. Meine Schwester erwartete uns am Flughafen. „Willkommen zu Hause, Bruderherz.“, sagte Sam und drückte mich. Danach war Jelena dran. „Und wen habt Ihr beide mitgebracht?“, fragte Samantha, als sie Camille entdeckt hatte. „Deine Tochter. Ein Gericht in Belgien hat dir das alleinige Sorgerecht für das Kind zugesprochen.“ „Und die Eltern?“ „Wandern beide in den Bau. Der Richter meinte, dass das Mädchen bei Jelena und mir besser aufgehoben wäre. Aber wir sind wegen unserer Fälle immer weg. Deshalb hat der Richter angeordnet, dass du die Erziehung von Camille Huybrechts übernimmst.“ „Na wunderbar. Als ob ich mit meiner Anwaltskanzlei nicht schon genug um die Ohren hätte.“

Später am Abend saßen wir in Samanthas Apartment. „Warum wurden meine Eltern ins Gefängnis gesteckt?“ „Weil deine Eltern schlechte Dinge getan haben. Dein Papa hat die neue Filialleiterin Daniela van den Bergh mit Fotos erpresst um den Posten zu bekommen, den sie antreten wird.“ „Das war nicht nett von Papa.“ „Dein Papa hat nicht nur unsere Klientin erpresst. Sondern noch mindestens zwei weitere Mitarbeiterinnen der Bank.“ „Warum hat er das gemacht?“, wollte Camille wissen. „Hätte deine Mutter das Geld, dass dein Papa bei der Bank verdient hat, nicht ihrem Lover in den Rachen geschmissen, dann wäre dein Papa nicht kriminell geworden.“ „Hätte, hätte, Fahrradkette. Fakt ist, deine Mutter hat deinen Vater betrogen und hat ihrem Geliebten fast das ganze Vermögen gegeben. Und dich hat sie als Druckmittel benutzt, damit dein Vater ihre Eskapaden und Demütigungen weiter klaglos erduldet.“ „Dann soll Mama bleiben wo der Pfeffer wächst.“, sagte Camille. 62

5. Fall - Der Stalker

5. Fall – Der Stalker

Unser nächster gemeinsamer Fall führte Jelena und mich nach Irland. Es war noch Sommer. Die Tage nach dem Prozess gegen das Ehepaar Huybrechts waren noch recht turbulent. Camille hatte gerade angefangen meiner Schwester zu vertrauen, da war der Geliebte von Emilia Huybrechts aufgetaucht, und hatte darauf bestanden, das Kind zu sich zu nehmen. Sam weigerte sich, Camille herzugeben und verwies auf das Urteil aus Belgien. Doch der Mann weigerte sich zu gehen. Erst als ich ihn von hinten niedergeschlagen hatte, war Ruhe. Die Polizei nahm ihn mit und schickte ihn nach Belgien zurück, wo man ihm den Prozess machte.

Wir waren gerade von unserer Joggingrunde zurück und saßen gerade im Büro, als es klopfte. „Herein!“, rief ich. Die Tür öffnete sich und eine Frau trat ein. Sie war 1,42 m groß und hatte dunkelbraune Haare, die bis zu ihren Schultern reichten. Dazu kam ein schlanker Körper. Das ovale Gesicht mit den sinnlichen Lippen und der hübschen Nase besaß zwei sexy grüne Augen, die nervös und ängstlich dreinblickten. Bekleidet war die Dame mit einem roten Minikleid und roten Schuhen mit flachen Absätzen. „Bin ich hier richtig bei Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte sie vorsichtig. „Ich bin Paul MacLain und das ist meine Partnerin Jelena Romanova.“ „Wie können wir Ihnen helfen?“, fragte Jelena. „Ich... sollte mich wohl erst mal vorstellen. Mein Name ist Patricia O´ Byrne.“ „Die Krimiautorin?“ „Ja, Mr. MacLain.“ „Was können meine Kollegin und ich für Sie tun, Miss O´ Byrne?“ „Ich werde seit einiger Zeit gestalkt.“ „Waren Sie schon bei der Polizei?“ „Schon oft. Aber jedes Mal wurde mir gesagt, man könne nichts für mich tun. Es lägen nicht genug Beweise vor, um es für notwendig zu erachten, etwas für meine Sicherheit zu tun.“ „Verstehe. Und wir sollen jetzt diesen schmierigen Dreckshaufen unschädlich machen?“ „Sonst wäre ich nicht hier.“ „Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden?“, fragte Jelena nun nach. „Der Betreiber eines Modegeschäfts in Antwerpen hat mir von Ihnen erzählt. Sie haben ihn ja vor kurzem besucht.“ „Ach! Jacques Delecours. Wenn ich mich recht erinnere.“ „Ganz genau. Er meinte, dass Sie beide mir vielleicht helfen könnten.“ „Es wäre sehr hilfreich für uns, wenn Sie uns alles erzählen würden. Wann hat das Stalking angefangen?“, sagte ich.

„Im Frühjahr. März oder April glaube ich. Ich hatte gerade auf einer Messe meinen neuesten Krimi vorgestellt. Bei der Autogrammstunde ist er dann aufgetaucht. Mit einem Strauß roter Rosen ist er vor mir auf die Knie gegangen und hat mir gesagt, er würde mich lieben. Ich wäre sein ein und alles.“ „Haben die Sicherheitskräfte denn nichts unternommen?“ „Doch. Sie haben ihn an die frische Luft befördert. Aber im Hotel hat er mir dann aufgelauert. Ich wollte gerade mein Hotelzimmer betreten, da hat er mich an die Wand gedrückt, und versucht mir die Kleider vom Leib zu reißen. Er sagte, wenn ich nicht tue, was er von mir verlangt, würde er sich nehmen, was ihm zusteht.“ „Wann und wo haben Sie ihre nächste öffentliche Veranstaltung?“, fragte Jelena. „Morgen früh um 10:30 Uhr in Halle 3 auf dem Messegelände.“ „Wir werden da sein.“ „Ich danke Ihnen.“, sagte Patricia O´ Byrne. „Wir sehen uns dann morgen.“ Kurze Zeit, nachdem die berühmte Krimiautorin aus Kildare gegangen war, 63

klopfte es erneut. Ein Mann, Mitte 40, mit schlaksigem Körperbau, einem kantigen Gesicht mit einer Hakennase und einer Nickelbrille und tiefliegenden grauen Augen betrat das Büro. „Ich habe nicht „Herein“, gesagt.“, sagte ich scharf. „Ich bedaure die Störung. Aber ich wollte Sie und Ihre Partnerin wissen lassen, dass Sie beide morgen nicht in die Halle 3 kommen brauchen. Wir haben die Situation im Griff.“ „Wir werden trotzdem da sein. Und wenn Sie damit ein Problem haben, dann ist das nicht unser Problem.“ „Hören Sie...“, begann der Mann. „Sie werden mir jetzt zuhören! Patricia O´ Byrne hat mich und Miss Romanova angeheuert, weil sie um ihre Sicherheit fürchtet, für die SIE ganz offensichtlich NICHT garantieren können!!!!“

Offensichtlich hatte ich den Fremden doch lauter angeschnauzt als mir lieb war, denn sein Gesicht hatte sich zu einer vor Schreck verzerrten Fratze verzogen. So wie die Dinge standen, hatte es noch nie jemand gewagt, ihm Inkompetenz vorzuwerfen. Wortlos ging er wieder. „Jede Wette, der steckt mit dem Stalker unter einer Decke.“, sagte ich. „Das ist eine Behauptung, die du erst mal beweisen musst.“

Am nächsten Tag, es war der 10.08.2018, waren Jelena und ich schon um 10:15 Uhr in Halle 3 auf dem Messegelände. Wir wollten ein klärendes Gespräch mit dem Leiter des Sicherheitsdienstes. „Jemand mit dieser Beschreibung arbeitet nicht bei uns.“, sagte der Mann. Unser Besucher vom Vortag erschien auf der Bildfläche. „WAS ZUM TEUFEL HABEN SIE HIER ZU SUCHEN?? ICH HABE IHNEN DOCH GESAGT, WIR HABEN DIE SITUATION IM GRIFF!!!!“ „MOMENT MAL! HIER HABE ICH DAS SAGEN! ICH ENTSCHEIDE, WER SICH AUF DEM GELÄNDE FREI BEWEGEN DARF UND NICHT SIE!“ Der Leiter der Sicherheitsfirma gab zwei seiner Mitarbeiter ein Zeichen und wies diese an, unseren ungebetenen Gast umgehend vom Messegelände zu werfen. Patricia O´ Byrne kam dazu. „Der Typ, der hier eben so rum gebrüllt hat, kam gestern zu uns, kurz nach dem Sie gegangen waren, und wollte uns von dem Fall abziehen.“ „Er ist mir schon früher aufgefallen. Jedes Mal wenn er vor Ort war, ist der Stalker aufgetaucht.“ „Was hab ich gesagt?“

An einem der Eingänge sahen Jelena und ich den Mann mit einem anderen sprechen. Jelena machte ein paar Aufnahmen um sie Miss O´ Byrne zu zeigen. Ich selbst belauschte das Gespräch der beiden. „Hör zu. Du musst auf der Hut sein. Ich hab die beiden Schnüffler nicht davon abhalten können hier aufzukreuzen. Es ist nahezu unmöglich, an die Zielperson heranzukommen.“ „Was macht dich da so sicher, Kendrick?“ „Mann begreifst du das nicht, Arnold? Paul MacLain. Ehemaliger SAS-Kommandeur. Jelena Romanova. Ehemalige Speznas-Mitarbeiterin. Die beiden sind gefährlich.“ „Keine Angst. Ich werde im Hotel zuschlagen.“

Wieder zurück in Halle 3 zeigte Jelena Patricia O´ Byrne die Fotos und fragte, ob sie den Mann kennen würde. „Und ob. Der Mann links ist Arnold Hendricks. Und der stalkt mich.“ „Und was ist mit dem Schlaks?“ „Kendrick Masters. Nach allem, was ich über ihn gehört habe, ist er Arnolds Spion. Er tarnt sich meistens als Security-Mitarbeiter.“ „Das erklärt auch, warum er uns gestern wieder abziehen wollte.“, sagte ich. „Und den Ausraster von vorhin.“ „Ich konnte einen Teil des Gesprächs zwischen den beiden belauschen. Mr. Masters hat seinen Kumpel vor uns 64

gewarnt. Arnold Hendricks will Sie in ihrem Hotel abfangen.“ „Würden Sie mich dorthin begleiten?“ „In welchem Hotel sind Sie abgestiegen?“, fragte Jelena. „Im Radisson Blu.“ „Wir übernehmen den Fall. Ab sofort werden wir nicht mehr von Ihrer Seite weichen.“ „Ich danke Ihnen.“

Als wir im Hotel ankamen überreichte der Portier unserer Klientin ein kleines Paket. „Das wurde für Sie abgegeben.“, sagte er. „Ich würde es mir zweimal überlegen, ob ich das Paket öffne. Es könnte eine Bombe sein.“ Jelena hatte diese Warnung ausgesprochen. „Ich könnte unseren Sicherheitsdienst bitten, dass Paket zu untersuchen.“, bot der Concierge an, der gerade aus der Pause gekommen war. „Veranlassen Sie das bitte.“ „Jawohl, mein Herr.“ Ein Sicherheitsdienstler nahm das Paket an sich und wir fuhren zum Kriminaltechnischen Institut, in der Äppelallee in Wiesbaden. Dort ließ es ein Mitarbeiter des BKA durch ein Röntgengerät abscannen. Wir konnten etwas Lebendes erkennen. „Sieht aus wie eine Spinne.“, sagte ich. Ganz vorsichtig wurde das Paket geöffnet. Als der Deckel abgehoben wurde, schlüpfte tatsächlich eine Spinne aus dem Karton. Das Tier war ganz schwarz und hatte auf dem Rücken zwei rote Dreiecke, deren Spitzen zueinander zeigten. „Das ist eine schwarze Witwe!“, rief Jelena. „Eine schwarze Witwe? Sind Sie sicher?“ „So sicher, wie man sich nur sein kann. Ihr Biss ist für den Menschen tödlich. Neben der Sydney-Trichternetzspinne zählt sie zu den gefährlichsten Spinnenarten.“

„Wir müssen das Tier unschädlich machen.“, sagte ich. „Wenn es weiter nichts ist.“ Der Bundespolizist betätigte einige Kontrollen und setzte ein sofort wirkendes Insektenvernichtungsmittel frei und tötete das Tier damit. Zurück im Hotel kam sofort der Hotelmanager auf uns zu. „Was war denn los?“, fragte er. „Irgendjemand hat gerade versucht Miss O´ Byrne durch eine schwarze Witwe zu töten.“ „Ein Mordanschlag in unserem Haus?! Ach du meine Güte!!!“ „Es ist ja noch mal gut gegangen. Aber weisen Sie Ihr Sicherheitspersonal an, ab sofort noch wachsamer zu sein.“ Begleitet von zwei Mitarbeitern des hoteleigenen Sicherheitsdienstes eskortierten Jelena und ich Patricia O´ Byrne zu ihrem Zimmer im 3. Stock. Als wir aus dem Fahrstuhl traten, hörte ich zwei mir wohl bekannte Stimmen, die ich als die von Arnold Hendricks und Kendrick Masters identifizierte. „Sag mal hast du noch alle Latten am Zaun, Arnold? Durch dein Paket mit der Spinne hast du den Verdacht von Paul MacLain und Jelena Romanova auf uns gelenkt. Wir müssen von hier verschwinden. Heute noch.“ „Kommt nicht in Frage. Ich bin so nah dran. Ich kann jetzt nicht einfach aufgeben.“ Doch dann sah er unsere Klientin. „Ja wen haben wir denn da? Du hast mich lange warten lassen.“, sagte er mit einer verführerischen Stimme. „Bleiben Sie mir vom Leib.“ „Aber ich liebe dich doch! Du kannst mich nicht einfach abweisen.“ Ich sah mir den Typen genauer an. Arnold Hendricks war 1,71 m groß und hatte einen durchtrainierten Körper. Er hatte blonde, kurz geschnittene Haare, ein rundes Gesicht mit einer schmalen Nase und schmalen Lippen. In seinen blauen Augen sahen Jelena und ich pure Wollust. Zu dumm, dass Arnold auch noch meine Partnerin entdeckt hatte. „Na so was! Heute scheint mein Glückstag zu sein. Da ist ja noch so eine hübsche Zuckerpuppe.“ Umso überraschter war er, als Jelena ihre Makarow auf ihn richtete. „Keine falsche Bewegung du geiler Gockel, 65

sonst verpass ich dir ein drittes Nasenloch!“, rief sie. Arnold Hendricks hatte seine Aufmerksamkeit nun wieder auf unsere Klientin gerichtet und näherte sich ihr. „Komm her, Schätzchen!“, säuselte er. Ein Schuss krachte und zischte knapp an seinem linken Ohr vorbei. „Ich habe gesagt „STEHENBLEIBEN!“

Doch Arnold Hendricks reagierte nicht. Er drückte Patricia an die Wand und versuchte ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Sie wehrte sich mit allen Kräften, doch gegen die Kraft ihres Gegners hatte sie keine Chance. Der Stalker war so damit beschäftigt, Patricia O´ Byrne zu bedrängen, dass er nicht bemerkte, wie ich mich von hinten genähert hatte. „Arnold! Vorsicht hinter dir!“ Als sich Arnold Hendricks zu mir umdrehte, krachte meine rechte Faust an sein Kinn. Er schüttelte kurz den Kopf und wandte sich nun mir zu. In seinen Augen sah ich blanken Hass. „Du scheiß Tommy! Du und deine bekloppte Kollegin habt mir die Tour versaut!“ Am Tonfall konnte ich erkennen, dass dieser Mann Neuseeländer war. „Du bist mir ein bisschen zu vorlaut, du dreckiger Kiwi.“ „Na warte, dich mach ich fertig!“, schrie Arnold Hendricks. „Du stinkst ja gerade vor Überheblichkeit, du Pappnase!“ Dieser Satz versetzte meinen Gegner komplett in Rage. Er stürmte nach vorn und meine linke Faust krachte mit voller Wucht in die Magengrube. Mit einem lauten Schmerzensschrei ging der Stalker zu Boden.

Mühsam rappelte sich der Stalker wieder auf. „Wir sind noch nicht fertig. Heute geht die Runde an dich und deine Kollegin. Aber Ihr könnt nicht immer in Patricias Nähe sein.“ „Abwarten.“ „Lass dir eins gesagt sein, Tommy. Mit dir und deiner russischen Partnerin rechne ich ab. Nachdem ich von Patricia O´ Byrne bekommen habe, was ich will.“ „Wir werden sehen, du arroganter Großkotz.“ Arnold Hendricks schleppte sich zum Fahrstuhl und verließ das Hotel. Sein Freund Kendrick Masters schluckte. Ein klares Zeichen von Nervosität. Ich packte ihn am Kragen und schüttelte ihn durch. „So Kasperle nu erzähl mal. Zuerst möchte ich wissen, warum du versucht hast, mich und meine Partnerin von dem Fall wieder abzuziehen. Und was war das für ein Zwergenaufstand, den du vorhin in der Halle aufgeführt hast? Antworte sonst mach ich nen Wandteppich aus dir!“

Ich warf den Mann durch die Gegend und wollte mich auf ihn stürzen, als er abwehrend die Hände nach oben riss und wimmerte: „Nicht drauflegen!“ „Na sieh mal, du kannst ja auch sprechen! Wetten dass du mir gleich antwortest, sonst pflüg ich dich in die Botanik, dass man dich für ne abgeknickte Tulpe hält.“ Doch Kendrick bekam vor lauter Angst den Mund nicht mehr auf.

Die nächsten Tage war Jelena bei unserer Klientin, während ich Kendrick Masters im Auge behielt. Dieser telefonierte recht oft mit seinem Freund. „Arnold, nimm endlich Vernunft an und schlag dir Patricia O´ Byrne aus dem Kopf.“ Doch offensichtlich war Arnold Hendricks nicht gewillt, von seinem Vorhaben abzurücken. „Mann Arnold, begreifst du denn immer noch nicht? Du stehst schon mit einem Bein im Knast.“ Aus der Reaktion von Mr. Masters schloss ich, dass Mr. Hendricks vernünftigen Argumenten nicht mehr zugänglich war. „Na schön. Ganz wie du willst, Arnold. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt, wenn´s schief geht. Außerdem 66

kann ich dir nicht mehr helfen, weil mir Paul MacLain im Nacken sitzt. Er lässt mich keine Sekunde aus den Augen.“

Nun war ich fest entschlossen, Arnold Hendricks zur Strecke zu bringen. Später am Abend saßen Jelena und ich in meinem Apartment und berieten unser weiteres Vorgehen. „Patricia hat noch eine Veranstaltung in der Bibliothek von Albufeira, bevor sie wieder nach Hause nach Irland fährt. Eine Lesung.“ „Dann sind wir vor Ort. Wir müssen sicherstellen, dass Arnold Hendricks dort keine Chance hat, unserer Klientin an die Wäsche zu gehen.“, meinte ich. „Gute Idee. Die Lesung ist aber erst in 14 Tagen.“ „Dann machen wir vorher noch Urlaub in Portugal.“ „Das ist Musik in meinen Ohren, Paul.“, sagte Jelena. „Dann lass uns mal buchen.“, schlug ich vor. Da uns die Bank, deren neue Filialleiterin in Antwerpen unsere Klientin war, 500.000 € für die erfolgreiche Aufklärung gezahlt hatte, konnten wir uns ein 4-Sterne-Hotel leisten. Wir entschieden uns für das Hotel Maritur.

Danach packten wir unsere Sachen und buchten für drei Wochen. Am nächsten Morgen fuhren wir mit Jelenas Wagen einem BMW 440i Cabrio aus der Luxury-Line in Imperialblau metallic mit Brillianteffekt lackiert zum Frankfurter Flughafen. Da wir noch am Vorabend online eingecheckt hatten, mussten wir nicht lange warten und konnten unser Gepäck gleich aufgeben. Danach gingen wir zur Sicherheitsschleuse, die wir ohne nennenswerte Probleme passierten. Wir flogen mit Ryan Air, einer Billigflugairline aus Irland.

Um 10:00 Uhr startete unser Flug nach Faro, wo wir um 12:15 Uhr landeten. Nachdem wir unser Gepäck geholt hatten, gingen wir zu einer Autovermietung. Bei AVIS mieteten wir uns einen BMW 540i xDrive Touring aus dem Jahr 2017 der Luxury-Line. Lackiert war unser Wagen in Rhodonitsilber metallic und hatte die 19-Zoll-LMR-Leichtmetallräder 663. Auch das Interieur konnte sich sehen lassen. Ledersitze Modell „Dakota“ in Nachtblau mit Exklusivnaht waren verbaut. Wobei die vorderen Komfortsitze waren, die man elektrisch verstellen konnte. Die Zierleisten waren aus der Individuallinie und waren in Edelholzausführung Design „Zwetschge“ ausgeführt. Dazu kam das Navigationspaket mit BMW Connected Drive. Unser Modell hatte noch ein Panoramaglasdach und adaptive LED-Scheinwerfer.

Jelena gab die Adresse unseres Hotels in das Navigationssystem ein, dann fuhren wir los. Über die Autobahn ging es nach Albufeira. Dort lotste uns das Navi auf dem schnellsten Weg zu unserem Hotel. Wir bezogen unser Zimmer und gingen unter die Dusche. Danach saßen wir noch auf dem Balkon und ließen den Blick bis zum Meer schweifen. „Einfach herrlich. Endlich mal Zeit für sich.“, sagte Jelena. „Haben wir uns auch redlich verdient.“ „Wir haben doch bisher erst einen Fall gemeinsam gelöst.“ „Irrtum. Zwei. Oder hast du den Fall vergessen, bei dem wir uns kennen gelernt haben?“ „Ich werd alt.“, seufzte Jelena.

Auch wenn wir Urlaub hatten, ließen wir es uns nicht nehmen, in der Bibliothek vorbeizuschauen. Der Leiter war gerade dabei, alles für Patricias Lesung vorzubereiten. Als er uns bemerkte, konnte ich ihm ansehen, dass er alles 67

andere als erfreut war, uns zu sehen. „Bom Dia.“, sagte er kurz um dann hinzuzufügen: „Ihr Besuch kommt etwas ungelegen. Sie sehen ja selbst, dass wir die Vorbereitungen für eine öffentliche Lesung in unserem Haus treffen.“ „Für unsere Klientin Patricia O´ Byrne?“, fragte ich. „Woher wissen Sie das?“ „Miss O´ Byrne hat uns beauftragt, einen Stalker unschädlich zu machen. Sie hat uns darüber informiert, dass sie hier die Lesung abhalten wird, für die Sie die Vorbereitungen treffen.“ „Dann bitte ich vielmals um Entschuldigung Mr. ...“ „MacLain. Paul MacLain. Und das ist meine Partnerin Jelena Romanova.“ „Freut mich sehr.“

Am nächsten Tag, Jelena und ich saßen gerade in der Lobby unseres Hotels, kam der Leiter der Bibliothek von Albufeira. „Ich habe Neuigkeiten. Dieser Heini, Kendrick Masters, der sich immer als Security-Mann tarnt ist gestern bei mir in der Bibliothek aufgetaucht. Er meinte, dass Patricia O´ Byrne Ihnen beiden zu keinem Zeitpunkt den Auftrag erteilt hätte, sie vor dem Stalker zu schützen und ich sollte Sie bloß nicht reinlassen.“ „So läuft das jetzt. Aber das werden wir zu verhindern wissen.“ „Ich verlasse mich auf auf Sie.“

Wir hatten gerade die erste Urlaubswoche hinter uns, als Patricia O´ Byrne nach Albufeira kam. Und wie es der Zufall wollte, hatte sie nicht nur dasselbe Hotel gewählt wie wir, sondern hatte ihr Zimmer gleich rechts von uns. Umso überraschter waren wir drei, als wir uns beim Abendessen im Hotel begegneten. An diesem Abend trug Jelena wieder ihr rotes Paillettenkleid und die roten Plateauschuhe. Wir sahen uns gerade nach einem freien Tisch um, als Patricia O´ Byrne auf uns zu kam. „Mr. MacLain, Miss Romanova. Ich hätte jetzt mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Sie auch hier sind.“ „Im Moment ist unser Aufenthalt privater Natur.“ „Verstehe. Urlaub?“ „Ganz genau. Wir haben uns gedacht, ein bisschen Erholung könnte uns nicht schaden, bevor wir zum finalen Schlag ausholen.“ „Machen Sie ihren Job, wie Sie es für richtig erachten.“

Nach dem Abendessen saßen Jelena und ich mit unserer Klientin noch in der Cocktailbar und tranken eine Kleinigkeit. „Kendrick Masters war letzte Woche in der Bibliothek, in der Sie ihre Lesung abhalten und hat versucht uns in Misskredit zu bringen.“ „Töten Sie ihn, wenn es sein muss.“, sagte Patricia O´ Byrne. „Moment. So einfach ist das nicht. Ich kann nicht einfach ohne triftigen Grund einem Menschen die Lampen ausschießen.“ „Mein Partner hat Recht. Wir dürfen nur im Notfall von der Schusswaffe Gebrauch machen.“ „Dann bereiten Sie sich lieber drauf vor. Denn Arnold Hendricks hat seinem Freund eine Walther PPK besorgt.“ „Die PPK ist doch schon Asbach Uralt. Nichts im Vergleich zu meiner Bleispritze.“

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug, denn der Tag der Lesung von Patricia O´ Byrne war schneller gekommen, als uns lieb war. Jelena hatte die Idee, dass Patricia bei uns mitfuhr. So würde es für Arnold Hendricks und seinen Freund Kendrick Masters ein Ding der Unmöglichkeit werden, an unsere Klientin heranzukommen. Wir beschlossen, einen kleinen Umweg zu fahren, der uns zum Hintereingang der Bibliothek führen würde. So hofften wir, Patricia O´ Byrne unbemerkt von Kendrick Masters, in die Bibliothek bringen zu können. 68

Selbiger hatte vor dem Haupteingang Position bezogen, um die Ankunft unserer Klientin seinem Freund Arnold Hendricks zu melden. Er wartete ganze 50 Minuten lang, ehe er unruhig wurde. Unterdessen waren wir in eine Seitenstraße abgebogen und hatten unser Ziel fast erreicht. Als wir an der Bibliothek vorfuhren, bog Kendrick Masters gerade um die Ecke.

Als er uns sah, fluchte er laut. „VERDAMMTE SCHEIßE!!!“, schrie er. Dann zog er sein Smartphone rief seinen Freund an. „Arnold! Hier ist Kendrick. Die Zielperson ist gerade angekommen. Allerdings am Hintereingang. Und es gibt noch mehr schlechte Neuigkeiten. Paul MacLain und Jelena Romanova sind auch hier. Was soll ich machen?“ „Was weiß ich? Lass dir was einfallen.“, sagte Arnold und legte auf. Als wir die Bibliothek betreten wollten, packte mich Kendrick Masters am Arm. „Sie und Miss Romanova bleiben draußen.“, sagte er kalt. „Damit dein Spezi freie Bahn hat.“ „Ganz genau. Ihr beiden habt ihm in Deutschland die Tour vermasselt. Ich werde nicht zulassen, dass ihr es auch in Portugal tut.“ „Ach ja? Und wie willst du uns daran hindern?“, fragte ich. „Reicht dir das als Argument?“, fragte Kendrick Masters und zog seine Walther. Er entsicherte sie und richtete sie auf Patricia. „Wenn Ihr beiden es auch nur einmal versucht, ist sie tot.“ Rasch zog Jelena ihre Makarow, während ich meine Walther P22 Target zog. Wir richteten unsere Waffen auf Kendricks Brust und Herz. „Wirf die Waffe weg, Kendrick! Das Spiel ist aus!“ „Oh nein! IHR legt eure Schießeisen auf den Boden. Aber ganz langsam. Es sei denn, Ihr wollt Miss O´ Byrnes Angehörige von ihrem Ableben in Kenntnis setzen.“

Doch Jelena und ich dachten gar nicht daran. Ehe Kendrick Masters reagieren konnte feuerten wir auf ihn. Die Kugeln trafen ihn genau dort, wohin wir gezielt hatten. „Doswedanja, Arschloch!“, sagte Jelena. Durch den Tod seines Freundes fehlte Arnold Hendricks nun die Person, die ihn über jede Bewegung der Zielperson informieren konnte. Dadurch war er uns gegenüber im Nachteil, doch damit wuchs auch das Risiko, dass Arnold Hendricks seinem Opfer an dessen Wohnort auflauern würde. Daher beschlossen Jelena und ich nach Irland vorzufliegen. Wir kehrten nach der Lesung ins Hotel zurück und packten unsere Koffer. Danach buchten wir einen Flug von Faro nach Dublin für den nächsten Tag.

Am nächsten Morgen checkten wir aus und fuhren nach Faro zurück. Wir gaben den BMW bei AVIS zurück und gaben unsere Koffer auf. Danach gingen wir in Richtung Sicherheitsschleuse, die wir ohne große Probleme passierten. Um 11:15 Uhr startete unser Flieger in Richtung Dublin, wo wir nach einer Flugzeit von 2 Stunden und 55 Minuten um 14:15 Uhr landeten. Nachdem wir unsere Koffer abgeholt hatten, mieteten wir uns bei SIXT eine Mercedes C-Klasse C200 4Matic in T-Modell-Ausführung. Es war ein Modell aus dem Jahr 2017 in der Exclusive-Variante. Lackiert war der Wagen in hyazinthrot metallic und hatte die 19-Zoll-Leichtmetallräder im 10-Speichen-Design. Die Sitze waren mit Leder bezogen. Die Farbkombination war cranberry-rot mit schwarz. Die Zierelemente waren in einem Braunton gehalten, den Mercedes Benz als Holz Linde braun glänzend ausgewiesen hatte. Dazu kam noch ein Panoramaschiebedach. Unser Modell besaß statt der handelsüblichen Klimaautomatik die Thermotronic. 69

Außerdem besaß der Benz eine Auto-Telefonie. Auch ein Head-Up-Display gehörte zur Ausstattung unseres Mietwagens. Ferner gehörten noch der auf 66 Liter vergrößerte Tank sowie eine Rückfahrkamera zur Ausstattung. Auch die DISTRONIC, ein Abstandspilot war enthalten, ebenso wie das Agility Control-Fahrwerk. Auch ein Totwinkelassistent war verbaut worden. Und auch das LED-Intelligent-Light-System hatte man bei SIXT mitbestellt.

Wir hatten uns im Vorfeld für das Osprey Hotel in Naas entschieden. Eine Woche wollten wir bleiben, mit Option auf Verlängerung. Naas war die Hauptstadt des County Kildare und hatte 20.573 Einwohner. Kildare mit seinen 7.538 Einwohnern war etwa eine halbe Stunde von unserem Aufenthaltsort entfernt.

Zwei Tage nach unserer Ankunft in Irland fuhren Jelena und ich nach Kildare. Patricia O´ Byrne hatte uns in unserem Hotel angerufen, und hatte uns mitgeteilt, dass sie wieder zu Hause in Kildare war. Bei uns schrillten sämtliche Alarmglocken.

Wir waren gerade auf der M7 unterwegs, als uns ein Audi RS5 Coupe´ in Navarrablau metallic überholte. Auch wenn es nur kurz war, konnte ich den Mann am Steuer als Arnold Hendricks identifizieren. Er gab Gas und war bald verschwunden. „Jede Wette, Mr. Hendricks will vor uns bei Patricia sein.“, sagte ich. „Da brauchst du nicht zu wetten Towarischtsch. Du hast direkt ins Schwarze getroffen. Arnold Hendricks weiß ganz genau, dass wir ihn schnappen werden. Und deswegen, wird er alles daran setzen, dass er noch seinen Spaß bekommt.“

Und wie Recht Jelena hatte, sahen wir, als wir an Patricias Haus vorfuhren. Der Audi stand auf der Straße und die Haustür sperrangelweit offen. Jelena und ich stürmten ins Haus und zückten unsere Waffen. Aus dem oberen Stockwerk konnten wir Angst- und Schmerzensschreie hören und das höhnische Gelächter des Stalkers. „Das kommt davon, wenn man nicht nach meinen Spielregeln spielt. Du hättest nur die Beine breit zu machen brauchen, dann müsste das jetzt nicht sein. Und weißt du was das beste ist? Deine beiden Privatschnüffler werden mir die Tour dieses Mal nicht vermasseln. Wenn ich mit dir fertig bin, dann nehme ich mir Jelena Romanova vor, bevor ich sie in die ewigen Jagdgründe schicke.“

Doch die gute Laune von Arnold Hendricks verflog, als wir mit gezückten Waffen ins Zimmer stürmten. „Hände hoch Du Schmutzfink, sonst puste ich dir den Schädel weg!“, rief ich. Arnold stieß einen Wutschrei aus, der sämtliche Scheiben erzittern ließ. „Jetzt ist das Maß voll. Du hast mich hinters Licht geführt, du verfluchtes Miststück!“ Arnold Hendricks zückte ein Messer und wollte auf Patricia einstechen, als ein Schuss krachte. Ein stechender Schmerz zuckte durch die Hand des Stalkers und dieser ließ das Messer fallen. Ich stürzte mich auf ihn und riss ihn von unserer Klientin runter.

Es gab ein heftiges Gerangel. Arnold Hendricks wollte mir einen Kinnhaken verpassen. Doch ich duckte mich weg und rammte ihm meine rechte Faust in die Magengrube. Mein Gegner brüllte auf vor Schmerzen. Doch ich ließ nicht locker. Mein nächster Schlag traf die Familienplanung. 70

Als sich Arnold Hendricks mühsam erhob, klemmte ich ihm mit drei Fingern die Nerven ab. Am Anfang versuchte er sich noch zu wehren, doch je länger ich den Nervenstrang blockierte, schwanden seine Kräfte.

Schließlich war der Stalker mit seinen Kräften so am Ende, dass die Polizei, die von Patricia O´ Byrne alarmiert worden war, ihn überwältigen konnte. Im Polizeipräsidium wurde er dann verhört.Doch er wollte partout nicht reden. Stattdessen giftete er die Polizisten an. „Nehmt lieber Paul MacLain und seine Partnerin fest. Die beiden haben in Portugal meinen Freund Kendrick Masters ohne triftigen Grund kaltblütig umgebracht. Aber ich werde ohne Grund verhaftet und hier festgehalten. Ich will meinen Anwalt sprechen.“ „Du schleppst mir keinen Anwalt an, hinter dem du dich verkriechen kannst. Du wirst mir schön brav meine Fragen beantworten. Ansonsten werde ich die Antworten aus dir heraus prügeln.“

„Von mir erfährst du nichts, scheiß Tommy!“ Ein Schlag meiner rechten Faust landete in seiner Magengrube. Arnold Hendricks blieb die Luft weg. „Also erzählst du mir freiwillig was?“ „Nein.“ „Oh doch wollen wir wetten?“ „Ich sage kein Wort.“ „Nu hör mal, mit deinem pinkfarbenen Stirnband an der Knolle siehst du zwar aus wie ne bildschöne Marktfrau, aber... ich behandle dich anders. Na was hör ich jetzt? Also fang an zu singen!“ „Na schön. Sie haben mich überzeugt.“

Arnold Hendricks erzählte uns, dass er mit einem Freund, Marc Forster eine Wette abgeschlossen hatte. Wer es als erster schaffte, fünf weibliche Prominente ins Bett zu kriegen, dem winkte eine ganze Kiste Bier. Arnold hatte bereits vier Promis abgeschleppt. Zwei Schauspielerinnen, eine Sängerin und eine Sportlerin. Patricia O´ Byrne sollte das Kronjuwel werden. Während das Verhör mit Arnold Hendricks noch lief, wurde sein Freund herein geführt.

Er hatte erst drei Promis auf seiner Liste. Eine Sportlerin, eine Autorin und ein Dessous-Model. Seine nächste Eroberung wäre die irische Schauspielerin Natascha McElhone gewesen. Doch die hatte, wie auch unsere Klientin nicht mitgespielt und war zur Polizei gegangen. Doch auch die irischen Behörden hatten ihre Hilfe mit der Begründung verweigert, es lägen nicht genügend Beweise vor, um gegen Mr. Forster vorzugehen.

Arnold Hendricks und Marc Forster wurden vor Gericht gestellt und wegen Nötigung, sexueller Belästigung, versuchter Vergewaltigung, Hausfriedensbruchs und versuchten Mordes angeklagt. Ihre Verteidiger plädierten auf nicht schuldig. Doch es half nichts. Denn am Tisch saß Neve McIntosh. Sie war zwar erst 40 Jahre alt, galt aber schon als ein harter Knochen. Der Prozess dauerte eine Woche ehe das Urteil gesprochen wurde. „Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Die Angeklagten Arnold Hendricks und Marc Forster werden in allen Anklagepunkten für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Eine Revision lasse ich nicht zu. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die beiden Männer die weiblichen Prominenten unserer Welt für sich als Freiwild deklariert haben. Sie haben die Privatsphäre der bisher 71

verfolgten Damen massivst missachtet. Auch vor Mord haben die beiden nicht zurückgeschreckt. Wie rücksichtslos und gemein muss man sein, um sich zu so einer niederträchtigen Tat hinreißen zu lassen? Die Verhandlung ist geschlossen!“

Als Arnold Hendricks an mir vorbeiging spuckte er vor mir und Jelena auf den Boden. Marc Forster tat es ihm gleich. „Wir sehen uns in der Hölle, Scheiß Tommy!“, schimpfte Arnold. „Grüß den Teufel, wenn du ihm gegenüberstehst.“

Wir hatten unseren Auftrag erledigt und dieser Fall hatte uns 80.000 € eingebracht. Wir saßen gerade mit Sam und Camille auf dem Balkon von Samanthas Apartment, als es an der Wohnungstür klingelte. Meine Schwester öffnete und war überrascht, als sie Patricia O´ Byrne gegenüberstand. „Ist Mr. MacLain zu sprechen?“, fragte sie. „Kommen Sie. Darf ich fragen, was Sie von meinem Bruder wollen?“ „Ich habe einen neuen Krimi fertig geschrieben. Er ist noch nicht veröffentlicht. Ich habe aber ein Vorabexemplar drucken lassen. Ihr Bruder und seine Partnerin sind die ersten, die den neuen Krimi zu lesen bekommen.“ 72

6. Fall - Die Sexvideos im Internet

6. Fall – Die Sexvideos im Internet

Der nächste Fall führte Jelena und mich nach Israel. Jelena und ich hatten gerade das Büro aufgeschlossen und fuhren gerade unsere Laptops hoch, als es an der Tür klopfte. „HEREIN!“, rief ich. Ein älterer Herr Mitte 50, groß und athletisch gebaut mit einem runden Gesicht und eiskalten blauen Augen trat ein. Er trug eine Brille mit einem Metallgestell und hatte eine schmale Nase und schmale Lippen. Sein braunes Haar besaß bereits die ersten grauen Stellen. Bekleidet war er mit einem schwarzen Anzug, einem weißen Hemd, einer dunkelroten Krawatte, weißen Socken und schwarzen Lackschuhen. „Ich nehme an, Sie sind Paul MacLain und Jelena Romanova.“, sagte unser Besucher mit einer Bassstimme, die an die deutsche Synchronstimme von Bud Spencer erinnerte. „Ich bin Paul MacLain und das ist, wie Sie richtig vermutet haben, meine Partnerin Jelena Romanova.“ „Was verschafft uns die Ehre Ihres Besuches, Mr. …?“ „Oh, wie unhöflich von mir, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Mein Name ist Ariel Schamon. Ich bin der Vizepräsident der First International Bank of Israel.“ „Nun, Mr. Schamon, was verschafft uns die Ehre ihres Besuches?“, fragte Jelena. „Vor kurzem ist unser alter CEO in den Ruhestand gegangen. Unser Präsident hat daraufhin Miss Erika Kronstein auf diesen Posten berufen. Und ab diesem Zeitpunkt haben die Probleme angefangen.“ „Um was für Probleme handelt es sich?“ „Im Internet sind Sexvideos von Miss Kronstein aufgetaucht. Sehen Sie, Erika Kronstein arbeitet schon lange in unserem Unternehmen und genießt großes Vertrauen.“

„Gestatten Sie mir eine Frage, Mr. Schamon.“ „Bitte, Mr. MacLain.“ „Wie wurde die Ernennung von Miss Kronstein zum neuen CEO Ihres Unternehmens aufgenommen?“ „Im Großen und Ganzen mit Wohlwollen. Nur einer hat quer geschossen.“ „Und wer war das?“ „Der Mann heißt Erez Shamir. Er hatte selbst auf den Posten des CEO spekuliert.“ „Erinnert doch sehr stark an den Erpressungsfall mit Frau van den Bergh.“, sagte Jelena. „Ich habe davon gehört. Was ist eigentlich aus der Tochter des Mannes geworden?“, wollte Ariel Schamon wissen. „Sie lebt bei meiner jüngeren Schwester Samantha.“ „Ach so. Aber nun zurück zum Geschäft. Wir gehen davon aus, dass Erez Shamir versucht, Erika Kronstein von ihrem Posten zu verdrängen.“ „Inwiefern?“, fragte ich. „Nun ja, er redet mit Engelszungen auf unsere Präsidentin ein, und bringt seine Sorgen um den guten Ruf unseres Unternehmens zum Ausdruck. Verdammter Heuchler.“ „Wieso Heuchler?“, wollte Jelena wissen. „Zugegeben, Schleimer trifft es besser. Also was ist, machen Sie den Job?“ „Wenn wir uns finanziell einigen können.“ „Wir würden Ihnen beiden ein Honorar in Höhe von 250.000 € zahlen und auch sämtliche Kosten übernehmen.“ „Wir übernehmen den Fall.“

Zwei Tage nach dem Besuch des Vizepräsidenten der First International Bank of Israel machten wir uns auf den Weg. Mit meinem Opel Diplomat, den ich in Aubergine lackiert hatte, fuhren wir zum Flughafen. Dort gaben wir unser Gepäck auf und gingen weiter zur Sicherheitsschleuse, die wir ohne große Probleme hinter uns brachten. Um 10:20 Uhr startete unser Flug in Richtung Tel Aviv, 73

wo wir 5 Stunden später um 15:20 Uhr auf dem Flughafen Ben Gurion landeten. Nachdem wir unsere Koffer abgeholt hatten gingen wir zu einer Autovermietung. Bei Europcar mieteten wir uns einen Opel Insignia Grand Sport aus dem Jahr 2017 in der Ultimate Exclusive Version. Wir hatten uns für den 2-Liter-Benziner mit 260 PS und 8-Stufen-Automatik entschieden. Lackiert war der Wagen in Smaragd Grün mit Perleffekt und hatte die 18-Zoll 15-Speichen-Leichtmetallräder. Die Sitze waren in der Komfort-Ausstattung ausgeführt und mit braunem Nappaleder bezogen. Europcar hatte noch zusätzlich das Komfortpaket mit Rückfahrkamera und geräuschreduzierenden, laminierten Seitenscheiben vorn bestellt. Auch ein elektrisch verstellbares Glasschiebedach war vorhanden.

Vom Flughafen fuhren Jelena und ich in unser Hotel. Wir hatten uns für das Renaissance Tel Aviv Hotel entschieden. Dort angekommen, händigte uns der Concierge den Schlüssel für unser Zimmer aus. „Ich wünsche Ihnen und ihrer Frau einen wunderschönen Aufenthalt in unserem Haus.“, sagte er. Wir gingen auf unser Zimmer und machten uns frisch. Wir hatten uns gerade fertig umgezogen, als es an der Tür klopfte. Jelena öffnete. Ariel Schamon stand draußen. Kann ich einen Augenblick Ihrer kostbaren Freizeit in Anspruch nehmen?“, fragte er. „Bitte kommen Sie.“

Nach dem Vizepräsidenten der First International Bank of Israel betrat die CEO unser Zimmer. Erika Kronstein war 1,78 m groß und hatte schwarze, dauergewellte Haare, die sie offen trug und die bis zu ihren Brüsten reichten. Das ovale Gesicht mit der hübschen Nase und den schmalen Lippen war auch ein Hingucker. Ebenso wie die schönen braunen Augen. Bekleidet war Erika Kronstein mit einem hellblauen Kleid, das von ihren sexy Beinen viel zeigte und das an der Hüfte etwas luftiger geschnitten war. Dazu trug sie schwarze High Heels. „Mr. MacLain, Miss Romanova. Ich möchte mich bei Ihnen persönlich bedanken, dass Sie diesen Fall übernommen haben. Eigentlich wollte Ich Sie beide persönlich aufsuchen, aber an jenem Tag wurde mein Haus von der Polizei durchsucht.“ „Warum denn dieses?“, wollte ich wissen. „Erez Shamir weiß, dass ich im Unternehmen Rückhalt habe. Und er weiß nur zu gut, was passiert, wenn ich ihm einen Privatdetektiv auf den Hals hetze.“ „Uns geht es in erster Linie um unseren guten Ruf. Ein Skandal, wie ihn Mr. Shamir heraufbeschwören will, wäre nicht gut.“ „Wir kriegen den Mistkerl.“

Am nächsten Tag fuhren wir in die Firmenzentrale der Bank. Zum einen um mit den leitenden Angestellten und dem Präsidenten zu sprechen, zum anderen um Erez Shamir genauer unter die Lupe zu nehmen. Jelena und ich beschlossen, zuerst beim Präsidenten der First International Bank of Israel vorzusprechen. Als wir das Büro betraten erhob sie sich von ihrem Platz. Dalia Lev war eine groß gewachsene, athletisch gebaute Frau im Alter von 71 Jahren. „Mr. MacLain, Miss Romanova. Ich bin froh, dass Sie den Fall übernommen haben. Sehen Sie Erez Shamir hat in den letzten Wochen den Druck, verstärkt. Er will unbedingt eine Entscheidung. Bis zur nächsten Sitzung habe ich Zeit. Und die ist nächste Woche Donnerstag.“ „Hat Mr. Shamir denn mit irgendwelchen Konsequenzen gedroht, wenn 74

Sie die Entscheidung nicht treffen?“ „Nein. Und das traut er sich auch gar nicht. Er weiß, dass er schneller seinen Job los ist, wenn er anfängt mich zu erpressen.“ „Aber er macht es so, dass er sich als Retter in der Not präsentieren kann.“, sagte Jelena. „Das stimmt.“ „Sie als Präsidentin müssten doch eigentlich über alle Leute hier Bescheid wissen. Was können Sie uns über Erez Shamir berichten?“

„Erez Shamir ist für seinen ausschweifenden Lebensstil bekannt.“, sagte Dalia Lev. „Inwiefern ausschweifend?“ „Mr. Shamir ist ein regelmäßiger Besucher spezieller Nachtclubs und er ist oft im Casino anzutreffen.“ „Frauen und Glücksspiel. Eine explosive Mischung.“ „In letzter Zeit scheint Erez Shamir das Glück beim Glücksspiel allerdings etwas verlassen zu haben.“, sagte Miss Lev. „Hat er Spielschulden angehäuft?“, fragte ich. „Das zwar nicht. Aber er musste einen Kredit pausieren, den er zurzeit abbezahlt.“ Jelena und ich wurden hellhörig. „Das bedeutet, dass nur ein besser bezahlter Posten ihn aus dieser Misere befreien könnte?“, hakte Jelena nach. „Wenn Sie es so nennen wollen, dann ja.“ „Mich würde vor allem eines interessieren. Wer ist bei den Kollegen beliebter? Erika Kronstein oder Erez Shamir?“ „Ich denke, diese Frage erübrigt sich von selbst. Die Kollegen machen ja keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Mr. Shamir.“

Nach und nach sprachen wir mit den anderen Führungsmitgliedern der FIBI. Und nach und nach vervollständigte sich das Bild, das wir uns von ihm machen konnten. So erfuhren wir auch, dass Erez Shamir seit einem Jahr eine Liaison mit einer Stripperin hatte. Wie wir erfuhren hieß die Lady Dalia Livni, war 31 Jahre alt und 1,70 m groß und wog 57 Kg. Nach allem, was wir so über diese Dame erfuhren, war sie eine atemberaubende Schönheit. Und für sie und sich hatte Erez Shamir ein Haus bauen lassen, für das er den Kredit aufgenommen hatte.

Als letztes sprachen wir mit dem Verdächtigen selbst. Dieser empfing uns nur sehr widerwillig. Ein klares Indiz dafür, dass er etwas zu verbergen hatte. Erez Shamir war ein Mann im Alter von 40 Jahren. Seine braunen Haare reichten bis zu den Ohren. Seine blauen Augen blickten unsicher drein. Die schmalen Lippen waren zusammen gekniffen. Dieser Mann war nervös. Bekleidet war er mit einem dunkelblauen Anzug, einem weißen Hemd. Schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. Dazu trug er eine dunkelblaue Krawatte mit dünnen goldenen Streifen.

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte er. „Wir wurden beauftragt, herauszufinden, wer die Sexvideos ihrer Konkurrentin Erika Kronstein ins Internet stellt. Da man Miss Kronstein Ihnen gewissermaßen vor die Nase gesetzt hat, hätten Sie ein Motiv und gelten daher als verdächtig.“ „Zugegeben, ich bin etwas enttäuscht, dass man Erika Kronstein mir vorgezogen hat, aber deswegen begehe ich nicht so eine Dummheit.“ „Das sagen Sie. Aber wir wissen von ihrem ausschweifenden Lebensstil und ihrer Liaison zu Miss Livni. Ihnen ist schon klar, dass Sie auf einem Pulverfass sitzen?“ „Darf ich fragen, was Sie mit dieser Aussage meinen, Mr. MacLain?“ „Ich finde die Sache liegt glasklar auf der Hand. Ihre Freundin arbeitet als Stripperin. Wenn diese Beziehung ans Licht kommt, sind Sie geliefert, Mr. Shamir.“ Erez Shamir rückte seine Krawatte zurecht. Ein weiteres Zeichen von Nervosität. 75

„Ja ich weiß, es ist vielleicht nicht richtig, wenn ein Mann in meiner Position eine Stripperin liebt. Aber da steckt man nicht drin. Wohin die Liebe halt fällt. Dalia akzeptiert mich so wie ich bin. Meine Ex-Frau hat versucht mich zu verbiegen. Und seien Sie ehrlich, Mr. MacLain. Welcher Mann lässt sich von seiner Frau schon gerne sagen, wie er sich zu verhalten hat.“ „Wohl keiner.“ „Zumindest auf mich trifft das zu. Sarah, so heißt meine Ex, wollte mir die Besuche in den Nachtclubs ausreden. Ins Casino ist sie immer mitgegangen. Sie war meine Fortuna.“, sagte Erez Shamir. „Und seit Sie geschieden sind, haben Sie Pech im Casino?“ „In letzter Zeit ja. Aber ich liebe Dalia. Und ich will alles tun, um ihr ein besseres Leben zu bieten.“ „Ein guter Vorsatz. Aber wie ist das mit dem Kredit? Dessen Ratenzahlung mussten Sie ja unterbrechen.“ „Ja das stimmt. Aber vor kurzem gab es einen unerwarteten Geldsegen. Deswegen habe ich die restlichen Raten begleichen können.“ „Eine Erbschaft?“ „Sehr richtig. Meine Großtante mütterlicherseits ist vor kurzem an einem Herzinfarkt verstorben. Ihren einzigen Sohn hat sie enterbt.“

Zurück im Hotel zogen wir nach dem ersten Arbeitstag Bilanz. „Was hältst du von der Geschichte, die uns Erez Shamir aufgetischt hat?“, fragte ich Jelena. „Ich denke, er sagt die Wahrheit. Aber dann müssten wir herausfinden, ob der Sohn seiner Großtante ihm zum einen ähnlich sieht, und zum anderen, ob er auch bei derselben Bank arbeitet.“ „Einverstanden. Und wir sollten uns mit Dalia Livni unterhalten. Mal sehen was sie weiß.“ „Das überlass bitte mir.“ „Deine weibliche Intuition?“ „Richtig. Aber du könntest beim Personalbüro nachfragen, ob Erez Shamir jemanden hat, der ihn vertritt, wenn er entweder durch Urlaub oder Krankheit abwesend ist.“

Nach dem Abendessen erkundigten wir uns, in welchem Nachtclub Dalia Livni arbeitete. „Sie arbeitet im Solo Club Tel Aviv. Aber wenn Sie schlau sind, Miss Romanova, dann nehmen Sie meinen Rat an, und nehmen ihren Partner mit. Denn der Schuppen ist für eine attraktive Frau wie Sie ohne männliche Begleitung eine tödliche Falle.“ „Was meinen Sie damit?“, fragte Jelena. „Ganz einfach. In dem Laden wimmelt es nur so von Zuhältern.“ Wie recht der Concierge hatte, bemerkten wir, als wir den Solo Club betraten. Jelena zog sofort sämtliche Blicke auf sich. Und das war auch kein Wunder, denn sie trug wieder das rote Paillettenkleid und die roten Plateauschuhe. Ein Besucher sprach sie kurz darauf an. „Würdest du mir die Gnade erweisen und mit mir tanzen?“, fragte er. „Danke, aber ich muss bedauerlicherweise ablehnen.“ Ich hatte mir den Burschen genauer angesehen. Er war 1,70 m groß und war schlank gebaut. Er hatte schwarzes, gelocktes Haar, braune Augen, in denen sexuelle Lust zu erkennen war, eine schmale Nase und ein ovales Gesicht. Die schmalen Lippen, die eben noch den Blick auf ein paar makellose weiße Zähne freigegeben hatten waren nun zusammengekniffen.

Bekleidet war der Mann mit einem hellen Seidenhemd, das einen Blick auf seine behaarte Brust gewährte, einer schwarzen Leinenhose, schwarzen Socken und weißen Lackschuhen. Am linken Handgelenk trug der Fremde eine Rolex und um den Hals eine Goldkette. Und seine Reaktion zeigte, dass er es nicht gewohnt war, von einer Frau wie Jelena einen Korb zu erhalten. Denn auf einmal hatte er ein Messer in der Hand. Er wollte damit auf Jelena losgehen, doch meine 76

Partnerin war schneller und rammte ihm ihren rechten Ellenbogen auf den Brustkorb. Offenbar hatte Jelena den Solarplexus getroffen, denn der Typ sackte zusammen wie ein nasser Sack.

Die Aktion meiner Partnerin hatte offenbar für Aufsehen gesorgt, denn viele Gäste sahen in unsere Richtung. Die meisten waren gekleidet, wie der Kerl, der Jelena angequatscht hatte. Hatte ich bei diesen Männern dieselbe sexuelle Lust in deren Augen gesehen, sah ich nun Furcht und Respekt darin. Der Manager des Clubs erschien und wir sahen ihm an, dass ihm der Vorfall peinlich war. „Guten Abend, werte Herrschaften. Ich bin Benjamin Adnam. Ich möchte mich in aller Demut für den unangenehmen Zwischenfall entschuldigen.“ „Ist schon in Ordnung. Ich hoffe bloß, dass der werte Herr gelernt hat, dass es ungesund ist, sich mit einer Ex-Speznas-Mitareiterin anzulegen.“, sagte Jelena. „Und meine Wenigkeit war beim SAS.“ „Also zwei von der ganz harten Sorte.“ „Nennen Sie es, wie Sie wollen. Aber nun sollten wir zum eigentlichen Grund unseres Besuches kommen. Meine Partnerin würde gerne mit Miss Livni sprechen. Wir ermitteln in einem Intrigenfall.“ „Sie sind also so etwas wie Privatdetektive?“ „Das sind wir in der Tat. Mein Name ist Paul MacLain. Meine Partnerin Jelena Romanova.“, sagte ich. „Miss Livni hat heute und morgen frei. Aber ich kann ihr eine Nachricht zukommen lassen. In welchem Hotel sind zu erreichen?“ „Im Renaissance Tel Aviv. Zimmer Nr. 555.“ „Um welche Zeit soll Dalia bei Ihnen vorbeikommen?“ „Wäre 13:45 Uhr genehm?“ „Ist in Ordnung. Miss Livni wird um viertel vor zwei zu Ihnen kommen.“

Am nächsten Tag kam Dalia Livni zu uns. Pünktlich um 13:45 Uhr klopfte sie bei uns an der Tür. „Herein!“ Die Freundin des vermeintlichen Intriganten betrat unser Zimmer. Und die Berichte über ihre Schönheit stimmten. Die 31jährige, 1,70 m große Stripperin war eine wirkliche Schönheit. Sie hatte braune Augen, die in einem ovalen Gesicht ruhten, eine schmale Nase, sinnliche Lippen und einen schlanken, verführerischen Körper. Bei der Oberweite war Dalia Livni nicht ganz so üppig bestückt, wie meine russische Partnerin, aber ihre kleinen Brüste hatten auch ihre Reize. Die schwarzen, dauergewellten Haare trug sie offen, so dass diese bis zu ihren Brüsten reichten. Auch die von der Sonne gebräunte Haut verlieh Mr. Shamirs Freundin etwas exotisches. Bekleidet war sie mit einem roten Kleid und roten High Heels.

„Sie hätten mich nicht herzubitten brauchen, ich wäre von selbst zu Ihnen gekommen.“, sagte Dalia Livni. „Ich bin mal an der frischen Luft. Dann könnt Ihr zwei euch in Ruhe unterhalten.“ „Ich habe nichts zu verbergen. Sie können ruhig dabei sein, Mr. MacLain.“

„Darf ich fragen, wie lange sie und Mr. Shamir zusammen sind?“, wollte ich wissen. „Dieses Jahr werden es zwei Jahre. Wir sind es langsam leid, unsere Beziehung im Verborgenen führen zu müssen.“ „Wissen Sie, dass Ihr Freund im Verdacht steht, eine Intrige gegen seine Kollegin Erika Kronstein zu spinnen?“ „Ja, ich weiß davon. Aber glauben Sie mir, Erez ist nicht der Typ für so was.“ „Gibt es jemanden, der ihm wie ein Ei dem anderen gleicht, Miss Livni?“, hakte Jelena nach. „Na und ob. 77

Sein Cousin zweiten Grades Ytzhak Scharon. Er vertritt meinen Schatz, wenn er nicht da ist.“ „Trauen Sie ihm so eine perfide Intrige zu?“ „Ytzhak ist jedes Mittel recht, um einen Keil zwischen mich und Erez zu treiben.“ „Können Sie uns das näher erläutern, Miss Livni?“, fragte ich. „Erez Cousin ist neidisch auf meinen Schatz, weil der von seiner Mutter bevorzugt wird. Ytzhaks Mutter Martha hat ihn enterbt, weil er Erez mit einer Heckler & Koch Pistole erschießen wollte.“ „Der Kerl schreckt also auch vor Mord nicht zurück Warum wollte er Ihren Freund töten?“ „Weil ich ihm einen Korb gegeben habe. Ytzhak Scharon ist nur dann zufrieden, wenn er die Kontrolle hat und alles nach seiner Pfeife tanzt.“

Nach dem Gespräch mit Dalia Livni fuhr ich zur Zentrale der First International Bank of Israel um mit dem Leiter der Personalabteilung zu sprechen. Jelena blieb im Hotel. Der Leiter der Personalabteilung empfing mich bereitwillig. „Guten Tag, Mr. MacLain. Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er freundlich. „Können Sie mir sagen, seit wann Ytzhak Scharon in ihrem Unternehmen tätig ist?“ „Seit zwei Monaten. Und ab dem Zeitpunkt seines Eintritts sind die Sexvideos von Miss Kronstein im Internet aufgetaucht.“ „Immer dann, wenn er Mr. Shamir vertreten hat?“ „Ganz Recht.“ „Und jedes Mal, wenn ein neues Video von Miss Kronstein online geht, sinkt auch das Ansehen von Mr. Shamir. Sehe ich das richtig?“, wollte ich wissen. „So ist es. Wir haben bereits versucht, ihn loszuwerden. Aber jedes Mal geht Mr. Scharon gerichtlich gegen uns vor und gewinnt.“

Als ich ins Hotel zurückkehrte, herrschte heller Aufruhr. „Ist was passiert?“, fragte ich den Concierge. „Ein Mann ist ins Hotel gekommen und hat explizit nach Miss Romanova gefragt.“ „Können Sie ihn beschreiben?“ „Na den Lockenprinz werd ich wohl nie vergessen.“ Und so erfuhr ich, dass es sich um denselben Kerl handelte, der Jelena am Abend zuvor von der Seite angequatscht hatte. „Wo ist er jetzt?“ „In Ihrem Zimmer. Ein Zimmermädchen, dass die Handtücher wechseln wollte, hat er eiskalt erschossen.“ „Sonst noch was?“ „Ja. Er hat wutentbrannt hier unten an der Rezeption angerufen, und angekündigt, jeden zu töten, der es wagt, das Zimmer zu betreten.“ „Ich lasse meine Partnerin nicht im Stich.“, sagte ich.

Oben angekommen fand ich unser Zimmer verschlossen vor. Ich zog meine Walther und legte ein Magazin ein. Und entsicherte anschließend. Dann ich hielt ich mein Ohr an die Tür. Ich konnte eine Männerstimme vernehmen. „Hast du wirklich geglaubt, dass Ytzhak Scharon tatenlos zusieht, wie du ihm in die Parade fährst? Oh Nein, Er hat befohlen, dich an den höchstbietenden Scheich zu verkaufen. Und genau das werde ich tun.“ „Paul wird bald zurück sein und mich hier rausholen.“ „Das wird er sicher nicht. Denn das Zimmermädchen soll eine Warnung sein. Ich werde deinen Partner ohne zu zögern abknallen wenn es sein muss. Ich lass mir doch keine 250.000 Schekel entgehen.“ Ich hatte genug gehört. Mit einem kräftigen Tritt brach ich die Tür auf. Der Zuhälter wirbelte herum um abzudrücken. Doch ich war schneller und eröffnete sofort das Feuer. Ich drückte den Abzug solange, bis das Magazin leer war. „Damit hast du nicht gerechnet was?“, fragte ich und betrat das Zimmer. „Du... Scheiß... Tommy. Mr. Scharon... wird dich... und deine Partnerin... in Stücke... reißen.“ „Wenn wir ihn nicht vorher zu Löwenfutter verwandeln und ihn in 78

handliche kleine Stücke zermanschen.“, sagte ich. „Das... wird euch... den Kopf... kosten.“ Die Augen des Mannes brachen und er blieb regungslos auf dem Boden liegen.

„Alles in Ordnung?“, fragte ich Jelena. „Es geht. Aber so wie ich die Sache sehe, gibt es einen Spitzel, der uns beschattet. Denn kaum das du weg warst, war der Typ von gestern da. Sein Name ist übrigens Muli Reuben. Mal sehen, was der Mossad über ihn weiß.“ „In Ordnung. Ich arrangiere ein Treffen. Aber in dem Zustand trittst du den Israelis nicht unter die Augen.“, sagte ich, denn Jelena war splitternackt. Ihre Kleidung lag zerrissen auf dem Boden. Jelena holte sich ein paar Sachen zum Anziehen aus ihrem Kleiderschrank und zog sich schnell an. Gerade noch rechtzeitig, denn schon bald kam der Manager des Hotels. „Ich muss Sie leider bitten, das Zimmer zu räumen. Zimmer 556 gegenüber wäre frei.“ „Ich wäre auch keine Minute länger hier geblieben.“, sagte Jelena. Wir packten unsere Koffer und zogen in das gegenüberliegende Zimmer um. Wir hatten gerade die letzten Kleidungsstücke verstaut, als es an der Tür klopfte. „Wer stört?“, rief Jelena. „Polizei! Öffnen Sie sofort die Tür!“

Jelena öffnete die Tür einen Spalt breit. Draußen standen zwei Polizisten in Uniform. Die beiden sahen nicht gerade vertrauenerweckend aus. „Was wollen Sie?“, fragte Jelena. „Das geht Sie nichts an! Schicken Sie Mr. MacLain raus! Unbewaffnet und mit erhobenen Händen!“ „Ich werde nichts dergleichen tun.“ Der Polizist wollte zu einer Erwiderung ansetzen. „Hören Sie...“, begann er. „SIE WERDEN MIR JETZT ZUHÖREN! Mein Partner und ich arbeiten für die First International Bank of Israel. Wenn Sie mir nicht glauben wollen, dann rufen Sie gefälligst in der Firmenzentrale der Bank an!“ Zu unserem Glück kam der Vizepräsident der Bank. Nachdem er die Aussage meiner Partnerin bestätigt hatte, musste ich zumindest nicht mehr befürchten verhaftet zu werden. Ein Verhör fand dennoch statt. Nachdem dieses abgeschlossen war, wandten sich die Polizisten zum Gehen. Einer drehte sich in der Tür noch mal um und meinte: „Der Tod einer Unterweltgröße wie Muli Reuben wirft viele Fragen auf. Wenn Sie schlau sind, dann reisen Sie nach der Lösung des Falles sofort ab. Nicht, dass der Mossad Sie beide noch durch den Fleischwolf dreht.“ „Wir wollten eh mit den Mossad-Leuten sprechen, um herauszufinden, was sie über Mr. Reuben wissen.“ „Muli Reuben hat fast überall seine Finger im Spiel. Illegales Glücksspiel, Zuhälterei, Mädchenhandel, die ganze Bandbreite.“

Nachdem Abendessen kam ein Agent des Mossad. Wir hatten eher einen Mann erwartet. Doch unser Kontakt war eine Frau. Eine sehr hübsche Frau sogar. Sie war ca. 1,73 m groß, hatte schöne braune Augen, eine hübsche Nase und sinnliche Lippen. All dies war in einem ovalen Gesicht verpackt. Sie trug eine Brille mit einem schwarzen Gestell und hatte die braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Unsere Mossad-Agentin hatte kein Gramm Fett zu viel und ihre Brüste waren klein aber handlich. Bekleidet war sie mit einem eng anliegenden schwarzen Minikleid, schwarzen halterlosen Nylonstrümpfen und schwarzen High Heels. „Schalom. Mein Name ist Monika Goldstein. Sie beide sind demnach Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.“ 79

„Wie ich hörte, haben Sie Muli Reuben mit Blei vollgepumpt, Mr. MacLain.“ „Das stimmt. Ich konnte meine Partnerin einfach nicht im Stich lassen.“ „Was wissen Sie über Mr. Reuben?“ „Muli Reuben, Spitzname „Goldhand“, geboren am 8. Mai 1970 in Haifa. Sein Vater war schon ein mächtiger Unterweltboss. Ariel Reuben hat sich auf Waffen- und Heroinschmuggel spezialisiert. Sein Sohn hat Zuhälterei und Mädchenhandel dem Reuben-Imperium hinzugefügt. Durch Mulis Tod wird die Reuben-Familie zur Zielscheibe der Konkurrenz.“ „Was ist mit Ytzhak Scharon, wie passt der ins Bild?“, wollte Jelena wissen. „Er hat die Versteigerungen für Mr. Reuben vermittelt und wurde mit einer 15%igen Provision am Verkaufserlös beteiligt. Jetzt, wo Goldhand den Löffel abgegeben hat, wird es für ihn schwierig werden, sich unliebsame Schnüfflerinnen vom Hals zu halten.“ „Wie dürfen wir das verstehen?“ „Ganz einfach. Ytzhak Scharon hat die Versteigerungen vermittelt und einen Teil der Ware beigesteuert. Er hat durch gedungene Häscher zahlreiche Privatermittlerinnen und auch Polizistinnen ausgeschaltet und an Scheichs verkauft. Es ist immer sehr schwierig für die jeweilige Regierung die Frauen wieder freizubekommen. Einmal mussten die USA dem Sultan von Brunei mit einem Nuklearangriff drohen, damit er eine CIA-Agentin wieder freilässt, die von Ytzhak Scharon verkauft wurde.“ Was hat er vor?“ „Er will die Kontrolle über die FIBI übernehmen. Sein Cousin zweiten Grades und Erika Kronstein sind die ersten, die er ausschalten will. Danach kommt der Vizepräsident und zum Schluss Dalia Lev. Wenn Ytzhak Scharon Präsident der First International Bank of Israel ist, kann er Dalia Livni mit diesem Posten beeindrucken und sie für sich gewinnen.“ „Wir wissen, dass Muli Reuben auf uns angesetzt wurde. Von wem hat er seine Informationen bekommen?“, fragte ich. „Von David Edelstein. Er ist Sicherheitsbeauftragter in diesem Hotel.“ „Na wunderbar.“ „Nun, bis jetzt decken sich Ihre Schilderungen bezüglich Ytzhak Scharon mit denen von Dalia Livni.“, sagte Jelena.

„Wann haben Sie mit Miss Livni gesprochen?“ „Heute am frühen Nachmittag. Um 13:45 Uhr war sie bei uns. Nachdem Gespräch bin ich noch mal in die Zentrale der Bank gefahren und habe mit dem Leiter der Personalabteilung gesprochen. Das war um 15:00 Uhr. Um 16:30 Uhr war ich wieder hier.“ „Und in der Zeit, als Sie mit dem Personalleiter gesprochen haben, ist Muli Reuben hier im Hotel aufgekreuzt und hat sich Zutritt zu ihrem Zimmer verschafft.“ „Richtig. Er hat mir die Kleider vom Leib gerissen und mich ans Bett gefesselt. Das Zimmermädchen, das kurz darauf eintrat, hat er einfach umgelegt.“, gab Jelena Auskunft. „Ich konnte auch einen Teil des Gesprächs mithören. Offenbar hat Mr. Scharon Goldhand beauftragt, meine Partnerin an einen Scheich zu verkaufen. 250.000 Schekel soll er geboten haben.“ „Und dann haben Sie die Tür aufgebrochen, um Ihrer Partnerin zu Hilfe zu eilen.“ „Genau das. Goldhand wollte abrücken, aber war schneller. Was nun mein Gespräch mit dem Chef der Personalabteilung betrifft, so habe ich erfahren, dass Ytzhak Scharon seit zwei Monaten bei der First International Bank of Israel als Vertretung für seinen Cousin zweiten Grades fungiert. Und seit dieser Zeit tauchen die Sexvideos von Erika Kronstein im Internet auf.“ „Also so läuft der Hase. Nun gut. Dann sollten wir Mr. Scharon zu Leibe rücken.“, sagte Monika Goldstein. 80

In seinem Apartment in der Innenstadt von Tel Aviv saß Ytzhak Scharon auf dem Balkon und justierte seine Videokamera, die auf das Apartment im gegenüberliegenden Gebäude gerichtet war. In dieser Wohnung lebte Erika Kronstein. Bis jetzt war es überhaupt nicht so gelaufen, wie er es sich gewünscht hatte. Die Bank hielt nach wie vor an dieser blöden Ziege fest, die im Apartment gegenüber wohnte. Stattdessen hatte man zwei Schnüffler engagiert. Und als ob das noch nicht genug wäre, hatte Paul MacLain Ytzhaks Freund Goldhand in die ewigen Jagdgründe geschickt. Und wie ihm sein Spion im Renaissance hatte wissen lassen, zeigte sogar der Mossad Interesse an dem Fall. Also musste er ein weiteres Video aufnehmen und online stellen und danach den Druck auf Dalia Lev weiter erhöhen. Aber ohne Goldhand und seinen Clan war Ytzhak Scharon ebenfalls geliefert.

Um 21:45 Uhr schaltete er die Kamera aus und lud das Video im Internet auf einer einschlägig bekannten Internetplattform hoch. Sein Cousin zweiten Grades war verreist, um sich von den psychischen Qualen zu erholen. Dalia Livni war ihm nachgereist. Ihm sollte es Recht sein. Am nächsten Morgen wurde er von den Kollegen gemieden. „Miss Lev wünscht dich zu sprechen, du intriganter kleiner Pisser.“, sagte einer. Ytzhak Scharon schluckte. Das konnte nichts gutes bedeuten. Sein Herz schlug schneller, als er das Büro der Präsidentin betrat. Dalia Lev sah ihn mit strengem Blick an. „Ich habe für heute eine Sondersitzung anberaumt. Aufgrund der neuen Situation habe ich entschieden, Mr. MacLain und seine Partnerin Miss Romanova dazu zu holen, um eine Eskalation zu vermeiden. Seien Sie um 10:00 Uhr im Besprechungsraum.“ „Wie Sie wünschen.“, sagte Ytzhak Scharon bärbeißig. „Hüten Sie Ihre Zunge. Machen Sie sich lieber klar, dass Ihnen das Wasser bis zum Hals steht.“ Ytzhak Scharon stand auf und verließ das Büro. In der Tür drehte er sich noch einmal um und sagte: „Ihre Tage als Präsidentin dieser Bank sind gezählt. Der Nachfolger steht in Ihrer Tür. Noch heute werde ich die Kontrolle über die First International Bank of Israel übernehmen.“ „RAUS!“

Ytzhak Scharon warf die Tür hinter sich zu. Eine außerordentliche Sitzung und Paul MacLain und Jelena Romanova würden anwesend sein. Keine guten Nachrichten. Blieb nur zu hoffen, dass Dalia Lev seinen Bluff nicht durchschaut hatte. Er wollte gerade zu seinem Büro, als ihm eine Kollegin entgegen kam. „Du kannst nicht in dein Büro.“, sagte sie. „Warum denn dieses?“ „Es wird von Mossad-Agenten unter der Leitung von Monika Goldstein durchsucht.“ VERDAMMT! Dass hatte gerade noch gefehlt.

Nach dem Gespräch zwischen der Präsidentin der First International Bank of Israel und dem wahren Schuldigen kamen Jelena und ich in der Zentrale der Bank an. Es war 9:30 Uhr. Dalia Lev teilte uns mit, dass in einer halben Stunde die Besprechung stattfinden sollte. „Wo soll ich Sie beide postieren?“, fragte sie anschließend. „Am Besten hinter Ytzhak Scharon.“ „Wir würden gerne den Raum sehen, damit wir wissen, wo wir uns hinstellen sollen.“ „Folgen Sie mir.“ Dalia Lev führte uns ein Stück den Korridor entlang und blieb vor einer Glastür stehen. „Bitte treten Sie ein.“, sagte sie. Wir sahen uns um. „Würden Sie uns die Sitzverteilung erläutern?“, fragte ich. „Kein Problem.“ Dalia Lev ging zu einem Stuhl am rechten Kopfende des 81

Tisches. „Hier sitze ich.“ Mit ihrer rechten Hand wies sie auf einen Stuhl links von ihr. „Das ist der Platz von Erika Kronstein.“ Die Tür öffnete sich und die CEO trat ein. „Der Platz am anderen Tischende ist, Sie können es sich denken, der Platz des Vizepräsidenten.“, sagte Dalia Lev. Nach und nach kamen sie alle und nahmen ihre Plätze ein. Der Platz gegenüber von Erika Kronstein war noch nicht besetzt. Jelena und ich nahmen links und rechts davon Aufstellung. Ytzhak Scharon kam als letzter.

„Nun, da wir vollzählig sind, kann die Sitzung beginnen. Heute gibt es nur zwei Dinge zu besprechen. Die Zukunft von Mr. Scharon in unserem Unternehmen und unser Umgang mit der Tatsache, dass sein Cousin zweiten Grades eine Liebesbeziehung mit einer Stripperin führt.“ „Was meine Zukunft angeht, braucht man nicht viel zu sagen, denke ich.“, sagte Ytzhak Scharon. „Denn nach dieser Sitzung wird Ihr Platz meiner sein, Miss Lev.“ „Da haben wir ja wohl noch ein Wörtchen mitzureden. Bevor Sie kamen, haben wir gemeinschaftlich beschlossen, Sie aus dem Unternehmen zu befördern.“ „Dann sehen wir uns eben ein weiteres Mal vor Gericht wieder. Ich werde der neue Präsident der FIBI, komme was da wolle.“ „Dann lassen Sie sich eines gesagt sein, Mr. Scharon. Präsident kann nur werden, wer von uns mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt wurde. Und keiner von uns wird Ihnen seine Stimme geben. Damit ist dieser Punkt vom Tisch.“, sagte Erika Kronstein. „Nachdem dies nun also geklärt ist, können wir uns nun mit dem zweiten Punkt befassen. Dem Umgang mit der Tatsache, das Mr. Shamir mit einer Stripperin liiert ist.“ „Für mich ist die Sache klar. Mein Cousin zweiten Grades muss wie ich aus diesem Unternehmen ausscheiden. Hat er durch seine Liebe zu Dalia Livni nicht schon genug Schande über dieses Haus gebracht?“ „Im Vergleich zu der Schande, die SIE über unser Haus gebracht haben, ist die Beziehung zwischen ihrem Cousin und der Stripperin das kleinere Übel.“ Dem kann ich nur zustimmen. Man kann niemandem vorschreiben, wen er zu lieben hat. Ich denke, wir sollten die Liebesbeziehung der beiden tolerieren und uns da raus halten.“, sagte Ariel Schamon. „Weicheier.“ Ytzhak Scharon hatte dieses Wort ausgesprochen. Ich warf Dalia Lev einen fragenden Blick zu und erhielt ein Nicken als Antwort.

Ich packte den Intriganten und riss ihn aus dem Sessel. Dann knallte ich ihn mit dem Rücken auf den Konferenztisch. „Wer hier schmult, wird angenagelt.“, sagte ich und fixierte Ytzhak Scharon am Hals. „Lassen Sie mich los.“ „Kommt nicht in Frage. Du machtgieriger Schmierlappen hast hoch gepokert und hast am Ende doch noch verloren.“ „Ich bitte Sie, lassen Sie mich gehen. Ich zahle Ihnen was Sie wollen.“ „Sehen wir aus, als wären wir käuflich, du miese kleine Kröte?“, fragte Jelena. Monika Goldstein betrat den Raum. „Ytzhak Scharon, ich verhafte Sie wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit.“ Alle Anwesenden, Jelena und mich eingeschlossen, starrten den Schuldigen entgeistert an.

„Was sagen Sie da? Gefährdung der nationalen Sicherheit? Haben Sie für Ihre Anschuldigungen überhaupt Beweise?“ „Und ob wir die haben. Es ist einfach zu beweisen, dass Sie für die Syrer gearbeitet haben. Oder wie erklären Sie sich Zahlungen in Millionenhöhe von einem Konto der Arab Bank auf Ihr Konto? Außerdem haben wir Ihre E-Mail-Korrespondenz der letzten sechs 82

Monate überwacht. Der meiste Kontakt bestand zwischen Ihnen und dem syrischen Geheimdienst. Dabei haben Sie streng vertrauliche militärische Informationen wie Truppenstärke und Einheiten auf den Golanhöhen an die Syrer verraten. Soll ich noch mehr aufzählen, oder reicht das?“ „Haben Sie ein paar Handschellen? Dann verpass ich diesem Arschkriecher gleich mal die Manschetten.“ „Die Polizei ist schon unterwegs.“ Keine 5 Minuten später betraten zwei Beamte in Uniform den Konferenzsaal und legten Ytzhak Scharon Handschellen an. „Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie Arschloch haben leider das Recht auf einen Anwalt. Sollten Sie sich keinen leisten können, wird Ihnen einer zur Verfügung gestellt.“

In der Woche darauf machte man Ytzhak Scharon den Prozess. Sein Anwalt, ein Mann im Alter von 60 Jahren, mit dem Namen Mendele Frydman, gab zwar sein Bestes um ihn freizubekommen, aber es half nichts. Jehuda Weinstein, der Generalstaatsanwalt, ein Mann im Alter von 74 Jahren, konnte den Richter von der Schuld des Angeklagten überzeugen. Ytzhak Scharon wurde wegen Hochverrats zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Für uns war der Fall erledigt. Dalia Lev überwies unser Honorar und bezahlte die Kosten für unser Hotel und den Mietwagen. Wir packten unsere Koffer, checkten aus und fuhren zum Flughafen, wo wir den Opel zurückgaben. Wir gaben unser Gepäck auf, und gingen zur Sicherheitsschleuse, die wir ohne nennenswerte Schwierigkeiten hinter uns brachten.

Um 21:20 Uhr landeten wir auf dem RheinMain-Flughafen in Frankfurt am Main. Wir holten unsere Koffer, dann fuhren wir nach Hause. Am nächsten Morgen frühstückten wir zusammen mit meiner Schwester Samantha und ihrer Adoptivtochter Camille. Ich wollte gerade in ein Brötchen beißen, das ich mit Frischkäse bestrichen, und mit Schnittlauch garniert hatte, als es an der Tür klopfte. Jelena öffnete. Vor der Tür stand Monika Goldstein. „Ich hoffe, ich störe nicht.“, sagte sie. „Wir sitzen gerade am Frühstückstisch.“ „Wenn das so ist, komme ich später noch mal wieder.“ „Warum leisten Sie uns nicht ein wenig Gesellschaft?“, fragte Jelena. „Sehr gerne.“

Nun saßen wir zu fünft am Frühstückstisch. „Wie sind Sie eigentlich Ytzhak Scharon auf die Schliche gekommen?“, fragte ich. „Dazu muss ich etwas weiter ausholen und zum Jahresbeginn 2018 zurückgehen. Denn in den Monaten Januar und Februar wurden aus Kasernen, besser gesagt aus den Munitionsdepots größere Mengen Raketen entwendet.“ „Welche Art Raketen?“ „Überwiegend Panzer- und Flugabwehrraketen.“ „Wozu braucht Baschar Al-Assad israelische Raketen?“ "Bereits im Dezember letzten Jahres haben wir herausgefunden, dass Syrien die Rückeroberung der von Israel besetzten Golan-Höhen plant. Das eigene Arsenal hat wohl nicht gereicht, weshalb die syrische Regierung an Muli Reuben herangetreten ist.“ „Und diesem war das Eisen zu heiß.“ „Richtig. Goldhand hat deswegen Ytzhak Scharon als Mittelsmann eingesetzt. Ab diesem Zeitpunkt sind wir auf ihn aufmerksam geworden. Aber wir hatten einfach nie genug Beweise zusammen, um Ytzhak Scharon festzunageln. Die Ermordung von Muli Reuben durch Sie, Mr. MacLain hat uns regelrecht in die Hände gespielt.“ 83

Eine Woche nach Monika Goldsteins Besuch trafen wir durch Zufall Erez Shamir und Dalia Livni in Frankfurt an. Die beiden hatten uns eine Menge zu erzählen. So erfuhren wir, dass er seiner Freundin einen Heiratsantrag gemacht hatte. „Ich habe „JA“ gesagt.“, sagte Dalia Livni. „Dann gibt es wenigstens für Sie beide ein Happy End.“ „Wohl wahr. Meine zukünftige Ehefrau würde sich glücklich schätzen, wenn Sie ihre Trauzeugin wären, Miss Romanova.“ „Es wäre mir eine Ehre.“ „Und ich würde mich glücklich schätzen, wenn Sie mein Trauzeuge wären, Mr. MacLain.“ „Nur zu gern.“ 84

7. Fall - Die gefälschten Bilder

7. Fall – Die gefälschten Bilder

Der vierte Fall, den ich mit meiner Partnerin Jelena Romanova zu lösen hatte, führte uns nach Norwegen. Nach unserer allmorgendlichen Joggingrunde durch den nahegelegenen Park waren wir gerade im Büro angekommen. Wir hatten gerade unsere Laptops gestartet, als der Briefträger zu uns kam. „Hier ist ein Brief für euch.“, sagte er. „Lang mal rüber.“ Der Postbote gab mir den Brief. Bevor ich den Umschlag öffnete, sah ich mir den Absender an. „Aus Stokmarknes.“ „Wo liegt das denn?“, fragte Jelena. „In Norwegen.“ „So schlau bin ich auch, stell dir vor. Aber wo genau?“ „Ich war noch nie in Norwegen. Das einzige, was ich über Stokmarknes weiß, ist das dort Norwegens berühmteste Schifffahrtslinie, die Hurtigroute, gegründet wurde.“ „Was steht eigentlich in dem Brief?“, wollte Jelena wissen. „Hab ihn noch nicht gelesen.“ „Dann solltest du das mal machen. Es könnte ein neuer Fall für uns sein.“ Ein Argument, dem ich nichts entgegenzusetzen hatte.

Und Jelena hatte Recht. „Und?“ „Was „Und“?“ „Was steht in dem Brief? Komm schon Paul, spann mich nicht auf die Folter.“ „Ich bin noch nicht fertig mit lesen. Aber in einem Punkt hast du Recht, Jelena. Wir haben einen neuen Fall, sollten wir uns entscheiden, ihn anzunehmen.“ „Um was geht es?“ „Soweit bin ich noch nicht. Der Absender heißt Olaf Torgesen. Seine Tochter hat sich an der Kunst- und Designhochschule Bergen eingeschrieben.“ „Welche Fachrichtung?“ „Grafik. Seine Tochter Ingrid will Malerin werden.“ „Wenn sie das Talent hat, warum nicht?“, sagte Jelena.

Als ich den Brief fertig gelesen hatte, meinte ich: „Also so wie sich der Sachverhalt für mich darstellt, hat sich Ingrid Torgesen um Fördergelder beworben.“ „Ist doch ihr gutes Recht.“ „Aber so, wie es uns Olaf Torgesen schreibt, werden seit gut zwei Wochen ihre Bilder gefälscht.“ „Weiß er denn, von wem?“ „Genau das sollen wir herausfinden.“ „Ich finde, wir sollten erst Mal mit Olaf Torgesen reden. Ich bin mir sicher, dass er uns nicht alles gesagt hat.“ „Wie kommst du darauf?“ „Vielleicht weiß er, warum sich jemand die Mühe macht, ausgerechnet die Bilder seiner Tochter zu fälschen.“ „Das wage ich zu bezweifeln. Aber ich muss dir Recht geben, dass es nicht schaden kann, Mr. Torgesen mal auf den Zahn zu fühlen. Vielleicht erfahren wir noch das eine oder andere.“ In dem Moment klingelte das Telefon. „Detektivbüro MacLain – Romanova, Sie sprechen mit Jelena Romanova.“, meldete sich Jelena. „Hier spricht Olaf Torgesen. Haben Sie und Ihr Partner meinen Brief erhalten?“ „Ist heute angekommen. Wir haben ihn auch gelesen. Doch bevor wir entscheiden, ob wir den Fall übernehmen, hätten wir gerne noch mit Ihnen gesprochen. Wir haben noch ein paar Fragen.“ „Ich kann vorbei kommen. Sagen wir in 15 Minuten? Ich hab noch ein Kundengespräch.“ „Das geht in Ordnung.“

Um 13:45 Uhr kam Olaf Torgesen dann zu uns ins Büro. Er war ein athletisch gebauter Mann mit einer Körpergröße von 1,75 m. Er hatte graue Haare und ein rundes Gesicht mit grünen Augen. Die etwas breite Nase wollte gar nicht zu den schmalen Lippen passen. Der graue Schnurrbart verlieh unserem Besucher etwas Würde. 85

Bekleidet war Olaf Torgesen mit einem schwarzen Anzug, roten Socken, einem weißen Hemd und einer roten Krawatte, sowie schwarzen Lackschuhen. „Bitte setzen Sie sich doch, Mr. Torgesen.“ „Danke.“ „Wann hat man Sie darauf aufmerksam gemacht, dass die Bilder Ihrer Tochter gefälscht werden?“, fragte Jelena. „Vor einer Woche. Der Direktor der Schule rief mich an und wollte mich in seinem Büro sprechen. Und offenbar ist es so, dass der Fälscher es nicht beim Kopieren belässt. Wie mir der Direktor mitteilte, beschuldigt man meine Tochter der Gemäldefälschung.“ „Haben Sie denn einen Verdacht?“ „Eben nicht.“ „Hat die Schule denn schon Maßnahmen ergriffen?“, wollte Jelena wissen. „Man hat die Fördergelder für den Fachbereich Grafik eingefroren, bis die Sache geklärt ist.“ „Gab es schon Reaktionen der anderen Mitbewerber?“ „Noch nicht.“ „Nun gut. Wenn wir es schaffen, uns noch über das Honorar einig zu werden, dann übernehmen wir den Fall.“ „Wären 25.000 € angemessen?“, fragte Olaf Torgesen. „Was meinst du, Jelena?“ „Das ist doch ein Wort. Erwarten Sie unser Eintreffen in Bergen am kommenden Sonntag.“ „Ich danke Ihnen.“

Nachdem unser Besucher gegangen war, buchten wir unser Hotel. Wir hatten uns für das Bergen Bors Hotel entschieden. Danach buchten wir einen Flug von Frankfurt nach Bergen. Uns war klar, dass ein Transfer vom Flughafen zum Hotel nicht inbegriffen war. Doch da wir ohnehin einen Mietwagen nehmen würden, konnten wir diesen Umstand verschmerzen.

Am Tag der Abreise brachte uns meine Schwester Samantha zum Flughafen. Wir gaben unsere Koffer auf und gingen zur Sicherheitsschleuse, wo sich Samantha von Jelena und mir verabschiedete. „Kommt heil nach Hause.“, sagte sie. „Mach dir da mal keinen Kopf.“ „Man weiß nie, wozu dieser Mistkerl fähig ist. Vielleicht geht er über Leichen, um sein Ziel zu erreichen.“ „Was macht dich da so sicher, dass der Böse Bube ein Mann ist?“, wollte Jelena wissen. „Bisher waren doch alle Gauner mit denen Ihr zu tun hattet, männlich.“ „Das hat nichts zu bedeuten, Schwesterherz. In diesem Fall kann auch eine Frau dahinterstecken.“

Wir brachten die Sicherheitskontrolle ohne nennenswerte Probleme hinter uns und gingen zum Gate an dem unser Flugzeug stehen sollte. Um 13:25 Uhr wurde unser Flug aufgerufen. „Alle Passagiere des Fluges SK 2003 nach Bergen werden gebeten sich an Bord der Maschine zu begeben.“ Wir gingen Bord und zeigten der Stewardess unsere Boardingpässe. „Willkommen an Bord.“, sagte sie. Um 13:45 Uhr bekam unsere Maschine die Erlaubnis zum Start. Der Pilot schob die Gashebel nach vorn. Nach einer Flugzeit von 3 Stunden und 25 Minuten, landete unsere Maschine, ein Airbus A340-300, der Scandinavian Airlines, SAS, auf dem Flughafen von Bergen. Wir holten unsere Koffer und gingen zu einer Autovermietung. Bei Rent a Car mieteten wir uns einen VW Passat aus dem Jahr 2017.

Unser Wagen war ein Modell aus der Highline-Edition. Motorisiert war er mit dem 1,4-Liter TSI ACT-Motor mit 150 PS und dem 7-Gang-Getriebe. Lackiert war der Passat in Harvard Blue Metallic und hatte die 18-Zoll-Felgen Modell Marseille. Die Sitze aus Nappaleder waren in Moonrock-Schwarz bezogen. 86

Dazu kam das Business-Premium-Paket mit Navigationssystem. Um 17:50 Uhr kamen wir in unserem Hotel an. Der Concierge gab uns unsere Schlüsselkarte. „Ich wünsche Ihnen beiden einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus.“, sagte er. Wir bezogen unser Zimmer und packten und unsere Koffer aus. Am Abend, wir hatten das Abendessen beendet, machten wir noch einen Stadtbummel durch Bergen. Vor einem Textilgeschäft blieben wir stehen, denn Jelena hatte ein Kleid entdeckt. Es war rot und ihrem Paillettenkleid nicht unähnlich. Denn die Pailletten bildeten ein Flammenmuster, dass sich etwas vom helleren Stoff abhob. Zu Jelenas Bedauern hatte das Geschäft geschlossen. Doch ich kannte meine Partnerin nur zu gut und wusste, dass sie dieses Kleid unbedingt wollte.

Doch irgendwie schien Jelena das Glück hold zu sein. Denn aus heiterem Himmel tauchte der Besitzer des Ladens auf. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte er alarmiert. „Mein Name ist Paul MacLain. Meiner Partnerin gefällt das Kleid im Schaufenster Ihres Geschäfts. Können Sie ihr das Kleid zurücklegen? Wir würden es dann morgen abholen.“ „Sie sind nicht zufällig der Privatdetektiv Paul MacLain?“ „Doch der bin ich.“ „Dann ist die Lady wohl ihre Partnerin Jelena Romanova.“ „Gut aufgepasst.“ „Ich werde das Kleid für Miss Romanova reservieren. Wann kann ich morgen mit Ihnen beiden rechnen?“ „Wann öffnen Sie?“ „Um 8:00 Uhr.“ „Dann kommen wir um 8:10 Uhr.“ „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.“

Am nächsten Tag erschienen Jelena und ich um 8:10 Uhr in dem Textilladen in der Nähe des Hafens. Während meine Partnerin aus Smolensk das Kleid anprobierte, sah ich zum Hafen hinunter in den gerade ein Hurtigroutenschiff einlief. Es war die 123 Meter lange „Polarlys“. Ich war wohl so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht bemerkte, wie Jelena aus der Umkleidekabine kam. „Wie seh ich aus, Paul?“, fragte sie und riss mich aus meinen Gedanken. Als ich mich umdrehte um Jelena zu begutachten, blieb mir fast die Luft weg. Das Kleid bestand aus einem leicht transparenten Stoff, auf den die Pailletten aufgestickt waren, die das Flammenmuster bildeten. Dieses reichte bis zu Jelenas üppigen Brüsten. Im Gegensatz zu ihrem Paillettenkleid hatte dieses Kleid noch Ärmel, die bis zu ihren Händen reichten. Dazu trug meine Partnerin ein Paar Plateauschuhe. „Was meinst du, Paul?“ „Du siehst umwerfend aus, Jelena.“, sagte ich. „Was kostet mich der Spaß?“ „Weil Sie es sind, 520 norwegische Kronen.“ „Ich zahle mit meiner Kreditkarte.“

Später am Tag, Jelena und ich waren gerade von einem Spaziergang durch Bergen zurückgekommen, sprach uns der Concierge an. „Der Direktor der Kunst- und Designhochschule Bergen war hier. Er erwartet Sie beide morgen früh in seinem Büro.“ „Wann sollen wir da sein?“, fragte ich. „Um 10:00 Uhr.“

„Bin mal gespannt, was der von uns will.“, sagte ich, als wir in der Cocktailbar unseres Hotels saßen. „Wahrscheinlich hat er Wind bekommen, dass wir für Olaf Torgesen arbeiten. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass Mr. Torgesen ihn persönlich davon in Kenntnis gesetzt hat.“ „Das denke ich auch. Auch wenn Mr. Torgesen dem Direktor der Schule gegenüber zu nichts verpflichtet ist.“ „Hoffentlich ist das ein kooperativer Mensch und keiner, der uns 87

Steine in den Weg legt.“, sagte Jelena. „Das soll er mal versuchen.“

Am nächsten Morgen fuhren wir zur Kunst- und Designhochschule. Pünktlich um 10:00 Uhr klopften wir an das Büro des Direktors der Schule. Frode Thorsen empfing uns mit einem kräftigen Händedruck. Der 59jährige war ein groß gewachsener Mann mit einem athletischen Körperbau. Sein rundes Gesicht mit der durchschnittlichen Nase und dem markanten Kinn besaß zwei braune Augen, die uns hinter einer randlosen Brille aufmerksam musterten. Seine blonden Haare hatte der gebürtige Norweger bis auf Höhe der Ohren geschnitten. Bekleidet war Frode Thorsen mit einem schwarzen Anzug, einem schwarzen Hemd, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. Außerdem trug er eine dunkelrote Krawatte.

„Sie fragen sich wahrscheinlich, warum ich Sie beide sprechen wollte.“, sagte Frode Thorsen, nachdem er uns gebeten hatte, Platz zu nehmen. „Das tun wir in der Tat.“ „Nun es gibt einige neue Entwicklungen, über die Sie Bescheid wissen sollten.“ „Dann lassen Sie uns an ihrem Wissen teilhaben, Mr. Thorsen.“ „Sehen Sie letzte Woche ist der Vater einer Kommilitonin bei mir vorstellig geworden.“ „So so. Und was wollte er?“, fragte Jelena. „Er hat von mir gefordert, Ingrid Torgesen einen Schulverweis zu erteilen. Seine Tochter Agnes hat sich ebenfalls um die Fördergelder beworben, um die sich auch Ingrid Torgesen beworben hat.“ „Gibt es sonst noch etwas, dass wir wissen müssten?“ „Ja, da ist noch etwas. Meine Entscheidung, die Fördergelder für den Fachbereich Grafik einzufrieren, ist bei der Familie Magnussen nicht gut angekommen.“ „Warum denn dieses?“ „Nun ja. Agnes Magnussen ist nur mit einem mäßigen Talent gesegnet. Ich vermute, dass sie Ingrid Torgesen als Konkurrentin sieht, die ihr die begehrten Fördergelder streitig machen könnte.“ „Das leuchtet ein. Aber was wissen Sie über die Eltern von Agnes Magnussen?“ „Ihr Vater, Harald Magnussen, gehört der Stadtverordnetenversammlung von Bergen an. Er ist für das Resort Wirtschaft und Finanzen zuständig.“ „Das bedeutet, dass er Druck ausüben kann, indem er mit der Kürzung kommunaler Zuschüsse droht.“, sagte ich. „So ist es, Mr. MacLain.“ „Was ist mit der Mutter?“, wollte Jelena wissen. „Irene Magnussen ist Architektin von Beruf.“ „Also in der Familie scheint der Geldbeutel ja ziemlich locker zu sitzen.“ „In der Tat. Die Magnussens sind eine sehr angesehene Familie.“

Nach dem Gespräch mit Frode Thorsen kehrten wir noch in ein Cafe´ am Hafen ein. „Ich würde sagen, wir haben einen Verdächtigen.“, sagte ich. „Agnes Magnussen.“ „Richtig. Und für mich stellt sich die Sache folgendermaßen dar: Agnes Magnussen bringt nicht genug Talent mit, um als Malerin durchzustarten. Sie braucht diese Fördergelder, um sich weiterzuentwickeln. Nun hat sich Ingrid Torgesen, die begabter als Agnes ist, ebenfalls um diese Gelder beworben. Und die Chancen, dass sie die Gelder zugesprochen bekommt und Agnes Magnussen hinten runter fällt sind ziemlich hoch.“ „Und der alte Magnussen versucht jetzt dafür zu sorgen, dass die unliebsame Konkurrentin von der Schule fliegt.“ „Genau das.“

Als wir ins Hotel zurückkehrten sprach uns wieder der Concierge an. „Harald Magnussen wünscht Sie beide zu sprechen. Er wartet in der Cocktailbar 88

auf Sie.“, sagte er. Ich sah ihm an, dass ihm das Überbringen dieser Nachricht peinlich war und ahnte, was Harald Magnussen von uns wollte. Als wir die Bar betraten, stand er auf. Agnes Vater war ein Mann mit einer Körpergröße von 1,81 m und einem ordentlichen Bierbauch. Sein rundes Gesicht mit den blauen Augen und der schmalen Hakennase und den wulstigen Lippen war von Nervosität geprägt. Die grauen Haare hatte er ziemlich kurz geschnitten. Bekleidet war er mit einem grauen Anzug, einem weißen Hemd, roten Socken und schwarzen Lackschuhen. Dazu trug er eine schwarz-goldene Krawatte.

„Können Sie sich vorstellen, warum ich Sie beide sprechen will?“, fragte Herr Magnussen mit einer basstiefen Reibeisenstimme. „Hat es etwas mit unserem Fall zu tun, Mr. Magnussen?“ „Das hat es in der Tat. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Olaf Torgesen Sie beide beauftragt hat, die Unschuld seiner Tochter Ingrid zu beweisen. Ein sinnloses Unterfangen. Seine Tochter ist definitiv schuldig.“ Das sagen Sie. Aber wir glauben erst an Ingrid Torgesens Schuld, wenn wir diese zweifelsfrei nachweisen können.“ „WAS ERLAUBEN SIE SICH???“, brüllte uns Harald Magnussen an. Bevor ich etwas erwidern konnte, war Jelena aufgestanden und hatte dem Finanz- und Wirtschaftsdezernenten der Stadt Bergen mit dem Handrücken ins Gesicht geschlagen. „SCHREIBEN SIE UNS NICHT VOR, WIE WIR UNSEREN JOB ZU MACHEN HABEN, SIE AUFGEBLASENER FATZKE!!!!“

Ich ahnte, dass die Situation eskalieren würde, wenn ich nicht eingriff. Ich zog meine Walther und richtete sie auf den Politiker. Harald Magnussens Augen weiteten sich vor Schreck. „Sie wollen mich doch nicht etwa erschießen?“, fragte er. „Nein. Wenn ich Sie hätte erschießen wollen, hätte ich die Waffe entsichert. Betrachten Sie diese Geste als Warnung.“ „Das wird Ihnen das Genick brechen.“, sagte Harald Magnussen. „Das werden wir sehen. Wir werden den wahren Schuldigen finden und ihn zur Rechenschaft ziehen. Sollte das Ihre Tochter sein, dann wird die Luft für SIE ziemlich dünn.“

Am nächsten Tag fuhren Jelena und ich noch einmal zur Kunstschule und sprachen mit Frode Thorsen. „Mr. Magnussen hat uns gestern aufgesucht und versucht uns zu beeinflussen.“, sagte Jelena. „Das macht er immer so, wenn seine Tochter im Fadenkreuz von Ermittlern steht.“ „Mit anderen Worten, er versucht sein Kind um jeden Preis zu schützen.“ „Würden Sie es nicht genauso machen?“ „Vielleicht. Aber eines ist für uns beide ziemlich sicher. Ohne die Fördergelder, wird Agnes Magnussen ihr Talent nicht verbessern können. Wäre es möglich, beiden Bewerberinnen eine Förderung zukommen zu lassen?“ „Möglich wäre es schon. Und ich wäre der letzte der „Nein“ sagt. Allerdings müsste sich der Schuldige stellen.“, sagte Frode Thorsen.

Nach dem Gespräch mit dem Direktor suchten wir Ingrid Torgesen auf. Die junge Frau war im Atelier und arbeitete an einem Bild, das den Geirangerfjord zeigte. Die 24jährige war 1,63 m groß und besaß einen zierlichen Körper. Ihre kleinen Brüste hatte sie hinter einer grünen Schürze verborgen. Oberhalb ihrer Pospalte 89

konnte ich folgendes lesen: „I Love Analsex“. Die dunkelbraunen Haare trug sie offen, so dass sie hinten bis zu ihren Hüften reichten. Als sie sich zu uns umdrehte sahen Jelena und ich in zwei braune Augen, die in einem ovalen Gesicht mit einer etwas breiten Nase und rot geschminkten sinnlichen Lippen ruhten.

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte Ingrid Torgesen. „Zuerst sollten wir uns wohl besser vorstellen. Mein Name ist Paul MacLain.“ „Ich bin seine Partnerin Jelena Romanova.“ „Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?“ „Wir arbeiten für Ihren Vater.“ „Vater erzählte mir, dass er zwei Privatdetektive angeheuert hat, um meine Unschuld zu beweisen. Aber er sagte nicht, dass er zwei absolute Neulinge beauftragt hat.“ „Unsere Erfolgsrate liegt bei 100%.“ „Ach wirklich? Dann darf ich fragen, wen Sie als letztes aus dem Verkehr gezogen haben?“ „Ariel Scharon.“ „Ach das waren Sie beide? Und wer hat Charles Kang abserviert?“ „Mr. Kang hat sich selbst das Leben genommen. Aber sein Firmennetzwerk haben wir lahm gelegt. Jelena war bei den Speznas.“ „No Way!“

Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir Ihnen ein paar Fragen stellen?“, fragte ich. „Warum sollte ich? Fragen Sie mich, was Sie wissen wollen.“ „Wann haben Sie das erste Mal festgestellt, dass Ihre Bilder gefälscht werden?“ „So richtig festgestellt hab ich das nicht. Aber ich erinnere mich, dass meine Bilder immer 3 bis 4 Tage verschwunden waren, ehe sie wieder auftauchten.“ „Und in einem anderen Atelier steht dann dasselbe Bild.“ „Bis ins kleinste Detail identisch.“ „Wessen Signatur trägt das zweite Bild?“, fragte Jelena. „Die von Agnes Magnussen.“ „Denken Sie, dass Miss Magnussen in der Lage wäre, ein Bild exakt zu kopieren?“ „Das wäre sie. Aber sie würde so etwas nicht machen.“ „Warum?“ „Agnes ist eine ehrliche Haut. Sie würde sich eher die Zunge abbeißen, als zu lügen.“ „Wer steckt dann Ihrer Meinung nach hinter diesem Skandal?“ „Na wer wohl? Der alte Magnussen höchstpersönlich. Er will seine Tochter zum Star machen um sie besser vermarkten zu können.“ „Was meinen Sie damit, Miss Torgesen?“ „Ganz einfach. Agnes ist ja nicht das einzige Kind von Harald und Irene Magnussen. Sie hat noch eine große Schwester, die Marit heißt. Sie arbeitet heute als Model und ist in einer Agentur für Models und Künstler, an der Harald Magnussen als stiller Teilhaber beteiligt ist.“

Nach dem Gespräch mit Ingrid Torgesen suchten wir ein Cafe´ in der Innenstadt von Bergen auf. Das Gehörte musste erst Mal verarbeitet werden. „Was meinst du, Jelena?“ „Wir sollten uns auf jeden Fall noch mit Agnes Magnussen unterhalten. Mal sehen, ob sich ihre Aussage mit der von Ingrid Torgesen deckt.“ „Wir sollten auch mal über Harald Magnussen Nachforschungen anstellen. Denn dass er seine Finger im Spiel hat, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.“ „Politiker haben immer Leichen im Keller.“ „Sind Sie Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte eine Frauenstimme. Ich drehte mich um und sah eine Frau vor uns stehen.

Die unbekannte Dame war 1,78 m groß und hatte rote Haare, die offen getragen bis zur Oberkante ihrer üppigen Brüste reichten. Dazu kamen ein sexy Körper und ein ovales Gesicht mit einer schmalen Nase und sinnlichen Lippen. Ihre braunen Augen waren ebenso eine Augenweide. „Was können wir für Sie tun?“, fragte ich. 90

„Ich bin Marit Magnussen. Die älteste Tochter von Harald und Irene Magnussen. Ich habe gehört, dass Sie beide den Fälschungsfall an der Kunst- und Designschule untersuchen.“ „Das stimmt in der Tat. Aber zu laufenden Ermittlungen dürfen wir uns nicht äußern.“ „Setzen Sie sich doch.“, sagte Jelena.

„Warum interessieren Sie sich so für den Fall?“, fragte ich. „Ich interessiere mich dafür, weil ich einiges dazu beitragen kann. Ich weiß viel über das persönliche Verhältnis zwischen meiner Schwester und Ingrid Torgesen.“ „Dann bitte.“ „Meine Schwester und Ingrid sind seit der Grundschule befreundet. Ingrid hat Agnes schon damals immer geholfen.“ „Und das war ihrem Vater ein Dorn im Auge?“ „Da noch nicht. Erst später im Teenager-Alter hat es ihm nicht gepasst, dass Ingrid Agnes unterstützt. Ich weiß nicht wieso, aber er hat gegen Ingrid einen tief verwurzelten Hass entwickelt. Es war für ihn unerträglich, dass seine Tochter Hilfe von einer Jugendlichen erhält, die er abgrundtief hasst. Er ist sogar soweit gegangen, Agnes die Freundschaft mit Ingrid zu verbieten. Vater hat sogar gedroht, sie auf die Straße zu setzen, wenn sie nicht nach seiner Pfeife tanzt.“ „Und wie passt das alles zu unserem Fall?“ „Liegt das nicht auf der Hand? Vater hat sehr ehrgeizige Pläne mit meiner Schwester. Er will Agnes ganz groß raus bringen, will für sie Millionen-Aufträge an Land ziehen. Und da passt es nicht in sein Konzept, dass sich auch Ingrid Torgesen um die Fördergelder bewirbt.“ „Also setzt er Himmel und Hölle in Bewegung, um die unliebsame Konkurrentin seiner Tochter um jeden Preis aus dem Verkehr zu ziehen.“ „Und wenn die Schule sowohl ihre jüngere Schwester, als auch Ingrid Torgesen fördern würde?“ „Das wäre für Vater der Super Gau.“

Nach dem Gespräch mit Marit Magnussen kehrten wir ins Hotel zurück. In der Cocktailbar trafen wir Olaf Torgesen in Begleitung seiner Tochter Ingrid und einer zweiten Frau. „Mr. MacLain, Miss Romanova. Meine Tochter Ingrid kennen Sie ja bereits. Ich möchte Ihnen noch meine Ehefrau Mette vorstellen.“ „Sehr erfreut.“ „Wie laufen eigentlich Ihre Ermittlungen?“ „Es geht voran. Wir haben vorhin noch mit Marit Magnussen, der großen Schwester von Agnes Magnussen gesprochen. Vieles deutet daraufhin, dass Harald Magnussen versucht, seinem eigenen Kind eine bevorzugte Behandlung durch die Schule zu verschaffen.“ „Macht er sich damit nicht strafbar?“, wollte Mette Torgesen wissen. „Das kann uns nur ein Rechtsanwalt verraten. Wenn Sie wollen, können wir meine Schwester Samantha hinzuziehen. Sie ist Rechtsanwältin.“ „Das ist eine gute Idee. Wann kann sie hier sein?“ „Das hängt davon ab, wie ihre Auftragslage ist. Sehen Sie, Sam ist eine sehr gefragte Anwältin.“

Am nächsten Tag fuhren wir wieder zur Kunst- und Designhochschule Bergen. Wir wollten mit Agnes Magnussen sprechen. Die 19jährige 1,75 m große Teenagerin mit den feuerroten Haaren empfing uns in ihrem Atelier. Agnes Magnussen besaß einen grazilen Körperbau und ein ovales Gesicht mit einer wohlgeformten Nase und schmalen sinnlichen Lippen. Die blauen Augen rundeten den ersten Eindruck ab. Die roten Haare trug sie offen, so dass sie bis zur Oberkante ihre kleinen Brüste reichten. Agnes Magnussen empfing uns so, wie Gott sie erschaffen hatte. „Ich male gern nackt.“, sagte sie nach einer kurzen Begrüßung. „Haben Sie keine Angst, dabei erwischt zu werden?“ „Nicht in den Ateliers.“ 91

„Wissen Sie, weshalb wir hier sind?“, fragte Jelena. „Natürlich. Sie wollen mich wegen dem Kunstfälschungsskandal sprechen. Ich bin ja mehr oder weniger die Hauptverdächtige.“ „Demnach macht es Ihnen nichts aus, wenn wir Ihnen ein paar Fragen stellen?“ „Ich habe nichts zu verbergen. Schießen Sie los.“ „Ihre große Schwester Marit sagte uns, dass Sie sehr eng mit Ingrid Torgesen befreundet sind.“ „Ja, das stimmt. Ich verdanke Ingrid eine ganze Menge. Ohne Sie wäre ich nicht hier.“ „Und das passt ihrem Vater wohl nicht?“ „Absolut nicht. Er sagt immer „Du bist eine Magnussen. Es ist deine Pflicht besser zu sein, als die anderen.“ Ich kann es langsam echt nicht mehr hören.“ „Das heißt also, dass Ihr Vater Sie unter Druck setzt.“ „Richtig. Er hat viel erreicht, und nun sollen seine Kinder es ihm gleich tun. Für Marit und mich legt er denselben Maßstab an, wie für sich. Obwohl es das so nicht ganz trifft. Wir sollen über Leichen gehen, um seinen Ansprüchen gerecht zu werden.“ „Und Sie haben sich geweigert, dieses Spiel mitzuspielen?“, fragte ich. „Na aber so was von glaub mir. Ich verdanke Ingrid viel, da falle ich ihr garantiert nicht in den Rücken.“ „Und deshalb hat Ihr Vater die Sache nun selbst in die Hand genommen, vermute ich.“ „Da vermuten Sie richtig, Miss Romanova. Er hat einen professionellen Gemäldefälscher engagiert. Ich musste nur meinen Namen unter die Kopie setzen.“ „Und Ihr Vater hat dann verbreitet, dass Ingrid Torgesen die Schuldige ist.“ „Genau das. Und dafür hasse ich ihn.“ „Hören Sie Agnes. Frode Thorsen ist bereit, Ihnen ebenfalls Fördergelder zu bewilligen. Allerdings müssten Sie sich stellen und ihm sagen, was Sie uns erzählt haben.“

Nach dem Gespräch mit Agnes Magnussen wurden wir beim Direktor vorstellig. „Ich will nicht unhöflich erscheinen, Mr. MacLain. Aber ich habe nicht viel Zeit.“ „Es dauert nicht lange. Stehen Sie noch zu ihrem Wort, dass Agnes Magnussen Fördergelder bekommt, wenn sie sich stellt?“ „Natürlich. Haben Sie mit ihr gesprochen?“ „Gerade eben. Und ihre Aussage deckt sich mit der von Ingrid Torgesen und Marit Magnussen, der großen Schwester.“ „Dann wissen Sie wer es ist?“ „Zumindest kennen wir den Drahtzieher.“, sagte Jelena. „Wer ist es?“ „Harald Magnussen. Er hat einen professionellen Gemäldefälscher angeheuert. Einen Mann namens Erik Sigurdson. Kennen Sie den Mann?“ „Der Name sagt mir was. Er war mal als Lehrer hier angestellt. Allerdings musste ich ihn entlassen, weil er viele seiner Schülerinnen sexuell belästigt und missbraucht hat.“ „Sieh an, sieh an. Wir werden uns mal mit Mr. Sigurdson unterhalten. Wo finden wir ihn?“ „Er wohnt in Svolvaer. Aber dorthin kommen Sie nur mit dem Schiff.“ „Können Sie uns die Adresse geben?“ „Ich schreib Sie ihnen auf.“

Abends um 17:00 Uhr fuhren wir mit unserem gemieteten Passat zum Hafen und checkten auf dem Schiff ein. Es war die 138 m lange „Finnmarken“. Das Schiff legte um 22:30 Uhr in Bergen ab. Die Finnmarken legte am Folgetag um 21:00 Uhr in Svolvaer an. Wir checkten aus und fuhren mit unserem Passat vom Schiff. Wir mieteten uns in einem Hostel ein, weil wir am nächsten Tag nach Bergen zurück wollten. Am nächsten Morgen fuhren wir zu der Adresse die uns Frode Thorsen gegeben hatte. Wir klingelten an der Tür und warteten ab. Ein etwas älterer Mann im Alter von 69 Jahren öffnete. Er war stark abgemagert und konnte sich 92

nur mühsam auf den Beinen halten. Im Wohnzimmer bat er uns Platz zu nehmen, während er sich in einen Ohrensessel sinken ließ. „Ich nehme an, dass Sie wegen der Gemäldefälschungen kommen.“ „Das stimmt. Wir haben für Agnes Magnussen einen Deal ausgehandelt. Sie bekommt auch Fördergelder, wenn sie gegenüber dem Direktor geständig ist.“ „Dann wird es auch so passieren. Frode Thorsen steht zu seinem Wort.“, sagte Erik Sigurdson und musterte uns aus blauen Augen, die in einem eingefallenen Gesicht mit Hakennase und spröden Lippen ruhten. „Ich hab nicht mehr lang zu leben, deswegen mein Aussehen. Die Ärzte haben bei mir Blutkrebs im Endstadium festgestellt. Ist wohl Gottes Strafe dafür, dass ich im Auftrag von Harald Magnussen Bilder gefälscht habe.“

„Wann ist Mr. Magnussen an Sie heran getreten und hat Sie um diesen Gefallen gebeten?“ „Vor zwei Monaten. Er sagte, meine Familie schulde der seinen immer noch einen Gefallen.“ „Was hat der damit gemeint?“, fragte Jelena. „Dazu muss ich in der Zeit etwas zurückgehen. Bis ins Jahr 1941. Mai, wenn Sie es etwas genauer wissen wollen. Die „Bismarck“, Deutschlands neuestes Schlachtschiff war gerade in Dienst gestellt worden. Einer Gruppe norwegischer Widerstandskämpfer war der Auftrag zugeteilt, sämtliche Bewegungen der „Bismarck“ und des schweren Kreuzers „Prinz Eugen“ zu überwachen. Am 22. Mai haben mein Vater Henrik Sigurdson und Haralds Vater Björn Magnussen die „Bismarck entdeckt, als sie zusammen mit der „Prinz Eugen“ den Ausbruch durch die Dänemarkstraße gewagt hatte. Unsere Väter haben versucht einen Funkspruch abzusetzen, aber die Deutschen hatten durch einen Verräter in unseren Reihen den Standort des Funksenders in Erfahrung gebracht. Der Funkspruch war gerade zur Hälfte abgesetzt, als die Soldaten der Wehrmacht die Hütte gestürmt und den Funker erschossen haben. Mein Vater wurde schwer verletzt. Björn Magnussen hat ihn auf seine Schulter gepackt und ihn ins Hauptquartier der Widerstandsbewegung gebracht. Vater hat überlebt. Noch am Krankenbett musste er eine Erklärung unterschreiben, die vorsah, dass die Familie Magnussen zu jederzeit einen Gefallen als Wiedergutmachung von den Sigurdsons einfordern kann.“ „Haben Sie diese Erklärung noch?“ „Oh ja. Ich hab sie die ganzen Jahre über aufgehoben. Sie können Sie mitnehmen, wenn Sie wollen Damit haben Sie etwas, um Harald Magnussen festzunageln.“

Mit dem nächsten Schiff, der „Richard With“ kehrten wir nach Bergen zurück. Im Foyer der Schule trafen wir unseren Klienten. „Nun, wie läuft es mit Ihren Ermittlungen?“, fragte er. „Sie können den Fall als gelöst betrachten.“ „Das höre ich gerne.“ „Was führt Sie hierher, Mr. Torgesen?“ „Der Direktor wünscht mich zu sehen. Sie übrigens auch.“ „Dann wollen wir ihn nicht warten lassen.“, sagte ich. Im Büro des Direktors trafen wir dann auch noch auf Harald Magnussen. „Nun, da alle versammelt sind, möchte ich verkünden, wie ich entschieden habe.“ Ich beobachtete den Vater von Agnes und Marit sehr genau. Er rieb sich vergnügt die Hände, weil er wohl dachte, dass Frode Thorsen zu Gunsten von Agnes Magnussen entscheiden würde. „Ich habe beschlossen, dass sowohl Ingrid Torgesen, als auch Agnes Magnussen eine finanzielle Förderung erhalten werden.“ „Ich glaub ich hör wohl nicht Recht.“, sagte Harald Magnussen und sprang von seinem Stuhl auf. „Sie haben 93

sich nicht verhört. Es sei denn, ich würde Chinesisch sprechen.“ „Sie wagen es tatsächlich, einer Kriminellen Fördergelder zu geben? Ich werde die Sache publik machen, und dann können Sie von ihrem Posten zurücktreten. Ich mach Sie fertig, verlassen Sie sich drauf.“

„Vielleicht sollten Sie mal die Zeitung lesen.“, sagte ich und warf eine Ausgabe der Dagens Naeringsliv auf den Schreibtisch des Direktors. Harald Magnussen ergriff sie und faltete die Zeitung auseinander. Auf der Titelseite war ein Bild seines Vaters und des Vaters von Erik Sigurdson zu sehen. „Sohn von Kriegsheld Magnussen zwingt renommierten Kunstrestaurator Sigurdson Gemälde einer jungen Nachwuchskünstlerin zu fälschen.“, lautete die Schlagzeile. Agnes Magnussens Vater wurde kreidebleich. „Na, geht dir der Arsch auf Grundeis, Fettsack?“, fragte ich. „DIESER VERRÄTER! Ich werde ihn umbringen.“ „Die Mühe können Sie sich sparen. Erik Sigurdson ist heute morgen seiner Krankheit erlegen. Wir waren bei ihm, als er starb.“ „Er hat uns alles erzählt, was er wusste. Seine letzten Worte waren: „Bringen Sie diesen Drecksack hinter schwedische Gardinen.“ Er hat uns auch sämtliche Dokumente aus dem Jahr 1941 ausgehändigt. Wir kennen jetzt die ganze Geschichte. Ihr Vater war der Widerstandskämpfer der den Deutschen den Standort der Hütte mit dem Funksender verraten hat. Sie sind genauso eine miese Ratte wie Ihr Vater seinerzeit.“ „Noch ist nicht aller Tage Abend. Keiner von Ihnen kommt ungeschoren davon. Erik Sigurdson hat sich meiner Rache entzogen. Aber mit IHNEN Frode Thorsen fange ich an, wenn Sie Ihre Entscheidung nicht zurücknehmen und Ingrid Torgesen von der Schule werfen.“

„Sie kämpfen mit stumpfen Waffen, Mr. Magnussen. Sie sollten vielleicht auch mal die Nachrichten sehen. Können wir den Fernseher mal einschalten?“ „Aber sicher.“ Als das Gerät lief, kam gerade eine Eilmeldung. „Wir unterbrechen unsere laufenden Sendungen, um Sie über ein unerwartetes Ereignis zu informieren. Heute Morgen um 8:30 Uhr wurde Harald Magnussen, der Finanz- und Wirtschaftsdezernent von Bürgermeister Marte Mjøs Persen persönlich dazu aufgefordert, von seinem Amt zurückzutreten. Desweiteren ist Mr. Magnussen bis auf weiteres beurlaubt und darf seine Tätigkeit nicht ausüben.“ „WAS??“ „Soeben erreicht uns die Meldung, dass die Stadtverordnetenversammlung die politische Immunität von Harald Magnussen aufgehoben hat.“ Der Politiker fiel auf seinen Stuhl.

Nur eine Woche später wurde Harald Magnussen der Prozess gemacht. Man hatte ihn der Anstiftung zur Gemäldefälschung, Verleumdung und versuchten Bevormundung beschuldigt und schuldigen. Aufgrund seines Gesundheitszustands, der sich seit dem Publik werden, seiner Schuld rapide verschlechtert hatte, wurde er nur zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt. Noch am selben Tag gab Harald Magnussen seinen Rückzug von all seinen Ämtern bekannt.

Nach Prozessende fuhren wir zum Flughafen und gaben den Passat zurück. Wir gaben unsere Koffer auf und gingen dann zur Sicherheitsschleuse, die wir ohne nennenswerte Schwierigkeiten hinter uns brachten. Um 22:35 Uhr landeten wir in Frankfurt am Main. Samantha wartete auf uns, als wir unser Gepäck 94

geholt hatten. „Willkommen zu Hause, Ihr zwei Hübschen. Wie ist es gelaufen?“ „Keine Probleme. Und unser Widersacher war wieder ein Mann. Dieses Mal hast du Recht behalten, Sam. Aber beim nächsten könntest du dich irren.“ „Wer war er?“, fragte Samantha. „Harald Magnussen. Wieso fragst du?“ „Er hat sich im Gefängnis das Leben genommen. Er konnte es nicht ertragen, dass du und Jelena ihm alles genommen habt, was er liebte. Seinen Posten im Rathaus, seine Familie. Seine Töchter haben sich von ihm abgewandt und seine Frau hat ihn verlassen.“

Zwei Tage später waren Jelena und ich mit Samantha und Camille im Zoo. Wir waren gerade bei den Raubkatzen, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ganz langsam drehte ich mich um und sah in das Gesicht von Marit Magnussen. „Was machen Sie denn hier?“ „Ich bin nicht alleine hier.“ Und dann sah ich Ingrid Torgesen und Agnes Magnussen. „Noch einmal: Was machen Sie hier?“ „Wir wollten uns bei Ihnen und Miss Romanova bedanken. Sie haben uns dreien eine tonnenschwere Last von den Schultern genommen.“ „Warum denn dieses?“ „Wir hätten unseren Vater am liebsten persönlich in den Knast geschickt, aber wir konnten einfach nicht genügend Beweise zusammentragen, dass es für eine Anklage vor Gericht gereicht hätte.“ „Hat Ihr Vater vielleicht die Beweise vernichtet?“, fragte Samantha. „Leider.“ „Werden Sie auf die Beerdigung Ihres Vaters gehen?“, fragte Jelena. „Nein. Keine von uns. Und Ingrid gehört nicht zur Familie. Mutter geht zwar hin, aber sie weint ihm keine Träne nach.“ „Und was ist mit Ihnen?“ „Auch nicht. Der Mann war ein mieses Schwein. Er hat die Strafe erhalten, die er verdient hat.“

Camille wollte über den Rand des Geheges schauen, um Zarina, die junge Löwin mit ihren Babys zu beobachten. Ingrid Torgesen hob sie hoch. Samanthas Adoptivkind war beim Anblick der drei kleinen Löwen entzückt. „Gott sind die süß!“, rief sie. „Würdest wohl gern mal einen knuddeln.“ „Und wie.“ „Das würde ich lieber lassen. Eine Löwin verteidigt ihre Jungen bis zum bitteren Ende.“ Marit Magnussen hatte diese wohl gemeinte Warnung ausgesprochen. „Sind das afrikanische Löwen?“ „Nein. Das sind asiatische Löwen. Afrikanische Löwen sind viel kräftiger.“ 95

8. Fall - Der gequälte Dalmatiner

8. Fall – Der gequälte Dalmatiner

Der fünfte Fall, den ich mit meiner Partnerin gemeinsam lösen musste führte uns ins traumhaft schöne Frankreich. Unsere Auftraggeberin kam aus Le Mans und war Hundezüchterin. Dalmatiner um genau zu sein. Es war ein Tag wie jeder andere. Da es schon Herbst war, wir schrieben Oktober 2018, regnete es wie in Strömen. An unsere Joggingrunde durch den Park war deshalb nicht mehr zu denken. Wer geht schon gerne wie ein nass begossener Pudel ins Büro? Wir saßen in unserem Büro vor unseren Laptops und sahen die E-Mail-Eingänge durch. Das meiste war unerwünschte Werbung, die im Spam-Ordner landete. Und um ein Haar hätte ich eine E-Mail von Francine DeViliers gelöscht, wenn ich nicht stutzig geworden wäre. Diese E-Mail trug den Vermerk „Priorität hoch“ und war mit einem roten Ausrufezeichen versehen. Jelena hatte meinen skeptischen Gesichtsausdruck bemerkt. „Stimmt was nicht Towarischtsch?“, fragte sie. „Sagt dir der Name Francine DeViliers etwas?“ „Wir reden jetzt nicht von der Dalmatiner-Züchterin, oder?“ „Doch das tun wir. Sie bittet uns um unsere Hilfe. Einer ihrer Rüden legt seit gut vier Monaten ein abnormales Verhalten an den Tag, schreibt sie.“ „Welcher denn? Doch nicht etwa Halvar der Zuchtrüde?“ „Der zum Glück nicht. Aber ein junger Rüde namens Napoleon benimmt sich in letzter Zeit ziemlich eigenartig. Statt eine Hündin zu decken, besteigt er Menschenfrauen.“ „Das ist jetzt wohl ein schlechter Scherz.“ „Anscheinend nicht. Jedenfalls winken uns 60.000 Euro, wenn wir den Fall aufklären.“

„Hat Madame DeViliers sonst noch was geschrieben?“ „Ja. Sie bittet uns, sie auf ihrem Chalais zu besuchen, damit wir uns direkt vor Ort ein Bild machen können.“ „Sag ihr, dass wir kommen.“ „Okay.“ Wir buchten einen Flug von Frankfurt nach Nantes und ein Hotel. Wir hatten uns für das Hotel La Chabossiere in Montbizot entschieden, das 16,7 Km von Le Mans entfernt war. Mit einem Mietwagen konnten wir in 22 Minuten vor Ort sein. Noch am selben Tag fuhren wir zum Flughafen und gaben unsere Koffer am Schalter von Air France auf. Danach gingen wir zur Sicherheitsschleuse, wo wir durch den Körperscanner mussten, der bei keinem von uns beiden anschlug. Direkt im Anschluss sahen wir nach, an welchem Gate unsere Maschine nach Nantes bereit stehen würde. Um 12:00 Uhr startete unsere Maschine, eine Boeing 787-9 zu ihrem Flug nach Nantes, wo wir um 15:25 Uhr landeten, weil die Maschine in Paris aufgetankt werden musste.

Nach dem wir unsere Koffer geholt hatten, gingen wir zu einer Autovermietung. Bei SIXT mieteten wir uns einen Renault Talisman Grandtour. Es handelte sich um das Sondermodell Elysee. Der Wagen war mit dem Energy TCe 200 EDC-Motor mit 200 PS und Automatik-Getriebe ausgestattet. Lackiert war der Renault in Karmesinrot und hatte das Cruising-Paket und das Safety-Plus Paket an Bord.

Von Nantes aus fuhren wir über die A11 knapp zwei Stunden nach Montbizot wo wir um 17:25 Uhr ankamen. Wir bezogen unser Zimmer und packten unsere Koffer aus. Wir hatten gerade die letzten Kleidungsstücke in den Schränken verstaut, als Jelena eine Flasche französischen Rotwein auf dem Tisch stehen sah. 96

„Da war aber jemand sehr aufmerksam.“ „Wieso?“ Jelena deutete auf eine Flasche Cabernet Sauvignon. Es war eine Flasche Jahrgang 2015. „Eine gute Wahl.“ „Jetzt sag bloß, dass du dich auch noch mit Rotweinen auskennst.“ „Das tue ich nicht. Aber das hier ist ein guter Wein aus einem guten Jahr.“ „Dein Wort in Gottes Ohr.“ „Wir können ja nach dem Essen ein Glas trinken.“ „Warum nicht?“

Es klopfte an der Tür. „Herein!“, rief ich. Ein Kellner trat ein. „Bon Soir Messieurs. Ich möchte Sie darüber in Kenntnis setzen, dass das Abendessen auf den Zimmern serviert wird. Das Frühstück ebenfalls. Ich habe die Speisekarten gleich mitgebracht. Darf ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen?“ „Für mich einen Scotch.“ „Martini.“

Das Essen war wirklich hervorragend. Auch der Wein war vorzüglich. Später am Abend, die Sonne ging gerade unter, war ich draußen an der frischen Luft. Aus dem Zimmer nebenan trat eine Frau und es hatte fast den Anschein, als ob ich ihr schon begegnet wäre. Erst als sie mir ihr Gesicht zuwandte erkannte ich sie. Kelly Ling! Offenbar hatte sie mich auch erkannt, denn Kelly kam zielstrebig auf mich zu. „Na sieh mal einer an. Paul MacLain. Was hat dich denn nach Frankreich verschlagen?“ „Ich soll mit meiner Partnerin einen Fall von Tierquälerei aufklären.“ „Du hast eine Partnerin? Seit wann das denn?“ „Seit dem Frühjahr. Du kennst sie. Es ist Jelena Romanova.“ „Die Süße. Bereust du es, dass du mit ihr zusammenarbeitest?“ „Keine Sekunde.“ Die Tür unseres Apartments öffnete sich und Jelena kam nach draußen. Hübsch wie eh und je. Doch statt ihres Paillettenkleides trug sie nun das Kleid mit dem Flammenmuster. Auch sie hatte Kelly Ling bemerkt. Nach einer innigen Begrüßung meinte Kelly: „Ihr zwei macht ja ganz schön von euch Reden, seit ihr zusammenarbeitet.“ „Wie darf ich das verstehen?“ „Ganz einfach, Jelena. Die Bad Guys zittern schon vor Angst, wenn Sie auch nur eure Namen in der Zeitung lesen.“ „Aha. Geht den Burschen der Arsch schon auf Grundeis.“ Kelly musste lachen.

„Aber jetzt mal Spaß beiseite. Wer ist eure Klientin?“ „Francine DeViliers.“ „Also meine Freundin.“ „Ihr kennt euch?“ „Ja. Ich war mal als Austauschschülerin und Au Pair-Mädchen bei ihr. Sie hat mich gefragt, ob ich jemanden kenne, der ihr helfen kann. Und da hab ich Francine von euch beiden erzählt. Wann wollt Ihr sie aufsuchen?“ „Morgen nach dem Frühstück wollen wir los.“ „Was dagegen, wenn ich mitkomme?“ „Warum nicht? Du kennst die Gegend besser als wir.“

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück klopfte Jelena an Kellys Apartmenttür. Die Asiatin öffnete. „Können wir los?“, fragte Jelena. „Na klar.“ Wenig später waren wir unterwegs. Wir hatten uns entschieden, über die D47 nach Le Mans zu fahren. Dies würde 22 Minuten in Anspruch nehmen. Auf dem Rückweg wollten wir eine andere Route zurück nach Montbizot nehmen, denn Kelly wollte uns ein bisschen was von der Gegend zeigen.

Um 10:00 Uhr kamen wir auf dem Anwesen von Francine DeViliers an. Die Züchterin erwartete uns am Haupteingang. Francine DeViliers war 45 Jahre alt und besaß einen schlanken, sexy Körper. Die dunkelbraunen Haare hatte die Züchterin vorne etwas gekürzt und hinten weit über die Schulter fallen lassen. 97

Auch die üppigen Brüste der 45jährigen waren ein Hingucker. Das runde Gesicht mit den braunen Augen, der breiten Nase und den sinnlichen Lippen besaß ebenfalls etwas exotisches. Bekleidet war sie mit einem schwarzen Kleid und schwarzen Sandaletten.

„Guten Morgen Monsieur MacLain. Madame Romanova.“ „Gleichfalls guten Morgen, Sie haben uns um Hilfe gebeten. Was genau erhoffen Sie sich von uns?“, fragte ich. „Bitte folgen Sie mir.“ Jelena, Kelly und ich gingen Francine DeViliers hinterher. Irgendwann hörten wir mehrere Hunde bellen. Als wir um die Ecke kamen, sahen wir die Hunde frei herumlaufen. Einer der Dalmatiner hatte sich von der Gruppe abgesondert und lief nun, einen großen Bogen schlagend auf Kelly zu. Die letzten Meter rannte der Dalmatiner-Rüde und sprang an Kelly hoch und versuchte, sie mit seinem Gewicht nach unten zu drücken. „NAPOLEON! AUS!“ , befahl Madame DeViliers. Der Rüde gehorchte nur widerwillig. „Ist das Ihr Problemfall?“ „Ja. Das ist Napoleon. Halvar ist der größte von allen.“ „Wie alt ist Napoleon?“ „Er ist gerade 3 Jahre geworden.“ „Also noch ein Jungspund.“ „So in etwa. Ich weiß langsam echt nicht mehr weiter. Wenn Sie mir nicht helfen können, dann ist meine Zucht in Gefahr.“ „Hat man Ihnen mit Lizenzentzug gedroht?“ „Noch nicht. Aber der Druck von Tierschützern auf die Behörden wächst.“ „Wir übernehmen den Fall. Aber Napoleon sollten Sie abgeben.“, sagte Jelena.

Auf dem Weg zurück machten wir in einem Straßencafé halt. „Napoleon kann einem echt leid tun. Nur weil er durch irgendeinen hirnverbrannten Lüstling gequält wird, und sich anders verhält, muss er wahrscheinlich sein angestammtes Zuhause verlassen.“, sagte Kelly. „Würdest du uns bei diesem Fall helfen?“ „Klar, warum nicht. Ich habe eine Spiegelreflexkamera mit Teleobjektiv dabei. Wir können uns heute Nacht auf die Lauer legen und sehen, ob sich jemand dem Chalais von Francine nähert.“ „Keine schlechte Idee. Vor allem ist es wichtig Fotos von Autos und deren Nummernschildern zu machen, und von den Personen, die aussteigen. Vor allem die Gesichter sind wichtig.“

Später am Abend, es war noch hell, fuhren wir los. Als die Sonne unterging fuhren wir bei Francine DeViliers Chalais vor. Wir parkten unseren Wagen etwas weiter vom Haus weg, damit wir nicht auffielen. Der erste Wagen, der uns auffiel war ein silberner Porsche 911 Carrera aus dem Jahr 1974. Jelena notierte sich das Kennzeichen. Der Wagen trug das Kennzeichen TC 563 AL und in einem blau-weißen Feld auf der rechten Seite die 72 und das Wappen des Departement Sarthe. „Also einer von hier.“

Ein älterer Mann stieg aus dem Wagen. Er war 1,76 m groß und athletisch gebaut. Er hatte weißes Haar, einen weißen Backen- und Kinnbart und trug eine achteckige Brille mit Aluminiumgestell. Hinter dieser Brille konnte ich zwei braune Augen erkennen, eine etwas breite Nase und ein rundes Gesicht. Die Lippen waren eher durchschnittlich. Bekleidet war der Mann mit einer hellbraunen Cordhose, einem karierten Hemd und einer Tweedjacke. Dazu trug er hellbraune Lederschuhe und eine Baskenmütze. 98

„Wer ist denn der komische Vogel?“, fragte Jelena. „Fragen wir ihn doch einfach.“ Der Fremde wurde stutzig, als Jelena und ich auf ihn zukamen. „Darf ich fragen, wer Sie sind?“, fragte er. „Mein Name ist Paul MacLain. Und die Lady ist meine Partnerin Jelena Romanova. Und mit wem haben wir das Vergnügen?“ „Bevor ich auf diese Frage antworte, will ich sicher stellen, dass Sie die Personen sind, für die Sie sich ausgeben.“ Jelena und ich zeigten unsere Pässe und unsere Detektivausweise. „In Ordnung. Ich glaube Ihnen. Und nun sollen Sie ihre Frage beantwortet haben. Mein Name ist Thierry Antoine. Ich bin Tierpsychologe hier in Le Mans und soll versuchen, dem Dalmatiner-Rüden seine Sex-Macke auszutreiben.“ „Ihr Fachwissen könnte für uns bei der Lösung dieses Falles eine große Hilfe sein. Wäre es möglich, dass wir uns morgen mal zusammensetzen?“ „Sehr gerne. Wo kann ich Sie erreichen?“, wollte der Psychologe wissen. „Im Hotel „La Chabossiere“ in Montbizot.“ „Ich komme morgen früh um 10:00 Uhr zu Ihnen. Dann kann ich Ihnen auch schon sagen, was diese Verhaltensstörung bei Napoleon ausgelöst hat.“ „Dann bis morgen.“, sagte Jelena.

Der nächste Wagen, der sich näherte war ein Alfa Romeo 159. Aber er hielt nicht an, sondern fuhr nur vorbei. Wir warteten noch bis 21:30 Uhr ehe wir nach Montbizot zurückfuhren. Kelly fuhr dieses Mal. „Mir ist aufgefallen, dass uns jemand aus dem Alfa Romeo beobachtet hat.“, ließ sich Jelena vom Rücksitz vernehmen. „Könnte es sein, dass dieser Jemand herausfinden soll, ob die Luft rein ist?“ „Wundern würde es mich nicht.“, sagte ich.

Was wir nicht ahnten, war, dass unser Gegner ein adliges Geschwisterpaar war. Es waren Sylvie und Claire de la Richardais. Serge, der Sekretär der beiden 39jährigen Schwestern, benachrichtigte Claire de la Richardais. „Madame la Comtesse. Ich befürchte, aus eurem kleinen Bums mit dem Dalmatiner wird wohl nichts.“ „Du machst wohl Witze, Serge.“ „Nein, Madame la Comtesse. Ich habe den Porsche von Thierry Antoine gesehen und einen Renault Talisman. Ich habe einen Freund darauf angesetzt. Der Wagen ist ein Mietwagen. Gemietet wurde er von Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Die Namen sagen mir nichts.“ „Die beiden sind Privatermittler. Ihr solltet auf der Hut sein. Und eure Schwester auch.“ „Worauf willst du hinaus, Serge?“ „Madame la Comtesse, Ihr erinnert euch doch hoffentlich an die Geschichte in Norwegen.“ „Du meinst den Fälschungsskandal?“ „Genau, Madame la Comtesse. Harald Magnussen wurde von den beiden entlarvt. Genauso wie Ytzhak Scharon und Bert Huybrechts.“ „Ach die beiden sind das. Hoffentlich kann ich Sylvie irgendwie aus der Schusslinie nehmen. Denn es bin ja wohl ich, hinter der die beiden her sind.“ „Leider, Madame la Comtesse.“

Am nächsten Morgen kam Thierry Antoine zu uns. Als wir am Tisch saßen, sagte er: „Ich weiß, was die Störung bei Napoleon ausgelöst hat.“ „Dann bitte. „Er ist das Opfer einer Sodomistin.“ „Sodomie? Gott der Arme. Kann man ihn therapieren?“ „Das kann ich noch nicht sagen.“ „An welche Art von Sodomie denken Sie da genau?“ „Wir nennen diese Art Sodomie "Zoophilie". Das bedeutet, dass ein Mensch ein sexuelles Verhältnis zu einem Tier aufbaut. Sei es jetzt, wie im vorliegenden Fall ein Hund oder ein Pferd.“ 99

„Gibt es jemanden hier in der Gegend, der für eine solche sexuelle Vorliebe bekannt ist?“, wollte Jelena wissen. „Da gibt es jemanden. Ein adliges Geschwisterpaar. Sylvie und Claire de la Richardais. Ich denke aber eher, dass Claire die Richtige ist.“, sagte Thierry Antoine. „Was macht Sie da so sicher, dass wir uns Claire de la Richardais vornehmen sollten?“ „Ihre Schwester Sylvie scheidet als Verdächtige aus. Sie steht eher auf Sex mit Pferden. Von Claire weiß ich, dass sie es gerne mit Hunden treibt.“

Nach dem Gespräch mit dem Tierpsychologen fuhren wir zu Francine DeViliers und erstatteten Bericht. „Auch das noch. Mein armer Napoleon. Was habe ich dieser Frau getan, dass sie mich so zugrunde richtet?“ „Wir müssen Claire de la Richardais auf frischer Tat ertappen. Wir bräuchten dazu aber einen Köder. Kennen Sie jemanden, der ebenfalls einen männlichen Hund besitzt?“, fragte Jelena. „Leider nein.“ „Wir fragen Sie das wirklich nur sehr, sehr ungern. Aber würden Sie sich bereit erklären, Napoleon noch einmal diesem Risiko auszusetzen?“ „Schweren Herzens stimme ich zu.“, sagte Francine DeViliers.

Die folgenden Tage legten wir uns auf die Lauer und warteten. Wir hatten mit dem Hundepsychologen Thierry Antoine vereinbart, dass dieser uns melden würde, wenn der schwarze Alfa 159 wieder auftauchen würde. Ein paar Mal wurde das Fahrzeug gesehen, doch es passierte einfach nichts. Dennoch waren Jelena und ich nicht untätig geblieben. Wir hatten Erkundigungen über die beiden adligen Schwestern eingeholt. Sylvie und Claire de la Richardais waren beide 39 Jahre alt und galten als äußerst attraktiv. Ich konnte mir selbst ein Bild machen, als ich Sylvie de la Richardais in Nantes begegnete. Ich hatte gerade ein paar Erkundigungen über den Alfa Romeo beziehungsweise dessen Halter eingezogen, als auf einmal ein Jaguar XJ aus dem Jahr 1998 vorfuhr. So eine Nobelkarosse konnte sich nur jemand leisten, der genug Schotter auf dem Konto hatte. Doch die Frau, die ausstieg, hätte mir fast den Atem geraubt.

Sylvie de la Richardais war eine 1,65 m große Frau mit einem heißen, sexy Körper und einem runden Gesicht. Die Nase, die leicht breit war, und die sinnlichen Lippen rundeten den ersten Eindruck ab. Genau wie die üppigen Brüste, die zu übersehen sehr schwer war. Die verführerischen braunen Augen schlugen garantiert jeden Mann in ihren Bann. Die blonden Haare trug Sylvie de la Richardais offen, so dass sie bis zur Oberkante ihrer Brüste reichten. Am Hals trug sie eine Kette aus Jadesteinen. Bekleidetet war Madame de la Richardais mit einem schwarzen Samtkleid, das an den Seiten königsblaue Verzierungen aufwies, schwarzen halterlosen Nylonstrümpfen mit einem ebenso blauen Bund wie die Verzierungen am Kleid, und schwarzen High Heels.

Doch so atemberaubend schön Sylvie de la Richardais auch war, so hochnäsig war sie auch. Ich beschloss, ihr einen Denkzettel zu verpassen, der sich gewaschen hatte. „Guten Morgen, Madame de la Richardais.“, sagte ich freundlich. „Für SIE „Madame la Comtesse“. Nur Einheimische dürfen „Madame de la Richardais“ sagen.“ „Von mir aus. Dann eben Madame la Comtesse.“ 100

„Sie sind ganz schön vorlaut, Monsieur. Gegenüber einer Gräfin haben Sie gefälligst Respekt an den Tag zu legen.“ „Ich respektiere nur Leute, denen ich auf dem Schlachtfeld gegenüber gestanden habe. Ich war beim SAS.“ „Mir egal. Wo Sie gedient haben, Sie ungehobelter Flegel.“ „Lieber ein ungehobelter Flegel, als eine hochnäsige Zimtzicke.“ „Das ist doch…“ „Guten Tag, Madame la Comtesse.“, sagte ich und zog süffisant eine Augenbraue nach oben.

Zurück im Hotel traf ich mich mit Jelena und Kelly. „Also, Ladies. Der Alfa 159 gehört einem gewissen Serge Rochefort. Und mir ist Sylvie de la Richardais über den Weg gelaufen.“ „Und wie ist sie?“ „Hochnäsig bis zum abwinken. Aber ich hab ihr einen kleinen, aber fiesen Denkzettel verpasst.“ „Gut so. Diesen Blaublütern sollte mal ganz klar ihre Grenzen aufgezeigt werden.“ „Was meinst du damit Kelly?“, fragte Jelena und nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse. „Ich dachte, das liegt glasklar auf der Hand. Für die Adligen sind wir Normalsterblichen Menschen zweiter Klasse. Ginge es nach diesen hochnäsigen Zeitgenossen, müssten wir uns immer noch als Leibeigene zu Tode schuften und dürften noch am Hungertuch nagen.“ „Wir sollten uns wieder auf unseren Fall konzentrieren.“, sagte ich. „Seh ich auch so. Fassen wir mal zusammen, was wir bis jetzt an Fakten haben.“

„Das erste was wir wissen ist, dass einer der Dalmatiner-Rüden von Francine DeViliers sexuell missbraucht wird. Als Hauptverdächtige haben wir eine Gräfin mit dem Namen Claire de la Richardais.“ „Die dafür bekannt ist, dass sie gerne einen Hundepenis zwischen ihre Beine klemmt.“ ergänzte Jelena. „Na komm. ihre Schwester Sylvie ist auch kein Unschuldsengel. Wir wissen, dass sie auf Pferdeschwänze steht.“ „Was ist mit diesem Serge Rochefort? Wie passt der ins Bild?“, fragte Jelena. „Er ist der Sekretär der beiden Schwestern.“ „Wissen wir sonst noch etwas über die Zwillinge?“ „Außer ihren sexuellen Neigungen gar nichts.“ „Ich weiß noch etwas über Sylvie de la Richardais. Ich hab hier ein Foto von ihr. Sie fährt einen messingfarbenen Jaguar XJ Baujahr 1998.“ „Nobel geht die Welt zu Grunde.“

Nach dem Abendessen hatte ich es mir noch einmal in einem der Liegestühle im Garten bequem gemacht. Ich wollte noch einmal in Ruhe nachdenken. Zum einen über meine eigene Zukunft, zum anderen ob aus Jelena und mir privat etwas werden würde. Der Altersunterschied zwischen uns beiden war schon gewaltig. 26 Jahre lagen zwischen mir und meiner russischen Partnerin. Kelly hingegen war 2 Jahre jünger als ich. Ich musste mir eingestehen, dass ich mich zu Kelly Ling mehr hingezogen fühlte als zu Jelena. Jedes mal, wenn Kelly und ich uns in die Augen sahen, hatte ich sofort das Gefühl von 1.000 Schmetterlingen im meinem Bauch. Ja, ich liebte Kelly.

Ich war so in meine Grübeleien versunken, dass ich den Jaguar nicht bemerkte, der auf den Parkplatz fuhr. Erst als ich Sylvie de la Richardais aussteigen sah, wusste ich, was die Stunde geschlagen hatte. Die Gräfin war meinetwegen hier. Na schön, dann musste ich mein Fell eben teurer verkaufen, als ich eigentlich geplant hatte. Ich erhob mich langsam und drehte mich zu ihr um, damit ich Sylvie de la Richardais von Angesicht zu Angesicht gegenüber stand, wenn es hart auf hart kam. 101

Doch zu meiner Überraschung kam die Comtesse in friedlicher Absicht. „Ich muss mich bei Ihnen für mein Benehmen heute morgen entschuldigen. Ich war ziemlich unhöflich zu Ihnen, Monsieur MacLain. Ich hätte es eigentlich besser wissen sollen.“, sagte sie. „Was besser wissen sollen, Madame la Comtesse?“ „Dass Sie nicht von hier sind. Sie sind Schotte nicht wahr?“ „Ja.“ „Woher kommen Sie?“ „Aus Inverness. Mein Vater war ebenfalls beim SAS. Er hat den Krieg um die Falklandinseln zwischen England und Argentinien im Jahr 1982 miterlebt.“ „Sind Sie deswegen zum SAS gegangen?“ „Er war mein Vorbild. Aber Sie sind doch nicht her gekommen, um mich über meine Vergangenheit auszuquetschen.“ „Nein, da haben Sie Recht. Ich wollte mich zum einen bei Ihnen entschuldigen, zum anderen wollte ich Ihnen die Geschichte von mir und meiner jüngeren Schwester Claire erzählen. Ich hoffe, dass Sie dann unsere Handlungs- und auch Denkweise besser verstehen.“

Jelena kam nach draußen. „Unter vier Augen, wenn es Recht ist, Monsieur MacLain.“ „Jelena Romanova ist meine Partnerin im Detektivbüro. Sie war früher bei den Speznas. Und ich habe keine Geheimnisse vor ihr.“ „Verstehe. Nun gut, dann soll sie ruhig mithören.“ Jelena trug wieder das blaue Abendkleid, dass wir in Belgien gekauft hatten und ihren Halsanhänger, den ich ihr in Singapur geschenkt hatte. Sylvie de la Richardais lud uns noch auf ein Glas Pastis in einem der vielen Straßencafés ein.

Später erzählte sie uns dann die ihre Geschichte. „Unser Vater war ein eifersüchtiger Mann. Er hat es uns nie erlaubt mit Jungs auszugehen. Geschweige denn uns mit ihnen sexuell zu vergnügen.“ „Wie krank ist das denn?“, entfuhr es Jelena. „Das war nicht das Einzige was er Claire und mir angetan hat.“ „Was hat er denn noch alles verbrochen?“ „Claire hat er zum 18. Geburtstag einen Schäferhund-Rüden geschenkt und mir einen Araber-Hengst.“ „Das waren doch edle Geschenke.“ „Auf den ersten Blick schon. Aber Vater hat die Tiere darauf trainieren lassen, dass sie nur auf menschliche Frauen anspringen.“ „Was für eine miese Drecksau!“ „Es geht noch weiter.“, sagte Sylvie de la Richardais. „Was geschah noch?“ „Um dafür zu sorgen, dass Claire und ich uns seinem Willen zu keinem Zeitpunkt widersetzen, hat Vater uns beide mehrfach vergewaltigen lassen. Er hat sogar in seinem Testament festgelegt, dass weder meine Schwester noch ich jemals aufhören dürfen mit Hunden oder, wie in meinem Fall, mit Pferden zu poppen.“ „Was würde passieren, wenn Sie beide es täten?“ „Wir würden alles verlieren und vor dem Nichts stehen.“ „Nun gut. Was Sie persönlich anbelangt, werden Sie wohl außen vor bleiben. Aber Claire muss für ihre Verbrechen gegenüber Napoleon bezahlen. Sofern Sie ihn wirklich sexuell missbraucht hat.“ „Natürlich hat sie das.“

Zurück im Hotel zerbrachen Jelena und ich uns die Köpfe. „Was sollen wir jetzt machen, Jelena?“ „Erst mal müssen wir die Geschichte von Sylvie de la Richardais überprüfen. Wir sollten mit diesem Rochefort sprechen. Und vielleicht auch mit Claire de la Richardais.“ „Fangen wir beim Sekretär an.“ „Wäre auch mein Vorschlag gewesen.“ Jelena und ich meldeten uns bei Serge Rochefort und baten ihn für den folgenden Morgen zum Gespräch in unser Hotel.

Am nächsten Morgen kam der Sekretär der beiden Schwestern bei uns 102

vorbei. Wie uns Serge Rochefort berichtete, war er nur widerwillig gekommen. Erst als Sylvie de la Richardais ein Machtwort gesprochen und mit Entlassung gedroht hatte, war er angetrabt. „Also, was wollen Sie von mir hören?“, fragte er ungehalten. „Die Wahrheit. Sylvie de la Richardais hat uns gestern ihre und die Geschichte ihrer Schwester Claire erzählt. Es ist für uns schwer vorstellbar, dass ein Vater seine beiden Kinder so schäbig behandelt, und ihnen nicht erlaubt, ein normales Leben zu führen.“ „Dennoch ist die Geschichte wahr. Der alte Comte hat mich persönlich dafür angestellt, dass ich dafür Sorge trage, dass seine Töchter seinen letzten Willen buchstabengetreu umsetzen.“

„Und wie läuft das so ab?“ „Ich habe für Sylvie de la Richardais ein Gestüt besorgt. Die Herde besteht aus 4 Stuten und drei Hengsten. Nur einem der Hengste ist es vergönnt, ein normales Leben zu führen, da er für die Zucht benötigt wird.“ „Für Hengste, deren Schwänze sich die Gräfin zwischen die Beine klemmt.“, sagte Jelena. „Ja, so ist es.“ „Nehmen wir an, die beiden Schwestern würden von einem Tag auf den anderen, den letzten Willen ihres Vaters nicht mehr erfüllen. Was wäre dann?“ „Dann würde das gesamte Vermögen, das Chateau eingeschlossen, an mich fallen. Sehen Sie, ich bin nicht nur als Sekretär, sondern auch als Vermögensverwalter eingestellt. Ich könnte die beiden Schwestern eiskalt lächelnd auf die Straße setzen.“ Jelena schaltete sich ein. „Und wenn die Gräfinnen Sie von Ihren Pflichten entbinden würden?“, fragte sie. „Das ist unmöglich. Mein Arbeitsverhältnis gilt auf Lebenszeit. Es endet erst mit meinem Tod, oder dem von Sylvie und Claire de la Richardais.“ Das heißt, die beiden Geschwister haben keine Möglichkeit diesen Teufelskreis zu durchbrechen.“ „Leider.“

„Hören Sie, Mr. Rochefort. Gegen Sylvie de la Richardais werden wir nicht vorgehen. Ihre Schwester Claire werden wir den Behörden ausliefern und sie wegen Tierquälerei anklagen.“ „SIND SIE VERRÜCKT?! Wollen Sie die beiden Schwestern zugrunde richten?“ „Wir können darauf leider keine Rücksicht nehmen. Claire de la Richardais hat sich der Tierquälerei schuldig gemacht. Vielleicht können wir den Richter dazu überreden, den letzten Willen des Vaters für nichtig zu erklären. Ich werde meine Schwester Samantha kontaktieren. Mal sehen was sie dazu sagt.“ „Es steht Ihnen frei, das zu tun, Monsieur MacLain. Aber eines ist sicher, wenn der letzte Wille des Vaters durch ein Gericht gekippt wird, dann gibt das einen riesigen Skandal, der den Schwestern unter Umständen zum Verhängnis werden könnte.“ „Es gibt so oder so einen Skandal. Spätestens dann, wenn Claire de la Richardais auf der Anklagebank sitzt.“

Nach dem Gespräch mit dem Sekretär rief ich meine Schwester Samantha an. „Was gibt’s Bruderherz?“ „Sam, Jelena und ich brauchen dich hier in Frankreich. Es gibt ein Problem, bei dem wir deine Hilfe brauchen.“ „Schieß los.“ „Ich kann dir das nicht in 5 Minuten am Telefon zusammenfassen. Komm bitte so schnell du kannst. Ich versuche, die entsprechenden Dokumente zu beschaffen.“ „Na schön, ich komme zu euch. Wo finde ich euch?“ „Im Hotel „La Chabossiere“ in Montbizot.“ „In Ordnung. Ich werde Camille mitbringen. Ich kann sie jetzt nicht alleine lassen.“ „Von mir aus. Aber seid vorsichtig.“, warnte ich meine Schwester. 103

Es dauerte noch zwei weitere Tage, bis meine Schwester Samantha in Montbizot eintraf. Auch sie hatte im Hotel, in dem wir abgestiegen waren, ein Zimmer gemietet. Jelena hatte den Notar ausfindig gemacht, der das Testament des Comte de la Richardais verwaltete. Sylvie und ihre Schwester Claire hatten eine Schweigepflichtentbindung unterschrieben und ihn bevollmächtigt uns die Dokumente als Kopie auszuhändigen.

Meine Schwester wollte sich gerade das Testament durchlesen, als ein bordeauxroter Aston Martin DB9 auf dem Parkplatz des Hotels parkte. Claire de la Richardais stieg aus und kam zu uns. Camille bemerkte, dass sie geweint hatte und zupfte Jelena am Zipfel ihre Paillettenkleides. „Was ist?“, fragte meine Partnerin. Camille gab ihr ein Zeichen, dass sie ihr etwas ins Ohr flüstern wollte. Jelena beugte sich vor und Camille flüsterte ihr ins Ohr, was ihr bei Sylvies Schwester aufgefallen war.

„Was können wir für Sie tun, Madame la Comtesse?“, fragte ich höflich. „Ich bin auf dem Weg zur Polizei, um mich zu stellen. Aber vorher wollte ich Ihnen den Rest unserer Geschichte erzählen. Ich halt es einfach nicht mehr aus.“ „Bitte.“ „Zuerst sollte ich besser damit anfangen, indem ich Ihnen sage, wer Serge Rochefort in Wirklichkeit ist. Er ist nicht unser Sekretär, sondern unser Vater. Sein richtiger Name ist Comte Etienne de la Richardais.“

Uns allen klappte der Unterkiefer runter. Doch Samantha fing sich als erste. „Sie müssen ihren Vater ja sehr hassen.“ „Nicht nur ich. Meine Schwester Sylvie genauso. Er soll elendiglich krepieren.“ „Was ist genau passiert?“, fragte Jelena. „Als wir beide 4 Jahre alt waren, mussten wir mit ansehen, wie unsere Mutter zuerst mit einem Pferd und danach mit einem Hund Sex hatte. Jedes mal wenn wir wegsehen wollten, hat uns Vater mit dem Handrücken ins Gesicht geschlagen und gesagt: „Nicht wegsehen! Ihr müsst wissen, wie man das macht!“.“ „Und Ihre Mutter?“ „Vater hat sie umgebracht, als sie sich seinem Willen nicht mehr unterwerfen wollte. Wir waren gerade 19 geworden.“ „Wie ging es weiter?“ „Danach hat Vater zwei Triebtäter angeheuert, die uns mehrfach vergewaltigt haben.“

Das, was uns Claire de la Richardais erzählte, erschütterte uns innerlich. „Seinen Tod hat Vater nur vorgetäuscht und die Figur des Serge Rochefort ins Leben gerufen, damit die Behörden keinen Verdacht schöpfen. Nun wissen Sie alles. Ich gehe dann zur Polizei. Au revoir.“

Samantha sah soch die Dokumente an, dann schüttelte sie den Kopf. „Unfassbar. Wie niederträchtig und gemein muss ein Vater sein, der seinen Kindern die Hölle auf Erden aufzwingt.“ „Was meinst du Sam, wie stehen die Chancen, das Testament vor Gericht zu kippen?“ „Das Ding kriegen wir gekippt. Kein Richter, der auch nur das kleinste Fünkchen Verstand besitzt, wird dieses Testament für legal erklären.“ „Zumal der Urheber in Wirklichkeit unter falschem Namen ja noch am Leben ist.“ „Eben. Aber sag Serge Rochefort mal, dass das Testament nichtig ist.“ „Apropos. Da kommt er auch schon.“, sagte Jelena. 104

„Können Sie beide einen Augenblick Ihrer kostbaren Zeit für mich erübrigen?“, fragte er ohne Umschweife. „Worum geht es?“ „Claire de la Richardais will sich der Polizei stellen.“ „Eine weise Entscheidung.“ „Ich kann und werde diese Entscheidung auf gar keinen Fall gutheißen. Der letzte Wille des Comte de la Richardais muss erfüllt werden. Um jeden Preis.“ „Da sind wir anderer Meinung.“, sagte Jelena kühl. „Wie bitte?“ „Sie haben richtig gehört, Mr. Rochefort. Ich habe die Dokumente eingesehen und eingehend geprüft. Dieses Testament hält vor keinem Gericht stand.“ „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, Madame...“ „MacLain. Samantha MacLain. Paul MacLain, der Herr mit der dunkelbraunen Lederjacke ist mein Bruder.“

„Sie haben ja keine Ahnung, wie viel auf dem Spiel steht.“ „Es steht in der Tat eine Menge auf dem Spiel. Aber für SIE. Sie haben Angst, ihre Töchter könnten sich Ihrer Kontrolle entziehen, Monsieur le Comte.“ „WAS?“ „Haben Sie ernsthaft geglaubt, Sie können uns mit diesem billigen Trick reinlegen?“, fragte Jelena kalt. „Ich weiß beim besten Willen nicht, worauf Sie hinaus wollen.“ „Ich denke, es ist leicht, Ihre wahre Identität zu enthüllen. Fangen wir mit dem Auffälligsten an. Dem Ring an ihrem linken Ringfinger. Das ist definitiv ein Siegelring. Außerdem kann sich ein gewöhnlicher Sekretär keine maßgeschneiderten Anzüge von Gucci oder Joop leisten. Nicht nur ihre piekfeine Garderobe verrät den Edelmann. Es ist ihre ganze Erscheinung. Nur ein Graf tritt so selbstbewusst auf, wie Sie es tun. Sie sind es gewohnt, dass Sie kriegen, was Sie wollen. Ein Sekretär würde eher katzbuckeln.“ „Wer hat Ihnen meine wahre Identität verraten?“ „Es war Ihre Tochter Claire, bevor sie zur Polizei gefahren ist. Sie hat uns alles erzählt.“

Der Graf ließ sich in einen der Liegestühle fallen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen. „Verraten.“, sagte er. „Meine eigenen Kinder haben mich verraten.“ „Warum haben Sie Ihrer Frau und ihren Kindern diese Grausamkeiten angetan?“ „Meine Frau wollte mich nach der Geburt von Sylvie und Claire verlassen und die Kinder mitnehmen. Das konnte ich unmöglich zulassen. Also habe ich sie gezwungen, mit ihrem Hengst Diablo und ihrem Schäferhund-Rüden Hector zu schlafen. Als die Kinder älter und auch reifer wurden, habe ich Sylvie zu Robespierre und Claire zu Lovemachine gesperrt. Ich hab das ganze gefilmt und gedroht es zu veröffentlichen, sollten sich meine Frau und meine Töchter mir weiterhin widersetzen. Irgendwann hatte Elaine dann die Schnauze voll, und wollte fliehen. Da bin ich ausgerastet. Ich hab sie betäubt und bin mit ihrem Auto zu einem nahegelegenen See gefahren. Ich habe Elaine auf den Fahrersitz gesetzt und sie angeschnallt. Dann habe ich die Handbremse gelöst und den Wagen in den See rollen lassen. Gott was habe ich mich gefreut, als ich die Rückleuchten des Autos in den Fluten versinken sah.“

„Sie sind wirklich geistesgestört. Leute wie Sie dürfen nicht frei rumlaufen. Sie werden für das büßen, was Sie angerichtet haben. Dafür werde ich sorgen, Sie Monster.“, sagte Samantha. „Niemand widersetzt sich meinem Willen. Meine Frau hat dafür mit ihrem Leben bezahlt. Und meine Tochter Claire wird ebenfalls sterben. Ich gehe jetzt zur Polizei und töte sie.“ „Sie gehen nirgendwo hin.“, sagte ich und richtete meine Walther auf den Grafen. Jelena hatte ihre Makarow in der Hand und zielte ebenfalls auf ihn. 105

Der Comte de la Richardais blickte mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen vom einen zum anderen. „Sie kommen aus dieser Nummer nicht mehr raus, Monsieur le Comte. Wer gibt Ihnen das Recht, ihren Töchtern ein normales Leben vorzuenthalten?“ „Meine Töchter sind für die Männer dieser Welt nicht gut genug. Sie taugen höchstens zum Tiere ficken.“ In diesem Augenblick kam die Polizei. Auf Geheiß von Claire de la Richardais nahmen die Flics den Grafen selbst fest. „Ich hoffe nur, dass sie dich im Gefängnis verrotten lassen, Vater. Ich hasse dich für das, was du Maman, Sylvie und mir angetan hast. Dir ging es doch nur um deine eigenen Interessen. Wir waren dir doch völlig egal.“ „Untersteh dich, vor Gericht auszusagen, was du nicht mit mir abgesprochen hast. Du wirst nur das sagen, was ich vorgebe.“ „Ich werde nicht schweigen, Vater. Ich werde alles erzählen. Und ich werde kein Detail auslassen. Sylvie wird ebenfalls aussagen, darauf haben wir uns geeinigt. Du wirst uns nichts mehr verbieten. Nicht heute und nicht irgendwann.“ „DU VERRÄTERIN! Warte nur, bis aus dem Knast wieder draußen bin, dann bringe ich dich und deine Schwester um. NIEMAND HINTERGEHT MICH, UND KOMMT UNGESTRAFT DAVON!“, sagte der Comte.

„So jetzt hab ich mir den Schwachsinn ja wohl lange genug angehört. Kenn viele, die was im Kopf haben. Aber was du hier treibst, in deinem krankhaften Wahn, übertrifft alles was ich kenne.“ „Wie meinen Sie das?“ „Zuerst hast du dich deiner Frau entledigt, weil sie frei sein wollte. Dann hast du deinen Töchtern ein normales Leben vorenthalten, du ausgekotzter Spargel. Und deshalb werde ich mit dir hier schon abrechnen, denn für dich wär schon die Luftfracht nach Deutschland zu schade.“

Nach nur einer Woche machte man dem Grafen den Prozess. Seine Töchter sagten umfassend aus und sorgten so dafür, dass ihr Vater für den Rest seines Lebens eingesperrt blieb. Zuerst musste er 15 Jahre im Zuchthaus verbringen. Danach sollte er in eine geschlossene Irrenanstalt verlegt werden. Außerdem musste Etienne de la Richardais unserer Klientin ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 Euro und eine Entschädigung in Höhe von 850.000 Euro zahlen.

Wir waren gerade eine Woche wieder zu Hause, als es an der Tür klingelte. Ich öffnete. Es waren die Zwillinge. Nachdem ich sie hereingebeten hatte, kamen sie gleich zur Sache. „Wir wollten uns noch einmal bei Ihnen und Madame Romanova bedanken.“ „Wofür?“ „Nun ja, Sie haben uns nicht angezeigt, sondern haben darauf verzichtet. Wir sind als freie Menschen aus dem Gerichtssaal raus.“ Das freut mich zu hören.“ „Meine Schwester und ich haben Ihnen beiden je 125.000 Euro überwiesen.“ „Ich weiß diese noble Geste durchaus zu schätzen. Aber falls Sie meine Partnerin Jelena suchen, sie hat jetzt ihr eigenes Apartment hier im Haus.“ „Wie halten Sie es bloß so alleine hier in dieser Wohnung aus?“ „Ich komm damit zurecht.“ „Eine Frage, Monsieur MacLain.“ „Die da wäre?“ „Wir würden gerne mal mit einem Mann Sex haben. Würden Sie sich als Versuchskaninchen zur Verfügung stellen?“ „Warum nicht?“

Ich hatte ja schon so einiges erlebt, aber diese heiße Nacht mit den Zwillingen würde ich wohl nie vergessen. Ich will jetzt nicht ins Detail gehen, denn ein 106

Gentleman genießt und schweigt. Doch ich hatte mir und Jelena das Wohlwollen zweier mächtiger Frauen gesichert. Solange Sylvie und Claire de la Richardais uns die Stange hielten, würde es niemandem gelingen uns an den Karren zu pissen. 107

9. Fall - Die entführte Bankierstochter

9. Fall – Die entführte Bankierstochter

Zwei Wochen, nachdem wir in Frankreich einer Hundezüchterin aus der Patsche geholfen und einen durchgeknallten Adligen aus dem Verkehr gezogen hatten, wartete unser sechster gemeinsamer Fall auf mich und Jelena. Er sollte uns nach Dänemark führen. Es regnete mal wieder in Strömen, als Jelena und ich im Büro saßen. Das Telefon klingelte.„Detektivbüro MacLain – Romanova, Sie sprechen mit Jelena Romanova.“, meldete sich Jelena. „Hier spricht Magnus Olson. Mein Name wird Ihnen und ihrem Partner Paul MacLain wahrscheinlich nicht viel sagen. Ich bin Direktor bei einer Dänischen Bank, der Jyske Bank mit Sitz in Silkeborg. Ich bin gerade in Frankfurt am Main und bräuchte Ihre Hilfe.“ „Um was geht es, Mr. Olson?“ „Zwei Tage vor meiner Abreise aus Kopenhagen habe ich einen Brief erhalten. Den Rest würde ich Ihnen beiden lieber persönlich erzählen.“ „Wann können Sie bei uns im Büro sein?“ „In 10 Minuten.“, sagte Magnus Olson.

Um 10:30 Uhr klingelte es an der Tür zu unserem Büro. Jelena betätigte den Türöffner. Der Mann der eintrat, war 1,86 m groß und besaß einen athletischen Körperbau. Magnus Olson war 65 Jahre alt und hatte weiße Haare und einen weißen Schnurrbart. Seine stechenden blauen Augen, die in einem runden Gesicht ruhten, waren voller Sorge. Die schmalen Lippen waren zusammen gekniffen, was von innerer Anspannung zeugte. Seine fette Knubbelnase wollte so gar nicht zu seinem Gesicht passen. Die Nasenflügel bebten vor Aufregung. Bekleidet war Magnus Olson mit einem schwarzen Anzug, einem weißen Hemd, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. Dazu trug er eine rote Krawatte und auf dem Kopf eine Melone.

„Bitte nehmen Sie Platz, Mr. Olson.“, sagte ich. „Danke.“ „Sie sagten vorhin am Telefon, dass Sie vor zwei Tagen einen merkwürdigen Brief erhalten haben. Dürfen wir ihn sehen?“ „Natürlich.“ Magnus Olson gab uns einen Briefumschlag. Ich erkannte anhand der Beschaffenheit, dass der Absender doch über ein ordentliches Vermögen verfügen musste. Doch mir fiel noch eine weitere Besonderheit auf. Eine leichte Parfümnote. „An dem Umschlag ist eine leichte Parfümnote. Kannst du den Duft herausfinden Jelena?“ „Gib mal her.“ Ich gab meiner Partnerin den Umschlag und sie roch daran. „Eindeutig. Das ist ein Parfüm aus der Kollektion von Christina Aguilera. Es heißt „By Night.“ „Kennen Sie jemanden, der dieses Parfüm benutzt, Mr. Olson?“ „Ja. Meine ehemalige persönliche Assistentin Pernille Eklund.“

Ich hatte mir den Brief näher angesehen. Er war aus Buchstaben zusammengesetzt, die aus verschiedenen Tageszeitungen ausgeschnitten waren. „Zahlen Sie 850 Millionen dänische Kronen oder ihre Tochter stirbt.“, war dort zu lesen. „Was geschah dann?“, fragte Jelena. „Am Tag meiner Ankunft hier in Frankfurt erhielt ich einen Anruf. Die Rufnummer war unterdrückt. Die Stimme, die sich meldete, war eine tiefe Männerstimme. Aber ich hatte das Gefühl, dass etwas nicht gestimmt hat.“ „Dann hat der Anrufer einen Stimmenverzerrer benutzt. Was hat er oder sie gesagt?“ „Er hat gesagt: „Es geht Ihrer Tochter gut. Und das wird auch so bleiben, wenn Sie sich an die Spielregeln halten.“ Ich habe gefragt, was gemeint ist, aber 108

ich wurde rüde unterbrochen. „Sprechen Sie nicht! Hören Sie zu! Wir warnen Sie! Keine Dummheiten! Und gehen Sie auf gar keinen Fall zur Polizei! Sonst sehen Sie ihre Tochter als Leiche wieder!“ Danach hat er aufgelegt. „Klingt nach einer Entführung.“, sagte Jelena. „Es passt alles zusammen. Die Lösegeldforderung, der Drohanruf. Mich würde interessieren, welche Rolle Pernille Eklund in dieser Angelegenheit spielt.“ Bevor Magnus Olson antworten konnte, klingelte dessen Smartphone.

„Magnus Olson.“, meldete sich unser Gast. „Moment ich brauch was zum Schreiben. Ich leg sie auf den Lautsprecher. Ja, ich bin nicht bei der Polizei. Wo ich bin? Das geht Sie einen Scheißdreck an!“, sagte Magnus Olson und aktivierte den Lautsprecher seines Mobiltelefons. Ich gab ihm einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier. „Ich höre.“ „Ich gebe Ihnen jetzt die Bedingungen für die Übergabe des Lösegeldes durch. Ort und Zeit erhalten Sie separat.“ „Ich nehme an, Sie wollen alles auf einmal.“ „Wir sind doch keine Unmenschen. Fürs erste begnügen wir uns mit 1,5 Millionen Euro. Sie haben das Geld in zwei Reisetrollis bereitzustellen. Ein Kurier wird die Koffer zu Ihnen nach Hause liefern.“ Die Verbindung wurde unterbrochen. „Was meinst du, Jelena?“ „Wenn wir uns preislich einigen können, übernehmen wir den Fall.“ „Ich wäre bereit eine Million Euro für die Freiheit meiner Tochter auf den Tisch zu legen.“ „Deal.“, sagte ich.

Am nächsten Tag waren wir reisefertig. Samantha, meine jüngere Schwester brachte uns zum Flughafen. Wir gaben unsere Koffer auf und gingen zur Sicherheitsschleuse. Samantha begleitete uns und verabschiedete sich dann. „Kommt gesund nach Hause. Diese Entführerbande ist zu allem entschlossen.“, sagte sie. „Nu mach dir mal nicht ins Hemd. Für die Verbrecher wird die Luft eher bleihaltig.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher, Jelena. Wer eine Entführung begeht, der ist bis zum äußersten entschlossen. Allein schon die Tatsache, dass Magnus Olson auf die Frage nach seinem Aufenthaltsort mit „Das geht Sie einen Scheißdreck an“, geantwortet hat, hat bei den Entführern sämtliche Alarmglocken schrillen lassen. Die werden jetzt jede Detektei in Europa abklappern und irgendwann auf euch stoßen. Und dann ist für die Tochter von Magnus Olson endgültig Feierabend.“

Um 7:50 Uhr startete unsere Maschine in Richtung Kopenhagen, wo wir um 9:10 Uhr auf dem Københavns Lufthavn landeten. Nachdem wir unser Gepäck geholt hatten, sahen wir uns nach einer Autovermietung um. Bei Sunny Cars wurden wir dann fündig. Wir entschieden uns für einen 2018er Honda Accord Sport. Der Wagen hatte den 2-Liter-Motor mit 252 PS und das 6-Gang-Schaltgetriebe. Lackiert war der Honda in San Marino Rot und besaß die 19-Zoll-Alloy-Felgen im Chrom-Look. Der Innenraum war mit schwarzem Stoff verkleidet.

Vom Flughafen in Kopenhagen fuhren wir über zuerst über die E20 und dann auf der Route 21 nach Roskilde. Um 9:58 Uhr fuhren wir auf dem Parkplatz des Hotels Comwell Roskilde vor. Für dieses Hotel hatten wir uns bei der Buchung unserer Reise entschieden. Das Empfangsgebäude war ein Flachdachbau aus Glas und 109

Beton. Der Eingangsbereich war mit einem halbrunden Stahldach überdacht, das am unteren Ende einem Trichter ähnelte. Als wir mit unseren Koffern die Empfangshalle betraten, blickte uns der Concierge irritiert an. „Ich will nicht unhöflich erscheinen, aber mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte er mit einem leicht hochnäsigen Unterton in der Stimme. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert.“ Der Concierge sah in seinem System nach. „Ah ja! Da haben wir was. Paul MacLain und Jelena Romanova. Zimmer 202. Ihre Schlüssel.“

Wir bezogen unser Zimmer und räumten unsere Koffer aus. Als wir unsere Kleidung in die Schränke geräumt hatten, gingen wir unter die Dusche und machten uns frisch. Um 18:00 Uhr gingen wir ins Restaurant unseres Hotels essen. Nach dem Abendessen trafen wir noch zufällig eines der Zimmermädchen. Offenbar hatte sie mitbekommen, dass wir aus beruflichen Gründen hier waren, und für wen wir arbeiteten. Denn sie sprach uns direkt an. „Trifft es vielleicht zu, dass Sie für Magnus Olson arbeiten?“, fragte sie. „Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu unseren Klienten. Diskretion.“ „Verstehe. Ich habe einen Tipp für Sie beide. Sie werden für diesen Fall wahrscheinlich auf die Kenntnisse eines pensionierten Polizisten zurückgreifen müssen. Sein Name ist Fleming Poulsen. Er kennt sich in der dänischen Unterwelt aus, wie kein zweiter.“ „Wo finden wir ihn?“ „In Mulligans Irish Pub. Sagen Sie ihm Emilia hätte Sie geschickt.“

Später am Abend hatten Jelena und ich Mulligans Irish Pub aufgesucht. Von Fleming Poulsen war jedoch noch nichts zu sehen. „Er kommt so gegen 21:30 Uhr.“, sagte der Barkeeper. Wir entschieden uns, uns ein bisschen umzusehen. Jelena nahm den Bühnenbereich näher in Augenschein, während ich den Eingangsbereich und den Barbereich, sowie die Lounge im Auge behielt.

Pünktlich um 21:30 Uhr kam Fleming Poulsen. Er war nicht zu übersehen, hatte er sich doch für ein sehr schrilles Outfit entschieden. Der ehemalige Polizist trug einen grünen Anzug, ein weißes Hemd ohne Krawatte, weiße Socken und schwarze Herrenschuhe. Ich versuchte mein Glück. „Mr. Poulsen? Emilia hat uns zu Ihnen geschickt.“, sagte ich so freundlich wie möglich. „Dann sind Sie Paul MacLain.“ „Sehr richtig. Dann dürften Sie sicherlich auch wissen, dass die Lady in Red meine Partnerin Jelena Romanova ist.“ „Das weiß jeder in der Stadt. Sie arbeiten für meinen alten Freund Magnus Olson, wie ich hörte.“ „Das tun wir. Wo können wir ungestört reden?“ „Dort drüben in der Ecke. Folgen Sie mir.“

Später fühlten Jelena und ich Fleming Poulsen etwas auf den Zahn. „In welchem Verhältnis stehen Sie zu Emilia?“, fragte Jelena. „Sie ist meine Enkelin.“ „Verstehe. Emilia sagte, dass Sie uns helfen könnten, da Sie die dänische Unterwelt wie kein zweiter kennen.“ „Emilia übertreibt etwas. Aber ich kenne ein Gaunertrio, das sich zur Ruhe gesetzt hat, und ab und an mal für mich arbeitet.“ „Und wer sind die drei?“ „Hier in Dänemark kennt man sie als die „Olsen-Bande“.“ „Wieso Olsen-Bande?“, wollte Jelena wissen. „Weil das Trio nach seinem Anführer Egon Olsen benannt ist.“ „Aus wem besteht die Olsen-Bande denn nun genau?“ „Wie gesagt aus Egon Olsen. Und dann sind da noch seine beiden Freunde Benny Frandsen und 110

Kjeld Jensen.“ „Wie verlässlich sind diese drei Gauner a. D.?“ „Was Egon Olsen angeht, auf den kann man sich verlassen. Anlass zur Sorge bieten eher Benny und Kjeld. Die zwei sind richtige Tumbmeister.“ „Wie meinen Sie das, Mr. Poulsen?“, hakte Jelena nach. „Nun ja, wenn man es genau betrachtet, hat Egon Olsen seine ganzen Aufenthalte im Knast seinen Freunden Benny und Kjeld zu verdanken.“ „Worauf wollen Sie hinaus?“ „Egon Olsen hatte sich die genialsten Pläne ausgedacht. Das diese dann letzten Endes schief gingen, war der Blödheit von Benny und Kjeld zu verdanken. Und Egon war derjenige, der es ausbaden durfte.“

Am nächsten Morgen trafen wir uns nach dem Frühstück mit Magnus Olson, unserem Klienten. „Die Ratschläge von Fleming Poulsen sind meistens Gold wert. Aber ich habe massive Bedenken, was die Anheuerung der Olsen-Bande angeht.“, sagte Mr. Olson. „Was ich Ihnen auch nicht verdenken kann, denn diese drei Gentlemen waren in ihrem früheren Leben ja selbst Gauner.“ „Eben. Und das ist es, was mir so ein ungutes Gefühl bereitet. Auf der anderen Seite, sind Egon, Benny und Kjeld, vielleicht die einzige Hoffnung, das Versteck ausfindig zu machen, wo man meine Tochter Brit gefangen hält.“ „Haben Sie ein Foto von ihrer Tochter?“ „Ja. Aber warum fragen Sie, Mr. MacLain?“ „Falls es zu einer Schießerei kommt, will ich nicht auf die Geisel schießen.“ „Das leuchtet ein.“, sagte Magnus Olson und legte ein Foto seiner Tochter auf den Tisch.

Auf dem Bild war eine wunderschöne junge Frau mit langen schwarzen Haaren zu sehen, die offen getragen bis zur Armbeuge reichten. Dazu kam ein schlanker, sexy Körper mit prallen Brüsten. Das hübsche ovale Gesicht mit der schmalen Nase und den schmalen, aber dennoch sinnlichen Lippen hatte noch eine Besonderheit: Ein Paar mandelförmiger Augen. Bekleidet war die Bankierstochter mit einem schwarzen Miniträgerkleid, das oberhalb ihrer Oberweite einen Ausschnitt besaß und einen Blick auf die üppigen Brüste gewährte. Dazu kamen ein Paar schwarzer halterloser Nylonstrümpfe und ein paar schwarze High Heels. Zugegeben, diese Frau war der Hingucker, wie ich zugeben musste. „Ihre Tochter ist attraktiv. Wäre das vielleicht der Grund, warum man ausgerechnet sie entführt hat?“ „Vielleicht. Aber was mir persönlich wichtig ist, ist dass Sie beide bald zuschlagen.“ Ich hob meine linke Hand um Magnus Olson zu unterbrechen. „Vorsicht. Wir müssen mit Bedacht vorgehen, damit wir die Kidnapper nicht unnötig warnen. Wir müssen das Überraschungsmoment bis zum Show Down am Schluss auf unserer Seite haben. Wenn wir übereilt handeln, geht vielleicht was schief und Sie sehen ihre Tochter wirklich als Leiche wieder. Wollen Sie das?“, sagte ich. „Nein. Aber mit jedem Tag, der vergeht, werde ich nervöser.“ „Ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass unsere bisherigen Erfolge, stets das Resultat einer gut ausgearbeiteten Planung waren.“

Nach dem Gespräch mit Magnus Olsen suchten wir Fleming Poulsen auf. Wir hatten uns mit unserem Klienten darauf geeinigt, die Hilfe der Olsen-Bande in Anspruch zu nehmen. Magnus Olson wollte Egon Olsen und dessen Freunden Benny und Kjeld eine Summe von 550.000 Euro zahlen. Wir trafen den pensionierten Polizeibeamten in einem Cafe´ in Roskildes Innenstadt. 111

„Gut, dass mein alter Freund eingesehen hat, dass es klüger ist, Egon Olsen und seine beiden Spezis mit einzubeziehen. Und bei einer Summe von 550.000 Euro wird selbst ein Egon Olsen nicht „Nein“ sagen.“ „Das mag zwar alles sein. Aber bisher haben wir uns noch nicht mit Pernille Eklund, Mr. Olsons ehemaliger persönlicher Assistentin befasst. Wissen Sie etwas über die Dame?“, fragte Jelena vorsichtig. „Nein. Aber Egon Olsen bestimmt. Es gibt nichts, was er nicht herausfinden könnte.“

Später am Abend saßen wir in der Cocktailbar unseres Hotels und tranken eine Kleinigkeit. Mir fielen drei Männer auf, die die Bar betreten hatten. Ihr Anführer war 1,64 m groß und hatte ein rundes Gesicht mit braunen Augen, einer etwas breiteren Nase und schmalen Lippen. Kein Zweifel, das musste Egon Olsen sein. Bekleidet war er mit einem schwarzen Nadelstreifenanzug, einem weißen Hemd, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. Auf dem Kopf trug er eine graue Melone und dazu eine rot-weiße Krawatte mit schwarzem Karomuster. Auffällig war jedoch die Zigarre, die in seinem Mund steckte.

Der erste seiner beiden Begleiter war 1,74 m groß und hatte einen ordentlichen Bierbauch. Er hatte ein rundes, etwas aufgedunsenes Gesicht mit braunen Augen, einer breiten Nase und kurzen wulstigen Lippen. Seine lockigen Haare waren unter einem hellgrauen Krempenhut verborgen. Bekleidet war er mit einem gelb-braun karierten Sakko, einem pinkfarbenen Hemd, gelben Socken und schwarzen Lackschuhen. Das musste Benny Frandsen sein.

Der dritte im Bunde war dann wohl Kjeld Jensen. Er war 1,65 m groß und hatte ebenfalls einen ordentlichen Bierbauch. Die grauen Haare hatte er unter einer ockerfarbenen Baskenmütze verborgen. Auffällig war auch die Hornbrille, die die braunen Augen im runden Gesicht dieses Mannes unterstützte. Kjeld Jensens Nase war eher durchschnittlich. Die Lippen waren etwas länger, als die von Benny, aber auch nicht so wulstig ausgeprägt. Bekleidet war Kjeld Jensen mit einem hellbraunen Cord-Anzug, einem hellblauen Hemd mit einer schwarzen Fliege, schwarzen Socken und hellbraunen Wildlederschuhen. In der Hand hielt er einen Hebammenkoffer.

„Ich nehme an, Sie sind Paul MacLain und Jelena Romanova.“, sagte Egon Olsen. „Sie nehmen richtig. Setzen Sie sich doch.“ Egon, Benny und Kjeld setzten sich uns gegenüber. „Wenn uns Fleming Poulsen richtig informiert hat, arbeiten Sie beide als Privatdetektive. Stimmt das?“ „Privatdetektive?? Mordsmäßig gewaltig Egon.“ „Halt die Klappe, Benny.“ „Mr. Olsen, in diesen Fall ist eine Frau namens Pernille Eklund verwickelt. Wir wissen, dass sie die ehemalige persönliche Assistentin von Magnus Olson ist.“ „Das ist aber auch das einzige, was wir wissen.“, ergänzte Jelena. „Dann hat uns Herr Poulsen wohl richtig informiert. Na schön. Pernille Eklund hat tatsächlich mal für Magnus Olson gearbeitet. Aber sie ist keine Dänin. Pernille Eklund kommt aus Malmö und hat die schwedische Staatsbürgerschaft.“ „Was wissen Sie noch über Miss Eklund?“ „Sie ist 40 Jahre alt und ledig. Einen festen Freund hat sie nie gehabt. Dieser Umstand dürfte mit ihrer Alkoholsucht zusammenhängen.“ „Also eine Trinkerin.“ 112

„Eine handfeste. Sie trinkt jeden unter den Tisch, der den Fehler begeht, sich auf ein Wetttrinken mit ihr einzulassen.“, sagte Benny. „Hältst du mal den Mund, Benny.“ „Aber es stimmt doch, Egon.“ „Gentlemen, ich muss doch sehr bitten. Ich würde sagen, wir sollten zu unserem Fall zurückkommen. Haben Sie eine Idee, wie wir die Bande hochgehen lassen können?“, fragte Jelena. „Mit anderen Worten, Sie beide wollen die Entführer zu einer vorschnellen Aktion verleiten?“ „Das war unser Plan.“ „Wissen Sie, was eine Blüte ist?“ „Natürlich. Eine gefälschte Banknote.“ „Ich würde vorschlagen, dass wenn die Entführer die Hauptforderung stellen, wir die Reisekoffer mit Blüten vollpacken.“ „Die werden die Banknoten garantiert auf ihre Echtheit prüfen. Nur Amateure und blutige Anfänger sind nicht in der Lage eine Blüte von einem echten Geldschein zu unterscheiden. Und hier haben wir es mit Profis zu tun.“, sagte Jelena. Egon Olsen sah meine Partnerin misstrauisch an. „Woher wollen Sie das so genau wissen?“, fragte er und zog an seiner Zigarre. „Ich war bei den Speznas. Wir sind darauf spezialisiert, sämtlichen elektronischen Zahlungsverkehr zu überwachen und ganze Computernetzwerke lahm zu legen.“

„Mordsmäßig gewaltig, Egon.“, sagte Benny. „Deine Platte hängt, Benny.“ Jelena verdrehte entnervt die Augen. „Sie beide können sich wohl nicht besonders leiden.“, bemerkte sie spitz. Egon Olsen wollte zu einer Erwiderung ansetzen, doch ich schnitt ihm mit einer gebieterischen Geste das Wort ab. „Mr. Olsen, Mr. Frandsen. Es bringt uns nicht weiter, wenn Sie beide sich an die Gurgel gehen. Eine junge Frau wurde entführt und fürchtet nun um ihr Leben. Und Sie beide haben nichts besseres zu tun, als sich gegenseitig zu dissen.“, sagte ich. „Und da hat mein Partner nicht ganz unrecht. Sie haben uns zwar mit wertvollen Informationen über Pernille Eklund versorgt, aber ansonsten waren Sie keine wertvolle Hilfe. Das Dumme ist nur, dass Sie drei die einzigen Ex-Gauner sind, denen man halbwegs vertrauen kann.“ „Schon gut, schon gut. Nur wegen ein bisschen Gekappel brauchen Sie beide nicht gleich laut zu werden. Oder wollen Sie die ganze Bar unterhalten?“

Schließlich wurden wir uns dann doch irgendwie einig. Am nächsten Tag trafen wir uns mit dem ehemaligen Gaunertrio dann bei einer Autovermietung in Roskilde. Jelena und ich hatten Egon, Benny und Kjeld einen Subaru Levorg 1,6 GT Comfort in Lapis Blau mit Perleffekt besorgt. Der Japaner hatte die Ultaschalleinparkhilfe vorne und hinten, sowie Steinschlagschutzfolie für die Front, Sport-Endschalldämpfer sowie die 19-Zoll-Leichtmetallfelgen Kristallsilber. Dazu kam noch eine Dachbox mit 380 Liter Fassungsvermögen. Ferner gehörten das Beleuchtungskit Blau und der Teppichmattensatz Premium zur Ausstattung. Auch ein Reifenpannenset war enthalten.

Egon Olsen hatte es irgendwie geschafft 1,5 Millionen dänische Kronen aufzutreiben. Wie er das geschafft hatte, wollte er nicht verraten. Später am Tag trafen wir uns dann mit Magnus Olson. Dieser hatte zwei Reisetrollis der Firma RIMOWA dabei. Es handelte sich um das Modell Essential Lite Check In M. Einer der beiden Koffer war rot, der andere blau. Wir packten die Banknoten in die Koffer. 750.000 dänische Kronen pro Koffer. Wir waren gerade fertig, als das Smartphone des Bankiers klingelte. „Magnus Olson.“, meldete er sich. 113

„Es sind die Entführer.“, sagte er leise. „Legen Sie ihn wieder auf Lautsprecher.“ Unser Klient nickte. „Ich muss Sie auf Lautsprecher legen, damit ich mir die Bedingungen für die Übergabe notieren kann.“ Schließlich konnten wir alle die Stimme des Sprechers der Entführer hören. „Sie haben das Geld morgen Mittag am Rathausplatz auf einer Bank zu deponieren. Warten Sie dort. Und keine faulen Tricks.“ „Ich doch nicht.“ „Bei einem Mann ihres Kalibers weiß man nie so genau. Wenn Sie brav sind, dann lassen wir Sie ein paar Takte mit ihrer Tochter reden.“ „Darf ich sie wenigstens sehen, oder ist nur telefonischer Kontakt erlaubt?“ „Das hängt von Ihnen ab. Ich sage es noch einmal: Keine Dummheiten. Sonst stirbt ihre Tochter vor Ihren Augen.“

Am nächsten Tag waren wir um 12 Uhr am Platz vor dem Rathaus. Egon, Benny und Kjeld waren über ein Headset mit uns verbunden. Magnus Olson hatte die beiden Koffer auf einer Bank abgestellt und stand nun daneben. Keine fünf Minuten später hielt ein schwarzer Volvo V70 auf dem Platz. Der Mann, der ausstieg war 1,83 m groß und kräftig gebaut. Seine Augen hatte er hinter einer Sonnenbrille mit schwarzen Gläsern in einem goldenen Gestell verborgen. Seine Haare hatte er unter einem schwarzen Krempenhut verborgen. Sein rundes Gesicht mit der durchschnittlichen Nase und den kurzen, aber wulstigen Lippen verriet auch sonst keinerlei Gefühlsregung. Bekleidet war er mit einer schwarzen Hose, einem schwarzen Hemd und einem schwarzen Mantel, sowie schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. „Ist da das Geld drin?“, fragte er. „Was denken Sie denn?“ „Ich sagte es doch schon: Einem Mann wie Ihnen kann man alles zutrauen.“

Also war dieser Hudson Hawk-Verschnitt der Anrufer. Die Tür auf der Beifahrerseite des Volvo öffnete sich. Ein Mann stieg aus. Er war 1,84 m groß und nicht ganz so kräftig gebaut, wie „Hudson Hawk“, wie ich den ersten Mann heimlich getauft hatte. Der zweite Mann besaß ein ovales Gesicht mit braunen Augen und dunkelbraunen Haaren. Seine schmalen Lippen wurden durch einen schwarzen Schnurrbart etwas stärker hervorgehoben. Auch die etwas breite Nase passte perfekt zu diesem Gesicht, mit dem leicht gebräunten Teint. Bekleidet war der Mann mit einem weißen Anzug, einem lila Hemd, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. „So sieht man sich wieder, Magnus alter Freund.“ „So enge Freunde sind wir auch wieder nicht, Erik.“ „Na schön, ganz wie du willst. Hast du das Geld mitgebracht?“ „Es steht da auf der Bank, wie von deinem Handlanger verlangt. 750.000 dänische Kronen pro Koffer.“ „Sehr gut. Und weil du dich an unsere Bedingungen gehalten hast, darfst du zur Belohnung 15 Minuten mit deiner Tochter alleine sein.“ Magnus Olsons Miene hellte sich auf. „Aber immer in Sichtweite eines meiner Bodyguards.“, sagte Erik. Schlagartig verdüsterte sich die Miene unseres Klienten.

Nachdem Magnus Olson von seiner Tochter Brit hatte Abschied nehmen müssen, verfrachtete Hudson Hawk die beiden Koffer in den Kofferraum des Volvo. Er stieg ein und schloss die Tür. Erik wartete noch. „Kommst du bald Boss? Wenn wir hier noch länger rumstehen, haben wir bald die Bullen an der Backe kleben.“ „Die Geschäfte rufen, Magnus. Laut und deutlich. Die nächste Übergabe findet in drei Tagen statt. Wann und wo sagen wir dir noch. Aber dieses Mal wollen 114

15 Millionen dänische Kronen. Wenn du wieder schön brav mitspielst, gewähre ich deiner Tochter einen Tag Freigang.“, sagte Erik und stieg in den Volvo.

„Wer war denn dieser Schnurrbartlümmel?“, fragte ich. „Das war Erik Albinus. Er war mal mein Geschäftspartner, bevor ich zur Jyske Bank kam. Ich hab mich dann aus dem gemeinsamen Geschäft zurückgezogen, als ich herausgefunden hatte, dass Erik unser Geschäft dazu benutzt, um illegales Geld zu waschen. Sie wissen ich meine.“ „Wir sind ja nicht aus Dummsdorf.“, sagte Jelena. „Was passierte dann?“ „Nach meinem Rückzug konnte sich Erik noch zwei weitere Jahre halten, ehe er das Geschäft aufgeben musste. Als er einen neuen Anlauf starten wollte, wurde er bei mir vorstellig und bat mich um einen Kredit.“ „Den Sie ihm verweigert haben.“ „Richtig. Ich habe gesagt, dass ich mit Kriminellen keine Geschäfte mache. Ich bin ein Ehrenmann und möchte nicht, dass der gute Ruf meiner Familie darunter leidet, dass ich Gaunern Kredite gewähre.“ „Ich hätte es nicht anders gemacht, wäre ich an ihrer Stelle gewesen.“, sagte ich. „Wann ist Mr. Albinus wegen dem Kredit bei Ihnen vorstellig geworden?“ „Vor drei Monaten.“

„Für mich stellt sich die Situation jetzt folgendermaßen dar. Erik Albinus braucht Geld um ein neues Geschäft zu eröffnen. Als er erfahren hat, dass Sie jetzt bei einer Bank arbeiten, ist er zu Ihnen gekommen, in der Hoffnung, dass Sie ihm einen Kredit gewähren würden.“ „Dieses Ansinnen haben Sie aber abgelehnt. Und jetzt versucht Ihr alter Kumpel, sich sein Startkapital von Ihnen zu holen, indem er Ihre Tochter entführt und ein Lösegeld erpresst.“, ergänzte Jelena. „Absolut richtig. Ich bin mittlerweile auch nicht mehr so von meiner harten Linie überzeugt. Meine Frau fleht mich tagtäglich an, doch lieber zu bezahlen, anstatt zwei Privatermittler anzuheuern, die Brit befreien sollen.“ „Sagen Sie Ihrer Frau, dass wir etwas von unserem Handwerk verstehen.“

Die nächsten Tage passierte wenig. Der Anruf der Entführer blieb aus. Hatte Erik Albinus etwa mit unserem Klienten gespielt? Der Verdacht drängte sich nahezu auf. Das Einzige was passiert war, war, dass der Kurier der Entführer mehrere große Trollis angeliefert hatte. Egon Olsen hatte auch diese Summe auftreiben können. Erneut hatte er verschwiegen, woher er das Geld hatte. Schließlich kam der lang ersehnte Anruf. Die Entführer verlangten, dass Magnus Olson das Lösegeld am darauffolgenden Tag um 13:30 Uhr auf einer Bank am Dom von Roskilde deponierte. Er selbst sollte wieder dort warten.

Am Tag X waren wir wieder am Übergabeplatz. Jelena und ich saßen in einem Cafe´ , während Egon, Benny und Kjeld im Subaru warteten. Um 13:30 Uhr erschien wieder der schwarze Volvo. Es war ein SUV vom Typ XC90. Nach der Übergabe des Lösegeldes fuhr der Volvo wieder weg. Brit Olson war in Roskilde geblieben, so wie es Erik Albinus versprochen hatte. Die Olsenbande jedoch hängten sich an den schwarzen Volvo und folgten ihm über die Landstraße 14 und dann weiter über die E20 und die E45 bis nach Aarhus.

Später am Abend kehrten die drei Ex-Gauner wieder zurück und 115

erstatteten uns Bericht. Egon Olsen zeigte uns den Weg auf der Straßenkarte. „Ich denke, dass die Entführer bald die Restmenge des Lösegeldes einfordern werden.“, sagte er. „Gibt es in Aarhus Industrieanlagen?“, fragte Jelena. „Ja. Aber die meisten sind alle noch in Betrieb. Aber es gibt eine ehemalige Textilfabrik, die seit einigen Jahren leersteht. Wenn die Entführer Brit Olson morgen abholen hängen wir uns wieder an sie ran. Erwarten Sie meinen Anruf.“

Am nächsten Tag wurde Brit Olson von den Entführern wieder abgeholt. Erik Albinus trat vor unseren Klienten. „Ich hoffe, du hast den Tag mit deiner Tochter genossen. Aber jetzt hör mir genau zu. Die Übergabe des restlichen Lösegeldes wird in Aarhus stattfinden. Hier in Roskilde sind wir schon zur Fahndung ausgeschrieben. Ich gebe dir eine Woche Zeit, um die Kohle zu beschaffen. Und wehe du versuchst irgendwelche krummen Dinger, dann ist Brit tot.“, sagte er. „Wir werden sehen, wer zuletzt lacht, Erik. Ich habe noch zwei Trümpfe im Ärmel, von denen du keine Ahnung hast. Und zu gegebener Zeit, werde ich meine Karten offen auf den Tisch legen.“ „Arroganz steht dir nicht, Magnus.“ „Und dir steht Größenwahn nicht.“

Später am Abend kehrte die Olsen-Bande zurück. Sie zeigten uns auf einem Stadtplan von Aarhus den exakten Standort des Verstecks, der Entführer. Wie es Egon Olsen vermutet hatte, hatten sich die Entführer in dem leer stehenden Fabrikkomplex verschanzt. Doch es galt jetzt so viele Blüten wie möglich aufzutreiben, um die restliche Summe von 834.850.000 dänischen Kronen aufzufüllen. Doch wir hatten Glück. In einem Zeitungsbericht einer lokalen Zeitung wurde von der Zerschlagung einer Geldfälscher-Bande berichtet. Man hatte Blüten im Wert von einer Milliarde dänischer Kronen sichergestellt.

Ich sprach mit dem Polizeichef von Roskilde und erläuterte ihm meinen und Jelenas Plan. Er hörte mir bis zum Ende zu ehe er sagte: „Normalerweise ist das gegen die Vorschriften, aber in diesem Fall haben Sie grünes Licht.“ Wie immer hatte der Kurier Reisekoffer für das Lösegeld zu den Olsons nach Hause geliefert. Doch zu unser beider Entsetzen, bestand Frau Olson darauf, dass unser Klient uns den Fall entzog. Sie drohte sogar mit Scheidung, sollte er sich nicht beugen. „Lieber riskiere ich unsere Ehe, als unseren guten Ruf aufs Spiel zu setzen. Paul MacLain und Jelena Romanova genießen mein vollstes Vertrauen und dabei bleibt es!“ „Aber meines nicht. Wie kannst du es wagen, das Leben unserer Tochter so rücksichtslos aufs Spiel zu setzen?“ „Wer sagt uns, dass die Entführer Brit nicht doch die Lampen ausschießen, selbst wenn wir bezahlen? Erik weiß, dass wir das Geld nicht haben. Er wird Brit töten, selbst wenn wir finanziell zugrunde gerichtet sind. Ich werde die letzte Tranche in Blüten bezahlen.“ „HAST DU DEN VERSTAND VERLOREN? Ich verbiete dir, das zu tun.“ „Du verbietest mir gar nichts. Es wird so gemacht, wie ich es entschieden habe. BASTA!“

Unterdessen hatten wir die Trollis mit den Blüten gefüllt und in einen gepanzerten Transporter verladen. Dann waren wir nach Aarhus gefahren und hatten in der Nähe des Verstecks Position bezogen. Der Transporter war uns gefolgt und stand nun vor dem Tor, das auf das Fabrikgelände führte. 116

Magnus Olson wartete mit uns. Seine Frau war zu Hause geblieben. „Wage es ja nicht, ohne unsere Tochter zurückzukommen, du störrischer Esel!“, hatte sie ihm hinterher gebrüllt, als wir ihn abgeholt hatten. Seine einzige Reaktion bestand darin, ihr den Stinkefinger zu zeigen.

Nun warteten wir gebannt, ob sich was tat. Schließlich öffnete sich das Tor und das Smartphone unseres Klienten klingelte. „Magnus Olson.“ Jelena und ich standen neben unserem Wagen und hörten zu. „Lassen Sie den Transporter auf den Hof fahren. Er soll auf dem großen Vorplatz abgestellt werden. Laden Sie die Koffer aus und dann gehen Sie auf Abstand.“ Wir halfen schnell beim Ausladen und gingen dann zurück zu unserem Wagen. Jelena und ich holten unsere Waffen aus dem Handschuhfach. Wir schoben jeder ein Magazin ein und entsicherten unsere Bleispritzen. Der schwarze Volvo rollte an. Ich schraubte einen Schalldämpfer auf meine Waffe und zielte auf den Motorblock des SUVs. Der Motor lief noch, denn offenbar planten die Entführer sich schnell aus dem Staub zu machen. Das konnte ich nicht dulden, also drückte ich ab. Der Motorblock explodierte mit einem lauten Knall, als das Geschoss einschlug. Diesen Umstand machte sich Jelena zu nutze, und schoss auf einen der Reifen, des Geldtransporters.

Erik Albinus erschien auf der Bildfläche. Er öffnete einen der Koffer und prüfte den Inhalt auf seine Echtheit. Und wie Jelena es prophezeit hatte, bemerkte er schnell, dass die Banknoten nicht echt waren. „MAGNUS OLSON, DU VERDAMMTER KOJOTE! Du hast uns reingelegt! Bringt das Mädchen hierher, und dann tötet sie!“

Zwei maskierte Männer brachten Brit Olson und zwangen sie sich auf den Boden zu knien. Einer entsicherte seine Waffe und wollte gerade abdrücken, als Jelena einen Schuss abgab, der ihn genau zwischen den Augen traf. Der zweite wollte Brit Olson gerade ins Jenseits befördern, als ich ihm eine Kugel verpasste, die in seinem Oberschenkel einschlug. Erik Albinus holte nun selbst eine Waffe hervor und richtete sie auf seine Geisel. „ICH BRING DEINE TOCHTER UM, MAGNUS! HÖRST DU? ICH BRING SIE UM!“ Ich feuerte einen Schuss ab, der den Chef der Entführer an der Schulter traf, deren Arm die Hand mit der Waffe führte. Ich trat hinter unserem Honda hervor und trat vor Erik Albinus. „Sie bringen garantiert niemanden um, Mr. Albinus. Außerdem, war es nicht Mr. Olsons Idee, die letzte Tranche in Blüten zu bezahlen, sondern meine und die von meiner Partnerin Jelena Romanova.“ „Wer sind Sie eigentlich, dass Sie sich das Recht raus nehmen, meine Pläne zu durchkreuzen?“ „Paul MacLain.“, antwortete ich. „Der Tommy-Schnüffler.“ „Hör mal zu, du Meisenarsch, das Spiel ist aus. Du wanderst in den Knast. Und da gehörst du auch hin.“

Wir brachten Brit Olson nach Hause. Doch ihre Mutter war alles andere als begeistert uns zu sehen. Sie packte ihre Tochter rüde am Arm und wollte sie ins Haus zerren, als das Mädchen ausholte und seiner Mutter eine laut schallende Backpfeife verpasste. „Lass mich in Ruhe, du durchtriebene Dreckskuh! Denkst du wirklich, ich hätte nicht gewusst, dass du hinter der Entführung steckst? Du willst mich nur loswerden, weil ich nicht deine leibhaftige Tochter bin. Geh mit deinem 117

Loverboy Erik Albinus in den Knast und verrotte dort.“ Magnus Olson verstand die Welt nicht mehr. „Warum hast du das getan, Britta?“, fragte er fassungslos. „Weil ich dein Geld mehr liebe, als dich. Ich hätte mir mit Erik eine neue Existenz aufbauen können, während du auf der Straße dein Dasein gefristet hättest. Aber du musstest ja unbedingt dazwischen grätschen und diese beiden Privatschnüffler anheuern. Ich hoffe nur, du kannst die Jahre, die du Ruhe vor mir hast, noch genießen. Denn wenn ich wieder auf freiem Fuß bin, werde ich mich an dir rächen.“

Ich zog meine Walther und richtete sie auf Britta Olson. „Ich kann Ihnen auch gleich das Licht ausknipsen. Aber das wäre zu human. Das Schicksal, das ihre Tochter Ihnen gewünscht hat ist genau das richtige für eine Frau wie Sie.“ „Stieftochter, wohl gemerkt. Und was glaubst du, wer für den Tod von Eliska verantwortlich war?“ „Doch nicht etwa du?“ „Na wer denn sonst? Hast du allen ernstes geglaubt, dass ich zulasse, wie du mit diesem tschechischen Flittchen glücklich wirst? Sie war nicht gut genug für dich. Und sie stand meinem Plan, auf deine Kosten reich zu werden im Weg. Also musste sie sterben. Alles wäre so schön gewesen, wenn du nicht deinen Sturkopf durchgesetzt hättest.“

In der Woche nach unserer Rückkehr nach Frankfurt am Main machte man Britta Olson und Erik Albinus den Prozess. Erik sagte aus, dass Britta ihm nach dem Bankrott seines Geschäftes das gesamte Vermögen ihres Mannes versprochen hätte, wenn nicht nur seine Tochter, sondern auch Magnus Olson selbst aus dem Weg geräumt würden. Unser Klient sollte entmündigt und in eine geschlossene Irrenanstalt eingeliefert werden. Danach wollte Britta Olson das Testament fälschen und sich selbst als Universalerbin einsetzen. Pernille Eklund hatte Britta dazu benutzt, um den Erpresserbrief zu schreiben. Danach hatte sie die Schwedin eiskalt ermorden lassen. Britta Olson wurde wegen Urkundenfälschung, vorsätzlichen Mordes und Anstiftung zu einer Straftat zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Richter ordnete noch zusätzlich an, dass eine vorzeitige Haftentlassung wegen guter Führung zu keinem Zeitpunkt gewährt werden durfte. Auch eine Revision ließ er nicht zu.

Erik Albinus wurde wegen Geldwäsche, Entführung und Erpressung, sowie versuchten Mordes ebenfalls zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Auch bei ihm wurde die Revision verweigert und entschieden, dass er zu keinem Zeitpunkt wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen werden durfte.

Wir saßen gerade beim Abendessen in Samanthas Wohnung, als es an der Wohnungstür klingelte. Samantha stand auf und öffnete. Vor ihr stand Brit Olson. „Guten Abend. Ich suche Paul MacLain. Kennen Sie ihn zufällig?“, fragte sie schüchtern. „Er ist mein Bruder. Kommen Sie rein.“ Zögernd folgte Brit meiner Schwester in die Wohnung. Das war nicht die selbe junge Frau, die noch vor einer Woche so selbstbewusst, ihre böse Stiefmutter als Drahtzieherin in diesem Entführungsfall bloß gestellt hatte. „Guten Abend Mr. MacLain. Mein Vater hat mich zu Ihnen geschickt, weil er möchte, dass Sie mich unter Ihre Fittiche nehmen.“ Jelena und ich sahen und überrascht an. 118

„Ihm ist aber schon klar, dass wir beide einen Beruf ausüben, der nicht ganz ungefährlich ist.“, sagte Jelena. „Darum geht es ihm nicht. Sehen Sie, ich habe eine abgeschlossene Ausbildung als Sekretärin. Mein Vater bittet Sie, mir eine Stelle zu geben, damit ich Berufserfahrung sammeln kann.“ „Was meinst du, Jelena?“, fragte ich. „Warum nicht? Dann bekämen wir beide etwas Entlastung und müssten uns nicht mehr um den Papierkram kümmern. Das könnte Brit für uns erledigen.“ „Einverstanden. Komm morgen früh um 10:25 Uhr ins Büro dann besprechen wir alles weitere.“ „Ich danke Ihnen. Sie werden es nicht bereuen.“

Am nächsten Morgen kam Brit Olson pünktlich um 10:25 Uhr in unser Büro. „Guten Morgen, Mr. MacLain. Miss Romanova.“ „Guten Morgen Brit, setz dich.“ „Danke.“ Die Bankierstochter setzte sich auf den Stuhl, auf dem normalerweise unsere Klienten Platz nahmen. „Wir haben uns folgendes überlegt und dann schriftlich festgehalten. Der Arbeitsvertrag, der vor dir liegt, sieht zunächst eine 30-Stunden-Woche vor. Das heißt du hättest eine Arbeitszeit von 6 Stunden am Tag und das von Montag bis Freitag. Nach drei Monaten wird deine Arbeitszeit von 6 auf 8 Stunden pro Tag erhöht. Du bekommst von uns für die ersten drei Monate ein Bruttogehalt von 2.600 Euro. Danach erhöht es sich auf 3.000 Euro Brutto pro Monat. Bist du damit einverstanden?“, sagte Jelena. „Voll und ganz, Miss Romanova.“ „Also, nur damit wir uns klar verstehen, Brit. Wenn wir drei unter uns sind, dann darfst du uns mit Paul bzw. Jelena anreden. Und du darfst uns auch duzen. Aber wenn Klienten zu Besuch sind, dann bitte einen distanzierten und förmlichen Umgangston. Meinst du, du kriegst das hin?“ „Ich werd mir Mühe geben Jelena.“, sagte Brit und setzte ihre Unterschrift unter den Vertrag. 119

10. Fall - Der gefälschte Hammarskjöld

10. Fall – Der gefälschte Hammarskjöld

Unser letzter gemeinsamer Fall, den Jelena und ich im Jahr 2018 zu bearbeiten hatten führte uns nach Kristianstad in Schweden. Es war Anfang Dezember und Weihnachten kam in Riesenschritten näher. Jelena wollte über die Feiertage zu ihrer Familie nach Smolensk, während ich mich auf ein paar ruhige Tage mit Kelly Ling freute. Doch noch war es nicht soweit. Noch waren wir mit Arbeit beschäftigt. Anscheinend hatten unsere Erfolge in der jüngeren Vergangenheit den bösen Buben einen ordentlichen Schock versetzt, denn es kamen keine Klienten. Brit Olson war gefrustet, gab sich aber Mühe, dies zu verbergen.

An einem kalten Dezembermorgen kamen Jelena und ich ins Büro. „Guten Morgen Brit.“, sagte Jelena. „Guten Morgen.“ „Du klingst ja so mürrisch. Stimmt was nicht?“ „Hab auch allen Grund dazu. Im vergangenen Monat hab ich nur hier gesehen und Däumchen gedreht.“ In dem Moment kam der Postbote, durchnässt bis auf die Knochen. „Ah, Schwarze Wolke. Du hast wieder nicht genehmigte Regentänze gemacht.“, sagte er scherzhaft zu Brit. „Boah! Super Gag, ich lach mich kaputt.“ Der Bote nahm die Post die für uns bestimmt war und gab sie Brit Olson. Fachmännisch sortierte sie die Post und warf die Werbung gleich in den Müll. Als unsere neue Sekretärin eine Luftpolstertasche in der Hand hielt, wurde sie stutzig. „Was ist denn das?“, fragte sie. „Sieht aus, wie ein Luftpolsterumschlag. Aber so einen nimmt man nur, wenn CD´s oder DVD´s verschickt werden.“ Brit sah sich den Absender etwas genauer an. „Du Jelena, da steht „Sveriges Riksbank“.“ „Das ist die schwedische Notenbank!“, entfuhr es mir.

Nachdem der Postbote gegangen war, öffnete Brit den Umschlag. Ein Brief und zwei Geldbündel fielen heraus. Während ich den Brief las, sah sich Brit jeweils eine Banknote aus den beiden Geldbündeln an. Da ihr Vater bei einer Bank tätig war, erkannte sie sofort, bei welchem Schein es sich um das Original, und bei welchem um die Blüte handelte. „Es sieht so aus, als ob Ihr es dieses Mal mit einem Geldfälscherring zu tun bekommt.“, sagte Brit. „Immer vorausgesetzt, dass wir den Auftrag annehmen.“ „Was ist mit dem Brief Paul?“, wollte Jelena wissen. „Aus dem werde ich nicht schlau. Da steht nur „Welcher Schein ist die Blüte?“ Ich finde das gar nicht komisch.“ „Ich weiß, welcher Schein der gefälschte ist.“ „Und welcher?“ Brit Olson legte beide Banknoten auf den Schreibtisch und deutete mit ihrem linken Zeigefinger auf den linken Geldschein. „Der hier. Es gibt einige markante Punkte, die sofort auffallen. Ich halte den Schein mal gegen das Licht. Und den anderen zum Vergleich daneben. Fällt euch irgend etwas an dem linken Schein auf?“ „Mir ehrlich gesagt nicht.“, sagte ich. „Ich seh auch nichts.“ „Jeder Geldschein muss ein Wasserzeichen tragen. Der rechte hat es.“, sagte Brit und deutete auf eine Stelle an dem Schein. „So und jetzt noch mal den linken Schein. Seht Ihr es jetzt? Das Wasserzeichen, dass ich euch gerade gezeigt habe, fehlt hier. Auch ist die Druckerfarbe von minderer Qualität.“ „Ich glaube, du hast den falschen Job, Brit.“ „Ich lach später, Paul. Aber mir ist noch eine dritte Besonderheit aufgefallen. Der Magnesiumstreifen, an der Blüte ist dermaßen schlecht gemacht, 120

dass das sogar einem Noob auffällt.“ „Was bitte schön ist denn ein Noob?“ „Ein blutiger Anfänger, der von Tüten und blasen keine Ahnung hat.“ „Ihr mit eurem jugendlichen Slang.“ „Na von mir aus. Aber wenn meine Vermutung stimmt, dann sind das keine professionellen Geldfälscher. Nur schwachköpfige Naivlinge gehen so dilettantisch vor.“, sagte Brit und sah mich aus ihren mandelförmigen Augen an. „Ich sag doch, du hast den falschen Job. Du würdest eine gute Privatermittlerin abgeben.“, sagte ich. „Vergiss es Paul. Ich mag es nicht, wenn die Luft bleihaltig wird, vor allem, weils unfotogen macht. Ich mach lieber Büroarbeit, da hab ich weniger Stress und muss keine Angst haben, dass mir einer ne Kugel verpasst.“

Das Telefon klingelte. Brit Olson nahm den Anruf entgegen. „Detektivbüro MacLain - Romanova, Sie sprechen mit Brit Olson.“, sagte sie. Dann hielt sie eine Hand vor das obere Ende des Hörers. „Ich habe die CEO der schwedischen Reichsbank in der Leitung. Ihr Name ist Magdalena Eckemyr.“ „Leg sie auf den Lautsprecher.“, sagte ich. Brit schaltete den Lautsprecher des Telefons ein. „Miss Eckemyr, Sie sprechen jetzt mit Paul MacLain. Was können meine Partnerin und ich für Sie tun?“ „Ich bin gerade in Frankfurt gelandet und könnte in 15 Minuten bei Ihnen sein. Ich habe einige Dokumente dabei, die Sie sich ansehen sollten.“ „In Ordnung. Wir erwarten Sie in 15 Minuten.“

Um 11:00 Uhr klingelte es bei uns an der Tür. Brit Olson öffnete und ließ Magdalena Eckemyr ein. „Widerliches Wetter.“, sagte die Schwedin. „Man könnte glatt meinen, Petrus hat einen Wasserrohrbruch, aber kein Geld um den Klempner zu bezahlen.“ „Wirklich zu komisch.“ „Brauchen Sie mich noch, Mr. MacLain oder kann ich mich schon auf den Weg zur Post machen?“ „Sie können schon gehen, Miss Olson. Und nehmen Sie vorsichtshalber den Schlüssel von unserem Postfach mit. Sollte sich etwas darin befinden, bringen Sie die Post bitte mit.“ „Wird gemacht.“

Als wir mit der CEO der Sveriges Riksbank alleine waren zog diese erst mal ihren Mantel aus. Darunter kam eine 1,66 m große Frau im Alter von 24 Jahren mit einem schlanken, sexy Körper und prallen Brüsten zum Vorschein. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen wurde von langen schwarzen Haaren eingerahmt, die bis zur Oberkante der Brüste reichten. Die schmale Nase und die sinnlichen Lippen rundeten den ersten Eindruck ab. Bekleidet war unsere Besucherin mit einem sonnengelben Minikleid, schwarzen, halterlosen Nylonstrümpfen und schwarzen High Heels.

„Nun Miss Eckemyr, Sie baten uns um unsere Unterstützung. Wie können wir Ihnen helfen und bei was?“ „Sie haben doch sicherlich den Luftpolsterumschlag mit den beiden Geldbündeln erhalten.“ „Das haben wir in der Tat. Aber weder ich noch mein Partner Mr. MacLain kennen uns mit so was aus.“ „Bevor ich näher darauf eingehe und ihnen erläutere, worauf man zu achten hat, würde ich ihnen gerne eine Frage stellen.“ „Bitte.“ „Wer war eigentlich die junge Dame, die gerade zur Tür raus ist?“ „Das war unsere Sekretärin Brit Olson.“ „Ist sie nicht die Tochter von Magnus Olson?“ „Doch. Und sie hat sofort erkannt, welcher Schein die Blüte ist und uns einige Merkmale gezeigt.“ „Kein Wunder. Ihr Papa ist Banker.“ 121

„Sie haben einige Dokumente mitgebracht, die Sie uns zeigen wollten, wenn ich mich recht erinnere.“, sagte ich. „Das stimmt. Hier sind sie.“ Magdalena Eckemyr übergab uns einige Schnellhefter. „Was haben diese Zahlen zu bedeuten?“, wollte Jelena wissen. „Sie dokumentieren die Anzahl der Blüten, die seit der Einführung des neuen 1.000-Kronen-Scheins in Umlauf gebracht wurden. Unsere Bank geht davon aus, dass seit Beginn der Fälschungsoffensive ein Gesamtschaden von mehr als 5 Millionen schwedischen Kronen entstanden ist. Und es könnte noch mehr werden, wenn die Fälscher nicht gefunden und aus dem Verkehr gezogen werden.“ „Gibt es einen Anhaltspunkt, wo sich die Bande befindet?“ „Vieles deutet auf Kristianstad hin. Denn zum einen haben wir dort eine Notendruckerei und zum anderen, stammen die meisten der in Umlauf gebrachten Blüten von dort.“

„Das hat noch nicht viel zu bedeuten. Vor allem müssen die Geldfälscher ja das Design des neuen Scheins kennen.“ „Sie vermuten einen Insider?“, fragte Magdalena Eckemyr. „Das Design findet man zwar heutzutage im Internet. Aber damals dürfte das noch ein streng gehütetes Geheimnis gewesen sein.“ „Das war leider vor meiner Zeit.“ „Nun gut. Jetzt da wir wissen, wie der Hase läuft, wären wir bereit, den Fall zu übernehmen. Wenn wir uns über die Höhe des Honorars einig werden.“, sagte ich. „Die Sveriges Riksbank wäre bereit, Ihnen 630.000 Euro zu zahlen und auch die Kosten für Unterkunft, Anreise und Mietwagen zu übernehmen.“ „Einverstanden.“

Noch am selben Tag buchten wir in einem Reisebüro eine 14tägige Reise nach Kristianstad. Unser Hotel war das First Hotel Christian IV. Dabei handelte es sich um ein Jugendstilgebäude mit großzügigen Fensterflächen und einem Dach, das dem eines alten Schlosses nachempfunden war. Magdalena Eckemyr bekam die Rechnung und leistete eine Anzahlung in Höhe von 550 Euro. Zurück im Büro erwartete uns Brit Olson. „Du kannst Feierabend machen. Wir fahren nach Hause und packen unsere Koffer.“ „Heißt das, Ihr übernehmt den Fall in Schweden?“ „Ja, Brit, das tun wir. Wäre doch gelacht, wenn wir den Fall nicht auch noch gelöst bekämen.“ „Waid Manns heil.“ „Waid Manns Dank.“

Zwei Tage später brachte uns Brit Olson zum Flughafen. Meine Schwester Samantha hatte einen Fall vor Gericht zu verhandeln, also war Brit eingesprungen. Sie kümmerte sich auch um Camille, wenn Sam später nach Hause kam. Wir gaben unsere Koffer auf und gingen dann zur Sicherheitsschleuse, wo sich Brit von uns verabschiedete. „Also, Brit. Wenn Klienten kommen, oder anrufen, dann sag ihnen, dass wir gerade an einem Fall arbeiten. Und sag ihnen, dass wir uns melden, wenn wir wieder zurück sind.“, sagte Jelena. „Mach ich Jelena. Ansonsten Post sortieren und die Post aus dem Postfach holen?“ „Genau das. Und in solchen Fällen kannst du auch schon um 12:00 Uhr Feierabend machen, sollten keine Klienten kommen.“ „Ich bleibe lieber die vollen 6 Stunden. Besser ist das.“

Wir passierten die Sicherheitsschleuse ohne nennenswerte Probleme. Wir gingen zum Gate und warteten dort. Um 10:45 Uhr wurde unser Flug dann aufgerufen. „Alle Passagiere des Fluges SK 747 nach Stockholm werden gebeten sich an 122

Bord der Maschine zu begeben.“, kam die Durchsage aus dem Lautsprecher. Wir gingen an Bord des Flugzeugs und zeigten unsere Boardingpässe. Um 11:40 Uhr startete unser Flieger zu seinem Flug nach Stockholm, wo wir nach einer Flugzeit von zwei Stunden auf dem Flughafen Stockholm-Arlanda landeten. Von dort aus sollten wir mit einem Regionalflug nach Landskrona weiterfliegen. Nach einer Flugzeit von 1 h 5 min landeten wir um 16:35 Uhr auf dem Flughafen von Landskrona.

Nachdem wir unser Gepäck geholt hatten, gingen wir zu einer Autovermietung. Bei Budget mieteten wir einen Volvo S90. Bei unserem Wagen handelte es sich um ein Exemplar des Modells Inscription. Unser Mietwagen hatte den T8 Twin-Engine Motor mit 390 PS, wobei 303 auf den Verbrennungsmotor und 87 auf den Hybridmotor entfielen und das 8-Gang-Geartronic Automatikgetriebe. Lackiert war unser Volvo in Magic Blue Metallic. Eines der Extras dieses Fahrzeugs waren die 20-Zoll-Leichtmetallräder im 10-Speichen-Design in Diamantschnitt-Optik. Die Sitze waren mit Leder in Amber Braun bezogen, während Dachhimmel, Seitenverkleidung und die Teppiche in Anthrazit ausgeführt waren. Ein weiteres Extra waren die abgedunkelten Seitenfenster und das abgedunkelte Heckfenster. Die Zierelemente im Inneren waren mit einer Echtholzeinlage versehen, die Volvo als Dark Flame Birch auswies. Budget hatte für diesen S90 noch das Xenium-Paket als Ausstattungsvariante bei Schwedens einzig verbliebenem PKW-Hersteller geordert.

Von Landskrona aus fuhren wir eine Stunde und 38 Minuten über die E22 101 Km nach Kristianstad. Um 18:25 Uhr kamen wir an unserem Hotel an. Als wir mit unseren Koffern die Lobby betraten, sah der Concierge von seinem Monitor auf. „Guten Abend. Ich nehme an, Sie sind Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Das ist richtig. Wir haben reserviert.“ „Ich sehe es gerade. Zimmer 508. Bitte sehr, Ihr Schlüssel. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.“ „Vielen Dank.“ Nachdem wir unsere Koffer ausgepackt und unsere Kleidung in den Schränken verstaut hatten, gingen wir unter die Dusche und machten uns frisch. Um 19:00 Uhr gingen Jelena und ich ins Restaurant essen.

Nach dem Abendessen saßen meine Partnerin und ich in der Cocktailbar unseres Hotels und tranken eine Kleinigkeit. Diesen Aufenthalt nutzten wir, um unser Vorgehen zu besprechen. „Wo sollen wir anfangen?“, fragte Jelena. „Wir sollten uns in der Notenbankdruckerei umhören.“ „Da rein kommen Sie aber nur in Begleitung einer autorisierten Person.“, sagte eine uns wohl bekannte Frauenstimme. Magdalena Eckemyr stand an unserem Tisch. „Was machen Sie hier?“, fragte ich. „Ich wohne hier.“ „Setzen Sie sich erst Mal. Es kann ja nicht angehen, dass Sie die ganze Zeit stehen.“ Nachdem sich die CEO der schwedischen Notenbank gesetzt hatte, kam sie gleich zur Sache. „Sie wollen also in unsere Druckerei hier in Kristianstad. Was erhoffen Sie sich davon?“, fragte sie. „Ganz einfach. Eine Spur die man verfolgen kann. Denn ich denke, dass man Die Tinte, die für den Druck der Banknoten benötigt wird, nicht gerade im Baumarkt zu kaufen kriegt.“ „Da haben Sie Recht, Mr. MacLain.“ „Also müssen wir zuerst herausfinden, woher die Geldfälscher die benötigten Utensilien beziehen.“ „Das leuchtet ein. Ich erwarte Sie beide 123

morgen früh um 10:00 Uhr an der Druckerei. Die Adresse habe ich Ihnen aufgeschrieben.“

Am nächsten Morgen trafen wir uns um 10:00 Uhr vor dem Haupteingang der Druckerei mit Magdalena Eckemyr. Diese händigte uns zwei Besucherausweise aus, die wir sichtbar tragen mussten. „Wissen alle Mitarbeiter Bescheid, dass wir kommen?“ „Ich habe alle unterrichtet.“ „Dann sollten wir uns an die Arbeit machen.“ Als wir das Gebäude betraten wurden wir von einem Wachmann erwartet. „Hier entlang bitte.“, sagte er und ging voraus. Unsere erste Station war die Gravurwerkstatt, hier wurden die Druckstöcke für die Banknoten hergestellt. Sofort stellte ich fest, das ein ganzer Satz fehlte. „Dieser Satz wurde entwendet, als die neue 1.000-Kronen Banknote vorgestellt wurde.“, erläuterte uns der Werkstatt-Leiter. „Also haben die neuen Banknoten gleich die Bösen auf den Plan gerufen.“ „Leider. Wir haben einen Mitarbeiter in Verdacht, der bei der Vorbereitung für den Druck hilft. Als solcher hat er überall Zugang.“, sagte der Wachmann. „Wie heißt der Mann?“ „Einar Ericsson.“ „Was meinen Sie, was hätte der Mann für ein Motiv, für eine Bande von Geldfälschern die benötigten Materialien für die Kopie der Scheine zu beschaffen?“ „Das wissen wir nicht. Wir haben zwar einen Verdacht, der gegen ihn spricht, aber es fehlen die Beweise, um diesen Verdacht zu untermauern.“

Nach unserer Besichtigungstour durch die Druckerei und den Gesprächen mit den dortigen Arbeitskräften hatten wir in Erfahrung gebracht, dass neben dem Satz Druckstöcke auch Druckertinte abhanden gekommen war. Allerdings war es nicht die für den eigentlichen Druck verwendete, sondern die für die Muster. Auch einige Stapel Banknotenpapier war verschwunden. Doch es war wieder nur für Musterscheine genutzt worden. Denn wie sich herausgestellt hatte, wurden Papier und Tinte für den Druck der offiziellen Geldscheine unter Verschluss gehalten. Auch die echten Magnesiumstreifen wurden unter Verschluss gehalten. Doch offenbar hinderte es die Geldfälscher nicht daran haufenweise schlechte Blüten in Umlauf zu bringen.

Am nächsten Tag legten wir uns auf die Lauer. Wir wollten versuchen ein Bild von Einar Ericsson zu bekommen. Also fotografierten wir jeden, der das Gebäude betrat. Schließlich fiel uns ein groß gewachsener Mann mit blondem Vollbart und blonden Haaren auf, die er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Den ganzen Tag blieben wir auf unserem Posten und warteten ab. Als Feierabend war, gingen die Mitarbeiter nach Hause. Der Bärtige mit dem Pferdeschwanz ging als letzter. Jelena und ich beschlossen ihm zu folgen. In einem der Vororte von Kristianstad beobachteten wir, wie unser Verdächtiger einen Mann traf. Jelena stieg aus und schlich sich auf Hörweite an die beiden heran. „Also Einar, jetzt hör gut zu. Wir brauchen das hochwertige Papier. Du weißt, welches ich meine. Du hast bis übermorgen Abend Zeit, es zu beschaffen. Wenn nicht, dann darfst du mit ansehen, wie deine Freundin vor deinen Augen bei lebendigem Leib verbrannt wird.“ „Es ist unmöglich. Das offizielle Papier wird unter Verschluss gehalten. Ich habe zu dieser Abteilung keinen Zugang. Das wisst Ihr.“ „Lass dir was einfallen, Einar. Oder du kannst Katja als lebendige Fackel bestaunen. 124

Übermorgen Abend wollen wir das Banknotenpapier haben. Das ist unser letztes Wort.“ „Ich werds versuchen. Aber ich garantiere nichts.“ „Hör mal, Einar. Der Boss ist stinksauer, weil unsere Blüten zu leicht erkannt und aus dem Verkehr gezogen werden. Wir haben viel Geld in dich investiert. Jetzt wollen wir die Resultate.“

Als der andere Mann sich verzogen hatte, wollte ich die Gunst der Stunde nutzen, um mit Einar Ericsson einen Deal auszuhandeln. Dass dies ein schweres Unterfangen sein würde, war mir klar. Dennoch musste ich es versuchen. „Einar Ericsson? Ich würde gerne mit Ihnen reden.“ „Ach ja? Worüber?“ „Meine Partnerin und ich haben mitgehört, wie Ihnen gedroht wurde. Wenn Sie wollen, dann helfen wir Ihnen, indem wir Ihre Freundin aus der Schusslinie nehmen.“ „Wer sind Sie überhaupt?“ „Mein Name ist Paul MacLain. Ich denke, Sie haben schon von mir und meiner Partnerin Jelena Romanova gehört.“ „Wer hat das nicht? Und Sie können mir wirklich helfen?“ „Wenn Sie uns vertrauen, dann ja.“ „Was haben Sie vor?“ „Wir können unseren Plan nicht hier auf offener Straße mit ihnen besprechen. Kommen Sie heute Abend um 20:30 Uhr in die Cocktailbar im First Hotel Christian IV.“ „Einverstanden.“

Als wir an unserem Hotel ankamen, liefen wir Magdalena Eckemyr in die Arme. „Suchen Sie uns?“, fragte ich. „Ja. Haben Sie kurz Zeit?“ „Bis 20:30 Uhr stehen wir Ihnen zur Verfügung. Ab dann wollen wir Einar Ericsson auf den Zahn fühlen.“ „Verstehe. Also hängt er mit drin?“ „Gezwungenermaßen.“ Beim Abendessen leistete uns die CEO der Sveriges Riksbank Gesellschaft. „Sie sagten vor hin, dass Einar Ericsson gezwungenermaßen, mit involviert ist. Was haben Sie damit gemeint?“ „Die Geldfälscher setzen ihn massiv unter Druck. Wir haben vorhin ein Gespräch zwischen Mr. Ericsson und einem Mitglied der Fälscherbande belauscht. Die Bande verlangt von ihm bis übermorgen Abend die Beschaffung des offiziellen Banknotenpapiers. Ansonsten wird Mr. Ericssons Freundin vor dessen Augen bei lebendigem Leib verbrannt.“ „Ach du meine Güte! Und Sie haben sich garantiert nicht verhört?“ „Jeglicher Zweifel ist ausgeschlossen. Wir haben Einar Ericsson unsere Hilfe angeboten und wollen versuchen, seine Freundin, Katja heißt sie übrigens, aus der Schusslinie zu nehmen.“ „Haben Sie schon einen Plan?“ „Wir haben vor, Katja nach Frankfurt am Main zu schicken. Es muss in einer Nacht- und Nebelaktion geschehen.“

Später trafen wir uns wie verabredet mit Einar Ericsson in der Cocktailbar unseres Hotels. Seine Freundin Katja Nilson hatte er mitgebracht. Katja war eine zierliche Blondine mit blauen Augen und einem ovalen Gesicht mit einer hübschen Nase und sinnlichen Lippen. Einar Ericssons Freundin war 1,65 m groß und brachte 45 Kilo auf die Waage. Auch ihre kleinen Brüste verliehen der Freundin des Druckereimitarbeiters das gewisse Etwas. Bekleidet war Katja Nilson mit einem schwarzen Minikleid und schwarzen High Heels. „Einar hat mir alles erzählt. Ich danke Ihnen beiden, dass Sie mir helfen wollen.“,sagte Katja. „Was genau haben Sie vor?“ „Wir werden Ihre Freundin in ein Flugzeug nach Frankfurt am Main setzen. Meine jüngere Schwester Samantha wird sich hoffentlich um Katja kümmern.“ „Und wenn nicht?“ „Dann müssen wir uns was anderes einfallen lassen.“, sagte 125

Jelena. „Wenn Sie mich kurz entschuldigen würden, ich bin gleich zurück.“, sagte ich und verließ die Cocktailbar. Vor dem Eingang aktivierte ich mein Smartphone und rief meine Schwester an.

„Was hast du auf dem Herzen, dass du mich aus dem Schlaf reißt?“ „Jelena und ich brauchen deine Hilfe.“ „Kommt auch mal der Zeitpunkt, an dem Ihr zwei Hübschen auch mal ohne mich auskommt?“ „Sam! Willst du in Kauf nehmen, dass eine junge Frau vor den Augen ihres Liebsten bei lebendigem Leib verbrannt wird?“ „WIE BITTE?? Das war jetzt hoffentlich ein Scherz von dir, Paul.“ „Kein Scherz. Die Geldfälscher setzen mit dieser Drohung einen Mitarbeiter der Notenbankdruckerei unter Druck. Wenn er nicht spurt und tut was sie sagen, stirbt die Kleine. Jelena und ich haben ein Gespräch mit dem Freund des Mädchens und einem Mitglied der Fälscherbande mitgehört. Und ich sage dir: Die Brüder fackeln nicht lange.“ „In Ordnung, Paul. Was soll ich machen?“, fragte mich Samantha genervt. „Kannst du Katja Nilson bei dir unterbringen? Dann hätte auch Brit Olson ein wenig Entlastung, was die Betreuung von Camille angeht.“ „Also schön. Aber dafür schuldest du mir was.“ „Und was?“ „Dass erfährst du früh genug. Schick mir ein Foto von der Dame, damit ich weiß wie sie aussieht.“ „Kein Ding.“

Zurück in der Bar erstattete ich kurz Bericht. „Sie können bei meiner Schwester unterkommen, Miss Nilson. Vorausgesetzt eine frühreife 6jährige macht Ihnen nichts aus.“ „Ich mag Kinder. Denn sonst würde ich nicht als Erzieherin in einem Kindergarten arbeiten.“ „Wir müssen so schnell wie möglich handeln. Wenn Sie wollen, können Sie heute Nacht bei mir im Zimmer schlafen. Das Bett ist groß genug für uns zwei.“ „Vielen Dank.“ „Ich werde versuchen für morgen früh einen Flug nach Frankfurt für Sie zu ergattern.“, sagte ich. „Sie sind so gut zu uns beiden. Wie können wir Ihnen je dafür danken?“ „Danken Sie uns, wenn die Sache vorüber ist.“

Als sich Jelena und Katja auf Jelenas Zimmer verabschiedet hatten, buchte ich schnell über das Internet einen Last-Minute Flug nach Frankfurt, der um 8:15 Uhr in Landskrona starten sollte. Ankunft in Stockholm sollte um 9:20 Uhr sein. Der Anschlussflug nach Frankfurt am Main sollte um 10:30 Uhr starten und um 12:30 Uhr in Frankfurt am Main landen. Ich wandte mich an Einar Ericsson. „Wann haben Sie morgen Dienst?“, fragte ich ihn. „Ich habe morgen frei. Warum fragen Sie?“ „Meine Partnerin und ich werden Sie und Katja nach Landskrona bringen. Ich habe für Sie einen Flug nach Stockholm und wieder zurück gebucht. Katja wird von Stockholm aus nach Frankfurt weiter fliegen. Benachrichtigen Sie Jelena oder mich, per SMS, wenn der Flieger gestartet ist.“ „Mach ich.“

Am nächsten Morgen hatten wir uns schon sehr früh getroffen und gefrühstückt, bevor wir mit Einar Ericsson und Katja Nilson nach Landskrona zum Flughafen gefahren waren. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass die Geldfälscher Einar Ericsson beschatten würden, doch zu meiner Überraschung hielten sie sich zurück. Am Flughafen begleiteten wir Einar und Katja bis zur Sicherheitsschleuse, wo wir uns verabschiedeten. „Passen Sie auf sich auf. Mit den Geldfälschern ist nicht zu spaßen.“, warnte uns Katja.

Wir waren gerade auf dem Weg zurück nach Kristianstad, als uns eine SMS von Katja Nilson erreichte. „Sind in planmäßig um 9:20 Uhr in Stockholm gelandet. Habe noch bis 10:00 Uhr Aufenthalt.“ Wir waren gerade an unserem Hotel vorgefahren, als uns die zweite SMS erreichte. „Katja ist an Bord des Fliegers nach Frankfurt. Die Maschine ist soeben gestartet. Fliege nach Landskrona zurück und werde um 13:30 Uhr wieder in Kristianstad ankommen.“

Wir waren gerade ausgestiegen, als ein schwarzer Lexus LS460 neben uns abbremste. Die Tür auf der Beifahrerseite öffnete sich und ich erkannte den Mann wieder, der ausstieg. Es war derselbe Typ, der auch Einar Ericsson gestern unter Druck gesetzt hatte. Er blieb vor mir stehen und lieferte sich mit mir einen Staredown. Dann schlug er mir mit dem Handrücken ins Gesicht. „WO IST DAS MÄDCHEN??“, brüllte er mich an. „Glaubst du wirklich, ich verrat dir das, du hinterhältiger, krimineller Schleimbeutel? Fakt ist, das Mädchen ist in Sicherheit.“ „Was heißt das?“ „Katja Nilson ist nicht mehr in Schweden.“ „Wo habt Ihr beide sie hingebracht? Los machs Maul auf!“ Statt einer Antwort rammte ich dem Kerl meine rechte Faust in die Magengrube. Jelena war hinter unserem Volvo in Deckung gegangen und hatte ihre Makarow aus der Handtasche geholt, geladen und entsichert.

Als aus dem Fonds des Lexus ein zweiter Mann auftauchte und eine Pistole auf mich richtete erschien meine Partnerin hinter unserem Mietwagen und feuerte auf den Angreifer. Die Kugel durchschlug seinen Schädel und er stürzte tot zu Boden. „So, und jetzt? Ist bei dir schon die Luft raus?“ Der Handlanger der Fälscherbande stieg wieder in den Lexus. Bevor er die Tür zuschlug, sah er mich an und sagte: „Das werden Sie und ihre Partnerin noch bitter bereuen, dass Sie uns so dazwischen gefunkt haben.“ „An deiner Stelle würde ich ganz schnell verduften. Ach ja und noch etwas: Sag deinem Boss, dass er es mit Paul MacLain und Jelena Romanova zu tun hat.“

Im Hauptquartier der Geldfälscher musste der Chefhandlanger gleich zum Rapport. Als er das Büro betrat, war ihm seine Nervosität anzumerken. Sein Boss, ein 48jähriger schwergewichtiger Mann mit stechenden braunen Augen saß hinter seinem Schreibtisch aus edlem Mahagoniholz. Das runde Gesicht mit der Durchschnittsnase und den schmalen, kurzen Lippen musterte den Mann sehr aufmerksam. Die braunen, gegelten Haare besaßen schon einige graue Strähnen. Der Bandenchef trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd mit einer schwarzen Fliege, schwarze Herrensocken und schwarze Lackschuhe. Im Knopfloch seines Anzugs trug er eine rote Rose. In der linken Hand hielt der Chef der Bande eine Zigarre. Mit einer knappen Geste bedeutete der „Pate“, wie der Mann in der Unterwelt Kristianstads genannt wurde, seinem besten Handlanger Platz zu nehmen.

„Du bist so nervös, Björn. Was ist los?“, fragte der Pate mit einer tiefen Bassstimme. „Ich habe schlechte Nachrichten. Verdammt schlechte sogar.“ „Das Mädchen?“ „Richtig. Offenbar hat man bei der Sveriges Riksbank beschlossen, zwei Privatermittler einzuschalten. Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir wollten Katja Nilson heute morgen abholen, aber sie war nicht zu Hause.“ 126

„Vielleicht war sie auf der Arbeit.“ „Das glaube ich nicht. Einer unserer Spione ist ihr und Einar Ericsson gefolgt. Er hat gesehen, wie die beiden das Hotel Christian IV betreten haben.“ „Mit seinem schmalen Gehalt kann sich Einar das Hotel nicht leisten.“ „Das ist noch nicht alles. Nur er hat das Hotel wieder verlassen. Seine Freundin hat er dort gelassen.“ „Sehr merkwürdig. Sonst noch was?“ „Ja. Heute morgen, hat eines unserer Außenteams beobachtet, wie sich Einar Ericsson und Katja Nilson mit Paul MacLain und Jelena Romanova getroffen haben und dann weggefahren sind.“

„Hast du eine Ahnung, wohin?“ „Sie sind auf die E22 abgebogen. Richtung Landskrona.“ „Ahnst Du, was die beiden Privatschnüffler getan haben, Björn?“ „Ehrlich gesagt nein.“ „SIE HABEN KATJA NILSON AUßER LANDES GESCHAFFT!“ „Heißt im Klartext?“ „Einar Ericsson ist abgebrannt. Und das kommt mir sehr ungelegen. Denn jetzt müssen wir einen neuen Mitarbeiter in der Druckerei kaufen, um unsere Versorgung sicherzustellen. Einar Ericsson ist zu einer Gefahr für uns geworden. Wenn er auspackt, sind wir geliefert. Da aber Paul MacLain und Jelena Romanova den Fall übernommen haben, wird es verdammt schwer an ihn ran zu kommen.“ „Paul MacLain ist ein verdammt harter Brocken. Ich durfte es am eigenen Leib erfahren.“ „Wann bist du ihm begegnet?“, fragte der Pate. „Vor 15 Minuten. Ich habe versucht, mir Respekt zu verschaffen, und den Versuch unternommen, den Aufenthaltsort von Katja Nilson aus ihm herauszuprügeln.“ „Hat es was genutzt?“ „Nein. Statt mir den Aufenthaltsort des Mädchens zu verraten, hat mir Paul MacLain mit einer knallharten Rechten einen Schlag in die Magengrube verpasst. Leif wollte mir zu Hilfe kommen, aber Jelena Romanova ist urplötzlich hinter dem Volvo aufgetaucht, aus dem die beiden ausgestiegen waren, und hat ihm die Lichter ausgepustet.“ „Dann ist das Ding gelaufen.“

Am späten Nachmittag kam Einar Ericsson zu uns ins Hotel. Wir trafen uns mit ihm in der Lobby. „Katja ist wohlbehalten in Frankfurt gelandet. Sie hat mir eine SMS geschickt.“, sagte er und zeigte uns die Nachricht seiner Freundin. „Bin in Frankfurt gelandet. Samantha MacLain ist sehr nett. Ich freue mich schon auf dich.“ „Dann sollten wir die Bande so schnell wie möglich hoch gehen lassen.“, sagte ich. „Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen dabei. Sie haben mir und Katja geholfen, jetzt kann ich wenigstens einen Teil wieder gut machen.“ Und dann erzählte uns Einar Ericsson, wie die Bande an ihn herangetreten war. Wir hörten bis zum Ende zu, ehe wir ihm Fragen stellten. „Eins verstehe ich nicht. Wieso ausgerechnet Sie?“ „Es geht um Katja. Einer aus der Druckerei hat ein Auge auf sie geworfen.“ „Und wer, wenn man fragen darf?“, wollte Jelena wissen. „Ein Kollege aus meiner Abteilung. Sein Name ist Ole Asmussen. Der Kerl geht über Leichen, wenn es darum geht, anderen die Frau auszuspannen.“ „Was hat er davon?“ „Er liebt es sich am Leid der anderen zu ergötzen. Und um alles noch schlimmer zu machen gießt Ole noch einmal so richtig Öl ins Feuer. Dann kommen Kommentare wie: „Tja, ich hab jetzt deine Frau und du darfst in die Röhre kucken. ÄTSCH BÄTSCH!“ Ich hab selten soviel Niedertracht und Missgunst in einer Person vereint gesehen.“ „Dem werden wir den Rachen stopfen. Aber irgendwoher müssen die Fälscher doch ihre Informationen erhalten, 127

wann welche Banknoten in Umlauf gebracht werden.“ „Die bekommen sie von Ole Asmussen.“ „Dann sollten wir die Leitung der Bank informieren.“

Am nächsten Morgen trafen wir uns mit Magdalena Eckemyr. „Wir hatten gestern noch ein längeres Gespräch mit Einar Ericsson. Dabei haben wir so einiges in Erfahrung bringen können. Ein Mitarbeiter namens Ole Asmussen hat die Informationen an die Geldfälscher weitergegeben und Mr. Ericsson an die Geldfälscher „verkauft“, wie wir in unserem Genre sagen. Es ging ihm um Einar Ericssons Freundin.“ „Wie gemein. Ich werde eine Nachricht an unseren Präsidenten schicken. Er wird wissen, was zu tun ist.“

Und es kam, wie es kommen musste. Ole Asmussen wurde fristlos entlassen. Dieser Umstand ließ uns um Einar Ericssons Leben fürchten. Aus diesem Grund waren wir immer in seiner Nähe. Doch eines morgens erschien Ole Asmussen vor der Druckerei. Ich sah sofort, dass er bewaffnet war. Er trug eine Smith & Wesson Model 3913. Ich ahnte, was er vorhatte. Er wollte Einar Ericsson umbringen, weil der ihn ans Messer geliefert hatte. Als Einar ausstieg zog sein ehemaliger Kollege die Waffe. „DU VERRÄTER! DIR WERD ICH ZEIGEN, WAS ICH MIT LEUTEN MACHE, DIE MEINE SPIELREGELN NICHT BEFOLGEN!“, sagte er und wollte abdrücken. Doch stattdessen sah Ole Asmussen zu seinem Entsetzen in den Lauf meiner Walther. „Tut mir leid für dich, du mieser kleiner Schleimscheißer. Aber ich werde nicht zulassen, dass du unseren wichtigsten Zeugen umlegst.“

„Geh mir aus dem Weg, du halbe Portion, oder ich drück ab.“, sagte Ole Asmussen.“ Ich grinste hämisch. „Du drückst bestimmt nicht ab, Kleiner. Schau mal unauffällig da rüber.“ Mit einem Kopfnicken deutete ich auf meine Partnerin, die mit ihrer Makarow auf Ole Asmussen zielte. „Jelena hat einen labilen Abzugsfinger. Bevor du auch nur einen Schuss abfeuern kannst, bist du auch schon tot.“ „So, so. Deine Partnerin heißt mit Vornamen also Jelena. Darf ich nach dem Familiennamen fragen. Damit ich dem Bestatter sagen kann, was er auf Jelenas Grabstein meißeln soll?“ „Ihr vollständiger Name ist Jelena Romanova.“ „Sagtest du eben Jelena Romanova?“ „Das habe ich gesagt.“ „Dann bist du...“ „Paul MacLain. Sehr richtig Bürschchen.“

Mit einem kräftigen Schlag ans Kinn, den ich aus der Aufwärtsbewegung ausführte schickte ich Ole Asmussen ins Reich der Träume. Jelena hatte inzwischen die Polizei alarmiert. Die Beamten legten Ole Asmussen Handschellen an und brachten ihn ins Polizeipräsidium von Kristianstad. Jelena und ich fuhren mit Einar Ericsson hinterher. Und während Katja Nilsons Freund seine Aussage machte, zeigten wir dem Polizeipräsidenten einige Fotos von dem Mann, mit dem sich Mr. Ericsson getroffen hatte. „Das ist Björn Lindquist. Er ist der Chefhandlanger und die rechte Hand des Paten.“ „Des Paten?“ „Robert Holm. Geboren am 06.05.1970 Landskrona. In der Unterwelt kennt man ihn als „Der Pate“. Wahrscheinlich wegen seiner Ähnlichkeit mit Marlon Brando, als dieser in den gleichnamigen Filmen mitgespielt hat.“ „Es dürfte nicht leicht sein, dem Paten das Handwerk zu legen.“, sagte Jelena. „Der Pate ist zu gerissen. Außerdem ist er für seine Skrupellosigkeit berüchtigt.“ „Irgendwann findet auch der gerissenste Unterweltboss sein seinen Meister.“ 128

Wir entwickelten einen Plan. Dieser sah vor, dass ein Kurier der Notenbank eine neue Charge des offiziellen Banknotenpapiers an die Druckerei liefern sollte. Jelena und ich waren uns sicher, dass der Pate sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen würde. Wenn wir Glück hatten, konnten wir seinen Handlanger bis zum Versteck des Paten verfolgen. Doch es konnte auch sein, dass uns der Pate austrickste und sich das Papier schnappte, ohne dass wir ihn zu Gesicht bekommen würden.

Im Versteck der Fälscherbande schlug die Nachricht ein wie eine Bombe. „Das wäre eine günstige Gelegenheit, um sich mit Papier einzudecken.“, sagte Björn Lindquist. Der Pate schüttelte den Kopf. „An der Sache ist was faul.“ „Wie kommst du darauf, Boss?“ „Weil es eine Falle sein könnte.“ „Was macht dich da so sicher?“, fragte Björn. „Ich habe Erkundigungen über dieses Ermittler-Duo eingeholt. Du hast gesagt, Paul MacLain wäre ein harter Knochen. Wusstest du, dass er mal beim SAS war?“ „Du machst Witze, Boss.“ „Absolut nicht, Björn. Und seine Partnerin ist auch nicht ohne. Jelena Romanova war vor ihrer Detektivlaufbahn bei den Speznas.“ „Speznas? Noch nie gehört, Boss. Was ist denn das für ein Verein?“ „Die Speznas sind die Eliteeinheit des GRU, oder, um es altmodisch auszudrücken, des KGB.“ „Na das kann ja heiter werden. Aber auf der anderen Seite muss ich nochmals sagen, das ist eine Gelegenheit, die wir so schnell nicht wieder kriegen. Und ohne Risiko ist nichts zu holen. Das weißt du genauso gut wie ich, Boss.“ „Du hast Recht. Versuchen wir es.“

Zwei Tage nach Bekanntwerden des Transports passierte es dann. Frühmorgens ging es los. Wir fuhren hinter dem gepanzerten Transporter her. In einer Seitenstraße wurde der Wagen dann gestoppt. Ein bewaffneter Mann öffnete die Tür auf der Beifahrerseite und sprang ins Wageninnere. Sein Gesicht hatte er unter einer Skimütze verborgen. Das Kurierfahrzeug setzte zurück und fuhr aus dem Stadtzentrum in Richtung der Vororte. Auf einem ehemaligen Fabrikgelände, dessen Gebäude zum Teil verfallen waren, hielt der Transporter. Der Mann mit der Skimütze stieg aus und öffnete das Tor. Der gepanzerte Transporter fuhr weiter, gefolgt von einem schwarzen Mercedes Benz 560 SEC.

Der Mann wollte das Tor wieder schließen, als ich die Scheinwerfer des Volvo aufblendete. Ich sprang aus unserem Mietwagen und rammte dem verblüfften Verbrecher die Schulter an den Brustkorb. Jelena hatte unseren gemieteten Volvo inzwischen direkt neben dem Mercedes geparkt. Keine 10 Minuten später erreichte ein halbes Dutzend Streifenwagen der schwedischen Polizei das Gelände. Beamten schwärmten aus und verhafteten jeden , der ihnen über den Weg lief. Die Beifahrertür des Mercedes öffnete sich und der Pate stieg aus. Aus der Innentasche seiner Jacke zog er eine Beretta 92. Ich richtete meine Walther auf ihn. „Werfen Sie die Waffe weg und nehmen Sie die Hände hinter den Kopf!“, befahl ich. Der Pate hielt sich seine Pistole an den Kopf. „NEIN! MICH KRIEGEN SIE NICHT!“ Dann drückte er ab. Der Schuss hallte über das ganze Areal. Danach war es still. Es war sogar so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. „Das ist das Ende des Paten.“, sagte ich. 129

„Der hat genug Unheil angerichtet.“

Am nächsten Tag erschien die Nachricht vom Tod des Paten in allen Medien. „Berühmter Mafiaboss entzieht sich dem Gesetz durch Selbstmord.“ So lautete eine Schlagzeile. „Der Pate ist Geschichte.“, lautete der Titel einer anderen. Den restlichen Mitgliedern der Bande wurde der Prozess gemacht. Björn Lindquist wurde zu 10 Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt.

Unser Auftrag war beendet. Die schwedische Notenbank hatte unser Honorar überwiesen und wir konnten nach Hause fliegen. Wir packten unsere Koffer und checkten aus. Danach fuhren wir nach Landskrona wo wir am Flughafen den Volvo zurückgaben, um dann in der Schalterhalle unsere Koffer beim angezeigten Schalter von Scandinavian Airlines aufzugeben. Danach machten wir uns auf den Weg in Richtung Sicherheitsschleuse, die wir ohne große Schwierigkeiten hinter uns brachten.

Um 12:00 Uhr landete unsere Maschine auf dem Flughafen von Frankfurt am Main. Katja Nilson holte uns ab, was Jelena und mich überraschte. „Ich hab das mit dem Paten gehört. Ein Jammer, dass er sich eurem Zugriff entzogen hat.“, sagte sie. „So was passiert.“

Die Tage danach verbrachte jeder von uns unterschiedlich. Jelena flog zu ihrer Familie nach Smolensk, während Brit zu ihrem Vater nach Hause flog. Kelly kam mich besuchen und wir verbrachten eine glückliche Zeit miteinander. An Silvester nahm ich dann meinen ganzen Mut zusammen und dekorierte die Wohnung mit lauter Herzen. Ich wollte Kelly einen Heiratsantrag machen, den sie nicht ablehnen konnte. Um 19:30 Uhr kam Kelly nach Hause. Ich hatte mich extra in die Küche gestellt, und versucht, ein diesem besonderen Anlass gerechtes Essen zu zaubern. Ich hatte Ente a L´Orange gemacht und dazu Rotkraut und Klöße. Um ein Haar wäre etwas schief gegangen, wenn Samantha mir nicht unter die Arme gegriffen hätte. Ich bin halt nun mal Privatdetektiv von Beruf und kein Koch.

Als wir beim Abendessen saßen, sah mich Kelly aus ihren mandelförmigen Augen an und meinte: „Gibt es einen besonderen Anlass, oder warum dieses Festessen?“ „Warum fragst du?“ „Na ja. Du gibst dir soviel Mühe, stellst dich persönlich in die Küche. Du stürzt dich meinetwegen in Unkosten. Für was?“ Ich atmete tief durch, zog die Ringdose aus meiner Jackentasche, öffnete sie und stellte sie vor Kelly auf den Tisch. Vor lauter Staunen bekam sie den Mund nicht mehr zu. „Kelly, diese Frage liegt mir schon lange auf dem Herzen. Ich hatte leider nie die Gelegenheit dich zu fragen. Willst du meine Frau werden?“ Ich sah, wie Kelly die Tränen in die Augen traten. Damit hatte sie definitiv nicht gerechnet. „Ja, Paul. Ich will deine Frau werden. Aber wir heiraten erst, wenn du deinen letzten Fall erfolgreich gelöst hast.“130

11. Fall - Geldwäsche in Kuopio

11. Fall – Geldwäsche in Kuopio

Unser erster Fall im Jahr 2019 führte Jelena und mich nach Finnland. In Kuopio, einer Stadt mit 117.740 Einwohnern, war es vermehrt zu Fällen von Geldwäsche gekommen. Es war Montag, der 07.01.2019. Jelena war vor zwei Tagen aus Smolensk zurückgekommen. Brit Olson, unsere Sekretärin, die im Herbst 2018 zu uns gestoßen war, wollte morgen wieder auf der Arbeit sein. Das Wochenende hatten wir in Schweden verbracht, wo wir der Hochzeit von Einar Ericsson und Katja Nilson beigewohnt hatten. Dort hatte Jelena in einer Zeitung gelesen, dass in Kuopio im Hafen ein Casinoschiff eröffnet hatte. „Ein idealer Ort, um Geld zu waschen.“, hatte sie gesagt. Nun saßen wir in unserem Büro und betrieben Recherchearbeit. Wir fanden heraus, dass der Dampfer, der das Casino beherbergte, auf der Klevenwerft in Norwegen gebaut worden war. Das Schiff war 135 m lang und verdrängte 80.000 Tonnen. Der Besitzer, ein Schwede namens Mikael Persson, hatte das Schiff auf den Namen „Silvercloud“ getauft. Über den Mann selbst war nicht viel bekannt.

Der Tag neigte sich dem Ende zu und es hatte sich kein Klient blicken lassen. Wir fuhren die Laptops herunter und schalteten das Licht aus. Wir schlossen die Bürotür ab und fuhren nach Hause. Am nächsten Morgen waren wir wieder im Büro. Auch Brit war wieder da. „Guten Morgen Brit. Wie war dein Urlaub?“ „Erholsam. Papa und ich hatten viel Zeit miteinander. Seit ich bei euch arbeite, seh ich ihn ja nicht mehr so oft.“ „Wie geht es ihm?“ „Es geht ihm gut. Er hat sich von meiner Stiefmutter scheiden lassen und von ihr seinen Anteil am gemeinsamen Konto erstritten. Aber sie wollte das Geld nicht rausrücken und hat das Konto sperren lassen.“ „Und wie ging das ganze aus?“ „Ein Gericht hat die Kontosperrung für unzulässig erklärt. Die Bank musste das Konto auflösen und Papa seinen Anteil auszahlen. Meiner Stiefmutter hat das natürlich gar nicht gepasst.“ „Och! Eine Runde Mitleid! Och!“, sagte Jelena.

Es klingelte an unserer Tür. Brit öffnete. Eine gutaussehende Brünette mit braunen Augen und dunkelbraunen Haaren, die bis zur Achselhöhle reichten, trat ein. Die Dame war 1,65 m groß und wog geschätzt 50 Kilogramm. Auffällig war der sexy Körper mit den mittelgroßen, wohl geformten Brüsten. Auch das ovale Gesicht mit den sinnlichen, aber kurzen Lippen und der etwas breiten Nase war ein Hingucker. Bekleidet war die unbekannte Schöne mit einem schwarzen Kleid, das auf der rechten Seite etwas luftiger geschnitten war und somit mehr Bein zeigte, und schwarzen High Heels. „Brr! Was für eine Wahnsinnskälte.“, sagte die Lady. „Ist ja auch kein Wunder. Wenn Sie sich so dünn anziehen. Also beschweren Sie sich nicht.“ Jelena versuchte, einer Eskalation der Situation zuvor zu kommen, indem sie fragte: „Was verschafft uns die Ehre Ihres Besuches?“ „Sie haben sicherlich von der Eröffnung des Silvercloud Casinos gelesen.“ „Ja, haben wir. Was hat das mit Ihrem Besuch zu tun?“, wollte ich wissen. „Wir nehmen an, dass dort in großem Stil Geldwäsche betrieben wird. Oh, Verzeihung! Ich habe ganz vergessen mich vorzustellen. Mein Name ist Lilja Nykkänen. Ich arbeite für die finnische Regierung.“

„Hat man bei Ihnen keine Abteilung, die in der Lage ist den 131

Geldwäschern das Handwerk zu legen?“ „Bei unserem Inlandsgeheimdienst. Aber dort sagt man, man wäre total überlastet.“ „Glauben Sie diesen Unsinn?“, fragte ich. „Wieso Unsinn, Mr. MacLain?“ „Weil ich glaube, dass Ihr Geheimdienst sich nicht traut Undercover-Agenten einzusetzen.“ „Wie kommen Sie denn darauf?“ „Ganz einfach. Ich saß drei Jahre unschuldig im Knast. Und in eben diesen drei Jahren hat der französische Geheimdienst versucht, eine Bande von Waffenschiebern hochzunehmen. Sie haben einen ihrer besten Agenten bei den Brüdern eingeschleust. Einen Mann namens Vincent Lefervre. Was dieser nicht geahnt hat, war, dass er von einem der engsten Vertrauten des Bandenchefs, mit dem er früher bei der Fremdenlegion gedient hat, verraten wurde. Soweit ich mich erinnern kann, war der Mann Ägypter. Sein Name war Abu Ibn Raschid. Verstehen Sie jetzt, warum ich davon überzeugt bin, dass Ihr Inlandsgeheimdienst davor zurückschreckt, einen Agenten einzuschleusen?“ „Jetzt schon. Und durch ihre Erzählung ergibt Ihre Theorie auch einen Sinn.“

Schließlich wurden wir uns doch über das Honorar einig. Die finnische Regierung wollte uns 90.000 Euro für die Ergreifung der Geldwäscher zahlen. Anreise, Mietwagen und Hotel mussten wir selber stemmen. Da es keinen Direktflug von Frankfurt am Main nach Kuopio gab, mussten wir einen Flug mit Zwischenlandung in Helsinki buchen. Als Hotel hatten Jelena und ich uns das Hotel Scandic Atlas, ein 4-Sterne-Hotel ausgesucht.

Am Donnerstag, den 10.01.2019, machten Jelena und ich uns auf den Weg nach Kuopio. Eine Nachbarin meiner Partnerin brachte uns zum Frankfurter Flughafen. Wir gaben unsere Koffer am angezeigten Schalter von Finnair auf, der für den Flug nach Helsinki geöffnet war und gingen dann zur Sicherheitsschleuse, die wir ohne große Probleme hinter uns brachten. Um 10:00 Uhr startete der Flieger nach Helsinki, wo wir um 12:20 Uhr landeten.

Unser Anschlussflug, ebenfalls von Finnair durchgeführt, startete um 13:20 Uhr und landete nach einer Flugzeit von 55 Minuten auf dem Flughafen von Kuopio. Nachdem wir unsere Koffer geholt hatten, gingen wir zu einer Autovermietung. Bei Hertz mieteten Jelena und ich einen Porsche Panamera 4S Executive. Dieses 4-türige PS-Monster hatte den 3-Liter Motor mit 330 PS und das 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe PDK. Lackiert war der Wagen in Burgunderrot Metallic und hatte noch zusätzlich die Porsche Ceramic Composite Bremse, sowie den 90-Liter-Kraftstofftank. Hertz hatte für unseren Mietwagen die 21-Zoll-Räder im Sportdesign und die Bi-Color-Ledersitze in der Variante Schwarz-Bordeauxrot bestellt. Zur weiteren Sonderausstattung gehörten noch die Komfort-Sitze vorn, sowie die Sportendrohre in silberner Ausführung. Außerdem hatte unser Porsche die LED-Matrix-Hauptscheinwerfer inklusive dem PDLS Plus-System und die LED-Rückleuchten inklusive Leuchtenband.

Mit Hilfe des Navigationssystems fanden wir das Hotel sehr schnell. Es handelte sich um einen vierstöckigen Bau mit einer Fassade aus beigem Marmor. Das Dach war in einem halben Giebel ausgeführt und mit roten Dachschindeln abgedeckt. 132

Die Zimmer verfügten über großzügige Fenster. Über dem Haupteingang entdeckten wir den Namensschriftzug des Hotels. Auf der linken Seite hatte man das Wort „Scandic“, auf der rechten Seite der Eingangstür das Wort „Atlas“ angebracht. Als wir die Lobby des Scandic Atlas betraten, blickte die Rezeptionistin, eine schöne Rothaarige mit üppigen Brüsten von ihrem Computer auf. Sie war 1,78 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. Das ovale Gesicht mit der grazilen Nase und den schmalen langgezogenen und sinnlichen Lippen, besaß zwei schöne braune Augen. Ihre roten Haare reichten bis zur Oberkante ihrer Brüste. Bekleidet war sie mit einem schwarzen, eng anliegenden Minikleid. „Guten Abend. Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte die Dame an der Rezeption. „Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Ich sehe es. Zimmer 203 und 204. Hier sind ihre Schlüssel. Wenn Sie irgendwelche Wünsche haben, dann zögern Sie nicht, mich zu rufen.“

In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken, als mir die Rothaarige verführerisch zuzwinkerte. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, Miss...“ „Virpi Kalkkonen.“ „Wie gesagt, sehr freundlich von Ihnen. Aber ich befürchte, ich muss Sie enttäuschen. Aus ihrem erhofften Schäferstündchen mit meiner Wenigkeit wird leider nichts.“ „Schade. Ich hatte seit Monaten keinen guten Sex mehr.“, sagte Virpi Kalkkonen und zog einen Schmollmund. „Immer ein Freispiel ist nicht. Gewöhnen Sie sich dran.“

Bevor wir unsere Zimmer bezogen sagte Jelena: „Das war eben ganz schön ruppig. Warum hast du „NEIN“ gesagt, Paul?“ „Kelly und ich haben uns verlobt. Und das werde ich unter keinen Umständen aufs Spiel setzen.“ „Verstehe.“ Als die Tür meines Zimmers hinter mir ins Schloss gefallen war, fing ich an, meinen Koffer auszupacken. Ich war so mit dem Einräumen meiner Klamotten beschäftigt, dass ich nicht bemerkte, wie sich die Badezimmertür öffnete. Eine dezente Parfümnote wehte durch den Raum. Ich erkannte das Parfüm sofort wieder. Es war „By Night“ von Christina Aguilera. Und ich kannte nur eine Frau, die diesen Duft bevorzugte. Meine Verlobte Kelly Ling!

Schließlich spürte ich, wie sich ihre Hände um meine Taille legten und sie mir einen Kuss auf meinen Hals gab. Ganz langsam drehte ich mich zu ihr um, und sah in ihre wunderschönen Mandelaugen. „Sag mal Kelly, wie um alles in der Welt, hast du mich wieder aufgestöbert?“ Kelly lächelte. „Virpi hat es mir gesagt. Sie ist übrigens mein Patenkind. Sei also etwas nett zu ihr.“ „Ich hab sie vorhin ziemlich brüsk zurückgewiesen.“ „Warum das denn?“, fragte Kelly streng. „Sie wollte mit mir in die Kiste.“ Kelly zog überrascht die Brauen nach oben. „Das überrascht mich jetzt aber. Normalerweise ist sie nicht so stürmisch.“ „Sie meint, sie hätte seit Monaten keinen guten Sex mehr gehabt.“ „Oh! Oh! Klingt so, als ob Virpi sexuell ausgehungert wäre.“ „Und was machen wir jetzt?“, fragte ich. „Das lass mal meine Sorge sein. Ich geh runter und rede mal mit Virpi.“ „Jetzt?“ „Jetzt.“ „Dann zieh dir wenigstens was an. Sonst kriegen wir beide noch Ärger.“

Nach 15 Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, kehrte meine Verlobte zurück. „Und?“, fragte ich. „Ich habe mit Virpi gesprochen. Sie wusste nicht, dass wir 133

verlobt sind. Es tut ihr wahnsinnig leid, dass sie dir gegenüber so vorgeprescht ist. Aber ihre letzte Beziehung liegt auch schon acht Monate zurück. Und ich kenne Virpi nur zu gut.“ „Ich kann es irgendwo auch nachvollziehen. Wer macht es sich schon gerne selbst?“ „Hättest du was gegen einen Dreier heute Abend einzuwenden?“ „Ich bin gerade erst heute angekommen. Ein andermal gerne.“ „Und was ist mit mir? Hmm? Darf wenigstens ich ein bisschen sexuellen Spaß haben?“ „Na von mir aus.“

Nach dem Abendessen gingen Jelena und ich zusammen mit Kelly zum Hafen von Kuopio. Die „Silvercloud“ war ganz schnell auszumachen, war sie doch das größte Schiff im Hafen. Und wie sich herausstellte auch strengstens bewacht. An der Gangway und auf dem Oberdeck standen Wachposten, die mit AK-47 Sturmgewehren bewaffnet waren. „Da hat wohl jemand ein Interesse daran, dass seine Geheimnisse im Dunkeln bleiben.“, sagte Kelly. „Der Hafenmeister wird uns bestimmt Auskunft geben können.“ „Da kommt jemand. Den könnten wir doch mal fragen.“, schlug Jelena vor.

Ein bärtiger Riese kam auf uns zu. „Was haben Sie hier zu suchen?“, fragte er streng. „Mein Name ist Paul MacLain. Ich bin Privatermittler. Meine Partnerin Jelena Romanova. Wir sind im Auftrag der finnischen Regierung hier.“ „Haben Sie das schriftlich?“ „Wenn Sie uns nicht glauben wollen, dann fragen Sie Lilja Nykkänen. Sie hat uns im Namen der finnischen Regierung konsultiert.“ „Meine Schwägerin hat Sie beauftragt? Und warum sagen Sie das nicht gleich?“ „Sie haben nicht gefragt.“, sagte ich. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte der Bartguru. „Wir suchen den Hafenmeister.“, sagte Kelly. „Den haben Sie gefunden. Das bin nämlich ich. Seppo Kovalainen.“ „Die „Silvercloud“ ist ziemlich streng bewacht. Ist das so, seit das Schiff hier im Hafen liegt?“ „Nein, Mr. MacLain. Erst seit letzter Woche hat Mr. Persson die Wachen aufstellen lassen. Jeder wird sehr sorgfältig gefilzt, bevor an Bord darf.“ „Und warum, wenn man mal fragen darf?“, wollte Jelena wissen. „Vor ungefähr einem Monat hat ein Richter einen Durchsuchungsbefehl erlassen. Die Razzia hat vieles zutage gefördert. Der Richter wollte daraufhin ein Verfahren eröffnen. Aber dann fiel er einer Autobombe zum Opfer, die man unter seinem Dienstwagen angebracht hatte.“ „So läuft das also. Justiziare, die sich nicht einschüchtern oder kaufen lassen, werden eiskalt ermordet.“

Nach dem Gespräch mit dem Hafenmeister gingen Jelena und ich in die Cocktailbar des Hotels und tranken eine Kleinigkeit. „Was meinst du, Jelena?“ „Wird schwierig, da rein zu kommen. Von Landseite ist es schier unmöglich an den Wachen vorbeizukommen. Wir müssten in einer Nacht- und Nebelaktion von der Wasserseite an Bord.“ „Du meinst, wie die Kampfschwimmer?“ „Genau.“ „Keine schlechte Idee. Aber die Sache hat einen Haken.“ „Welchen?“ „Du vergisst die Wachen auf dieser Seite.“ „Heißt im Klartext?“ „Wir brauchen jemanden auf dem Schiff, der uns hilft unbemerkt an Bord zu kommen.“ „Das leuchtet ein. Wird eine harte Nuss, die wir da zu knacken haben.“ „Wir haben doch bisher alle unsere Fälle gelöst, weil die Bösen unvorsichtig geworden sind.“ „Das stimmt. Aber es hilft alles nichts. Fakt ist, wir müssen an Bord der „Silvercloud“.“ „Das werden wir auch zu gegebener Zeit tun. Aber jetzt sollten wir uns erst mal ausruhen. Und ab morgen werden wir im 134

Wechsel die „Silvercloud“ observieren. Irgendwann muss ja mal etwas passieren.“ „Da hast du wohl Recht, Paul. Aber jetzt sollten wir zahlen und uns auf unsere Zimmer zurückziehen und den MHD ableisten.“ „Was heißt denn MHD?“ „Matratzen Horch Dienst, Towarischtsch.“, sagte Jelena

Am nächsten Morgen trafen Jelena und ich uns mit Kelly zum Frühstück. „Wer übernimmt die erste Schicht?“, fragte Jelena. „Erst mal müssen wir entscheiden ob einen 12-Stunden-Rhythmus oder weniger.“ „Ich denke ein 3-Stunden-Rhythmus ist das Optimum. Wo richten wir unseren Beobachtungspunkt ein?“ „Keine Ahnung.“ „Es muss ein Punkt sein, von dem aus wir nicht gesehen werden, von dem wir aber alles überblicken können.“ „Stellt sich die Frage, wer sich im Hafen von Kuopio auskennt und uns einen geeigneten Punkt zeigen kann.“, sagte Kelly. „Da fällt mir nur einer ein. Seppo Kovalainen.“ „Stimmt. Aber wer garantiert uns, dass er nicht auch auf Mikael Perssons Gehaltsliste steht.“ „Was meinst du, Kelly?“ „Überlegt doch mal. Nur weil uns der Hafenmeister über die Wachposten am Schiff aufgeklärt hat, heißt das noch lange nicht, dass er auch vertrauenswürdig ist. Erst mal sollten wir, oder besser Ihr, versuchen etwas über diesen Mikael Persson herauszufinden.“

Nach dem Frühstück suchten wir den Hafenmeister von Kuopio auf. Dieser war bereit uns zu helfen. Er führte uns zu einem Aussichtspunkt, von dem aus wir den ganzen Hafen überblicken konnten, ohne dass man uns selbst entdeckte. „Gab es seit unserer letzten Begegnung irgendwelche besonderen Vorkommnisse?“ „Im großen und ganzen nicht. Aber gestern Abend, kurz bevor ich Feierabend gemacht habe, ist mir was aufgefallen. Zwei Autos sind hier an der Gangway vorgefahren. Eine Stretchlimousine und ein Van. Ich erinnere mich, dass aus dem Van ein großer Stahlbehälter ausgeladen wurde. Ein ziemlich schweres Ding, denn es waren vier Männer notwendig, um es an Bord der „Silvercloud“ zu tragen.“ „Dann war das Innere mit Blei ausgestattet. Denn das verhindert, das Röntgenstrahlen den Inhalt der Kiste zu tage fördern. War sonst noch etwas auffällig?“

„Aus der Limousine stieg ein Mann aus. Ich schätze er war so Ende 40 Anfang 50. Er war ca. 1,88 m groß und athletisch gebaut. Er trug einen schwarzen Anzug, schwarze Socken und Lackschuhe, die auch schwarz waren. Das Hemd, das der Kerl getragen hat war weiß und dazu trug er noch eine schwarze Fliege.“ „War sonst noch etwas auffällig?“, fragte Jelena. „Der Mann hatte braune Augen, einen grau-schwarzen Vollbart und schwarze Haare, die an den meisten Stellen schon grau waren. Die Nase würde ich eher so als guten Durchschnitt bezeichnen. Also keinen Knubbelriecher und auch keine Hakennase. Und noch etwas ist mir aufgefallen. Am Knopfloch trug er eine Anstecknadel in Form einer Taube.“ „Kommt er jeden Tag?, wollte ich wissen. „Bevor die Razzia angelaufen war, ist er jeden Tag hier gewesen. Aber im Moment kommt er einmal in der Woche.“ „Können Sie uns etwas über diesen Fremden sagen?“ „Leider Nein. Aber Mr. Persson weiß etwas über ihn. Wenn Sie wollen, arrangiere ich einen Gesprächstermin für Sie.“ „Das ist sehr freundlich von Ihnen.“

Unmittelbar nachdem sich Seppo Kovalainen von uns verabschiedet 135

hatte, näherte sich ein Auto. Es handelte sich um einen alten S-Klasse-Mercedes. Als Autonarr erkannte ich sofort, dass es sich um das Top-Modell der S-Klasse, die die werksintern als W116 bekannt war, den Mercedes 450 SEL 6.9 handelte. Der Mann, der aus dem Mercedes ausstieg war sehr auffällig. Er war schlank, 1,88 m groß und hatte dunkelbraune, kurze Haare mit Mittelscheitel. Seine braunen Augen im ovalen Gesicht verhießen den Tod. Auffällig war auch die Brille des Mannes. Sie hatte ein Stahlgestell mit einer achteckigen Fassung. Außerdem fielen mir die breite Nase und die kurzen, wulstigen Lippen auf. Das Alter des Mannes schätzte ich auf 42 Jahre. Gekleidet war der Mann mit einem hellgrauen Anzug, einem weißen Hemd, mit schwarzer Krawatte, schwarzen Socken und hellbraunen Lederschuhen. Am Knopfloch trug er eine Anstecknadel in Form einer Taube. Irgendwo war mir diese Hackfresse schon mal begegnet. Und dann dämmerte es mir! „Mach mal ein Foto von dem Kerl, der gerade aus dem Benz ausgestiegen ist.“, sagte ich zu Jelena.

Meine Partnerin zückte die Kamera und machte ein Bild des Mannes. Dieses Bild ließen wir entwickeln und sahen es uns in der Lobby unseres Hotels an. „Ich kenne diesen Mann.“, sagte ich. „Woher?“ „Ich bin ihm schon mal begegnet. Der Bursche heißt Amelio Vasca. Genannt „Der Schakal“.“ „Ich habe schon von ihm gehört. Er soll sehr gefährlich sein.“ „Ist er auch. Vasca ist ein eiskalter Killer. Wenn wir an seinen Hintermann ran kommen wollen, müssen wir zuerst ihn ausschalten.“ „Mal sehen, was wir im Gespräch mit Mikael Persson über ihn erfahren.“ Nach dem Abendessen gingen wir noch einmal an die frische Luft. Wir schlenderten gerade gemütlich über den Marktplatz von Kuopio, als ein weißer BMW 740 Ld Xdrive neben uns anhielt. Die Tür auf der Beifahrerseite öffnete sich, und ein Mann stieg aus. Er war 1,80 m groß, hatte blonde kinnlange Haare und blaue Augen. Der Gesichtsausdruck in seinem ovalen Gesicht war von Misstrauen geprägt. Bekleidet war der Mann mit einem blauen Anzug, einem weißen Hemd mit einer blau-gold-gestreiften Krawatte. Dazu trug er schwarze Socken und schwarze Lederschuhe. „Sind Sie Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte er. „Ja.“ „Mein Name ist Olaf Ekberg. Ich bin der persönliche Sekretär von Mr. Persson. Er erwartet Sie auf der „Silvercloud“. Wenn Sie die Güte hätten einzusteigen.“

Auf dem Weg zum Casinoschiff fühlten wir Mikael Perssons Sekretär auf den Zahn. „Kennen Sie den Mann, der bei Ihrem Brötchengeber vorstellig wird?“, fragte ich. „Ich weiß nur, dass der Mann Grieche ist. Warum fragen Sie?“ „Meine Partnerin und ich sind Privatermittler und arbeiten im Moment für die finnische Regierung.“ „Also deswegen Ihr Interesse am Griechen.“ „So in etwa. Ihr Chef hat heute Besuch empfangen. Wissen Sie, wer der Kerl ist?“, fragte Jelena. „Nein. Ich hab ihn heute zum allerersten Mal gesehen.“ „Ihr Chef sollte ab sofort auf er Hut sein. Sein Besucher ist nämlich kein geringerer als Amelio Vasca, genannt „Der Schakal“. Ein Auftragskiller, der seine Dienste an den meistbietenden verkauft.“, sagte ich.

An Bord der „Silvercloud“ führte uns Olaf Ekberg in den Privatbereich des Schiffes. Mikael Persson empfing uns in einer kuscheligen Lounge. Sie war mit bequemen Sofas und gut gepolsterten Sesseln und einem roten Samtteppich eingerichtet. Mikael Persson begrüßte uns mit einem festen Händedruck. 136

Der 44jährige Schwede war 1,82 m groß und hatte dunkelbraune Haare, die bis zu den Ohren reichten und einen Großteil der Stirn zeigten und blaue Augen. Der durchtrainierte Körper hatte kein Gramm Fett zu viel. Auffällig war auch der Drei-Tage-Bart im ovalen Gesicht. Bekleidet war Mikael Persson mit einem schwarzen Anzug, einem weißen Hemd mit roter Krawatte, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. Ganz der Geschäftsmann eben.

„Mr. MacLain, Miss Romanova. Bitte nehmen Sie Platz.“ „Vielen Dank.“ „Seppo Kovalainen hat mich angerufen und mir berichtet, dass Sie mir einige Fragen zu Sophokles Karaboulis stellen wollen.“ „Das stimmt. Was wissen Sie über ihn?“ „Er ist in Griechenland geboren. In Thessaloniki, soweit ich weiß.“ „Was macht er beruflich?“ „Er besitzt ein Bergungsunternehmen in der Ägäis. Aber das ist nur Tarnung.“ „Inwiefern Tarnung, Mr. Persson?“ „Der Kerl hat seine Finger vorwiegend in illegalen Geschäften. Waffen, Drogen, illegales Glücksspiel. Was Sie wollen. In der Unterwelt hat er den Spitznamen „Die Taube“. Der Name passt gar nicht zu ihm.“ „Was will er von Ihnen?“ „Das Casino was denn sonst. Er ist mit 51% Hauptanteilseigner.“

„Wie läuft die Geldwäsche hier im Casino ab?“, fragte Jelena vorsichtig. „Mr. Karaboulis liefert das Geld an und ich zahle es auf ein Bankkonto auf den Caymaninseln ein. Dort bleibt der Betrag X eine Woche, ehe er zurück überwiesen wird. Ist das Geld wieder auf dem Konto hebe ich es wieder ab und Mr. Karaboulis holt es wieder ab.“ „Was hat Mr. Karaboulis davon, dass er Ihnen so übel mitspielt?“ „Was er davon hat? Ich weiß einfach zu viel über ihn. Der Mord an Richter Kaikkonen geht übrigens auf sein Konto. Sophokles Karaboulis tut alles um das Casino zu übernehmen. Heute hat mir seinen Handlanger geschickt.“ „Wir haben es beobachtet. Sie wissen nicht zufällig, wer er war?“ „Er hat sich mir nicht vorgestellt. Er sagte nur, ich hätte bis zur nächsten Anlieferung Zeit um zu einer Entscheidung zu kommen, ob ich das Casino an Mr. Karaboulis abtrete oder nicht. Danach ist er gegangen.“ „Es überrascht mich, dass Amelio Vasca nicht gedroht hat, für den Fall, dass Sie sich weigern sollten.“, sagte ich. „Den Namen höre ich heute zum ersten Mal.“ „Amelio Vasca, geboren am 10.05.1977 in Buenos Aires. Ein Auftragskiller, der seine Dienste an den verkauft, der am meisten bezahlt.“ „In der Unterwelt kennt man ihn unter seinem Spitznamen „Der Schakal“.“, ergänzte Jelena.

Nach dem Gespräch mit Mikael Persson kehrten Jelena und ich ins Hotel zurück. Doch in der Cocktailbar trafen wir überraschend Sophokles Karaboulis. „Guten Abend, Mr. MacLain. Der Ruf von Ihnen und ihrer überaus bezaubernden Partnerin ist sogar bis zu mir vorgedrungen.“, sagte er mit einer sympathischen, tiefen Stimme. „Es freut uns sehr, dass unser Ruf sogar schon bis zu Ihnen vorgedrungen ist. Doch seien Sie gewarnt, Mr. Karaboulis, Ein dummes Ding von Ihnen, und sie schmoren im Bau.“ „Das dürfte etwas schwierig werden, Miss Romanova, solange dieser Gentlemen an meiner Seite weilt.“, sagte Mr. Karaboulis und deutete mit dem Kopf auf Amelio Vasca. „Ihr Papiertiger soll sich vorsehen, das nächste Mal zerfetz ich ihn.“ „Bemühen Sie sich nicht, Mr. MacLain. Was kann ein Mann wie Sie schon gegen einen eiskalten Profi wie den Schakal ausrichten?“ 137

„Das werden Sie früh genug erfahren, Mr. Karaboulis. Und damit das klar ist, unsere heutige Begegnung war bestimmt nicht die Letzte.“ „Ich freue mich schon auf unsere nächste Begegnung.“, sagte Mr. Karaboulis. Amelio Vasca trat mir gegenüber. „Sie sind ein Narr, mir den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Machen Sie schon mal Ihr Testament, Mr. MacLain.“ „Glauben Sie an Gott, Mr. Vasca?“ „Nein. Ich glaube an die Macht des allmächtigen Dollar.“ „Wieso wundert mich das nicht?“

Nach der Begegnung mit dem Griechen und seinem Handlanger bezogen Jelena und ich unsere Zimmer. Kelly lag schon im Bett und schlief, als ich das Zimmer betrat. Sie erwachte, als ich die Tür schloss. „Ihr kommt aber spät zurück.“, sagte meine Verlobte. „Das Gespräch mit Mikael Persson hat etwas länger gedauert. Außerdem ist uns in der Cocktailbar noch sein Gegenspieler begegnet. Sophokles Karaboulis.“ „“Die Taube“.“ „Du kennst ihn?“ „Ich habe von ihm gehört.“ „Aber er war nicht allein. Sein Handlanger hat ihn begleitet. Ein Berufskiller namens Amelio Vasca.“ „Sagt mir nichts.“ „Der Kerl ist gefährlich. Er trägt den Spitznamen „Der Schakal“. Und das nicht ohne Grund.“ „Ich verstehe.“ „Jelena und ich müssen zuerst Amelio Vasca ausschalten. Aber den zu erwischen, wird schwierig.“

„Ich hab eine Idee.“ „Spuck aus.“ „Du und Jelena legt euch im Hafen auf die Lauer und wartet, bis Amelio Vasca auftaucht. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Sophokles Karaboulis seinem Geschäftspartner den Schakal auf den Hals hetzt, wenn dieser „Nein“ sagt. Ihr müsst ihn erwischen, wenn er noch im Auto sitzt. Zielt auf die Reifen. Dann bricht der Wagen aus und geht’s ab über die Kante.“ „Du bist ein Genie, Schatz. Weißt du das?“ „Ich tu was ich kann, um euch zu helfen. Aber noch etwas. Versenkt ihn da, wo das Hafenbecken am tiefsten ist.“ „Die Idee ist gut. Ich würde sogar sagen, sehr gut.“ „Ich würde noch weiter gehen und behaupten, meine Idee ist brillant.“

Am nächsten Morgen trafen Kelly und ich uns mit Jelena beim Frühstück. „Sprecht möglichst leise. Wir haben Besuch.“, sagte sie. „Wo?“ „Dort drüben in der Ecke. Der Mann der Zeitung liest.“ Ich sah in diese Richtung und in diesem Augenblick ließ unser Verfolger die Zeitung sinken. Ich war nicht sonderlich überrascht, als ich in das Gesicht des Schakals blickte. „Wartet mal kurz Ladies. Ich werde unserem „Schatten“ auf den Zahn fühlen.“ Ich trat an den Tisch, an dem Amelio Vasca saß. „Setzen Sie sich.“ „Es dauert nicht lange, da lohnt es sich nicht.“ „Wenn Sie meinen.“ „Hören Sie, Mr. Vasca. Sie hängen an mir wie eine Klette. Können Sie mir verraten warum?“ „Das ist meine Taktik. Ich beobachte meine Zielperson. Und das sind Sie selbst, Mr. MacLain. Sie haben mir den Fehdehandschuh hingeworfen. Und bei Gott, ich werde ihn aufnehmen.“ „Na von mir aus. Aber aus der Nummer kommt nur einer von uns beiden lebend raus.“ „Da haben Sie Recht.“, entgegnete der Schakal.

Nach dem Frühstück legten Kelly und ich uns zuerst auf die Lauer und observierten die „Silvercloud“ in der Hoffnung, dass Sophokles Karaboulis bei Mikael Persson vorstellig werden würde.Doch weder die Taube noch der Schakal ließen sich blicken. Um 12:00 Uhr kam Jelena, um uns abzulösen. „Verdammt ruhig. Viel zu ruhig, für meinen Geschmack.“ „Weder Karaboulis noch der Schakal?“ 138

„Ja.“ „Leute, hört mal zu. Ich sehe gerade einen Mann die Gangway runterkommen. Einen Blondschopf mit kinnlangen Haaren.“ „Das ist Mikael Perssons Sekretär.“ „Ich glaube er hat uns gesehen, denn er winkt. Scheint so als ob wir an Bord kommen sollen.“

An Bord des Casinoschiffes wurden wir vom Eigentümer persönlich begrüßt. „Sind Sie gestern Abend noch Sophokles Karaboulis und seinem Chefkiller begegnet?“, fragte er ohne Umschweife. „Ja. Die Begegnung hätten wir uns liebend gern erspart. Aber ich hatte bei ihrem griechischen Partner von vornherein das Gefühl, dass er Dreck am Stecken hat. Er hat so verschlagen drein gesehen.“ „Haben die beiden sich schon mal gemeldet?“, wollte Jelena wissen. „Die räuspern sich nicht mal. Ehrlich gesagt, wärs mir lieber, wenn sie Theater machen würden.“ „Vielleicht kommt das ja noch. Haben Sie eigentlich schon entschieden, was mit dem Casino passieren soll?“ „Ich werde nicht verkaufen.“ „Eine kluge Entscheidung. Weiß Mr. Karaboulis eigentlich davon?“ „Noch nicht.“ „Schätze, er wird nicht begeistert sein, wenn er es erfährt.“, sagte Jelena.

Just in diesem Augenblick klingelte das Smartphone von Mikael Persson. Der Schwede schloss das Gerät an einen Beamer an und nahm das Gespräch an. Auf dem großen Bildschirm an der Wand gegenüber erschien das Gesicht von Sophokles Karaboulis. „Nun, Mr. Persson? Sind Sie zu einer Entscheidung gelangt?“ „Sie meinen wegen dem Casino?“ „Na was denn sonst?“ „Sie sagten doch, ich hätte Zeit bis zur nächsten Anlieferung.“ „Die Umstände haben sich geändert. Sie müssen sich jetzt entscheiden.“ „Dann lehne ich ab und verlange, dass Sie dem Gerichtsbeschluss nachkommen, der vergangene Woche gegen Sie erwirkt wurde und mir Ihre Anteile ohne wenn und aber abtreten.“ Das Gesicht des Griechen verdüsterte sich. „Das war der dümmste Fehler, den Sie je begehen konnten, Mr. Persson. Der Schakal wird sich Ihrer annehmen.“ „Eine Frage noch, bevor wir gehen. Wieso haben Sie bei unserem Gespräch gestern nichts von dem Gerichtsbeschluss erzählt?“, wollte ich wissen. „Da wusste ich auch nicht, dass unser Gespräch von Mr. Karaboulis abgehört wurde. Jovanka unsere Putzfrau hat heute morgen beim saubermachen ein kleines Mikrofon entdeckt und es meinem Sekretär gezeigt. Sophokles Karaboulis weiß so vieles nicht, was ich veranlasst habe.“ „Jetzt sieht die Sache schon ganz anders aus. Jelena, jetzt holen wir uns den Schakal.“

Wir sahen uns im Hafen um. An einem Kai lag ein altes Dampfschiff, die „UKKO“ gebaut im Jahr 1898. In einem Reiseführer hatte ich gelesen, dass Kuopio eine Hafenstadt an einem Binnengewässer war. Doch anscheinend hatte die finnische Regierung entschieden den Hafen von Kuopio auch für den internationalen Verkehr zu ertüchtigen, denn es hatten umfangreiche Baumaßnahmen stattgefunden. So hatte man beispielsweise einen Containerterminal errichtet, an dem zwei dieser Containerriesen zeitgleich abgefertigt werden konnten. Auch ein Terminal für die Kreuzfahrtschiffe war gebaut worden. Dort lag gerade Cunards neue Königin, die 294,0 Meter lange Queen Victoria am Kai. Jelena und ich gingen hinter einem Stapel Container in Deckung. Schon bald hörten wir ein Motorengeräusch. Ich spähte hinter den Containern hervor und sah den Mercedes den Vorplatz 139

entlangrasen. Ich wusste, uns würde nicht viel Zeit bleiben. Jelena und ich luden und entsicherten unsere Waffen und warteten auf den günstigsten Moment zum Feuern. Als der vordere Teil des Wagens hinter den Containern auftauchte, feuerten Jelena und ich jeweils einen Schuss auf den linken Vorderreifen ab. Der Fahrer verriss das Steuer und der Wagen raste über den Vorplatz auf die Kaimauer zu. Jelena und ich liefen zu einem Kran und sahen zu, wie der Mercedes über die Kante stürzte und mit einem lauten Platschen im Wasser aufschlug.

„Das wars dann wohl für den Schakal.“, sagte Jelena, als die Rückleuchten des Benz im Wasser des Sees versanken. „Den Burschen haben wir aus dem Verkehr gezogen. Aber jetzt sollten wir erst mal zurück zur „Silvercloud“. An Bord des schwimmenden Casinos trafen wir einen zornigen Mikael Persson. „Mr. Karaboulis hat den Schakal informiert. Jetzt ist der Kerl auf dem Weg hierher. Langsam fange ich an, an meiner Weigerung zu zweifeln.“ „Der Schakal liegt mitsamt seinem Wagen im Hafenbecken von Kuopio. Vor dem haben Sie nichts mehr zu befürchten.“ Mikael Persson atmete erleichtert aus. „Gut das zu wissen. Aber unmittelbar nachdem Anruf bei Mr. Vasca hat sich Mr. Karaboulis noch mal bei mir gemeldet. Er will morgen Abend vorbeikommen um zu überprüfen, ob der Schakal seinen Auftrag erfüllt hat. Wenn er mich noch lebend hier vorfindet, will er persönlich mit mir abrechnen.“ „Machen Sie sich keine Gedanken. Wir werden da sein. Wann will Mr. Karaboulis hier aufkreuzen?“ „Um 19:30 Uhr.“

Am folgenden Abend fanden Jelena und ich uns schon um 19:00 Uhr an Bord der „Silvercloud“ ein. Ich stand mit meiner Partnerin an der Außenreling, die zum Hafen hin zeigte, als ich eine weiße Stretchlimousine auf Basis des Lincoln Town Car entdeckte, die den Hafenvorplatz entlangfuhr. Dahinter folgte ein schwarzer GMC Vandura. Offenbar wollte Sophokles Karaboulis nichts dem Zufall überlassen. „Na sieh mal einer an. Der Grieche bringt gleich seine Dobermänner mit.“, sagte Jelena, als sich die Türen des Vans öffneten, und vier kräftig gebaute Kerle ausstiegen. Aus der Limousine stieg Sophokles Karaboulis aus. Von unserem Beobachtungspunkt aus konnten Jelena und ich beobachten, wie der Grieche den vier Gorillas Anweisungen erteilte. Bevor er uns entdeckte waren wir schon im Inneren des Schiffes verschwunden.

Im Hauptraum trafen wir dann erneut auf Sophokles Karaboulis. „Auf dem Weg hierher habe ich gesehen, wie man einen weißen Mercedes Benz 450 SEL 6.9 aus dem Hafenbecken gezogen hat. Demnach hat Amelio Vasca versagt. Geht sein Tod auf Ihr Konto, Mr. Persson?“ „Nein. Meine Partnerin und ich sind für den Tod des Schakal verantwortlich.“ „Ach Sie beide waren das. Nur damit wir uns klar verstehen, Sie beide haben meine Pläne zum letzten Mal durchkreuzt.“, sagte Sophokles Karaboulis. „Ach wirklich? Ich zittere vor Angst schon am ganzen Körper du Strolch.“ Jelena hatte diesen verbalen Seitenhieb gegen den Griechen abgefeuert.

„Das Wort „Respekt“ gibt es in ihrem Wortschatz wohl nicht, Miss Romanova.“ „Das gibt es schon. Aber bei so einem hinterhältigen, kriminellen Schleimbeutel wie Ihnen kommt mir jeglicher Respekt abhanden.“ 140

„Ich denke, es ist an der Zeit, dass meine Leibwächter Ihnen Manieren beibringen, Sie Frischling.“ „Ihre vier Papiertiger, die Sie da mitgebracht haben, sollen sich vorsehen, sonst zerfetz ich sie.“ „Jetzt reichts mir. Los Jungs!“

Einer der Bodyguards wollte Jelena einen Schlag in die Magengrube verpassen, doch meine Partnerin spannte die Bauchmuskulatur an und verwandelte ihren Bauch in eine Wand aus Stahl. Der Schlag verpuffte wirkungslos. Als Antwort verpasste Jelena dem Kerl einen Schlag auf den Kopf.

Unterdessen hatte ein weiterer von Karaboulis Gorillas mit eine Schlägerei angefangen. Doch ein Schlag auf den Unterarm nahm ihm den ersten Angriffsschwung. Stattdessen gab einen Schlag ins Gesicht. Der Typ spuckte einen Zahn aus, Beim zweiten Versuch wollte er mir einen Tritt verpassen. Ein Schlag aufs Knie war die Folge. Und wieder gab es einen Schlag ins Gesicht. Ein zweiter Zahn flog durch den Raum. Jelena musste sich wieder mit dem Mann herum schlagen, den Sie zuvor zu Boden gestreckt hatte. Er versuchte sie mit Schlägen in den Bauch zu beeindrucken. Doch meine russische Partnerin verdrehte entnervt die Augen. Aber wie aus dem Nichts verpasste sie dem Burschen eine doppelte Ohrschelle und ließ einen Schlag auf den Kopf folgen.

Die beiden anderen von Karaboulis Leibwächtern hatten sich unterdessen verzogen. Kein Wunder, hatten sie doch schnell begriffen, welches Schicksal ihnen blühen würde, wenn sie sich mit uns anlegten. Der Bodyguard, der mit mir die Schlägerei angefangen hatte, war über einen am Boden liegenden Besen gestolpert und der Länge nach hingefallen. Nun zog er sich am Roulettetisch hoch. Als sein Kopf über der Tischplatte auftauchte, spuckte er wieder einen Zahn aus. Daraufhin verpasste ich ihm wieder einen Schlag ins Gesicht. Karaboulis Gorilla knallte mit dem Gesicht auf die Metallanrichte auf dem Tresen dahinter. Als er sich zu mir umdrehte spuckte er seinen vierten Zahn aus, welcher im sich drehenden Roulette-Rad landete. „Rien ne va Plus.“, sagte ich. Dann zeigte ich meine linke Hand und sagte „Fünf.“

Der erste der beiden Gorillas, die die Schlägerei mit Jelena und mir angefangen hatten, schlug meiner Partnerin aus Smolensk wieder auf den Bauch, doch ohne Erfolg. Das einzige was er erreichte, war, dass Jelena wieder entnervt die Augen verdrehte. Wie aus dem Nichts setzte es eine doppelte Ohrschelle. Doch ehe sich der Leibwächter so richtig davon erholen konnte, gab es eine zweite hinterher. Zusätzlich fing sich der Sicherheitsmensch einen Schlag auf den Kopf ein. Der Gorilla mit dem ich mich die ganze Zeit über gerauft hatte, wollte mir schon wieder eine rein hauen, doch ich fing den Schlag ab. „Ich hab doch noch zwei.“, sagte der Bodyguard und wollte wohl damit andeuten, dass er nur noch zwei Zähne hatte. Doch das interessierte mich wenig. „Na und?“, fragte ich und verpasste dem Kerl einen weiteren Schlag ins Gesicht, der ihn mit dem Rücken an eine Begrenzungswand beförderte. Ein weiterer Zahn flog aus seinem Mund.

Jelena hatte es wieder mit ihrem Gegner zu tun. Dieser kam mit einem Besenstiel an und wollte ihr einen Schlag ins Kreuz verpassen. Doch Jelena fing den 141

Schlag ab und stieß ihren Gegner zu Boden. Den zweiten Bodyguard bemerkte sie noch rechtzeitig. „Du gehst mir auf die Nüsse!“, sagte und verpasste meinem Gegner eine doppelte Ohrschelle und dann einen Schlag auf den Kopf.

Sophokles Karaboulis ahnte, dass sich in diesem Spiel das Blatt gegen ihn gewendet hatte. Er suchte sein Heil in der Flucht. Doch Jelena hielt ihn davon ab. „Halt! Warte mal, du darfst doch die Hauptsache nicht versäumen.“, sagte sie und verpasste dem Griechen einen Schlag ins Gesicht. „AU!“ Schließlich gelang es Jelena und mir Mr. Karaboulis zu stellen. „Ihr denkt doch wohl nicht, dass die Sache damit erledigt ist?“, wollte er wissen, als er zwischen uns an einer Wand stand. „Oh nein.“, sagte ich. „Nein.“ Dann schlugen wir beide zu und verpassten Sophokles Karaboulis eine doppelte Kieferquetsche.

Eine Woche, nachdem wir Sophokles Karaboulis hochgenommen hatten, machte man dem Griechen den Prozess. Ihm wurden Geldwäsche, Anstiftung zum Mord, Urkundenfälschung und Erpressung zur Last gelegt. Aufgrund der erdrückenden Beweislast, wurde „Die Taube“ in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Sophokles Karaboulis wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Für uns war dieser Fall abgeschlossen.

Die finnische Regierung zahlte uns die vereinbarten 90.000 € und wir machten uns auf den Weg nach Hause. Wir packten unsere Koffer, checkten aus und bezahlten die Rechnung. Dann fuhren wir mit unserem gemieteten Porsche zum Flughafen von Kuopio und gaben ihn bei der dortigen Autovermietung wieder ab. Danach gaben wir unsere Koffer am Schalter von Finnair auf und gingen zur Sicherheitsschleuse, die wir ohne Probleme hinter uns brachten.

Um 21:40 Uhr landete unsere Maschine wieder in Frankfurt am Main. Meine Verlobte Kelly Ling erwartete uns, denn sie war nach Deutschland zurückgeflogen, als es brenzlig wurde. „Wir haben „Die Taube“ aus dem Verkehr gezogen. „Also wieder ein weiteres Exemplar für eure Sammlung an geschnappten Gaunern.“, sagte Kelly. „Wohl wahr. Aber es ist nicht die Baker Street Collection.“ „Ich lach später. Aber jetzt mal Spaß beiseite. Hast du schon mal daran gedacht aufzuhören?“ „Ich bin erst seit einem Jahr als Privatdetektiv tätig. Und ja, Jelena und ich haben gut verdient, seit wir zusammenarbeiten. Aber es warten noch einige Fälle und damit Klienten auf uns. Ich will dir ein mal ein sorgenfreies Leben bieten können.“, sagte ich.

Später, als Kelly und ich gemeinsam im Bett lagen fragte sie mich: „War das dein Ernst vorhin am Flughafen?“ „Was meinst Du?“ „Als du gesagt hast, dass du mir ein sorgenfreies Leben bieten willst. War das dein Ernst?“ „Ja natürlich.“ „Ich habe vor kurzem eine stattliche Summe Geld geerbt. 15 Millionen Euro. Ich denke, dass reicht, um uns beiden ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen.“ „Da ist was wahres dran. Aber du vergisst Brit Olson. Was wird aus ihr, wenn ich mich Knall auf Fall zur Ruhe setze?“, warf ich ein. „Eins muss man dir lassen, Paul.“ „Was?“ „Du kümmerst dich gut um deine Angestellten. Und das macht einen guten Chef aus.“, sagte Kelly. 142

12. Fall - Betrugsvorwürfe in der MotoGP

12. Fall – Betrugsvorwürfe in der MotoGP

Unser zweiter Fall im Jahr 2019 führte Jelena und mich nach Italien. Es war Februar geworden. Noch ahnten wir nicht, wer uns aufsuchen würde. Brit war schon im Büro, als Jelena und ich dort eintrafen. „War heute schon was besonderes Brit?“, fragte Jelena. „Nicht die Bohne. Langweilig wie immer.“ Wir hatten gerade begonnen, unsere Laptops hochzufahren, als es an der Tür klopfte. Brit öffnete und ließ unseren Besucher herein. Ich sah mir den Mann genauer an. Er war 1,82 m groß und hatte eine athletische Figur. In seinem runden Gesicht konnte ich grünbraune Augen entdecken, die einen eiskalten Blick, ähnlich dem eines Huskies, besaßen. Die braunen Haare hatte der Mann kurz geschoren und waren auf beiden Seiten vor den Ohren als Koteletten ausgeprägt. Am linken Ohr trug unser Besucher einen Ohrring. Bekleidet war er mit einer Jeans, einer schwarzen Lederjacke weißen Tennissocken und schwarzen Sportschuhen. Ich erkannte sofort, wer uns an diesem Mittwoch seine Aufwartung machte. Es war Valentino Rossi. Spitzname „The Doctor“. Den Moto GP-Piloten schien etwas zu beschäftigen, denn er kaute nervös auf seinen Fingernägeln.

„Bin ich hier richtig bei Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte er. „Das sind Sie in der Tat. Bitte setzen Sie sich doch. Können wir Ihnen etwas zum Aufwärmen anbieten?“ „Mille Grazie.“ „Was darfs denn sein?“ „Ein Latte Macchiato.“ „Mach ich Ihnen sofort.“, sagte Brit und bediente unsere neue Kaffeemaschine. „Was können meine Partnerin und ich für Sie tun, Signore Rossi?“ „Seit Beginn des Jahres wird behauptet, ich hätte all meine Erfolge nur durch Manipulation und Betrug errungen.“, sagte der Motorradrennfahrer. „Haben Sie einen konkreten Verdacht?“ „Mir fällt nur einer ein. Danilo Batista. Ein Nachwuchsfahrer aus Portugal.“ „Was hat er davon, dass er Sie so verleumdet?“ „Er ist scharf auf einen Stammplatz. Sehen Sie, von der Performance her ist Danilo gut. Er hat eine gute Pace und auch einen schnellen, aber sauberen Fahrstil. Das Dumme ist nur, er ist ein Pay Driver.“ „Und die sind nicht gerne gesehen.“, vermutete Jelena.

„Das ist korrekt.“ „Gestatten Sie mir eine Frage. Was muss ich unter dem Begriff Pay Driver verstehen? Ich bin Laie, was Motorsport angeht, deshalb frage ich.“ „Schon Okay. Ein Pay Driver ist ein Fahrer, der viele Sponsorengelder mitbringt. Ich möchte ein konkretes Beispiel nennen. Marcus Ericsson, der in der Formel 1 bei Sauber fährt, hat sein Cockpit nur wegen der Sponsorengelder seiner Förderer. Vom Talent her, ist er eher eine Lachnummer. Danilo Batista bringt auch einen fetten Millionenbetrag als Sponsorengeld mit. Aber er kann was. Aber diese Pay Driver sind wirklich nicht gerne gesehen.“ „Darf ich fragen warum?“ „Das ist ganz einfach. Die Pay Driver nehmen talentierten Nachwuchsfahrern die Cockpits, in unserem Fall sind es die Stammplätze in den Teams, weg und verhindern so, dass sich der Nachwuchs weiterentwickeln und für höhere Aufgaben empfehlen kann.“

„Aber was hat Danilo Batista davon, dass er Ihnen so schadet?“, fragte ich. „Wie ich schon sagte, er will einen Stammplatz. Mein Rennstall hat ihm einen Vertrag als Test- und Entwicklungsfahrer angeboten. Aber das war ihm zu wenig.“ 143

Kurz darauf kam Brit mit dem Latte Macchiato zurück. „ Venligst meget.“, sagte sie. „Mille Grazie, Bella Donna.“ Mit dieser Erwiderung hauchte Valentino Rossi Brit Olson einen Handkuss auf die Hand.

Jelena räusperte sich. „Entschuldigen Sie, Mr. Rossi Aber sind Sie nicht hier, um uns ihren Fall zu schildern, oder wollen Sie mit unserer Sekretärin nur Süßholz raspeln?“ „Scusi. Aber la Signorina ist sehr attraktiv.“ „Kommen wir nun zum Grund Ihres Besuchs zurück. Sie sagten, dass Ihr Rennstall diesem Bezahlfahrer einen Vertrag angeboten hat, der nicht seinen Erwartungen entsprochen hat. Hat Mr. Batista denn einen Rennstall gefunden, der ihm das gegeben hat, was er wollte?“ „Hat er. Er fährt eine Suzuki GSX-RR. Der Rennstall für den er in der MotoGP an den Start geht, heißt Largo GP. Das Team hat finanzielle Probleme. Und da kamen die Millionen von Batista sehr gelegen. Also hat man ihn mit Kusshand genommen.“

„Wir würden den Fall übernehmen. Wir müssten uns nur preislich einig werden.“ „Am Honorar soll es nicht scheitern. Ich wäre bereit, 2,5 Millionen Euro zu bezahlen, wenn diese Dreckratte aus dem Verkehr gezogen wird.“ „Das ist doch ein Wort. Wir machen den Job.“ „Ich danke Ihnen.“ „Keine Ursache.Können Sie uns noch sagen, wo die Testfahrten vor der Saison stattfinden?“, wollte Jelena wissen. „In Modena.“ „Können Sie uns ein gutes Hotel dort empfehlen?“. „Das „Le Ville“ ist ein exzellentes Hotel.“ „Wann starten die Testfahrten?“, wollte ich wissen. „In zwei Wochen. Warum fragen Sie, Mr. MacLain?“ „Ganz einfach. Bis dahin wollen wir einen gut ausgearbeiteten Plan haben, wie wir Danilo Batista hochnehmen. Sofern er denn wirklich der Urheber ist. Denn es kann auch sein, dass sein Manager hinter diesen üblen Verleumdungen steckt.“ „Verstehe. Wenn Sie wollen, werde ich für Sie beide einen Gesprächstermin mit dem Präsidenten des Dachverbandes arrangieren.“ „Das wäre sehr freundlich.“

Am Tag nach Valentino Rossis Besuch machten wir uns auf den Weg zum Flughafen. Wir gaben unsere Koffer am Schalter von Al Italia auf und gingen dann zur Sicherheitsschleuse, die wir ohne große Schwierigkeiten hinter uns brachten. Um 8:10 Uhr startete unser Flieger Richtung Bologna, wo die Maschine nach einer Flugzeit von 1 h 20 Minuten um 9:30 Uhr auf dem Flughafen Gugielmo Marconi landete. Wir holten unsere Koffer und gingen zu einer Autovermietung. Bei Avis mieteten wir uns einen Fiat Tipo Lounge. Der Wagen hatte den 1,6 Liter Multijet Motor mit 120 PS und das 6-Gang-Schaltgetriebe. Lackiert war der Fiat in Amore Rot Metallic und hatte die 17-Zoll-Leichtmetallfelgen sowie die Bi-Xenonscheinwerfer. Das Interieur war in hellen Farben gehalten. Der Wagen verfügte außerdem über das Sicherheitspaket Plus und das Komfortpaket. Als Sonderausstattung hatte die Autovermietung das U-Connect Live-System sowie 17-Zoll M+S-Reifen mitbestellt.

Über die A1 fuhren wir 58 Minuten nach Modena, wo wir um 10:28 Uhr ankamen. Um 10:35 Uhr kamen wir an unserem Hotel an. Das Le Ville war eine Konstruktion aus Beton und Glas, die über einen weitläufigen Park verfügte. Als wir die weiträumige Lobby des Hotels betraten, blickte der Concierge von seinem Rechner auf und sah uns herablassend an. „Sie wünschen bitte?“, fragte er mit einem leicht 144

hochnäsigen Tonfall. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert. Auf Empfehlung von Valentino Rossi, der unser Klient ist.“ „Einen Moment bitte.“ Der Concierge sah im System nach ehe er sagte: „Ah Ja! Da haben wir es. Paul MacLain. Sie haben Zimmer Nummer 300. Jelena Romanova. Sie haben Zimmer 303.“

Nachdem uns der Concierge uns unsere Schlüssel ausgehändigt hatte, bezogen meine Partnerin und ich unsere Zimmer. Um 19:00 Uhr fanden Jelena und ich uns zum Abendessen im Restaurant unseres Hotels ein. Wir wollten es nicht allzu lang werden lassen, da wir am Folgetag zu einem Gespräch mit dem Präsidenten des Motorraddachverbandes FIM, Vito Ippolito, eingeladen waren, welches um 10:00 Uhr auf dem Gelände des Autodromo di Modena stattfinden sollte.

Am nächsten Morgen machten Jelena und ich uns auf den Weg zur Rennstrecke. Vito Ippolito, der 66jährige Präsident, des Motorradweltverbands war ein Mann mit einem athletischen Körperbau. Sein rundes Gesicht mit den braunen Augen strahlte eine gewisse Warmherzigkeit aus. Das graue Haar auf dem Kopf des Venezolaners begann sich schon zu lichten. Vito Ippolito trug eine Brille mit einem viereckigen Aluminiumgestell. Bekleidet war er mit einem grauen Anzug, einem hellblauen Hemd, weißen Socken und schwarzen Wildlederschuhen. „Mr. MacLain, Miss Romanova. Es freut mich, dass Sie beide meiner Einladung gefolgt sind.“ „Wir sind gerne hergekommen. Diese Betrugsvorwürfe von Mr. Batista gegen unseren Klienten dürften Ihnen ganz schön auf die Nerven gehen.“, sagte Jelena, als wir zu dritt die Boxengasse entlang gingen. „Das tun Sie in der Tat. Allerdings bringt nicht Danilo Batista die Vorwürfe vor, sondern sein Manager.“ „Was hat er davon?“, fragte ich. „Das Management erhofft sich, dass Valentino Rossi bei seinem Rennstall in Ungnade fällt. Sehen Sie, die Suzuki GSX-RR, die Danilo Batista in dieser Saison fahren wird, ist der Yamaha von Rossi unterlegen. Der Rückstand beträgt grob geschätzt 2,5 Sekunden.“ „Das ist schon eine Hausnummer.“ „Das heißt, Danilo Batista hätte unter regulären Bedingungen keine Chance auf einen Platz auf dem Podium.“, sagte Jelena. „So ist es. So wie es jetzt aussieht, kommt er noch nicht mal in die Top 10.“

„Wieso ist die Suzuki eigentlich so langsam, Mr. Ippolito?“, wollte Jelena wissen. „Es ist kein 2019er Modell. Dieses Bike ist von 2017.“ „Eines würde mich interessieren. Wieso stellt Suzuki Danilo Batista keine aktuelle Maschine zur Verfügung?“ „Weil er ein Pay Driver ist. Sie wissen, was gemeint ist, Mr. MacLain?“ „Mr. Rossi hat es uns erklärt.“ „Kein Hersteller hier in der MotoGP gibt einem Pay Driver freiwillig ein aktuelles Bike.“ „Warum denn dieses?“ „Das ist ganz einfach. Pay Driver sind in sämtlichen Rennserien unbeliebt und man versucht schnell, sie wieder loszuwerden. Und das schafft man nur, indem man solchen Fahrern nicht dasselbe Material an die Hand gibt, wie einem Superstar wie Valentino Rossi oder einem Marc Marquez.“

„Mr. Rossi sagte uns bei seinem Besuch in unserer Detektei, dass Danilo Batista durchaus das Talent und auch die Pace mitbringt.“ „Und damit hat er nicht ganz unrecht. Batista hat letztes Jahr bei den Tests gezeigt, dass er in der Lage ist, 145

um die Fahrer-WM mitzufahren, wenn man ihm ein 2019er Modell gibt. Der Knackpunkt sind die fetten Sponsorengelder, die er mitbringt.“ „Was müsste passieren, damit Danilo Batista bei einem Top Team einen Stammplatz bekommt?“ „Seine finanzielle Mitgift müsste wegfallen.“

Später am Tag trafen wir noch zufällig Danilo Batista. Der junge Portugiese war 1,91 m groß und besaß einen athletischen Körperbau. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen und der mittelmäßigen Nase besaß noch einen leichten Drei-Tage-Bart. Die dunkelbraunen Haare hatte der Pay Driver kurz geschnitten, dass seine Segelohren deutlich zu sehen waren. Bekleidet war er mit einer schwarzen Winterjacke, einer blauen Jeans und dicken Winterstiefeln. Der Blick in seinen Augen verriet, dass Danilo Batista angesäuert war. „Stimmt irgendwas nicht?“, fragte ich. „So einiges. Mein Rennstall hat nur ein 2017er Modell der Suzuki GSX-RR für mich bekommen.“ „Und das wurmt sie, nehme ich an.“ „Na aber so was von glaub mir.“ „Wir haben uns mal umgehört. Und von daher wissen wir, dass Sie ein sogenannter Pay Driver sind.“, sagte ich. „Und wir wissen, dass Fahrer wie Sie nicht gerade beliebt im Motorsport sind.“ „Alles alte Hüte.“ „Mir scheint, es geht Ihnen auf die Nerven, dass die Sponsorengelder, die Sie mitbringen, Ihnen zum Verhängnis werden.“

„So gesehen, haben Sie recht, Mr...“ „MacLain. Paul MacLain. Die Lady ist meine Partnerin Jelena Romanova.“ „Na sieh mal einer an. Die beiden härtesten Privatschnüffler Europas.“ „Nun aber mal zurück zum Business. Warum erheben Sie Betrugsvorwürfe gegen unseren Klienten Valentino Rossi?“ „Moment mal. Hab ich da eben richtig gelauscht? Valentino Rossi schiebt mir die Schuld in die Schuhe? Na der kann was erleben.“ „Immer sachte mit den jungen Pferden. Sie sagen, Sie waren es nicht. Wer aber war es dann?“ „Na mein Onkel. Er ist mein Manager und auch zugleich mein Geldgeber. Ihm gehört die größte Sardinenfabrik in ganz Portimao.“ „Sie scheinen Ihren Onkel ja nicht gerade sehr zu mögen.“ „Papa hat Recht. Onkel Joao ist ein echter Schwanzlutscher. Zugegeben, ohne seine finanzielle Hilfe hätte ich meine Motorsportkarriere abschreiben können, bevor sie überhaupt begonnen hätte. Aber jetzt ist mein Onkel für mich eher ein Hindernis, als das er mir nützt.“ „Können Sie ihren Oheim denn nicht als Manager und Sponsor absägen?“ „Sie kennen meinen Onkel nicht. Wenn ich ihn als meinen Manager und Finanzier raus schmeiße, kann ich einpacken. Es sei denn, ich finde einen finanzkräftigen Sponsor, der seriös ist.“

„Nehmen wir mal an, es würde meinem Partner und mir gelingen, einen solchen Sponsor ausfindig zu machen, wie würde Ihr Onkel da reagieren, Mr. Batista?“ „Er würde Gift und Galle spucken und alles daran setzen, den Deal zu verhindern.“ „Was für ein mieses Arschloch. Blockiert die MotoGP-Karriere seines Neffen. Ein absolutes No-Go.“

Später am Abend, Jelena und ich waren gerade mit dem Abendessen fertig geworden, trafen wir durch Zufall einen Mitarbeiter der Radisson Hotel-Kette. Wir erzählten ihm die Geschichte von Danilo Batista. „Wenn der Junge wirklich so gut ist, wie man behauptet, dann wird es uns eine Freude zu sein, ihn zu fördern.“, 146

sagte der Mann, der sich uns als Alf Holmquist vorgestellt hatte. „Wir könnten für morgen ein Treffen auf dem Autodromo di Modena arrangieren. Wenn unser Klient einverstanden ist, sollte es möglich sein, das Danilo Batista ein paar Runden auf der Maschine von Valentino Rossi drehen darf.“ Kaum hatte ich meinen Satz zu Ende gesprochen, kam der Yamaha-Pilot zu uns ins Hotel. „Wie laufen Ihre Ermittlungen?“, fragte er. „Wir machen Fortschritte. So wie die Dinge stehen, hatten wir mit unserer Vermutung Recht. Danilo Batista ist nicht der Urheber dieser ungeheuerlichen Vorwürfe. Sondern sein Onkel, der als Manager und als Sponsor zugleich fungiert.“ „Jetzt wird mir einiges klar.“ „Gestatten Sie uns eine Frage, Mr. Rossi?“, fragte Jelena. „Was immer Sie wollen.“ „Wäre es möglich, dass Danilo Batista morgen früh ein paar Runden auf Ihrer Maschine drehen kann, um sein wahres Potenzial unter Beweis zu stellen?“ „Der Grund warum wir fragen, ist, dass die Radisson Hotel Kette an einem Sponsoringvertrag mit Mr. Batista interessiert ist.“ „Jetzt verstehe ich. Sie wollen den Onkel aus der Reserve locken.“ „Genau. Der Onkel soll ruhig für seine Schandtaten bezahlen. Der Neffe hat damit nichts zu tun.“ „Hab nichts gegen, dass Danilo meine Maschine fährt. Ich würde sagen, wir treffen uns morgen früh um 10:30 Uhr auf er Rennstrecke.“ „Einverstanden.“

Am nächsten Morgen trafen wir uns zur verabredeten Zeit mit Alf Holmquist, Valentino Rossi und Danilo Batista. Der Teamchef von Yamaha Motor Racing war zunächst dagegen gewesen, dass ein Pay Driver die Maschine mit der Startnummer 46 fuhr, allerdings hatte er Jelenas Charme nichts entgegenzusetzen. Zuerst drehte „The Doctor“ einige Runden und brannte mit 1:20:183 seine schnellste Runde in den Asphalt. Als nächstes ging Danilo Batista auf die Strecke. Nach einer Aufwärmrunde und zwei langsameren um zum einen ein Gefühl für die Maschine zu bekommen, zum anderen um sich den Streckenverlauf einzuprägen, gab der junge Portugiese Gas und drehte eine schnelle Runde nach der anderen. Am Ende stand für ihn eine 1:20:180 zu Buche. Er war sogar drei tausendstel schneller als Valentino Rossi.

Diese Leistung beeindruckte Alf Holmquist. Ein kurzer Anruf in der Firmenzentrale von Radisson in Brüssel genügte, und einem neuen Sponsorenvertrag für Danilo Batista stand nichts mehr im Weg. Am Abend unterschrieb Danilo den neuen Vertrag, der ihm pro Jahr 3,7 Millionen Euro einbringen würde. Um den Deal rechtlich abzusichern und um Danilo Batistas Familie vor etwaigen Racheakten von Seiten des Onkels zu schützen, wurde noch der Anwalt der Hotelkette hinzugezogen. Dieser hatte noch ein Kündigungsschreiben mitgebracht, das er dem jungen Nachwuchspiloten vorlas und ihm auch noch einmal genauer erläuterte. „Klingt gut. Und mir und meinen Eltern wird nichts passieren?“ „Garantiert. Wenn Ihr Onkel irgendetwas gegen Sie oder ihre Eltern und etwaige Geschwister unternimmt haben wir ihn am Kanthaken.“

Die Testfahrten für die MotoGP fanden dann am Freitag, den 15.02.2019 statt. Suzuki hatte aufgrund des neuen Sponsorenvertrags für Danilo Batista seine Meinung geändert und dem jungen Portugiesen doch noch ein 2019er Modell der GSX-RR anvertraut. Dessen Eltern und auch seine kleine Schwester waren extra aus Portimao angereist. Nur einer fehlte. Joao Goncalves, Danilo 147

Batistas Onkel. Ob er etwas von dem neuen Deal erfahren hatte? Die Antwort auf diese Frage sollten Jelena und ich bald erhalten.

Denn um 10:45 Uhr rollte ein schwarzer BMW 760 iL auf das Gelände des Autodromo. Der Mann, der aus dem Fond der Limousine ausstieg, war 1,88 m groß und hatte einen kräftigen und athletischen Körper. Seine dunkelbraunen Haare, die das ovale Gesicht einrahmten, trug er offen. Über den gelbbraunen Augen thronten buschige Augenbrauen. Die Nase des Mannes war nicht zu breit und auch nicht zu dünn, was ihr ein elegantes Aussehen verlieh. Die Lippen, von mittlerer Länge wurden von einem dichten, schwarzen Bart eingerahmt. Bekleidet war der Neuankömmling mit einem schwarzen Anzug, einem weißen Hemd mit schwarzer Krawatte, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. In seinem Mund steckte eine Zigarre.

Das Motorrad seines Neffen war noch unter einer Stoffplane verborgen. „Was machst du denn hier Bruder?“, fragte Joao Goncalves Danilos Vater. „Darf mein Sohn etwa seine eigene Familie nicht einladen?“ „In diesem Fall nein. Als sein Manager kann ich das leider nicht dulden. Verschwinde. Und nimm deine Frau und deine Tochter mit.“ Danilo Batista kam dazu. „Sag mal Onkel, was soll der Scheiß?“ „Ich bin dein Manager und Sponsor, vergiss das nicht. Und da habe ich mir einige Rechte raus genommen. Unter anderem das Recht zu bestimmen, wer der Enthüllung deines neuen Arbeitsgeräts beiwohnen darf und wer nicht. Und deine Eltern und deine Schwester sind nicht erwünscht, Hab ich mich klar genug ausgedrückt?“ „Sie bleiben. Und damit wir uns klar verstehen, Onkel, Widerspruch dulde ich nicht.“

„Ich bin nach wie vor dein Manager. Und ich bestimme. Du tust was ich sage.“ „Wird Zeit, dass sich das ändert.“ „Es ändert sich nichts, ohne dass ich es erlaube.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher, Onkel. Eigentlich wollte ich dir den erst nächste Woche zuschicken, aber wo du schon mal hier bist, kann ich dir meinen Brief auch gleich persönlich geben.“ Mit diesen Worten händigte der junge Portugiese seinem Onkel den Brief mit der Kündigung aus. Dieser wollte den Umschlag öffnen, doch sein Neffe hielt ihn zurück. „Du kannst den Brief auch nach der Enthüllung noch lesen. Dann wirst du die Hintergründe auch besser verstehen.“ Joao Goncalves sah, wie alle anderen mit Spannung zur mit Stoff verhüllten Suzuki.

Als Teamchef Giacomo Largo und Danilo Batista die Plane wegzogen, wurde der Onkel leichenblass. Die Maschine war blau und trug den Schriftzug der Radisson Hotelkette. Eigentlich hatte er ein pink-schwarzes Design mit Werbung für seine Sardinenfabrik erwartet. „Was zum Teufel geht hier vor?“, fragte er seinen Neffen. „Lies den Brief, den ich dir gegeben habe. Dann wirst du verstehen.“ Joao Goncalves öffnete den Umschlag und las den Brief. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, Danilo.“, sagte er fassungslos. „Doch. Unsere Wege trennen sich. Du bist als Manager und als Sponsor ausgebootet.“ „So sieht also dein Dank dafür aus, dass ich dich all die Jahre gefördert habe. Emilio!“ „Was ist, Bruder?“ „Dein Sohn hat mich abgesägt. Dafür lasse ich dich ausbluten. Du schuldest mir nach wie vor 1.740.555 €, für 148

die von dir verlangten 51% der Firmenanteile an der Sardinenfabrik. Ich habe dir diese Summe solange erlassen, wie dein Sohn nach meiner Pfeife getanzt hat. Mit seiner Kündigung hat sich das nun geändert. Ich will das Geld. Jetzt sofort und alles. Ist mir egal, ob du finanziell vor die Hunde gehst.“

Eine Frauenstimme kam dazu. „Dreh dich mal zu mir um Onkel.“ Joao Goncalves drehte sich in Richtung der Frau und erstarrte vor Schreck. Denn seine Nichte Joana stand nun vor ihm und hielt etwas rotes in ihren Händen. Ich wusste nur, dass es eine Schlange war. Doch was für eine Art, vermochte ich nicht zu sagen. Dafür hatte meine Partnerin Jelena sofort den Ernst der Lage erkannt. „EINE ROTE SPEIKOBRA!!!“, rief sie entsetzt und wollte ihre Makarow ziehen. Doch es war zu spät. Die Kobra bäumte sich auf und warf den Kopf nach hinten. Ein untrügliches Zeichen, das sie bald Gift spucken würde, Das Reptil ließ seinen Kopf vorschnellen und spie aus der Bewegung heraus eine ordentliche Ladung Gift in die Augen des Sardinenfabrikanten.

Das Gift griff sofort die Netzhaut des Onkels von Danilo Batista an. Schon nach kurzer Zeit konnte er nichts mehr sehen. Joao Goncalves wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo man verzweifelt versuchte, sein Augenlicht zu retten. Doch es war hoffnungslos. Das Gift der Speikobra hatte nicht nur die Netzhaut irreparabel zerstört, sondern auch das Gewebe und die Nerven. Als man dem Hauptanteilseigner der Sardinenfabrik mitteilte, dass er nie wieder würde sehen können, bat er die Ärzte um eine kleine Pillendose. Auf seine Anweisung hin wurde sie geöffnet. In der Dose befand sich eine Kapsel, die Joao Goncalves in den Mund gesteckt wurde. Anschließend gab der Portugiese den Ärzten mit einer gebieterischen Geste zu verstehen, dass sie ihn alleine lassen sollten.

Als eine Schwester eine Stunde später nach dem Patienten sah, fand sie ihn leblos vor. Der Arzt, den man gerufen hatte, konnte nur noch den Tod feststellen. Joao Goncalves hatte eine Zyankali-Kapsel eingenommen.

Später am Abend saßen Jelena und ich noch in der Cocktailbar unseres Hotels und tranken eine Kleinigkeit. Valentino Rossi kam dazu. „Wissen Sie beide schon das neueste?“, fragte er geradeheraus. „Sie werden es uns sicher gleich erzählen.“ „Diese Giftnatter von Onkel hat den Löffel abgegeben.“ „Um den ist es sicher nicht schade.“ „Wie ist er gestorben?“, wollte ich wissen. „Das kann Ihnen nur Danilo Batista beantworten. Aber vieles deutet auf einen Suizid hin.“ „Das ist jetzt aber ein verfrühter Aprilscherz.“ „Genaueres weiß man noch nicht.“ „Mich würde vor allem aber eines interessieren.“, sagte Jelena. „Nämlich wie Joana Batista in den Besitz einer roten Speikobra gelangen konnte.“ „Warum interessiert Sie das, Miss Romanova?“ „Weil man eine Speikobra mal nicht gerade im Zoogeschäft kaufen kann.“ „Ich fürchte, auf diese Frage habe selbst ich keine Antwort. Aber dennoch, Sie beide haben gute Arbeit geleistet. Sie sind jeden Cent ihres Honorars wert.“

Nachdem Valentino Rossi gegangen war, kamen Danilo Batista und seine kleine Schwester Joana. „Wir haben erfahren, dass Ihr Onkel verstorben ist. Wir 149

möchten Ihnen an dieser Stelle unser Mitgefühl aussprechen.“, sagte Jelena. „Tun Sies lieber nicht. Mein Bruder und ich sind froh, dass Onkel Joao tot ist.“ „Wie ist er gestorben?“ „Er hat eine Zyankalikapsel genommen.“ „Also doch Selbstmord.“ „Dito.“ „Ich will nicht unhöflich sein. Aber dennoch muss ich Ihnen die Frage stellen, wie Sie in den Besitz einer roten Speikobra gelangen konnten.“ „Ich bin die Leiterin einer Quarantänestation in Portimao. Dort kommen sämtliche Arten von Tieren an, die von den Zoos aus aller Welt für ihre Zucht ausgesucht wurden. Dieses Exemplar ist für den Zoo von Benidorm bestimmt. Und es wird auch seinen Weg dorthin finden, allerdings mit einem kleinen Umweg über Italien.“ „Sie müssen ihren Onkel ja sehr gehasst haben, wenn Sie ihm so ein Andenken mitgeben.“, sagte Jelena.

„Wie würden Sie empfinden, wenn man Sie seit Ihrer Einschulung sexuell missbraucht hätte?“ „Ich denke, ich würde ebensolchen Hass empfinden.“ „Na sehen Sie. Es gab Nächte da bin ich aus dem Schlaf hochgeschreckt und saß schweißgebadet senkrecht im Bett.“ „Ihnen ist schon klar, dass man Sie wegen mutwilliger Körperverletzung belangen kann, Miss Batista?“ „Ich bin mir dessen sehr wohl bewusst, Mr. MacLain. Aber es musste sein. Ich hätte sonst keine ruhige Minute mehr gehabt.“ „Letzten Endes ist doch eh alles Makulatur. Es wird kein Verfahren gegen meine Schwester eröffnet. Aufgrund der Vorgeschichte von Joana verzichtet die Staatsanwaltschaft auf eine Anklage.“ „Das überrascht mich.“, sagte ich. „Es ist aber verständlich Paul. Diese Frau ist mehr oder minder durch die Hölle gegangen. Sie wurde von ihrem Onkel sexuell missbraucht und wird vermutlich nie ein normales Leben führen können. Joana Batista wird wahrscheinlich nie heiraten, geschweige denn Kinder haben.“

„Ich bin in psychologischer Behandlung. Vielleicht ist die Hoffnung auf ein normales Leben für mich doch noch nicht verloren.“, sagte Joana. „Mein Partner und ich drücken Ihnen die Daumen. Und sollten Sie ihrem Prince Charming begegnen, seien Sie ehrlich zu ihm. Erzählen Sie ihm ihre Geschichte so, wie Sie sie uns erzählt haben.“

Unser Auftrag in Italien war beendet. Wir packten unsere Koffer, bezahlten die Rechnung und checkten aus. Wir fuhren zum Flughafen von Bologna zurück, wo wir unseren gemieteten Fiat bei der Autovermietung zurückgaben. Wir gaben unsere Koffer am Schalter von Ryan Air auf und machten uns dann auf den Weg zur Sicherheitsschleuse. Wie bisher schlug der Scanner bei uns nicht an. Um 11:25 Uhr startete unser Flieger nach Frankfurt, wo wir nach einer Flugzeit von 1 h 20 Minuten, um 12:45 Uhr auf dem RheinMain-Flughafen landeten. Meine jüngere Schwester Samantha holte uns ab.

Später am Abend saßen Samantha und ich zusammen mit Camille und Kelly beim Abendessen im Wohnzimmer von Samanthas Apartment. Wir hatten uns bei einem Italiener eine Pizza bestellt. „Warum hat die Schwester von diesem Motorradfahrer dem bösen Onkel die Speikobra vor die Nase gehalten?“, fragte Camille. „Der „böse Onkel“ hat ihr sehr weh getan. Er hat bekommen, was er verdient.“ „Warum wird er nicht vor Gericht gestellt und verurteilt?“ „Weil man einen Toten nicht 150

mehr verurteilen kann. Der Mann hat eine Zyankali-Kapsel genommen. So hat er sich dem Gesetz entzogen.“ „Dieser Feigling! Er hätte sich vor Gericht für seine Verbrechen verantworten sollen!“, rief Camille aufgebracht. „Seine Nichte muss es jedenfalls nicht. Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Anklage.“ „Das ist etwas ungewöhnlich.“ „Bei der Vorgeschichte von Joana Batista, kein Wunder.“, sagte ich. „Ich habe kein Mitleid mit dem Kerl. Er soll in der Hölle schmoren.“ Kelly hatte diese Worte ausgesprochen.

„Du scheinst ja nicht viel für den bösen Onkel übrig zu haben, Tante Kelly.“, sagte Camille. „Wer seine eigene Nichte vergewaltigt und obendrein noch den eigenen Neffen als Faustpfand im Streit mit dem eignen Bruder missbraucht, der hat es nicht besser verdient.“ „Leute, ich finde wir könnten auch mal das Thema wechseln.“ „Finde ich auch. Was gibt’s denn so neues in Frankfurt?“ „Sie haben den Brandstifter geschnappt, der 2017 den Wasserpavillon im chinesischen Garten vom Bethmann-Park abgefackelt hat.“, sagte Camille. „Das wurde auch mal langsam Zeit. Wie haben Sie ihn erwischt?“ „Er wollte eines der Fahrgastschiffe der Primus-Linie, die Maria Sybilla Merian, in Brand stecken. Ein Mitarbeiter der Reederei hat ihn beobachtet und die Polizei alarmiert. Der Mann wollte gerade einen Molotowcocktail werfen, als ihn die Beamten überwältigt haben.“, sagte Samantha. „Wer war er?“ „Ein 34jähriger Deutsch-Türke. Wohnhaft gemeldet ist er in Offenbach.“ „Weiß man denn schon, warum er den Feuerteufel gespielt hat?“ „Auf der Wache hat er ausgesagt, dass er Frankfurt hasst und dass die Wahrzeichen eigentlich den Offenbachern gehören.“ „Der hat ja wohl nicht mehr alle Latten am Zaun.“ 151

13. Fall - Psychoterror in Portimao

13. Fall – Psychoterror in Portimao

Der dritte Fall im neuen Jahr führte Jelena und mich nach Portugal. Genauer gesagt, an die wunderschöne Algarve. Es war März und die Karnevalszeit näherte sich ihrem Höhepunkt. Jelena und ich waren beide keine großen Fans von Karneval und „HELAU!“-Rufen. Brit war schon eher dafür zu haben. Sie hatte sich für Rosenmontag freigenommen. Ich war als erster im Büro. Jelena kam 10 Minuten später. „Tut mir leid, ich hab verpennt.“, sagte sie. „Macht nichts. Ich hab in der Zwischenzeit mal unseren Anrufbeantworter abgehört. Eine Nachricht ist eingegangen.“ „Lass mal hören.“ Ich spielte das Band des AB´s ab. Eine Frauenstimme erklang. „Mr. MacLain, Miss Romanova. Mein Name ist Adriana de Sousa. Ich bin Psychotherapeutin mit Praxis in Portimao. Ich brauche Ihre Hilfe.Ich bin am Dienstag, den 5.3.2019 in Frankfurt und könnte um 10:00 Uhr zu einem persönlichen Gespräch bei Ihnen im Büro vorbeikommen.“ Ein Piepton ertönte, der das Ende der Nachricht anzeigte. „Was meinst du Jelena?“ „Riecht nach einem neuen Fall, würde ich sagen.“ „Zwei Hirne, ein Gedanke.“

Am Tag darauf klingelte es an der Tür. Brit betätigte den Türöffner. Kurze Zeit später hörten wir Schritte auf der Treppe. Dann klopfte es. „Herein!“, rief ich. Die Tür öffnete sich und eine Frau trat ein. Sie war 1,70 m groß und hatte einen schlanken Körper und dazu eine üppige Oberweite. Die braunen Augen im runden Gesicht blickten unsicher drein. Die länglichen, dünnen Lippen waren zusammen gekniffen. Ein klares Indiz dafür, dass unsere Besucherin nervös war. Die schwarzen Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Schultern reichten. Die etwas breite Nase passte dennoch zu ihrer ganzen Erscheinung. Bekleidet war unsere Besucherin mit einer schwarzen Bluse, einem grauen Minirock, schwarzen, halterlosen Nylonstrümpfen und weißen, langschäftigen Winterstiefeln. „Ich bin doch hier richtig bei Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte sie unsicher. „Das sind Sie in der Tat. Ich gehe dann wohl richtig in der Annahme, dass Sie Adriana de Sousa sind?“ „Ja, das stimmt.“

„Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden?“, wollte Jelena wissen. „Ihr jüngster Erfolg war tagelang das Gesprächsthema Nr. 1 bei uns in Portimao.“ „Uns wurmt, dass sich dieser Drecksack dem Gesetz entzogen hat.“, sagte Jelena bitter. „Da steckt man nicht drin. Aber Sie beide haben dieses perfide Komplott aufgedeckt.“ „Das ist durchaus richtig. Aber was können meine Partnerin und ich für Sie tun, Miss de Sousa?“, fragte ich. „Ich werde seit letztem Jahr psychisch unter Druck gesetzt. Obwohl, terrorisiert trifft es eigentlich besser.“ „Was genau ist passiert?“ „Einer meiner Patienten, ein Jugendlicher im Alter von 15 Jahren, Miguel heißt er, hat sich im November 2018 aus bisher unerklärlichen Gründen erhängt. Er hat keinen Abschiedsbrief oder so was hinterlassen.“ „Was ist nach Miguels Suizid passiert?“, wollte ich wissen. „Sein Vater Pedro hat sich mit einer Pistole erschossen.“ „Verstehe. Und Miguels Mutter macht Sie für diese Tragödie verantwortlich.“ „So ist es, Miss Romanova.“ „Wie äußert sich dieser Psychoterror?“, hakte ich nach. Adriana de Sousa griff in ihre Handtasche und holte ein Bündel Briefumschläge heraus.

Ich nahm einen und zog ein Blatt Papier heraus. Mir fiel auf, dass der 152

Text aus Fragmenten verschiedener Tageszeitungen zusammengesetzt war. So erkannte ich unter anderem die New York Times, die Frankfurter Rundschau, Le Monde aus Frankreich, die italienische Corriere della Serra und die spanische El Mundo. „Gestehen Sie, dass Sie für den Tod meines Sohnes und meines geliebten Mannes verantwortlich sind. Wenn nicht, werden die Konsequenzen für Sie grausam sein.“, war der Text der Nachricht. Eine andere Nachricht hatte folgenden Text: „Ich werde erst Frieden finden, wenn Sie tot sind.“ Eine dritte Nachricht lautete: „Sie können mir nicht entkommen. Ich werde Sie töten.“ „Das ist der aktuellste Drohbrief, den ich erhalten habe.“, sagte Adriana de Sousa. „Wann kam er?“ „Letzte Woche Mittwoch.“ „Sie sagen, die Mutter des Jungen gibt Ihnen die Schuld an ihrem Unglück. Würden Sie uns den Namen der Dame verraten?“ „Alessia Correia.“ „Wir wären bereit den Fall zu übernehmen. Vorausgesetzt, wir werden uns bezüglich der Höhe des Honorars einig.“ „Sind 50.000 für jeden von Ihnen genug?“ „Wir nehmen an. Können Sie uns ein Hotel in Portimao empfehlen?“

„Das „Santa Catarina“. Es hat zwar nur 3 Sterne, kann aber vom Essen und vom Komfort der Betten mit jedem 4- oder 5-Sterne-Hotel konkurrieren.“ „Danke für den Tipp.“ „Auf eines möchte ich Sie beide noch aufmerksam machen. Sämtliche Hotels sind in Praia da Rocha angesiedelt. Man könnte sagen, das ist der touristische Vorort von Portimao.“ „Sonst noch etwas, das wir wissen müssten?“, fragte Jelena. „Ein bisschen Portugiesisch sollten Sie schon drauf haben. Wenn Sie einkaufen gehen und sich bedanken wollen, sagen Sie „Obrigada“. Sagen Sie niemals „Gracias“, die spanische Vokabel für Danke. Wir Portugiesen mögen das nicht besonders. Wenn Sie guten Morgen sagen wollen, sagen Sie „Bom Dia“. Guten Tag bzw. guten Abend heißt „Boa Tarde“. Zumindest diese drei Begriffe sollten Sie drauf haben.“

Am Freitag den 08.03.2019, brachte uns meine Schwester Samantha zum Flughafen. An der Sicherheitsschleuse verabschiedete sie sich. „Kommt gesund nach Hause.“, sagte sie. „Worauf du deinen süßen Arsch verwetten kannst, Schwesterherz.“ „Wie ordinär.“

Um 12:00 startete unser Flieger, um nach einer Flugzeit vom 3 h 15 Minuten auf dem Aeroporto de Faro zu landen. Da Portugal von der Zeitzone eine Stunde hinter Europa zurück war, landeten wir statt um 15:15 Uhr, um 14:15 Uhr. Bei einer Autovermietung am Flughafen von Faro mieteten wir uns, nachdem wir unsere Koffer abgeholt hatten, einen Seat Alhambra Reference mit dem 2,0 TDI Ecomotive Motor mit 150 PS. Lackiert war der Van in Romance Rot und war im Innenraum mit grauen Sitzbezügen aus Stoff Modell „Sada“ ausgestattet. Auch das Lifestyle-Paket war mit enthalten. Die Außenspiegel waren elektrisch anklappbar und hatten Umfeldbeleuchtung. Die hinteren Seitenscheiben und die Heckscheibe waren getönt und zu 65% Licht abweisend. In der Dachkonsole am Dachhimmel war noch ein Komfort-Ablagekorb montiert. Die Autovermietung hatte noch zusätzlich die Klimaanlage „Climatronic“ mit drei Klimazonen sowie getrennter Temperaturregelung für vorne und hinten bestellt. In der ebenfalls enthaltenen Mittelarmlehne vorne war noch eine Ablagebox angebracht und dazu kam noch der digitale Radioempfang DAB+. Außerdem verfügte unser Mietwagen über die 153

Diebstahlwarnanlage und Innenraumüberwachung und das Back-up-Horn. Auch der Abschleppschutz war vorhanden. Als weitere Extras waren noch die Geschwindigkeitsregelanlage sowie die Seitenairbags hinten und die Ultraschall-Einparkhilfe vorne und hinten mit eingebaut worden. Auf den Rädern waren die als Ganzjahresreifen ausgeführten Mobilitätsreifen 205 / 60 R16 aufgezogen. Die Autovermietung hatte noch zusätzlich die Herstellergarantie um 3 Jahre bzw. 150.000 Km verlängert. Als Zubehör hatte der Autovermieter noch den Einstiegsleisten-Satz aus Edelstahl mit dem „Alhambra“-Schriftzug sowie Schmutzfänger vorn und hinten. Außerdem hatte man die Laderaumschale für 5-Sitzer, sowie einen Satz Winter-Kompletträder auf 17-Zoll-Leichtmetallfelgen noch mitbestellt.

Über die Autobahn A22 fuhren wir in 52 Minuten nach Portimao, wo wir um 16:15 Uhr am Hotel Santa Catarina vorfuhren. Während ich unsere Koffer aus dem Auto holte, erledigte Jelena den Check-In. Dann parkte ich unseren Seat auf dem uns zugewiesenen Parkplatz. Danach bezogen wir unsere Zimmer, die dieses Mal auf unterschiedlichen Etagen lagen. Während Jelenas Zimmer im vierten Stock lag, befand sich meins im sechsten. Ich hatte ein Zimmer mit Meerblick. Als ich es betrat, bemerkte ich einen auberginefarbenen Trolli. Ich wusste, wem er gehörte. Und selbst wenn ich den Trolli übersehen hätte, spätestens bei der dezenten Parfümnote, die durch den Raum wehte, wären alle Zweifel ausgeräumt gewesen. Diesen Duft würde ich überall wiedererkennen. Denn „By Night“ aus der Kollektion von Christina Aguilera konnte sich nicht jeder leisten.

Die Tür zum Badezimmer öffnete sich und eine Frau kam heraus. Und diese Beauty war niemand anderes als meine Verlobte Kelly Ling.

Nach einer innigen Umarmung und einem langen Kuss sagte ich: „Sag mal Kelly, was um alles in der Welt machst du hier?“ „Ich habe mein Patenkind besucht. Eigentlich wollte ich ja gestern schon wieder nach Hause fliegen. Aber als ich hörte, dass du kommst, und dieses Zimmer reserviert hast, habe ich spontan verlängert. Und wer weiß, vielleicht hilft das, was ich dir zu erzählen habe, bei euren Ermittlungen.“ „Dann lass mal hören.“, sagte ich. In diesem Moment klopfte es an der Tür. Ich öffnete. Jelena stand draußen. „Bist du allein?“, fragte sie. „Kelly ist bei mir. Sie hat Ihr Patenkind besucht und wollte gestern schon abgereist sein. Aber als sie gehört hat, dass wir kommen, hat sie verlängert.“ „Das passt mir gar nicht, Paul.“ „Möglicherweise hat sie ein paar wertvolle Informationen für uns.“

„Wusstet Ihr, dass Dr. de Sousa Kinder und Jugendliche psychologisch betreut, die von ihren Eltern oder Verwandten sexuell missbraucht wurden?“, fragte Kelly. „Nein.“ „Dann wisst Ihr es jetzt. Mein Patenkind Elena ist ebenfalls bei ihr in Behandlung. Miguel war ebenfalls in ihrer Gruppe.“ „Das heißt Elena und Miguel haben sich gekannt.“, sagte Jelena. „Richtig. Miguel stand kurz vor dem Ende seiner Therapie, als es passiert ist. Elena war die einzige, der er es erzählt hat.“ „Was genau hat sich zugetragen?“ „Miguels Tante mütterlicherseits war zu Besuch. Sie war es auch, die ihn missbraucht hat.“ „Miststück.“, fauchte Jelena. 154

„Sie hat ihren Neffen in der Küche an Händen und Füßen an einen Stuhl gefesselt und ihm die Hose und die Unterhose runter gezogen.“ „Wie gemein.“ „Dann hat sich die Tante auf seinen Schoß gesetzt, und ihn gezwungen es auf griechisch mit ihr zu machen. Ihr wisst, was ich meine.“ „Das ganze hat ihn wohl völlig aus der Bahn geworfen.“ „Genau so ist es. Denn nachdem sich Miguel Elena anvertraut hatte, hat er sich erhängt.“, sagte Kelly.

„Weiß Dr. de Sousa davon?“, fragte ich. „Elena wollte es ihr berichten. Aber zuerst wollte sie sich mir anvertrauen.“ „Gut, dass sie es getan hat. Du hast Licht in einen Umstand gebracht, der für unsere Ermittlungen entscheidend sein könnte.“ „Mich würde vor allem eines interessieren.“, sagte Jelena. „Was?“ „Weiß Miguels Tante von dem Gespräch zwischen ihrem Neffen und deinem Patenkind?“ „Keine Ahnung. Aber Elena hat mir noch etwas erzählt.“ „Was?“, fragte ich. „Das Miguels Tante ihrem Neffen gedroht hat. Sie wollte ihn in eine geschlossene Irrenanstalt einliefern lassen, sollte er mit irgend jemandem darüber reden.“ „Er sollte also schweigen.“ „Richtig. Und an der Angst, den Rest seines Lebens in einer Klapse verbringen zu müssen, eingesperrt in eine Gummizelle mit einer Zwangsjacke gesichert, ist Miguel zerbrochen. Er sah keinen anderen Ausweg mehr, als Selbstmord.“

„Jetzt wird mir so einiges klar. Die Tante versucht alles, um ihr Verbrechen zu vertuschen.“, sagte ich. „Was ich aber nicht ganz verstehe ist, wieso Miguels Mutter Dr. de Sousa die Schuld am Freitod ihres Sohnes und ihres Mannes in die Schuhe schiebt.“ „Es ist leicht, einem Menschen, der voller Trauer ist, einzureden, das die eigene Sicht der Dinge die richtige ist, auch wenn es in Wirklichkeit anders war.“ „Das würde bedeuten, dass Alessia Correia von ihrer Schwester manipuliert wird. Aber wieso?“ „Ganz einfach. Die Tante von Miguel kann keine Mitwisser gebrauchen. Und deshalb zögert sie nicht, ihre eigene Schwester zu ihrem Werkzeug zu machen.“, sagte ich.

Nach dem Abendessen, das gehalten hatte, was unsere Klientin versprochen hatte, gingen Jelena und ich am Strand spazieren. In einer der vielen Bars trafen wir auf eine Frau Anfang der 40er Jahre. Sie war vielleicht 1,66 m groß, besaß einen schlanken Körper und eine üppige Oberweite. Ihre dunkelbraunen Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. Eine Sonnenbrille verdeckte ihre Augen. Das ovale Gesicht mit der schmalen Nase und den sinnlichen Lippen hätte man durchaus als hübsch bezeichnen können, wenn dieser verbitterte Gesichtsausdruck nicht gewesen wäre. Bekleidet war die Frau mit einem Schwarzen Bikini und schwarzen Sandaletten. Offenbar hatte uns die Dame bemerkt, denn sie gab Jelena und mir ein Zeichen.

„Sind Sie Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte die Frau, als wir näher getreten waren. „Wer will das wissen?“ „Ich bin Alessia Correia. Die Mutter von Miguel, dem Jungen, der sich letztes Jahr erhängt hat.“ „Was wollen Sie von uns?“, fragte Jelena. „Ich weiß, dass Sie für Dr. de Sousa arbeiten. Ich war heute bei ihr in der Praxis um sie noch weiter unter Druck zu setzen. Ich habe an der Tür gelauscht und so erfahren, dass sich mein Sohn doch jemandem anvertraut hat. 155

Es ist seine Freundin Elena, die er bei Dr. De Sousa kennengelernt hat. Sie war ein paar Mal bei uns zu Hause. Ein sehr nettes Mädchen.“ „Meine Verlobte Kelly Ling ist Elenas Patentante. Sie hat uns erzählt, was Elena ihr anvertraut hat.“ „Dann wissen Sie also dasselbe wie ich.“, sagte Alessia Correia und nahm ihre Sonnenbrille ab. Zwei rotgeweinte blaue Augen kamen zum Vorschein. „Sie trauern offenbar immer noch um ihren Sohn und um ihren Mann.“ „Nein. Meine Tränen sind Tränen der Scham. Denn ich schäme mich dafür, dass ich mich von meiner eigenen Schwester habe manipulieren lassen. Sie hat mir eingeredet, dass es Dr. de Sousa war, die sich an meinem Sohn vergangen hat. Dabei war es Esmeralda selbst. Ich hasse sie für das, was sie meinem Sohn angetan hat. Aber für Elena wird es jetzt sehr gefährlich. Bringen Sie das Mädchen außer Landes. Wenn meine Schwester erfährt, dass mein Sohn sich dem Mädchen anvertraut hat, bringt sie Elena um.“

Später am Abend sprach ich mit Kelly. „Ich rede morgen mit ihr.“ „Mach das. Aber beeil dich. Ich habe das Gefühl, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt.“ Und mein Gefühl hatte mich nicht getäuscht. Denn als Jelena und ich uns am nächsten Morgen am Hafen umsahen, sahen wir ein junges Mädchen, das auf dem Boden kniete. Hinter ihm stand eine Frau mit einer gezogenen Waffe. Ich erkannte eine Pistole aus dem Hause Browning. Jelena und ich pirschten näher heran, um mehr mitzubekommen. „Miguel hat mein Verbot missachtet und dir alles erzählt. Wer weiß sonst noch davon?“, sagte die Frau. „Meine Patentante und Dr. de Sousa.“ „Dann werden sie auch sterben müssen. Aber jetzt bist Du dran. SAG DER WELT AUF WIEDERSEHEN!“

In dem Moment krachte ein Schuss. Jelena hatte ihn abgegeben. Ich zog meine Walther und feuerte ebenfalls. Die unbekannte Frau erwiderte das Feuer. Zuerst schoss sie auf Jelena, dann auf mich. Ich feuerte zwei weitere Schüsse ab. Eines der Projektile scheuchte eine Möwe auf, die sich auf ihre Art und Weise an unserer Gegnerin rächte. Diesen glücklichen Umstand nutzten Jelena und ich, um mit dem Mädchen abzuhauen.

Später im Hotel sprachen Jelena und ich mit Kelly. „Du musst sofort abreisen, Schatz. Für dich und Elena wird es jetzt zu gefährlich. Die Tante hat von dem Gespräch zwischen ihrem Neffen und deinem Patenkind erfahren. Wir haben sie überrascht, als sie Elena töten wollte. Aber dieses Miststück, will nicht nur dein Patenkind umbringen, sondern auch dich und unsere Klientin.“, sagte ich. „Ich werde abreisen. Dir und Jelena viel Glück.“

Noch am selben Tag hatte Jelena Kelly und Elena nach Faro zum Flughafen gebracht. Ich war in Portimao geblieben und hatte mich noch mal am Hafen umgesehen. Dort hatte ich zwei Streifenwagen gesehen. Einer der Beamten hatte mich offenbar bemerkt, denn er kam zielstrebig auf mich zu. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie anspreche, aber waren Sie an der Schießerei hier beteiligt?“, fragte er. „Wollen Sie mich und meine Partnerin etwa verhaften?“ „Aus Ihrer Gegenfrage schließe ich, dass zumindest Sie beteiligt waren. Und was Ihre Frage angeht, so kann ich Sie beruhigen. Es liegt kein Haftbefehl gegen Sie vor, Senhor.” 156

„Gut das zu wissen. Fragen Sie mich, was Sie wissen wollen.“ „Zunächst bräuchte ich Ihre Personalien.“ „Reicht mein Dienstausweis?“ „Fürs Erste.“ Ich gab ihm den Ausweis. „Paul MacLain. Detektivbüro MacLain – Romanova. Das heißt Sie und Mr. Romanova sind Privatdetektive, wenn ich das richtig verstehe, Mr. MacLain.“ „Im großen und ganzen haben Sie Recht. Jelena Romanova und meine Wenigkeit sind Privatermittler.“ „Also haben Sie eine Partnerin statt eines Partners.“ „Das sagte ich vorhin.“ „Würden Sie mir schildern, was sich zugetragen hat?“

Ich schilderte dem Polizeibeamten meine und Jelenas Beobachtungen. Außerdem beschrieb ich ihm die Frau, die Elena töten wollte. „In dem Fall haben Sie und Ihre Partnerin richtig gehandelt. Aber Dr. de Sousa wird jetzt stärker in den Fokus dieser Frau rücken.“ „Warum denn dieses?“ „Sie und Miss Romanova haben zwei Zielpersonen dem Zugriff dieser Frau entzogen.“ „Ich werde nicht zulassen, dass dieses Flintenweib, meiner Verlobten den Atem nimmt. Eher verpass ich ihr eine Kugel.“

Jelena kam dazu. Auch sie zeigte dem Polizisten in Uniform ihren Dienstausweis. „Wer ist diese Frau eigentlich?“ „Ihr Name ist Esmeralda Texeira. Eine ganz linke Bazille, wenn Sie mich fragen.“ „Wie dürfen wir das verstehen?“ „Nun ja. Diese Frau geht über Leichen. Ihren Schwager Pedro Correia konnte Esmeralda Texeira auch nie leiden. Sie war sogar gegen die Hochzeit ihrer Schwester mit Pedro Correia.“ „Warum das denn?“, wollte Jelena wissen. „Die beiden Familien sind seit Generationen miteinander verfeindet. Alessia wollte dem ganzen ein Ende bereiten. Aber Esmeralda war nicht gewillt, das zuzulassen. Eine Aussöhnung mit den Correias kam für sie nicht infrage.“ „Und deswegen hat sie ihren Neffen auch sexuell missbraucht.“, sagte ich. „Wir vermuten, dass es sich so zugetragen hat. Esmeralda Texeira wollte sogar die Therapie bei Dr. de Sousa verhindern. Das Dumme ist aber, wir können ihr nichts nachweisen.“ „Und wenn Dr. de Sousa Ihnen sämtliche Akten über Miguel Correia aushändigen würde?“ „Dann hätten wir dieses miese Stück Scheiße am Haken. Aber die Krux ist, dass Dr. de Sousa an die ärztliche Schweigepflicht gebunden ist.“ „Wir wären bereit, unsere Klientin schriftlich davon zu entbinden.“ „Das wäre zu freundlich von Ihnen.“

Nach dem Gespräch mit dem Polizisten suchten wir unsere Klientin in ihrer Praxis auf. Der Eingangsbereich war mit einem Teppich in königsblau mit goldenen Kronen darauf ausgelegt. An den Wänden hingen Bilder bekannter Impressionisten. So konnte ich unter anderem das Bild „Das Mädchen mit der Taube“ von Pablo Picasso oder ein Bild von Claude Monet „Bahnhof Saint Lazare in Paris Ankunft eines Zuges“ erkennen. Hinter dem Empfangstresen der aus weißem Marmor gefertigt war, hing noch das Bild „Diana als Jägerin“, von Auguste Renoir an der Wand. Im Wartezimmer, das mit bequemen Veloursstühlen bestückt war hing ein Regal aus edlem Mahagoniholz an der Wand. Auch der Teppich war derselbe wie im Vorzimmer. Hinter dem Tresen stand die Sprechstundenhilfe, eine 23jährige Blondine mit grünen Augen, einem schlanken Körper und kleinen Brüsten. Sie war 1,68 m groß und hatte ein ovales Gesicht mit einer breiten Nase und sinnlichen Lippen. 157

Die blonden Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten.

Bekleidet war die junge Dame mit einem blauen Babydollkleid und Schuhen mit flachen Absätzen in derselben Farbe wie das Kleid. „Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte sie mit einer sanften und Vertrauen erweckenden Stimme. Wir zeigten ihr unsere Dienstausweise. „Ihre Chefin ist unsere Klientin. Wären Sie so freundlich und würden Dr. de Sousa benachrichtigen?“, sagte Jelena. „Bitte warten Sie einen Augenblick.“

Nur kurze Zeit später kam Adriana de Sousa aus dem Gruppenzimmer. „Sie kommen sehr ungelegen. Ich habe gerade meine Sitzung.“ „Es dauert nicht lange. Wir haben für Sie dieses Dokument aufgesetzt, in dem wir Sie von ihrer Schweigepflicht entbinden. Denn nur wenn Sie der Polizei sämtliche Akten aushändigen, die den Fall Miguel Correia betreffen, kann die Polizei Esmeralda Texeira etwas nachweisen und sie verhaften.“ „Verstehe. Bitte kommen Sie.“, sagte Dr. de Sousa und ging in ihr privates Sprechzimmer. Dort holte sie einen Stehsammler mit der Aufschrift „Miguel Correia“ aus dem Regal und gab ihn uns. „Hier sind die Unterlagen. Es ist alles aufgezeichnet. Das sollte reichen um seine Tante hinter Gitter zu bringen.“ „Danke. Nur eines sollten sie noch wissen. Esmeralda Texeira ist zu allem entschlossen um ihr Verbrechen zu vertuschen. Gehen Sie, wenn möglich, nie alleine aus dem Haus. Wenn nötig rufen Sie uns an. Wir holen Sie dann ab. Hier sind unsere Handynummern.“, sagte ich und gab unserer Klientin unsere Visitenkarten.

Nach unserem Abstecher in der Praxis von Adriana de Sousa fuhren Jelena und ich zur nächsten Polizeiwache, wo wir dem Polizisten, mit dem wir am Hafen gesprochen hatten, den Ordner mit den Sitzungsprotokollen von Miguel Correia übergaben. Die Auswertung dauerte einige Tage, doch zu guter Letzt kam man bei der Polizei von Portimao zu dem Schluss, dass das Material ausreichte, um ein Ermittlungsverfahren gegen Miguels Tante Esmeralda Texeira einzuleiten. Dr. Ricardo Calapaz der für Portimao zuständige Staatsanwalt hatte persönlich die Ermittlungen an sich gezogen. In der Zwischenzeit hatten wir unsere Klientin von zu Hause abgeholt und zu ihrer Praxis gebracht. Auch auf dem Rückweg hatten wir sie begleitet.

Doch wir hatten Esmeralda Texeira gewaltig unterschätzt. Sie war wie eine Spinne, die am Rande ihres Netzes auf Beute lauert. Zwei mal war ihr die sicher geglaubte Beute entkommen. Es geschah am Freitag, den 22.03.2019. Um 8:00 Uhr hatte uns Adriana de Sousa angerufen und uns wissen lassen, dass wir sie abholen sollten, um sie in ihre Praxis zu bringen. Doch als wir am Haus unserer Klientin vorfuhren, stand die Tür offen. Das bedeutete ganz sicher nichts gutes. Mit gezogenen Waffen betraten wir das Haus. Das Bild das sich uns bot, war entsetzlich. Überall im Haus waren Möbelstücke umgeworfen worden, als ob jemand die Psychotherapeutin gejagt hätte. Wir ahnten schlimmes. Im Ankleidezimmer fanden wir nur den weißen Morgenmantel aus feinster Seide, den Dr. de Sousa oft getragen hatte, wenn wir sie nach Hause gebracht hatten.

Während ich mich im Ankleide- und im angrenzenden Schlafzimmer umsah, 158

inspizierte Jelena das Badezimmer. Ich sah mir gerade einige Dokumente an, die ich in der obersten Schublade der Kommode, die neben dem Bett stand, gefunden hatte, als ich Jelenas Schreckensschrei aus dem Badezimmer hörte. „Paul! Komm schnell!“, rief sie. Ich eilte sofort ins Badezimmer. Ich erwartete unsere Klientin dort tot vorzufinden. Jedoch fanden wir die Haushälterin Consuelo Lopez dort vor. Die Spanierin war durch mehrere Schüsse lebensgefährlich verletzt worden, doch noch war Leben in ihr. „Soll ich den Notarzt rufen Paul?“, fragte Jelena. „Das wird nicht nötig sein. Ruf lieber einen Leichenbestatter. Wir können für Consuelo nichts mehr tun.“

Offenbar hatte Adriana de Sousas Haushälterin noch genug Kraft, dass sie einige Worte sprechen konnte. „Sie war da … Esmeralda Texeira. Sie hat Dr. de Sousa durch das ganze … Haus gejagt. Auf der Terrasse hat … sie sie dann eingeholt.“ Ein Hustenkrampf schüttelte sie durch, ehe sie weitersprach. „Sie … hat meine Chefin an den Händen gefesselt und sie dann … betäubt.“ Consuelo Lopez atmete ein letztes Mal aus, dann kippte ihr Kopf nach links weg.

Während die Polizei am Tatort die Spuren sicherte, befragten wir die Nachbarn unserer Klientin. Ein Rechtsanwalt, der direkt neben Adriana de Sousa wohnte konnte sich erinnern. „Es war 8:36 Uhr als ich diesen Wagen habe vorfahren sehen. Es war ein schwarzer VW Phaeton, aus der ersten Bauserie. Das Kennzeichen lautete BP-78-79. Um 8:50 Uhr habe ich dann gesehen, wie diese Frau Dr. de Sousa wie ein Kartoffelsack über der Schulter getragen hat und sie dann in den Fonds des VW befördert hat. Dann ist sie eingestiegen und ist weggefahren.“ „Wohin?“, fragte Jelena. „Es gibt eine Baustelle am Kreuzfahrthafen. Das Terminal soll um einen neuen Anbau vergrößert werden, da der Hafen von Portimao auch für die großen Kreuzfahrtschiffe ertüchtigt werden soll.“ „Wie sah die Frau aus?“ „1,60 m groß, korpulent. Graue Haare zu einem Dutt gebunden und ein rundes Gesicht mit braunen Augen“ „Vielen Dank.“

Wir fuhren so schnell wie es ging zur der besagten Baustelle. Als wir dort eintrafen, sahen wir den VW Phaeton auf dem Vorplatz des Hafens stehen. Jelena und ich stiegen aus und zückten unsere Waffen. Wir luden sie und entsicherten anschließend. Dann pirschten wir uns auf das Hafengelände. Zuerst waren wir etwas orientierungslos. Doch dann hörten wir das Lachen einer Frau, die dem Wahnsinn fast verfallen war. Wir schlichen näher heran. Jelena hörte als erste Esmeralda Texeiras Stimme. „Hast du wirklich geglaubt, dass du meinen Neffen vor mir beschützen kannst? Das hast du nie gekonnt, weil ich alle deine Bemühungen ihn zu retten bei jeder Gelegenheit torpediert habe.“ „Bitte. Lassen Sie mich gehen. Ich habe Ihnen nichts getan.“, hörte ich die flehende Stimme unserer Klientin. „Du dumme Nuss. Du weißt zu viel. Kelly Ling und Elena Perreira sind mir entkommen. Aber du entkommst mir garantiert nicht. Siehst du die Grube unter dir? Sie gefüllt mit frischem Zement. Ich lass dich verschwinden. Und zwar für immer.“ Und wieder ertönte dieses krankhafte Lachen. „Weißt du, ich will mal nicht so sein. Ich werde dir, großzügig wie ich bin, die Fesseln abnehmen, bevor du schon mal im Zement baden darfst. 159

Genieße es, solange du noch kannst.“ „Dafür werden Sie büßen.“ „Das glaube ich kaum. Vergiss nicht, das Tote nicht reden.“, sagte Esmeralda Texeira.

Ich spähte vorsichtig um die Ecke. Und was ich sah, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Adriana de Sousa stand splitternackt auf einer Arbeiterplattform, deren Boden sich über einen Hebel aufklappen ließ. An genau diesem Hebel zog Esmeralda Texeira nun und der Boden klappte unter den Füßen unserer Klientin weg. Mit einem lauten Angstschrei fiel Adriana de Sousa in die Baugrube und sank sofort bis zur Hälfte im flüssigen Zement ein. Nun gab Esmeralda Texeira den Fahrern der umstehenden Zementmischer ein Zeichen und diese fuhren rückwärts an die Grube heran. Dann hob sie ein Walkie Talkie an den Mund. „Wartet noch einen Augenblick. Ich will meinen Triumph noch ein wenig auskosten. Wenn ich „ABLADEN“ sage, dann lasst Ihr den Zement in die Grube ab.“, sagte die Verrückte in ihr Gerät. „Verstanden, Boss.“

Ich entdeckte die Hydraulik und ging darauf zu. Ich wollte gerade danach greifen, als sich Esmeralda Texeira zu mir umdrehte. „Nehmen Sie ihre Hände da weg!“, befahl sie. Doch ich ging nicht darauf ein. Stattdessen betätigte ich die Kontrollhebel und senkte die Plattform nach unten. „ICH SAGTE HÄNDE WEG!!!“, schrie mich Miguels Tante an. Doch ich reagierte nicht. „ZUM LETZTEN MAL: HÄNDE WEG!!!“ Doch ich ignorierte den Befehl dieser Wahnsinnigen. „Na schön, ganz wie Sie wollen. Dann krepieren Sie eben als erster.“ Esmeralda Texeira zielte mit ihrer Browning auf mich, als ein Schuss fiel, der dieses Miststück in die Schulter traf. Die Frau drehte sich um und sah sich Jelena gegenüber, die nun ihrerseits ihre Makarow auf sie richtete. „Das Spiel ist aus, Fettbacke.“ „Oh nein! Es ist erst vorbei, wenn Adriana de Sousa tot und begraben ist.“ Die Wahnsinnige zielte nun mit ihrer Pistole auf unsere hilflose Klientin, die im noch flüssigen Zement in der Falle saß.

Ich stürmte von hinten heran und riss diese verrückte Person von den Beinen. Sie versuchte nach mir zu treten, doch ich rammte ihr eine Links-Rechts-Kombination direkt in die Magengrube und schickte sie dann mit einem Schlag ins Gesicht ins Reich der Träume. „Ich dachte du schlägst keine Frauen, Paul.“, sagte Jelena. „Bei dieser hinterhältigen Fotze mach ich eine Ausnahme.“ In diesem Moment ging das Walkie Talkie und einer der LKW-Fahrer meldete sich zu Wort. „Was ist jetzt? Sollen wir den Zement jetzt abladen oder nicht?“ „Das lassen Sie schön bleiben. Es sei denn, Sie wollen sich zusammen mit Ihrer Auftraggeberin wegen vorsätzlichen Mordes vor Gericht verantworten.“, sagte Jelena kalt.

Eine Woche nach dem wir Esmeralda Texeira hatten hoch gehen lassen, machte man der alten Dame den Prozess. Die Verteidigung hatte versucht, einen Wechsel des Richters durch einen Befangenheitsantrag zu erzwingen, doch es brachte nichts. Man versuchte sogar, Elena Perreira für verrückt erklären zu lassen und sie in eine geschlossene Irrenanstalt einzuliefern zu lassen, und sie gesichert mit einer Zwangsjacke in einer Gummizelle einzusperren. Doch auch dieser Antrag scheiterte. Esmeralda Texeira bot unserer Klientin sogar ein Schweigegeld in Höhe von 1,2 Millionen Euro, sollte sie auf ihre Aussage verzichten. 160

Doch Adriana de Sousa lehnte ab. Die Verteidigung versuchte alles um einen Freispruch zu erreichen. Doch der Richter hatte kein Einsehen mit der Angeklagten. Am Ende erhielt Esmeralda Texeira die gerechte Strafe. Zuerst sollte sie für 3 Jahre ohne Bewährung ins Gefängnis. Danach ordnete der Richter einen dauerhaften Aufenthalt in einer geschlossenen Irrenanstalt an, eingesperrt in eine Gummizelle und gesichert mit einer Zwangsjacke.

Unser Auftrag war erledigt. Bevor wir auscheckten kam Adriana de Sousa noch mal vorbei. „Das war Rettung in letzter Minute. Und das hier hat ein Mitarbeiter der Telefongesellschaft in meinem Telefon entdeckt.“, sagte sie und hielt Jelena und mir ein kleines Gerät unter die Nase. „Das ist eine Wanze. Das bedeutet, dass Esmeralda Texeira die ganze Zeit über jeden Ihrer Schritte Bescheid gewusst hat.“ „Was werden Sie jetzt machen, Dr. de Sousa?“ „Reisen. Ich will mal raus, aus Portimao.“ „Und wohin?“ „In die USA. Ich wollte schon immer nach Las Vegas.“ „Dann wünschen wir Ihnen eine erholsame Zeit.“, sagte Jelena. „Danke. Vielleicht sehen wir uns noch mal, bevor ich fliege, denn ich bin vorher noch einmal in Frankfurt am Main, auf einem Kongress.“

Nach dem Treffen bezahlten wir die Rechnung und fuhren mit unserem Mietwagen zurück zum Flughafen von Faro, wo wir den Seat bei der Autovermietung zurückgaben. Wir gaben unsere Koffer auf und gingen dann zur Sicherheitsschleuse. Wie immer schlug der Scanner bei uns nicht an. Die Maschine der portugiesischen Fluggesellschaft TAP startete um 11:20 Uhr und landete um 15:35 Uhr auf dem Flughafen in Frankfurt am Main. Wir holten unsere Koffer und gingen dann zum Ausgang, wo meine Verlobte und ihr Patenkind auf uns warteten. „Willkommen zu Hause.“, sagte Kelly. „Tut gut, wieder zu Hause zu sein.“ „Habt Ihr diese Wahnsinnige wenigstens ihrer gerechten Strafe zugeführt?“, wollte Elena wissen. „Ja, das haben wir.“ „Sehr gut. Diese Frau darf nie wieder auf freien Fuß gesetzt werden.“

Später am Abend, saßen wir im Wohnzimmer meiner Wohnung und aßen zu Abend. „Wie kann eine Frau nur so wahnsinnig und krank im Kopf sein?“, fragte Camille. „Ich bin kein Psychologe. Ich bin Privatermittler.“ „Was ich nicht ganz verstehe, ist, was überhaupt zu dieser Generationen übergreifenden Fehde geführt hat.“, sagte Kelly. „Das kann nur Alessia Correia beantworten.“ Wie aufs Stichwort klopfte es an der Tür. Ich stand auf und ging zur Tür. Und als ich durch den Türspion blickte, sah ich draußen im Flur Alessia Correia stehen. Ich öffnete die Tür. „Guten Abend Miss Correia. Was führt Sie zu mir?“, fragte ich. „Ich wollte mich bei Ihnen und ihrer Partnerin bedanken. Und ich denke, ich schulde Ihnen beiden noch eine Erklärung.“ „Kommen Sie rein.“

Nachdem ich Alessia Correia meine Verlobte, meine Schwester sowie Camille als auch Kelly Patenkind vorgestellt hatte zog ich einen Stuhl heran und bat sie, sich zu setzen. „Jetzt bin ich aber mal auf Ihre Erklärung gespannt.“, sagte Jelena.„Die sollen Sie auch bekommen. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie gerne die 161

Hintergründe kennen würden, die zu dieser Fehde geführt haben, die über Generationen angedauert hat.“ „ Bitte.“ „Dazu muss ich aber etwas in der Zeit zurückgehen. Besser gesagt bis ins Jahr 1521. Es war auf Magellans letzter Reise. Es war am Strand der Insel Mactan im Kampf der Spanier unter Magellans Führung gegen Lapu Lapu den Häuptling der Nachbarinsel. Bei der Deckung des Rückzugs hat sich ein Schuss aus der Muskete von Enrico Correia gelöst und Ricardo Texeira getötet. Unsere Familie hat den Correias daraufhin ewige Rache geschworen.“ „Genau wie die MacLains den Doohans ewige Feindschaft geschworen haben. Aber mit dem Tod von Mick Doohan ist diese Angelegenheit beigelegt.“ „Ich wollte dieser Fehde ein Ende setzen. Ich habe gedacht, wenn ich mich gegen meine Schwester stelle und meinem Herzen folge, würde dieser unsinnige Streit für immer beigelegt.“ „Aber Ihre Schwester wollte auf die Feindschaft mit den Correias nicht verzichten.“ „Sie hat nur dafür gelebt.“

„Und deswegen hat Ihre Schwester alles kaputt gemacht, was Sie und Ihr Mann sich aufgebaut haben.“ „Ja. Aber versagt hat Esmeralda dennoch.“ „Wie jetzt?“ „Pedro und ich hatten noch ein Kind. Eine Tochter. Ihr Name ist Catarina. Sie hat einen Mann aus der Familie Correia geheiratet. Durch diese Hochzeit wurde der Jahrhunderte alte Streit ein für allemal beigelegt. Esmeralda wollte die alte Feindschaft um jeden Preis aufrecht erhalten und hat am Ende doch eine bittere Niederlage einstecken müssen. Ich habe meine Schwester vor drei Tagen im Gefängnis besucht und ihr von diesem freudigen Ereignis berichtet.“ „Wie hat Esmeralda darauf reagiert?“ „Sie ist ausgerastet. Und das hat dazu geführt, dass man sie gleich in einer Zwangsjacke in eine geschlossene Irrenanstalt eingeliefert und in einer Gummizelle eingesperrt hat.“ „Wie sagt man so schön? Wer anderen eine Grube gräbt fällt selbst hinein.“, sagte Camille. 162

14. Fall - illegales Glücksspiel in Sin City

14. Fall – illegales Glücksspiel in Sin City

Es war April 2019. Jelena und ich hatten einen neuen Fall zu bearbeiten, der uns dieses Mal in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die Vereinigten Staaten von Amerika führte. Genauer gesagt ging es nach Las Vegas genannt „Sin City“ - Stadt der Sünden. Da es etwas wärmer geworden war, war die allmorgendliche Joggingrunde durch den nahegelegenen Park wieder möglich. Brit Olson, unsere Sekretärin, hatte sich spontan angeschlossen.

Wir waren gerade im Büro angekommen und hatten uns umgezogen, als das Telefon klingelte. Brit nahm den Anruf entgegen. „Detektivbüro MacLain – Romanova, Sie sprechen mit Brit Olson.“ „Mein Name ist Stella Cox. Ich bin CEO im Westgate Las Vegas Resort in Las Vegas, kann ich Mr. MacLain oder Miss Romanova sprechen?“ „Einen Moment bitte.“ Brit drückte eine Zahlenkombination und dann die Rautetaste und legte den Anruf zu Jelena auf den Apparat. „Detektivbüro MacLain – Romanova, Jelena Romanova.“, meldete sie sich. „Stella Cox, CEO des Westgate Las Vegas Resort. Wir würden gerne Ihre Dienste in Anspruch nehmen.“ „Wie können mein Partner und ich Ihnen helfen?“ „Hier in Las Vegas macht sich eine Zockerbande breit. Im Visier dieser Bande stehen Leute, die am diesjährigen Finalturnier der World Series of Poker teilnehmen wollen.“ „Und wir sollen den Gamblern das Handwerk legen, nehme ich an.“ „Das erhoffen wir uns von Ihnen.“ „Ihnen ist schon klar, dass wir noch weitere Informationen benötigen.“, sagte Jelena. „Ich komme übermorgen nach Frankfurt. Ich besuche meine beste Freundin. Ich könnte um 10:00 Uhr bei Ihnen im Büro sein.“ „Gut. Freitag, 10:00 Uhr.“, sagte Jelena.

Am Freitag, den 05.04.2019 um 10:00 Uhr, klopfte es an unserer Tür. Brit ließ unsere Besucherin ein. Stella Cox war eine 1,73 m große Blondine mit einem schlanken Körper und einer ansehnlichen Oberweite. Ihre blonden Haare trug sie als Dauerwelle offen, sodass sie bis zu ihren üppigen Brüsten reichten. Ihr rundes Gesicht mit den schönen blauen Augen, den sinnlichen kurzen Lippen und der schmalen Nase war ebenfalls hübsch anzusehen. Bekleidet war die CEO des West Gate Las Vegas Resorts mit einem fliederfarbenen Kleid mit einem Blumenmuster aus Gold und Silber. Dazu trug sie Schuhe mit flachen Absätzen und halterlose Nylonstrümpfe in derselben Farbe wie das Kleid.

„Bitte setzen Sie sich doch, Miss Cox.“, sagte ich. „Danke.“ „Kommen wir zum Grund Ihres Besuches. Sie sagten am Telefon, dass eine Zockerbande ihr Unwesen in Las Vegas treibt, die es auf die Gelder der Teilnehmer abgesehen hat. Wozu werden die Gelder benötigt?“, fragte Jelena. „Es ist bei der WSOP üblich, dass sich die Leute, die an einem solchen Turnier teilnehmen wollen, sich dort „einkaufen“, in dem sie eine Startgebühr entrichten. Aus Gesamtanzahl der Teilnehmer und der Gesamtsumme der entrichteten Gebühren ergibt sich die Summe, die ausgezahlt werden kann.“ „Von welcher Größenordnung an Preisgeldern reden wir eigentlich?“ „Mr. MacLain, bei den Beträgen, die sich ansammeln, handelt es sich um Summen in Millionenhöhe. Siegprämien von 5 Millionen Dollar und mehr sind keine Seltenheit.“ 163

Jelena und mir blieb vor Erstaunen die Luft weg. „Ich wusste gar nicht, dass solche Summen im Spiel sind.“, sagte ich. „Bei den großen Teilnehmerfeldern kein Wunder. Aber wenn Sie etwas über die Verteilung der Gelder erfahren wollen, dann sollten Sie mit einem der Verantwortlichen, oder einem der Spieler reden.“ „So, und warum?“ „Weil ich von den Regeln bezüglich der Ausschüttung der Preisgelder keine Ahnung habe. Ich bin die CEO des Hotels das dieses Jahr als Austragungsort fungiert.“ In diesem Moment ging der Drucker los. Brit holte drei Blätter heraus und reichte sie mir.

„Was ist das denn?“, fragte ich, als ich die Seiten durchgesehen hatte. „Das sind sämtliche Deutschlandturniere der WSOP. Eines davon findet seit Montag im Radisson Blu hier in Frankfurt statt. Wäre eine günstige Gelegenheit sich mit den Spielern zu unterhalten und ein bisschen Fachwissen zu erlangen.“ Jelena nickte anerkennend. „Gar nicht mal schlecht, Brit.“, sagte sie. „Wann fängt der heutige Turniertag an?“ „Um 13:00 Uhr.“ „Wenn Sie wollen, besorge ich Ihnen zwei VIP-Ausweise.“, bot Stella Cox an.

Um 12:50 Uhr betraten wir das Foyer des Radisson Blu. Offenbar wurden wir schon erwartet, denn der Concierge händigte uns zwei VIP-Ausweise für das Poker-Turnier aus. Im Nachtclub waren mehrere Tische aufgestellt, an denen professionell Poker gezockt wurde. Da weder Jelena noch ich uns je mit Poker befasst hatten, erkannten wir keinen der anwesenden Profis. Doch mir fiel auf, das einige der Stars nicht spielten. Sie waren offenbar später am Tag an der Reihe. Der erste, der mir auffiel, war ein 55 Jahre alter, groß gewachsener Mann mit langen braunen Haaren und einem dichten braunen Bart. Seine braunen Augen die in einem ovalen Gesicht mit einer schmalen Nase und schmalen länglichen Lippen ruhten, verfolgten aufmerksam das Geschehen. Bekleidet war der Mann mit einer schwarzen Hose, einem rosa Hemd, einer schwarzen Jacke, schwarzen Socken und schwarzen Herrenschuhen. Auf dem Kopf trug er einen schwarzen Cowboyhut.

Auch Jelena hatte einen Spieler bemerkt, der im Publikum saß und das Geschehen an den Tischen aufmerksam beobachtete. Der Mann hatte schwarze, Haare und braune Augen. Ich schätzte sein Alter auf 39 Jahre. Dieser Profi hatte ein schwarzes Bärtchen am Kinn und trug eine Brille mit einem schwarzen Plastikgestell, das unten offen war. Den Körperbau dieses Pokerspielers hätte ich als athletisch bezeichnet. Am linken Handgelenk trug der Mann eine Uhr aus dem Hause Rolex und am rechten ein Armband aus Kettengliedern. Bekleidet war dieser Profispieler mit einer Blue Jeans und einem weiß-blau gestreiften Hemd. Am seinem Hals trug er eine Kette mit einem Kreuz.

Der dritte der Profizocker der uns auffiel, hatte dunkelbraune kurze Haare und braune Augen. Außerdem trug er eine Brille mit einem schwarzen Plastikgestell und an seinem linken Ohr zwei Ohrringe. Außerdem fiel mir der dichte braune Bart des Mannes auf. Die Gesichtsmatratze hob das runde Gesicht mit der Knubbelnase und den kurzen schmalen Lippen noch stärker hervor. Das Alter des Mannes schätzte ich auf 44 Jahre. 164

Bekleidet war dieser Pokerprofi mit einem roten T-Shirt, auf dessen rechter Seite ich das Logo der kanadischen Nationalmannschaft erkannte. Am unteren Ende des Aufnähers erkannte ich die rot-weiß-rot gestreifte Fahne mit dem roten Ahornblatt im weißen Streifen. Der Rest war schwarz Und ganz oben konnte ich ein rotes Pik-Symbol mit weißem Stern erkennen und darunter zuerst in Weiß das Wort „Team“ und nochmal darunter in Rot das Wort „Pro“. Dazu kam noch eine schwarze Jeans, schwarze Socken und schwarze Herrenschuhe. An seinem linken Handgelenk trug der Kanadier eine Herrenuhr mit schwarzem Zifferblatt und schwarzem Lederarmband und am rechten Gelenk ein schwarzes Gummiarmband.

Offenbar hatte uns der letzte Spieler, der uns aufgefallen war, bemerkt, denn er gab seinen beiden Kollegen ein Zeichen. Die drei Pokerprofis standen von ihren Plätzen auf und kamen zu uns. „Sind Sie beide Zuschauer, oder spielen Sie selbst bei diesem Turnier mit?“, fragte der Typ mit dem Cowboyhut. „Weder das eine, noch das andere. Wir sind hier um zu arbeiten.“ „Und in welcher Branche sind Sie beide tätig?“ Diese Frage hatte der Kanadier gestellt. „Meine Partnerin und ich sind Privatermittler.“ „Und für wen arbeiten Sie, wenn ich fragen darf?“, fragte nun der Schwarzhaarige. „Wir arbeiten für das West Gate Las Vegas Resort, das dieses Jahr das Main Event der World Series of Poker ausrichten wird. Mein Name ist übrigens Paul MacLain.“ „Jelena Romanova.“ „Mein Name ist Chris Ferguson. Und ich habe mich für den Main Event schon eingekauft.“ „Ich bin Daniel Negreanu.“ „Antonio Esfandiari, sehr erfreut.“

„Werden wir sie drei auch noch beim Main Event antreffen?“ „Ganz sicher. Denn wir haben unseren Buy-In auch schon hinter uns.“ „Und damit wären wir schon beim Thema. Gibt es eine feste Summe, die von der WSOP vorgegeben ist?“, fragte Jelena. „Die Höhe der Gebühr bestimmt der Teilnehmer selbst.“ „Und wird bei solchen Poker-Turnieren eigentlich nur eine Art gespielt oder gibt es da verschiedene Varianten?“ „Sie haben keine Ahnung, wie viele Varianten dieses Spiels es gibt. Wir drei spielen zum Beispiel Texas Hold Em. Dann gibt es noch Omaha Hi Low, dann das klassische Poker, mit fünf Karten usw.“, sagte Antonio Esfandiari. „Was mich interessieren würde, ist, wann Preisgelder ausgeschüttet werden.“, sagte ich. „Ob man Preisgelder bekommt oder nicht, hängt in der Regel davon ab, wie viele Pokerchips man noch hat. Man muss es mindestens unter die ersten 150 Plätze kommen, damit man einen Teil des Geldes ausgezahlt bekommt.“ Chris Ferguson hatte diese Auskunft erteilt. „Warum wollen Sie das alles wissen?“ „Mr. Negreanu, Stella Cox, die CEO Des West Gate hat uns darüber informiert, dass sich eine Zockerbande in Las Vegas breit macht, die es auf die Gelder der möglichen Teilnehmer abgesehen hat.“ „“Wenn das stimmt, dann können Sie Hilfe brauchen.“

„Doch nicht etwa von Ihnen dreien?“ „Von wem denn sonst? Wir sind in der Lage, Sie mit dem nötigen Insiderwissen bezüglich Poker zu versorgen.“ „In Ordnung. Aber wehe, Sie schreiben uns vor, wie wir unseren Job zu machen haben, dann ist ganz schnell Ende Gelände.“ „Daran denkt auch keiner. Vielmehr haben wir eine Idee. Hören Sie sich doch erst mal an, was uns vorschwebt, bevor Sie urteilen.“, sagte Chris Ferguson. „Dann bitte.“ „Um Ihre Ermittlungen erfolgreich durchführen 165

zu können, sollte sich einer von Ihnen beiden zur Tarnung in das Turnier einkaufen.“ „Wir verstehen so wenig vom Poker wie Sie von Ermittlungsarbeit.“, sagte ich. „Warte mal, Paul. Brit ist eine begnadete Poker-Spielerin. Sie könnte den Lockvogel spielen.“ „Jelena, bist du von sinnen? Das ganze ist mir zu riskant.“ „Gestatten Sie eine Frage, Mr. MacLain?“ „Bitte, Mr. Esfandiari. „Welche Funktion hat Brit in ihrem Büro inne?“ „Brit Olson ist unsere Sekretärin.“ „Brit Olson? Der Vater ist nicht zufälligerweise Magnus Olson, oder?“ „Doch. Seine Tochter hat eine Ausbildung als Sekretärin. Sie ist für Jelena und mich eine echte Entlastung. Deswegen meine Sorge. Brit ist für uns unentbehrlich geworden.“ „Darf ich einen Vorschlag machen?“, fragte Daniel Negreanu. „Nur zu.“ „Der morgige Turniertag fängt wieder um 13:00 Uhr an. Wie wäre es, wenn Sie beide und ihre Sekretärin schon um 11:00 Uhr da sind? Ich würde mich gerne von Miss Olsons Talent überzeugen.“

Am nächsten Tag trafen wir uns zusammen mit Brit und den drei Pokerstars im Nachtclub. Brit hatte von Antonio Esfandiari leihweise ein paar Chips zur Verfügung gestellt bekommen und saß nun am Tisch und spielte gegen Chris Ferguson und Daniel Negreanu zugleich. Jelena und ich sahen ihr dabei zu. Die Dame, die die Karten ausgab, hatte gerade die oberste Karte vom Stapel genommen und auf den Tisch gelegt und die nachfolgenden Karten aufgedeckt. In der Mitte des Tisches lagen nun das Pik-Ass, das Herz-Ass und der Kreuz-Bube. Brit hob ihre beiden Karten leicht an, und ich konnte den Herzbuben und das Kreuz-Ass erkennen. Sogleich erhöhte sie den Einsatz. „Raise All In.“, sagte sie und schob ihre Chips in die Mitte. Chris Ferguson warf seine Karten in die Mitte. Doch Daniel Negreanu blieb im Spiel. „Reraise All In.“, sagte er und schob auch seine Chips in die Mitte. „Was passiert jetzt?“, fragte ich. „Ihre Sekretärin hat mit allem was sie hat, den Einsatz erhöht. Sie hat mit drei Assen und zwei Buben ein Full House. Chris Ferguson hat den Braten gerochen und ist ausgestiegen. Daniel Negreanu ist aber auch von seinem Blatt überzeugt und hat ebenfalls alles gesetzt. Jetzt werden wir sehen, wessen Blatt das stärkere ist.“

Die beiden letzten Karten wurden aufgedeckt. Zuerst wurde die Pik Acht aufgedeckt und dann die Pik Zehn. Zuerst deckte Brit ihre Karten auf und das Kreuz-Ass und der Herz-Bube kamen zum Vorschein. Danach zeigte Daniel Negreanu sein Blatt und zum Vorschein kamen eine Herz Acht und eine Karo Zehn. „Der Pot geht an ihre Sekretärin. Ich muss sagen, Brit ist eine ernst zu nehmende Gegnerin.“ „Bleibt nur die Frage, wie wir das Startgeld zusammen bekommen sollen.“ „Wie gesagt, die Höhe bestimmt der Teilnehmer selbst.“, sagte Chris Ferguson. „Ich muss sagen, ihre Sekretärin ist nicht nur sexy, sondern auch eine harte Nuss am Pokertisch. Und nun zu unserem Plan. Lassen Sie Brit am Turnier teilnehmen. Die Falschspieler dürften dann ebenfalls einen ihrer Leute schicken.“ „Wenn ich auf die Gelder scharf wäre, würde ich versuchen, mir diese vor Turnierbeginn einzusacken.“, sagte Jelena.

Nach dem Testspiel kamen Brit und Daniel Negreanu zu uns an die Bar. „Das wird ein hartes Stück Arbeit, wenn ich mit Brit Olson an einem Tisch spielen darf. Aber ich hab einen Vorteil gegenüber den anderen. Ich weiß, was auf mich zukommt.“ „Hau du mal nicht so auf den Putz, Daniel.“, sagte Antonio Esfandiari. 166

„Brit, ich glaube dein Vater ist gerade gekommen.“, sagte Jelena. „Wo?“ „Er steht dort im Eingang.“ Unsere Sekretärin drehte sich um, und sah ihren Vater Magnus Olson im Eingang stehen. Der Bankier war von einer schweren Krankheit gezeichnet. Er musste sich auf einen Stock stützen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Brit eilte zu ihm. „Bist du in Ordnung Vater?“, fragte sie sorgenvoll. „Nicht mehr so ganz. Mein Herz schlägt zwar noch wie ein Presslufthammer, aber meine Beine wollen nicht mehr so, wie ich das gerne hätte.“ „Warum bist du hergekommen?“ „Heute ist dein fünfundzwanzigster Geburtstag. Diesen Umschlag soll ich dir aushändigen. Dieses Geld hat deine Tante Annegret für dich angelegt und mich beauftragt, es dir an deinem 25. Geburtstag auszuhändigen.“, sagte Magnus Olson und zog einen braunen B4-Umschlag aus seiner Jackentasche. Brit öffnete ihn und zog mehrere Geldbündel heraus. „Das sind 750.000 Euro. Geh sorgfältig damit um.“

„Mach ich Paps. Mach dir keine Sorgen.“ „Ich kenn dich Brit. Jede Wette du schießt die Kohle durch den Schornstein.“ „Ich bin nicht mehr die kleine kaufsüchtige Teenagerin von damals Paps. Ich hab gelernt Prioritäten zu setzen.“ „Dein Wort in Allahs Gehörgang, Brit.“ „Lass Allah aus dem Spiel. Ich werde 700.000 Euro auf die Seite legen. Die restlichen 50.000 werde ich benutzen um am Finalturnier der World Series of Poker teilzunehmen.“ Magnus Olson wurde kreidebleich. „HAST DU DEN VERSTAND VERLOREN, BRIT??? Ich als dein Vater verbiete dir das.“ „Vater bitte. Ich mach das nicht, weil ich Lust drauf hab. Mr. MacLain und Miss Romanova haben einen Fall, bei dem meine Pokerkünste hilfreich sein könnten.“ „Ach. Und wo soll das Turnier stattfinden?“ „Im West Gate Las Vegas Resort. Die CEO hat Kenntnis von einer Falschspielerbande, die es auf die Teilnehmergelder abgesehen haben soll.“ „Falschspieler. Gott steh dir bei!“ „Keine Angst. Ich hab drei Profis, die mir helfen.“ „So. Und wen, wenn ich fragen darf?“ „Chris Ferguson, Daniel Negreanu und Antonio Esfandiari. Und Daniel Negreanu hab ich grad eben in einem Testspiel sprichwörtlich die Hosen runter gezogen.“ „Musst du immer so ordinär werden, Brit?“

Bereits am Montag, den 09.04.2019 machten Jelena und ich uns auf den Weg nach Las Vegas. Brit war schon vorgeflogen und hatte im Down Town Grand Hotel ein Zimmer gebucht. Wir hatten uns für dasselbe Hotel entschieden. Wir gaben unsere Koffer auf und machten uns dann auf den Weg zur Sicherheitsschleuse, die wie immer schwieg, wenn wir sie passierten. Es war 7:30 Uhr morgens. Zwei Stunden später, um 9:30 Uhr startete unsere Maschine und landete nach einer Flugzeit von 11 h und 50 min. um 12:20 Uhr auf dem McCarran International Airport in Las Vegas. Nach dem wir unsere Koffer geholt hatten, suchten wir eine Autovermietung. Bei Enterprise mieteten wir uns einen Chevrolet Impala Sedan. Unser Chevy war ein Exemplar der Premier Linie. Die Limousine hatte den 3,6 L V6 Motor, der von zwei oben liegenden Nockenwellen, eine Leistung von 305 PS auf die Straße brachte, und Frontantrieb. Als Getriebe war eine 6-Gang-Automatik verbaut. Lackiert war unser Impala in Cajun Red Tintcoat und hatte eine schwarze Innenraumverkleidung mit hellen Sitzen.

Als zusätzliches Ausstattungspaket hatte der Autovermieter noch 167

das Premium Confidence Package bestellt. Ferner gehörten noch ein Motorblockaufheizer, Premium Allwetter Fußmatten, Ablagekörbe, Erste Hilfe Kasten, Warndreieck und ein Starthilfekabel mit 4.000 Ampere zur weiteren Ausstattung des Wagens. Erwähnenswert seien noch folgende Ausstattungsfeatures: So besaß unser Chevy den Chevrolet Remote Access Plan und zusätzlich den einjährigen On Security Plan. Auch der Wireless Bullfrog BF100 Lautsprecher war verbaut.

Zu guter Letzt sollten noch das Personal Device Electronic Cable für Licht und USB, die Deflektoren an den Seitenscheiben, ein Paar Fußmatten im Fonds und die Verzierungen an den Pedalen im Chrom-Look erwähnt werden.

Vom Flughafen fuhren Jelena und ich etwa 30 Minuten zu unserem Hotel, wo wir um 13:45 Uhr ankamen. Das Downtown Grand Hotel war ein zweiteiliger Gebäudekomplex aus Glas und Beton. Den Bereich vor dem Eingang säumten eine großzügig angelegte Grünanlage und einige Palmen. Die Lobby war ein riesiger Glasbunker, über den man über zwei Treppen an die Rezeption gelangen konnte. Als wir das Hotel betraten sah die Rezeptionistin kurz von ihrem Monitor auf.

Die Frau war 1,65 m groß und besaß einen schlanken, sexy Körper. Ihre brünetten Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten, die nicht üppig aber dennoch handlich waren. Das ovale Gesicht mit den verführerischen braunen Augen, der breiten Nase und den langen, aber sinnlichen Lippen schlug sicherlich so manchen Mann in seinen Bann. Das Alter dieser Brünetten schätzte ich auf 30 Jahre. Bekleidet war die Dame mit einem schwarzen Minikleid, das bis zur Oberkante ihres Bauchnabels ausgeschnitten war, schwarzen, halterlosen Netzstrümpfen und schwarzen High Heels.

„Hi. Kann ich Ihnen weiterhelfen?“, fragte sie. Ich erkannte einen leichten ungarischen Akzent in ihrer sexy Stimme. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert.“ „Einen Moment, ich schau mal kurz nach. Ah ja! Paul MacLain, Zimmer 500, Jelena Romanova Zimmer 502. Hier sind ihre Schlüssel. Einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus.“ „Danke. Eine Frage.“ „Ja bitte?“ „Sind Sie aus Ungarn?“ „Ja. Ich komme aus Budapest. Hört man das?“ „Ein bisschen schon.“ „Wenn Sie was brauchen, fragen Sie nach Sophie.“

Wir bezogen unsere Zimmer und packten unsere Koffer aus. Später am Abend, es war 19:00 Uhr Ortszeit gingen Jelena und ich ins Restaurant. Dort trafen wir auch Brit Olson, unsere Sekretärin. Als sie uns entdeckte, gab sie uns ein Zeichen, sie am Buffet zu treffen. „Ich hab ein paar Informationen wegen den Zockern.“, sagte Brit. „Dann lass mal hören.“ „Der Kopf hinter der Bande ist ein Ire namens Hugh O´Flaherty. Er hält das Pokerturnier für Teufelswerk und will es irgendwie platzen lassen.“ „Also ein Geistlicher.“, sagte Jelena. „Er war mal ein katholischer Priester, nach allem, was ich weiß.“

„Der Kerl hat doch einen an der Klatsche.“ „Es gibt aber noch ein Problem. Hugh O´ Flaherty kann nicht nachgewiesen werden, dass er in irgendeiner Weise mit der Bande in Verbindung steht. Es gilt zwar als höchst wahrscheinlich,

dass er der Kopf der Bande ist, aber es gibt keine Spur und keinen Beweis mit dem sich diese Theorie untermauern ließe.“ „Und seine Komplizen werden ihn decken.“, sagte ich. „Ich hab noch etwas herausgefunden.“ „Dann lass mal hören, Brit.“ „Die Zocker haben es primär auf die Gelder der Leute abgesehen, die ihre Gebühren Cash on the Desk bezahlen. Wer per Überweisung bezahlt hat, dessen Gelder sind sicher.“ „Und du hast die Gebühr überwiesen, nehme ich an.“, sagte Jelena. „Genau wie die meisten Teilnehmer. Heißt, die ganzen Profis.“

Nach dem Abendessen versuchte ich bei Sophie, der Rezeptionistin, einige Informationen über die Vorgehensweise der Falschspieler zu erhalten. „Kennen Sie das „Hütchenspiel“?“, fragte sie. „Na sicher.“ „Ich zeig es Ihnen zur Sicherheit noch mal.“ Zuerst zeigte Sophie eine Erbse und danach drei Walnussschalen. „Achten Sie auf die Erbse.“, sagte Sophie und hielt die Erbse hoch und versteckte sie dann unter einer Walnussschale. Die beiden anderen legte sie daneben. Dann vertauschte die Rezeptionistin die Schalen und ließ ab und zu durchblicken, wo sich die Erbse befand. „Jetzt sind Sie dran, Mr. MacLain. Jetzt wird sich zeigen, ob Sie gut aufgepasst haben.“ Und wie gut ich aufgepasst hatte, sollte sich bald zeigen. „Was kriege ich, wenn ich richtig liege?“, fragte ich. „Ich werde mich vor ihren Augen ausziehen.“ „Bitte, wenn Sie unbedingt Ärger mit Ihrem Chef wollen.“ „Also, wo ist die Erbse?“ „Ich würde sagen: Rechts.“ Sophie hob die Schale hoch. Und tatsächlich: Unter der Schalenhälfte kam die Erbse zum Vorschein. „Sie haben gewonnen. Also genießen Sie, was Sie jetzt sehen.“ „Lass mal. Der Wille zählt.“

Zum Glück hatte ich es abgelehnt, Sophie ihren Wetteinsatz einlösen zu lassen, denn Jelena tauchte in diesem Moment auf. „Was meinst du Paul? Wollen wir uns mal auf dem Strip umsehen?“ „Was erhoffst du dir davon Jelena?“, fragte ich. „Mal sehen, ob wir die Zocker ein bisschen ärgern können.“ „Meinetwegen. Aber nimm vorsichtshalber deine Bleispritze mit. Man kann nie wissen.“ Mit einem Taxi fuhren wir zum Strip runter, wo wir an einer Straßenecke ein paar Männer trafen, die das Hütchenspiel spielten. Unauffällig kamen wir näher. „Darf man mitspielen?“, fragte ich ganz beiläufig. „Wenn Sie genügend Geld haben, Mister.“ Ich hielt ein Bündel Hundert-Dollar-Noten hoch. „Reicht das?“ „Aber locker. Sie kennen die Spielregeln?“ „Ich hab schon Hütchenspiel gespielt, da hast du noch in die Windel geschissen.“ „So, dann soll mal zeigen, was er gelernt hat. Ihre Einsätze bitte.“

Ganze zwei Stunden zockten Jelena und ich mit den Brüdern, und räumten einen Pott nach dem anderen ab. Schließlich platzte einem der Gambler der Kragen. „Da geht doch was nicht mit rechten Dingen zu. Ihr beiden betrügt doch.“, sagte er. „Jetzt mach mal halblang.“ „Bist wohl ein schlechter Verlierer.“ „Von dem Geld nehmt Ihr nicht einen Cent mit, so viel ist sicher.“ „Ach ja? Was für Argumente hast du denn vorzuweisen?“ „Wie wärs damit, du Armleuchter?“, sagte der Zocker und ließ ein Springmesser aufschnappen. „Wie armselig ist das denn? Hast du nichts besseres vorzuweisen?“ Mit diesen Worten zückte ich meine Walther und richtete sie auf ihn. Jelena hatte ihre Makarow gezogen. „Na? Und jetzt? Was machst du jetzt?“, fragte Jelena süffisant. „Weg mit dem Zahnstocher, oder wir spendieren dir kostenlos ein drittes Nasenloch.“ „Arschloch.“ „Sei mal nicht so vorwitzig.“ 168

Es war 22:30 Uhr, als Jelena und ich in unser Hotel zurück kehrten. Sophie sah von ihrem Monitor auf. „Und habt Ihr zwei hübschen die einarmigen Banditen gefüttert?“, fragte sie. „Nein. Wir haben uns im Hütchenspiel probiert. Und wir haben den Brüdern die Hosen runter gezogen.“ Jelena holte die Scheine aus ihrer Handtasche und hielt sie Sophie unter die Nase. „Und wie haben die Brüder reagiert?“, fragte die Rezeptionistin. „Sie haben uns ein Messer unter die Nase gehalten. Aber wir hatten die schwerwiegenderen Argumente.“ „Ich will ja nichts gesagt haben, aber es war keine gute Idee, diese Bande abzuzocken.“ „So, und warum nicht?“, fragte Jelena. „Die sind jetzt richtig sauer auf euch. Ihr könnt vom Glück sagen, wenn Sie euch nicht ihre Schläger auf den Hals hetzen.“ „Danke für die Warnung. Aber die Burschen werden es sich in Zukunft zwei Mal überlegen, ob sie bescheißen. Denn wir haben Grund zu der Annahme, dass es sich um die Bande handelt, die das Pokerturnier sabotieren will.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher. Was glauben Sie, wie viele Zockerbanden es hier in Las Vegas gibt?“ „Mehr als genug, nehme ich an.“, sagte ich. „Entlang des Strips finden Sie an jeder Straßenecke eine Gang.“

Zwei Tage nach unserem Aufeinandertreffen mit den Zockern startete das Pokerturnier. Und wie ich vermutet hatte, waren Jelena und ich an eben jene Bande geraten, die es auf die Gelder abgesehen hatte. Ich erkannte einen von ihnen. Der Mann hatte auf seiner rechten Seite eine Narbe am Kopf, die sich vom Mundwinkel bis zum Ohr erstreckte. Er war auch derjenige gewesen, der das Messer gezückt hatte. Er und seine Komplizen hatten sich auf dem Gehsteig vor dem Hotel zusammengerottet und versuchten den Amateuren ihre Gelder aus der Tasche zu leiern, die diese als Startgebühren mitgebracht hatten. Zwei oder drei verloren ein bisschen Geld, aber am Turnier teilnehmen konnten sie dennoch.

Wir beobachteten das Geschehen eine halbe Stunde lang. Und anhand der Mienen der Zocker konnten wir erahnen, dass sich unter ihnen echte Frustration breit machte. Sie wussten, dass sie an einen Großteil der Gelder gar nicht herankamen. Dazu kam noch die Pleite bei der Spielrunde vor zwei Tagen. Und auch jetzt kam nicht viel zusammen. Gerade einmal 250 Dollar hatten die Gauner beim Hütchenspiel verdient. Der einzige Teilnehmer, bei dem die Falschspieler einigermaßen was absahnen konnten war ein Este namens Marek Kolk, dem sie 1.200 Dollar abknöpften, ehe er ausstieg.

Aber offensichtlich reichte das den Herren nicht, denn beim nächsten Teilnehmer fingen sie an zu drohen. „Wir sehen, dass du eine Menge Geld in dem Beutel da hast. Du hast jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder du spielst freiwillig mit uns bis zum letzten Cent um die Knete, oder wir zwingen dich.“, sagte Narbengesicht. „So und wie wollt Ihr mich zwingen?“ „Na hiermit. Wenn du nicht brav bist, und tust, was wir sagen, dann ramme ich dir das Messer zwischen die Rippen. Und nur, damit wir uns klar verstehen, ich lasse meinen Worten Taten folgen.“ Mit diesen Worten ließ der Narbige sein Springmesser aufschnappen. Doch bevor der junge Mann um Hilfe rufen konnte, hatte er das Messer an der Kehle sitzen. „Ein Mucks von dir Freundchen, und ich mach dich gleich kalt.“, zischte Narbengesicht. Für Jelena und mich war der Zeitpunkt gekommen, um einzugreifen. 169

Rasch zog ich meine Walther und gab einen Schuss ab. Der Gangster mit der Narbe drehte sich zu mir um. „Ihr zwei schon wieder?!“ „Ja, wir schon wieder, du mieses kleines Arschloch. Weg mit dem Zahnstocher! Aber schön langsam. Hast du mich verstanden?“ Widerwillig warf der Narbige sein Stilett weg. „Und jetzt hoch die Hände!“, sagte Jelena. „Du befiehlst uns gar nichts, russische Fotze!“ Ein Schuss aus der Makarow meiner Partnerin pfiff ganz knapp am Kopf des Zockers vorbei. „Noch so eine Beleidigung und ich schick dich in die ewigen Jagdgründe.“ „An deiner Stelle würde ich die Drohung meiner Partnerin ernst nehmen. Denn Jelena hat einen ziemlich labilen Abzugsfinger.“, sagte ich.

Zum Glück trafen gleich mehrere Streifenwagen vom Las Vegas Police Department ein. Und wäre Stella Cox nicht gewesen, hätten uns die Cops gleich mit eingebuchtet. Erst nachdem wir unsere Dienstausweise vorgezeigt hatten, glaubten uns die Gesetzeshüter. Sie legten den Falschspielern Handschellen an, und verfrachteten sie in die Autos. Bevor die Beamten mit ihren Gefangenen abfuhren, kam noch der Einsatzleiter zu uns. „Wir sind schon seit ein paar Monaten hinter dieser Bande her. Und ausgerechnet zwei europäischen Privatermittlern gehen sie ins Netz.“ „Immer mit der Ruhe. Wir haben die Bande zwar auffliegen lassen, aber geschnappt haben Sie die Kerle.“ „Stimmt auch wieder.“

Wir blieben noch bis zum Ende des Pokerturniers, um zu sehen, wir Brit sich gegen die Profis schlug. Und was wir sahen, überraschte uns. Denn Brit nahm unter anderem den „Devilfish“ Dave Ulliot, Vicky Coren, Andy Black und Charlotte Flanders vom Tisch. Die Tochter von Pippa Flanders versuchte ihre Gegner mit einer Stripeinlage zu irritieren. „You want to see my Titties?“, fragte sie Brit und zog ihr Oberteil auf. Doch der Schuss ging nach hinten los. Der einzige, der auf diese Masche reinfiel war Scotty Nguyen. Ihn konnte Charlotte noch aus dem Turnier kegeln, bevor Brit ihr mit einem Full House mit drei Königen und zwei Damen den Garaus machte.

Schließlich saß Brit mit Chris Ferguson, Antonio Esfandiari, Daniel Negreanu und TJ Cloutier am Final Table. Der erste, dem Brit die Siegeslaune verdarb war Antonio Esfandiari. Chris Ferguson kickte Daniel Negreanu aus der Finalrunde, ehe er von TJ Cloutier eliminiert wurde. Nun standen sich unsere Sekretärin und die Pokerlegende aus Albany, im US-Bundesstaat Kalifornien, im Heads-Up gegenüber. Und lange Zeit sah es so aus, als ob der alte Mann das Turnier würde gewinnen können. Brit verlor eine Hand nach der anderen und hatte am Ende nur noch 35.000 Dollar in Chips vor sich liegen. Ihr Gegner hatte die Pokerchips Stapelweise vor sich stehen. Doch dann wendete sich das Blatt. Brit bekam die Pik Zehn und das Pik Ass auf die Hand. Nach der ersten Setzrunde wurde der Flop aufgedeckt. Und dort kamen die Pik Dame, der Pik König und der Pik Bube zum Vorschein. Brit hob noch einmal ihre Karten an und traf dann ihre Entscheidung. „All In.“, sagte sie und schob ihre restlichen Chips in die Mitte. TJ Cloutier glaubte wohl an einen Bluff, denn er setzte ebenfalls alles. Bevor die beiden letzten Karten aufgedeckt wurden zeigten sowohl Brit Olson als auch Mr. Cloutier was sie hatten. Beim „Dinosaurier“, wie man ihn mit Spitznamen nannte, 170

lagen das Kreuz Ass und die Herz Dame. Danach wurde zuerst der Turn aufgedeckt, dort erschien die Kreuz Dame. Dem Turn folgte der River, wo die Karo Dame aufgedeckt wurde. Damit hatte TJ Cloutier zwar einen Vierling, aber das Match und auch das Turnier hatte er trotzdem verloren. Denn gegen den Royal Flush unserer Sekretärin war selbst sein Vierling nicht stark genug.

Und damit stand Brit Olson als Gesamtsiegerin und neue Poker-Weltmeisterin fest. Brit hatte nicht nur ein Diamantarmband der World Series of Poker gewonnen, sondern auch das sagenhafte Preisgeld in Höhe von 7,5 Millionen Dollar.

Unser Auftrag in Las Vegas war beendet. Doch am Tag, bevor wir nach Hause flogen, kam Stella Cox bei uns vorbei. „Wir haben seinerzeit nicht über die Höhe des Honorars gesprochen.“, sagte sie. „Stimmt. Wie viel ist Ihnen unsere geleistete Arbeit wert?“ „Ich wurde angewiesen, Ihnen mitzuteilen, dass Sie beide 800.000 Dollar zu erwarten haben.“ „Eine stolze Summe.“

Am Tag unserer Abreise hatte Sophie Dienst am Empfang. „Wissen Sie schon das neueste?“, fragte sie, als Jelena die Rechnung beglich. „Nein. Aber Sie werden es uns gleich erzählen.“ „Die Mitglieder dieser Falschspieler-Bande, die ihr zwei hübschen habt hoch gehen lassen, wurden verknackt. Jeder von denen hat 25 Jahre Haft gekriegt. Allerdings haben sie eisern geschwiegen, als man sie zu Hugh O´Flaherty befragt hat.“ „Das war zu erwarten.“ „Um die ist es nicht schade. Ich wünsche Ihnen beiden eine gute Heimreise. Hoffentlich können wir sie bald wieder als unsere Gäste begrüßen.“

Um 21:50 Uhr landete unsere Maschine wieder auf dem RheinMain-Flughafen in Frankfurt am Main. Nachdem wir unsere Koffer an der Gepäckausgabe abgeholt hatten, gingen wir zum Ausgang, wo meine Verlobte Kelly Ling auf uns wartete. „Und steht Las Vegas noch?“, fragte sie. „Na klar. Wir haben ja nicht den Vesuv ausbrechen lassen.“ „War eigentlich was los, während wir drei weg waren?“, fragte Jelena. „Nicht die Bohne. Ihr hattet ja eine entsprechende Ansage auf dem AB. Aber die Post dürfte reichhaltig sein.“

Später am Abend saßen wir noch bei Jelena im Apartment zusammen. Samantha, meine jüngere Schwester und ihre Adoptivtochter Camille hatten vorgeschlagen, bei einem Italiener was zu bestellen. „Wie kann ein Mensch nur so krank im Kopf sein, dass er Kriminelle anheuert um harmlosen Pokerspielern deren Geld für die Startgebühr aus der Tasche zu leiern?“, fragte Camille. Jelena verdrehte entnervt die Augen. „Du kannst manchmal Fragen stellen, Camille. Unsere Aufgabe ist es, die bösen Buben dingfest zu machen, und nicht uns über deren Beweggründe Gedanken zu machen.“, antwortete meine Partnerin. „Jedenfalls kommen die Brüder so schnell nicht mehr aus dem Knast.“ „Aber der Drahtzieher läuft noch frei rum!“, empörte sich Camille. „Um auch ihn vor Gericht zu stellen und verurteilen zu können, muss man ihm nachweisen, dass er mit in diesen Fall verstrickt ist. Und solange die Beweise fehlen, gilt er vor dem Gesetz als unschuldig.“, sagte ich. 171

15. Fall - Serienmorde in Russland

15. Fall – Serienmorde in Russland

Es war Montag, der 29.04.2019. Jelena und ich waren nach unserer gemeinsamen Joggingrunde mit Brit ins Büro gegangen und hatten geduscht. Zuerst Jelena, dann ich, und Brit als letzte. Ich sah mir gerade die Post durch, die wir noch nicht bearbeitet hatten, als mir ein Brief mit der russischen Fahne auffiel. Ich gab ihn Jelena. „Der ist vom Generalkonsulat der russischen Föderation.“ „Was wollen die denn?“ Jelena öffnete den Brief. „Der Brief ist auf kyrillisch verfasst.“ „Kannst du ihn entziffern?“ „Na logo. Ich bin Russin, schon vergessen, Paul?“ „Bin echt gespannt, was die Russen von uns wollen.“ „Also da steht: „Mr MacLain, Miss Romanova. Ein Serienmörder treibt in Russland sein Unwesen. Er vergewaltigt und ermordet wahllos Frauen. Wir haben eine GRU-Agentin auf ihn angesetzt, aber vor kurzem kam die Nachricht aus Moskau, dass unsere Agentin, Sie hieß Raissa Sacharowna, dem Mörder zum Opfer gefallen ist. Wir wir aus dem Kreml erfahren haben, wurde Miss Sacharowna in Nowosibirsk erst vergewaltigt und ihr dann mit einem Messer die Kehle durchgeschnitten. Da uns bekannt ist, dass Miss Romanova Russin ist, wenden wir uns vertrauensvoll an Sie beide, in der Hoffnung, dass Sie unsere Agentin, Alexandra Fedorova, die aktuell auf den Fall angesetzt ist, tatkräftig unterstützen werden. Sie wird am Donnerstag, den 02.05.2019, um 10:30 Uhr bei Ihnen im Büro erscheinen.“

„Was meinst du, Jelena?“ „Könnte ein neuer Fall sein. War eine gute Idee von Brit, die Weltkarte aufzuhängen und mit verschieden farbigen Fähnchen die Orte zu markieren, wo wir schon tätig waren.“ Unterdessen war Brit damit beschäftigt, im Internet nach Berichten, über Frauenmorde in Russland zu recherchieren. Anschließend reichte sie mir einen Schnellhefter mit 15 Berichten. Ich sah mir speziell die Orte an, an denen sich ein Mord ereignet hatte und markierte ihn auf unserer Karte. Der erste Mord hatte sich in Sankt Petersburg ereignet, der zweite in Moskau, der dritte in Krasnodar, Opfer Nummer vier war in Wladiwostok und der letzte Nummer fünfzehn, Raissa Sacharowna, in Nowosibirsk. „Wo der Kerl wohl als nächstes zuschlägt?“, sinnierte ich. „Russland ist groß. Er kann überall zuschlagen.“

„Bisher hat der Mörder nur in großen Städten zugeschlagen. Was bedeutet, dass er schnell untertauchen muss.“ „Denkst du, was ich denke, Paul?“ „Ja. Wir sollten uns auf die großen Städte konzentrieren, in denen er noch nicht war.“ „Wie viele bestätigte Morde haben wir und wo sind sie geschehen?“,fragte Jelena. „Bestätigte Morde fünfzehn. Der erste Mord hat sich in Sankt Petersburg ereignet. Der zweite in Moskau, Nummer drei in Krasnodar, Nummer vier in Wladiwostok.“ „Und was ist mit den anderen?“ „Nummer fünf wurde in Archangelsk begangen. Opfer Nummer 6 kommt aus Sotschi. Nummer sieben wurde in Omsk umgebracht. Den achten Mord haben die Behörden in Nowokusnezk gemeldet.“, sagte ich. „Bleiben noch die Morde 9 bis 15.“ „Immer der Reihe nach. Mordfall Nummer 9 hat sich in Tscheljabinsk ereignet. Der zehnte registrierte Mord wurde in Rostow am Don begangen. Mord Nummer 11 wurde in Wolgograd gemeldet. Der zwölfte Mord hat sich in Murmansk auf dem dortigen U-Boot-Stützpunkt ereignet.“, sagte ich. 172

„Fehlen immer noch die Morde 13, 14 und 15.“ „Ja doch. Immer langsam mit den jungen Pferden. Mord Nummer 13, begangen in Jakutsk. In Irkutsk hat man die vierzehnte Leiche gefunden. Und Nummer 15, die GRU-Agentin, in Nowosibirsk.“ „Das sind alles Städte mit über 250.000 Einwohnern.“ „Was meinst du, wo wird er als nächstes zuschlagen?“ „Es gibt mehrere Möglichkeiten. Aber ich habe drei mögliche Ziele. Jekaterinburg, Perm und meine Heimatstadt Smolensk.“ „Und was ist, wenn du dich irrst?“ „Wir werden, sehen Paul. Wir werden sehen.“

Am Mittwoch, den 01.05.2019 las ich in der Zeitung einen Artikel über einen weiteren Sexualmord, der sich in der russischen Stadt Kemerowo ereignet hatte. Ich schnitt den Artikel aus der Zeitung aus und hob ihn auf. Auch ein Foto des mutmaßlichen Mörders war war dabei. Diesen Artikel zeigte ich am Donnerstag meiner Partnerin. Während sie den Artikel las, markierte ich den neuen Tatort mit einem rosa Fähnchen auf unserer Karte. „Den Typen kenne ich.“ „Wer ist das?“ „Michail Golowko. Ein ganz gefährlicher Bursche.“ „Was weißt du über ihn?“ „Michail Golowko. Geboren am 18.03.1946 in Krasnojarsk. Gelernter Elektriker. Unterhält seit dem gewaltsamen Tod seiner Frau Jekaterina keine feste Beziehung mehr.“ „Das erklärt aber nicht, warum er wahllos Frauen umbringt.“ „Er ist ein Frauenhasser. Denn eine junge Drogensüchtige hat Jekaterina Golowkowa am helllichten Tag auf offener Straße überfallen. Im Handgemenge der beiden löste sich aus der Pistole der Täterin ein Schuss, der Michails Ehefrau letzten Endes umgebracht hat. Er hat ihren Tod nie verwunden und ist seither ein verbitterter alter Mann.“ „Aber sonst noch gut beieinander?“ „Körperlich ja. Aber ob er geistig noch ganz auf der Höhe ist, darf bezweifelt werden.“, sagte Jelena.

Im selben Moment klingelte es an der Tür. Brit betätigte den Türöffner und öffnete die Tür zu unserer Detektei. Nur kurze Zeit später hörten wir Schritte auf der Treppe. Die Frau die eintrat war für ihre Verhältnisse hübsch anzusehen. Sie war 1,70 m groß und hatte einen schlanken Körper. Die blonden Haare trug unsere Besucherin offen, am unteren Ende in Dauerwelle ausgeführt, sodass sie bis zu ihren Schultern reichten. Die blauen Augen im ovalen Gesicht mit der zierlichen Nase und den sinnlichen Lippen schauten etwas unsicher drein. Auch ihre üppige Oberweite war nicht zu verachten. Auf ihrem rechten Arm trug sie mehrere Tattoos. Bekleidet war Alexandra Fedorova mit einem schwarzen Latexkleid und schwarzen High Heels.

„Ich bin doch hier richtig, bei Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte sie vorsichtig. „Das sind Sie in der Tat. Was können wir für Sie tun?“ „Haben Sie den Brief vom russischen Generalkonsulat erhalten?“ „Das haben wir. Wir haben ihn auch gelesen. Wir wissen genau, wo der Kerl zugeschlagen hat. Gestern war ein Artikel über einen weiteren Mord mit einem Bild des mutmaßlichen Täters in der Zeitung. Wollen Sie den Artikel sehen?“, fragte ich. „Gern, Mr. MacLain.“ Ich holte den Artikel aus der Schublade meines Schreibtisches und reichte ihn der GRU-Agentin. „Ich kenne diesen Mann. Es ist Michail Golowko. Man nennt ihn auch „Der Schlächter.“ „Jelena meinte, dass er einen abgrundtiefen Hass auf Frauen hat.“ „Das stimmt. Hat sie ihnen die Geschichte erzählt?“ „Ja. Hat man die Täterin denn nicht ihrer gerechten Strafe zugeführt?“ „Wenn Sie 200 Stunden in einer 173

sozialen Einrichtung als gerecht empfinden, dann vielleicht.“ „Das ist ja ein vergleichsweise mildes Urteil.“ „Dieses Urteil ist ein Witz. Und für Michail Golowko ist es ein Schlag ins Gesicht.“, sagte Alexandra Fedorova. „Wenn man sich die jüngsten beiden Tatorte ansieht, stellt sich die Frage, wo dieser Mistkerl als nächstes zuschlägt.“ „Er ist noch in Kemerowo. Aber er trifft Vorbereitungen, die Stadt zu verlassen.“ „Weiß man, wohin er als nächstes will?“ „Er will nach Smolensk. Und von dort aus weiter nach Jekaterinburg. Kann ich auf Ihrer beider Hilfe zählen?“ „Wenn wir uns preislich einigen, dann bestimmt.“ „Die russische Regierung würde Ihnen jeweils 60.000 Euro zahlen. Mehr geht nicht.“ „Wir nehmen den Auftrag an.“

Am Montag, den 06.05.2019, reisten wir nach Moskau. Nach einer Flugzeit von drei Stunden, landete unsere Maschine um 15:25 Uhr auf dem Flughafen Moskau-Scheremetjewo. Nachdem wir unsere Koffer abgeholt hatten, gingen Jelena und ich zum Ausgang und riefen uns ein Taxi, das uns zum Bahnhof „Weißrussischer Bahnhof“ bringen sollte. Denn von dort fuhren die Züge nach Smolensk ab. Nachdem wir den Fahrer bezahlt hatten, gingen wir zum Bahnsteig. Jelena hatte sich gerade auf ihren Koffer gesetzt, als der Zug nach Smolensk eintraf. Da die Strecke elektrifiziert war, wurde der Zug von einer E-Lok der Baureihe WL 40U bespannt. Nach einer Fahrzeit von 5 Stunden und 40 Minuten kamen wir um 22:17 Uhr in Smolensk an.

Wir stiegen aus und suchten eine Autovermietung. Bei Hertz mieteten wir uns einen Skoda Superb der Premium Edition. Unser Wagen hatte den 2,0 L TDI SCR7-DSG 4X4 Motor. Lackiert war der Wagen in Velvet Rot Metallic. Die Sitze und der Dachhimmel waren mit beigem Leder bezogen. Der Betreiber der Hertz-Filiale in Smolensk hatte noch zusätzlich das Business Amundsen Paket dazu bestellt und außerdem den proaktiven Insassenschutz. Eine elektrische Heckklappenbedienung gehörte ebenso zu Extras unseres Skoda, wie der Heckscheibenwischer und das adaptive Fahrwerk DCC. Ein Sonnenschutzrollo für die Heckscheibe und die Seitenscheiben hinten war ebenso verbaut, wie der Parklenk-Assistent 3.0. Unser Skoda Superb hatte statt der herkömmlichen Stahlfelgen die 19-Zoll-Leichtmetallfelgen Modell „Trinity“ spendiert bekommen.

Vom Hauptbahnhof aus fuhren wir 11 Minuten zu unserem Hotel. Wir hatten uns für das Hotel „SandS of Time“ entschieden. Das SandS of Time bestand aus zwei Gebäudeflügeln. Der Westflügel hatte drei Stockwerke, der Ostflügel nur zwei Stockwerke. Die Fenster der Zimmer waren sehr großzügig und lichtdurchlässig. Die Außenfassade unseres Hotels war mit braunen Granitsteinen verziert. Neben dem Eingang, auf der linken Seite, war ein überdachter Bereich, der zweifelsohne die Raucherecke sein musste. Über eine Treppe gelangten wir in die Lobby.

Der Concierge sah gerade von seinem Monitor auf. „Guten Abend. Sie wünschen?“ „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert.“ „Einen Moment. Ah Ja! Da haben wir es. Paul MacLain Zimmer 103. Jelena Romanova Zimmer 102. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus. Falls Sie noch nichts gegessen haben, können Sie erst mal was essen und unser 174

Gepäckattache´ bringt Ihre Koffer auf ihre Zimmer.“ „Das ist sehr freundlich.“

Nachdem wir im Restaurant unseres Hotels etwas gegessen hatten, gingen wir auf unsere Zimmer und duschten erst einmal. Danach gingen wir ins Bett. Am nächsten Morgen frühstückten wir erst mal ausgiebig, denn die lange Anreise hatte doch sehr an unseren Kräften gezehrt. Nach dem Frühstück gingen Jelena und ich ein bisschen an die frische Luft. Meine Partnerin kaufte eine der lokalen Tageszeitungen. Auf der Titelseite konnte ich ein Bild des mutmaßlichen Serienkillers erkennen. „Er hat noch einmal in Perm zugeschlagen. Offenbar hat Michail Golowko Lunte gerochen.“, sagte Jelena. „Meinst du?“ „Da. Hier steht, dass das Opfer 28 Jahre alt ist.“ „Steht auch ein Name dabei? „Da. Das Opfer heißt Galina Kartschylova.“

„Na wen haben wir denn da? Jelena Romanova.“, hörte ich eine Frauenstimme. Jelena fuhr herum und strahlte über beide Backen, denn offenbar kannte sie die Unbekannte. Nun hatte ich Gelegenheit mir die Dame genauer anzusehen. Sie war 1,68 m groß und hatte ein ovales Gesicht mit braunen Augen. Auch wenn die Nase etwas breit geraten sein mochte, so fand ich sie dennoch hübsch. Ebenso die sinnlichen Lippen mit ihrer mittleren Länge. Auch die pralle Oberweite der unbekannten Schönheit wäre ein Eldorado für jeden Spanisch-Fan gewesen. Auch der schlanke, sexy Körper hatte sicherlich so manchem Mann eine Genickstarre beschert. Ihre brünetten Haare trug die Fremde offen, sodass sie bis zu ihren prallen Brüsten reichten. Sie schien sich ihrer weiblichen Reize durchaus bewusst zu sein, wie aus dem Outfit der Frau schloss. Sie trug ein schwarzes Minikleid und schwarze High Heels.

Es war ganz offensichtlich, dass sich Jelena und die unbekannte Schönheit kannten, denn sie umarmten sich sehr lange und sehr innig. Ich kam zu dem Schluss, dass meine Partnerin und die fremde Lady in Black in ihrer Schulzeit wohl einmal ziemlich dick befreundet waren und sprichwörtlich durch dick und dünn gegangen waren. Ich beschloss, diesen kostbaren Augenblick der Zweisamkeit nicht zu stören und sah mich nach einem Cafe´ um, wo ich einkehren konnte. Doch Jelena hatte wohl andere Pläne. „Paul, komm doch mal kurz. Ich möchte dir meine beste Freundin aus meiner Schulzeit vorstellen.“

Schließlich stand ich der jungen Dame Angesicht zu Angesicht gegenüber. „Darf ich vorstellen: Meine beste Freundin Anastasia Dimitrova. Und das ist mein Geschäftspartner Paul MacLain.“ „Freut mich sehr.“ „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Mr. MacLain. Was macht Ihr beiden hier in Smolensk?“, wollte Anastasia wissen. „Wir jagen einen Serienmörder. 17 mal hat er schon zugeschlagen.“ „Dann werdet Ihr Hilfe brauchen. Du warst lange nicht mehr hier, Jelena. Ich kenne Smolensk wie meine Westentasche. Apropos, um wen geht es eigentlich?“ „Michail Golowko.“ „Alles klar. Dann nehmt euch besser in Acht. Der Kerl ist so kräftig wie ein Bär.“ „Militärische Ausbildung?“ „Hat er. Er war in Afghanistan und später bei den Speznas. Er wurde aber nach dem Tod seiner Frau entlassen.“ „Alkohol?“, fragte ich. „Nicht nur das. Er war auch beleidigend gegenüber Frauen und hat sexistische Witze und Sprüche zum Besten gegeben.“ 175

„Das war sicherlich nicht das Einzige was er sich geleistet hat.“ „Nein. Ihm hat Jelena die Streichung ihrer Stelle zu verdanken.“ „Warum denn dieses?“, fragte ich. „Es war ursprünglich geplant, dass Jelena eine besser bezahlte Stelle bekommen soll. Damit wäre sie die Vorgesetzte von Michail Golowko geworden. Also hat er sich bei einem Parteifreund ausgeheult und dafür gesorgt, dass Jelena gefeuert wird.“

„Und selbst wenn. Mir bricht kein Zacken aus der Krone. So wie es jetzt ist, ist es für mich besser. Ich verdiene in drei Monaten mehr als ich in einem Monat bei Speznas verdient habe.“, sagte Jelena. „Du hast mir noch gar nicht erzählt, als was du tätig bist.“ „Paul MacLain und ich sind Privatermittler. Ich bin als Juniorpartnerin bei ihm eingestiegen.“ „Und was ist mit Ihnen? Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Privatdetektiv zu werden, Mr. MacLain?“, fragte Anastasia. „Ich war früher beim SAS. Hab dann drei Jahre unschuldig im Knast gesessen. Und das nur, weil ein ehemaliger Schulkamerad scharf auf meine Flamme war.“ „Wie habt Ihr beiden euch kennen gelernt?“, fragte Anastasia. „Du bist ja immer noch so neugierig wie früher. Und ich hab es damals schon gesagt, und ich sage es heute wieder: Irgendwann kostet dich deine Neugier noch das Leben.“ „Um Ihre Frage zu beantworten, Miss Dimitrova, Jelena und ich haben uns während meinem zweiten Falls kennen gelernt. Sie hatte denselben Auftrag wie ich, hat aber für ein japanisches Unternehmen gearbeitet. Bei meinem dritten Fall hat Jelena dann ihre Beziehungen spielen lassen, damit wir das Forschungsschiff Akademik Mstislaw Keldysch chartern konnten.“

„Jetzt fällt bei mir der Rubel! Ihr zwei seid also der Schrecken der bösen Buben.“ „Wieso das denn?“ „Die internationale Unterwelt zittert schon am ganzen Leib, wenn sie auch nur die Namen Paul MacLain und Jelena Romanova hören.“, sagte Anastasia. „Michail Golowko scheint aber keine Angst vor uns zu haben.“ „Er weiß noch nicht, dass Ihr auf ihn angesetzt seit. Aber er hat einen Tipp bekommen, dass ihm zwei Privatdetektive auf den Fersen sind.“ „Wer ist der Tippgeber?“ „Den Namen weiß keiner. Aber ich weiß, dass es eine Frau ist. Man nennt sie auch „Die Nachtigall“.“ „Vermutlich, weil sie eine schöne Stimme hat.“ „Weiß man denn, wo unser Vögelchen herkommt?“, fragte Jelena. „Sie ist Asiatin. Aus welchem Land sie kommt weiß niemand.“

Später am Abend kehrten wir ins Hotel zurück. Am Empfang hatte dieses Mal eine Frau Dienst. Die Dame war 1,74 m groß und hatte einen schlanken Körper. Das ovale Gesicht mit den grünen Augen, der grazilen Nase und den roten sinnlichen Lippen war ebenfalls nicht zu verachten. Ihre dunkelbraunen dauergewellten Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Schultern reichten. Ihre pralle Oberweite brachte sicherlich bei manchem Mann das Blut zum kochen. Bekleidet war sie mit einem schwarzen Minikleid mit einem silbernen Dekorstreifen an der Taille und am Ausschnitt und schwarzen High Heels.

Als wir die Lobby betraten, sah Sie kurz von ihrem Monitor auf. „Ich habe gehört, dass Sie beide sich für „Die Nachtigall interessieren. Ich könnte mit ein paar Informationen dienlich sein.“, sagte sie. „Dann lassen Sie mal hören.“ „Die Dame ist Vietnamesin. Sie ist in Haifong geboren, lebt aber in Hanoi.“ 176

„Vietnam ist doch ein kommunistisch regiertes Land, wenn ich richtig informiert bin.“ „Da. Ihr Vögelchen arbeitet für den vietnamesischen Geheimdienst.“ „Ich hoffe, Sie sind sich darüber im Klaren, dass Sie jetzt in Lebensgefahr schweben. Denn Sie haben uns auf eine heiße Spur gebracht. Verlassen Sie Russland, solange Sie noch können. Denn wenn Michail Golowko Sie in seine Fuddgriffel bekommt, ist für Sie Schicht im Schacht.“

Auf meinem Zimmer berieten Jelena und ich das weitere Vorgehen. „Wie kommt es, dass die Rezeptionistin etwas über Michail Golowkos Informantin weiß?“, fragte ich. „Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Entweder Sie ist eine Informantin des GRU, oder sie hat durch Zufall etwas mitbekommen.“ „Fragen wir doch einfach mal nach, wenn wir zu Abend gegessen haben.“ „Einverstanden.“ Nachdem Abendessen gingen wir noch einmal an den Empfang. Die Rezeptionistin, die uns die Auskunft über die Informantin des Schlächters gegeben hatte, sah von ihrem Monitor auf. „Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“, fragte sie. „Wir würden gern wissen, woher Sie ihre Informationen bezüglich der Nachtigall haben.“ „Sie war mal mit ihrer Familie zu Gast bei uns im Hotel. Und jeder neue Gast muss seinen Pass vorlegen. So habe ich erfahren, dass sie aus Vietnam stammt. Aber dass sie für den vietnamesischen Geheimdienst arbeitet, habe ich erst herausgefunden, als ich die Post für die Gäste sortiert habe. Mir ist ein Umschlag aufgefallen, der einen Stempel trug. Es war das Wappen der vietnamesischen Botschaft. Da so etwas nur selten vorkommt, wurde ich misstrauisch und habe den Umschlag geöffnet. Und da ich des vietnamesischen mächtig bin, wusste ich sofort, dass die Regierung in Hanoi zusammen mit dem Geheimdienst einen Dissidenten entführen lassen wollte, um ihn in seinem Heimatland vor Gericht zu stellen.“

Jelena und ich beschlossen noch einmal an die frische Luft zu gehen. Und unerwartet liefen wir Anastasia Dimitrova in die Arme. „Na, Ihr zwei hübschen, was treibt euch noch zu so später Stunde auf die Straße?“ „Wir wollten noch mal an die frische Luft. Außerdem müssen wir etwas besprechen, was Golowkos Informantin angeht. Uns wurden einige interessante Dinge berichtet.“ „Ich hab euch das vorhin nicht gesagt, aber ich wurde euch für die Zeit hier in Smolensk als Verbindungsmann zugeteilt. Alles war Ihr wisst, müsst Ihr mir auch mitteilen.“ „Wer immer sich diesen Blödsinn ausgedacht hat, gehört mit dem Kopf nach unten ans Kreuz geschlagen.“, knurrte ich. „Ich hab die Vorschriften nicht gemacht. Der Chef der GRU-Abteilung hier in Smolensk hat es so angeordnet.“ „Also gut. Wir haben erfahren, dass Golowkos Informantin vietnamesische Staatsbürgerin ist und für den vietnamesischen Geheimdienst arbeitet.“ „Ich werde mal das Archiv durchforsten. Denn wenn noch etwas über die vermeintliche Entführung 2016 in den Akten zu finden ist, müsste auch der Name in den Unterlagen zu finden sein.“ „Freu dich lieber nicht so früh. Geheimdienstler reisen meist inkognito.“

Am nächsten Morgen, wir waren gerade mit frühstücken fertig, kam Anastasia Dimitrova. Sie hatte eine Aktenmappe mitgebracht. „Das dürfte euch interessieren.“, sagte sie. Jelena schlug die Mappe auf. „Jetzt haben wir auch ein Gesicht. Hier, sieh dir das Foto mal an, Paul.“, sagte sie und reichte mir ein Schwarz-weiß-Bild. 177

Das Foto zeigte eine 1,65 m große Frau. Der schlanke und grazile Körper hatte etwas verführerisches. Wenn nur nicht der strenge Blick in den braunen Mandelaugen in einem ovalen Gesicht mit einer grazilen Nase und roten sinnlichen Lippen und die Militäruniform nicht gewesen wären, hätte ich diese Frau durchaus als attraktiv angesehen. Die schwarzen Haare hatte sie zu einem Dutt zusammengebunden.

Ich drehte das Foto um. Auf der Rückseite stand der Name der Nachtigall. „Na sieh mal einer an. Unser Vögelchen hat den Rang eines Colonel.“, sagte ich. „Was steht da?“ „Colonel Shu Yang.“ „Das ist eine ganz gefährliche. Wir müssen Sie zuerst ausschalten, ehe wir uns den Schlächter vorknöpfen.“ „Da gebe ich euch Recht, aber Shu Yang ist nicht aus Dummsdorf.“ „Fakt ist, für die Rezeptionistin wird es jetzt gefährlich. Wenn Shu Yang erfährt, dass diese Frau uns etwas über sie verraten hat, dann wird sie nicht zögern, und sie dem Schlächter ans Messer liefern.“ „Es würde uns weiterhelfen, wenn wir wüssten, in welchem Hotel Shu Yang abgestiegen ist.“

Alexandra Fedorova betrat die Lobby unseres Hotels. „Ach hier sind Sie beide! Da kann ich ja ganz Smolensk auf den Kopf stellen, bis ich alt und grau bin.“, sagte sie etwas streng. „Wo hatten Sie uns denn erwartet?“ „Im Art Hotel Kutuzov.“ „Und warum ausgerechnet dort?“, wollte ich wissen. „Weil das ein beliebtes Hotel bei Geheimagenten und Detektiven ist.“ „Dann nehme ich an, dass Shu Yang auch dort abgestiegen ist.“, sagte Jelena. „Ich sehe schon, Sie beide waren schon fleißig. Aber ich muss Sie leider enttäuschen, Miss Romanova. Shu Yang hat sich im Hotel Aurora eingemietet.“ „Jemand sollte sie beschatten. Denn nach allem was wir wissen, ist sie Michail Golowkos Informantin.“ „Das übernehme ich.“, sagte Alexandra Fedorova. „In Ordnung. Was vielleicht auch noch wichtig wäre, ist, wo sich der Schlächter zurzeit aufhält. „Er ist heute Morgen um 5:00 Uhr hier in Smolensk angekommen. Er wohnt im Hotel Nika.“

Den ganzen Tag passierte nichts. Bis am späten Nachmittag Anastasias Smartphone klingelte. Alexandra Fedorova hatte Shu Yang beschattet. In der Uspenski-Kathedrale, so berichtete die GRU-Agentin, hatte die Nachtigall dann den Schlächter getroffen. „Wir müssen handeln. Eine Rezeptionistin im Hotel SandS of Time hat den beiden Privatschnüfflern, die dir auf den Fersen sind, etwas über mich verraten.“ „Weiß man, wer die beiden sind?“ „Er ist Schotte, sie ist Russin. Und sie ist von hier. Du kennst sie.“ „Jelena Romanova!“ „Richtig. Aber er ist auch ein harter Brocken. Er ist ein ehemaliger SAS-Kommandeur.“ „Das riecht mir nach Paul MacLain.“

Später am Abend trafen wir dann Alexandra Fedorova. „Wir müssen handeln. Michail Golowko weiß, mit wem er es zu tun hat.“ „Dann warten wir bis Madame Dienstschluss hat und hängen uns an sie ran.“ „Früher oder später, muss der Schlächter ja mal auftauchen.“, sagte Jelena. „Und Shu Yang wird sicher bei ihm sein, um als Rückendeckung zu fungieren.“ „Also verteilen wir die Aufgaben. Wer übernimmt unsere Nachtigall?“, fragte ich. Jelena, Anastasia und Alexandra sahen sich an, dann sagte Anastasia: „Das machen wir drei. Kümmere du dich um den Schlächter.“ 178

Um 21:30 Uhr hatte die Rezeptionistin dann Feierabend. Sie machte noch die Übergabe an ihren Kollegen und verabschiedete sich dann. Nachdem sie das Hotel verlassen hatte, ging sie in Richtung der Uspenski-Kathedrale. Und dort wurde sie überfallen. Shu Yang verdrehte ihr die Arme auf den Rücken und fesselte sie. Danach riss die Vietnamesin der Frau die Kleider vom Leib. Dann rief sie ihren Komplizen. „Michail! Ich hab die kleine Fotze! Du kannst dich an ihr austoben.“, rief sie in die Dunkelheit. Mit einem lauten Brüllen sprang ein schwergewichtiger ca. 1,78 m großer Mann mir kurzen grauen Haaren und braunen Augen aus dem Schatten. Sein rundes Gesicht mit der Hakennase und den wulstigen Lippen war von Aggression uns sexueller Gier gezeichnet. Seine Khakihose hatte er samt Unterhose herunter gezogen, als wir unsere Deckung verließen.

Jelena gab einen Schuss aus ihrer Makarow ab, der neben der Nachtigall in eine Sitzbank einschlug. Shu Yang drehte sich um. „Nimm deine Hände hoch. Aber ein bisschen dalli, wenn ich bitten darf.“, sagte meine Partnerin im Befehlston. Doch statt dem Befehl nachzukommen, stürmte die vietnamesische Agentin auf Jelena zu, wurde aber durch einen Fußfeger von Anastasia Dimitrova zu Fall gebracht. Ehe Shu Yang wusste, wie ihr geschah, bekam sie von Alexandra Fedorova einen Handkantenschlag ins Genick und wurde ins Reich der Träume geschickt.

Unterdessen hatte ich Michail Golowko von der Mitarbeiterin unseres Hotels heruntergerissen und ihm einen Kinnhaken aus der Aufwärtsbewegung verpasst, der ihn eigentlich hätte von den Beinen holen müssen. Doch der Schlächter schüttelte sich kurz und verpasste mir selbst einen Schlag ans Kinn, der mich benommen machte. Doch Aufgeben kam für mich nicht infrage. Ein MacLain gibt niemals auf! Also raffte ich mich auf und rammte Michail Golowko das Knie im spitzen Winkel in den Unterleib. Der Russe schrie auf und rammte mir einen rechten Haken in die Magengrube. Um ein Haar hätte er mich niedergestreckt. Doch ich wollte mich nicht unterkriegen lassen. Also rammte ich dem Russen einen Ellenbogen auf den Solarplexus. Michail Golowko ging in die Knie. Und in diesem Augenblick machte ich einen verhängnisvollen Fehler. Ich drehte meinem Gegner den Rücken zu.

Denn urplötzlich kam Golowko von hinten und schlang einen Arm um meinen Hals, um mir die Luft abzudrehen. Doch mein Willen durchzuhalten war nach wie vor ungebrochen. Mit allerletzter Kraft gelang mir ein Tritt in die Familienplanung des Russen. Durch den Schmerz abgelenkt lockerte Michail Golowko seinen Würgegriff. Ich konnte mich zwar befreien, doch ich brauchte erst mal Zeit um Luft zu holen und wieder zu Kräften zu kommen. Und diese Zeit hatte ich nicht. Also schlug ich Michail Golowko mit voller Wucht auf die Ohren und brachte seinen Gleichgewichtssinn durcheinander. Der Russe sackte wie ein nasser Sack auf den Boden und rührte sich nicht.

„So Genosse, das wars dann wohl für dich.“ „Halt die Klappe, Durak.“ „An deiner Stelle würde ich lieber zweimal nachdenken, ehe ich den Mund aufmache.“, sagte ich. Michail Golowko wollte zu einer Erwiderung ansetzen, als ein russischer Polizist ihm mit einer barschen Stimme ins Wort fiel. „Auf die Knie und die Hände 179

hinter den Kopf.“ Schwerfällig kam der Schlächter auf die Knie. Ich hatte meine Hände bereits hinter dem Kopf verschränkt. „Sie können ihre Hände runter nehmen, Mr. MacLain.“ Erleichtert ließ ich die Hände sinken.

Eine Woche später machte man Michail Golowko den Prozess. Ihn verurteilte man zu einer lebenslangen Haft in einem sibirischen Straflager. Shu Yang wurde ebenfalls der Prozess gemacht. Sie wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Doch die Regierung in Hanoi wollte ihre Agentin zurück und ließ durch ihren Botschafter in Moskau dem Kreml eine Protestnote übermitteln. Und so kam es, dass Shu Yang nach drei Tagen Haft mit einer Maschine der Vietnam Airlines zurück nach Hanoi gebracht wurde. Allerdings hagelte es heftige Kritik am Vorgehen der Regierung Vietnams von Seiten der westlichen Mächte. Und auch Russland verurteilte das Vorgehen der Vietnamesen scharf.

Uns sollte das nicht weiter kümmern. Unser Auftrag in Russland war erledigt. Jelena und ich packten unsere Koffer und checkten aus. Wir fuhren zum Bahnhof von Smolensk und gaben unseren Skoda zurück. Dann fuhren wir mit dem Zug zurück nach Moskau. Vom Weißrussischen Bahnhof ging es mit dem Taxi zum Scheremetjewo-Flughafen. Wir gaben unsere Koffer auf und begaben uns dann zur Sicherheitsschleuse. Wie immer schlug der Detektor nicht an. Nach einer Flugzeit von 3 Stunden landete unsere Maschine um 16:00 Uhr auf dem RheinMain-Flughafen in Frankfurt am Main.

Nachdem wir unsere Koffer geholt hatten, gingen wir zum Regionalbahnhof und fuhren mit einem Triebwagen der Baureihe 430 auf der Linie S8 nach Niederrad und suchten unsere Wohnungen auf. Später am Abend trafen wir uns bei meiner Schwester Samantha zum Abendessen. Sie hatte Irish Stew zubereitet. Zum Glück wusste Jelena die Kochkünste meiner Schwester zu schätzen, denn Sam ist sehr nachtragend, wenn jemand an Gerichten rum nörgelt, die sie zubereitet hat. Wir saßen gerade beim Essen, als es an der Wohnungstür klingelte.

Jelena stand auf und ging zur Tür um sie zu öffnen. Doch vorher sah sie durch den Türspion. Meine Partnerin war etwas überrascht, als sie Anastasia Dimitrova vor der Tür stehen sah. Sie öffnete und bat ihre beste Freundin aus der Schulzeit herein. Nachdem Jelena Anastasia mit meiner Verlobtem, meiner Schwester, unserer Sekretärin und Samanthas Adoptivtochter Camille bekannt gemacht hatte, erzählte diese, was sie nach Frankfurt am Main verschlagen hatte. „Das russische Generalkonsulat hier in Frankfurt hat eine neue Stelle ausgeschrieben. Ich habe mich beworben und wurde genommen.“ „Da steckt doch mehr dahinter, Anastasia.“ „Du kennst mich Jelena.“ „Eben drum.“ „Ich hatte Sehnsucht nach dir. Leider hatten wir in unserer Heimat kaum Zeit füreinander und es gibt so vieles, was ich dir sagen will. Was ich all die Jahre in mir verborgen gehalten habe.“

Kelly warf mir einen wissenden Blick zu. Camille gab mir ein Zeichen, dass sie mir etwas ins Ohr flüstern wollte. „Wetten, Anastasia ist ne Lesbe, Onkel Paul?“, fragte sie leise. „Camille! Ein bisschen mehr Respekt, wenn ich bitten darf!“ 180

„Es ist mir egal, ob Anastasia vom anderen Ufer ist, oder nicht. Wichtig ist, sie ist nett. Ich mag sie jedenfalls.“ „Na immerhin.“, sagte ich. „Was tuschelt Ihr beiden miteinander?“ „Nichts besonderes, Jelena.“ „Paul, jetzt mal Butter bei die Fische. Was hat Camille dir ins Ohr geflüstert?“ „Sie glaubt, dass Anastasia lesbisch ist.“ „Ja das stimmt. Was ist schon dabei?“ „Ich hab kein Problem damit, Tante Anastasia.“ „Ich würde sagen, Camille hat dich in die Familie aufgenommen.“ „Danke für die Ehre.“, sagte Anastasia. 181

16. Fall - Mädchenhandel in Marrakesch

16. Fall – Mädchenhandel in Marrakesch

Es war Mitte Mai 2019 als Jelena und mich ein neuer Fall erreichte. Wohin er uns führen würde konnten wir noch nicht ahnen. Es war 9:00 Uhr morgens, wir joggten gerade mit Brit Olson durch den nahegelegenen Park, als sich Jelenas Smartphone bemerkbar machte. Ich erkannte das Gerät anhand des Klingeltons. Es war „Strangers“ von Sigrid. Jelena gab uns ein Zeichen, stehen zu bleiben. Dann nahm sie den Anruf an. „Detektivbüro MacLain-Romanova, Sie sprechen mit Jelena Romanova.“, sagte sie. „Miss Romanova. Mein Name ist Tori Adams. Ich brauche Ihr Hilfe.“ „Worum geht es?“ „Es geht um meine Tochter Natasha.“ „Könnten Sie bitte etwas konkreter werden?“ „Natasha ist vor zwei Wochen mit einigen Freundinnen zu einem Camping-Urlaub aufgebrochen. Sie wollten in den Rocky Mountains zelten gehen. Aber sie kamen nie an ihrem Zielort an.“ „Haben Sie die Polizei eingeschaltet?“ „Natürlich! Aber von den Mädchen fehlt jede Spur. Vor drei Tagen hat man das Auto gefunden, mit dem die Clique unterwegs war. Es war ein dunkelgrüner Ford Country Squire aus dem Jahr 1992.“ „Verstehe. Wäre es möglich, dass wir uns mal zu einem Gespräch treffen können?“ „Why not? Ich könnte morgen früh um 10:45 Uhr bei Ihnen sein. Ich besuche gerade meine Nichte. Sie war es auch, die mich auf Sie aufmerksam gemacht hat.“

Am nächsten Tag, es war Mittwoch, der 15.05.2019, waren wir schon um 9:30 Uhr im Büro. Brit durchforstete im Internet das Newsarchiv nach Entführungsfällen, die sich in den letzten zwei Monaten ereignet hatten. Dabei stieß sie auf einen Fall, der sich im US-Bundesstaat Colorado, in der Nähe von Colorado Springs ereignet hatte. Doch anscheinend gab es zwischen den einzelnen Fällen einen Zusammenhang, denn Brit händigte mir gleich sechs Schnellhefter aus. Um 10:45 Uhr klingelte es dann an der Tür unseres Büros. Brit betätigte den Türöffner und schon bald konnten wir Schritte auf der Treppe hören. Die Frau die eintrat war eine wahre Augenweide. Sie war 1,60 m groß und hatte einen sexy Körper. Auffällig waren die prallen Brüste. In den braunen Augen im Ovalen Gesicht konnte ich Besorgnis erkennen. Die etwas breite Nase und die kurzen, aber dennoch sinnlichen Lippen rundeten den ersten Eindruck ab. Ihre dunkelbraunen, dauergewellten Haare trug unsere Besucherin offen, sodass sie bis zu ihren prallen Brüsten reichten. Bekleidet war Miss Adams mit einem schwarzen, eng anliegenden Minikleid und schwarzen High Heels.

„Guten Morgen, Miss Adams. Bitte nehmen Sie doch Platz.“, sagte ich freundlich. „Danke.“ „Sie sagten gestern am Telefon, dass Sie ihre Tochter vermissen. Haben Sie eine Ahnung, was passiert sein könnte?“ „Nein.“ „Ich habe hier einen Schnellhefter mit Zeitungsartikeln zu einem Entführungsfall, der sich in der Nähe von Colorado Springs ereignet hat. Würden Sie ihn sich bitte ansehen?“ „Selbstverständlich.“ Ich reichte Tori Adams den Schnellhefter. Sie blätterte ihn aufmerksam durch, um ihn mir dann mit zittriger Hand aufgeklappt auf den Tisch zu legen. „Sie zittern. Ich nehme an, dass Ihnen irgendjemand bekannt vorkommt.“ „Ja, das ist richtig. Sehen Sie die drei Mädchen auf dem Bild? Das in der Mitte ist meine Tochter Natasha. Zu ihrer linken dass ist ihre beste Freundin Kelly La Rew. 182

Und das Mädchen rechts von Natasha ist Andrea Ackerman.“ „Was ist mit dem Mann, der unter dem Bild mit dem Wagen abgebildet ist, mit dem die Mädchen unterwegs waren?“ „Den habe ich noch nie gesehen.“ „Was mich interessiert, ist, wem der Wagen gehört, mit dem ihre Tochter und ihre Freundinnen unterwegs waren.“, sagte Jelena. „Der Wagen gehört Kelly.“

„Nun Miss Adams, meine Partnerin und ich haben Grund zu der Annahme, dass zwischen dem Verschwinden Ihrer Tochter und ihren Freundinnen und den anderen Fällen ein Zusammenhang besteht. Wir haben hier noch fünf Schnellhefter, mit Entführungsfällen. Soll ich sie Ihnen zeigen?“, fragte ich vorsichtig. „Nur zu.“ Ich reichte Tori Adams den ersten Schnellhefter. „Diese Entführung hat sich in Ecuador ereignet.“ Unsere Besucherin sah sich den Ordner an. Dann legte sie den Ordner aufgeschlagen auf den Tisch. „Das ist derselbe Mann, wie in meinem Fall.“ „Sein Bild taucht noch in den anderen Schnellheftern auf.“ „Dann ist er auch in die anderen Fälle verstrickt. Ich bitte Sie, finden Sie meine Tochter. Ich könnte jedem von Ihnen 500.000 Euro zahlen.“ „Wir machen den Job.“

Nachdem Tori Adams gegangen war, gingen Jelena und ich zum russischen Generalkonsulat und suchten Anastasia Dimitrova auf. Sie sah sich die Fotos des Mannes genau an. „Alles klar. Der Mann heißt Feitullah Ahmadinedschad. Er ist so etwas wie der verlängerte Arm eines Mannes, den man „Die Krake“ nennt.“ „Was denn ist das für ein Typ?“ „Er ist Mädchenhändler. Er beliefert die Scheichs und Sultane mit jungen Frauen. In der Regel sind die Mädchen noch Jungfrauen.“ „Wo finden wir ihn, Anastasia?“ „Es wird schwer, die Krake zu fassen, aber ich weiß, wo er seine Auktionen abhält.“ „Dann lass die Katze mal aus dem Sack, Schnecke.“ „Die Auktionen finden im Pacha Marrakech Club statt. Dort werdet Ihr auch Feitullah Ahmadinedschad antreffen. Er fungiert meistens als Moderator und Auktionator.“ „Dann wissen wir ja, was wir zu tun haben.“, sagte ich. „Ja. Bewegt eure Ärsche nach Marrakesch, und das so schnell wie möglich.“

Bereits am nächsten Tag begannen wir mit den Vorbereitungen für die Reise. Zuerst buchten wir den Flug. Wir entschieden uns für einen Flug am Nachmittag, der um 14:10 Uhr in Frankfurt am Main starten und um 17:50 Uhr in Marrakesch landen sollte. Als Unterkunft hatten wir uns das Hotel Fairmont Royal Palm in Marrakesch ausgesucht. Am Freitag, den 17.05.2019 brachte uns Jelenas Mitbewohnerin Anastasia Dimitrova zum Flughafen. Wir gaben unsere Koffer an einem der Schalter von Air Arabia Maroc auf, und gingen dann zur Sicherheitsschleuse, wo sich Anastasia von uns verabschiedete. „Seid um Himmels Willen vorsichtig. Mit der Krake ist nicht gut Kirschen essen.“ „Sind wir doch immer.“ „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Ihr dürft die Krake nicht aufschrecken, sonst kommt Ihr als Leichen zurück.“ „Mal abwarten, wer hier wem einen vor den Ständer kleistert.“

Um 14:10 Uhr startete unser Flieger Richtung Marrakesch, wo wir nach einer Flugzeit von 3 h 40 min um 17:50 Uhr auf dem Menara International Airport landeten. Nach dem wir unsere Koffer an der Gepäckausgabe abgeholt hatten, suchten wir nach einer Autovermietung. Bei Europcar mieteten wir einen Landrover 183

Discovery. Der Geländewagen war mit dem 2,0 Liter SD4-Turbodiesel mit 240 PS und Automatikgetriebe ausgestattet. Der Hersteller hatte dem Autovermieter ein Exemplar geliefert, das in Namib orange lackiert war. Als zusätzliche Extras waren die 20-Zoll-Leichtmetallfelgen mit 10 Doppelspeichen, dunkel getönte Glasscheiben ab der B-Säule sowie ein elektrisches Glasschiebedach mit zwei Glasflächen mit an Bord. Ferner verfügte der Landrover über den Dachhimmel Modell Morzine in der Farbe Light Oyster, 5 Sitze hinten und das Meridian Sound System. Als weitere Extras waren das Fahrassistenzpaket Premium, die Sicherheitsbox für den Gepäckraum, eine Gepäckraumwanne und eine faltbare Gepäckaufbewahrung vom Vermieter geordert worden und von Landrover verbaut.

Vom Flughafen aus fuhren Jelena und ich 17 Minuten über die P2009 zu unserem Hotel. Das Fairmont Royal Palm glich vom architektonischen einem ägyptischen Pharaonenpalast. Der neunteilige Gebäudetrakt war mit großen Fenstern versehen worden. Ein weitläufiger Park, der vom Aussehen einer Oase ähnelte, durfte nicht fehlen, ebenso, wie die für Afrika typischen Palmen und anderen Pflanzen. Das Hotel verfügte über einen großen Brunnen und ein riesiges Wasserbecken.

Als wir die Lobby des Hotels betraten, sah der Concierge überrascht von seinem PC auf. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte er. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert.“ „Einen Moment. Ah! Paul MacLain, Zimmer 212. Jelena Romanova, Zimmer 214. Bitte sehr, Ihre Schlüssel. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus.“ „Vielen Dank.“

Nachdem wir unsere Koffer ausgepackt hatten, machten Jelena und ich uns erst mal frisch. Um 19:45 Uhr holte meine Partnerin mich zum Abendessen ab. „Wir sollten uns nach dem Abendessen diesen Nachtclub ansehen, wo Feitullah Ahmadinedschad und die Krake die Auktionen abhalten.“, schlug ich vor. „Zwei Hirne, ein Gedanke.“ „Zieh dich nicht zu sexy an, wir wollen nicht riskieren, dass du auf dem Wunschzettel der Krake landest.“ „Keine Panik, Towarischtsch.“

Um 21:00 Uhr betraten Jelena und ich das Pacha Marrakech. Jelena trug eine Jeans und ein T-Shirt. Dazu trug sie weiße Tennissocken und weiße Turnschuhe. Der Türsteher war enttäuscht gewesen, als er Jelenas Outfit bemerkt hatte. „Das nächste Mal will ich dich sexy sehen.“, hatte er gesagt. Als Antwort hatte ihm Jelena einen Tritt in den Unterleib verpasst. Nun suchten wir nach einem freien Tisch, von dem aus wir den Club gut im Augen behalten konnten, ohne selbst aufzufallen. Ein Mann, dessen Alter ich auf Mitte 50 schätzte, näherte sich unserem Tisch. Der Mann war 1,75 m groß und hatte einen durchschnittlichen Körper. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen, der schmalen Nase und den kurzen Lippen, die von einem braunen Vollbart umrandet wurden, verriet eindeutig Nervosität. Hatte der Mann etwas zu verbergen? Seine braunen Haare begannen sich bereits zu lichten. Bekleidet war der Mann mit einem weißen Anzug, einem weißen Hemd und einer schwarzen Fliege. Dazu trug er schwarze Socken und schwarze Herrenschuhe. „Guten Abend. Erlauben Sie mir, dass ich mich vorstelle? Ich bin Max Kalba. Besitzer und Manager dieses Clubs. Mit wem habe ich das Vergnügen?“ 184

„Paul MacLain.“ „Jelena Romanova.“ „Das berühmte Ermittlerduo? Sie beide schickt mir Allah!“ „Setzen Sie sich doch. Und dann erzählen Sie uns, wo Sie der Schuh drückt.“, sagte Jelena. „Seitdem die Auktionen hier abgehalten werden habe ich ständig Ärger mit den Behörden. Ich habe immer wieder versucht Feitullah Ahmadinedschad und Ender Sakar aus meinem Club zu entfernen. Ich habe Hausverbote ausgesprochen und sonstige Maßnahmen ergriffen. Aber jedes Mal kam Mr. Sakar mit einem weiteren Gerichtsbeschluss, der ihm die Auktionen in meinem Club erlaubt hat.“ „Dann ist Ender Sakar...“ „Die Krake. Sehr richtig, Miss Romanova.“

„Was genau sollen wir tun?“, fragte ich. „Ihre Aufgabe besteht darin, bei der nächsten Auktion, die jetzt am Sonntag stattfindet, für Unruhe zu sorgen.“ „Wie genau stellen Sie sich das vor, Mr. Kalba?“ „Ich lasse Ihnen in diesem Punkt freie Hand. Und ich zahle gut. 75.000 Euro für jeden von Ihnen.“ „Einverstanden. Wann findet die Auktion statt?“ „Das sagte ich doch schon. Sonntag.“ „Die Uhrzeit.“ „Ach so. Sagen Sie das doch gleich. Der Beginn ist um 20:45 Uhr.“

Am Sonntag, den 19.05.2019, waren Jelena und ich schon um 20:00 Uhr im Pacha Marrakech. Meine Partnerin trug wieder ihr rotes Paillettenkleid und die roten Plateauschuhe. Dem Türsteher, der Jelena bei unserem letzten Besuch wegen ihres Outfits angeraunzt hatte, fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Also für so viel Schönheit und Sexappeal brauchst du ja einen Waffenschein, Süße. Ich denke, du wirst Ender Sakar viel Geld einbringen.“ Doch so schnell, wie er in den Lauf von Jelenas Makarow blickte, konnte der Mann nicht mal vor Angst mit den Knien schlottern. „Eine falsche Bewegung, und ich stoß dich aus deinen Fischgräten.“, zischte Jelena.

Im Club setzten wir uns wieder an denselben Tisch, wie beim letzten Mal. Max Kalba kam zu uns. „Eines sollten Sie beide noch wissen, bevor Sie in Aktion treten. Es gibt noch einen Hinterausgang. Einer sollte dort Wache stehen.“ „Das übernehme ich.“, sagte eine Männerstimme, die ich nur allzu gut kannte. Ganz langsam drehten Jelena und ich uns um. Und was wir sahen, ließ uns das Blut in den Adern gefrieren. Denn wir sahen in das Gesicht von Chong Li. „Moment mal. Dir haben wir doch in Singapur das Licht ausgeblasen.“, sagte Jelena. „Das war mein Zwillingsbruder. Um ihn ist es nicht schade. Lasst mich euch unter die Arme greifen. Ihr beiden werdet hier im Clubraum genug zu tun haben, um auch noch den Hinterausgang im Auge zu behalten.“

Um 20:30 Uhr traf man die Vorbereitungen für die Auktion. Aus der Tanzfläche wurde eine Präsentationsbühne für die Mädchen, die verkauft werden sollten. Chang Li stand am Hinterausgang und behielt diesen im Auge. Über ein verstecktes Mikrofon waren wir miteinander verbunden. Es knisterte im Mikro. „Paul, hier ist Chang. Gerade sind zwei Stretchlimousinen vorgefahren. Scheint so, als ob die „Ware“ angeliefert wird.“ „Danke, Chang.“ Um 20:35 Uhr betraten drei Männer den Club. Zwei davon waren gekleidet wie orientalische Herrscher. Der dritte trug eine grüne Uniform und auf dem Kopf einen roten Turban mit einer weißen Feder. 185

Eben dieser Mann kam zu uns an den Tisch und legte mir einen Briefumschlag vor die Nase. „Mr. Sakar braucht noch ein Kronjuwel für seine Auktion. Und Ihre weibliche Begleiterin wäre ideal. In diesem Umschlag befinden sich 85.000 Dollar.“ „Ach ne. Und wofür zahlt mir Mr. Sakar eine solche Summe?“ „Er will Ihre Frau.“ Ich sah dem Mann ins Gesicht und schob ihm, ohne mit der Wimper zu zucken den Umschlag zurück. „Danke vielmals. Aber ich ziehe es vor, Jelena zu behalten.“ Um diesen Kerl noch weiter zu provozieren, gab mir Jelena demonstrativ einen Kuss auf den Mund und zeigte dem Wesirverschnitt den Stinkefinger. Dieser sah uns völlig entgeistert an, dann eilte er zu seinem Herrn zurück. „Hey!“, rief ich ihm nach, „Du hast die Kohle vergessen!“ Jelena nahm den Umschlag und stopfte ihn dem verblüfften Sekretär in den Mund.

Ich konnte hören, was der Mann zu Mr. Sakar sagte. „Der fremde Efendi hat euer Angebot abgelehnt und es scheint auch nicht den Anschein zu haben, das seine Partnerin sich von ihm trennt. Wir müssen die Kleine entführen.“ „Kommt nicht infrage. Diese Beauty ist Europäerin. Wenn wir sie hier in Marokko entführen, dann macht uns die Regierung ihres Heimatlandes die Hölle heiß. Nein, Ahmed. Heute muss es ohne Kronjuwel gehen. Außerdem haben wir genug Mädchen zur Auswahl.“

Um 20:45 Uhr begann dann die Auktion. Alle feil gebotenen Mädchen kamen auf die Bühne. Zu meiner Erleichterung waren Natasha Adams, Kelly La Rew und Andrea Ackerman nicht darunter. Dennoch empfand ich Mitleid mit den armen Mädchen, die ihre Heimat nie wieder sehen würden. Jelena hatte ein bisschen Geld mitgenommen, das sie vor kurzem beim Lotto gewonnen hatte. Wir hatten mit Max Kalba vereinbart, dass wir bei zwei oder drei der Mädchen mitbieten und uns den Zuschlag sichern sollten, damit die Scheichs und Sultane sich empörten und eine Schlägerei anfingen.

Dann betrat Feitullah Ahmadinedschad die Bühne. Er war 1,81 m groß und hatte einen schlanken Körper. Sein rundes Gesicht mit den braunen Augen, der Knubbelnase und kurzen und schmalen Lippen und dem braunen Vollbart zeigte keinerlei Gefühlsregung. Bekleidet war er mit einer schwarzen Hose, einem weißen Hemd und goldenen gehörnten Stiefeln. Dazu trug er einen goldenen Mantel mit goldenen Stickereien. Auf dem Kopf trug er einen blauen Turban mit einer goldenen Blume. Ender Sakar hielt sich im Hintergrund.

Die erste Dame die an der Reihe war, war eine Rothaarige mit einem schlanken 1,56 m großen Körper und kleinen Brüsten. Auffällig war die alabasterähnliche Haut der Frau. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen und den sinnlichen Lippen sowie der schmalen, aber dennoch hübschen Nase, rundete den ersten Eindruck ab. Ihre roten Haare trug die Frau offen, sodass sie hinten etwas über ihre Schultern fielen. Bekleidet war sie mit einer grünen Shorts und einem gelben Pulli, der auf der linken Seite die Schulter frei ließ und gelben Schuhen mit hoher Korksohle. Dazu trug sie grüne Ohrringe aus Jade und ein grünes Armband sowie ein rotes Armbändchen aus Stoff.

Feitullah Ahmadinedschad ließ sich ein Mikro geben und begann mit 186

der Versteigerung „Gentlemen, willkommen zu unserer heutigen Auktion. Bevor wir anfangen, muss ich Ihnen zu meinem größten Bedauern mitteilen, dass wir heute kein Kronjuwel zu versteigern haben. Ein Ungläubiger hat es gewagt, das Angebot meines Freundes Ender Sakar abzulehnen. Aber das soll uns nicht davon abhalten heute Abend auf unsere Kosten zu kommen nicht wahr?“ Der ganze Saal lachte.

„Und nun kommen wir zu unserer ersten Dame. Sie stammt aus Portugal und ist 23 Jahre jung. Beatriz hat zwar keine üppige Oberweite, ist aber wild wie eine Raubkatze. 10.000 Dollar ist das Mindestgebot. Bietet jemand 10.000?“ Doch keiner der Anwesenden hob den Arm zum Gebot. „Was denn? Kein Gebot für diese Perle aus Tavira? Tja, wenn das so ist, dann muss wohl ein zusätzlicher Anreiz her. Würdest du dich bitte ausziehen mein Kind?“ Beatriz ließ die Hüllen fallen und zeigte den Bietenden was sie zu bieten hatte. Zugegeben, die kleinen Brüste gefielen mir. Aber nicht die blank rasierte Scham. Ganz anders Kelly, deren Schambereich komplett zugewachsen war.

„Nun? Traut sich jetzt jemand, ein Gebot abzugeben? Das Mindestgebot steht nach wie vor bei 10.000 Dollar. Bietet jemand 10.000?“ Ein Mann hob den Arm. „Der Scheich von Kuweit bietet 10.000. Bietet jemand mehr?“ „10.500!“ „10.500 hat der Sultan von Brunei geboten. Höre ich noch andere Gebote?“ „11.000“ „11.000 Dollar hat der König von Saudi Arabien geboten. Bietet jemand mehr als 11.000?“ Der Scheich von Kuweit hob wieder den Arm. „11.500“ „11.500 Dollar vom Scheich von Kuweit. Bietet jemand mehr als 11.500 Dollar?“ „Wollen wir den Preis etwas in die Höhe treiben?“, fragte ich Jelena. „Gute Idee.“ Dann hob sie den Arm. „18.000.“, sagte sie. „18.000 von der Dame, die eigentlich unser Kronjuwel werden sollte. Bietet jemand mehr als 18.000 Dollar? Nein? 18.000 zum ersten. Zum zweiten...“ Der König von Saudi Arabien hob den Arm. „35.000“, sagte er. „Wir steigen aus.“ „Einverstanden.“, sagte Jelena. „35.000 Dollar hat der König von Saudi Arabien geboten. Bietet jemand mehr als 35.000? Niemand? 35.000 Dollar zum ersten. 35.000 zum zweiten. Zum dritten. Verkauft an den König von Saudi Arabien.“

Die nächste Lady war eine Blondine. Sie war 1,65 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. Die blauen Augen im ovalen Gesicht strotzten nur so vor Selbstvertrauen. Auch die leicht breite Nase fügte sich genauso perfekt in das Gesicht ein, wie die kurzen und leicht wulstigen Lippen. Auch die üppige Oberweite war ein Argument, sich den Zuschlag zu sichern. Bekleidet war die Blondine mit einem roten Kleid, das an vielen Stellen einen Blick auf die rosane Haut der Blonden bot, und roten High Heels.

„Und nun kommen wir zu Kyra aus Budapest. 22 Jahre jung und mit einer recht üppigen Oberweite gesegnet. Ungarisches Feuer gepaart mit jeder Menge Sexappeal. Das Mindestgebot liegt bei 15.000 Dollar. Bietet jemand 15.000?“, fragte Feitullah Ahmadinedschad. Wieder hob keiner den Arm. Und so blieb auch Kyra nichts anderes, als sich auszuziehen. „Warum bietet keiner, wenn die Mädchen noch angezogen sind?“, fragte Jelena. „Ganz einfach. Eine bekleidete Frau ist nicht interessant genug. Eine nackte lädt eher zum bieten ein.“ 187

Erst als uns Kyra einen Blick auf ihre prallen Brüste und ihre Blank rasierte Scham bot, ging das Bieten los. Der Sultan von Brunei hob als erster die Hand. „15.000 Dollar vom Sultan von Brunei. Bietet jemand mehr?“ Ich hob die Hand. „16.000 Dollar.“ „16.000 vom Ungläubigen. Bietet jemand mehr als 16.000?“ Der Scheich von Kuweit stieg ins Bieten ein. „17.500.“, sagte er. „17.500 Dollar vom Scheich von Kuweit. Höre ich mehr als 17.500?“ „19.000.“, sagte Jelena und hob den Arm. „19.000 von der Dame mit dem roten Paillettenkleid. Mehr als 19.000? Keiner? 19.000 zum ersten. Zum zweiten. Zum dritten. Und verkauft, an die Lady in Red.“

Auch die nächste Frau war eine Blondine. Jelena hatte inzwischen die 19.000 Dollar bezahlt und man hatte die hübsche Ungarin zu uns an den Tisch gebracht. Der Blick in ihren blauen Augen war eisig. „Hör zu. Meine Partnerin Jelena Romanova und ich sind Privatermittler. Wir suchen eine Frau namens Natasha Adams. Weißt du etwas über sie?“ „Warum sollte ich Ihnen helfen?“ „Weil wir dir geholfen haben. Wenn unser Auftrag erledigt ist, dann steht es dir frei, hinzugehen, wohin du willst.“ Inzwischen hatte Feitullah Ahmadinedschad das Mädchen angepriesen. „Gentlemen, kommen wir nun zu einem wahrhaftigen Leckerbissen. Dieses blonde Prachtexemplar kommt aus Riga, der Hauptstadt von Lettland. Sie heißt Viola, ist 22 Jahre jung und duftet zart wie eine Rose. Das Mindestgebot liegt bei 15.500 Dollar. Steigt jemand ein?“

Wieder das gleiche Spiel. Erst als Viola splitternackt auf der Bühne stand, ging das Bieten los. Der König von Saudi Arabien eröffnete, indem er den Arm hob. „15.500 Dollar sind geboten. Höre ich mehr?“ Der Sultan von Brunei hob den Arm. „16.000.“ „16.000 Dollar vom Sultan von Brunei. Bietet jemand mehr, als 16.000?“ „Was meinst du Paul?“ „Wir sollten in dieser Runde nicht mitbieten, sonst werden die Scheichs und Sultane misstrauisch.“ Als nächstes gab der Scheich von Kuweit sein Gebot ab. „17.800.“, sagte er. „17.800 Dollar hat der Scheich von Kuweit geboten. Geht jemand höher?“ Ein junger Mann hob den Arm. „20.000“ „20.000 vom Kronprinz von Dubai. Höre ich mehr? Keine weiteren Gebote? 20.000 zum ersten...“ „28.000!“, rief der Sultan von Brunei. „28.000 Dollar vom Sultan von Brunei. Höhere Gebote? Nein? 28.000 zum ersten. 28.000 Dollar zum zweiten. Zum dritten. Verkauft an den Sultan von Brunei.“

Die nächste Dame war wieder eine Rothaarige. Sie war 1,71 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper mit prallen Brüsten. Sie besaß ein ovales Gesicht mit blauen Augen, einer schmalen Nase und kurzen, leicht wulstigen aber dennoch sinnlichen Lippen. Ihre feuerroten Haare trug die Rothaarige offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. Bekleidet war sie mit einem schwarzen, zweilagigen Trägerkleid mit vielen aufgestickten Perlen.

Feitullah Ahmadinedschad kündigte auch diese junge Frau an. „Und nun kommen wir zu einem weiteren Juwel unserer heutigen Auktion. Eine rothaarige Perle aus Nikolaev aus der Ukraine. Daryna, 23 Jahre jung und ein Must Have für jeden Fan von rothaarigen Frauen. Das Mindestgebot für diese osteuropäische Schönheit beträgt aufgrund ihrer atemberaubenden Schönheit 30.000 Dollar.“ Doch bei den potenziellen Käufern wollte sich partout keine Bietlaune einstellen. 188

Erst als Daryna die Hüllen fallen ließ, hob der Kronprinz von Dubai seinen Arm. „30.000 vom Kronprinz von Dubai. Höre ich mehr?“ Ich hob die Hand. „31.750.“, sagte ich. „31.750 Dollar vom ungläubigen Schotten. Bietet jemand mehr?“ Der König von Saudi Arabien hob die Hand. „33.000.“ „33.000 Dollar hat der König von Saudi Arabien geboten. Höhere Gebote? Kommen Sie meine Herren! Diese Perle der Ukraine ist entschieden mehr wert, als schlappe 33.000 Dollar!“ Jelena hob die Hand. „80.000.“, sagte sie. „80.000 Dollar von der Lady in Red. Bietet jemand mehr als 80.000 Dollar?“ „90.800!“, rief der Scheich von Kuweit. „90.800 vom Scheich von Kuweit.“ „110.000!“, rief ich. „110.000 Dollar vom Mann aus Schottland. Geht jemand höher?“ „250.000!“ Der Kronprinz von Dubai hatte das Gebot abgegeben. „Eine Viertel Million vom Kronprinz von Dubai. Bietet jemand mehr? Keine weiteren Gebote? 250.000 zum ersten. 250.000 zum zweiten. 250.000 Dollar zum dritten. Verkauft an den Kronprinz von Dubai.“

Ich sah, wie Ender Sakar zufrieden nickte. So hatte er sich das offenbar vorgestellt. Doch die Auktion ging weiter. Inzwischen hatte man eine junge Frau aus Lateinamerika nach vorne geholt. Um die Bieter zu befriedigen hatte Feitullah Ahmadinedschad angeordnet, dass alle Mädchen ab sofort nackt auf der Bühne zu stehen hatten. „Und nun verehrte Herren, ein ganz seltenes Exemplar aus Lateinamerika. Loredana. Sie kommt aus La Guaira in Venezuela und ist 23 Jahre jung. Bewundern Sie diesen schlanken Körper, der mit einer Größe von 1,60 m einzigartig in diesem Raum sein dürfte. Besonders hervorheben möchte ich die kleinen, aber handlichen Brüste und die blank rasierte Scham. Meine Herren, hier steht ein wahrhaftiges Kleinod, dass jeden Cent, den Sie bieten wert sein dürfte. Das Mindestgebot liegt, aufgrund der Herkunft und der anmutigen Schönheit bei 50.000 Dollar.“ Ich sah Jelena fragend an. Sie nickte.

„50.000!“, rief ich und hob die Hand. „50.000 Dollar vom Mann aus Schottland. Höre ich mehr als 50.000?“ Der Sultan von Brunei hob die Hand. „58.000!“ „58.000 Dollar vom Sultan von Brunei. Bietet jemand mehr?“ „60.000!“ rief Jelena und hob die Hand. „60.000 von der Dame mit dem roten Paillettenkleid. Höre ich 60.500?“ „61.000“ Dieses Angebot kam vom König von Saudi Arabien. „61.000 Dollar vom König von Saudi Arabien.“ „66.000!“, rief ich und hob die Hand. „66.000 Dollar sind geboten. Höre ich 67.000? Das aktuelle Gebot liegt bei 66.000 Dollar. Bietet jemand 67.000? 66.000 Dollar zum ersten. Sie müssen 67.000 Dollar bieten um diese Perle Lateinamerikas Ihr eigen nennen zu dürfen. 66.000 zum zweiten. Letzte Chance 67.000 Dollar zu bieten. 66.000 zum dritten. Verkauft an den Ungläubigen aus Schottland.“

Danach machte der Auktionator eine Pause um die Gemüter etwas abzukühlen. Er kam zu uns an den Tisch. „Sie sollten sich mit dem Bieten etwas zurückhalten. Es ist nicht gut, wenn ein Europäer den hiesigen Herrschern reihenweise die Objekte der Begierde streitig macht, oder gar, wie Sie und ihre Partnerin es praktizieren den Preis hochtreibt.“ „Wie kommen wir zu der Ehre, dass Sie uns diesen Rat geben, Mr. Ahmadinedschad?“ „Der Kronprinz von Dubai ist ziemlich sauer. Er wollte eigentlich weniger für Daryna auf den Tisch blättern.“ „Konkurrenz belebt das bekanntlich 189

das Geschäft.“, sagte ich. „Schon möglich. Aber wenn Ihnen beiden Ihr Leben lieb ist, dann halten Sie sich bei den nächsten 10 Mädchen zurück.“ „Wir danken für Ihren freundlich gemeinten Rat. Aber wir handeln so, wie wir es für richtig halten.“ „Sagen Sie am Ende nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.“, sagte Feitullah Ahmadinedschad.

Nach 15 Minuten Pause ging die Auktion weiter. Ein Blick auf meine Uhr zeigte, dass es 21:25 Uhr Ortszeit war. Also war die Auktion gerade einmal 40 Minuten alt. Das nächste Mädchen war eine 1,68 m große blonde Asiatin. Zugegeben, die Kleine war hübsch anzusehen, doch ihre schönen Hängetitten reichten als Argument nicht aus, dass ich auch nur einen Gedanken daran verschwendete Kelly untreu zu werden. Die markante Reibeisenstimme von Feitullah Ahmadinedschad riss mich aus meinen Gedanken.

„Verehrtes Publikum. Hier habe ich ein besonderes Kleinod mitgebracht. Direkt aus Hiroshima, jener japanischen Stadt, die im zweiten Weltkrieg von den Amerikanern durch die Atombombe zerstört wurde, präsentiere ich euch die 26jährige Miyuki. Derjenige, der sich diese Perle Asiens sichert, kann sich glücklich schätzen, denn seine Freunde werden vor Neid erblassen. Das Mindestgebot für diese asiatische Schönheit liegt bei 40.000 Dollar. Steigt jemand ein?“ „40.100!“, rief Jelena und hob den Arm. „40.100 Dollar von der Lady in Red. Geht jemand höher?“ „42.000.“ Der Sultan von Brunei hatte die Hand zum Gebot gehoben. „42.000 vom Sultan von Brunei. Höre ich vielleicht 43.000?“ Der Kronprinz von Dubai hob die Hand. „45.900.“, rief er. „45.900 Dollar vom Kronprinz von Dubai. Bietet jemand mehr?“ „51.000.“, sagte der König von Saudi Arabien. „51.000 vom König von Saudi Arabien. Will noch jemand mitbieten?“ „52.600!“, rief der Scheich von Kuweit. „52.600 sind vom Scheich von Kuweit geboten. Bietet vielleicht jemand 53.000?“ Ein weiterer orientalischer Regent hob den Arm. „53.000.“, sagte er. „53.000 Dollar vom Emir von Fudschaira. Höre ich vielleicht 54.000?“ „77.000!“, rief ich und hob die Hand. „77.000 Dollar vom ungläubigen Schotten. Bietet jemand mehr als 77.000? 77.000 zum ersten. Zum zweiten. Kommen Sie Herrschaften, 78.000 Dollar sind für Sie doch Peanuts. 77.000 zum dritten. Verkauft an den Schotten.“

Das nächste Mädchen war wieder eine Europäerin. „Ihr solltet besser nicht mitbieten. Zumindest die nächsten drei Runden nicht.“, hatte Miyuki Jelena und mir geraten. „Und nun liebe Gäste, präsentiere ich euch, aus Deutschland, genauer gesagt aus Bayreuth die schwarzhaarige Perle Bettina. Sie ist 23 Jahre jung und sehr schön anzusehen. Wie gefallen Ihnen diese schönen, wohlgeformten Brüste. Und die wunderbar gebräunte Haut? Habe ich Ihr Interesse geweckt? Dann müssen Sie mindestens 35.000 Dollar bieten!“ Der Kronprinz von Dubai hob den Arm. „37.000“, sagte er. „37.000 vom Kronprinz von Dubai. Höre ich neue Gebote?“ Das nächste Gebot kam vom Scheich von Kuweit. „40.000 Dollar vom Scheich von Kuweit. Wer bietet mehr?“ „55.000!“, rief der Emir von Fudschaira. „55.000 Dollar hat der Emir von Fudschaira geboten. Höre ich vielleicht 56.000?“ „64.000!“ Der König von Saudi Arabien hatte sich ins Bieten eingeklinkt. „64.000 Dollar vom König von Saudi Arabien. Bietet noch jemand mit?“ „100.000!“, rief der Emir von Fudschaira. „100.000 Dollar vom Emir von Fudschaira. Höre ich vielleicht noch 110.000? Nein? 190

100.000 Dollar zum ersten. 100.000 zum zweiten. Kommen Sie meine Herren, wollen Sie sich allen ernstes diese Perle aus Deutschland entgehen lassen? 100.000 zum dritten. Verkauft an den Emir von Fudschaira.“

Das nächste Mädchen war wieder eine Asiatin. Sie war 1,60 m groß und hatte einen schlanken Körper mit einer üppigen Oberweite. Um den Hals trug sie eine Kette aus schwarzen Perlen mit Zähnen des Goliath-Tigersalmlers. „Und hier habe ich ein Kleinod aus Kambodscha. Die unvergleichliche Mitsuoko. Sie stammt aus Pnomh Penh und ist 24 Jahre jung. Wer von Ihnen will diese Schönheit aus Kambodscha ersteigern? Das Mindestgebot liegt aufgrund ihres Exotenstatus bei 80.000 Dollar.“ Der Kronprinz von Dubai hob die Hand. „125.000!“, rief er. „125.000 Dollar sind geboten. Höre ich 130.000?“ Doch keiner bot mit. „125.000 Dollar zum ersten. Was denn, hat denn keiner mehr Lust? 125.000 zum zweiten. Herrschaften! Sie enttäuschen mich. Ist denn keiner mehr da, der mehr bieten will, als der Kronprinz von Dubai? 125.000 zum dritten. Verkauft an den Kronprinz von Dubai.“

Als nächstes kam wieder eine Frau aus Südamerika an die Reihe. „Und nun kommen wir wieder zu etwas ganz besonderem. Ich präsentiere Ihnen Luna. Sie kommt aus Sao Paulo in Brasilien und ist 28 Jahre jung. Ich frage Sie, Gentlemen: Haben Sie schon einmal soviel Sexappeal auf einmal nackt auf einer Bühne stehen sehen? Das Mindestgebot für diese brasilianische Perle liegt bei 70.000 Dollar.“ „78.000!“ „78.000 vom Scheich von Kuweit. Höre ich 79.000?“ „80.500!“, rief der König von Saudi Arabien. „80.500 vom König von Saudi Arabien. Bietet jemand mehr?“ Der Scheich von Kuweit hob den Arm. „115.000!“, rief er. „115.000 vom Scheich von Kuweit. „115.400!“, rief der Kronprinz von Dubai. „115.400 Dollar vom Kronprinz von Dubai. Bietet jemand mehr?“ „Da können wir nicht Schritt halten. Lassen wir die drei das unter sich aus machen.“, sagte Jelena leise. „Ja.“ Der Scheich von Kuweit gab ein neues Gebot ab. „126.000!“, rief er. „126.000 Dollar vom Scheich von Kuweit. Höre ich vielleicht 127.000 Dollar?“ Doch keiner hob die Hand. „126.000 zum ersten. Höre ich vielleicht doch noch ein höheres Gebot? 126.000 zum zweiten. Immer noch kein höheres Angebot für diese Perle aus Sao Paulo? 126.000 zum dritten. Verkauft an den Scheich von Kuweit.“

Als nächstes war wieder eine Blondine dran. „Bei der sollten wir mitbieten. Limit?“ „108.000.“, sagte Jelena. „Einverstanden.“ „Und nun habe ich das Vergnügen, Ihnen eine Schönheit aus Schottland zu präsentieren. Zugegeben, sie ist nicht mehr die jüngste, die Dame ist schon 34, aber immer noch schön anzusehen. Sie kommt aus Glasgow und heißt Gloria. Das Mindestgebot für diese Perle aus dem vereinigten Königreich liegt bei 55.000 Dollar.“ Der Sultan von Brunei stieg sofort ein. „58.000!“, rief er. „Fällt dir was auf, Towarischtsch?“, fragte Jelena. „Ja. Der Sultan von Brunei bietet nur auf Blondinen.“ „Blondinen bevorzugt, würde ich sagen.“ Die Auktion ging inzwischen weiter. „60.000 Dollar vom Emir von Fudschaira. Bietet jemand mehr?“ Jelena hob den Arm und rief: „108.000!“ „108.000 Dollar von der Lady in Red. Bietet jemand mehr?“ Doch keiner wollte so recht mitbieten. „Kein neues Gebot? Sehen Sie sich diese Frau an. Die schönen Hängebrüste und die blank rasierte Scham. Wenn Sie sie nicht kaufen, dann geht der Zuschlag an Ihre Konkurrentin.“ 191

Doch keiner wollte mehr mitbieten. „108.000 zum ersten. Kommen Sie meine Herren, Sie werden doch nicht vor einer Frau kneifen wollen. 108.000 zum zweiten. Kommen Sie, meine Herren, diese hübsche Blondine mit blauen Augen, die so tief sind, wie der Loch Ness, ist entschieden mehr wert, als 108.000 Dollar.“ Doch keiner bot mehr mit. Mit einem lauten Seufzer beendete Feitullah Ahmadinedschad die Auktion auf Gloria. „108.000 zum dritten. Verkauft an die Dame mit dem roten Paillettenkleid.“

Als nächstes war wieder eine Blondine an der Reihe. Sie war 1,65 m groß und hatte einen schlanken Körper mit üppigen Brüsten und einer rasierten Scham. Die blonden Haare trug sie offen, sodass sie über die Schulter fallend bis zu ihren üppigen Brüsten reichten. „Ich würde sagen, diese Lady überlassen wir dem Sultan von Brunei.“ „Wollte ich grad vorschlagen, Towarischtsch.“, sagte Jelena. „Und nun, Ladies and Gentlemen, habe ich die Ehre, Ihnen die bezaubernde Stella vorzustellen. Sie kommt aus London und ist 25 Jahre jung. Sehen Sie sich Stella in aller Ruhe an, bevor Sie ein Gebot abgeben. Sie sollen den Kauf ja später nicht bereuen. Ich möchte Sie aber davon in Kenntnis setzen, dass das Mindestgebot in Anbetracht ihrer Schönheit und auch ihres Seltenheitswertes bei 150.000 Dollar liegt.“

Der Sultan von Brunei hob sofort den Arm. „180.000.“, sagte er. „180.000 hat der Sultan von Brunei geboten. Höre ich ein höheres Gebot?“ „185.000!“, rief der Kronprinz von Dubai. „185.000 vom Kronprinz von Dubai. Bietet jemand 185.500?“ „188.000!“, rief der Scheich von Kuweit. „188.000 Dollar vom Scheich von Kuweit. Höre ich vielleicht 189.000?“, fragte Feitullah Ahmadinedschad in die Runde. Sofort hob der Emir von Fudschaira seinen Arm. „191.000!“ „191.000 vom Emir von Fudschaira. Bietet jemand 195.000?“ Der Sultan von Brunei hob erneut seinen Arm. „500.000!“, rief er. „Eine halbe Million Dollar vom Sultan von Brunei. Höre ich vielleicht 501.000?“ Doch keiner wollte mehr mitgehen. „500.000 Dollar zum ersten. 500.000 zum zweiten. Die letzte Chance 501.000 zu bieten. 500.000 zum dritten. Verkauft an den Sultan von Brunei.“

Als nächstes wurde wieder eine Schwarzhaarige nach vorn geholt. Sie hatte braune Augen, eine üppige Oberweite und war im unteren Bereich blank rasiert. Auch der schlanke sexy 1,60 m große Körper fiel sofort ins Auge. „Und nun meine Damen und Herren ist es Zeit für ein Küken. Diese Schönheit mit Haaren so schwarz wie Ebenholz ist zarte 19 Jahre jung. Sie kommt aus Rom, der Hauptstadt von Bella Italia und trägt den klangvollen Namen Rebecca. Weil Italienerinnen hier so selten verkauft werden liegt das Mindestgebot bei 175.000 Dollar.“ Der Kronprinz von Dubai eröffnete die Versteigerung der 19jährigen. „180.000!“, rief er und hob seinen Arm. „180.000 vom Kronprinz von Dubai. Höre ich 181.000?“ Dann bot der König von Saudi Arabien. „230.000.“ „230.000 vom König von Saudi Arabien. Bietet jemand mehr?“ Der Emir von Fudschaira hob seine Hand. „245.000.“ „245.000 vom Emir von Fudschaira. Wer hat noch nicht geboten, und will noch bieten?“ Der Scheich von Kuweit hob die Hand. „254.500.“ „254.500 Dollar vom Scheich von Kuweit. Geht jemand höher? Kommen Sie, meine Herren. So eine Gelegenheit bekommen 192

Sie schnell kein zweites Mal.“ Der Kronprinz von Dubai meldete sich noch einmal. „300.000.“ „300.000 Dollar vom Kronprinz von Dubai. Will noch jemand mitbieten?“ Doch die meisten Bieter hatten das Interesse an Rebecca verloren. „300.000 zum ersten. Hat noch jemand Interesse? Dann muss er jetzt bieten. 300.000 zum zweiten. Letzte Chance. 300.000 zum dritten. Verkauft an den Kronprinz von Dubai.“

Danach kam wieder eine Schwarzhaarige. Sie hatte eine üppige Oberweite, einen Körper, der an den entsprechenden Stellen wohl proportioniert war und eine kaffeebraune Haut. Die schwarzen Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. Das runde Gesicht mit den braunen Augen, der etwas breiteren Nase und den kurzen , aber sinnlichen Lippen, war ebenfalls nicht zu verachten. Auch die blank rasierte Scham fiel sofort auf.

Feitullah Ahmadinedschad begann mit der Anmoderation der Auktion. „Und nun, liebe Bieter, habe ich wieder ein Kleinod aus Lateinamerika anzupreisen. Diese Schönheit hier heißt Cristina und kommt aus Pereira in Kolumbien. Sie ist 25 Jahre jung, 1,60 m groß und ist mit ihren 50 Kilo ja fast ein Fliegengewicht. Sehen Sie sich diese Perle Kolumbiens genau an. Sie hat kein Gramm Fett zu viel. Und auch die schönen Brüste und die blank rasierte Scham sollten zum Bieten einladen.“ „Was meinst du, Jelena?“ „Wir bieten mit.“ „Limit?“ „Erstes Limit 98.000. Zweites Limit 114.000. Wenn wir 114.000 bieten müssen, sind wir bei der nächsten Auktion vielleicht draußen.“ „Wer kommt als nächstes?“ „Die Brünette auf dem Stuhl.“, sagte Miyuki. „Kennst du sie?“ „Sie heißt Lorena und kommt aus Palma.“ „Also eine Spanierin.“ „Hai.“

Ich beobachtete wieder das Geschehen. Der Kronprinz von Dubai war von seinem Platz aufgestanden und machte Anstalten, den Club zu verlassen. Die von ihm ersteigerten Mädchen nahm er mit. „Ein Konkurrent weniger.“, sagte ich leise. „Ja. Der Kronprinz von Dubai. Bleiben aber immer noch drei, die uns die Suppe versalzen können.“ „Bevor Sie ihr Gebot abgeben sollten Sie wissen, dass das Mindestgebot für diese Latinobraut bei 46.000 Dollar liegt. Bietet jemand 46.000?“ Jelena hob den Arm. „46.000.“, sagte sie. „46.000 Dollar von der Dame im roten Paillettenkleid. Höhere Gebote?“ Der Emir von Fudschaira stieg mit ein. „50.000!“ „50.000 vom Emir von Fudschaira. Geht jemand höher?“ Ich hob den Arm. „69.000.“ „69.000 Dollar hat der Ungläubige aus Schottland geboten. Wer bietet mehr?“ Der König von Saudi Arabien hob die Hand. „75.000!“, rief er. „75.000 vom König von Saudi Arabien. Wer hat noch nicht, wer will noch mal?“ Der Scheich von Kuweit mischte nun mit. „81.000.“ „81.000 Dollar vom Scheich von Kuweit. Neue Gebote?“

„Warten wir, bis Feitullah Ahmadinedschad die 81.000 zum zweiten Mal angesagt hat. Dann bieten wir 98.000.“, schlug ich vor. „Da.“ „81.000 zum ersten. Bietet jemand 82.000? 81.000 zum zweiten. Letzte Chance.“ Jelena hob den Arm. „98.000.“, sagte sie. „98.000 von der Lady in Red. Höre ich mehr?“ Doch es blieb still im Saal. „98.000 zum ersten. Keine weiteren Gebote? 98.000 zum zweiten. Kommen Sie meine Herren, diese Perle aus Pereira ist viel mehr wert, als lächerliche 98.000 Dollar. 98.000 zum dritten. Verkauft an die Dame im roten Paillettenkleid.“ 193

Doch zu unserer größten Überraschung schickte Ender Sakar eine Blondine nach vorne. „Lassen wir das Mädchen dem Sultan von Brunei. Wir konzentrieren uns auf die Spanierin. Limit?“ „114.000. Aber danach ist Schicht im Schacht.“, sagte Jelena. Sein Moderator pries das Mädchen nun an. „Und nun, meine Damen und Herren, kommen wir zu einem echten Juwel aus Russland. Katya, 26 Jahre jung, aus Wladiwostok. Sie ist 1,56 m groß und bringt 45 Kilo auf die Waage. Wer keine üppigen Brüste mag, wird ihre kleinen handlichen Brüste lieben. Besonderes Augenmerk möchte ich auf die rasierte Schamgegend richten. Das Mindestgebot für diese Perle Russlands liegt aufgrund der Seltenheit von Russinnen bei unseren Auktionen bei 100.000 Dollar. Wer gibt das erste Gebot ab?“

Der Sultan von Brunei ließ sich nicht lumpen. Er hob die Hand und sagte: „118.000.“ „118.000 Dollar hat der Sultan von Brunei geboten. Bietet jemand mehr?“ Der König von Saudi Arabien stieg nun ein. Er bot 120.000 Dollar. „120.000 vom König von Saudi Arabien. Neue Gebote?“ Wieder hob der Sultan von Brunei die Hand. „136.000.“, sagte er. „136.000 Dollar vom Sultan von Brunei. Will noch jemand mitbieten?“ Wieder hob der König von Saudi Arabien die Hand. „152.000.“, sagte er. „152.000 vom König von Saudi Arabien. Höre ich 155.000?“ „265.000!“, rief der Sultan von Brunei. „265.000 Dollar vom Sultan von Brunei, für dieses russische Kleinod. Bietet jemand mehr als 265.000?“ Doch keiner der verbliebenen Konkurrenten hob die Hand. „265.000 zum ersten. Zum zweiten. Zum dritten. Verkauft an den Sultan von Brunei.“

Während der Auktion auf die Russin hatte sich Chang Li am Hintereingang gemeldet. „Hey Ihr zwei hübschen. Wie sieht’s bei euch da drin aus?“, hatte er gefragt. „Bis jetzt ist alles ruhig. Wir planen noch eine Auktion zu gewinnen, dann geht der Tumult los.“ „Ihr solltet euch beeilen. Denn ich habe schon mehrere Sirenen gehört, die auf dem Weg hierher sind.“ „Verstanden Chang. Ach übrigens: Die Russin ist für 265.000 Dollar an den Sultan von Brunei verkauft worden. Er macht gerade die Biege.“

Dann war endlich Lorena dran. Feitullah Ahmadinedschad pries sie wieder an. „Und nun, Ladies and Gentlemen, kommen wir zum Kronjuwel des heutigen Abends. Die 23jährige Lorena aus Palma, der Hauptstadt von Mallorca. Bestaunen Sie diesen 1,70 m großen Körper mit den kleinen Brüsten und der Scham mit diesem wundervollen Hollywoodcut. Bestaunen Sie das ovale Gesicht mit den braunen Augen, den schönen langen Wimpern, der zierlichen Nase und den wunderschönen sinnlichen Lippen. Bei Lorena atmen Sie den Duft der großen weiten Welt. Doch diese Schönheit hat natürlich ihren Preis. Sie müssen mindestens 63.000 Dollar bieten.“ Der Emir von Fudschaira bot als erster. „78.000.“, sagte er. „78.000 Dollar vom Emir von Fudschaira. Bekomme ich ein höheres Gebot?“ Ich hob die Hand. „114.000!“ rief ich. „114.000 hat der Mann aus Schottland geboten. Bietet jemand mehr als 114.000?“ Doch keiner ging mit. „114.000 zum ersten. Kommen Sie da geht doch noch was. 114.000 zum zweiten. Höre ich 115.000 Dollar? 114.000 Dollar zum dritten. Verkauft an den schottischen Privatschnüffler.“

Der König von Saudi Arabien und der Emir von Fudschaira gerieten 194

außer sich vor Wut. „WAS? EIN TOMMY-SCHNÜFFLER MACHT UNS REIHENWEISE DIE MÄDCHEN STREITIG?? DAS IST IMPERTINENT!!!!“, empörte sich der König von Saudi Arabien. „Ich verlange, dass die Auktionen, die der Tommy und seine Partnerin gewonnen haben, für ungültig erklärt werden und die Mädchen dem Verlierer ausgehändigt werden müssen!!!“ Feitullah Ahmadinedschad sah mich bittend an. Doch ich schüttelte den Kopf. „Meine Partnerin Jelena Romanova und ich haben nicht umsonst fast eine halbe Million Dollar ausgegeben, nur um am Ende mit leeren Händen nach Hause zu gehen.“ „Ich fordere...“, begann der Emir von Fudschaira. „Sie fordern gar nichts. Ist das klar? Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben.“

Darüber waren die beiden Regenten so erbost, dass sie ihre Bodyguards auf uns hetzten, während sie mit den ersteigerten Mädchen den Club verließen. Einer der Sicherheitsleute packte mich von hinten und wollte mir die Luft abdrücken. Doch ich trat nach hinten aus, und traf den Kerl mitten in der Familienplanung. Jelena hatte einen Wachmann des Emirs aus dem Augenwinkel kommen sehen und ihm mit einem Fußfeger das Bein weggezogen. Mit einem Handkantenschlag ins Genick schickte sie ihn ins Reich der Träume. Ein weiterer Wachmann des saudischen Königshauses wollte sich auf mich stürzen, aber da packte ihn Chang Li und lud ihn sich auf seine Schultern. Er stapfte durch den Club und ließ sich dann nach hinten fallen. Mit einem lauten Krachen ging es durch einen der vielen Tische.

Doch bevor die Schlägerei noch weiter ausuferte stürmten mehrere Uniformierte den Nachtclub und nahmen Feitullah Ahmadinedschad fest und beschlagnahmten einen Großteil der verbliebenen Mädchen. Ender Sakar jedoch schaffte es, mit einer handvoll seiner Mädchen zum Hinterausgang zu gelangen und unerkannt zu entkommen. Jelena und ich kehrten mit den befreiten Mädchen in unser Hotel zurück. Der Concierge sprach schnell mit seinem Vorgesetzten, dann brachten wir die Mädchen in freien Zweibettzimmern unter. Die Kosten dafür bezahlten Jelena und ich.

Am nächsten Morgen trafen wir uns mit den Mädchen zum Frühstück. Wir wollten wissen, wohin sie nach ihrer Ankunft in Marokko gebracht worden waren, ehe man sie zur Versteigerung mitgenommen hatte. „Man hat uns in einer Art Palast fest gehalten. Allerdings hat man dafür gesorgt, dass es uns an nichts fehlt. Wir durften uns frei bewegen, aber immer in Sichtweite von Sakar und seinen Wachen.“, sagte Lorena, die Spanierin. „Hat sich irgendjemand von euch den Weg gemerkt?“ Jelena hatte diese Frage gestellt. Miyuki meldete sich. „Ich habe mir den Weg gemerkt. Ich kann euch hinbringen. Aber wenn der finale Show Down beginnt, bin ich dabei.“

Schnell war das weitere Vorgehen besprochen. Unser Hotel mietete bei einem Limousinenservice eine Stretchlimousine und brachte, bis auf Miyuki, die restlichen fünf Mädchen zum Flughafen von Marrakesch, wo sie, auf verschiedene Flüge verteilt, in ihre Heimatländer zurückkehrten. Danach machten wir uns auf den Weg zu Ender Sakars Palast. Wir fuhren zuerst aus der Stadt heraus, ehe wir über die Landstraßen zu einer weitläufigen Palastanlage gelangten. 195

„Wir sind da.“, sagte Miyuki.

Als wir den Palast betraten blieb uns fast die Spucke weg. „Ein richtiger Protzbunker.“, sagte Jelena. „Wohl wahr. Aber ich höre Musik. Wollen mal sehen, was wir dort finden.“ Wir folgten dem Gang bis wir in einen großen weitläufigen Saal mit großen Fenstern gelangten. Ein paar Musiker spielten und eine Bauchtänzerin tanzte dazu. Ein Kleinwüchsiger schenkte Kaffee in kleine goldene Tassen. Auf einer Ansammlung von Kissen thronte Ender Sakar. Er war 1,80 m groß und schlank. Sein weißes Haar hatte er unter einem blauen Turban verborgen. Doch der weiße Vollbart verriet das Alter dieses Gauners. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen und der Hakennase verriet keinerlei Gefühlsregung. Seine Lippen waren kurz und wulstig. Bekleidet war Ender Sakar mit weißen Leinenhosen, einem weißen Hemd und schwarzen Sandalen. Auf dem Kopf trug er den besagten blauen Turban und einen schwarzen Umhang mit goldenen Stickereien.

„Sieh an. Paul MacLain und Jelena Romanova. Sie haben mich bei der Auktion ganz schön überrascht. Da dachte ich mir, warum soll ich Sie beide nicht auch einmal überraschen? Nun, was halten Sie vom alten Sakar inmitten seines antiken Palastes?“ „Nicht mal wenn ich ne Braut wär könnten Sie mir mit diesem Nobelschuppen im Messinglook imponieren.“, sagte ich. „Sie belieben zu scherzen. Machen Sie mir eine Freude und trinken Sie einen Kaffee mit mir.“ „Kaffee. Gut Kaffee, schön süß.“ Diese Worte hatte der Kleinwüchsige ausgesprochen. „Ich hab viel Sinn für Mummenschanz, aber wem wollen Sie eigentlich mit diesem Schwachsinn imponieren? Und Ihr Kaffee dürfte so schmecken wie es hier aussieht.“, sagte Jelena. „Sie sollten den Kaffee doch trinken, denn es wird Ihr letzter sein. Denn hier und heute geht Ihrer beider Reise zu Ende.“

Später wurden Jelena und ich in einen Keller geführt, wo ein weiterer Mann wartete. Offenbar erkannte er Miyuki, denn seine Gesichtszüge froren vor Schreck ein. Und hier fanden wir auch die anderen Mädchen. Ich konnte erkennen, das eines davon an Hals und den Händen angekettet war. „Immerhin haben Sie das Privileg einen sehr originellen Tod zu sterben. Ich gebe Ihnen ein kurzes Beispiel, wie ich mir das vorstelle.“, sagte Ender Sakar. Dann fuhr er fort: „Angesichts der Tatsache, dass Sie kein Arabisch können, erlauben Sie mir, dass ich Ihnen diese alte Inschrift übersetze. „Der Sand der Wüste ist heißer als die Luft. Doch wer sie einatmet – der stirbt.“ Ich darf erläutern, was gemeint ist.“ Sakar legte einen Hebel um und sofort rieselten Unmengen von Sand auf das unglückliche Mädchen, bei dem es sich um Andrea Ackerman handelte.

„Genau so werdet Ihr alle sterben. Die Wüste tötet euch und ich hab meine Ruhe.“ „So jetzt hab ich mir den Schwachsinn ja wohl lange genug angehört. Kenn viele, die was im Kopf haben. Aber was du hier treibst, mit deinem blauen Hütchen auf dem Kopf, übertrifft alles was ich kenne.“ „Wie meinen Sie das?“ „Du hast zig Leute umlegen lassen, durch diesen ausgekotzten Spargel da. Und das seltene Exemplar nehme ich auch mit nach Frankfurt am Main. Aber mit dir werde ich hier schon abrechnen, denn für dich wär schon die Luftfracht zu schade.“, sagte ich. 196

„Du, du... Du bist doch jetzt schon ein toter Mann, ekelhafter Tommy.“ „Warum legen wir die beiden nicht gleich hier um?“, fragte der Blonde. „Ja eben. Genauso wie du in Tokio Matsushiko umgebracht hast, weil sie wusste, was du für ein Schwein bist.“ „Ihr zwei werdet aber qualvoller sterben, als Matsushiko diese Dreckratte.“ „Das seh ich anders.“, sagte ich. „Du irrst dich, Schwede. Ich bin nämlich her gekommen, um den Tod meiner Schwester zu rächen. Er spricht die gleiche Sprache wie ich.“

Bei der Schlägerei, die dann folgte flogen richtig die Fetzen. So bekam der „Schwede“ von Miyuki einen Roundhouse-Kick an den Hinterkopf, der ihn zu Boden schickte. Jelena hatte sich einen von Ender Sakars Soldaten geschnappt und ihm einen Schlag ins Gesicht verpasst. Ein zwei weitere verpassten mir einen Schlag ins Gesicht. Doch ich schüttelte bloß den Kopf und verpasste ihnen einen Schlag auf den Hinterkopf. Einer der beiden hatte seinen Säbel fallen lassen. Ich hob ihn auf und lieferte mir mit einem anderen Soldaten eine kleine Fechteinlage, bei der ich ihm seine Waffe aus der Hand schlug. Ich verpasste ihm einen Schlag ins Gesicht und der Gardist taumelte nach hinten. Dabei geschah es, dass er das Gleichgewicht verlor und mit dem Kopf nach vorn in einen Pranger fiel. „Herein mit dir in die Birnenschleuse.“, sagte ich.

Unterdessen hatte Miyuki den Hebel wieder umgelegt und somit die Klappe geschlossen. Dann hatte sie sich wieder dem Schweden zugewandt, und ihn mit dem Gesicht gegen einen Gong geschleudert. In der Zwischenzeit war unbemerkt Chang Li aufgetaucht und hatte sich in die Prügelei eingemischt. Ein Soldat hatte ihm mit einer Latte in den Rücken geschlagen. „Immer mit der Tür ins Kreuz.“ „Wo gehobelt wird, fallen Späne.“ Als Antwort gab es einen Schlag auf den Kopf des Soldaten. Ender Sakar wollte nicht glauben was er sah. Doch anstatt selbst einzugreifen, gab er seinen Soldaten Anweisungen. „Fesseln! Nehmt ihn fest und fesselt ihn! Fesselt ihn!“, rief er. „Hier ist nichts mit fesseln.“ Chang Li fälschte eine Vase ab, die ihm gegolten hatte und setzte damit Ender Sakar außer Gefecht.

Jelena hatte sich eine Art Schere geschnappt und kürzte einem von Ender Sakars Soldaten den Säbel. „Na nu Klick. Und klack. Jaha, die Nagelschere macht auch Tortensäbel kürzer.“, sagte sie und verpasste ihm einen Schlag ins Gesicht. Der Kleinwüchsige hatte sich eine Peitsche gegriffen, mit der er unentwegt auf Chang Lis Rücken einschlug. Dabei stieß er reihenweise arabische Flüche aus. Einen Schlag fing Chong Lis Zwillingsbruder ab. „Komm her! Ab in die Wolken!“, sagte er und zog an der Peitsche. Der Kleinwüchsige wurde in eine Art Stoffbaldachin hineingeschleudert.

In der Zwischenzeit hatte ich mir einen Holzbalken gegriffen, der in einer Ecke lag und wollte mich damit gegen zwei der Soldaten verteidigen. Mit dem Balken fing den Hieb eines Soldaten mit seinem Säbel ab und sorgte dafür, dass die Klinge der Waffe im Holz stecken blieb. Ich rammte den Balken den beiden vor den Bauch und warf ihn einem dritten entgegen, der nach hinten umfiel. Ich drehte die beiden Soldaten um und packte sie am Revers ihrer Uniformen. „Komm her! Ab mit euch! Gemischtes Doppel!“, sagte ich und warf die beiden Soldaten durch 197

einen hölzernen Sichtschutz, der ganz offensichtlich dazu dienen sollte, die Haremsdamen beim Umziehen vor den Blicken der Soldaten und anderen Bediensteten zu verbergen. Jelena hatte unterdessen einem weiteren Soldaten einen Schlag ins Gesicht verpasst, als Miyuki einem älteren Gardisten einen Schubs gab und dieser sich Angesicht zu Angesicht meiner Partnerin gegenübersah, als diese sich umdrehte. „Na, heute ohne Zähne? Na ist ja richtig. Komm! Klatsch!“ Ein Schlag ins Gesicht folgte.

Irgendwie hatte es der Kleinwüchsige geschafft, aus seinem luftige Gefängnis zu entkommen, denn er schlug Chang Li wieder mit der Peitsche. Dieses Mal drehte der Zwillingsbruder des schwarzen Ninja allerdings den Spieß um. Er zog dem Kerl die Beine weg und zog an der Peitsche um ihn aufzuwickeln. Dann drehte Chang Li den Burschen in die andere Richtung und zog wieder an der Peitsche. Dieses Mal ging es in die andere Richtung. Der Kleinwüchsige wurde abgerollt und landete in einem Käfig. Dessen Tür schlug zu und Miyuki schob den Riegel vor und sicherte ihn mit einem schweren Vorhängeschloss.

Unterdessen schlug ich mich mit einem weiteren Soldaten aus Ender Sakars Leibwache herum. Er schlug mit seinem Säbel nach mir, doch ich konnte ihm ausweichen. „Ja Ja Ja!“, sagte ich. Dann gab ich ihm einen Schlag in die Magengrube und einen Kinnhaken, dass er auf eine Statue befördert wurde, die als Dekoration in dem Raum aufgestellt war. Ich packte die vordere Kante und kippte die Statue nach vorn. „Komm her aus dir Armleuchter mach ich nen Wandleuchter.“ Der Soldat wurde auf eine erkaltete Öllampe geschleudert.

Wir wollten gerade den Palast verlassen, als sich alle Gardisten auf Chang Li stürzten und ihm umzingelten. „Na? Was ist? Was soll das werden?“ „Lass du dir doch auch mal was einfallen.“, sagte Jelena zu Miyuki. „Moment. Vielleicht funktioniert das.“ Mit diesen Worten zog die Japanerin an einer goldenen Bordüre. Der Baldachin löste sich und begrub unseren Freund und die Soldaten unter sich. Sofort brach unter dem Stoff eine wilde Schlägerei los.

Der Schwede versuchte zu fliehen. Doch als er am herabgefallenen Baldachin vorbeirannte, zerriss Chang Li den Stoff und packte den „Schweden“ am Kragen seiner Lederjacke. „Komm her! Du hast einen Kopf wie ein Hauklotz, also muss man draufhauen.“ Und während der Kleinwüchsige in seinem Käfig hin und her tobte, malträtierte Chang Li seinen Gegner weiter mit Schlägen auf den Kopf. „Dir spitz ich den Spargel an, bis man dich für einen Pfirsich hält. Komm her!“ Dann beförderte er den Schweden nach draußen ins Freie. „Jetzt geht’s ein bisschen an die frische Luft! Komm her!“ Dann schleifte Chang Li den Schweden die Treppe hinunter und baute ihn vor einem angebundenen Kamel auf. Dann schlug er ihm ins Gesicht. „Die Fresse werde ich dir nicht einschlagen. Sonnst muss ich dich in Gips nachformen lassen. Damit man dich im Gericht erkennt. Steh auf! Komm her!“

„Überlass mir diesen Wurm! Sein Tod soll langsam und qualvoll sein, damit meine Schwester Matsushiko gerächt wird!“, sagte Miyuki. „Tut mir leid, aber die Made 198

gehört uns.“, sagte ich. „Warum soll er im Gefängnis weiterleben, wenn die Wüste für seine Bestattung sorgen kann? Überlassen wir ihn doch lieber den Geiern.“

Eine Woche nachdem wir Ender Sakar und seinen Mädchenhändlerring hatten hochgehen lassen, machte man ihm und Feitullah Ahmadinedschad den Prozess. Die beiden wurden zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Mädchen, die die Polizei bei der Razzia aufgegriffen hatte, kamen frei und konnten in ihre Heimatländer zurückkehren. Die, die verkauft worden waren, würden ihre Heimat, ihre Freunde und ganz besonders ihre Angehörigen wohl nie wieder sehen. Diese Mädchen taten Jelena und mir besonders leid.

Unser Auftrag war erledigt. Als wir in Frankfurt landeten, wurden wir bereits von Tori Adams, und den Müttern von Kelly La Rew und Andrea Ackerman erwartet. Nachdem sie ihre Töchter wieder in die Arme geschlossen hatten, wollten die Mütter gar nicht mehr aufhören sich bei uns zu bedanken. Die Befreiung von Natashas Freundinnen brachte uns noch mal zusätzlich 30.000 € ein.

Zwei Tage nach unserer Rückkehr aus Marrakesch, es war 20:45 Uhr, erhielten Jelena und ich Besuch. Es war Cristina, die Kolumbianerin, die meine Partnerin und ich bei der Auktion „befreit“ hatten. Wir saßen gerade mit Samantha, Anastasia, Kelly und Camille in Jelenas Apartment beim Abendessen, als es an der Tür klingelte. Anastasia öffnete. „Guten Abend. Ich hätte gerne mit Paul MacLain und Jelena Romanova gesprochen. Jelenas Mitbewohnerin und Freundin ließ Cristina herein.

„Ich komme, um mich bei Ihnen beiden zu bedanken. Auch im Namen der anderen. Ohne Sie wären wir wahrscheinlich in irgendwelchen Harems gelandet.“ „Wir haben seit unserer Abreise aus Marokko nichts mehr mitbekommen. Was ist eigentlich aus den Mädchen geworden, die erfolgreich verkauft wurden?“ „Der Sultan von Brunei hat zumindest eine wieder gehen lassen.“, sagte Cristina. „Wen?“ „Stella. Sie wollte sich ihm nicht fügen und hat ihm durch ihre Allüren sprichwörtlich den letzten Nerv geraubt.“ „Was hat sie denn so abgezogen?“ „Wenn der Sultan Sonderwünsche hatte, musste er vorher noch ein Geschenk kaufen. War er nicht willig, gab es nur die Standardnummer.“ „Autsch!“, sagte Anastasia. „Ich finde es ungerecht, dass es Männer gibt, die Frauen nicht als Individuen sondern als Ware ansehen. Die gehören samt und sonders hinter schwedische Gardinen.“ „Meine Adoptivtochter ist bei uns der Moralapostel.“, sagte Samantha. Camille gab mir ein Zeichen, dass sie mir etwas ins Ohr flüstern wollte. „Warum habt du und Tante Jelena für die Braut Geld auf den Tisch geblättert? Ihr hättet doch bloß eure Bleispritzen zu ziehen brauchen und schon wäre Ruhe im Karton gewesen.“ „So einfach war das aber nicht. Die Scheichs und Emire Arabiens reisen zu solchen Events nie ohne Leibwächter an. Und da waren mindestens 30 oder 40 von diesen Gorillas.“ „Die hätten ein Sieb aus uns gemacht.“, sagte Jelena. „Trotzdem finde ich es merkwürdig, dass Ihr von euren sonstigen Ermittlungsmethoden abgewichen seid.“, sagte Camille. „Es ging nicht anders. Außergewöhnliche Situationen erfordern entsprechende Arbeitsmethoden.“ „Wenigstens gibt es einen Mädchenhändlerring weniger.“ „Freu dich da mal nicht zu früh, Camille. Es gibt bestimmt jemanden in der arabischen Welt, 199

der nur darauf gewartet hat, dass Ender Sakar von der Bildfläche verschwindet. Es wird einen neuen Mädchenhändlerring in Marokko geben. Vielleicht nicht in Marrakesch, aber in einer anderen Stadt.“ „Musst du immer das letzte Wort haben, Tante Anastasia?“, fragte Camille spöttisch. 200

17. Fall - Börsenmanipulation in Keflavik

17. Fall – Börsenmanipulation in Keflavik

Es war Sommer in geworden, in der Mainmetropole Frankfurt. Wir schrieben Montag, den 03.06.2019. Es schien ein Tag wie jeder andere zu werden. Wir hatten die allmorgendliche Joggingrunde mit unserer Sekretärin Brit Olson gerade beendet. Jelena stand gerade unter der Dusche, die sich im rückwärtigen Bereich unseres Büros befand, als das Telefon klingelte. Ich hatte gerade den Hörer von der Gabel genommen, als Jelena aus der Dusche kam. Nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, nahm sie mir den Hörer ab und sagte: „Detektivbüro MacLain-Romanova, Sie sprechen mit Jelena Romanova.“ „Mein Name ist Rebekka Angusdottir. Ich bin die Leiterin der isländischen Börsenaufsicht. Wir haben ein Problem.“ „Worum geht es?“ „Wir haben den Verdacht, dass über die Manipulation der Aktienkurse versucht werden soll, einen Konkurrenten zu schlucken.“ „Welcher Wirtschaftszweig wäre betroffen?“ „Der Bankensektor.“ „Bevor mein Partner und ich eine Entscheidung treffen, ob wir annehmen, würden wir gerne in einem Gespräch in unserem Büro noch einige Details mit Ihnen besprechen.“ „Ich könnte um 13:30 Uhr bei Ihnen sein.“ „Einverstanden. Dann bis später.“

Um 13:30 Uhr klingelte es an der Tür unseres Büros. Brit betätigte den Türöffner. Nur kurze Zeit später hörten wir Schritte auf der Treppe. Dann klopfte es an der Tür. Unsere Sekretärin öffnete und ließ unsere Besucherin ein. Die Frau, die eintrat, erinnerte mich sehr an meine Landsmännin Gloria, die Jelena und ich im vergangenen Monat bei einer Auktion vor einem schlimmeren Schicksal hatten bewahren können. Sie war 1,60 m groß und hatte lange blonde Haare, die weit über die Schulter fielen. Unsere Besucherin war 34 Jahre alt und hatte einen Körper, der an den entsprechenden Stellen kein Gramm Fett zu viel aufwies. Auch die üppigen Brüste waren ganz nach meinem Geschmack. Das ovale Gesicht mit den blauen Augen, der breiten Nase und den sinnlichen Lippen war ebenfalls ein Hingucker. Bekleidet war die Isländerin mit einem schwarzen Sommerkleid und schwarzen High Heels.

„Bitte setzen Sie sich doch, Miss Angusdottir.“, sagte ich freundlich. „Þakka þér fyrir.“ Rebekka Angusdottir setzte sich auf den Stuhl uns gegenüber und schlug die Beine übereinander, so dass ihre blank rasierte Scham sichtbar wurde. „Sie sagten heute Vormittag, dass Sie und ihre Behörde einen Verdacht auf Börsenmanipulation haben. Wie kommen Sie darauf?“ „Vor drei Monaten hat ein Mann, namens Haraldur Asgardur eine Bank gegründet. Der Firmensitz ist in Keflavik. Der Name des neuen Kreditinstituts lautet Asgardur Bank.“ „Soweit, so gut. Aber unsere Frage ist damit nicht beantwortet.“, wandte ich ein. „Es gib noch ein zweites Bankhaus, das vor kurzem gegründet wurde. Die Reykjavik Bank, deren Firmensitz sich unserer Hauptstadt befindet. Der Präsident ist ein skrupelloser Mann. Er heißt Björn Sigurdson. Er hat im vergangenen halben Jahr jedes neu gegründete Bankunternehmen geschluckt.“ „Indem er die Aktienkurse manipuliert hat?“, fragte Jelena. „Das glauben wir. Fakt ist, dass die Aktienkurse nach dem ersten Quartal permanent in den Keller gerutscht sind.“, sagte Rebekka. „Was geschah 201

dann?“ „Die Anleger waren verunsichert, was nur verständlich ist. Sie waren drauf und dran alles zu verlieren. Aber viele haben sich dennoch geweigert zu verkaufen. Als Mr. Sigurdson gemerkt hat, dass er nur einen kleinen Anteil ergattert hat, hat er die Vorstandsmitglieder mit schönen fetten Abfindungen und Boni auf seine Seite gezogen, und mit deren Hilfe die Banken durch eine so genannte feindliche Übernahme übernommen.“ „Entschuldigen Sie die Frage, aber ich bin Laie auf diesem Gebiet. Lassen sich die Aktienkurse an den Börsen so ohne weiteres manipulieren?“, wollte ich wissen. „Sie meinen, ohne entdeckt zu werden?“ „Genau das.“ „Wenn man von IT eine Ahnung hat, dann kann man durchaus Kurseinbrüche auslösen, ohne dass es jemand mitbekommt.“ „Was ich nicht verstehe, ist, wieso Björn Sigurdson jeden Konkurrenten aus dem Weg räumt?“ „Seine Motive können auch wir nicht nachvollziehen. Aber unsere Experten sind mit ihrem Latein am Ende. Deshalb habe ich mich nach Rücksprache mit den anderen dazu entschlossen, Sie beide zu beauftragen.“ „Damit wir diesen Banker hochgehen lassen.“ „So in etwa. Sie sollen seine Schuld beweisen.“

„Wenn wir uns über die Höhe unseres Honorars einig werden, haben wir einen Deal.“, sagte ich vorsichtig. „Man sagte mir bereits, dass Sie beide schon etwas mehr verlangen. Aber auf der anderen Seite, haben Sie schon mehrfach unter Beweis gestellt, dass Sie jeden Cent Ihres Honorars wert sind. Unsere Regierung bietet 300.000 isländische Kronen. Das wären 2.318,39 €.“ „Zu wenig. Es müssen mindestens 10.000 für uns raus springen.“ „Wird schwierig. Unser Haushalt ist noch nicht ausgeglichen. Würden Sie sich auch mit 5.000 zufrieden geben?“ Ich wollte etwas erwidern, doch Jelena ließ mich nicht zu Wort kommen. „Zugegeben 2.318 Euro ist nicht gerade viel. Und mein Partner hat durchaus Recht, wenn er auf unseren Mindestsatz von 10.000 Euro verweist. Wenn Sie uns bitte kurz entschuldigen wollen, wir sind in 10 Minuten wieder da.“, sagte Jelena.

In der Cafeteria im Erdgeschoss besprachen wir uns. „Hör zu, Paul. Ich finde, wir sollten in diesem Fall mal eine Ausnahme machen und ein niedrigeres Honorar akzeptieren. Wir haben in den anderthalb Jahren, die wir jetzt zusammen arbeiten, mehr Geld eingenommen, als sonst irgendjemand. Also werden wir von einem Auftrag, der uns „nur“ 2.318 Euro einbringt, nicht gleich bankrott gehen.“ „Da ist was wahres dran. Aber ich mag es lieber glatt. 2.500 ist für mich noch vertretbar.“ „Also zweifünf.“

Nach 10 Minuten kehrten wir ins Büro zurück. Rebekka Angusdottir schien sichtlich nervös. „Wir haben entschieden. Meine Partnerin und ich kommen Ihnen was die Höhe des Honorars angeht, entgegen. Wir würden uns mit 2.500 Euro begnügen. Vorausgesetzt, dass Sie einverstanden sind.“, sagte ich. „Das geht in Ordnung. Auch wenn das Honorar jetzt nicht so üppig ausfällt, wie Sie es sonst gewohnt sind, sollten Sie wissen, dass wir noch die Kosten für Ihre An- und Rückreise und Ihre Unterkunft übernehmen. Lediglich den Mietwagen müssten Sie selbst finanzieren.“ „Ich denke, damit können wir leben. Welchen Wagentyp würden Sie uns empfehlen?“ „Einen SUV. Es kann sein, dass Sie auch abseits befestigter Straßen unterwegs sein werden. Und da ist es besser, wenn ein Auto hat, das auch im Gelände 202

gut vorankommt.“ „Nun, da wir uns einig sind, sollten wir im Reisebüro einen Flug nach Island buchen. Da Sie ja die Kosten übernehmen, sollten Sie besser mitkommen, Miss Angusdottir.“

Der erste Schritt bestand darin, zu entscheiden, in welchem Ort wir unser Hotel wählen sollten. Rebekka Angusdottir empfahl uns, Keflavik, den Firmensitz der Asgardur Bank. Als Hotel hatten wir uns das Park Inn ausgesucht. Unser Flug sollte am Freitag, den 07.06.2019 vom Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt um 14:00 Uhr abfliegen. Nachdem die Buchung des Fluges und der Unterkunft erledigt war, fuhren Jelena und ich nach Hause und begannen unsere Koffer zu packen.

Am Mittwoch, den 05.06.2019, sprachen wir noch einmal mit Brit alles durch, was sie während unserer Abwesenheit tun sollte. „Post sortieren, Anrufe entgegennehmen. Haben wir doch alles schon gehabt.“, sagte Brit. „Nicht nur das. Behalte die bitte die Börsenkurse der OMX im Auge. Wenn dir im Bankensektor etwas verdächtiges auffällt, dann sag es uns.“ „Mach ich.“, sagte Brit.

Am Freitag brachte uns Brit zum Flughafen. Wir gaben unsere Koffer am Schalter von Iceland Air auf und gingen zusammen mit Brit zur Sicherheitsschleuse, wo wir uns verabschiedeten. „Passt auf euch auf. Björn Sigurdson ist ein harter Brocken.“ „Kennst du ihn?“ „Ich bin ihm mal begegnet. Ich konnte ihn auf Anhieb nicht ausstehen. Der Kerl ist ein richtiger Widerling. Der interessiert sich nur für Kohle. Frauen sind für ihn nur gut fürs Bett. Und die Frauen wechselt er so oft, wie seine Unterhosen.“ „Mit anderen Worten, er hat täglich ne andere.“ „Ganz genau. Aber wenn ihm jemand in die Suppe spuckt, dann wird er zum Berserker.“

Um 14:00 Uhr startete unser Flieger, eine Boeing 757, zu seinem Flug nach Keflavik, wo wir nach einer Flugzeit von 3 Stunden und 35 Minuten auf dem Keflavíkurflugvöllur, wie der Flughafen von Keflavik in der Landessprache hieß, um 17:35 Uhr landeten. Nachdem wir unsere Koffer geholt hatten, suchten wir nach einer Autovermietung. Bei Enterprise entschieden wir uns für einen KIA Sorento. Der Wagen hatte den 2,2 Liter CRDI 2WD Motor mit 200 PS. Lackiert war der SUV in Gravity Blau. Der Leiter der Filiale in Keflavik hatte zusätzlich die 19 Zoll Leichtmetallfelgen Type E, sowie die KIA Protection Plus und das Notfall-Kit mitbestellt. Auch eine Warnweste und ein Warndreieck durften nicht fehlen. Auch eine induktive Ladestation für Smartphones mit Ladeanzeige war an Bord. Die Spiegelkappen waren in mattem Farbton ausgeführt.

Vom Flughafen bis zum Hotel war es nicht weit. Nach ein paar Minuten Fahrzeit waren Jelena und ich am Park Inn angekommen. Das Hotel war ein vierstöckiger Betonklotz mit einem gläsernen Anbau, in dem sich das Restaurant befand. Hinter dem Hauptgebäude schloss sich ein weiterer Anbau an, der noch andere Räume beherbergte, die die Hotelgäste nutzen konnten. Auch ein Parkplatz durfte nicht fehlen. Die Fenster der Zimmer waren ziemlich großzügig. Die Zimmer an den vorderen Ecken hatten sogar Balkone.

Als Jelena und ich die Lobby betraten, sah der Concierge von seinem PC 203

auf. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte er. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert.“ „Einen Moment. Ah! Paul MacLain, Sie haben Zimmer 406. Sie, Miss Romanova Sie haben Zimmer 404. Einen angenehmen Aufenthalt. Die erste Session für das Abendessen beginnt um 19:45 Uhr.“ „Danke.“

Nachdem wir geduscht hatten, gingen Jelena und ich zum Essen. Es war dunkel geworden und man konnte vom Restaurant auf die Lichter der Stadt blicken. Jelena trug wieder das rote Paillettenkleid und ihre roten Plateauschuhe. Als wir uns einen freien Tisch gesucht hatten kam auch gleich der Kellner. „Wünschen der Herr und die Dame etwas zu trinken?“ „Für mich einen Rotwein.“, sagte Jelena. „Sofort. Und für Sie, Mister?“ „Ich nehme einen Weißwein. Was können Sie denn empfehlen?“ „Ich empfehle gegrillte Dorade mit Bratkartoffeln und Erbsen. Dazu passt unsere Rotweinsauce.“ „Das nehme ich.“ „Für mich dasselbe.“, sagte Jelena.

Nach dem Abendessen stürzten Jelena und ich uns noch einmal in Keflaviks Nachtleben. Als wir an einem Nachtclub namens H30 vorbeikamen, piepte Jelenas Smartphone. Brit hatte ihr eine SMS geschickt. „Aktie der Asgardur Bank von 58,00 € auf 35,00 € gefallen.“, lautete der Text der Nachricht. In dem Club entdeckte ich Rebekka Angusdottir. „Schau mal, wer da ist, Jelena.“, sagte ich. „Ist mir auch schon aufgefallen. Zeigen wir ihr, was wir gerade bekommen haben.“ Als wir den Club betraten, drehte sich Rebekka Angusdottir zu uns um. „Na sieh mal einer an. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass Sie hier aufschlagen würden.“ „Wir wollten nach dem leckeren Abendessen noch mal ein bisschen raus.“ „Ach so.“ „Uns hat gerade diese Nachricht erreicht.“, sagte Jelena und hielt unserer Klientin die SMS von Brit unter die Nase. Rebekka Angusdottir fielen vor Entsetzen fast die Augen aus dem Kopf. „23 Euro Kursverlust?!? Da wurde bestimmt manipuliert.“

„Ich wüsste, wie wir beweisen können, dass die Aktienkurse der Asgardur Bank manipuliert werden.“, sagte Jelena. „Und wie wollen Sie das anstellen?“ „Ich werde mir Zugang zum Zentralrechner der Reikjavik Bank verschaffen.“ Rebekka Angusdottir klappte vor Entsetzen der Unterkiefer runter. „Meine Partnerin war bei den Speznas. Elektronische Datenüberwachung ist ihr Spezialgebiet.“, sagte ich, mit der Absicht, die Situation zu entschärfen. „Dann bin ich beruhigt.“ „Anders werden wir Björn Sigurdson nicht dran kriegen.“ „Was genau haben Sie vor, Miss Romanova?“ „Ich will den Zentralrechner in der Firmenzentrale anzapfen und herausfinden, ob dort ein Programm versteckt ist, mit dem Mr. Sigurdson die Aktienkurse der Asgardur Bank an der OMX fallen lässt.“ „Was bringt ihm das?“ „Wahrscheinlich will er so die Anleger zum Verkauf an ihn zwingen. Er versucht sich als Retter in der Not zu präsentieren.“ „Ganz schön gerissen.“

Am nächsten Morgen trafen wir uns mit Haraldur Asgardur, dem Direktor der Asgardur Bank. An diesem Tag fand die alljährliche Generalversammlung der Aktionäre statt. Diesen Grund nutzten wir, um nicht nur mit dem Direktor der Bank, sondern auch mit den Aktionären zu sprechen. Die erste Anlegerin mit der wir sprachen, war eine 1,68 m große 20jährige Brünette mit einem ovalen Gesicht mit braunen Augen und Haaren, die bis zu ihren Schultern reichten. 204

Auch ihre üppige Oberweite und der sexy Körper waren ein Hingucker. Auch die rot geschminkten Lippen mittlerer Länge verführten zu einem Kuss. Bekleidet war die junge Dame mit einem schwarzen Minikleid und schwarzen High Heels.

„Wie viele Aktien besitzen Sie, wenn man fragen darf?“, fragte ich vorsichtig. „Nicht viel. Gerade einmal 19 Aktien befinden sich in meinem Besitz.“ „Die Aktie ist ja wieder um 23 Euro gefallen, habe ich gehört.“, sagte Jelena. „Wie bitte??“ „Sie haben richtig gehört. Die Aktie der Asgardur Bank ist von 58 auf 35 Euro gefallen. Die isländische Börsenaufsicht glaubt an eine Manipulation. Deswegen sind wir hier.“ „Wenn das stimmt, dann nehmen Sie denjenigen fest, bevor er uns alle in den Ruin treibt.“ Jelena flüsterte mir etwas ins Ohr. „Meine Partnerin hat mir gerade ein Stichwort gegeben. Es geht um Björn Sigurdson.“, sagte ich. „Hören Sie mir bloß auf mit dem. Ich kann den Kerl nicht ausstehen.“ „Darf man fragen wieso nicht?“ „Nach jedem Kursverlust unterbreitet er ein neues Angebot. Er bietet in der Regel zwei Aktien seiner Bank gegen eine Asgardur und einen Einmalbonus, wenn man annimmt.“

Ich wollte gerade unserer 20jährigen Gesprächspartnerin eine Frage stellen, als Jelena mir ins Ohr flüsterte: „Schau mal unauffällig zum Eingang.“ Ich sah so unauffällig wie möglich zum Haupteingang der Zentrale der Asgardur Bank und entdeckte einen Mann, der 1,94 m groß war und einen athletisch gebauten Körper besaß. Er hatte ein ovales Gesicht mit braunen Augen, einer schmalen Nase und männlichen Lippen. Die blonden Haare, die er offen trug, reichten bis zu den Ohren. Bekleidet war der Fremde mit einem dunkelblauen Designeranzug, einem weißen Hemd, einer roten Krawatte, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. Offenbar hatte auch unsere junge Aktionärin den Mann entdeckt, denn sie verdrehte entnervt die Augen. „Wenn man vom Teufel spricht.“, sagte sie. „Ist das...?“ „Björn Sigurdson. Ganz Recht.“

Der Direktor der Reikjavik Bank ließ sich ein Mikrofon geben. „Ladies and Gentlemen. Wie ich gehört habe, ist der Wert der Asgardur-Aktie um weitere 23 Euro gefallen. Es ist ganz offensichtlich, dass die Bank über kurz oder lang Insolvenz anmelden darf. Und dann sehen Sie vermutlich keinen Cent von ihrem Geld wieder. Ich bitte Sie, seien Sie vernünftig und nehmen mein neues Angebot an.“ „Und wie viel bieten Sie uns jetzt, Sie geldgieriger Schmierlappen?“, fragte unsere Gesprächspartnerin gerade heraus. „Junge Dame, den geldgierigen Schmierlappen habe ich überhört. Aber ich habe das letzte Angebot nachgebessert. Ich biete Ihnen hier und heute drei Aktien meines Hauses gegen eine Aktie der Asgardur Bank und einen Bonus von 160 isländischen Kronen, wenn Sie verkaufen.“

Nur ein älteres Ehepaar ging auf den Deal ein. Und ganz offensichtlich war das diesem arroganten Playboy nicht genug. Er ging zwar, aber der Ausdruck in seinem Gesicht sprach Bände. Hatte Björn Sigurdson bei seiner Ankunft noch vor Selbstvertrauen nur so gestrotzt, so ging er mit einem Sauerkohl von dannen. „Jede Wette, da kommt was nach.“, sagte ich. „Worauf du einen lassen kannst, Towarischtsch.“ „Lieber nicht. Aber wir brauchen einen Platz, an dem wir 205

ungestört arbeiten können.“ „Kommen Sie. Ich weiß, wo Sie beide Ihre Ruhe haben.“

Im Loft des Mädchens aktivierte Jelena ihren Laptop und stellte über den Router eine Verbindung zum Internet her. Es dauerte nicht lange und meine Partnerin hatte sich erfolgreich mit dem Zentralrechner in der Firmenzentrale der Reikjavik Bank vernetzt. Unbemerkt von den IT-Leuten installierte sie eine Überwachungssoftware, die gezielt nach Programmen suchte, mit denen sich leicht ein Aktienkurs manipulieren ließ. Danach besprachen wir das weitere Vorgehen. „Wenn mein Programm eine außergewöhnliche Aktivität registriert, bekomme ich ein Ping-Signal. Dann sucht mein Spion nach der Quelle. Wird er fündig, dann zeigt er mir die Stelle und auch den binären Code.“ „Raffiniert.“, sagte das Mädchen, das sich als Inga Eiriksdottir vorgestellt hatte. „Es kommt noch besser. Sowie ein Signal ausgesandt wird, kriege ich mit, wohin es geht.“ „Genial.“

Um 14:00 Uhr ertönte das Ping. Sofort aktivierte sich Jelenas elektronischer Spion und hatte schon nach 10 Minuten die Quelle entdeckt. In Sekundenschnelle wurde der binäre Code geknackt. Als vom „feindlichen“ Programm ein Signal abgesetzt wurde, heftete sich ein zweiter elektronischer Spion an dessen Fersen. In der Zwischenzeit hatte Jelena sich mit dem binären Code befasst. „So läuft das also. Dieser fiese kleine Drecksack benutzt einen unscheinbaren Algorithmus als Tarnung. Du denkst wohl, du bist schlau, du hinterhältiger krimineller Schleimbeutel. Aber da irrst du dich. Ich bin etwas schlauer als du.“, sagte Jelena zu sich selbst.

„Hast du was raus gefunden?“, fragte ich. „Na aber so was von glaub mir. Björn Sigurdson benutzt einen Algorithmus, der kaum auffällt, und sein Programm tarnt. Er hat sich gerade auf den Zentralserver der OMX eingehackt. Da! Er hat den Kurs Asgardur Bank Aktie um 15 Euro auf 20 Euro fallen lassen.“ „Was machst du jetzt?“ „Ich lege ein Protokoll an. Aber ich brauche noch mindestens zwei oder drei Tage, bis ich genug Beweise habe, um Björn Sigurdson festzunageln.“ „Wäre es nicht besser, die OMX von dem getarnten Programm in Kenntnis zu setzen?“ „Ich denke, so machen wir es. Dann können wir uns die Erlaubnis der OMX einholen, wenn wir zum finalen Schlag gegen den Präsidenten der Reykjavik Bank ausholen.“ „Und was hast du dir vorgestellt, Jelena?“ „Ich werde sein Programm verschlüsseln. Aber vorher will ich den Kurs der Asgardur Bank wieder nach oben treiben.“

Nachdem Jelena die OMX per E-Mail auf den Algorithmus aufmerksam gemacht und geraten hatte, diesen im Auge zu behalten, hatte sie noch die Erlaubnis erhalten, den Aktienkurs der Asgardur wieder nach oben zu korrigieren. Und meine Partnerin ließ das nicht zweimal sagen. Sofort ließ sie den Kurs der Aktie auf 95,00 Euro steigen. Inga Eiriksdottir kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Wie machen Sie das?“, fragte sie. „Alles eine Frage der Ausbildung. Ich war vor meiner Zeit als Privatermittlerin bei den Speznas, der Elitetruppe des ehemaligen KGB.“

Noch am selben Tag trafen wir in unserem Hotel auf Björn Sigurdson. Der Präsident der Reykjavik Bank war genervt. Doch da er in sein Telefonat vertieft war, beachtete er uns nicht. „Ich sagte Ihnen doch schon, dass der Kurs manipuliert wurde. 206

Wie, Sie glauben mir nicht? Die Aktie der Asgardur Bank ist seit Beginn des Jahres im freien Fall. Und jetzt steigt der Kurs um 75 Euro. Da stimmt etwas nicht. Was? Jetzt hören Sie mal. Es ist ihre Aufgabe den Schuldigen zu finden, nicht meine.“ „Ich glaube unsere Kopfspielchen zeigen bereits Wirkung.“, sagte ich.

Am Montag, den 10.06.2019, gingen die Kopfspielchen weiter. Björn Sigurdson ließ den Kurs der Aktie von Asgardur Bank um 80 auf 15 Euro fallen. Wieder legte Jelena ein Protokoll an und ließ den Kurs der Aktie wieder auf 180 Euro nach oben schnellen. Das ganze ging noch bis Freitag, den 14.06.2019. An diesem Tag verschlüsselte Jelena Björn Sigurdsons Programm. Dieser ging nichts ahnend in sein Büro und stellte eine Verbindung zum Zentralrechner her. Als er auf sein Spezialprogramm zugreifen wollte, erschien ein Jolly Roger auf dem Bildschirm und ein lautes Lachen ertönte.

Es war 15:30 Uhr, als ein wutentbrannter Björn Sigurdson in die Zentrale der Asgardur Bank stürmte und auf Inga Eiriksdottir losging. Doch so schnell wie er in den Lauf meiner Walther blickte, konnte er nicht mal bis 3 zählen. „Na, na, na. So geht das aber nicht du kleiner Drecksack.“ „Was fällt Ihnen ein, Mr. …“ „MacLain. Paul MacLain. Und nicht ich war es, der Ihr hübsches Programm verschlüsselt hat, sondern meine liebreizende Partnerin Jelena Romanova.“ „Dafür mach ich Sie beide fertig.“ „Das versuch du nur. Wir haben genug Beweise, um dich für die nächsten 20 Jahre hinter schwedische Gardinen zu schicken.“ „Sie bluffen doch nur!“ „Ich bluffe nie! Ihr Plan war genial. Aber leider haben Sie nicht bedacht, dass die isländische Börsenaufsicht zwei Privatermittler beauftragen würde. Und zwar die besten der Besten.“

Rebekka Angusdottir betrat mit ein paar Polizisten den Saal in dem sich die Aktionäre und alle Beschäftigen mit dem Präsidenten der Bank versammelt hatten. „Björn Sigurdson, ich verhafte Sie wegen mehrfacher Kursmanipulationen.“, sagte Rebekka. „Wieso mich? Sie sollten Jelena Romanova ins Gefängnis schicken. Sie hat die Kurse manipuliert.“ „Mister Sigurdson ich habe hier sämtliche Beweise, dass Sie für die ganzen Kursverluste der Asgardur Bank verantwortlich sind.“ Rebekka Angusdottir hielt Jelenas Protokolle in der Hand. „Haben Sie sich etwa auf unseren Zentralrechner eingehackt? Dafür stelle ich Sie wegen Datenmissbrauchs vor Gericht, Miss Romanova.“ „Sie tun gar nichts. Meine Partnerin hat einen elektronischen Spion auf dem Rechner installiert, der sämtliche Aktivitäten von Ihnen überwacht hat.“

Die Polizisten drehten dem Präsidenten der Reykjavik Bank die Hände auf den Rücken und legten ihm Handschellen an. „Bevor man Sie abführt, hätten Jelena und ich gerne gewusst, warum Sie das getan haben.“ „Ahnen Sie es denn nicht? Wer den Bankensektor in seiner Hand hat, hat die Alleinherrschaft. Ich wäre in der Lage gewesen, den Isländern buchstäblich das letzte Hemd abzunehmen. Ich hätte Zinsen verlangen können, und damit die Verbraucher zugrunde richten.“ „Warum das alles? Haben Sie so einen Hass gegen die Gesellschaft Islands?“ „Und was für einen. Ich war immer der Außenseiter. Von meinem Mitmenschen gedemütigt und 207

belächelt. Ich hätte die Regierung in die Knie zwingen können und ich hätte auch die Bevölkerung meinen Terror spüren lassen, wenn Sie und ihre Partnerin mir nicht alles versaut hätten.“ „Dann ist es ja gut, dass Sie mit ihren perfiden Racheplänen keinen Erfolg hatten. Sie gehören nicht ins Kittchen, sondern gleich in die Klapse, Abteilung Gummizelle. Und zwar mit Zwangsjacke.“, sagte Jelena kalt.

Nur eine Woche später machte man Björn Sigurdson den Prozess. Der Präsident der Reykjavik Bank wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Außerdem wurde er zu einer millionenschweren Schadenersatzzahlung an die Aktionäre der anderen Banken, die er geschluckt hatte, verdonnert. Dieser Mann verließ den Gerichtssaal als ein Mensch, den man an Leib und Seele zugrunde gerichtet hatte. Doch seien wir ehrlich. Weder Jelena noch ich empfanden Mitleid mit dem gestürzten Banker. Für uns zählte nur, dass wir unseren Auftrag erledigt hatten und die isländische Börsenaufsicht uns nun 2.500 Euro zu zahlen hatte.

Einen Tag nach dem Urteil gegen Björn Sigurdson machten wir uns auf den Heimweg. Wir hatten unsere Koffer bereits gepackt und konnten nun ganz entspannt auschecken. Wir fuhren zum Flughafen und gaben den KIA zurück. Dann gaben wir unsere Koffer am Schalter von Icelandair auf und gingen zur Sicherheitsschleuse. Wie immer schlug der Detektor nicht an. Um 10:00 Uhr startete unser Flieger nach Frankfurt am Main, wo wir um 13:35 Uhr landeten. Meine Verlobte Kelly Ling holte uns ab. Nach einer innigen Begrüßung fragte sie: „Und steht in Island noch alles, oder habt Ihr zwei hübschen eine Schneise der Verwüstung hinterlassen?“ „Ist noch alles so wie es sein sollte. Nur mit dem Unterschied, das ein isländischer Staatsbürger mehr im Knast schmoren darf. Und wenn er seine Haftstrafe verbüßt hat, geht es gleich weiter in Richtung der nächsten Klapsmühle, wo er eine Gummizelle sein eigen nennen darf.“ „Sehr vornehm ausgedrückt, Jelena.“ „Was denn? Ich nehm kein Blatt vor den Mund.“

Später am Abend trafen wir uns bei Kelly und mir zum Abendessen. Es gab Spaghetti mit Hackfleischsauce nach einem Rezept, das Kelly und ich uns ausgedacht hatten. Zusätzlich zu den Grundzutaten hatten wir noch Zwiebeln, Knoblauch, Karotten, Paprika rot und gelb, sowie eine gelbe Peperoni dazu gegeben und noch etwas Tomatenmark untergemischt. Dazu kamen noch mediterrane Gewürze, wie Oregano und Basilikum. Aber Cayennepfeffer und süßer Paprika durften nicht fehlen. Als „Haines Touch“, wie wir unsere Geheimzutat zu nennen pflegten, hatten wir noch etwas Rotwein untergerührt. Für Camille hatten wir einen kleinen Topf ohne Rotwein, weil sie noch keinen Alkohol trinken durfte.

„Wie krank muss ein Mensch in der Birne sein, dass er ein ganzes Land finanziell zu Grunde richten will?“, fragte Camille. „Manchmal sind die Mitmenschen mit Schuld an solchen Schicksalen. Es muss etwas in der Vergangenheit von Björn Sigurdson gegeben haben, was ihn dermaßen hat verbittern lassen.“ „Findest du, Onkel Paul?“ „Dein Onkel hat nicht ganz Unrecht. Einen Schicksalsschlag, den steckst du nicht mal eben so weg, wie eine Beleidigung. Das ist ein ganz anderes Kaliber.“ 208

„Ausnahmen bestätigen die Regel.“, sagte Camille. „Du bist ganz schön naiv, weißt du das?“, fragte Anastasia. „Wieso naiv?“ „Weil du so tust, als wäre dir die Trennung von deinen Eltern am Allerwertesten vorbeigegangen. Aber ich erinnere mich noch gut, wie traurig du warst und wie oft du geweint hast. Brauchst nicht denken, ich hätte davon nichts mitgekriegt.“, sagte Samantha. „Fängst du schon wieder mit dieser uralten Räuberpistole an, Sam?“ „Sei mal nicht so vorwitzig, vergiss nicht: Solange du deine Beine unter meinen Tisch streckst, bin ich noch das Gesetz.“

Am nächsten Tag, es war Montag, der 17.06.2019, erschien ein ausführlicher Artikel über den Selbstmord von Björn Sigurdson in der Zeitung. Auch ein Nachruf war dabei. Diesen Nachruf studierte ich sehr aufmerksam. „Was steht in dem Nachruf?“, wollte Jelena wissen. „Jetzt wird mir so einiges klar.“ „Was?“ „Björn Sigurdson hatte das Asperger Syndrom.“ „Heißt im Klartext?“ „Das Asperger Syndrom ist eine Form von Autismus. Solche Leute zeichnen sich durch eine außergewöhnliche Intelligenz und ein hohes Allgemeinwissen aus. Bei Björn Sigurdson kamen wohl noch seine mathematischen Fähigkeiten dazu. Er hatte früh den Ruf eines Strebers weg, und deswegen hat man ihn gehänselt. Aber dann haben ein paar Mitschüler ihm ziemlich übel mitgespielt. Sie haben eine Mitschülerin vergewaltigt und ihm die Tat angelastet. Dann haben sie noch Drogen bei ihm in seinem Spind versteckt. Das Resultat: Björn Sigurdson ist von der Schule geflogen. Auf einer anderen Schule hat er dann als Klassenbester seinen Abschluss gemacht. Danach hat Mr. Sigurdson ein Finanzstudium angefangen und auch als Klassenbester seines Jahrgangs abgeschlossen. In der Zwischenzeit waren zwei seiner ehemaligen Schulkameraden, die ihn damals so fertig gemacht haben einflussreiche Politiker. Sie haben versucht, ihn zu vernichten, aber der Schuss ging in die Hose.“ „Wann war das?“ „Vor zwei Jahren.“ „Aber Mitleid habe ich trotzdem keins mit ihm.“ 209

18. Fall - Umweltverschmutzung vor Valletta

18. Fall – Umweltverschmutzung vor Valletta

Es war Dienstag, der 18.06.2019. Jelena und ich hatten unsere morgendliche Joggingrunde beendet. Dieses Mal allein, denn Brit Olson unsere Sekretärin lag mit einer fetten Sommergrippe im Bett. Jelena stand gerade unter der Dusche, als das Telefon klingelte. „Detektivbüro MacLain-Romanova, Sie sprechen mit Paul MacLain.“, sagte ich. „Mein Name ist Amy Peterson. Ich arbeite für die maltesische Umweltbehörde. Wir haben ein Problem.“ „Worum geht es?“ „Wir haben seit einiger Zeit ein massives Fischsterben vor der Küste beobachtet. Besonders betroffen ist die Region um Valletta.“ „Haben Sie schon Wasserproben entnommen, Miss Peterson?“ „Das versteht sich ja wohl von selbst. Die anderen Küstenstädte sind nicht betroffen. Nur in Valletta haben wir das Fischsterben beobachten können.“ „Weiß man denn schon, was die Analyse der Wasserproben ergeben hat?“, fragte ich. „Die Analyse läuft noch. Ich rechne mit den Ergebnissen am Ende dieser Woche.“ „Nehmen wir an, meine Partnerin und ich würden den Fall übernehmen, sollte es einer werden, was wäre unsere Aufgabe?“ „Finden Sie heraus, wer die Küste vor Valletta verschmutzt. Und dann machen Sie diesen Spinner dingfest.“ „Ich denke, das lässt sich einrichten. Wenn wir uns einig werden, was das Honorar angeht, haben wir einen Deal.“ „Denken Sie eigentlich immer nur ans Geld, Mr. MacLain?“, fragte Amy Peterson genervt. „Bis jetzt haben Jelena und ich immer bewiesen, dass wir unser Geld wert sind. Und zwar jeden Cent davon. Und gute Arbeit hat nun mal ihren Preis.“ „Na schön. 15.000 Euro. Für jeden von Ihnen.“

Jelena kam aus der Dusche. „Gibt´s was neues?“, fragte sie. „Könnte sein, das wir einen neuen Fall haben.“ „Um was geht es?“ „So wie es aussieht Umweltverschmutzung. Besonders die Region um Valletta ist betroffen.“ „Verstehe. Und wir sollen den Urheber finden und unschädlich machen.“ „Richtig. 15.000 würden für jeden von uns raus springen.“ „Ist unser Klient noch in der Leitung?“ „Ja.“ „Dann leg ihn oder sie mal auf den Lautsprecher.“, sagte Jelena. Ich tat ihr den Gefallen. „Miss Peterson, Sie sprechen mit Jelena Romanova. Mein Partner hat mich soweit in Kenntnis gesetzt. Bevor wir annehmen, würde ich gerne noch mehr erfahren. Würde es Ihnen was ausmachen, wenn wir uns heute Nachmittag um 13:00 Uhr bei uns im Büro treffen?“ „Ich rufe als Malta an. Ich kann hier zurzeit nicht weg. Ich hätte einen Gegenvorschlag. Warum kommen Sie beide nicht runter und machen sich vor Ort ein Bild?“ Ich sah Jelena fragend an. Sie nickte. „Gut, wir kommen. Erwarten Sie unser Eintreffen übermorgen.“

Noch am selben Tag buchten wir einen Flug nach Luqa, der Hauptstadt Maltas. Als Hotel hatten wir uns das Suncrest Hotel in Valletta ausgesucht. Um den Mietwagen würden wir uns dann vor Ort kümmern. Am Donnerstag, den 20.06.2019 machten wir uns auf den Weg nach Valletta. Anastasia brachte uns zum Flughafen. Wir gaben unsere Koffer an einem der vielen Schalter von Air Malta auf und machten uns dann auf den Weg zur Sicherheitsschleuse, wo sich Anastasia von uns verabschiedete. „Macht euren Job, und dann seht zu, dass Ihr eure Ärsche wieder nach Hause schafft.“, sagte sie. „Ha ha. Selten so gelacht. Geschludert wird bei uns 210

nicht.“ „Wie lange bleibt Ihr weg?“ „Keine Ahnung. Gebucht haben wir zunächst für 14 Tage. Mit Option auf Verlängerung.“ „Kann aber auch sein, dass wir nach Abschluss unseres Auftrags dann noch in Malta bleiben. Mir fehlt noch ein Magnet in meiner Sammlung.“, sagte Jelena. „Du und dein Magnettick.“, sagte Anastasia und lachte. Dann umarmte sie ihre Freundin noch mal. „Seid lieber vorsichtig. Wer weiß, wie skrupellos die Gegenseite ist.“ „Ich komm schon heil nach Hause. Also hör auf dir Sorgen zu machen, Schatz.“, sagte Jelena und gab Anastasia einen Kuss.

Danach ging es durch die Sicherheitsschleuse. Wie immer schlug der Detektor nicht an. Als wir den Transitbereich erreicht hatten, sah ich mir vorsichtshalber auf einer Anzeigentafel die einzelnen Verbindungen an. Dann entdeckte ich unseren Flug. Air Malta 323 war an Gate C17 zum Boarding vorgesehen. „Also Jelena, wir müssen zum Gate C17.“, sagte ich. „Na dann.“ Am Gate angekommen, suchten meine Partnerin und ich uns einen freien Sitzplatz. Und während wir warteten ging jeder seinen eigenen Dingen nach. Jelena döste, während ich das Geschehen beobachtete. Nach und nach kamen weitere Menschen. Unter ihnen war ein Mann mit stechenden blauen Augen, einem schlanken Körper und einer Glatze. Außerdem trug er einen dichten schwarzen Vollbart. Das ovale Gesicht mit der Hakennase und den kurzen, wulstigen Lippen zeigte keinerlei Gefühlsregung. Bekleidet war der Mann, dessen Größe ich auf 1,80 m schätzte, mit einem schwarzen Designeranzug, einem weißen Hemd, einer rot-gold gestreiften Krawatte, schwarzen Socken und schwarzen Herrenschuhen.

Aus seinem Verhalten schloss ich, dass er jemanden suchte. Und wen er suchte, war offensichtlich, als er seinen Kopf in meine Richtung drehte. Denn als er mich und Jelena entdeckt hatte, ging er zielstrebig auf uns zu. Schließlich stand ich dem Fremden Angesicht zu Angesicht gegenüber. Er sah mich an. Ich sah ihn an. Offenbar hoffte er, mich mit einem Staredown aus der Fassung zu bringen. Doch da biss sich der Typ an mir die Zähne aus. Es hatte ganz den Anschein, als hätte mein Gegenüber vom Staredown die Schnauze voll, denn er brach sein Schweigen. „Entschuldigen Sie, wenn ich Sie einfach anspreche. Aber Sie sind nicht zufällig Shawn Robards?“ „Nein. Mein Name ist MacLain. Paul MacLain. Ich bin Privatermittler. Mit wem habe ich die Ehre?“ „Mein Name ist Rice. David Rice. Ich bin Personenschützer.“ „Und Mr. Robards ist Ihr Klient nehme ich an.“ „Nein. Meine Klientin sitzt da drüben.“ Mit seinem Kopf deutete David Rice auf eine hübsche Blondine mit einer üppigen Oberweite und schlanken sexy Beinen. Ich schätzte die Größe auf 1,57 m und das Alter auf 23. Die blonden Haare trug die junge Frau offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. „Wer ist denn die Meduse?“, fragte ich. „Ihr Name ist Kiara Lord. Sie ist die Tochter von Albert Lord. Ihm gehört die Albert Invest.“ Dann drehte sich die Blondine zu uns um und ich sah in ein ovales Gesicht mit grünen Augen, einer breiten Nase und sinnlichen Lippen. Bekleidet war Kiara Lord mit einem roten Minikleid und roten High Heels.

„Jetzt mal Klartext, Mr. Rice. Wie kommen Sie auf die Schnapsidee, ich könnte dieser Shawn Robards sein?“ „Sie sehen ihm ähnlich. Er hat mal für Mr. Lord gearbeitet. Wurde aber wegen übermäßigen Alkoholkonsum 211

entlassen.“ „Verstehe. Und jetzt hat Mr. Lord Angst, sein ehemaliger Mitarbeiter könnte sich versuchen an ihm zu rächen, indem er dessen Tochter kidnappt.“ „Woher wissen Sie das?“ „War nicht schwer zu erraten.“ In diesem Augenblick kam der Aufruf für unseren Flug. „Achtung! Alle Passagiere des Fluges Air Malta 323 nach Luqa werden gebeten sich an Bord der Maschine zu begeben!“ „Das ist unser Flug. Ich wünsche Ihnen viel Glück.“ „Wir fliegen auch nach Malta. Vielleicht ist es dort sicherer, als in Los Angeles.“

Um 10:25 Uhr startete unser Flieger in Richtung Malta, wo wir nach einer Flugzeit von 2 Stunden und 25 Minuten um 12:50 Uhr auf dem Malta International Airport landeten. Nachdem Jelena und ich unsere Koffer geholt hatten gingen wir zu einer Autovermietung. Bei Hertz mieteten wir uns einen Toyota Avensis Touring Sports. Der Japaner hatte den 1,8 Liter-Velvematic Motor mit 147 PS und das Multidrive S Getriebe. Lackiert war der Wagen in tokiorot mit perleffekt. Auch bei den Felgen hatte der Autovermieter nicht gegeizt. Er hatte unserem Kombi ein paar schöne 17-Zöller Leichtmetallfelgen im 5-Doppelspeichendesign in Silberausführung spendiert. Der Innenraum war mit Alcantara-Leder mit grauen Ziernähten versehen worden. Außerdem besaß unser Toyota die Einparkhilfe für Front und Heck. Die Auspuffblende war in Silber lackiert worden. Auch ein Skyview Panorama-Glasdach mit elektrischem Lamellenrollo hatte man verbaut. Was das Multimediasystem angeht so hatte man bei Toyota das DVD In Car-System im Sortiment. Bei Hertz hatte man für unseren Wagen eines einbauen lassen. Auch Sonnenblenden an den Fenstern der hinteren Seitentüren und ein horizontales Gepäcknetz waren bei unserem Avensis als Zusatzausstattung mitbestellt worden.

Vom Flughafen aus fuhren Jelena und ich 11 Minuten über die Route 6 nach Valletta. Um 13:40 Uhr kamen wir an unserem Hotel an. Das Suncrest war ein sechsstöckiger Gebäudekomplex. Dieser Betonklotz hatte die Form eines E, denn die drei nach vorne ragenden Flügel ließen den Vergleich mit dem fünften Buchstaben im Alphabet durchaus zu. Als Jelena und ich die Lobby des Hotels betraten, sah die Dame am Empfang von ihrem PC-Monitor auf. Sie war 1,65 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper mit üppigen Brüsten. Ihre roten Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen, der breiten aber dennoch hübschen Nase und den kurzen, aber wirklich sinnlichen Lippen hatte etwas verführerisches. Doch für meinen Geschmack war sie etwas zu jung. Das Mädchen war gerade einmal 19 Jahre jung. Bekleidet war die junge Dame mit einem schwarzen Minikleid mit einem Streifen aus falschen Perlen unterhalb der Oberweite, das viel von ihren sexy Beinen zeigte und schwarzen High Heels.

„Guten Tag. Kann ich Ihnen behilflich sein?“, fragte das Mädchen. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert.“ Die junge Dame sah im System nach. „Ah ja! Da haben wir es. Paul MacLain Zimmer 600. Jelena Romanova Zimmer 602. Ihre Zimmer befinden sich im mittleren Flügel, der zum Meer hinzeigt. Wenn Sie mal Zeit und Muße haben, dann gehen Sie ruhig im Meer schwimmen. Das Wasser ist traumhaft.“ „Daran haben wir keinen Zweifel. Aber wir sind hier um zu arbeiten.“ „Was machen sie beruflich?“, fragte das Mädchen. „Wir sind Privatermittler.“ 212

„Verstehe. Ich habe einen Brief für Sie. Durch Boten heute morgen.“ Jelena nahm den Umschlag und öffnete ihn. „Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Anreise und sind mit Ihrer Unterkunft zufrieden. Die Ergebnisse der Analyse der Wasserproben, erhalten wir morgen. Ich würde Sie beide später gerne noch treffen wollen. Wenn Ihnen das keine Umstände macht. Sagen wir um 19:00 Uhr am Hafen. Wäre Ihnen das Recht? Vertrauensvoll Ihre Amy Peterson.“, stand dort.

„Wie sollen wir Miss Peterson eine Nachricht zukommen lassen?“, fragte sich Jelena. „Ich mach das für Sie wenn Sie wollen.“ „Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen Kattie.“ „Hier sind Ihre Schlüssel. Ich sorge dafür, dass Sie noch in Ruhe zu Abend essen können.“ „Vielen Dank. Sie sind nicht von hier?“ „Nein. Ich komme aus Prag.“ „Entschuldigen Sie die Frage. Aber was macht eine junge Frau wie Sie so weit weg von zu Hause?“, fragte ich. „Ich fange im September an zu studieren. Und ich muss zusehen, dass ich mir ein bisschen Geld dazu verdiene. Von meinen Eltern und meinen Verwandten kriege ich nicht viel. Es reicht nur für einen Teil der Studiengebühren.“ „Und so etwas wie eine staatliche Förderung, wie das BAFÖG in Deutschland, gibt es nicht?“ „Wo denken Sie hin? Der tschechische Staat hat nicht die finanziellen Mittel um Studenten wie mich zu unterstützen.“ „Was wollen Sie eigentlich studieren?“, fragte Jelena. „Sie sind ja ganz schön neugierig. Warum fragen Sie das?“ „Weil wir beide so vermögend sind, dass wir Ihnen finanziell unter die Arme greifen könnten, wenn Sie es möchten.“ „Solange ich für die Kohle nicht die Beine spreizen muss, würde ich nicht „Nein“ sagen.“ „Keine Sorge. An so was haben wir nicht gedacht. Aber Sie könnten sich erkenntlich zeigen, wenn Sie für uns Informationen sammeln, die uns bei der Lösung des Falles helfen, sollten wir annehmen.“ „Na das ist doch ein Wort. Ich möchte Soziologie studieren.“

Später nach dem Abendessen holte uns Kattie ab. Sie war mit mit einem Jaguar XJS 4.0 Cabrio in British Racing Green unterwegs. „Nobel geht die Welt zugrunde.“, sagte Jelena. „Der gehört zum Fuhrpark des Hotels.“ Um 18:55 Uhr trafen wir am Fischereihafen von Valletta ein. „Miss Peterson ist ja mega schlau. Wie sollen wir sie treffen, wenn wir nicht wissen, wo sie ist.“ „Ich hab so eine Ahnung.“, sagte Kattie. „Dann schieß mal los.“ „Es gibt nur einen Ort hier im Hafen, wo man absolut ungestört ist.“ „Und welcher ist das?“ „Die alte Werft. Ich fahr euch hin und warte auf euch, damit Ihr rechtzeitig wieder im Hotel seid.“ „Die Firma dankt, der Chef zahlt.“

Auf dem Weg zur alten Werft kamen wir an einem Teil des Hafens vorbei, der für hochseetaugliche Schiffe gebaut worden war. Zwei Schiffe lagen dort. Das eine war ein Kreuzfahrtschiff, die „Prinsendam“ und ein Chemiefrachter der Robards Chemicals, die „Whistler“. „Ob Shawn Robards etwas mit Robards Chemicals zu tun hat?“, fragte ich mich.

Um 19:00 Uhr trafen Jelena und ich dann Amy Peterson. Und sie sah ganz anders aus, als ich erwartet hatte. Sie war wie Kattie gerade einmal 19 Jahre alt. Miss Peterson war eine 1,67 m große Brünette mit schulterlangen dauergewellten Haaren und großen blauen Augen. Auffällig war zum einen der wohlgeformte schlanke, sexy Körper und zum anderen die wohlgeformten üppigen Brüste. Das ovale 213

Gesicht mit den großen blauen Augen und der durchschnittlichen Nase, sowie den sinnlichen Lippen mittlerer Länge, war ebenfalls hübsch anzusehen. Bekleidet war Amy Peterson mit einem schwarzen Minikleid und schwarzen High Heels.

„Guten Abend Mr. MacLain. Ihnen auch einen guten Abend, Miss Romanova. Ich hoffe ich mache Ihnen nicht allzu viele Umstände, dass wir uns heute noch treffen, da Sie ja erst heute angekommen sind.“ „Kein Problem. Also, wo drückt der Schuh?“ „Seit März diesen Jahres hat hier vor der Küste Vallettas ein enormes Fischsterben eingesetzt. Viele der hier ansässigen Fischer stehen mehr oder minder vor dem Aus.“, sagte Amy Peterson. „Wir haben auf dem Weg hierher einen Chemiefrachter von Robards Chemicals, die „Whistler“ im Hafen liegen sehen. Könnte da vielleicht ein Zusammenhang bestehen?“, fragte ich. „Möglich wäre es. Aber wir haben auf Malta keine chemischen Betriebe, deren Produkte die „Whistler“ laden könnte.“ „Wir sollten vielleicht auch eine andere Möglichkeit in Betracht ziehen.“, sagte Jelena. „Welche?“ „Vielleicht werden die Chemikalien per Flugzeug hierher geliefert. Und mit einem LKW zum Hafen gefahren, wo sie auf die „Whistler“ umgeladen werden.“ „Das wäre auch denkbar. Aber bin mir ziemlich sicher, dass die Sache anders läuft. Ich bin mir sicher, dass die „Whistler“ die Chemikalien erst im Meer entsorgt, bevor sie in den Hafen einläuft.“, sagte ich.

Wieder im Hotel zeigte sich Kattie einmal mehr von ihrer hilfsbereiten Seite. Sie organisierte uns für den nächsten Morgen einen Hubschrauber, mit dem wir die „Whistler“ observieren konnten. „Ihr sollt morgen früh um 10:00 Uhr am Flughafen in Luqa sein. Wenn Ihr wollt bring ich euch hin.“ „Sie sind ein Goldstück Kattie.“, sagte ich. Als wir am nächsten Morgen beim Frühstück saßen, meinte Jelena: „Ich glaube, die Sache läuft etwas anders. Robards Chemicals hat mehrere solcher Frachter. „Einen Teil dieser Schiffe, hat man im Hafen von Gibraltar stationiert. Darunter auch die „Whistler“.“ „Woher weißt du das?“ „Ich hab mir die Internetseite von Robards Chemicals angesehen. Und dort nach Informationen über die Flotte gesucht. Uns sollten sechs Schiffe interessieren.“ „Welche?“ „Natürlich die „Whistler“. Dann die „Endeavour“, die „Beagle“, die „Erebus“. Und dann sind da noch die „Pinta“ und die „Resolution“.“

„Das heißt, die Schiffe sind überwiegend nach berühmten Schiffen berühmter Entdecker benannt. Denn die Endeavour und die Resolution waren Schiffe von James Cook. Die Beagle war das Schiff, auf dem Charles Darwin seine Reisen unternommen hat. Die Pinta war eines der Schiffe mit denen Christopher Columbus 1492 Amerika entdeckt hat.“ „Richtig. Nur die „Whistler“ fällt aus dem Rahmen. Sie ist nach dem Geburtsort des Firmengründers Hank Robards benannt. Und jetzt kommts. Der Firmensitz ist in Key West, Florida, aber die Produktionsstätten sind in Puerto Cortez in Honduras.“ „Bevor wir uns näher mit dieser Firma befassen, sollten wir mit Amy Peterson sprechen und ihr mitteilen, das wir den Auftrag annehmen.“ „War auch mein Gedanke.“

Als wir gerade aufbrechen wollten, kam Amy Peterson zu uns. „Haben Sie einen Augenblick Zeit?“, fragte sie. „Sie erwischen uns grad auf dem Sprung. 214

Aber wenn Sie wissen wollen, ob wir den Fall übernehmen, wir haben ihn bereits übernommen. Nämlich ab dem Zeitpunkt, ab dem meine Partnerin Informationen über Robards Chemicals eingeholt hat.“ Amy Peterson atmete vor Erleichterung aus. „Sie ahnen gar nicht, was für eine Last Sie mir von den Schultern nehmen. Wenn Sie Unterstützung brauchen, sagen Sie es uns.“ „Wir kommen auf Ihr Angebot zurück, Miss Peterson.“

Vor dem Eingang des Hotels wartete Kattie auf uns. Sie hatte dienstfrei und war mit ihrem eignen Auto, einem Alfa Romeo Giulia gekommen. Wir fuhren nach Luqa zum Flughafen, wo unser Hubschrauber ein Bell 407 auf uns wartete. Um 10:00 Uhr startete der Pilot und flog uns zuerst nach Valletta. Auf mein Zeichen hin flog er zum Hafen. Doch von der „Whistler“ war nichts zu sehen. Dann flogen wir auf das offene Meer hinaus. Wir waren noch innerhalb der maltesischen Hoheitsgewässer, als wir einen Chemiefrachter von Robards Chemicals entdeckten. Es war jedoch nicht die „Whistler“, sondern die „Erebus“. „Sieht so aus, als hättest du mit deiner Vermutung recht, Jelena.“, sagte ich. „Ich hab die genaue Position ermittelt, das Schiff ist nach Gibraltar unterwegs.“ „Was machen wir als nächstes?“ „Das entscheiden wir, wenn wir zurück im Hotel sind.“

Um 10:30 Uhr waren wir zurück im Hotel. Kattie organisierte für uns einen Kajütkreuzer. Mit der Yacht, die den schönen Namen „Early Dawn“ trug fuhren wir aufs offene Meer hinaus. Als wir die „Erebus“ in Sicht hatten, stoppten wir den Motor und warfen den Anker. Danach beobachteten wir das Schiff. Ich griff mir ein Fernglas und sah mir das Heck genauer an. Als es sich durch eine Welle hob, wurde ein Rohr sichtbar, aus dem eine milchige Flüssigkeit lief. „So läuft das also. Die Chemieabfälle werden aus den Tanks im Bauch des Schiffes durch dieses Rohr ins Meer geleitet.“ Jelena kam zu mir auf die Brücke. Ich gab ihr das Fernglas und zeigte auf das Heck der „Erebus“. „Gut aufgepasst. Diese Bastarde lassen wir hochgehen. Das nächste Schiff von Robards Chemicals werden wir versenken.“ „Und wie?“ „Ganz einfach. Wir platzieren ein paar Sprengladungen am Rumpf und lassen sie per Zeitzünder hochgehen.“

Zurück im Hafen sprachen wir mit dem Hafenmeister von Valletta. „Die Schiffe von Robards Chemicals kommen immer im Wochenrhythmus.“ „Welches Schiff ist nächste Woche dran?“, fragte Jelena. „Die „Pinta“. Wieso?“ „Weil es für unsere Arbeit relevant ist. Wir sind Privatermittler und sollen der maltesischen Umweltbehörde helfen, die Ursache für das Fischsterben hier vor der Küste zu finden. Und wenn das stimmt, was wir vermuten, dann wird uns Robards Chemicals einige schmerzhafte Fragen beantworten müssen.“ „Sie werden Keith Robards nicht zum sprechen bringen. Es sei denn, Sie benutzen seinen Sohn Shawn als Druckmittel.“ „Der Name ist mir nicht ganz unbekannt. Hat er bei Albert Invest gearbeitet?“ „Das weiß ich nicht.“

Später am Abend trafen Jelena und ich in der Bar unseres Hotels auf Kiara Lord und ihren Bodyguard David Rice. „Guten Abend, Miss Lord. Mister Rice.“ „Oh! Sie kennen mich?“, fragte die Tochter von Albert Lord. „Ich hatte das Vergnügen, 215

gestern am Flughafen in Frankfurt am Main mit Ihrem Leibwächter ein paar Worte zu wechseln. Er hat mich mit jemandem verwechselt.“ „So was kommt vor. Kenne ich denjenigen?“ „Shawn Robards. Er hat für Ihren Vater gearbeitet.“ „Ach der. Der soll in der Hölle schmoren.“ „Sie scheinen ja nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen zu sein, Miss Lord.“, sagte Jelena. „Wollen wir uns nicht setzen? Dann können wir in Ruhe miteinander reden und uns näher kennenlernen.“ „Ich höre mich nicht „Nein“ sagen.“, sagte ich. „Gut. Ich lade Sie beide auf einen Drink ein.“ „Immer wieder gern.“

Als wir eine lauschige Ecke gefunden hatten und jeder einen Drink vor sich stehen hatte, sagte ich: „Wir haben gestern im Hafen von Valletta einen Chemiefrachter von Robards Chemicals gesehen, die „Whistler“. Ist Shawn Robards vielleicht mit dem Firmeninhaber Keith Robards verwandt?“ „Er ist sein Sohn. Warum fragen Sie?“ „Als Privatermittler müssen wir jeden Aspekt unseres Falles beleuchten. Shawn Robards war bei ihrem Vater in der Firma angestellt. Warum?“ „Es war der Wunsch seines Vaters. Vater und Keith Robards waren bis zum Zeitpunkt von Shawns Einstellung gute Freunde. Aber dann hat Keith Robards des öfteren finanzielle Schwierigkeiten bekommen. Daraufhin hat Shawn vorgeschlagen, für private Anleger Aktienpakete von Robards Chemicals zu erwerben. Aber Vater hat sich geweigert.“ „Ich nehme an zu Recht.“, sagte Jelena. „Oh ja. Die finanziellen Probleme sind auf eine ganze Reihe von Schadenersatzklagen gegen Robards Chemicals zurückzuführen. Die meisten kamen aus Lateinamerika. Ecuador, Honduras, Mexiko. Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen.“ „Wie passt das alles mit den Ereignissen hier vor Ort zusammen?“, fragte ich. „Das weiß ich nicht. Aber was ich weiß, ist, das nach dem Tag von Shawn Robards Rauswurf bei Albert Invest dessen Vater versucht hat, meinen Vater zu einer Wiedereinstellung zu drängen.“

„Ich nehme an, Ihr Vater hat sich geweigert.“ „Und wie. Daraufhin hat Keith Robards mit Konsequenzen gedroht. Er weiß, dass wir früher immer hier Urlaub gemacht haben. Wir haben hier in Valletta ein Ferienhaus.“ „Wir haben heute morgen einen weiteren Chemiefrachter von Robards Chemicals, die „Erebus“ mit dem Hubschrauber aufgespürt. Und danach mit einem Kajütkreuzer beobachtet. Von dem Schiff wurden Chemikalien ins Meer gepumpt.“ „Außerdem haben wir erfahren, dass die „Pinta“ nächste Woche hier erwartet wird.“ „Das ist gut. Denn so kann ich bei den Behörden in Valletta eine Sperrung des Hafens für die Schiffe von Robards Chemicals erwirken.“, sagte Kiara. „Gut. Gibt es hier Geschäfte für Tauchzubehör?“ „Sicher. Was brauchen Sie?“ „Scooter, Sauerstoffflaschen, Atemregler, Tauchanzüge, Taucherbrillen und Taucherflossen.“ „Was haben Sie vor?“ „Wenn notwendig, werden wir einen der Frachter auf den Meeresboden schicken.“, sagte Jelena. „Tun Sie, was Sie tun wollen. Sie haben meine volle Unterstützung.“

Am nächsten Morgen hatte Kattie wieder Dienst an der Rezeption. „Guten Morgen, Kattie.“, sagte Jelena. „Guten morgen. Was habt Ihr zwei hübschen heute vor?“ „Wir haben eine Verabredung mit Amy Peterson. Um 11:00 Uhr am Hafen. Und wir brauchen ein paar Haftmienen.“ „Haftmienen? Ihr wollt doch nicht etwa ein kleines Feuerwerk veranstalten?“ „Sollte es notwendig werden, dann brauchen wir eine Lebensversicherung.“ „Verstehe. Aber in dem Punkt kann ich euch nicht 216

helfen.“ „Kannst du uns wenigstens zum Hafen bringen, Kattie?“ „Das ist kein Thema.“

Um 10:30 Uhr holte uns Kattie wieder mit dem Jaguar ab, mit dem sie uns am Donnerstag zum Hafen gebracht hatte. Vor dem Gebäude des Hafenmeisters trafen wir dann Amy Peterson. „Ihr Bericht liest sich wie der reinste Schauerroman. Aber leider stimmen Ihre Beobachtungen mit denen der Fischer überein.“ „Wir wissen, dass nächste Woche die „Pinta“ hier erwartet wird.“, sagte Jelena. „Gut das zu wissen. Miss Lord hat heute bei den Behörden eine Sperre des Hafens für die Schiffe von Robards Chemicals erwirkt. Wie ich hörte, hat Sie ihnen Ihre Unterstützung angeboten.“ „Das stimmt. Sie versucht für uns eine komplette Taucherausrüstung zu organisieren.“ „Brauchen Sie sonst noch etwas?“ „Ein paar Haftmienen, sollte es notwendig werden, einen der Frachter zu versenken.“ „Warum sich nicht mit einem U-Boot auf die Lauer legen und Empfangskomitee für so einen Pott spielen.“ „Zu auffällig. Die Blasenspur, die ein Torpedo hinter sich her zieht, ist leicht zu entdecken.“

„Ich habe noch etwas für Sie. Die Ergebnisse der Untersuchung der Wasserproben, die wir entnommen haben.“, sagte Amy Peterson und gab Jelena den Bericht. Jelena las ihn sich durch und seufzte. „Was für ein mieses Schwein. Dem verpassen wir einen Denkzettel, der ihm noch auf Jahre schwer im Magen liegen dürfte.“ „Was steht denn in der Analyse?“, fragte ich. „Dieser Mistkerl hat haufenweise Sulfide und hochgradig giftige Säuren hier vor der Küste ins Meer geleitet. Kein Wunder, dass hier massenweise die Fische sterben.“ „Was hast du vor?“ „Wir werden einen voll beladenen dieser Frachter versenken.“, sagte Jelena.

Um bei den Besatzungen der Frachter nicht für Unruhe zu sorgen wollten Jelena und ich uns auf einem Forschungsschiff einquartieren. Doch leider war nur das deutsche Forschungsschiff „Maria S. Merian“ in der Nähe und hätte uns helfen können, doch der Kapitän lehnte unsere Anfrage mit der Begründung ab, das An-Bord-Nehmen zweier Privatschnüffler würde nicht zu seinen Aufgaben zählen. Erst als das Forschungsministerium des Bundes anfing die Daumenschrauben anzuziehen und Druck auszuüben willigte er zähneknirschend ein.

Am Montag, den 24.06.2019, lief die Merian in den Hafen von Valletta ein und schnappte der „Pinta“ von Robards Chemicals den einzigen noch verbliebenen Liegeplatz im Hafen vor der Nase weg. Doch der Hafen war für den Chemiefrachter ohnehin gesperrt. Und so blieb dem Schiff nichts anderes übrig als auf Reede zu ankern. Um 12:00 Uhr lief die Merian aus Valletta aus. Das Schiff lief an dem Chemiefrachter vorbei und ankerte in sicherer Entfernung. Nun konnten wir uns ein genaueres Bild der „Pinta“ machen. Das Schiff war 120 Meter lang und 17 Meter breit. Laut der Internetdatenbank war der Chemiefrachter mit 6.974 Tonnen vermessen. Am Flaggenmast konnten wir die Fahne Liberias erkennen. Unter dem Namen des Schiffes konnte ich den Heimathafen erkennen. Die „Pinta“ war in Monrovia, der Hauptstadt des westafrikanischen Staates registriert. Ein Check im Internet ergab, dass die ganze Flotte von Robards Chemicals unter der 217

liberianischen Flagge fuhr. Der Rumpf der „Pinta“ war in einem dunklen blau lackiert, während die Aufbauten weiß waren. Und so wie es die Recherche im Internet ergab, war die „Pinta“ ein etwas moderneres Schiff. Denn der Chemiefrachter war erst im Jahr 2014 vom Stapel gelaufen. Die „Erebus“ war etwas älter, da sie 2010 vom Stapel gelaufen war. Das dienstälteste Schiff der Robards-Flotte war die 2009 gebaute „Endeavour“.

„Produktionsstätten in Honduras, die Schiffe fahren unter der Flagge von Liberia. Da versucht jemand Geld zu sparen, wo er nur kann.“, sagte ich. „Fehlt nur noch, das Keith Robards seine Schiffsbesatzungen ziemlich mies bezahlt.“ „Wir sollten uns mal mit dem Captain der „Pinta“ unterhalten.“, schlug ich vor. „Keine schlechte Idee.“ Dem Kapitän der Merian widerstrebte es, eine Funkverbindung zur „Pinta“ herzustellen. Doch schließlich gab er seinem Herz einen Ruck und rief den Chemiefrachter.

Um 13:30 Uhr kam dann der Kapitän der „Pinta“ an Bord. Er war ein 1,88 m großer, schlanker Mann mit stechend blauen Augen und einem schwarzen Schnurrbart. Das ovale Gesicht mit den kurzen Lippen und der dünnen Nase verlieh dem Mann etwas erhabenes. Bekleidet war der Kommandant der „Pinta“ mit einer schwarzen Uniform, einem weißen Hemd, einer schwarzen Krawatte, schwarzen Socken und schwarzen Lackschuhen. Jelena und ich begrüßten ihn auf dem Achterdeck der Merian. „Guten Tag Captain. Es freut uns, dass Sie sich mit uns treffen. Und keine Angst, Sie werden unversehrt auf Ihr Schiff zurückkehren. Wir haben ein paar Fragen an Sie, und hoffen, dass Sie durch ihre Antworten etwas Licht ins Dunkel bringen können.“, sagte Jelena. „Das hängt ganz davon ab, was Sie wissen wollen.“ „Wir wissen, dass Ihr Brötchengeber Keith Robards seine Produktionsanlagen in Honduras hat, und das seine Schiffe alle unter liberianischer Flagge fahren. Uns würde interessieren, wie es mit der Bezahlung der Schiffsbesatzungen aussieht.“ „Die Bezahlung ist miserabel, wenn ich das mal so sagen darf. Zumindest für die niedrigeren Ränge. Die Kapitäne und Offiziere verdienen das Doppelte. Wahrscheinlich weil Mr. Robards sonst eine Meuterei im XXL-Format zu befürchten hätte.“ „Verstehe. Mr. Robards hat ja des öfteren Zahlungsschwierigkeiten gehabt. Könnte dieses Lohndumping bei den Matrosen darauf zurückzuführen sein?“ Der Kapitän der „Pinta“ schüttelte den Kopf. „Auf gar keinen Fall. Mr. Robards hat die Matrosen schon immer so mies behandelt. Vor allem, weil er Leute anheuert, die mit Ach und Krach Backbord von Steuerbord unterscheiden können.“ „Und wie ist das mit Ihren Offizieren? Sind die zufrieden?“ „Die verwenden ihre Lohnabrechnung als Klopapier. Im letzten Monat hat Keith Robards die Bezüge der Offiziere um 6% gesenkt.“

Um 13:45 Uhr verließ der Kapitän der „Pinta“ die Merian. „Die armen Leute können einem echt leid tun. Müssen sich für einen Hungerlohn die Zunge aus dem Leib ackern und die Offiziere werden jetzt auch unmenschlich behandelt. Es wird Zeit, dass wir Keith Robards einen Denkzettel verpassen.“ „Du meinst, einen Frachter versenken?“ „Genau. Die „Pinta“ lassen wir weiter fahren, weil Ihr Kommandant mit uns kooperiert hat. Wir müssen einen Frachter erwischen, auf dem Shawn Robards mitfährt. Das wird Keith Robards richtig hart treffen.“ 218

„Das heißt, dass wir wieder eine Woche warten müssen.“ „Wir finden schon einen Weg. Ich schlage vor, wir ziehen unsere Option auf Verlängerung.“ „Das wäre auch mein Gedanke gewesen, Jelena.“

Als wir am frühen Abend ins Hotel zurückkehrten, hatte Kattie Dienst am Empfang. „Guten Abend Kattie.“, sagte ich. „Na Ihr zwei hübschen?“ „Du weißt doch, dass wir eine Option auf Verlängerung haben.“ „Ja. Warum?“ „Weil wir noch um zwei Wochen verlängern wollen.“ „Echt jetzt?“ „Kein Witz.“ „Ey wie cool. Dann sehen wir uns ja noch länger.“ „Vermisst du uns etwa schon, Kattie?“ „Na hört mal! Ich hab mich doch schon so an euch gewöhnt!“, sagte Kattie.

Später nach dem Abendessen saßen Jelena und ich auf dem Balkon meines Zimmers und besprachen das weitere Vorgehen. „Wir müssen herausfinden, auf welchem Schiff Shawn Robards unterwegs ist.“, sagte Jelena. In diesem Moment klopfte es an der Tür. Ich öffnete und sah zu meiner Überraschung Kattie davor stehen. „Was kann ich für dich tun?“, fragte ich vorsichtig. „Besser, was kann ich für dich und Jelena tun?“ „Wie jetzt?“ „Ich hab ein paar Informationen, die euch vielleicht interessieren könnten.“ „Komm rein.“ „Also, was hast du für uns?“; fragte Jelena, als die Tür zu war. „Ich weiß, auf welchem Schiff Shawn Robards als Passagier unterwegs ist.“ „Schieß los.“ „Er hält sich auf der „Whistler“ auf.“ „Wann soll das Schiff hier eintreffen?“ „Nächste Woche Dienstag.“ „Bis dahin brauchen wir die Mienen.“ „Wie viel?“, fragte Jelena. „10. Eine platzieren wir an der Schnittstelle zwischen Schraube und Welle. Die anderen direkt unter dem Rumpf.“ „Ich würde euch gerne helfen.“, sagte Kattie. „Du bist wohl übergeschnappt. Hast du überhaupt eine Kampfschwimmerausbildung?“ „Mein Großvater väterlicherseits war ein Kampfschwimmer. Er war der Beste. Er hat all sein Wissen an mich weitergegeben.“ „Kattie, bist du ganz sicher?“ „Ja, das bin ich! Und wie. Die Entscheidung liegt bei euch. Vielleicht wird euer Leben von mir abhängen.“ „Hast du eine Waffe?“ „Was glaubst du, Paul?“ „Du bist unbewaffnet.“ „Falsch!“ Blitzschnell hielt Kattie eine 45er Magnum in der Hand. „Nicht übel.“ „Wo hast du die denn her?“, fragte Jelena. „Hat mir mein Großvater geschenkt. Als Anerkennung, als ich seine Ausbildung erfolgreich durchlaufen hatte.“ „Okay. Halte vorerst mal weiter die Augen offen. Wir besorgen inzwischen die Haftmienen.“

Am nächsten Morgen trafen Jelena und ich uns nach dem Frühstück mit Amy Peterson. „Guten Morgen, Miss Peterson.“, sagte ich. „Ihnen beiden auch einen guten Morgen. Wie kommen Sie mit ihren Ermittlungen voran?“ „Sie können den Fall als so gut wie gelöst betrachten.“ „Das haut mich glatt aus den Fundamenten.“ „Allerdings bleibt noch einiges zu tun.“ „Was denn?“ „Wir werden die „Whistler“ versenken.“ „Das ist jetzt ein verspäteter Aprilscherz.“ „Nein. Das ist unser voller Ernst. Shawn Robards hält sich an Bord auf. Wenn wir ihn verschwinden lassen, können wir seinen Vater aus der Reserve locken.“ „Na schön. Was brauchen Sie für die Versenkung?“ „10 Haftmienen.“ „Ich besorge Ihnen ein Dutzend.“ „Warum 12 Stück?“ „Dann haben Sie zwei in Reserve, falls zwei versagen sollten.“ „Gar nicht mal schlecht.“ „Die Whistler kommt nächste Woche Dienstag hier an. Wie lange dauert es, bis Sie die Mienen organisiert haben?“ 219

„Die haben Sie schon Donnerstag.“, sagte Amy. „Sehr gut. Aber wo verstauen wir die Dinger?“ „Das lassen Sie mal meine Sorge sein.“

In der Firmenzentrale von Robards Chemicals, in Key West, Florida, saß Keith Robards an seinem Schreibtisch. Er war ein Mann in Alter von 66 Jahren mit einem athletischen Körperbau. Er war 1,65 m groß und hatte schneeweiße Haare. Das ovale Gesicht mit den stechend blauen Augen der Hakennase und den dünnen Lippen war von Anspannung geradezu zerfurcht. Bekleidet war der Firmenchef mit einem dunkelblauen Anzug, einem weißen Hemd, einer roten Krawatte, schwarzen Socken und schwarzen Herrenschuhen. An seinem linken Handgelenk trug er eine goldene Uhr der Marke Rolex. Ihm gegenüber saß der Leiter der Finanzabteilung. Er war 45 Jahre alt und war durchtrainiert. Sein 1,80 m großer Körper besaß kein Gramm Fett zu viel. Die blonden Haare hatte er zu einer Bürstenhaarfrisur zurechtschneiden lassen. Seine grünen Augen zeigten keinerlei Gefühl. Auch das ovale Gesicht mit der breiten Nase und den ebenfalls dünnen Lippen war ausdruckslos. Martin Ballard trug einen schwarzen Anzug, ein weißes Hemd, eine goldene Krawatte, schwarze Socken und schwarze Herrenschuhe.

„Was haben Sie auf dem Herzen, Martin?“, fragte Keith Ballard. „Es geht um die Sperre des Hafens von Valletta für Ihre Schiffe. Diese Sperre hat uns seit in Kraft treten schon 16.500 Dollar gekostet. Es gibt zwar noch Häfen, die unsere Schiffe einlaufen lassen würden, aber die schrauben die Gebühren jetzt nach oben. Außerdem droht uns die Regierung in Luqa damit, jedes Schiff zu beschlagnahmen, dass in den maltesischen Hoheitsgewässern auf Reede vor Anker geht.“ „Wann soll diese Regelung in Kraft treten?“ „Ende nächster Woche. Bis dahin muss die „Whistler“ die Gewässer wieder verlassen haben.“ „Das passt mir gar nicht. Shawn meint, dass vor Mittwoch nicht mit dem Verklappen angefangen werden kann. Die Wasserschutzpolizei und die maltesische Küstenwache behalten unsere Schiffe permanent im Auge.“ „Was sollen wir tun?“ „Setzen Sie unseren Anwalt Norman Bates auf die Sache an. Er soll gegen die Sperre vorgehen und eine Aufhebung erzwingen.“

Am Donnerstag, den 27.06.2019, trafen dann endlich die Haftmienen ein, die Amy Peterson für uns organisiert hatte. Sie wurden in einem Ersatzteillager für die Fischerboote versteckt. Keiner würde je auf die Idee kommen, dort ein paar Mienen zu vermuten. Kiara Lord hatte inzwischen die von uns erbetene Tauchausrüstung beschafft. Jelena und ich nutzten die Zeit um mit Kattie unseren Angriffsplan auszuarbeiten. Dieser sah vor, dass Kattie die Miene platzierte, die der „Whistler“ die Schraube abreißen sollte. Danach sollte sie zwei Mienen mittschiffs an der Unterseite des Rumpfes anbringen. Jelena und ich würden unsere Mienen am Bug, mittschiffs und am Heck anbringen. Die letzte Miene sollte am Rohr angebracht werden, über das die Chemikalien ins Meer verklappt wurden. Immer wenn Kattie dienstfrei hatte übten wir drei unseren Angriff auf das Schiff, bis wirklich jeder Handgriff saß.

Am Dienstag, dem 02.07.2019, erreichte die „Whistler“ die Küste vor 220

Valletta. Zum Glück war das russische Forschungsschiff Akademik Mstislaw Keldysch vor Ort und konnte uns unterstützen. Der Kapitän freute sich, Jelena und mich wiederzusehen, denn wir wurden ziemlich freundschaftlich und herzlich begrüßt. Auch Kattie wurde sehr warmherzig an Bord willkommen geheißen.

Um 12:00 Uhr verließ die Keldysch den Hafen von Valletta. In Sichtweite der „Whistler“ ankerten wir. Doch an Bord des Chemiefrachters war man alles andere als erfreut über unsere Gesellschaft. Shawn Robards betrat die Brücke. Er war ein Mann im Alter von 25 Jahren mit roten Haaren und blauen Augen. Er 1,78 m groß und hatte einen durchtrainierten Körper. Seine blauen Augen im mit Bartstoppeln übersäten runden Gesicht blickten wachsam und aufmerksam drein. Die Hakennase und die schmalen Lippen, die er zweifelsohne von seinem Vater geerbt hatte bebten vor Aufregung. Bekleidet war Shawn Robards mit einer Khakishorts, Flipflops und einen weißen T-Shirt mit einem rot geschminkten Frauenmund, der die Zunge herausstreckte. Offenbar war der Sohn von Keith Robards ein Fan der Rolling Stones.

„Gibts was neues?“, fragte er den Kapitän der „Whistler“. „Wir haben Gesellschaft bekommen. Das Forschungsschiff da drüben.“ „Die Fahne der russischen Föderation am Schornstein ist nicht zu übersehen. Was die wohl vorhaben. „Die schnüffeln nur rum. Die wissen nicht, was wir vorhaben.“ „Sagen wir noch nicht. Versuchen Sie einen Funkkontakt herzustellen. Sagen Sie den Russen, sie wären zu nahe und müssten ihren Abstand zu uns vergrößern. Am Besten außer Sichtweite. Apropos, wie heißt das Schiff überhaupt?“ „Akademik Mstislaw Keldysch.“ „Rufen Sie die Keldysch und sagen Sie dem Kapitän er soll sich außer Sichtweite zurückziehen. Andernfalls ließen wir sein Schiff in Valletta festsetzen.“

Jelena stand neben dem Kapitän auf der Brücke der Keldysch, als das Funkgerät knackte. „Keldysch, hier ist die „Whistler“. Sie halten sich widerrechtlich in unserer Nähe auf. Ziehen Sie sich außer Sichtweite zurück, sonst werden Sie in Valletta festgesetzt.“ „Was sollen wir antworten?“ „Ich mach das schon. Darf ich?“ Wortlos gab der Kapitän seiner Landsmännin das Funkgerät. „Whistler, hier ist die Keldysch. Wir lehnen es ab, uns Ihrer Forderung zu beugen. Des weiteren verweisen wir auf die nach wie vor aktive Sperre gegen Sie und die anderen Schiffe ihrer Firma. Sollten Sie diese Gewässer nicht binnen 24 Stunden verlassen, werden Sie festgesetzt.“

Die Sonne begann gerade unterzugehen, als ich mich mit meiner Partnerin und Kattie traf. „Also Ladies, wenn Ihr die Mienen platziert habt, bleiben nur noch 10 Minuten bis sie scharf werden. Wenn Ihr Sie danach noch anfasst seid Ihr Fischfutter.“, sagte ich. „Verstanden. Also dann. Lets Rock N Roll.“ Als die Dunkelheit hereingebrochen war, machten Jelena, Kattie und ich uns für unseren Tauchgang fertig. Wir wurden mit einem Boot abgeseilt und stiegen langsam ins Wasser. Von oben reichte man uns unsere Scooter. Wir tauchten ab und aktivierten die Gleiter. Als wir die Position der „Whistler“ erreicht hatten, machten wir uns sofort an die Arbeit. Kattie brachte zuerst die Miene an der Schnittstelle an, wo die Antriebswelle mit der Schraube verbunden war. Danach befestigte sie die zweite Miene am Rohr. 221

Als dies erledigt war, tauchte Kattie zur Mitte des Rumpfes und befestigte die beiden letzten Mienen. Auch Jelena und ich hatten unsere Mienen angebracht und waren bereit zu verschwinden. Jelena programmierte die ersten beiden Exemplare an Rohr und Schraube auf 0:50 Uhr, die übrigen auf 1:00 Uhr.

Um 23:30 Uhr kehrten wir auf die Keldysch zurück. „In Ordnung Captain. Bringen Sie uns in den Hafen von Valletta zurück. Ich möchte nicht in der Nähe sein, wenn die drüben auf der „Whistler“ ordentlich durchgeschüttelt werden.“, sagte Jelena. Der Kapitän des russischen Forschungsschiffes ließ Anker auf gehen und die Motoren starten. „Maschinen halbe Kraft voraus. Backbord 10 auf Kurs 130.“ „Halbe Kraft voraus, Backbord 10 Kurs 130.“ Ganz langsam drehte sich das 122 m lange Schiff bis auf dem neuen Kurs lag. „Ruder mittschiffs.“ Als wir einen kleinen Abstand zur „Whistler“ hatten befahl der Kapitän der Keldysch: „Maschinen volle Kraft voraus.“

Als wir in den Hafen von Valletta einliefen, war es 0:45 Uhr. „Noch 5 Minuten, dann gibt’s für unsere Freunde auf der „Whistler“ ein böses Erwachen.“ 5 Minuten später gab es einen dumpfen Knall. Die beiden ersten Mienen waren detoniert. An Bord der „Whistler“ brach Panik aus. Der Kapitän ließ einen Taucher ins Wasser bringen um sein Schiff auf etwaige Schäden zu untersuchen. 2 Minuten später war der Mann wieder an Bord.

„Wie sieht’s aus?“ „Nicht gut Sir. Unsere Schraube wurde abgerissen und das Ruder ist stark verbogen. Das Rohr, über das wir unsere Abfälle ablassen ist ebenfalls unbrauchbar.“ „Können Sie es reparieren?“ „Nicht hier, Sir. In einer Werft könnte ich...“ Weiter kam der Taucher nicht, denn nun explodierten die anderen Mienen. Die im Bauch befindlichen Chemikalien gerieten in Brand und explodierten in einem gigantischen Feuerball. Die „Whistler“ erbebte unter den ganzen Druckwellen, die die Explosion der Mienen hervorbrachte.

In seiner Kabine wurde Shawn Robards aus dem Bett geschleudert. Er prallte gegen die Wand und rieb sich den Hinterkopf. Nur mühsam kam er wieder auf die Füße. Als er die Tür erreichte, hatte er große Mühe sie zu öffnen, denn das Schiff bekam immer heftigere Schlagseite nach Backbord. Auf der Brücke hatte der Kapitän die Evakuierung des Chemiefrachters angeordnet. Auch ein Notsignal konnte nicht mehr abgesetzt werden. Binnen 16 Minuten war die „Whistler“ in den Fluten des Mittelmeeres versunken. Shawn Robards hatte sie mit in die Tiefe gerissen.

In Key West, dem Firmensitz von Robards Chemicals, schlug die Nachricht vom Untergang des Frachters ein, wie eine Bombe. In einem Straßencafé wurde sogar das laufende Fernsehprogramm unterbrochen. „Ladies and Gentlemen. Wir unterbrechen unsere laufenden Sendungen, um Sie über eine Schiffskatastrophe zu informieren, die sich vor der Küste der Hafenstadt Valletta auf Malta ereignet hat. Heute morgen um 1:16 Uhr sank der unter liberianischer Flagge fahrende Chemietanker „Whistler“ nach einer Reihe mehrerer Explosionen. Wie es zu diesen Explosionen kommen konnte, ist bislang nicht geklärt. Es geht das Gerücht um, dass Shawn Robards, der Sohn des Firmenchefs von Robards Chemicals Keith 222

Robards, der als Passagier auf der „Whistler“ mitgereist ist, den Untergang nicht überlebt hat. Wie die Regierung in Luqa inzwischen mitteilte, dürfen die Schiffe von Robards Chemicals die Häfen in Malta nicht mehr anlaufen.“

In der Firmenzentrale von Robards Chemicals saß Keith Robards an seinem Schreibtisch. Ihm gegenüber saß Norman Bates, der Anwalt der Firma. „Dahinter stecken bestimmt militante Umweltschützer.“, sagte der Firmenchef. „Ich wäre mir da nicht so sicher.“ „Wieso?“ „Ich hab läuten gehört, dass die maltesische Regierung zwei Privatermittler angeheuert hat. Paul MacLain und Jelena Romanova. Paul MacLain war beim SAS. Jelena Romanova bei den Speznas. Beide haben also eine entsprechende Ausbildung.“ „Glauben Sie, dass dieser Tommy und seine russische Partnerin die „Whistler“ absichtlich versenkt haben könnten?“ „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Wir müssen das Ergebnis der Untersuchung durch die maltesischen Behörden abwarten.“ „Solange kann ich nicht warten. Ich fliege runter und mache mir selbst ein Bild.“

Am Freitag, den 05.07.2019 kam dann Keith Robards nach Malta. Norman Bates, der Anwalt von Robards Chemicals hatte ihn begleitet. Er reiste vom Malta International in die Stadt, um den Handelsminister zu treffen, während der Firmenchef nach Valletta weiterfuhr. Wir waren gerade im Hotel, als Keith Robards im Hafen von Valletta eintraf. Zwei Marinetaucher waren in das Wrack eingedrungen, das in 40 m Tiefe auf dem Meeresboden ruhte, und hatten die Leiche von Shawn Robards geborgen.

Sein Vater sprach mit dem Leiter der Einheit. „Ihr Schiff wurde definitiv versenkt. Jemand hat ein paar Haftmienen unter dem Rumpf platziert.“ „Weiß man denn schon, wer dafür verantwortlich ist?“ „Im Internet ist ein Bekennervideo von Al Quaida aufgetaucht. Ob es echt ist, wird noch geprüft.“ „Und was ist mit den Mienen?“ „Sie stammen aus russischer Produktion. Und es ist der Typ von Haftmiene, der bevorzugt vom GRU eingesetzt wird.“ „Also kommt neben den Terroristen auch der russische Geheimdienst als Verdächtiger infrage.“ „Wir ermitteln in alle Richtungen. Aber vielleicht hat jemand, der Ihnen übel gesonnen ist, einen Saboteur beauftragt.“ „Oder einen Auftragskiller.“

Später am Tag trafen wir Keith Robards. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass er traurig und wütend zugleich war. „Bedrückt Sie etwas, Mr. Robards?“, fragte ich. „Jemand hat kaltblütig meinen Sohn ermordet.“ „Tut mir leid, das zu hören. Aber wie kommen Sie auf Mord?“ „Weil jemand eins meiner Schiffe versenkt hat. Und zwar jenes, auf dem mein Sohn als Passagier mit gereist ist.“ „Und wen haben Sie im Verdacht?“ „Den russischen Geheimdienst. Die Haftmienen, die man am Rumpf der „Whistler“ angebracht hat, stammen aus russischer Produktion und werden bevorzugt vom GRU benutzt.“ „Ich finde, das hat nichts zu bedeuten. Aber so wie Sie mir die Geschehnisse darlegen deutet vieles vielleicht auf einen Sabotageakt oder einen Terroranschlag hin. Der russische Geheimdienst würde nicht grundlos ein Schiff auf den Meeresboden schicken.“ „Haben Sie einen Verdacht, Mr. MacLain?“ „Nein.“ „Ich hatte gehofft, dass Sie mir vielleicht helfen könnten.“, 223

sagte Keith Robards. „Es ehrt mich, dass Sie mich und auch meine Partnerin beauftragen wollen. Aber wir sind zurzeit anderweitig beschäftigt. Wir arbeiten für die maltesische Regierung. Wir sollen die Ursache für ein massives Fischsterben hier vor der Küste untersuchen.“ Als ich ihm die Absage erteilte, verdüsterte sich das Gesicht von Keith Robards. „Dann eben nicht. Aber machen Sie sich darauf gefasst, dass ich Ihnen beiden die Lizenz als Privatdetektiv entziehen lasse.“ „Soll das eine Drohung sein?“ „Es IST eine Drohung. Und zwar eine, die Sie beide ernst nehmen sollten.“

Doch der Chef von Robards Chemicals konnte Jelena und mir drohen so viel er wollte, die Beweise waren einfach zu erdrückend. Er wurde vor Gericht gestellt, und wegen schwerer Umweltverschmutzung zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren und einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 26 Milliarden Dollar verurteilt. Dieses Geld sollte den Fischern von Valletta zugute kommen, die durch die systematische Verklappung der Chemikalien zu Schaden gekommen waren. Doch damit nicht genug. Das Urteil aus Malta machte anderen Ländern Mut, in denen sich Keith Robards einen außergerichtlichen Vergleich erpresst hatte. Auch dort wurden frühere Urteile eingezogen und die Firma aus Key West zu schweren Geldstrafen und Schadenersatzzahlungen verurteilt. Und wie sich herausstellte, reichten das Vermögen der Firma und das Privatvermögen des Robards-Clans nicht aus, um alle Forderungen zu erfüllen. Die maltesischen Fischer waren die ersten, die eine saftige Entschädigung erhielten. Danach kamen andere, die auf ähnliche Weise geschädigt wurden.

Unser Auftrag war erledigt. Wir checkten aus und bezahlten die Rechnung. Danach fuhren wir mit unserem Mietwagen zurück nach Luqa. Am Flughafen gaben wir den Avensis zurück und gingen in die Schalterhalle und gaben am Schalter von Air Malta, der für Frankfurt ausgewiesen war, unsere Koffer auf. Um 15:15 Uhr startete unser Flieger, und landete nach einer Flugzeit von 2 Stunden 25 Minuten um 17:40 Uhr auf dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt am Main. Als wir mit unseren Koffern zum Ausgang kamen, wurden wir von meiner Verlobten Kelly Ling und Anastasia Dimitrova erwartet. Nach einer innigen Umarmung sagte Anastasia: „Bin ich froh, euch beide gesund und munter wiederzusehen.“ „Hast du dir solche Sorgen um mich gemacht, Schatz?“ „Ganz ehrlich, Jelena. Ich hab vor Angst kaum ein Auge zugemacht.“ „Ich hab doch gesagt, ich komme wieder.“ „Weiß ich. Aber jetzt ab nach Hause.“

Später am Abend, saßen wir bei Samantha auf dem Balkon und aßen zu Abend. „Und die Rezeptionistin hat euch bei der Versenkung des Chemietankers geholfen?“, fragte meine Schwester. „Hat sie.“ „Na hoffentlich fliegt das nicht auf. Sonst kann sie ihren Job im Hotel knicken.“ „Eins steht fest.“, meldete sich Samanthas Adoptivtochter Camille zu Wort. „Und was?“ „Dass dieser fiese Drecksack für das was er angerichtet hat, ordentlich latzen musste.“ „Diese derbe Ausdrucksweise hab ich dir bestimmt nicht beigebracht, Camille.“, sagte Samantha streng. „Ist doch wahr.“ „Schon möglich. Aber so eine ungehobelte Ausdrucksweise dulde ich nicht. Das wir uns da klar verstehen.“ 224

Camille seufzte. „Scheiß Leben.“, sagte sie leise. „Samantha hat schon recht. Irgendwann wird dir dein loses Mundwerk Probleme einbringen. Und das will Sie dir ersparen.“ „Papa hat auch kein Blatt vor den Mund genommen, Tante Anastasia.“, sagte Camille.

In diesem Moment klopfte es an der Tür. Jelena öffnete. Sie war etwas überrascht, als sie Kattie im Flur stehen sah. „Alles klar bei dir?“, fragte sie. „Alles okay. Ich bin auf Malta die Heldin des Tages.“ Später erzählte Kattie, was sich nach unserer Abreise ereignet hatte. „Keith Robards hat im Gefängnis randaliert. Es hat mehrerer Sicherheitskräfte bedurft, um ihn ruhig zu stellen.“ „Geschieht ihm recht, wenn er die Gefängniseinrichtung auseinander nimmt.“, sagte Camille. „In dem Fall hat Camille recht, Schwesterherz.“ „Sei es drum. So schnell kommt Keith Robards aus dem Knast nicht mehr raus.“, sagte Jelena. „Wenn man es recht betrachtet, ist der ganze Clan Geschichte.“ Alle Augen richteten sich auf Camille. „Was denn? Es stimmt doch. Wenn das, was in den letzten Tagen in der Zeitung gedruckt wurde, dann ist nicht nur die Firma bankrott, sondern auch die Familie Robards selbst, darf Insolvenz anmelden.“ „Ich wusste gar nicht, dass du lesen kannst.“, sagte Kattie. „Sam hat´s mir beigebracht.“ 225

19. Fall - Immobilienbetrug in KRK

19. Fall – Immobilienbetrug in KRK

Der 12.07.2019, es war ein Freitag, schien ein Tag zu werden, wie jeder andere auch. Der einzige Unterschied war, dass das Thermometer morgens um 9:00 Uhr schon 20 Grad anzeigte. Meine Partnerin war nach unserem Fall auf Malta für zwei Wochen in Urlaub gegangen. In dieser Zeit war ich allein im Büro. Meine Verlobte Kelly Ling nutzte das aus und kam mich öfter mal besuchen. Und an solchen Tagen kam es öfter mal vor, dass wir uns sexuell amüsierten. Es war 9:45 Uhr, als Kelly Brit und mich mit ihrem Besuch beehrte. „Hat einer von euch zwei hübschen heute schon Zeitung gelesen?“, fragte meine Verlobte. „Bin noch nicht dazu gekommen.“ „Ich auch nicht. Hab die Post sortiert wie immer.“ „Dann lest euch mal den internationalen Teil durch.“ Mit diesen Worten warf Kelly die aktuelle Ausgabe der Frankfurter Rundschau auf den Schreibtisch. Ich griff danach und faltete die Zeitung auseinander. Schon auf der Titelseite fiel mir die Schlagzeile auf. „Gibt es in Kroatien einen Immobilienskandal?“, stand dort zu lesen. Ich schlug Seite 3 auf und las den Artikel ausführlicher.

Laut dem Journalisten, der den Artikel verfasst hatte, wurden auf der kroatischen Halbinsel KRK von Immobilienspekulanten ahnungslose Käufer über den Tisch gezogen. Entweder existierten die Häuser gar nicht, oder waren noch eine Baustelle. So war zum Beispiel Uli Hoeneß, der Manager des Fußball Bundesligisten 1. FC Bayern München den Spekulanten auf den Leim gegangen. Aber so wie ich dem Artikel entnommen hatte, hatten es die Immobilienbetrüger offenbar auf ahnungslose Deutsche abgesehen. Denn die Opfer waren ausnahmslos Deutsch.

Um 10:10 Uhr klopfte es an der Tür. Brit öffnete. Die Frau, die eintrat, war eine atemberaubende Schönheit. Sie war 1,75 m groß und hatte brünette Haare, die in Strähnen bis zu ihren üppigen Brüsten reichten. Der sexy Körper entsprach sicher nicht dem heute üblichen Schönheitsideal, war er doch an den entsprechenden Stellen etwas mehr proportioniert. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen, der grazilen Nase und den kurzen, aber dennoch sinnlichen Lippen war ebenfalls ein Hingucker. Bekleidet war meine Besucherin mit einem roten Minikleid und roten Plateauschuhen. Das Alter der Lady in Red schätzte ich auf 35 Jahre. Doch bei genauerem Hinsehen erkannte ich, wer unserer Detektei einen Besuch abstattete. Es war Jelena Jensen, die Pornodarstellerin aus Toluca Lake.

Ich hatte wahrlich Probleme, mich auf meinen Job zu konzentrieren, so spitz war ich auf die Braut. „Was kann ich für Sie tun, Miss Jensen?“, fragte ich freundlich. „Oh! Ich bin überrascht, dass Sie wissen, wer ich bin. Mr....“ „MacLain. Paul MacLain. Zu Ihren Diensten.“ „Aber an der Tür stand Detektivbüro MacLain-Romanova.“ „Das ist auch richtig. Normalerweise würde meine Partnerin auf dem Platz zu meiner Rechten sitzen. Aber Jelena ist zurzeit im Urlaub.“ „Ach was! Ihre Partnerin heißt mit Vornamen genau wie ich. Ich werd verrückt.“ „Das stimmt. Sie stammt aus Smolensk. Wir haben dort im Mai einen Serienmörder aus dem Verkehr gezogen.“ „Michail Golowko. Ich habe davon gehört. Und auch von Ihrem letzten Erfolg auf Malta. Sie beide sind ja ganz ausgeschlafene Füchse.“ 226

„Kommen wir zum Grund Ihres Besuches zurück. Wobei kann ich Ihnen behilflich sein?“ „Ich nehme an, dass Sie von den Immobilienspekulanten in KRK gehört haben.“ „Ich hab den Artikel vorhin in der Frankfurter Rundschau gelesen.“ „Die Kerle wollen auch mich über den Tisch ziehen.“, sagte Jelena Jensen. „Inwiefern?“ „Nun ja, ich bekomme seit einiger Zeit eine E-Mail, die nicht in den Spam-Ordner verschoben werden kann. Der Filter stuft die Mail nicht als unerwünscht ein. Ich habe Ihnen alle Mails ausgedruckt. Sie werden beim Lesen schnell merken, dass mit jeder neuen E-Mail der Ton der Kroaten rauer wird.“ „Und ich soll verhindern, dass die Kerle Sie abzocken, nehme ich an.“, sagte ich als ich die Mails gelesen hatte. „Sonst wäre ich nicht hier.“ „Sie wissen, dass ich 10.000 Euro Minimum verlange.“ „Ich biete Ihnen und Ihrer Partnerin 55.000 Euro pro Nase.“ „Dann haben wir einen Deal.“, sagte ich.

Normalerweise wäre das Gespräch zu diesem Zeitpunkt beendet gewesen, doch Jelena Jensen blieb noch sitzen. „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Miss Jensen?“, fragte ich. „Besser gesagt, was kann ich für Sie tun, Mr. MacLain. Mir ist nämlich die Beule in ihrer Hose aufgefallen.“ „Zugegeben, bei Ihren Referenzen fällt es einem Mann ziemlich schwer „Nein“ zu sagen. Aber ich bin verlobt. Ich sage Ihnen das nur, falls Sie den Ring an meinem linken Ringfinger übersehen haben sollten.“ „Den habe ich sehr wohl gesehen. Darf ich fragen, wie Ihre Verlobte heißt?“ „Kelly Ling.“ Jelenas Gesicht hellte sich auf. „Sie hätten keine bessere Frau als Kelly finden können.“ „Außer Ihnen, versteht sich.“

Nur kurze Zeit später kehrte Kelly von ihrem Besuch beim nahegelegenen Italiener zurück. Die amerikanische Pornodarstellerin erhob sich und die beiden Frauen umarmten sich innig. „Und habt Ihr einen Deal, Paul?“ „Das möchte ich doch meinen.“, sagte ich.
 

Später am Abend, ich saß gerade auf dem Balkon meines Apartments und suchte im Internet nach Hotels, klingelte es an meiner Wohnungstür. Meine Partnerin Jelena Romanova war aus dem Urlaub zurück. „Hey Paul. Hab ich was verpasst, seit ich weg war?“, fragte sie. „Heute war eine Amerikanerin bei uns. Ihr Name ist Jelena Jensen.“ „Worum geht es?“, fragte Jelena. Immobilienbetrug.“ „Wie viel springt für uns raus?“ „Pro Kopf 55.000.“ „Hört sich gut an. Wo sollen wir hin?“ „Nach Kroatien. Genauer gesagt nach KRK.“ „Hast du schon gebucht, Paul?“ „Noch nicht. Ich wollte dich nicht übergehen.“

Jelena verdrehte entnervt die Augen. „Hast du schon irgendwas konstruktives gemacht?“ „Ich habe mir verschiedene Internetseiten angesehen. Auf KRK gibt es überwiegend Ferienhäuser- und Wohnungen.“ „Ach was du nicht sagst.“ „Ich hab mir mehrere Bilder angesehen, und bin dabei auf dieses gestoßen.“ Ich zeigte Jelena ein paar Bilder von einem Ferienhaus in Malinska. „Wow. Sogar aus Stein. Wie sieht’s innen aus?“ Ich zeigte meiner Partnerin Bilder vom Inneren des Hauses. „Cool. Buch uns das Paul.“ „Ist schon so gut wie erledigt.“ „Da. Ich mach den Flug klar.“

Am nächsten Tag kam Jelena Jensen noch mal bei uns vorbei. Wir hatten uns im Büro verabredet. Um 10:05 Uhr kam Jelena bei uns vorbei. „Guten Morgen, Miss Jensen. Ihr Anruf gestern Abend kam etwas überraschend. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen meine Juniorpartnerin Jelena Romanova vorstellen.“ „Freut mich sehr, meine Namensschwester kennenzulernen.“ Jelena stutzte erst, doch dann begriff sie. „Mein Partner sagte mir, dass Sie uns engagiert haben.“ „Das stimmt. Ich habe erfahren, dass die Immobilienbetrüger erneut zugeschlagen haben.“ „Wer ist dieses Mal das Opfer?“, fragte meine Partnerin. „Oprah Winfrey.“ „Heilige Festplatte!“ „Seit wann sind Festplatten heilig, Towarischtsch?“ 228

„Ich konnte nur meinen Staunen nicht unterdrücken.“ „Eine Frage.“ „Bitte, Miss Jensen.“ „Wann gedenken sie nach KRK zu reisen?“ „Am Montag. Einen früheren Flug haben wir nicht ergattern können.“, beantwortete meine Partnerin die Frage.

Am Montag, den 15.07.2019 brachte uns meine Schwester Samantha zum Flughafen. „Eure Klientin ist schon nach KRK vorgeflogen. Sie wird euch dann in Rijeka am Flughafen abholen.“, sagte sie. „Na da haben wir ja ein sexy Begrüßungskomitee.“ „Spart euch eure Witze für später auf. Ihr werdet alle Hände voll zu tun haben, euren Fall zu lösen.“ War mir klar, dass du das sagen würdest, Sam.“ „Jetzt aber ab mit euch, sonst verpasst Ihr den Flieger.“

Um 9:50 Uhr startete unser Flieger nach München, wo wir nach einer Flugzeit von 50 Minuten um 10:40 Uhr landeten. Am Münchner Flughafen hatten wir eine Stunde Aufenthalt, ehe wir um 11:40 Uhr weiterflogen. Auf der Route München – Rijeka flogen wir mit einer Turbopropmaschine der Croatia Airlines. Es handelte sich um eine De Havilland-Bombardier Dash-8. Nach einer Flugzeit von einer Stunde und 15 Minuten landeten wir um 12:55 Uhr auf dem Flughafen von Rijeka.

Wir holten unsere Koffer und gingen zum Ausgang, wo Jelena Jensen auf uns wartete. Nach einer herzlichen Begrüßung fragte sie: „Kann ich Sie beide ein Stück mitnehmen?“ „Wir nehmen in der Regel einen Mietwagen.“ „Der geht auf meine Rechnung.“ „Danke.“

Bei Europcar mieteten wir uns einen Subaru Impreza WRX STI. Lackiert war der Japaner in Pure red. Sein 2,5-L-Motor leistete stolze 300 PS. Ein weiterer Hingucker waren die 18-Zoll-Leichtmetallfelgen ET48. Die Ledersitze Modell „Subaru Exklusiv“ waren ebenfalls ein Extra, dass Europcar mitbestellt hatte. Als weitere Extras hatte der Autovermieter das Premiumscheibenwischerset Aeroblade, sowie die Auspuff-Hitzeschutzblenden und einen Teppichmattensatz für vorne und hinten spendiert. Auch ein textiler Ladekantenschutz durfte nicht fehlen. Im Subaru sorgte das 2DIN Multimediasystem NX706E aus dem Hause Clarion für Unterhaltung. Außerdem besaß unser Impreza die Ultraschalleinparkhilfe hinten, den Premium Innenraumluftfilter, ein Reservelampenset, LED-Innenbeleuchtung und ein Reifenpannenset noch zusätzlich an Bord.

Über die A7 und die D102 fuhren Jelena und ich 38 Minuten nach Malinska, wo wir um 13:23 Uhr Ortszeit ankamen. Unser Haus hatten wir schnell gefunden. Und es sah genauso aus, wie auf den Bildern im Internet. Im Hof gab es einen Unterstand für zwei Autos. Der gepflasterte, großzügige Hof endete in einer Treppe, die zum Haus führte, vor dem sich ein Swimmingpool befand. An einem Ende standen drei Liegen nebeneinander. Das Haus selbst besaß zwei Stockwerke. Im oberen Stockwerk war sogar ein Balkon, der auf einer steinernen Bogenkonstruktion aus drei Bögen ruhte. Unter dem ersten der drei Bögen stand ein hölzerner Esstisch mit vier Stühlen. Auch ein Grill durfte nicht fehlen. Die Fenster waren großzügig und ließen sehr viel Licht ins Haus. Ans Haupthaus schlossen sich noch zwei Nebenflügel 229

an, die unterhalb des Balkons endeten. Das Haus wurde von einer niedrigen Steinmauer umrandet, in die zwei Tore aus Eisen eingelassen waren. Das erste war etwas kleiner und konnte nur von Hand geöffnet werden, während das zweite größer war, und elektrisch zu öffnen war.

Über eine Fernbedienung, die Jelena im Briefkasten gefunden hatte, öffneten wir das Tor, und ich lenkte den Subaru in den Hof. Wir luden unsere Koffer aus, und betraten das Haus. Auch hier hielt die Inneneinrichtung, was die Bilder versprochen hatten. Die Wände waren aus Steinen gefertigt, wie man sie an der Adriaküste oft finden konnte. Die Möbel waren aus edlem Mahagoniholz gefertigt und über eine Marmortreppe gelangte man in den ersten Stock.

Als wir das Schlafzimmer betraten, flog Jelena und mir fast der Draht aus der Mütze. Zum einen, weil an dieses Zimmer der Balkon grenzte, und zum anderen, weil ein riesiges Wasserbett neben der Tür zum Balkon stand. Neben der Eingangstür stand ein riesiger Kleiderschrank. Gegenüber der, von mir aus gesehen, rechten Seite, stand ein weiterer Kleiderschrank. Über dem Bett hing ein gemaltes Bild von Malinska, das von einer lokalen Künstlerin im Jahr 1998 gemalt worden war. Es zeigte die Stadt während eines Sonnenuntergangs.

Auch das Bad war ein richtiger Hingucker. Der Boden und die Wände waren komplett aus Marmor gefertigt. Es gab eine große Badewanne, eine Dusche und einen Whirlpool. Ein riesiger Spiegel hing an der Wand, an der ein Waschbecken aus Marmor angebracht war. „Nobel geht die Welt zugrunde.“, sagte Jelena. „Du hast dieses Haus gewollt. Also beschwer dich nicht.“ „Tu ich auch nicht. Aber jetzt sollten wir uns erst mal frisch machen.“ „Schaden kanns nicht.“

Nach dem Duschen saßen Jelena und ich auf der Terrasse am Esstisch und blickten aufmerksam auf die Straße. Mir fiel ein schwarzer Volvo S80 auf, der direkt vor unserem Haus hielt. Die Dame, die ausstieg war 1,75 m groß und hatte lange schwarze Haare, die offen bis zu ihrer üppigen Oberweite reichten. Die Frau besaß einen schlanken, sexy Körper und wunderschöne sexy Beine. Das ovale Gesicht mit den grünen Augen, der etwas breit geratenen Nase und den kurzen, aber dennoch sinnlichen Lippen hätte kein Bildhauer besser treffen können. Bekleidet war die Dame mit einem schwarzen Kleid und schwarzen High Heels. Als sie näher kam, erkannte ich, dass sie keinen BH trug.

„Dobar Dan.“, begrüßte uns die Frau, deren Alter ich auf 24 Jahre schätzte. „Dobar Dan.“ „Ich nehme an, Sie sind Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „In Person.“ „Eigentlich steht dieses Haus zum Verkauf, aber da ich von Ihnen eine Buchungsanfrage erhalten habe, habe ich mich entschlossen, es erst mal als Ferienhaus zu vermieten.“ „Sie werden es nicht bereuen. Aber über einen Kauf kann man immer noch sprechen. Ich habe vor, nach Abschluss meines letzten Falles zu heiraten. Ich denke, dieses Haus wäre das Richtige, um sich aufs Altenteil zurückzuziehen.“ „Paul! Wir sind hier um zu arbeiten. Also reiß dich zusammen, verflucht noch mal.“, sagte Jelena. 230

„Auch dieses steht im Buch der Buchen, du sollst verflucht noch mal nicht fluchen.“, sagte ich.

Rasch wechselte Jelena das Thema. „Wie heißen Sie eigentlich?“, fragte sie gerade heraus. „Mein Name ist Dubravka Firic. Ich arbeite als Immobilienmaklerin hier auf KRK.“ „Wohnen Sie auch hier?“ „Nein. Ich wohne in Dubrovnik. Aber wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, dann sagen Sie es mir.“ „Wir sind einem Immobilienbetrüger auf der Spur. Wissen Sie etwas über ihn?“ „Dann meinen Sie sicherlich Milko Kuszmanovic.“ „Wissen Sie sonst noch etwas über ihn?“ „Nein. Aber Sie sollten sich mit den Behörden in KRK-Stadt und den Orten auf der gesamten Halbinsel abstimmen. Die sehen das nicht gerne, wenn Fremde auf eigene Faust Ermittlungen anstellen.“ „Danke für Ihren Rat, Miss Firic.“ „Gern geschehen. Darf ich mir die Frage erlauben, für wen Sie arbeiten?“ „Aus Gründen der Diskretion dürfen wir uns nicht zu einem laufenden Ermittlungsverfahren äußern, geschweige denn die Identität unserer Klientin preisgeben. Nur so viel sei gesagt, sie ist eine amerikanische Pornodarstellerin.“

Am nächsten Tag suchten wir die Polizeistation von Malinska auf. Der Leiter der Dienststelle begrüßte uns mit einem freundlichen Lächeln. „Dobar Dan. Was kann ich für Sie tun?“ „Mein Name ist Paul MacLain. Die Lady ist meine Partnerin Jelena Romanova.“, sagte ich. „Die beiden Privatermittler aus Frankfurt am Main?“ „Genau die. Und wir sind aus beruflichen Gründen hier. Wir wurden von Jelena Jensen engagiert, weil ein Immobilienbetrüger sie unter Druck setzt.“ „Milko Kuszmanovic.“ „Sie kennen ihn?“ „Nicht persönlich. Aber er ist bei den Behörden in ganz Kroatien kein unbeschriebenes Blatt.“ „Was wissen Sie über diesen Mann?“, fragte Jelena. „Milko Kuszmanovic. Geboren am 12.01.1970 in Baska. In der Unterwelt nennt man ihn „The Shark – Der Hai.“ Dieser Mann ist kaltblütig und rücksichtslos.“ „Wie jeder böse Bube.“, sagte Jelena. „Es gibt auch Gentleman-Gauner.“ „Wie Egon Olsen.“ „Wie Egon Olsen. Woher wissen Sie von ihm?“ „Wir hatten in Dänemark mit ihm zu tun. Allerdings hat er für die guten gearbeitet.“ „Ihr Ruf ist bis zu uns vorgedrungen. Und wenn ich ehrlich sein soll, würden wir uns glücklich schätzen, wenn Sie uns helfen könnten, den Hai zu fassen.“ „Wir helfen Ihnen gerne. Allerdings wären wir Ihnen und ihren Kollegen sehr verbunden, wenn Sie uns freie Hand lassen würden.“

Nach dem Gespräch mit dem Leiter der Polizeiwache in Malinska fuhren wir nach KRK-Stadt, um mit dem Leiter der dortigen Polizeiwache zu sprechen. Zu unser beider Überraschung begrüßte uns der Polizeipräsident von KRK höchstpersönlich. „Dobar Dan.“, sagte er. „Ihnen gleichfalls guten Tag.“ „Die Kollegen in Malinska haben uns informiert, dass sie beauftragt wurden, „The Shark“ unschädlich zu machen.“ „Das stimmt. Wir haben gerade erst mit den Ermittlungen angefangen, deshalb können wir noch keinen Plan ausarbeiten, wie wir ihn hochgehen lassen.“ „Es wäre ohnehin noch zu früh dafür. Aber ich vor kurzem ist hier eine junge Blondine angekommen. Kiara Lord.“ „Sagten Sie Kiara Lord?“ „Ja. Kennen Sie das Mädchen?“ „Wir hatten die Ehre, sie bei unserem Aufenthalt auf Malta kennenzulernen. Ihr Bodyguard David Rice, hat mich am Flughafen in 231

Frankfurt angesprochen. Er hat mich mit Shawn Robards verwechselt.“ „Sagen Sie, geht die Versenkung der „Whistler“ vor Valletta nicht auf Ihr Konto?“ „Da war aber schon klar, wie viel Dreck Keith Robards bereits am Stecken hatte.“ „Darum geht es nicht. Sie haben getan, was Sie für richtig gehalten haben.“ „Wann ist Miss Lord hier angekommen?“ „Vor zwei Tagen. Sie will sich ein Ferienhaus in Baska kaufen. Damit wäre sie ein potenzielles Opfer für Milko Kuszmanovic.“ „Hat Miss Lord gesagt, wo sie das Haus kaufen wollte?“ „Sie war nicht bei uns.“

Wieder zurück in unserem gemieteten Ferienhaus ging Jelena von ihrem Laptop aus ins Internet und suchte mach Ferienhäusern, die auf KRK zum Verkauf standen. „Ich glaub, ich hab was Paul!“ rief sie nach draußen auf den Balkon, wo ich gerade Zeitung las. Ich ging rein und setzte mich zu meiner Partnerin aufs Bett. „Also was hast du?“ „Die meisten Ferienhäuser werden in Baska verkauft. Dahinter kommt Vrbnik und dann Malinska. KRK-Stadt ist nur an vierter Stelle.“ „Sonst noch was?“ „Da. In Baska sind 45 neue Ferienhäuser im Bau. Und jetzt kommts. Nur acht davon sind komplett fertig.“ „Dann sollten wir mal nach Baska fahren und uns dort umsehen.“ „War auch mein Gedanke. Wollen wir los?“

Nachdem wir uns etwas ausgeruht hatten, fuhren wir mit unserem Subaru nach Baska. Es war 13:00 Uhr. Unterwegs bemerkte ich einen dunkelblauen Toyota Celica der aktuellen Bauserie, der uns folgte. „Da hängt uns einer an der Stoßstange.“, sagte ich. „Hab ihn auch schon bemerkt. Ich fahr bei der nächsten Gelegenheit rechts ran, mal sehen, was passiert.“ Als eine Haltebucht auftauchte, fuhr Jelena an die Seite und hielt an. Der Fahrer des Toyota tat es gleich. Wir luden unsere Waffen und entsicherten sie.

Als wir ausstiegen, sahen wir in das Gesicht einer Frau. Und wen wir vor uns hatten erkannte ich sofort. KIARA LORD! Neben ihr stand ihr Bodyguard David Rice. „Es ist immer gut, ein vertrautes Gesicht zu sehen.“, sagte Kiara Lord. „Wir sind ebenfalls erfreut, Sie zu sehen.“ „Ich nehme an, Sie haben einen Fall.“ „Genau so ist es. Es gibt einen Immobilienbetrüger, der hier sein Unwesen treibt. Sein Name ist Milko Kuszmanovic.“ „Ich bin nach KRK gereist, um für mich ein Ferienhaus zu erwerben.“ „Ich würde Ihnen raten, sich einen Makler zu suchen. Ich würde Dubravka Firic empfehlen.“, sagte ich. „Danke für Ihre Empfehlung, Mr. MacLain.“ „Wir müssen weiter. Jetzt wo alles geklärt ist, können wir unseren Weg fortsetzen.“ „Einen Moment. Würden Sie meiner Partnerin und mir die Ehre erweisen, und heute Abend bei uns zu Gast sein?“ „Gerne. Wo wohnen Sie?“ „In Malinska.“

Um 14:00 Uhr kamen wir in Baska an. Kiara Lord und David Rice waren hinter uns her gefahren. Wir hatten an verschiedenen Häusern gehalten. Und was in dem Artikel in der Rundschau gestanden hatte, bewahrheitete sich nun. In der Regel befanden sich die zum Verkauf stehenden Objekte im Rohbau. Und bei den meisten konnte ich das Firmenschild von Milko Kuszmanovic entdecken. Es waren ein blaues M und ein rotes K, eingerahmt von einem Lorbeerkranz. Ich zog mein Smartphone und machte ein Foto des Schildes. Doch dann war es Zeit für den Rückweg. Ich schrieb unsere Adresse in Malinska auf einen Zettel, und reichte ihn 232

Kiara. „Wann soll ich heute Abend da sein?“ „Wäre 19:00 Uhr genehm?“, fragte ich. „Einverstanden.“

Um 19:00 Uhr kam Kiara Lord bei uns an. Ich öffnete das große Tor und unser Gast stellte den Celica neben unserem Impreza ab. „Wie gedenken Sie vorzugehen?“, fragte Kiara, als wir zu dritt auf dem Balkon saßen. „Wir haben noch nicht genug Informationen, um einen Plan auszuarbeiten. Erst, wenn wir seine Verkaufsstrategie kennen, sind wir in der Lage, gegen Milko Kuszmanovic vorzugehen.“ „Die wird er Ihnen sicher nicht verraten.“ „Das heißt, wir brauchen einen Maulwurf in seiner Firma.“ „Einen Maulwurf?“ „So wird in Ermittlerkreisen ein Undercover-Mitarbeiter bezeichnet.“ „Ach so. Aber wäre es nicht geschickter, einen der Angestellten zu kaufen, als den Versuch zu unternehmen, einen einzuschleusen?“ „Warum fragen Sie, Miss Lord?“, wollte Jelena wissen. „Weil ich es sinnvoller finde, einen bereits angestellten Mitarbeiter zu kaufen, als einen einzuschleusen. Denn der „Neue“ wird noch nicht die genauen Abläufe kennen. Er muss das erst lernen. Ich weiß wovon ich rede. Denn ich bin sehr oft bei meinem Vater in der Firma und führe die Bewerbungsgespräche. Und ich sehe sehr schnell, wer bereits Ahnung von der Materie hat, und wer noch grün hinter den Locken ist.“

Es war spät geworden, als Kiara sich verabschiedete. Doch am nächsten Morgen erlebten wir eine Überraschung. Eine weiße Stretchlimousine auf Basis des Lincoln Town Car hielt vor unserem Haus. Auf dem verstärkten Mittelteil konnte ich das Firmenlogo von Milko Kuszmanovic erkennen. Der Mann, der ausstieg, war 1,75 m groß und hatte eine athletische Figur. Sein ovales Gesicht mit den grünen Augen fiel vor allem durch den Schnurr – und den Kinnbart auf. Die schwarzen Haare waren mit Gel zurückgekämmt. Bekleidet war Milko Kuszmanovic mit einem weißen Anzug, einem weißen Hemd mit roter Krawatte schwarzen Socken und weißen Herrenschuhen. Auf dem Kopf trug er einen Strohhut.

„Dobar Dan.“, sagte der Mann. „Dobar Dan. Ich nehme an, es ist etwas wichtiges, wenn Sie persönlich herbemühen, Mr. Kuszmanovic.“ „Sie scheinen da wohl was falsch verstanden zu haben. Ich komme in friedlicher Absicht, Mr. MacLain.“ „Ach, und das soll ich Ihnen glauben?“ „Sie können es auch lassen. Aber wenn Sie beide schlau sind, dann nehmen Sie einen guten Rat von mir an, und halten sich von Dubravka Firic fern.“ „Würden Sie uns freundlicherweise sagen, warum wir nicht mit ihr verkehren sollten?“ „Dubravka Firic ist das, was man bei Ihnen in Deutschland wohl einen falschen Fuffziger nennt. Sie zieht ahnungslose Käufer gnadenlos über den Tisch.“ „Und wie macht sie das?“ „Woher soll ich das wissen? Nehmen Sie sich vor Dubravka Firic in Acht.“ „Ich glaube Ihnen kein Wort, Mr. Kuszmanovic. Für mich sind Sie ein hinterhältiger, krimineller Schleimbeutel.“, sagte ich. „Dann eben nicht.“

Kaum war „The Shark“ wieder abgezischt, da kam Dubravka Firic. „Ich hab grad Milko Kuszmanovic abfahren sehen. Was wollte er denn?“ „Er wollte uns vor Ihnen warnen. Hat behauptet, Sie würden die Leute über den Tisch ziehen.“ „Das ist typisch für Milko Kuszmanovic. Er bringt jeden Konkurrenten in Verruf, sodass die Leute lieber mit ihm Geschäfte machen.“ 233

„Was hat Mr. Kuszmanovic davon, dass er Sie so verleumdet?“, fragte Jelena. „Ist das nicht offensichtlich? Wenn er den hiesigen Immobilienmarkt kontrolliert, dann kann Milko Kuszmanovic seine Betrügereien, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen, abziehen.“ „Das werden wir verhindern.“, sagte ich. „Da.“

Später am Tag fuhr ein weißer Mercedes E320 CDI vor unserem Haus vor. Auf den vorderen Türen trug er Milko Kuszmanovics Firmenzeichen. Jelena und ich rechneten damit, dass uns „The Shark“ erneut mit seiner Anwesenheit beehren wollte. Doch zu unser beider Überraschung stieg eine Frau aus dem Wagen. Sie war 1,72 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper mit üppigen Brüsten. Normalerweise haben die Frauen im Süden dunkle Haare, doch diese Dame war eine Blondine mit schulterlangen Haaren. Das ovale Gesicht mit den blauen Augen, der leicht zu breiten Nase und den und den kurzen, aber dennoch sinnlichen Lippen war ebenfalls hübsch anzusehen. Bekleidet war die unbekannte blonde Schönheit mit einem schwarzen Minikleid und schwarzen High Heels. Um den Hals trug sie eine silberne Kette mit einem rund geschliffenen Bernstein als Anhänger.

„Dobar Dan.“, sagte sie freundlich. „Ihnen auch einen guten Tag. Was können wir für Sie tun?“ „Zuerst sollte ich mich wohl besser vorstellen. Mein Name ist Jovanka Tardic. Ich bin die persönliche Assistentin von Mr. Kuszmanovic.“ „Wie können wir Ihnen behilflich sein?“ „Ich habe ein paar Informationen, die für Sie interessant sein könnten.“ Bei Jelena schrillten sämtliche Alarmglocken. „Ihnen ist schon klar, welches Risiko Sie eingehen, wenn Sie ihrem Chef in den Rücken fallen.“ „Ich bin mir dessen sehr wohl bewusst. Aber ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, das unbescholtene Bürger von so einem geldgierigen Schmierlappen, wie Milko Kuszmanovic über den Tisch gezogen werden.“

Bis spät in die Nacht sprachen Jelena und ich mit Milko Kuszmanovics Assistentin. Und was sie uns zu erzählen hatte, ließ uns beide mit den Ohren schlackern. Milko Kuszmanovic kaufte die Grundstücke zu besonders niedrigen Preisen und fing mit dem Bau der Häuser an. Danach verkaufte er sie an rechtschaffene Bürger, die das nötige Kleingeld besaßen. Doch das wirklich übler kam erst noch. „The Shark“ baute ohne Genehmigung und schlampte auch noch beim Bau. Denn nach den Schilderungen von Jovanka Tardic hatten die Käufer am Ende noch juristischen Ärger am Hals und mussten noch eine saftige Geldstrafe an den kroatischen Staat zahlen.

Doch damit nicht genug. „Ich weiß, warum mein Chef nicht will, dass Dubravka Firic erfolgreich als Immobilienmaklerin durchstartet.“, sagte sie. „Dann lassen Sie uns an ihrem Wissen teilhaben.“ „Dubravka hat mal für ihn gearbeitet. Sie galt damals als sein bestes Pferd im Stall. Doch dann hat sie sich mit ihm überworfen, weil sie nicht gewillt war, seine schmutzigen Arbeitsmethoden noch länger mitzutragen. Danach hat sie gekündigt und sich selbständig gemacht. Dubravka Firic ist für Milko Kuszmanovic eine ernsthafte Gefahr. Und er weiß das. Deshalb wird er alles tun, um sie in den Ruin zu treiben.“ „Wenn er sich da mal nicht verrechnet hat. Milko Kuszmanovic mag zwar skrupellos sein, aber wir stehen ihm da in 234

nichts nach.“, sagte ich.

Am 22.07.2019, es war ein Montag, kaufte Jelena an einem Kiosk eine Zeitung. Auf der Titelseite war ein Bild von Jovanka Tardic zu sehen. Doch die Überschrift gab weniger Anlass zur Freude. „Milko Kuszmanovic richtet seine Assistentin hin.“, lautete der Titel. Der Artikel dazu las sich wie der reinste Schauerroman. Am liebsten hätte ich dem Schmierfink von Journalisten, der diesen Artikel verfasst hatte, seine Visage eingebeult, hatte er doch kein Detail ausgelassen.

„Du schaust so ärgerlich drein, Towarischtsch. Stimmt was nicht?“, fragte Jelena. „Hab auch allen Grund dazu. Milko Kuszmanovic schreckt sogar vor Mord nicht zurück. Noch nicht einmal dann, wenn es seine eigene Assistentin ist.“ „Dafür gibt es bestimmt eine Erklärung. Sicher hat er befürchtet, dass er exhumiert wird.“ „Würdest du dafür einen Mord begehen?“ „Ich nicht. Wohl aber unser Haifisch. Wie hat er sie getötet?“ „Er hat Jovanka mit der kolumbianischen Krawatte hingerichtet.“ Angewidert verzog meine Partnerin das Gesicht. „Erspar mir Einzelheiten, Paul.“

Später am Tag kam Milko Kuszmanovic bei uns vorbei. Und offenbar war sein Besuch nicht freundlicher Art. Sein Gesichtsausdruck war nämlich alles andere als freundlich. „Ich habe mich über Sie erkundigt. Sie beide sind Privatermittler. Und ich habe herausgefunden, dass Sie für Jelena Jensen arbeiten.“ „Mordsmäßig, was Sie alles wissen.“ „Sicherlich haben Sie den Artikel über die Hinrichtung an meiner Assistentin in der Zeitung gelesen. So gehe ich mit jedem um, der seine Nase zu tief in meine Angelegenheiten steckt, oder mich verrät. Merken Sie sich das gut: Wagen Sie es nicht, mir in die Quere zu kommen. Sonst sind Sie die nächsten.“ „Willst du meine Antwort auf deine Drohungen kennenlernen, Bürschchen?“, fragte ich und rammte dem Hai meine Faust ins Gesicht.

Den ganzen Rest der Woche passierte nichts. Am 28.07.2019 kam Jelena Jensen, unsere Klientin bei uns vorbei. „Wie kommen Sie mit ihren Ermittlungen voran?“, fragte sie ohne Umschweife, als wir auf der Terrasse saßen. „Es geht bald los. Wir haben genügend Informationen zusammen, um diesen miesen Drecksack hochgehen zu lassen.“ „Na so was hör ich gern. Was genau haben Sie geplant?“ „Wir werden ihn stellen. Kiara Lord soll als Lockvogel fungieren.“ „Na hoffentlich geht das nicht schief.“ „Machen Sie sich da keine Gedanken. Wir wissen, was wir tun.“, sagte Jelena. „Und wo wollen Sie zuschlagen?“ „In Baska. Denn dort ist Milko Kuszmanovic derzeit verstärkt aktiv.“ „Dann viel Glück. Wenn Sie beide wieder zu Hause in Frankfurt sind, würde ich Sie gerne noch mal besuchen.“ „Jelena?“ „Immer wieder gerne.“

Am Freitag, den 02.08.2019 zogen wir unsere Aktion durch. Albert Lord hatte extra ein bisschen Geld springen lassen. Um 9:45 Uhr wollte sich „The Shark“ mit Kiara treffen. Kiara parkte den Celica am Straßenrand eines fertig gestellten Ferienhauses, während wir den Impreza in einer Seitenstraße geparkt hatten. Wir hatten die Tochter von Albert Lord mit einem versteckten Mikrofon ausgestattet, damit wir das Gespräch mit Milko Kuszmanovic mithören konnten. Pünktlich um viertel 235

vor zehn rollte der weiße Lincoln heran. Milko Kuszmanovic stieg aus und begrüßte Kiara Lord ganz gentlemanlike mit einem Handkuss.

„Sie sind ja super pünktlich, Miss Lord. Das gefällt mir. Zugegeben, das Haus, an dem wir stehen, und das Sie gerne erwerben möchten, ist ein begehrtes Objekt. Aber hätten Sie nicht lieber etwas, dass Sie gerne selbst fertig stellen möchten?“ „Wozu sich noch zusätzliche Arbeit aufhalsen, wenn schon ein fertig gebautes Haus haben kann?“, konterte Kiara mit einer Gegenfrage. „Ich sehe schon, Sie sind eine harte Nuss. Und zweifelsohne haben Sie mit Ihrer Aussage durchaus recht, dass ein fertig gebautes Haus vielleicht eher in Erwägung zu ziehen wäre. Ich möchte allerdings zu bedenken geben, dass es nicht eingerichtet ist.“ „Na umso besser.“ „Miss Lord, ich bin der festen Überzeugung, dass ein Rohbau besser zu Ihnen passt, da Sie schon dort ihren eignen Stil einfließen lassen können.“ „Hören Sie, Mr. Kuszmanovic. Ich kaufe nicht die Katze im Sack. Liegen für die ganzen Rohbauten, die Sie anbieten, überhaupt die entsprechenden Genehmigungen vor?“ „Genehmigungen? Wer braucht denn noch eine Genehmigung? Ich bitte Sie! Ich habe noch nie eine Baugenehmigung eingeholt. Spart übrigens Zeit und Geld.“ „Ich mache keine Geschäfte mit Kriminellen, wie Ihnen, Mr. Kuszmanovic. Vergessen Sie den Deal. Lieber gehe ich zu Ihrer ehemaligen Mitarbeiterin Miss Firic, die ist wesentlich vertrauensvoller als Sie.“

„Ich glaub ja wohl, es geht los! Sie machen keine Geschäfte mit dieser Verräterin. Sie wird genau so sterben, wie Miss Tardic. Und Sie übrigens auch.“ Dieser Wutausbruch des Kroaten war für uns das Signal einzugreifen. Mit etwas überhöhter Geschwindigkeit schossen wir mit unserem Impreza aus der Seitenstraße und kamen mit quietschenden Reifen zum Stehen. Zum Glück hatten wir unsere Waffen schon durchgeladen. Wir entsicherten sie und sprangen aus dem Auto. Jelena feuerte einen Schuss auf Milko Kuszmanovic ab, der in eine Seitenscheibe des Lincoln einschlug.

„Und jetzt die Hände hoch!“, sagte ich. Doch „The Shark“ dachte nicht im Traum daran, sich zu ergeben. Er griff in die Innentasche seines Anzugs und holte eine Remington 1911 R1 heraus. Kiara duckte sich weg und zog dem Immobilienhai mit einem Fußfeger die Beine weg. Ein Schuss löste sich aus der Remington und schlug in eine Mauer. Milko Kuszmanovic kam wieder auf die Beine und wollte nach seiner Pistole greifen, doch Kiara kam ihm zuvor. Sie packte die Pistole und wollte sie auf den Kroaten richten, als dieser unserem Lockvogel einen kräftigen Schlag in den Unterleib verpasste.

So konnte das nicht weitergehen. Ich muss im Nachhinein zugeben, dass Kiara den Hai so beschäftigte, dass er für uns kein Interesse hatte. Kiara hatte unterdessen Milko Kuszmanovic mit einem Stechgriff in seine Familienplanung aus dem Konzept gebracht und hatte nun wieder die Remington in der Hand. Doch der Kroate holte ein Wurfmesser aus einem Ärmel der Anzugjacke. Starr vor Schreck ließ Kiara Lord die Pistole fallen. Doch zum Glück war ich nah an ihr dran und konnte sie auf den Boden werfen, und der Wurf verfehlte sein Ziel. 236

„Kiara, du taube Nuss. Das nächste Mal behältst du deine Birne aus der Schusslinie.“, sagte ich und schob Kiara Lord beiseite.

Dann richtete ich meine Walther auf den Kroaten. „So, Arschloch. Das Spiel ist vorbei.“ „Oh nein. Der Krieg ist nicht vorbei, bloß weil man eine Schlacht verliert. Bringen wir es zu ende, scheiß Tommy.“ Meine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Mit einem harten Schlag ans Kinn schickte ich Milko Kuszmanovic ins Reich der Träume.

Die Polizei in Baska nahm ihn fest, und „The Shark“ wanderte in Untersuchungshaft. Die kroatischen Behörden durchsuchten sogar die Firmenzentrale in Rijeka und beschlagnahmten tonnenweise Dokumente. Danach begann man mit der Sichtung und Auswertung der beschlagnahmten Aufzeichnungen.

Am Montag, den 05.08.2019, wurde Milko Kuszmanovic dann der Prozess gemacht. Auch einige der Geschädigten kamen zu Wort. Unter anderem auch Oprah Winfrey und unsere Klientin. Jelena Jensen hatte gerade auf dem Platz für die Zeugen Platz genommen, als der Verteidiger aufstand und sagte: „Einspruch! Diese Zeugin wurde von meinem Mandanten zu keiner Zeit geschädigt. Deshalb ist ihr die Erlaubnis auszusagen zu verweigern.“ „Einspruch abgelehnt. Das Gericht lässt die Vernehmung der Zeugin zu.“

Der Staatsanwalt begann sein Verhör. „Miss Jensen. Sie sind amerikanische Staatsbürgerin. Sie sind mit dem Angeklagten weder verwandt noch verschwägert?“ „Ja, das stimmt.“ „Würden Sie uns bitte schildern, wie Sie vom Angeklagten kontaktiert wurden?“, fragte der Staatsanwalt. Sofort schaltete sich der Verteidiger des Hais ein. „Einspruch! Diese Frage ist irrelevant.“ „Einspruch abgelehnt. Bitte Miss Jensen, beantworten Sie die Frage.“ „Ich bekam eine E-Mail, in der man mir anbot, in ein Ferienhaus in Baska zu investieren. Es waren auch Fotos angehängt. Es gab auch einen Kaufvertrag, der als ZIP-Datei angehängt war. Da ich kein Interesse hatte, habe ich die Mail ignoriert und in den Spam-Ordner verschoben.“ „Was geschah dann?“ „Zwei Wochen später kam eine weitere Nachricht. Und diese enthielt nur noch den Kaufvertrag. Auch diese Mail habe ich auf Spam gesetzt. Zwei Tage später kam eine dritte. Dann eine vierte, eine fünfte und so weiter.“ „Wie haben Sie da reagiert?“ „Ich habe Paul MacLain und Jelena Romanova angeheuert, damit sie den Angeklagten aus dem Verkehr ziehen.“

Als der Staatsanwalt sein Verhör beendet hatte stellte der Verteidiger seine Fragen. „Miss Jensen. Wie ich herausgefunden habe, sind sie Schauspielerin. Trifft es sogar zu, dass Sie überwiegend Filme für Liebhaber des horizontalen Gewerbes machen?“ Der Richter schlug mit seinem Hammer auf das Richterpult. „Es reicht. Das Gericht lässt die Frage streichen, da sie darauf abzielt, die Zeugin unglaubwürdig zu machen.“ Der Gesichtsausdruck des Verteidigers sprach Bände. So hatte er sich das Ganze sicher nicht vorgestellt. „Sie sagten vorhin aus, dass Sie die beiden Privatermittler aus Frankfurt am Main, besagten Paul MacLain und besagte Jelena Romanova, angeheuert haben. Wie viel haben Sie den beiden geboten?“ 237

„55.000 Euro pro Person.“ „Eine beachtliche Summe. Haben Sie den beiden sonst noch etwas angeboten?“ „Nein.“ „Wirklich nicht?“ „Nein.“ „Und was ist mit der Sex-Einlage mit Mr. MacLain in dessen Büro?“ „Einspruch! Die Staatsanwaltschaft beantragt die Streichung der Frage, weil diese die Privatsphäre der Zeugin verletzt.“ „Einspruch statt gegeben.“

Am Ende der Verhandlung wurde Milko Kuszmanovic zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und einer hohen Schadenersatzzahlung verdonnert. Und diese Schadenersatzzahlung war es, die ihm schließlich finanziell das Genick brach. Noch auf dem Weg ins Gefängnis nahm sich „The Shark“ selbst das Leben. Er biss auf eine Zyankali-Kapsel, die er im anderen Jackenärmel versteckt hatte.

Unser Auftrag in Kroatien war beendet. Wir gaben Dubravka Firic die Schlüssel zurück und verabschiedeten uns. Wir fuhren zurück nach Rijeka und gaben unseren Subaru bei Europcar zurück. Am Schalter von Croatia Airlines gaben wir unsere Koffer auf und gingen dann zur Sicherheitsschleuse. Um 10:10 startete unser Flieger in Richtung München, wo wir um 11:25 Uhr landeten. Um 12:45 Uhr startete dann unser Flieger nach Frankfurt am Main, wo wir nach einer Flugzeit von 50 Minuten um 13:35 Uhr auf dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt landeten.

Am Ausgang erwartete uns meine Verlobte Kelly Ling. „Willkommen zu Hause Ihr zwei hübschen.“, sagte sie und umarmte uns. „Es tut gut, wieder zu Hause zu sein.“ „Was meinst du, Babe?“ „Die letzten Wochen waren echt nerven aufreibend.“ „Findest du nicht, dass du etwas übertreibst, Paul? Ich fand es eigentlich ganz relaxt.“ „Zugegeben, der Showdown war das stressigste Teil des ganzen Falles.“ „Jetzt erst mal ab nach Hause und ab mit dir unter die Dusche Paul.“

Später am Abend saßen wir in meinem Apartment auf dem Balkon und aßen zu Abend. Kelly hatte sich in die Küche gestellt und gebratene Nudeln mit Hähnchenfleisch nach einem alten Familienrezept zubereitet. Dazu hatte sie italienischen Rotwein gereicht. „Trinkt man zu gebratenen Nudeln, nicht normalerweise Sake, den japanischen Reiswein?“, fragte Samantha. „Normalerweise ja. Aber Sake schlägt ganz schön durch.“ „Wenn man es übertreibt.“, sagte Anastasia. „Und das ist noch harmlos ausgedrückt. Du musst wirklich bekloppt in der Birne sein, um dir mit Sake die Kante zu geben.“

Es klingelte an der Tür. Meine Partnerin öffnete und stand ihrer Namensschwester Jelena Jensen Angesicht zu Angesicht gegenüber. Nachdem Jelena und ich unsere ehemalige Klientin mit meiner Schwester, Camille und Anastasia bekannt gemacht hatten, bot Kelly Jelena Jensen etwas zu Essen an. „Das ist sehr nett.“ Und beim Abendessen bewies Jelenas Namensschwester, dass sie durchaus in der Lage war mit Stäbchen zu essen.

Camille räusperte sich. „Sag mal, Tante Jelena, sind deine Hupen echt, oder wurde da nach geholfen?“ „Camille! Untersteh dich!“, sagte Samantha. „Ist schon Okay. Und um deine Frage zu beantworten, bei mir ist alles echt. Silikon macht mehr kaputt, als dass es was bringt.“ 238

„Wisst Ihr eigentlich schon das neueste?“, fragte Anastasia in die Runde. „Sach an.“ „Milko Kuszmanovic hat auf dem Weg ins Gefängnis das Leben genommen. Er hat eine Zyankali-Kapsel zerbissen.“ „Feige Socke.“, sagte Camille. Samantha wollte etwas erwidern, doch meine Partnerin Jelena Romanova ließ sie nicht zu Wort kommen. „Ich weiß, wie sehr dir Camilles Ausdrucksweise missfällt. Und ich billige Sie ja auch nicht. Aber wir können beide nicht wegdiskutieren, dass Camille Recht hat. Der Selbstmord vom „Shark“ war ein Akt der Feigheit.“ „Sehr diplomatisch ausgedrückt, meine Liebe.“, sagte Anastasia.

„Ich verstehe eines nicht. Wie kann ein Mann nur so geldgierig sein?“ „Es gibt manchmal Leute, die können einfach nie genug haben. Und Milko Kuszmanovic war so ein Vertreter dieser Spezies.“ „Aber deswegen hat er nicht das Recht, die Leute über den Tisch zu ziehen.“ „Leute wie Kuszmanovic scheren sich einen Dreck um Gesetze. Die rennen mit dem Dollarzeichen durch die Gegend. Auch wenn es illegal ist, Hauptsache es kommt Geld in die Kasse.“ „Es gibt genug Gauner, die mit gutem Beispiel voran gehen. Siehe Papa.“, sagte Camille. „Camille ist meine Adoptivtochter. Ihre Eltern wurden zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Und das Gericht wollte, dass Camille in einem gesicherten sozialen Umfeld aufwächst.“ „Und bis jetzt machst du als Ersatzmama einen verdammt guten Job.“, sagte Kelly. 239

20. Fall - Vergewaltigung in Budapest

20. Fall – Vergewaltigung in Budapest

Es war Hochsommer in Frankfurt am Main. Kein Wunder, schrieben wir doch Montag, den 12.08.2019. Die Sommerferien waren am vergangenen Wochenende zu Ende gegangen. Und für Camille, Samanthas Adoptivtochter, bedeutete das, dass sie wieder die Schulbank drücken musste. Jelena Jensen war noch bis zu diesem Montag geblieben und hatte die Kleine zur Schule gebracht. Danach war sie mit dem Taxi zum Flughafen gefahren und von dort nach Hause in die Vereinigten Staaten von Amerika geflogen. Für mich und meine Partnerin Jelena Romanova war es ein ganz normaler Arbeitstag. Auf die allmorgendliche Joggingrunde im Park hatten wir wegen der hohen Temperaturen allerdings verzichtet. Auch im Büro war es leider nicht besser. Denn obwohl wir die Jalousien herunter gelassen und sämtliche Ventilatoren angestellt hatten, waren es immer noch 32 Grad im Raum. Kein Wunder, dass sich Jelena und Brit bis auf ihren Slip ausgezogen hatten. „Ich würde sagen, wir machen bald Schluss für heute. Diese Hitze ist ja nicht zum Aushalten.“, schlug ich vor. „Du sprichst aus, was ich denke, Paul. Aber wisst Ihr was? Wenn wir Feierabend gemacht haben, gehen wir erst mal ein Eis essen. Was haltet Ihr davon?“ „Keine schlechte Idee.“

Doch gerade als wir die Laptops herunterfahren wollten, klingelte es an unserer Bürotür. Brit öffnete. Die Frau die eintrat, war eine attraktive schwarzhaarige mit braunen Augen. Ihre Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. Auch das ovale Gesicht mit den kurzen aber dennoch sinnlichen Lippen und der grazilen Nase war ebenfalls ein Hingucker. Auch der sexy Körper war nicht zu verachten. Bekleidet war unsere Besucherin mit einem weinroten Samtkleid und schwarzen High Heels. Um den Hals trug sie eine Kette aus schwarzen Perlen. Unsere Besucherin war 21 Jahre jung und 1,58 m groß.

„Puh! Ist das heiß. Haben Sie was dagegen, wenn ich zumindest mein Kleid ausziehe?“ „Tun Sie sich keinen Zwang an. Sie sehen ja, dass meine Partnerin und unsere Sekretärin auch nur noch einen Slip tragen.“ Unsere Besucherin schob das Kleid nach unten und streifte es dann von ihren Beinen. Zwei kleine, aber handliche Brüste kamen zum Vorschein. Außer einem schwarzen Slip trug unsere unbekannte Besucherin nichts mehr. „Bitte setzen Sie sich doch.“, sagte Jelena freundlich. „Nagyon köszönöm.“ Unsere Besucherin setzte sich und schlug ihre sexy Beine übereinander. „Wie können wir Ihnen helfen?“, fragte ich. „Zuerst sollte ich mich wohl besser vorstellen. Mein Name ist Krisztina Kiraly.“ „Und woher kommen Sie?“ „Ich bin Ungarin und komme aus Budapest.“

„Können Sie uns nähere Informationen über den Grund ihres Besuches geben?“ „In Budapest treibt ein Vergewaltiger sein Unwesen.“ „Und wir sollen verhindern, dass er Sie auch noch vergewaltigt.“ „Das erhoffe ich mir.“ „Was können Sie uns noch berichten?“, fragte Jelena. „Er lauert seinen Opfern meistens in einer dunklen Seitenstraße auf. Sein bevorzugtes Versteck ist ein dunkler Hauseingang.“ „Aus dem er auftaucht, wenn sein Opfer am wenigsten damit rechnet.“, schlussfolgerte ich. „Genau so ist es.“ „Was können Sie uns sonst noch berichten?“ 240

„Ich bin dem Kerl schon mal begegnet.“ „Wann war das?“ „Vor zwei Monaten. Ich kam gerade von der Arbeit, als ich gesehen habe, wie ein Mann in einer Seitenstraße verschwunden ist. Er schien es sehr eilig gehabt zu haben.“ „Vielleicht war er spät dran.“, vermutete Jelena. Krisztina seufzte. „Schön wärs.“ „Wie darf ich das verstehen?“, fragte ich. „Ganz einfach. Als ich auf Höhe der Straße war, habe ich die Schmerzensschreie einer Frau gehört und wie sie ihren Vergewaltiger immer wieder angefleht hat, er möge sie gehen lassen.“ „Konnten Sie hören, was er sagte?“ „Ich habe mir den genauen Wortlaut nicht gemerkt. Aber er sagte so was wie „Ich lass dich erst gehen, wenn ich meinen Spaß hatte.“ Zwei Tage später hat man die Leiche des Mädchens gefunden. Sie hat sich vor einen Zug geworfen.“ „Können Sie den Täter beschreiben?“ „Leider nein.“

„Sie sagten, dass Sie auf dem Weg von der Arbeit nach Hause waren. Was genau machen Sie beruflich?“, wollte Jelena wissen. „Ich arbeite als Kellnerin in einem Restaurant in Budapest. Ich verdiene mir etwas Geld nebenbei um mein Studium zu finanzieren.“ „Was studieren Sie, wenn man mal fragen darf?“ „Ich studiere Jura. Ich will später mal Rechtsanwältin werden.“ „Dann sollten Sie nach Abschluss Ihres Studiums eine Kanzlei mit gutem Leumund suchen. Um erste Berufserfahrungen zu sammeln.“ „Könnten Sie mir eine Kanzlei empfehlen?“ „Das kann ich in der Tat. Bewerben Sie sich einfach bei der Kanzlei MacLain. Sie gehört meiner jüngeren Schwester Samantha.“ „Danke für Ihren Tipp, Mr. MacLain.“ „Gern geschehen. Was nun noch zu klären wäre, ist die Höhe unseres Honorars. Und angesichts der Umstände sind wir bereit Ihnen sehr weit entgegen zu kommen. Wären Sie mit 3.000 Euro einverstanden?“ „Das ist schon ein fairer Preis. Aber vor kurzem habe ich einen kleinen unerwarteten Geldsegen bekommen. Ich wäre in der Lage, insgesamt 8.000 Euro zu bezahlen.“ „Damit können wir leben. Wir übernehmen den Job.“

Am Samstag, den 17.08.2019, fuhren Jelena und ich zum Flughafen. Kurioserweise hatte das russische Generalkonsulat darauf bestanden, Anastasia Dimitrova mitzuschicken. So kam es, dass wir zu dritt nach Budapest flogen. Wir gaben unsere Koffer am Schalter von Wizz Air , einem ungarischen Billigflieger auf, der für den Flug Frankfurt – Budapest angegeben war. Danach gingen wir weiter zur Sicherheitsschleuse, die wir ohne Probleme passierten.

Während Jelena und Anastasia nach freien Plätzen suchten, sah ich mir den Abflugplan an. Unser Flug war an Gate C26 zum Boarding vorgesehen, und sollte um 13:35 Uhr starten. Schließlich wurde unser Flug aufgerufen. „Achtung! Alle Passagiere von Flug WIZZ AIR 6512 nach Budapest werden gebeten, sich unverzüglich an Bord der Maschine zu begeben.“

Um 13:35 Uhr startete unser Flieger in Richtung Budapest, um nach einer Flugzeit von einer Stunde und 30 Minuten, um 15:05 auf dem Liszt Ferenc Flughafen in Budapest zu landen. Nachdem wir unsere Koffer geholt hatten, suchten wir nach einer Autovermietung. Bei Budget mieteten wir einen Ford Mondeo Turnier Sondermodell „Vignale“, der in Ruby Rot metallic lackiert war. Angetrieben wurde der Ford von einem 2,0-Liter-TDCI Motor mit 241

Start-Stopp-System der 150 PS leistete.

Außerdem verfügte der Wagen über das 6-Gang-Schaltgetriebe. Auch ein paar Extras waren an Bord, wie etwa die exklusive beige Lederausstattung. Ferner hatte Budget den Mondeo den Niveauausgleich hinten, die elektrisch einstellbare Lenksäule mit Memory-Funktion, sowie die Sonnenschutzrollos in den hinteren Seitentüren spendiert. Als Frontscheibe hatte Budget das Modell Solar Reflect einbauen lassen und den Ford mit der elektrisch zu öffnenden Heckklappe ausgerüstet. Außerdem waren als weitere Extras die Scheinwerfer-Reinigungsanlage, das Winterpaket, das nur für das Modell „Vignale“ erhältlich war, die Diebstahl-Alarmanlage mit Doppelverriegelung und die Ledersitze mit Massagefunktion im Mondeo verbaut worden. Zusätzlich waren noch die Geschwindigkeitsregelanlage ACC, die Gurtairbags für die äußeren Sitzplätze in der 2. Reihe und das Sicherheitstrenngitter für den Gepäckraum ab der 2. Sitzreihe im Ford eingebaut worden.

Vom Flughafen aus fuhren wir 23 Minuten zu unserem Hotel. Wir hatten uns für das Six Inn Budapest Hotel entschieden. Das Six Inn war ein fünfstöckiger Altbau mit einer Außenfassade aus beigem Sandstein. Die Fenster im Erdgeschoss und im ersten Stock waren großflächig, während die Fenster in den Stockwerken darüber etwas kleiner waren. Das Dach des Hauses war ein Giebeldach.

Als wir die Lobby des Hotels betraten sah die Dame an der Rezeption kurz von ihrem PC auf. Und als sie uns sah, strahlte sie vor Freude. „Na sieh mal einer an. Paul MacLain und Jelena Romanova. Was verschlägt euch denn nach Ungarn?“, fragte sie. „Arbeit. Wir sollen einen Vergewaltiger dingfest machen.“ „Ihr seid aber auch immer im Einsatz. Macht Ihr zwei Hübschen auch mal Urlaub?“, fragte Kattie. „Das Böse schläft niemals.“ Anastasia räusperte sich. „Ihr drei scheint euch ja gut zu kennen.“ „Wir haben auf Malta zusammen gearbeitet. Sie hat uns bei der Versenkung der „Whistler“ geholfen.“ „Jetzt mal back to Business. Was kann ich für euch tun?“ „Paul MacLain, Jelena Romanova und Anastasia Dimitrova. Wir haben reserviert.“ „Ich habs. Paul MacLain Zimmer 102. Jelena Romanova und Anastasia Dimitrova Zimmer 104.“

Nach dem Abendessen trafen Jelena und ich uns noch einmal mit Kattie. „Was hat dich eigentlich nach Budapest verschlagen?“, fragte ich. „Das Hotel auf Malta hat mir einen neuen Vertrag angeboten. Aber zu wesentlich schlechteren Konditionen. Ich hätte auch die Nachtschicht übernehmen müssen und hätte keine Zeit zum lernen gehabt. Da hab ich dann gesagt: „Tschüss Ihr Schwachmaten.“ „Das hast du aber nicht zum Hoteldirektor gesagt.“ „Um Gottes Willen nein! So dumm bin ich nun auch wieder nicht.“ „Gut. Aber jetzt sollten wir über das naheliegende reden. Laut unserer Klientin treibt ein Serienvergewaltiger sein Unwesen. Weißt du etwas?“, fragte Jelena. „Ich habe den Typen schon mal gesehen.“ Sofort wurde ich hellhörig. „Wie sieht er aus?“ „Ich mal euch ein Phantombild.“, sagte Kattie.

Sie nahm ein Blatt Papier und einen Kugelschreiber und fing an zu zeichnen. 242

Das Bild, das Kattie anfertigte, zeigte einen Mann, dessen Alter ich auf 65 Jahre schätzte. Sein rundes Gesicht war mit Pickeln nur so übersät. Außerdem war der vermeintliche Vergewaltiger ziemlich übergewichtig. Ich schätzte das Gewicht auf 120 Kg. Auffällig waren die weißen Haare, die an den Schläfen in Koteletten übergingen. Auch die dicke Knubbelnase und seine wulstigen Lippen taten ihr übriges, um den Mann unattraktiv wirken zu lassen. Auffällig waren auch die Augen, die von Kattie als stechend blau beschrieben wurden. Laut Katties Beschreibung trug der Mann eine Khakihose, schwere Armeestiefel und ein schwarzes viel zu knappes T-Shirt mit der Aufschrift „I rape every Slut“.

Am nächsten Morgen, Jelena, Anastasia und ich waren gerade mit dem Frühstück fertig, da kamen zwei Polizeibeamte in Uniform in unser Hotel. Kattie hatte gerade Dienst. Nur kurze Zeit später hielten uns die beiden Polizisten ihre Dienstausweise unter die Nase. Jelena und ich zückten die unseren, während Anastasia den beiden Beamten ihren Konsulatspass vor die Nase hielt. Und offenbar verfehlte der Ausweis seine Wirkung nicht. Denn die beiden Polizeibeamten waren auf einmal scheiß freundlich.

„Erlauben Sie, dass wir uns vorstellen. Ich bin Brigadier Radko Lukic. Das ist mein Kollege Brigadier Hristo Balakov. Unser Auftrag lautet, Sie und Miss Romanova zu überprüfen. Seien Sie bitte nicht böse, wir beide sind von der Echtheit Ihrer Identität überzeugt, aber unser Chef hat auf der Überprüfung bestanden.“ „Verstehe. Hier ist meine Visitenkarte. Unsere Sekretärin Brit Olson ist vor Ort. Sie können gerne anrufen und nachfragen.“, sagte ich und gab dem Polizisten eine meiner Visitenkarten. „Ihr Büro ist in Frankfurt am Main?“ „Das ist richtig.“ „Aus Ihrem Dienstausweis geht aber hervor, dass Sie Schotte sind. Wie kommt es, dass Sie Ihr Büro in Deutschland haben?“ „Ich wohne in Frankfurt. Und da war es naheliegend, auch mein Büro dort zu eröffnen. Meine jüngere Schwester Samantha hat ihre Kanzlei auch in Frankfurt am Main.“ „Samantha MacLain, die Rechtsanwältin ist Ihre Schwester?“ „Das ist richtig.“ „Unsere Polizei ist selbst hinter dem Vergewaltiger her. Aber wir kriegen ihn einfach nicht zu fassen.“ „Die Dame an der Rezeption ist eine alte Bekannte von uns. Wir haben uns auf Malta kennen gelernt. Sie hat den Täter gesehen und ein Phantombild erstellt.“

„Dürfen wir es sehen?“ Jelena reichte einem der beiden Polizeibeamten das Bild, das Kattie gezeichnet hatte. Die beiden sahen sich das Bild an, dann nickten sie. „Der Mann ist bei uns kein unbeschriebenes Blatt.“ „Kennen Sie den Burschen?“ „Na und ob. Das ist Viktor Pliskowski. Hat schon mehrere Haftstrafen absitzen müssen, wegen mehrerer Sexualdelikte. Kam aber jedes Mal wegen guter Führung vorzeitig wieder raus.“ „Und wurde rückfällig.“ „Genau das.“ „Was wissen Sie sonst noch über ihn?“ „Viktor Pliskowski. Alter 65 Jahre. Geboren am 12.12.1954 in Debrecen. Gilt als verhaltensgestört.“ „Inwiefern?“ „Nun ja, immer wenn er eine Frau vergewaltigt hat, verrichtet er sein Geschäft auf ihrem Körper. Und damit meinen wir das große.“ „Was für ein perverses Schwein. Wenn der mir über den Weg läuft, dann kastrier ich ihn.“, sagte Jelena. „Immer langsam mit den jungen Pferden. Erst mal müssen wir sein Versteck ausfindig machen. Und das dürfte nicht leicht sein.“ 243

„Und genau da liegt der Hase im Pfeffer. Viktor Pliskowski wechselt in regelmäßigen Abständen sein Versteck.“ „Wo hält sich Viktor Pliskowski zurzeit auf?“, fragte Jelena. „Er versteckt sich in einem ausgedienten Lagerschuppen.“

Später am Tag trafen Jelena, Anastasia und ich uns mit den beiden Polizisten. Radko Lukic und Hristo Balakov führten uns zu dem Schuppen. Ich zog meine Walther lud sie durch und entschicherte die Waffe. Jelena tat dasselbe mit ihrer Makarow. „Wozu die Bleispritzen?“ „Wenn er bewaffnet ist, möchte ich auf alles vorbereitet sein. Ich hab nämlich keinen Bock, mit einer Kugel zwischen den Augen abzutreten.“, sagte ich. Radko Lukic griff nach der Klinke, der schweren Holztür, während Jelena und ich mit unseren Waffen im Anschlag daneben Aufstellung nahmen, Der Ungar riss die Tür auf und meine Partnerin und ich betraten vorsichtig den Schuppen. Doch Viktor Pliskowski war nicht anwesend. Anhand von zurückgelassenen Gegenständen konnten wir aber erkennen, dass unser mutmaßlicher Täter vor kurzem noch hier gewesen war. „Sieht aus, als ob Viktor Pliskowski das Versteck gewechselt hat.“, sagte Radko Lukic. „Mit 100%iger Sicherheit. Er hat gewusst, dass ihm jemand auf den Fersen ist. Und er wusste auch, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sein aktuelles Versteck auffliegt.“

Später am Abend kehrten wir ins Hotel zurück. Kattie hatte Dienst an der Rezeption. „Und habt Ihr schon einen Plan?“, fragte sie. „Noch nicht. Er hat sein Versteck gewechselt.“ „Ich kenne eine Außendienstmitarbeiterin eines hiesigen Sicherheitsdienstes. Die kann ich mal ansprechen.“ „Hilfsbereit wie immer, Kattie.“ „Guten Freunden helfe ich gerne.“ „Was machen wir, wenn wir einen Lockvogel brauchen?“, fragte ich. „Ist das nicht ein bisschen früh?“ „Jelena hat Recht Paul.“, sagte Kattie. „Es gibt aber noch etwas anderes zu klären.“ „Und was, Anastasia?“ „Zu welcher Zeit unser Mann zuschlägt.“ „Viktor Pliskowski schlägt in der Regel nach Einbruch der Dunkelheit zu.“

Nach dem Abendessen machten Jelena und ich uns in Begleitung von Anastasia Dimitrova noch einmal auf den Weg. Wir hatten gerade die berühmte Kettenbrücke überquert und waren im Regierungsviertel unterwegs, als wir die lauten Hilferufe einer Frau hören konnten. Doch so, wie die Dinge standen, war ihr Peiniger nicht gewillt, von seinem Opfer abzulassen. „Lassen Sie mich in Ruhe! Bitte aufhören! Hilfe!“ „Wenn du nicht gleich die Schnauze hältst, schneid ich dir die Kehle durch, du Dreckstück!“

Rasch zog ich meine Walther, lud durch und entsicherte. „Lassen Sie das Mädchen los!“, befahl ich. Der Vergewaltiger drehte sich um. In seinen blauen Augen sah ich blanken Hass. „Such dir selbst eine Schlampe zum poppen!“, motzte der Mann, den ich als Viktor Pliskowski identifiziert hatte. „Ich bin nicht so eine perverse Mistsau wie du. Ich behandele meine Verlobte wenigstens mit Respekt. Und jetzt lass das Mädchen los. Und danach will ich deine Patschen über deinem Kopf erhoben sehen.“ „Ich geh nicht in deinen Knast, du Scheiß Bulle!“ „Ich bin Privatermittler.“ „Ob Bulle, oder Privatschnüffler. Ihr seid alle gleich!“ „Du lässt das Mädchen los.“ „Sonst was?“ „Oder ich pump dich mit Blei voll. Und noch etwas: Die Lady mit der 244

Makarow in der Hand hat einen labilen Abzugsfinger. Und um deiner Frage zuvorzukommen: Das ist meine Partnerin Jelena Romanova.“ „Und wer bist du, Arschloch?“ „Mein Name ist MacLain. Paul MacLain.“

Viktor Pliskowski bekam es mit der Angst zu tun. Er ließ von seinem Opfer ab und rannte in Richtung der Kettenbrücke davon. „Stehen bleiben, oder ich schieße!“, rief ihm Jelena hinterher. Doch der Täter dachte gar nicht daran, stehenzubleiben. Ein Schuss krachte, dem ein Schmerzensschrei folgte. „Erwischt. Jetzt brauchen wir nur noch seiner Blutspur zu folgen.“ „Den Kerl kauf ich mir.“, sagte ich. „Und was sollen wir tun?“ „Das Opfer braucht jemanden, der bei ihm ist und der ihm seelischen Halt gibt. Es ist besser, wenn du und Anastasia mit dem Mädchen zur Polizei geht. Ihr wart Zeugen. Und besonders deine Aussage dürfte durch deinen Konsulatsausweis am ehesten als glaubwürdig angesehen werden.“ Die Enttäuschung in Jelenas Gesicht sprach Bände. „Hab ich was falsches gesagt?“ „Mein Gefühl sagt mir, das du nicht allein gehen solltest, Paul.“ „Jelena hat Recht. Der Kerl ist gefährlich. Und jetzt, wo deine Partnerin ihn angeschossen hat, ist er bis zum äußersten entschlossen.“, sagte Anastasia. „Ganz abgesehen davon, kann ich ebenso gut als Zeugin auftreten.“ Jelena und ich fuhren herum. Vor uns stand Kattie.

Nach einer kurzen Begrüßung klärte uns Kattie auf. „Ich hab grad Feierabend gemacht. Und als ich die Brücke überquert hatte, habe ich die Schreie gehört. Ich bin gekommen, so schnell ich konnte. Viel hab ich nicht mitbekommen. Aber es reicht, um den Kerl zur Fahndung auszuschreiben.“ „Steht nicht rum, wie die Ölgötzen. Beeilt euch.“, mahnte Anastasia.

Jelena und ich folgten der Blutspur. Als wir um eine Häuserecke kamen, sahen wir mit Entsetzen, wie Viktor Pliskowski ein weiteres Mädchen vergewaltigte. „Jetzt reichts aber! Reicht es nicht, dass du notgeiler Gockel schon einem Mädchen das Leben zerstört hast?“, sagte ich barsch. „Du schon wieder! Du schottischer Drecksack hast mir die erste Tour versaut. Und deine Partnerin, diese russische Drecksschlampe, hat mir in den Oberschenkel geschossen. Die werde ich noch vögeln, bevor ich ihr die Kehle durchschneide.“ „Das einzige, was du tust, ist in den Bau zu wandern. Denn dort gehörst du hin. Und bete zu Gott, dass du das überlebst.“

Als Antwort warf Viktor Pliskowski sein Messer nach uns. „Das war sehr unklug von dir, du Wanne voller Fett.“, sagte ich. Der Täter ließ von seinem Opfer ab und wandte sich uns zu. „Wir machen später weiter, Schätzchen. Aber erst muss ich diese beiden lästigen Schmeißfliegen da loswerden.“, sagte Viktor Pliskowski zu seinem Opfer.

Durch die Schusswunde war er mir gegenüber im Nachteil. Denn als er mich an der Kehle Packen wollte, wich meinem Gegner aus und rammte ihm den Ellenbogen direkt in die Magengrube. Diesen Augenblick nutzte Jelena und packte ihn direkt an seiner Familienplanung. Viktor Pliskowski schrie vor Schmerz auf, und stürzte auf das Straßenpflaster. Meine Partnerin ließ es nicht bei diesem Stechgriff bewenden. Im Gegenteil, sie verpasste dem Vergewaltiger noch einen kräftigen Tritt 245

an die selbe Stelle. „Wir sehen uns noch mal wieder, Arschloch. Und dann mach ich aus dir Borschtsch!“, sagte Jelena kalt. Viktor Pliskowski zog sich zurück. Ich wollte ihm folgen, doch Jelena hielt mich zurück. „Lass ihn. Dieser Bastard läuft uns nicht weg. Wir kriegen ihn. Und wenn nicht heute, dann eben morgen.“ „Morgen wird er wieder zuschlagen.“ „Das glaube ich kaum Towarischtsch.“ „So und warum?“ „Weil er von uns beiden heute richtig durch den Fleischwolf gedreht wurde. Er wird jetzt erst mal seine Wunden lecken.“ „Na wir werden sehen.“

Und wie Recht Jelena hatte, sollte sich bald bewahrheiten. Viktor Pliskowski ließ sich nicht blicken. Doch unser kleines Intermezzo hatte offensichtlich dazu geführt, dass sich frühere Opfer nun doch bei der Polizei meldeten und Strafanzeige erstatteten. Auch Kattie hatte ihr Versprechen gehalten, und die Mitarbeiterin des Sicherheitsdienstes angesprochen. Diese ging diskret auf die Suche. Allerdings erhielt sie nach zwei Tagen eine Morddrohung und war gezwungen, die Suche abzubrechen. Aber Aufgeben kam weder für mich, noch für Jelena infrage.

Unsere Anfrage nach Angehörigen bei der ungarischen Polizei ergab, dass Viktor Pliskowski noch eine jüngere Schwester hatte. Sie war 45 Jahre alt und arbeitete als Steuerberaterin. Ihr Name war Ildikó. Nur sie konnte uns helfen, das Versteck ihres Bruders ausfindig zu machen. Doch es gab zu viele Fragen, die noch geklärt werden mussten. Eine davon war, wie das Verhältnis zwischen ihr und ihrem Bruder war. War Ildikó ihrem älteren Bruder Viktor wohl gesonnen, oder hatte sie Angst vor ihm? Kattie schlug vor, der Steuerberaterin eine Nachricht mit der Bitte um ein Gespräch zukommen zu lassen.

Clever wie immer, machte Kattie die Adresse von Ildikós Büro ausfindig und schickte ihr eine E-Mail mit der Bitte sich am Mittwoch, den 21.08.2019 mit uns in der Bar unseres Hotels zu treffen. Als Uhrzeit hatten wir 16:00 Uhr vorgeschlagen. Anastasia wollte in der Lobby auf unseren Gast warten.

An diesem besagten Mittwoch kam Ildikó Pliskowski auf die Sekunde genau zu uns ins Hotel. Anastasia Dimitrova führte die kleine Schwester von Viktor Pliskowski zu uns in die Bar. Offensichtlich kam ihr dieses Gespräch sehr gelegen. Ich nahm unsere Gesprächspartnerin beim Betreten der Bar etwas genauer in Augenschein. Ildikó war 1,65 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper mit etwas üppigeren Brüsten. Ihre dunkelbraunen Haare trug sie offen, sodass sie bis zur Achsel reichten. Auffällig war auch der leicht gebräunte Teint ihrer Haut. Ihre braunen Aufen, die in einem ovalen Gesicht mit einer etwas breiteren Nase und kurzen, schmalen und sinnlichen Lippen ruhten strahlten Selbstbewusstsein und Güte aus. Bekleidet war Ildikó Pliskowski mit einem roten Minikleid und roten High Heels mit weißer Spitze.

Nach einer freundlichen Bergüßung setzte sich Ildikó mir gegenüber und schlug verführerisch ihre sexy Beine übereinander und gab so den Blick auf eine blank rasierte Scham frei. „Miss Pliskowski, es freut uns, dass Sie sich die Zeit genommen haben, und unserer Einladung zu einem Gespräch nachkommen konnten.“, sagte ich. „Hab ich gerne gemacht. Denn mein guter Ruf leidet unter den Taten 246

meines Bruders. Ich habe bereits drei Kunden verloren. Sie können sich vorstellen, dass ich ein Interesse daran habe, dass Viktor hinter schwedische Gardinen wandert.“ „Das können wir in der Tat.“ „Dann will ich Sie nicht länger auf die Folter spannen. Sehen Sie, das Verhältnis zwischen meinem Bruder und mir ist sehr stark von Rivalität geprägt. Viktor kann es nicht leiden, im Schatten seiner kleinen Schwester zu stehen.“ „Was meinen Sie damit?“, fragte Jelena. „Viktor hat es einfach nicht geschafft, es zu irgendwas zu bringen. Er hat zwar einen Schulabschluss, aber keine abgeschlossene Berufsausbildung. Mein Bruder hat drei mal einen Versuch gestartet, aber hat nach einem halben Jahr hingeschmissen.“

„Und was passierte dann?“ „Unsere Eltern haben Viktor an die frische Luft gesetzt.Heißt, Sie haben ihn zu Hause rausgeschmissen.“ „Was anderes hätte ich niemals angenommen.“ „Wie ging es weiter?“, wollte Anastasia wissen. „Viktor hat sich zunächst mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Danach hat er angefangen zu betteln. Es wurden ihm sogar vom Arbeitsamt Jobs vermittelt. Aber ist dort gar nicht aufgetaucht. Also hat man ihm die Stütze gestrichen.“ „Ein Versager, wie er im Bilderbuch steht.“,sagte ich. „Richtig.“ „Und was ist den sexuellen Neigungen ihres Bruders?“, fragte Jelena. „Die hat er schon seit seiner Pubertät. Aber er hatte nie die Gelegeneheit, sie auszuleben. Weil die Frauen ihn reihenweise abgewiesen haben.“ „Das heißt, dass ihr Bruder jetzt versucht nachzuholen, was ihm in seiner Jugend vom anderen Geschlecht vorenthalten wurde.“ „Bedauerlicherweise haben Sie mit Ihrer Vermutung Recht, Mr. MacLain.“ „Wo finden wir Ihren Bruder, Miss Pliskowski?“, fragte Anastasia. „Er hält sich in einem der Amphibienbusse versteckt, die auf der Donau unterwegs sind. Es ist die Nummer 3.“ „Woher wissen Sie das?“, wollte ich wissen. „Er hat es mir verraten.“

Damit war für uns klar, dass Ildikó nun in Lebensgefahr schwebte. Nach Rücksprache mit der ungarischen Polizei beschlossen wir, die 45jährige außer Landes zu schaffen. Wir hatten noch Glück, und konnten einen Last-Minute-Flug nach Glasgow ergattern. Ich bat meine einstige Klientin Natalie McNamara, Ildikó Pliskowski bei sich aufzunehmen. Natalie sagte zu. Und so kam es, dass wir Viktor Pliskowskis kleine Schwester um 17:45 Uhr am Liszt Ferenc Flughafen in eine Maschine der British Airways setzten, die nach Glasgow flog.

Doch nun galt es, unsere Aufmerksamkeit wieder auf ihren großen Bruder Viktor zu richten. Dieser wusste noch nichts vom Verrat seiner Schwester. Jelena und ich entschieden, die von Ildikó erhaltene Information an die Behörden vor Ort weiterzugeben, allerdings mit der Bedingung verknüpft, nichts zu unternehmen, bis von uns grünes Licht käme. Die Polizei akzeptierte unsere Bedingung nur widerwillig, wollten Sie Viktor Pliskowski endlich schnappen.

Am Samstag, den 24.08.2019 schlugen wir dann zu. Es war im Morgengrauen. Viktor Pliskowski hatte ein neues Opfer gefunden. Als wir ihn erwischten, hatte er die junge Frau gerade an die Hauswand gedrückt. Ein Schuss aus meiner Walther brachte ihn jedoch in die Realität zurück. „Die Hände hoch!“, befahl ich. „Du schon wieder. Kannst du scheiß Tommy mich nicht mal in Ruhe lassen?“ 247

„Können schon. Aber dann zerstörst du miese kleine Kanalratte ein weiteres junges Leben. Und das werde ich nicht dulden. Lass das Mädchen los und dann nimm die Hände über den Kopf.“ „Oh nein! Das Mädchen kommt mit mir. Und kommt ja nicht auf die Idee mir zu folgen. Sonst ist die Kleine tot. Verstanden?“

Damit verschwand der Vergewaltiger mit seinem Opfer. Doch wir waren im Vorteil, denn wir kannten den Weg zu seinem Versteck. Mit unserem gemieteten Ford fuhren wir dorthin und legten uns zusammen mit Radko Lukic und Hristo Balakov auf die Lauer. Als Viktor Pliskowski mit seinem Opfer ankam, trat ich ihm mit gezogener Waffe in den Weg. „Jetzt ist aber endgültig Schluss mit Lustig Viktor Pliskowski.“, sagte ich. Der Vergewaltiger stieß einen lauten Schrei der Verzweiflung aus. „Wer hat euch mein Versteck verraten?“ „Na drei mal darfst du raten.“ „Doch nicht etwa...?“ „Ganz recht. Deine Schwester Ildikó hat uns den Tipp gegeben.“ „Dieses Miststück! Wenn ich sie in die Finger kriege, dann werde ich mit ihr das machen, was ich mit meinen Opfern immer mache. Nur mit dem Unterschied, dass ich ihr die Kehle durchschneide.“

„Das kannst du gerne versuchen. Du musst nur mal eben nach Glasgow fliegen.“ „Das glaube ich nicht. Du bluffst!“ „In dem Fall nein. Deine Schwester ist am Mittwoch um 17:45 Uhr nach Glasgow geflogen. Jelena und ich haben sie höchstpersönlich zum Flughafen gebracht.“ Viktor Pliskowski stieß einen weiteren Schrei aus. Dieses Mal schrie er aus Wut. „Ich gehe nicht in den Knast. Und du und deine russische Fotze von Partnerin könnt euch gratulieren. Dank euch darf diese Zuckerpuppe jetzt sterben.“ Viktor Pliskowski zog seine Pistole und setzte sie dem Mädchen an die Schläfe. „Sag der Welt auf Wiedersehen!“, schrie er und wollte abdrücken. Doch er kam nicht dazu. Jelena gab einen Schuss aus ihrer Makarow ab und erwischte ihn an der Schulter. Mit einem Schmerzensschrei ließ Viktor Pliskowski seine Pistole fallen.

Unsere ungarische Kavallerie wollte ihn festnehmen, doch der Täter wehrte sich nach Leibeskräften. Erst durch meine und Jelenas Hilfe war es möglich, dieses Tier zu überwältigen. Schließlich wurde Viktor Pliskowski in den Streifenwagen gesetzt und ins Polizeipräsidium gebracht.

Nur eine Woche nach der geglückten Festnahme machte man diesem Fettschwabbel den Prozess. Sein Anwalt, ein hochgewachsener schlaksiger Mann, versuchte die Taten von Viktor Pliskowski mit dessen Kindheit und die familiäre Situation zu rechtfertigen, aber die Aussagen der Opfer wogen zu schwer, als das der Richter einem Freispruch hätte zustimmen können. Viktor Pliskowski wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Menschenrechtsorganisationen verurteilten diese Maßnahme, aber aufgrund der Brutalität und Rücksichtslosigkeit des Schuldigen gab es für den Richter keine Alternative.

Für uns war der Fall abgeschlossen. Krisztina Kiraly überwies uns die vereinbarten 8.000 Euro. 248

Am Tag unserer Rückkehr saßen wir gemeinsam bei Jelena und Anastasia auf dem Balkon. Es klingelte an unserer Tür. Jelena öffnete. Vor ihr standen Ildikó Pliskowski und Natalie McNamara. „Ich hoffe, Ihr zwei Hübschen habt Appetit mitgebracht.“, sagte Jelena. „Was steht denn auf dem Speiseplan?“ „Russischer Hackfleischtopf.“ „Klingt gut.“

Nach dem Abendessen sprachen wir noch miteinander. „Was ist eigentlich nach unserer Abreise noch passiert?“ „Mein Bruder hat in seiner Gefängniszelle randaliert, weshalb man entschieden hat, ihn gleich in die Sicherheitsverwahrung zu schicken.“ „Er muss ja einen ganz schönen Hass auf die Gesellschaft schieben.“ „Er gibt der ungarischen Gesellschaft die Schuld an seinem Versagen.“ „Hat der sie noch alle?“, empörte sich Camille. Ildikó sah meine Schwester fragend an. "Das ist meine Adoptivtochter Camille. Hüte dich vor ihrer spitzen Zunge, denn sie nimmt kein Blatt vor den Mund.“ „Seit wann hast du eine Adoptivtochter?“, fragte Natalie. „Seit Juli 2018.“ „Na wunderbar. Wer hat dir die Kleine aufs Auge gedrückt?“ „Ein Gericht in Antwerpen.“ „Warum denn das?“, fragte Natalie. „Ihre Eltern waren kriminell und das Gericht wollte verhindern, dass Camille auf die schiefe Bahn gerät. Und deswegen hat man entschieden, dass ich die Erziehung von Camille Huybrechts übernehmen soll.“ „Der Richter hätte dich ja mal fragen können.“, sagte Natalie. „Kommst du auch aus Schottland, wie Sam und Onkel Paul?“, fragte Camille. „Ja. Aber ich komme aus Glasgow. Geboren bin ich aber in Fort Augustus, an den Ufern des Loch Ness.“

„Wo waren wir eigentlich stehen geblieben?“, fragte Kelly in die Runde. „Bei der Aufarbeitung unseres Falles.“ „Ach so.“ „Ganz ehrlich, dein Bruder ist wirklich krank in der Birne, Tante Ildikó.“ „Noch eine Macke von Camille. Jeden, den sie mag nennt sie Tante.“ „Dann habe ich ja eine ganz schön vorlaute Nichte. Aber Spaß beiseite. Was Viktor gemacht hat, kann durch nichts gerechtfertigt werden. Durch seine Taten hat mein guter Ruf Schaden genommen. Es wird dauern, bis ich wieder das Vertrauen der Bürger von Budapest genieße.“ „Du kannst nichts dafür, dass du so einen klingonischen Vollpfosten als Bruder hast, Tante Ildikó.“ „Mein lieber Scholli, bist du frech, Camille.“ „Ich sag nur, was ich denke, Tante Natalie.“ „Irgendwann beißt du mit deiner großen Klappe mehr ab, als du kauen kannst.“, mahnte Natalie. „Das Dumme ist nur..., dass Camille mit dem was sie sagt, meistens den Nagel auf den Kopf trifft.“

„Jetzt aber mal zurück zu unserem abgeschlossenen Fall. Ich frage mich die ganze Zeit, wie es dazu kam, dass dein Bruder solche perversen sexuellen Neigungen entwickelt hat.“, sagte Jelena. „Hättet Ihr mich damals schon gefragt, hättest du dir deinen hübschen Kopf nicht zu zermartern brauchen, Jelena. Aber um deine Frage zu beantworten, mein großer Bruder hat Mama immer heimlich durch ein Loch in der Wand seines Kinderzimmers beobachtet.“ Camille klappte der Unterkiefer runter. „What the Hell! Deinem großen Bruder ist wohl gar nichts heilig.“ „Was meinst du denn damit?“, fragte meine Schwester. „Überleg doch mal. Der Kerl verletzt wissentlich nicht nur die Privatsphäre sondern auch die INTIMSPHÄRE seiner EIGENEN MUTTER! Entschuldige bitte, aber das ist an Dreistigkeit und Unverschämtheit nicht mehr zu überbieten.“ 249

„Und da muss ich deiner Adoptivtochter leider zustimmen, Sam.“ „Wie hat eure Mutter eigentlich darauf reagiert?“ „Gar nicht. Sie hat es ja noch nicht mal bemerkt. Mein Bruder stand dann immer hinter dem Loch und hat das getan, was jeder Junge macht.“ „Was für eine kranke Feder.“, sagte Camille. „Im wahrsten Sinne des Wortes.“ 250

21. Fall - Zugsabotage in Kreuzlingen

21. Fall – Zugsabotage in Kreuzlingen

Der Sommer in Frankfurt war vorüber. Doch es war mit 27 Grad immer noch warm genug, um Jelena, Brit und mich in unserem Büro gehörig ins Schwitzen zu bringen. Sogar die Eisdiele um die Ecke zog immer noch mehr Besucher an, als sonst. Wir schrieben Dienstag, den 03.09.2019. Es war 8:00 Uhr morgens. Jelena und ich waren gerade mit unserer allmorgendlichen Joggingrunde fertig und gerade im Büro angekommen, als das Telefon klingelte. Ich nahm das Gespräch an. „Detektivbüro MacLain-Romanova, Sie sprechen mit Paul MacLain.“ „Guten Morgen Herr MacLain. Mein Name ist Valeria Zubriggen. Ich arbeite bei den Schweizerischen Bundesbahnen.“ „Was können meine Partnerin und ich für Sie tun?“ „Wir haben ein Problem. Ein Unbekannter lässt im Bahnhof Kreuzlingen Züge entgleisen.“

„Auf welcher Strecke?“ „Auf der Relation Konstanz – Zürich werden seit Februar diesen Jahres Anschläge auf Fernreisezüge verübt.“ „Verstehe. Nur auf die Fernreisezüge? Oder sind auch der Güter- und der Nahverkehr betroffen?“ „Nur der Fernverkehr.“ „Sind beide Richtungen dieser Strecke betroffen?“, fragte Jelena. „Nur die Züge, die aus Zürich kommen, sind Zielobjekte. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich in 20 Minuten vorbeikommen.“ „Einverstanden.“

Um 8:20 klopfte es an unserer Bürotür. „Herein!“, rief ich. Die Dame, die eintrat, war ein echter Hingucker. Sie war 1,65 m groß und besaß einen superschlanken Körper. Ihre kleinen Brüste waren sicherlich ein Eldorado für jeden, der darauf stand. Dazu diese sexy Beine und das ovale Gesicht mit den grünbraunen Augen, die Unsicherheit in sich bargen. Ihre braunen Haare, die, offengetragen, bis zur Armbeuge reichten, hatte Valeria Zubriggen zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die grazile Nase und die kurzen, dünnen aber dennoch sinnlichen Lippen rundeten meinen ersten Eindruck ab. Bekleidet war unsere Besucherin mit einem roten Trägerkleid, ein großzügigen Blick auf Valerias Beine gewährte, und roten High Heels.

„Miss Zubriggen. Bitte nehmen Sie doch Platz.“ „Vielen Dank.“ Unsere Besucherin nahm uns gegenüber Platz. „Sie arbeiten bei den SBB. Was genau ist dort Ihre Aufgabe?“, fragte Jelena. „Ich bin die Leiterin der Abteilung Betriebssicherheit. Ich habe dafür zu sorgen, dass zu jeder Zeit ein sicherer Betriebsablauf gewährleistet ist.“ „Und die von Ihnen am Telefon erwähnten Anschläge sind ein Störfaktor.“ „So ist es.“ „Wie geht der Attentäter vor?“, wollte ich wissen. Valeria Zubriggen holte ein Foto aus ihrer Handtasche und reichte es Jelena. Meine Partnerin sah sich das Foto eingehend an, dann reichte sie es mit einem Kopfschütteln an mich weiter. Ich sah mir das Bild genau an. Es zeigte einen langen Gegenstand, der am Ende drei kräftige Haken besaß, die schräg in die Luft ragten. „Kannst du etwas damit anfangen, Paul? Ich nicht.“ „Ich kenn die Dinger. Das sind Schienenkrähen. Damit haben wir zu meiner SAS-Zeit auf feindlichem Territorium die Güterzüge mit Nachschubgütern zum entgleisen gebracht.“

„Und wie funktioniert so was?“, wollte Jelena wissen. „Ganz einfach. 251

Der oberste Haken hebt die Achse der Lok an und kippt zur Seite weg. Die beiden anderen Haken dienen dazu die Schwellen zu zerstören.“ „Damit würde nicht nur die Lok sondern auch einige Wagen entgleisen.“ „Ganz Recht. Sind ziemlich miese Dinger. Zumindest für den, dessen Schienennetz und Fahrzeuge dadurch zu Schaden kommen.“ „Was glauben Sie, woher der Attentäter diese Dinger bezieht?“, fragte Valeria. „Jeder, der was vom Schweißen versteht, kann solche Schienenkrähen selbst herstellen.“

„Würden Sie uns bitte eine Frage beantworten.“, sagte Jelena. „Sicher. Was wollen Sie wissen?“ „Welche Loks setzt die SBB auf dieser Strecke ein?“ „Die Fernreisezüge sind mit E-Loks der Baureihen 460 und 465 bespannt.“ „Verstehe. Gibt es einen Fernreisezug auf der Strecke Zürich - Konstanz, der über Landesgrenzen hinweg bekannt ist?“ „Ja. Den Rheingold Express. Warum fragen Sie mich das, Herr MacLain?“ „Ich versuche, mich in den Attentäter hineinzuversetzen. Wie er zu denken.“ „Wozu soll das gut sein?“ „So kann ich den nächsten Zug meines Gegners voraussehen und Maßnahmen ergreifen, um ihn einzukassieren.“ „Das würde bedeuten...“ „Dass unser Mann garantiert einen Anschlag auf den Rheingold Express verüben will.“ „Solche Fernreisezüge sind doch normalerweise Nachts unterwegs, weil da nicht soviel los ist auf der Strecke.“ „Ja, das stimmt.“ „Ich nehme an, dass der Rheingold Express ebenfalls nachts unterwegs ist.“ „Ja. Er fährt täglich.“ „Wie stark ist er frequentiert?“, fragte Jelena. „Der Rheingold Express ist einer der am stärksten ausgelasteten Fernverkehrszüge.“

„Gab es seit dem ersten Anschlag schon irgendwelche Aktionen des Attentäters mit denen er seine Taten rechtfertigt?“ „Keine Ahnung. Moment! Doch da war was. Zuerst ist ein Bekennerschreiben aufgetaucht. Unterschrieben war es mit „Wilhelm Tell“.“ „Unser Unbekannter scheint ja einen sehr merkwürdigen Sinn für Humor zu haben.“, sagte Jelena. „Was wurde in dem Schreiben gefordert?“ „Bruder „Wilhelm Tell“ fordert ein Durchfahrtsverbot für Fernreisezüge durch den Bahnhof Kreuzlingen ab 22:00 Uhr.“ „In Ordnung. Ich denke, wir haben genug Informationen. Jelena?“ „Wir übernehmen den Fall.“ „Die SBB würden Ihnen beiden 65.000 Schweizer Franken bezahlen.“ „Wäre es Ihrem Brötchengeber auch möglich uns diese Summe in Euro zu bezahlen?“ „Das ist kein Problem.“

Am Donnerstag, den 05.09.2019 traten wir dann unsere Reise in die Schweiz an. Wir hatten uns für das Hotel Adler in Ermatingen entschieden, das 7,6 Km von Kreuzlingen entfernt war. Um 11:50 Uhr trafen wir am Flughafen ein. Meine Verlobte Kelly hatte uns gefahren. „Schnappt euch diesen Mistkerl und dann kommt heil nach Hause.“, sagte Kelly, als sie sich an der Sicherheitsschleuse von uns verabschiedete. Unsere Koffer hatten wir bereits an einem Schalter der schweizer Fluggesellschaft SWISS aufgegeben, an dem die Gepäckannahme für den Flug nach Zürich abgewickelt wurde. „Nun mach dir mal nicht ins Hemd. Wir haben auch Viktor Pliskowski geschnappt. Und der war weitaus gefährlicher, als es unser jetziger Gegner sein dürfte.“ „Sei dir da mal nur nicht so sicher, Paul.“ „Ein bisschen Optimismus sollte schon erlaubt sein.“ „Mach dir keine Sorgen, Kelly. Ich passe schon gut auf deinen zukünftigen Ehemann auf.“, sagte Jelena und zeigte 252

auf ihre Armbanduhr.

Als wir die Sicherheitsschleuse hinter uns gelassen hatten, gingen wir weiter in den Transitbereich. Dort suchten wir uns einen freien Platz. Jelena beobachtete das Geschehen, während ich mir wieder das Display mit den Abflugzeiten und den dazugehörigen Gates ansah. Und schon bald hatte ich unseren Flug nach Zürich entdeckt. Flug SWISS 747 sollte von Gate A23 um 13:35 Uhr zum Boarding freigegeben werden.

Schließlich war es soweit. Pünktlich um 13:35 Uhr wurde unser Flug aufgerufen. „Achtung! Alle Passagiere des Fluges SWISS 747 werden gebeten sich an Bord der Maschine zu begeben.“ Jelena und ich machten uns auf den Weg. Wir scannten unsere Boardingpässe ein und gingen dann an Bord der Maschine. Die Flugbegleiterin am vorderen Eingang sah sich die Pässe an und wies uns den Weg.

Pünktlich um 14:05 Uhr startete unser Flieger, eine Boeing 777-300ER, um nach einer Flugzeit von 50 Minuten auf dem Flughafen von Zürich zu landen. Als wir unsere Koffer geholt hatten, suchten wir nach einer Autovermietung. Bei SIXT mieteten wir uns einen Aston Martin Rapide S in volcano red. Unter der Haube des britischen Nobelsportlers versah der 6,0-Liter-V12-Motor mit 560 PS seinen Dienst. Auch beim Getriebe hatte SIXT geklotzt statt gekleckert. Unser Wagen besaß das 8-Gang-Touchtronic III-Getriebe. Die Bremssättel waren in rot lackiert und die Felgen besaßen 10 Speichen in Richtung geschmiedet und waren in einem Satin-Look gehalten. Der Autovermieter hatte für die Felgen die Variante Champagne Diamond turned ausgewählt. Die Heckleuchten waren in rot und die Auspuffanlage in Bright Chrome ausgeführt worden. Die Pedale dieses Aston Martin waren in Silber lackiert. Die Ledersitze waren in Blue Haze Metallic / Duotone Red ausgeführt und als zusätzliche Extras hatte SIXT einen Zweitschlüssel aus Glas, einen Erste Hilfe Kasten, das 1000 Watt Bang & Olufsen Soundsystem und eine Fahrzeugabdeckung für außen geordert. Bei den Sicherheitsgurten hatte man das Modell Flint ausgewählt. Zu guter Letzt hatte Sixt dem Aston Martin eine erweiterte Alarmanlage, ein Touring Pack und ein Entertainmentsystem spendiert.

Über die A1 fuhren Jelena und ich 55 Minuten vom Flughafen in Zürich nach Ermatingen, wo wir um 16:15 Uhr eintrafen. Wir parkten den Aston Martin auf dem Parkplatz unseres Hotels und gingen zum Einchecken. Das Hotel Adler war ein fünfstöckiges Fachwerkhaus mit Giebeldach. Ein Vordach kennzeichnete den Eingang des Hauses. Dort stand in altdeutscher Schrift „Hotel Adler“. Die Fenster waren nicht gerade groß, aber die blauen Fensterläden verliehen diesem Gebäude einen rustikalen Charme.

Als wir die Lobby des Hotels betraten, sah die Mitarbeiterin an der Rezeption von ihrem Monitor auf. Sie war 24 Jahre alt und 1,79 m groß. Der schlanke, sexy Körper mit den üppigen Brüsten fiel dem Betrachter sofort ins Auge. Ihre dunkelbraunen Haare trug die junge Dame offen, sodass sie bis zu ihren Schultern reichten. Auffällig war auch das ovale Gesicht mit den braunen Augen, der etwas breiten Nase, 253

und den rot geschminkten kurzen und sinnlichen Lippen lud sicherlich so manchen Mann dazu ein, dass er dieser Dame unaufgefordert einen Kuss gab. Bekleidet war die Dame mit einem schwarzen eng anliegenden Minikleid und schwarzen High Heels. Zugegeben, so verführerisch diese junge Lady auch war, ich war zum Arbeiten hier und nicht auf der Jagd nach jungem weiblichen Gemüse.

„Was kann ich für Sie tun?“, fragte das Mädchen. Ihr Namensschild verriet mir, dass ihr Vorname Assunta war. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert.“ „Einen Moment bitte. Ah! Da haben wir es. Paul MacLain und Jelena Romanova. Zimmer 100. Bitte sehr. Ihr Schlüssel. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus.“

Als wir zum Abendessen ins Restaurant des Hotels gingen, fing uns Assunta ab. „Es gab wieder einen Anschlag in Kreuzlingen.“, sagte sie. „Wann?“ „Gestern Nacht. Um 23:30 Uhr ist es passiert. „Welcher Zug ist dieses Mal betroffen?“ „Der Intercity 2525 „Wilhelm Tell“.“ „Wie lange soll die Strecke gesperrt bleiben?“, fragte Jelena. „Bis morgen früh, 10:00 Uhr. Für heute wird der gesamte Fernverkehr Richtung Konstanz umgeleitet.“

Am nächsten Morgen fuhren Jelena und ich zur Unfallstelle in Kreuzlingen. Als wir dort ankamen, sahen wir das ganze Ausmaß der Katastrophe. Die Lok war aus den Schienen gesprungen und war an einer Böschung zum Stehen gekommen. Auch die ersten drei Wagen waren entgleist. Ein Kran hob gerade die Schienenkrähe von den Schienen. Am Unfallort trafen wir dann auch Valeria Zubriggen, die mit dem Lokführer sprach. Als sie uns entdeckte, kam sie sofort zu uns. „Es freut mich, Sie beide zu sehen. Der Lokführer ist leider noch nicht ansprechbar. Ich habe gerade versucht, ihn zu befragen.“ „Das hätte ich Ihnen gleich sagen können. Der Schock sitzt noch zu tief.“, sagte ich.

Außerdem fand Jelena noch eine Botschaft des Attentäters am Unfallort. „Sie haben noch 9 Tage, um das Nachtfahrverbot zu beschließen. Danach gibt es ein Blutbad. Wilhelm Tell.“ Den Text der Nachricht hatte der Täter aus verschiedenen Schweizer Tageszeitungen und Illustrierten ausgeschnitten. Nur den Namen hatte er mit Hand geschrieben. „Heute ist der 06.09. Dann wäre in 9 Tagen der 15.“, sagte ich. „Denkst du, was ich denke, Paul?“ Ich nickte. „Valeria, findet am 15.09. ein mediales Großereignis statt?“ „An diesem Tag startet unser neuer Luxuzug, der Helvetia Sovereign. Bedeutet diese Nachricht etwa...?“ „Dass unser Attentäter einen Anschlag auf diesen Zug plant. Genau das. Ist dieser neue Luxuszug eine Triebwagengarnitur oder ein lokbespannter Zug?“ „Im Prinzip ist das ein ganz normaler Fernreisezug. Nur halt etwas luxuriöser. Er verfügt über drei Schlafwagen.“ „Also kommt eine Re 460 oder Re 465 zum Einsatz.“ „Eine 465.“

Der Lokführer des verunglückten Zuges wurde zur weiteren Beobachtung in ein Krankenhaus gebracht. Wir sahen uns in der näheren Umgebung um. An einer Tankstelle fragte ich den Besitzer, ob er etwas über Wilhelm Tell wüsste. „Der Mann, den Sie suchen, heißt in Wirklichkeit Alois Mosgruber. Hat hier in Kreuzlingen 254

als Schweißer gearbeitet. Musste aber wegen eines schweren Bandscheibenvorfalls letztes Jahr im November in Rente gehen.“ „Wie alt war er zu diesem Zeitpunkt?“ „56.“ „Wie ist er so als Mensch?“, fragte ich. „Ein ganz verschrobener Kauz, wenn Sie mich fragen.“ „Was meinen Sie damit?“ „Na ja. Er hat ein Problem mit den Nachtfahrten der Fernreisezüge. Er behauptet, die Züge würden ihn um seinen kostbaren Schlaf bringen.“ „Hat er schon etwas dagegen unternommen?“ „Und wie. So hat sich Herr Mosgruber beispielsweise an die Gleise gekettet, um die Züge an der Weiterfahrt zu hindern. Er hat auch schon eine Online-Petition gestartet. Aber ohne Erfolg. Auch die Unterschriftenaktion war ein Griff ins Klo. Alois Mosgruber steht völlig alleine da.“ „Was heißt das?“ „Die meisten Einwohner hier in Kreuzlingen arbeiten bei den SBB. Und die werden den Teufel tun, und ihrem Brötchengeber in den Rücken fallen.“ „Und jetzt geht Alois Mosgruber allein gegen die SBB vor.“ „Genau. Aber die SBB lenken nicht ein. Sie verweisen auf die geringe Lärmentwicklung bei den Loks. Es wurden zahlreiche Gutachten von beiden Parteien in Auftrag gegeben.“ „Wie lange läuft dieser Kleinkrieg zwischen Herrn Mosgruber und den SBB denn schon?“ „Drei beschissene Jahre.“

Als wir nach Ermatingen zurückfahren wollten, bemerkte ich ein kleines Haus mit Vorgarten in der Nähe des Bahndamms. Sein Besitzer erntete gerade ein paar Süßkirschen von einem Baum, der im Garten stand. Ich bat Jelena anzuhalten und den Motor abzustellen. Danach gingen wir zu dem Haus. „Sind Sie Alois Mosgruber?“, fragte ich. „Wer will das wissen?“ Ich hielt dem Mann meinen Dienstausweis unter die Nase. „Paul MacLain. Moment mal! DER Paul MacLain?“ „Ganz Recht. Und die junge Dame ist meine Juniorpartnerin Jelena Romanova.“ „Wenn Sie für die Schweizerischen Bundesbahnen arbeiten, dann sage ich Ihnen eins: Sie werden die Anschläge auf die Fernzüge nicht beenden. Es wird solange weitergehen, bis die SBB sich meinen Forderungen beugt.“ „Also geben Sie zu, dass die bisherigen Anschläge auf Ihr Konto gehen.“ „Ich bin doch nicht irrsinnig! Wie soll ich denn mit meinem kaputten Rücken die tonnenschweren Haken heben? Ich schweiße die Teile, ja. Aber die Anschläge verübt jemand anderes. Aber den Namen verrate ich Ihnen garantiert nicht.“ „Wir finden Ihren Komplizen. Und dann sind sie beide fällig, verlassen Sie sich drauf.“ „Pah! Ihr zwei Stutzer seid mir nicht gewachsen.“ „Hau du mal nicht so auf den Putz, Opa!“, sagte Jelena.

Auf dem Weg zurück ins Hotel schüttelte ich den Kopf. „Der Kerl hat einen an der Klatsche.“ „Wohl wahr. Aber in diesem Fall steht Aussage gegen Aussage. Die einzige Möglichkeit herauszufinden, wer der Lügner ist, ist die, dass wir uns ab 22:00 Uhr mit einem Lärmmessgerät bewaffnet an der Strecke Zürich – Konstanz auf die Lauer legen, und die Lärmentwicklung messen.“ „Ob die SBB da mitspielen?“ „Haben die eine andere Wahl? Entweder die lassen uns so arbeiten, wie wir das für nötig halten, oder wir reisen wieder ab. So einfach ist das.“

Während wir auf dem Weg zurück ins Hotel waren, telefonierte Alois Mosgruber mit seinem Komplizen. „Du musst ab sofort vorsichtiger sein. Denn wenn meine Vermutung stimmt, dann hat die SBB uns zwei Privatschnüffler auf den Hals gehetzt.“ „Wen?“ 255

„Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Wenn das stimmt, müssen wir untertauchen.“ „Eines ist in jedem Fall sicher, wir müssen die Jungfernfahrt des Helvetia Sovereign in einem Desaster enden lassen.“ „Mach dir da mal keine Sorgen. Ich sorg schon dafür, dass die SBB deiner Forderung nach einem Nachtfahrverbot nachkommen müssen.“ „Ich verlass mich auf dich.“

Zurück im Hotel zogen Jelena und ich uns auf unser Zimmer zurück. „Wir müssen uns heute Nacht nach Kreuzlingen begeben und eine Lärmmässung vornehmen. Aber die SBB werden uns einen ihrer Mitarbeiter mitschicken.“, sagte ich. „Was macht dich da so sicher, Paul?“ „Aus Gründen der Betriebssicherheit muss das sein. Außerdem rücken die SBB nicht mal eben einfach so ein Dezibelmessgerät raus.“ Jelena stieß einen Fluch auf Russisch aus. „Man kann es auch mit den Vorschriften übertreiben.“ „Sag das mal den Leuten auf der Chefetage. Die werden dir was husten.“

Ich sollte mit meiner Aussage Recht behalten. Die Führung der Schweizerischen Bundesbahnen bestand darauf, dass uns ein autorisierter Mitarbeiter bei unserem nächtlichen Ausflug nach Kreuzlingen begleitete. Valeria Zubriggen, die uns im Namen der SBB beauftragt hatte, erklärte sich bereit uns zu begleiten. Wir verabreten uns für 22:00 Uhr am Bahnhof von Kreuzlingen.

Um 21:55 Uhr waren wir am vereinbarten Treffpunkt. Jelena sah sich gerade den Fahrplan an, während ich die Umgebung im Auge behielt. Meine Partnerin kam gerade zurück, als unsere Verbindungsperson ankam. „Also Paul. Um 22:20 Uhr kommt ein Fernreisezug hier durch. Der Intercity 2524 „Zermatt“.“ „Gut. Dann sollten wir uns gleich an die Arbeit machen.“ „Ich hab alles mitgebracht. Aber wozu das Ganze?“ „Es steht Aussage gegen Aussage. Und meine Partnerin und ich würden uns gerne ein eigenes Urteil bilden, was die Lärmentwicklung angeht.“ „Okay. Das kann ich nachvollziehen. Kommen Sie . Wir brauchen 15 Minuten für den Aufbau der Anlage.“, sagte Valeria.

Schließlich waren wir mit dem Aufbau der Messanlage fertig. Valeria Zubriggen justierte die Anlage, damit wir eine ordnungsgemäße Messung erhielten. Als sie fertig war, schaltete die Leiterin der Abteilung Betriebssicherheit die Anlage ein. Sie machte eine Probemessung, als ein Güterzug durch den Bahnhof Kreuzlingen rollte. Das Display zeigte einen Wert von 10 Dezibel. Pünktlich um 22:20 Uhr kam dann der IC 2524 „Zermatt“ durch den Bahnhof von Kreuzlingen gedonnert. Die Messung ergab eine Lautstärke von 16 Dezibel. Auch nicht gerade ein Wert, den Jelena und ich als übermäßig laut bezeichnet hätten.

Am nächsten Morgen fuhren wir wieder nach Kreuzlingen und suchten einen Sachverständigen auf. Wir zeigten ihm das Messprotokoll der vergangenen Nacht. „16 Dezibel? Das kommt mir sehr spanisch vor.“ „Was meinen Sie damit?“ „So eine Anlage kann man manipulieren.“ „Sie meinen die SBB haben mit Absicht eine manipulierte Messeinrichtung benutzt?“, fragte ich. „Möglicherweise. Ich habe in der Vergangenheit des öfteren die Lärmentwicklung bei Fernreisezügen gemessen.“ 256

„Und was ergaben die Messungen bei Ihnen?“ „Ich habe eine Lautstärke von 25 Dezibel gemessen. Aber das ist im Vergleich mit einer Boeing 747-8 oder einer Airbus A380-800 immer noch leise.“ „Was könnten die SBB tun, um ein Nachtfahrverbot, wie von Herrn Mosgruber gefordert zu vermeiden?“, fragte Jelena. „Die einzige Möglichkeit wäre der Bau einer Lärmschutzwand.“ „Und was kostet so eine Wand?“ „Wenn sie nicht gleich beim ersten Fernreisezug weggeweht werden soll, müsste man grob über den Daumen gepeilt 500.000 Schweizer Franken ausgeben. Vielleicht sogar mehr.“

Nach dem Gespräch mit dem Experten trafen wir uns am Bahnhof von Kreuzlingen mit Valeria Zubriggen. „Das mit der Anlage tut mir leid. Ich hab sie komplett falsch eingestellt.“, sagte sie. „Der Sachverständige hat eine Lösung für das Problem gefunden. Er würde eine Lärmschutzwand errichten.“ „Die Idee ist nicht schlecht. Aber ob die Herrschaften in den oberen Etagen diese Idee unterstützen, ist fraglich.“ „Eine andere Wahl dürften die Bosse nicht haben. Denn wenn sie den Bau der Lärmschutzwand nicht genehmigen, werden die Anschläge nie aufhören und das Nachtfahrverbot wird unumgänglich kommen.“

Später am Tag trafen wir in unserem Hotel in Ermatingen dann Andreas Meyer, den obersten Chef der SBB. Der 57jährige Manager war ein mit dunkelbraunen Haaren, einem kantigen Gesicht mit braunen Augen. Andreas Meyer trug eine Brille mit einem viereckigen Messinggestell. Er war 1,80 m groß und hatte einen athletischen Körperbau. Bekleidet war Andreas Meyer mit einem hellgrauen Anzug, einem weißen Hemd mit rot-weiß-gestreifter Krawatte, schwarzen Herrenschuhen und roten Socken. Der 57jährige kam gleich zur Sache, nachdem wir uns gesetzt hatten. „Ihre Argumentation zugunsten der Lärmschutzwand ist durchaus nachvollziehbar und auch gerechtfertigt. Aber warum ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt?“ „Weil zu befürchten steht, dass „Wilhelm Tell“, wie sich der Drahtzieher der Anschläge nennt, und sein Komplize einen Anschlag auf den „Helvetia Sovereign“, den neuen Luxuszug der SBB planen.“ Andreas Meyer wurde kreidebleich. „Können Sie das verhindern?“ „Sicher. Deswegen haben Sie uns ja auch angeheuert. Aber es liegt in Ihrer Hand, ob Sie und Ihr Unternehmen sich nicht doch auf Herrn Mosgruber zubewegen und ihm als Kompromiss den Bau der Lärmschutzwand in dem Streckenabschnitt anbieten, der an dessen Haus grenzt.“, sagte Jelena. „Und was machen wir, wenn Herr Mosgruber keine Kompromissbereitschaft zeigt?“ „Dann werden er und sein Komplize aus dem Verkehr gezogen.“

Nach dem Gespräch mit dem Konzernleiter der SBB fuhren wir noch einmal nach Kreuzlingen und suchten Alois Mosgruber auf. „Sie schon wieder.“, sagte er etwas ungehalten. „Können Sie einen Augenblick ihrer kostbaren Zeit für uns erübrigen?“ „Wozu? Wahrscheinlich sollen Sie für die SBB rumschnüffeln.“ „Und was wäre, wenn wir als Privatpersonen hier sind?“ „Ich glaube Ihnen nicht. Ich weiß nämlich mittlerweile, dass Sie für diese Dreckschweine von den SBB arbeiten. Und mit solchen Leuten rede ich nicht.“ „Wir hatten heute am frühen Nachmittag ein Gespräch mit Andreas Meyer. Wir haben ihm nahegelegt, Ihnen einen 257

Kompromiss anzubieten.“ „Was kann das schon für ein Kompromiss sein? Eine finanzielle Entschädigung in Höhe von 28.000 Franken im Monat? Das ist ein Witz.“ „Wir hatten an eine Lärmschutzwand gedacht, die entlang des Abschnitts gebaut werden würde, an den Ihr Haus grenzt.“

Alois Mosgruber schwieg einen Augenblick. „Na schön. Kommen Sie rein. Und dann werde ich Ihnen meine Geschichte erzählen.“ Im Wohnzimmer setzte sich der Frührentner in einen antiken Ohrensessel, während Jelena und ich auf der Couch Platz nahmen. Alois Mosgruber nahm eine Pfeife vom Tisch und füllte sie mit Tabak. „Wenn Sie beide rauchen wollen, nur zu.“ „Wir sind Nichtraucher.“ „Na von mir aus.“, sagte Alois Mosgruber und zündete seine Pfeife an. „Sie haben als Schweißer gearbeitet. Dürfen wir Fragen wo?“ „Bei den SBB natürlich. Ich war in den Werkstätten tätig und habe die defekten Loks mit repariert. Wenn bei einer Lok beispielsweise der Rahmen gebrochen war, dann habe ich die entsprechenden Stücke erst zurecht geschnitten und dann das defekte Teil durch das neue ersetzt.“ „Waren Sie schon ziemlich weit oben auf der Karriereleiter?“ „Ich stand kurz davor Werkstattmeister zu werden. Aber dann kam der Bandscheibenvorfall. Der Betriebsarzt hat mich für erwerbsunfähig erklärt und ich wurde frühverrentet. Die SBB zahlen mir zwar eine ordentliche Rente, sodass ich nicht am Hungertuch nagen muss, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was ich jede Nacht durchmachen muss, wenn einer dieser Fernreisezüge hier durch den Bahnhof Kreuzlingen donnert.“ „Gestern haben wir zusammen mit Valeria Zubriggen eine Messung vorgenommen. Wie war das Verhältnis zu ihr?“ „Valeria war immer sehr freundlich zu mir. Als ich damals im Krankenhaus war, ist sie jeden Tag vorbeigekommen und hat mir immer eine Packung Mozartkugeln mitgebracht. Sie hat sich auch danach um mich gekümmert und hat mir Mut zugesprochen.“

„Der Zwist mit Ihrem ehemaligen Brötchengeber läuft doch schon drei Jahre lang.“, sagte Jelena. „Ja. Leider. Die SBB haben vor drei Jahren den Fahrplan auf der Strecke Zürich – Konstanz verdichtet. Das bedeutete mehr Fernverkehrszüge. Kam früher vielleicht alle zwei Stunden mal einer, kommt heute alle 15 Minuten ein Zug durch den Bahnhof Kreuzlingen gedonnert. Und das wirkt sich auch auf den Schlaf aus. Und wenn man schlecht schläft, dann ist man auf der Arbeit unkonzentriert. Und genau das ist mir passiert. Ich hab nicht aufgepasst und hab mich nach vorn gebeugt um ein Stahlrohr aufzuheben.“ „Hebt man denn Gegenstände nicht genau so auf?“, fragte ich. „Wenn Sie sich Ihr Kreuz unbedingt kaputt machen wollen, dann schon. Aber es steht in allen Sicherheitsvorschriften, dass man erst in die Hocke gehen muss, bevor man einen schwereren Gegenstand anhebt, weil dann das Gewicht besser verteilt wird.“ „Und das wäre nicht passiert, wenn Sie ausgeschlafen gewesen wären?“ „Definitiv ja. Obwohl ich zugeben muss, dass mit Einführung der Lok2000-Familie, also den Baureihen Re 460 und Re 465, der Lärmpegel schon erheblich gesunken ist. Als noch die alten Re 4/4IV hier durch gerauscht sind, das war richtiger Horror.“ „Wieso?“, fragte. „Das Geräusch der Lüfter war der Grund. Wegen dieses Geräusches haben die Lokomotiven den Spitznamen „Staubsauger“ erhalten.“ „Wären Sie bereit, auf weitere Anschläge auf Fernreisezüge zu 258

zu verzichten, wenn die SBB die Lärmschutzwand bauen würden?“ „Dann vielleicht. Aber dann will ich die Zusage schriftich. Damit ich was in der Hand habe, wenn bei den Herren in der Chefebene plötzlich ein Gedächtnisverlust eintritt.“ „Das ist durchaus verständlich. Hören Sie, Mr. Mosgruber, meine Partnerin und ich werden alles in unserer Macht stehende tun, damit diese Anglegenheit zumindest für Sie ein gutes Ende nimmt.“ „Für Ihren Komplizen werden wir leider nichts tun können.“, sagte Jelena.

Später am Abend trafen wir uns mit Valeria Zubriggen im Hotel. „Wir haben mit Alois Mosgruber gesprochen. Er hat nur positiv von Ihnen gesprochen. Sagt, Sie hätten sich nach seinem Bandscheibenvorfall rührend um ihn gekümmert.“ „Loisl war ja auch ein netter Kerl. Er hat mir zugehört, als ich mich von meinem Freund getrennt habe.“ „Es ist uns gelungen ihn zu einem Zugeständnis zu bewegen. Er würde auf weitere Anschläge verzichten, wenn die SBB ihm schriftlich garantieren, dass sie die Lärmschutzwand errichten.“ „Ich habe mit unserem obersten Chef gesprochen. Er ist für den Bau der Wand. Aber der Leiter der Finanzabteilung weigert sich, die Mittel freizugeben. Er hält es für ein Zeichen der Schwäche, wenn man Herrn Mosgruber entgegenkommt.“ „Das heißt, er will, dass Alois Mosgruber in den Knast wandert.“ „Herr Breitenreiter hält dies für die einzig richtige Maßnahme. Aber er hat auch nie einen Hehl aus seiner Abneigung gegen Alois Mosgruber gemacht.“ „Wenn ich Ihre Aussage richtig deute, dann hat Mr. Breitenreiter Mr. Mosgruber schickaniert.“ „Und wie. Wenn Alois Mosgruber eine Gehaltserhöhung oder einen Bonus für gute Leistungen bekommen hat, hat Herr Breitenreiter ihm diesen vorenthalten und ihn in seine eigene Tasche gesteckt.“ „Weiß Mr. Meyer davon?“ „Nein. Aber keiner traut sich, Herrn Breitenreiter anzuschwärzen.“ „Also wenn ich das jetzt richtig verstehe, dann werden sämtliche Mitarbeiter bei den SBB vom Finanzchef unter Druck gesetzt, damit sie ihn nicht bei der Konzernleitung melden.“ „Tyrannisiert trifft es besser. Jeder, der es wagt eine Beschwerde einzureichen, wird bei Frau Gruber unserer Personalchefin denunziert und bekommt dann postwendend eine Abmahnung.“ „Und das schüchtert ein.“ „Richtig.“ „Na schön. Dann werden wir Mr. Meyer auf diesen Umstand aufmerksam machen. Wir sind ja mehr oder minder außen stehende.“, sagte Jelena.

Am nächsten Morgen, es war Mittwoch der 11.09.2019, sprachen wir nach dem Frühstück mit Andreas Meyer. „Ich nehme an, Frau Zubriggen hat Sie auf den aktuellsten Stand gebracht, was die Lärmschutzwand angeht?“ „Das hat sie. Und wir hätten schon eine Idee, wie Sie Mr. Breitenreiter unter Druck setzen können.“, sagte Jelena. „Ich höre.“ „Sehen Sie sich doch einfach mal die Lohnabrechnungen genauer an, und überprüfen Sie mal, auf welches Konto diverse Sonderzahlungen geflossen sind.“ „Soll das etwa heißen...?“ „Nicht nur das. Nach allem, was uns Miss Zubriggen sonst noch berichtet hat, tyrannisiert Ihr Finanzchef seine Kollegen. Und wer es wagt ihn zu melden, bekommt von Ihrer Personalchefin eine Abmahnung.“ „In Ordnung. Ich werde mich der Sache annehmen.“, sagte Andreas Meyer.

Später am Abend, Jelena und ich waren in Ermatingen unterwegs, klingelte Jelenas Smartphone. Andreas Meyer, der CEO der SBB war dran. 259

„Ihr Tipp, Anton Breitenreiter, unseren Finazchef, zu überprüfen, war Gold wert. Jetzt weiß ich, warum sich die Beschwerden wegen falscher Lohnzettel gehäuft haben.“ „Dann stimmen die Aussagen von Miss Zubriggen also?“ „Leider ja. Aber nicht nur das. Offenbar hat Herr Breitenreiter auch ein sexuelles Verhältnis mit Bettina Gruber, unserer Personalchefin.“ „Das erklärt, warum sie ihm den Rücken freihält, wenn die anderen Kollegen aufmucken und Anton Breitenreiter an den Karren pissen wollen.“ „Frau Gruber genießt kein gutes Ansehen bei der restlichen Belegschaft. Fragen Sie mal Frau Zubriggen.“ Damit war das Gespräch beendet.

Am nächsten Morgen fuhren wir noch mal nach Kreuzlingen, um mit Alois Mosgruber zu sprechen. Der Frührentner empfing uns nur widerwillig. „Was haben Sie dieses Mal auf dem Herzen?“, fragte er barsch. „Wir haben ein paar Fragen, die Anton Breitenreiter betreffen.“ „Den geldgierigen Schmierlappen? Was wollen Sie wissen?“ „Können wir vielleicht drinnen weiter reden? Mir nämlich etwas kalt.“, sagte Jelena. „Na meinetwegen.“ Im Wohnzimmer nahmen wir wieder auf der Couch Platz, während Alois Mosgruber in seinem Ohrensessel Platz nahm. „Bitte. Fragen Sie mich, was Sie wissen wollen.“ „Miss Zubriggen hat uns so einiges erzählt. Wussten Sie, dass Anton Breitenreiter sich Ihre Boni und andere Sonderzahlungen einverleibt hat?“ „Sicher weiß ich das. Deswegen habe ich ihn ja angezeigt. Und diese Strafanzeige hat mir eine Abmahnung von Bettina Gruber eingebracht.“ „Es geht das Gerücht, dass Bettina Gruber und Anton Breitenreiter ein sexuelles Verhältnis haben.“ „Betty ist das Bürohäschen von Herrn Breitenreiter.“, sagte Alois Mosgruber. „Was meinen Sie damit?“ „Ganz einfach. Herr Breitenreiter schiebt mit Betty Gruber eine heiße Nummer am Arbeitsplatz, und sie sorgt im Gegenzug dafür, dass er unbehelligt bleibt.“ „Das Dumme ist nur, dass Andreas Meyer von den kriminellen Machenschaften seines Finanzchefs Wind bekommen hat.“

Dem 56jährigen Frührentner fielen vor Staunen fast die Augen aus den Höhlen. „Wer hat ihn darüber in Kenntnis gesetzt?“, wollte Alois Mosgruber wissen. „Das waren wir.“ „Und um Ihrer Nachfrage zuvor zu kommen, die Information hat uns Valeria Zubriggen gegeben.“, ergänzte Jelena. „Dann sollte Herr Meyer ganz schnell handeln und Anton Breitenreiter aus dem Verkehr ziehen. Denn wenn dieser Geldsack rausfindet, wem er den folgenden Ärger zu verdanken hat, richtet er ein Blutbad an.“

„Was genau meinen Sie damit?“, fragte ich. „Anton Breitenreiter pflegt einen ziemlich verschwenderischen Lebensstil auf Kosten der SBB. Er besitzt ein Chalet in Montreux, einen Jaguar E-Type Baujahr 1961 und einen Lamborghini Countach. Alles auf Kosten des Steuerzahlers.“ „Und es gibt keinen, der gegen ihn vorgeht?“ „Anton Breitenreiterhat viele Beziehungen in die Politik. Dem kann man nicht so leicht an den Karren pissen. Viele wissen dass und schweigen lieber.“ „Und Sie?“ Alois Mosgruber knetete die Hände und sah zu Boden. „Ich muss Ihnen beiden etwas gestehen.“ „Was?“ „Ich habe gelogen.“ „Inwiefern?“, fragte Jelena. „Insofern, dass ich eingeräumt habe, die Anschläge auf die Fernreisezüge zu planen.“ „Und?“ „Das stimmt nicht. Die Anschläge gehen allesamt auf das Konto von Anton Breitenreiter.“, sagte der 56jährige. „Und was hat das mit Ihnen zu tun?“ 260

„Er erpresst mich. Er hält meine Frau und meine Tochter auf seinem Chalet gefangen. Wenn ich nicht das tue, was er von mir verlangt, dann bringt er sie um.“ „Und er verlangt von Ihnen, dass Sie die Verantwortung für die Anschläge übernehmen?“ „Nicht nur das. Er zwingt mich dazu, die Schienenkrähen anzufertigen.“ „Aber warum das alles?“ „Der Grund ist die geplante Einführung des Helvetia Sovereign. Die SBB-Führung hat Gelder freigegeben, die Anton Breitenreiter eigentlich für sich abzweigen wollte.“ „Und der geplante Bau der Lärmschutzwand würde den Betrag noch weiter schmälern.“ „Das haben Sie sehr richtig erkannt, Frau Romanova.“

Mit diesem neu erworbenen Wissen kehrten wir nach Ermatingen zurück, wo wir im Hotel auf Andreas Meyer trafen. „Wo waren Sie denn die ganze Zeit? Ich warte und warte, aber von Ihnen beiden keine Spur.“, sagte er ungehalten. „Wir haben gearbeitet.“ „Genauer gesagt, haben wir mit Mr. Mosgruber gesprochen. Und was wir in Erfahrung bringen konnten, ist an Niedertracht kaum zu überbieten.“ „Dann berichten Sie mal.“ „Können wir irgendwo ungestört miteinander reden? Hier ist mir zu viel Publikum.“, sagte Jelena. „Kein Problem. In der Nähe gibt es ein Restaurant, in dem wir ungestört sind.“

Im Restaurant zogen wir uns in eine Nische zurück, in der uns keiner hören konnte. Nachdem der Kellner unsere Bestellungen aufgenommen hatte, begannen Jelena und ich zu erzählen. „Wir haben noch einmal mit Alois Mosgruber gesprochen und ihm von den neuesten Entdeckungen erzählt. Er war es auch, der seinerzeit die Strafanzeige gegen Anton Breitenreiter gestellt hat.“ „Das ist mir bekannt. Was wissen Sie noch?“ „Offenbar wird Mr. Mosgruber von Mr. Breitenreiter unter Druck gesetzt. So wie uns Alois Mosgruber erzählt hat, hält Anton Breitenreiter die Frau und die Tochter von Mr. Mosgruber als Geisel in seinem Chalet in Montreux gefangen und droht damit, beide zu töten, wenn Mr. Mosgruber nicht die Schienenkrähen für ihn schweißt.“ „Das würde ja bedeuten...“ „Das die Anschläge auf die Fernreisezüge allesamt auf das Konto von Anton Breitenreiter gehen. Der Grund ist die geplante Einführung des Helvetia Sovereign. Die dafür gewährten Gelder wollte Mr. Breitenreiter für sich abzweigen.“ „DIESER SCHUFT!!!“ „Es kommt noch besser. Um nicht noch mehr Gelder zum Veruntreuen zu verlieren, hat Anton Breitenreiter die Gelder für den Bau der Lärmschutzwand eingefroren.“ „Gut, dass Sie mir das berichtet haben. Ich werde mich um das Problem kümmern. Ich werde Ihnen Ihr Honorar noch heute zur Zahlung anweisen. Und ich lege noch einmal einen Bonus von 88.000 € für jeden von Ihnen oben drauf.“

Nach dem Essen gingen wir ins Hotel zurück. Auf unserem Zimmer berieten Jelena und ich das weitere Vorgehen. „Was meinst du, Jelena?“ „Wir müssen nach Montreux und uns Zugang zum Chalet verschaffen.“ „Wäre ich Anton Breitenreiter, würde ich das Gelände weiträumig mit Überwachungskameras versehen und einen Sicherheitsdienst anheuern, der rund um die Uhr auf Posten ist, um genau das zu verhindern.“ „Ich habe ein paar alte Freunde aus Speznas-Zeiten, die sind mir noch ein paar Gefallen schuldig.“, sagte Jelena. „Dann häng dich mal an dein Smartphone.“ 261

Während Jelena mit ihren Freunden telefonierte, ließ ich mir von Andreas Meyer die Privatadresse von Anton Breitenreiter geben. Über Google Earth gelang es mir, an Luftaufnahmen des Gebäudes zu gelangen. Der nächste Schritt bestand darin, an die Baupläne des Chalets zu kommen. Der Architekt, der das Haus seinerzeit entworfen hatte, willigte erst ein, nachdem Jelena ihm alles über Anton Breitenreiter erzählt hatte, was wir in Erfahrung gebracht hatten. Zur Sicherheit überprüfte ich unser Firmenkonto bei der Deutschen Bank. Und tatsächlich: Es war ein Eingang in Höhe von 306.000 € zu verzeichnen. Irgendwie musste es dem CEO der SBB gelungen sein, die sonst übliche Bearbeitungszeit von rund einer Woche so zu beschleunigen, dass wir noch am selben Tag über unser Honorar verfügen konnten.

Doch die nächste Überraschung erlebten wir am Tag darauf, am 13.09.2019. Jelena und ich waren gerade mit dem Frühstück fertig, als ein Mann in unser Hotel kam. Er war 1,80 m groß und schlank. Die blauen Augen in seinem ovalen Gesicht waren eiskalt und stechend. Die schwarzen Haare hatte er mit Haargel zurückgekämmt. Die ohnehin schmalen Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengekniffen. Auffällig war auch das markante Kinn und die etwas zierliche Nase. Bekleidet war der Unbekannte mit einem dunkelblauen Anzug, einem weißen Hemd, einer roten Krawatte schwarzen Socken und schwarzen Herrenschuhen.

Wir wollten gerade auf unser Zimmer, als uns der Fremde ansprach. „Ach entschuldigen Sie bitte, Sie sind nicht zufällig Paul MacLain und Jelena Romanova?“ „Wer will das wissen?“, fragte ich. „Mein Name ist Klaus Bachleitner. Ich bin der Rechtsanwalt von Anton Breitenreiter. Meinem Mandanten ist zu Ohren gekommen, dass gestern auf Ihrer beider Firmenkonto eine Summe in Höhe von 306.000 € eingegangen ist.“ „Und wenn schon. Das geht Ihren Mandanten einen Scheißdreck an.“ „Es ist mir ausgesprochen peinlich das zu sagen, aber die Summe wurde Ihnen beiden ohne die Zustimmung meines Mandanten ausbezahlt. Großzügig, wie Herr Breitenreiter ist, gewährt er Ihnen eine Frist von 24 Stunden, um diese illegal erhaltene Summe zurückzuzahlen.“ „Die Konsequenz wäre dann wohl Knast, nehme ich an.“, sagte Jelena. „Bedauerlicherweise träfe das zu. Wenn Sie beide auch nur einen kleinen Funken Verstand besitzen, dann tun Sie, was Herr Breitenreiter fordert.“ „Warum soll ich zugunsten von Mr. Breitenreiter auf mein sauer verdientes Honorar verzichten?“, fragte Jelena.

Klaus Bachleitner wurde kreidebleich. „Wir wissen sehr genau, was Ihr Mandant für ein mieses Schwein ist. Nur weil uns unser Honorar schon vorab ausbezahlt wurde, will er es sich jetzt von uns holen. Aber keine Chance. Das Geld bleibt da, wo es ist. Sagen Sie das Ihrem Mandanten.“, sagte ich. Anton Breitenreiters Anwalt wollte zu einer Erwiderung ansetzen, als er von hinten unsanft gepackt und gewaltsam herumgerissen wurde. Sein Gegenüber zückte ein Messer und hielt es ihm an die Kehle. „So, Briderchen. Jetzt hör mir mal gut zu. Wenn dein Mandant nicht innerhalb von 12 Stunden seine Geiseln freilässt, komme ich höchstpersönlich bei ihm vorbei und schneide ihm ein Ohr ab. Hast du mich verstanden?“ Der Anwalt nickte. „Gut. So und jetzt verpiss dich, bevor ich es mir anders überlege und bei dir anfange.“ Klaus Bachleitner rückte seine Krawatte zurecht, und verließ das Hotel. 262

Ich schluckte. Jelena hingegen lächelte. „Du bist ja schneller als die Feuerwehr Yuri.“, sagte sie. „Na wenn das mal nicht Jelena Romanova ist.“ „Lange nicht gesehen, Yuri.“ „Seit deinem unfreiwilligen Abgang bei Speznas nicht mehr.“ „Schön dich wiederzusehen.“ „Was machst du eigentlich?“ „Ich arbeite als Privatermittlerin. Siehst du den Herrn dort an der Rezeption? Das ist mein Partner Paul MacLain.“

Nachdem Jelena mich dem Speznas-Team vorgestellt hatte, suchten wir einen Ort auf, an dem wir ungestört waren. In der Bar des Hotels zogen wir uns in eine Nische zurück. Ich zeigte Jelenas ehemaligen Kollegen die Pläne des Chalets. „Das ist kein Problem. Es gibt eine Lichtung in der Nähe des Chalets. Hier. Dort landen wir und gehen nach Einbruch der Dunkelheit rein.“ „Ich hab noch die Headsets von unserem Asientrip. Die sind absolut abhörsicher.“ „Wann war das?“ fragte Yuri. „April 2018.“ „Euer Trip nach Asien ist also schon über ein Jahr her. Allerdings muss ich auch zugeben, dass es kein Elektronikunternehmen schafft, in so einer kurzen Zeit ein Gerät zu entwickeln, dass auch diese Headsets knackt.“ „In Ordnung. Welche Codenamen wollen wir verwenden?“ „Ich würde sagen, Paul du bist Hellboy. Du Jelena, bist Ark Angel.“ „Einverstanden. Ihr seid Team Snakeeater.“ „Da. Also dann. Let´s Rock N´ Roll, Briderchen.“

Um 20:45 Uhr trafen wir das Team am Westufer des Genfer Sees. Ihr Hubschrauber, ein Transporthubschrauber vom Typ NH90 wartete bereits. Jelena holte eine Sporttasche aus dem Kofferraum unseres Aston Martin. „Hier. In der Tasche sind Nachtsichtgeräte. Die werdet Ihr brauchen. Auch einige Infrarotkameras sind dabei. Außerdem Scharfschützengewehre mit Schalldämpfer.“, sagte sie. „Ich frag gar nicht, wo du das Zeug her hast.“ „Ja, das ist auch besser so, Yuri.“ „Macht euch schon mal auf den Weg. Wir sehen uns in Montreux.“ „Viel Glück, Yuri.“ „Euch auch. Und bau keinen Scheiß, Briderchen.“ „Wir SAS-Leute arbeiten nie schlampig.“ „Jetzt macht euch ab.“

Um 21:30 Uhr trafen wir am Chalet ein. Ich parkte den Rapide am Beginn des Weges, der zu dem Gebäude führte. Jelena und ich setzten unsere Headsets auf und holten unsere Ferngläser heraus. Ich suchte den von mir aus gesehen westlichen Teil des Areals ab, während Jelena von einem Hügel aus den anderen Teil des Chalets beobachtete. „Hellboy an Snakeeater.“, sagte ich. „Hier ist Snakeeater. Wo brennts?“ „Es ist wie ich vermutet habe. Auf dem Gelände patroullieren Wachposten. Euer erstes Ziel sollten die beiden Überwachnungskameras auf der Ostseite sein.“ „Mach dir nicht ins Hemd, Paul. Wir sind schon in Gebäude eingdrungen, die wesentlich schwerer bewacht waren. Wir sind schnell drin und schnell wieder draußen.“

Schließlich hörte ich das leise Flappen des Rotors des NH90. „Hellboy ruft Ark Angel. Unsere Kavallerie ist gerade eingetroffen.“, sagte ich. „Erzähl mir mal etwas, das ich nicht weiß, Kollege.“ Erneut knackte es in meinem Headset. „Snakeeater an Hellboy. Beide Kameras neutralisiert. Ich wiederhole: Beide Kameras neutralisiert.“ „Gut. Aber nehmt euch vor den Wachposten in Acht.“ „Die Brüder können sich vor uns in Acht nehmen.“, sagte Yuri. 263

Es war kurz nach Mitternacht, als der erlösende Funkspruch kam. „Hier ist Snakeeater. Beide Geiseln unversehrt und wohlauf. Abflug mit zwei Personen zusätzlich.“ „Gute Arbeit. Dafür spendier ich eine Kiste Wodka zusätzlich.“ „Ich nehm dich beim Wort, Briderchen.“ „Jetzt flieg schon los, du alter Pirat.“ „Bis später.“ „Roger.“ „Ich denke, es ist Zeit nach Ermatingen zurrückzufahren. Du kannst deinen Posten verlassen, Jelena.“

Um 0:30 Uhr kamen wir wieder in unserem Hotel an. Jelena hatte extra noch an einer Tankstelle eine Kiste Wodka für Yuri und seine Einheit besorgt. Als wir das Gebäude betraten, staunten wir nicht schlecht. Denn an der Rezeption trafen wir auf Kattie, die uns schon in Malta und in Ungarn geholfen hatte. „Dich trifft man aber auch überall.“, sagte Jelena. „Na einer muss doch auf euch aufpassen. Außerdem habe ich Nachforschungen über diese linke Bazille Anton Breitenreiter angestellt. Interessant, wie der seinen Lebensstil finanziert.“ „Lass hören.“ „Nicht hier. Ich komme morgen nach dem Frühstück zu euch auf das Zimmer.“ „Na von mir aus.“

Als wir später mit dem Frühstück fertig waren, und uns auf das Zimmer zurückgezogen hatten, klopfte es keine 5 Minuten später an unserer Tür. Kattie betrat den Raum, nachdem Jelena geöffnet hatte. In der Hand hielt sie eine Aktenmappe. „Du hast Informationen für uns?“ „Ganz Recht, Paul. Meine Nachforschungen haben ergeben, dass euer „Freund“ Anton Breitenreiter nicht nur die Firmengelder der SBB veruntreut, sondern auch die Frau und die Tochter von Alois Mosgruber zur Prostitution gezwungen hat. Karin Mosgruber, also die Ehefrau musste für die perversen Sexspiele herhalten, während Uschi Mosgruber, die Tochter, für griechische Spiele benutzt wurde.“ „Ich denke, wir haben genug Beweise, um Anton Breitenreiter endgültig festzunageln.“ „Es kommt noch besser. Anton Breitenreiter hat das ganze gefilmt und zum Download ins Netz gestellt. Natürlich nur gegen Bezahlung.“ „Gut, dass wir die Geiseln raus geholt haben.“, sagte ich. Kattie sah uns fragend an.

„Ich hab ein paar Freunde angerufen, die mir noch ein paar Gefallen schuldig waren. Die haben die Geiseln aus dem Chalet befreit.“ „Ein cleverer Schachzug. Weiß Andreas Meyer schon von eurer Aktion?“ „Noch nicht.“ „Wann hattet Ihr vor, ihn darüber in Kenntnis zu setzen?“ „Muss er denn alles wissen?“ „Das nicht. Aber es wäre ein fairer Schachzug. Denn dann hat er noch eine Handhabe mehr, um Anton Breitenreiter zu feuern.“ „Wenn er ihn nicht schon gefeuert hat. Anton Breitenreiter ist geliefert. So oder so.“, sagte Jelena.

Und wie Recht Jelena hatte, zeigte sich am Montag, den 16.09.2019. Nach dem Frühstück stürmte ein aufgebrachter Klaus Bachleitner in unser Hotel. „Sind Sie beide total übergeschnappt? Raten Sie mal was passiert ist.“, sagte er. „Ihr Mandant wurde gefeuert?“ „Nicht nur das. Ihm drohen jetzt massive Schadenersatzzahlungen. Und zu allem Überfluss liegt auch noch eine Schmerzensgeldforderung der Familie Mosgruber in Höhe von 8,5 Millionen Schweizer Franken gegen Herrn Breitenreiter vor.“ „Dann hätte Ihr Mandant vielleicht mal sein Gehirn eingeschaltet, bevor er so eine Scheiße baut. Es wird meiner Partnerin und mir eine wahre Freude sein, 264

hautnah mitzuerleben, wir Ihr Mandant seiner gerechten Strafe zugeführt wird.“ „Sie sind ein wiederliches Arschloch.“ „Und Ihr Mandant ein hinterhältiger, krimineller Schleimbeutel.“

Nach unserer deutlichen Abfuhr gegenüber Klaus Bachleitner fuhren wir noch einmal nach Kreuzlingen, wo wir auf einen überglücklichen Alois Mosgruber trafen. „Wie kann ich Ihnen danken?“, fragte er. „Das haben wir gerne getan. Es kann doch nicht sein, dass Sie und Ihre Familie die Zeche für einen geldgierigen Schnösel bezahlen.“ „Hoffentlich wird er eingesperrt.“, sagte Uschi Mosgruber. „Er bekommt die Strafe, die er verdient. Und eines ist sicher: Anton Breitenreiter wird für den Rest seines Lebens ein an Leib und Seele gebrochener Mann sein.“

Der Prozess gegen Anton Breitenreiter dauerte gerade einmal vier Tage. Die Staatsanwaltschaft forderte die Höchststrafe Lebenslänglich. Klaus Bachleitner plädierte auf nicht schuldig und versuchte Alois Mosgruber als Drahtzieher hinzustellen und wagte es sogar zu behaupten, Karin und Uschi Mosgruber hätten sich für die Sexspiele in Anton Breitenreiters Chalet freiwillig angeboten. Doch es hatte keinen Sinn. Am Montag, den 23.09.2019, wurde das Urteil gesprochen. Anklage und Verteidigung hielten ihre Schlussplädoyers. Der Stattsanwalt fing an. „Hohes Gericht. Der Mann auf der Anklagebank ist kein Mensch, sondern ein Monster. Er hat nicht nur die Firmengelder der SBB veruntreut, er hat auch die Frau und die Tochter eines Angestellten als Sexsklavinnen und Druckmittel missbraucht, um sich diesen gefügig zu machen. Außerdem hat er seine Arbeitskollegen tyrannisiert und die Leiterin der Personalabteilung für seine perfiden Zwecke missbraucht. Ein Glück, dass Andreas Meyer, der CEO der Schweizerischen Bundesbahnen, diesem niederträchtigen Treiben einen Riegel vorgeschoben hat. Anton Breitenreiter ist für schuldig zu befinden und soll eine lebenslange Haftstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung absitzen. Sein gesamter Besitz soll der Familie Mosgruber als Entschädigung zufallen.“

Danach war Klaus Bachleitner an der Reihe. „Hohes Gericht. Mein Mandant hat noch nie Firmengelder veruntreut geschweige denn die von der Anklage benannten Personen als Sexsklavinnen gehalten. Er ist unschuldig und demnach freizusprechen.“ „Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück.“, verkündete der Richter.

Nach zwei Stunden intensiver Beratung wurde das Urteil verkündet. „Verehrte Anwesende. Das Gericht ist zu folgendem Urteil gelangt. Der Angeklagte Anton Breitenreiter hat sich der Untreue, der Anstiftung zur Prostitution und der Zugsabotage und des Rufmordes schuldig gemacht. Er ist eine Gefahr für die Gesellschaft. Das Gericht folgt der Forderung der Anklage. Der Angeklagte wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Sein gesamter Besitz fällt als Entschädigung an die Familie Mosgruber. Die veruntreuten Gelder hat Anton Breitenreiter an die SBB mit Zinsen zurückzuzahlen. Die Verhandlung ist geschlossen.“ Mit einem Hammerschlag auf das Richterpult schloss der Richter die Verhandlung. 265

Einen Tag nach der Urteilsverkündung flogen Jelena und ich wieder nach Hause. Wir fuhren zum Flughafen von Zürich zurück und gben den Aston Martin bei der Autovermietung zurück. Nach einer Flugzeit von 50 Minuten landeten Jelena und ich um 14:00 Uhr auf dem Rhein-Main Flughafen in Frankfurt am Main. Wir holten unsere Koffer und machten uns dann auf den Weg in Richtung Ausgang, wo uns meine Schwester Samantha abholte. „Da seid Ihr ja wieder. Hoffentlich habt Ihr das Matterhorn stehen lassen.“ „Das steht noch. Keine Panik.“ „Und wieder ein Böser mehr, den wir unserer „Sammlung“ hinzugefügt haben.“, sagte Jelena. „Wer war es dieses Mal?“ „Der Finanzchef der SBB, Anton Breitenreiter.“ „Was hat der denn verzapft?“ „Veruntreuung von Firmengeldern, Anstiftung zur Prostitution, Zugsabotage und Rufmord.“ „Ist ja eine ordentliche Latte.“

Später am Abend saßen wir bei Jelena und Anastasia auf dem Balkon und aßen zu Abend. Wir hatten uns beim nahegelegenen Italiener etwas bestellt. „Wie hat Anton Breitenreiter eigentlich reagiert, als er eingebuchtet wurde?“, fragte Anastasia. „Er hat geflucht wie ein Rohrspatz. Und Jelena aufs übelste beleidigt. Sie hätte auch in meinem Namen Wiedergutmachung zu leisten. Daraufhin hat man ihn abgeführt und in die nächste Haftanstalt verfrachtet.“ „Ich finde er hat bekommen was er verdient. Wer Firmengelder veruntreut und die Angehörigen von Mitarbeitern als Sexsklavinnen hält, um sich diese gefügig machen, der darf nicht auf freiem Fuß bleiben,“, sagte Camille. „Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Du bist ja mal nicht vorlaut.“ „Was hat die Familie Mosgruber eigentlich mit dem Besitz von Anton Breitenreiter gemacht?“ „Das Chalet haben sie verkauft. Kann ich den Mosgrubers auch nicht verdenken. Aber die Autos haben sie behalten.“ „Und was ist mit der Personalchefin passiert?“ „Sie hat eine Verwarnung bekommen. Und sie darf ihren Posten nur behalten, weil sie Anton Breitenreiters Komplizen ans Messer geliefert hat.“, sagte Jelena. „Das ist nicht fair. Diese Schlampe hätte auch gefeuert werden müssen. Spricht Abmahnungen aus, die nicht gerechtfertigt sind, und nur weil sie den Komplizen ihres Stechers ans Messer liefert, lässt man noch Gnade vor Recht ergehen.“ „Auch wenn ich den Ausdruck Schlampe nicht gutheiße, hat Camille dennoch Recht. Bettina Gruber hätte den Posten als Personalchefin nicht behalten dürfen.“, sagte Anastasia. „Keine Ahnung wer das entschieden hat.“ „Andreas Meyer bestimmt nicht. Der hat mir vor unserer Abreise noch mal versichert, dass er Bettina Gruber am liebsten als Personalchefin absägen würde.“ „Warum macht er das nicht einfach?“, fragte Camille. „Warum fragst du, Camille?“ „Denk doch mal nach, Onkel Paul. Der Mann ist der CEO bei den SBB. Und damit hat er das Recht, einen Bereichsleiter von seinem Posten zu entfernen, wenn der seinen Job nicht richtig macht. Und im Fall von Bettina Gruber war das der Fall.“ Ich musste mir eingestehen, dass Camille Huybrechts mit ihrer Aussage Recht hatte.

Der Fall in der Schweiz war abgeschlosen. Doch der nächste Fall wartete bereits. 266

22. Fall - Rechtsradikalismus in Krems an der Donau

22. Fall – Rechtsradikalismus in Krems an der Donau

Es war Herbst geworden. Auch wenn es noch gut und gerne 21 Grad waren, hatten sich die Blätter der Laubbäume bereits bunt gefärbt und begannen von den Ästen zu fallen. Wir schrieben Freitag, den 04.10.2019. Jelena, Brit und ich hatten gerade unsere morgendliche Joggingrunde durch den nahegelegenen Park beendet und waren gerade im Büro angekommen, als es an der Tür klingelte. Brit öffnete. Nur kurze Zeit später hörten wir Schritte auf der Treppe. Schließlich klopfte es an der Tür. „Herein!“, rief ich. Die Frau die eintrat, war eine Augenweide. Sie war 1,57 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. Ihre brünetten Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Auch ihre nicht allzu üppigen Brüste waren ein Hingucker. Das ovale Gesicht mit den blauen Augen war ebenfalls hübsch anzusehen. Nicht nur wegen der leicht breiten Nase, die sich perfekt ins Gesicht einfügte, sondern auch wegen der sinnlichen Lippen. Bekleidet war unsere Besucherin mit einem schwarzen Minikleid und schwarzen High Heels.

„Was können meine Partnerin und ich für Sie tun, Miss...?“ „Brunner. Marlena Brunner.“, sagte unsere Besucherin. „Ich nehme an, dass Sie aus Österreich kommen, Miss Brunner.“ „Ja, das stimmt. Ich bin in Kufstein geboren, lebe und arbeite aber in Krems an der Donau.“ „Und was machen Sie beruflich, wenn ich mal fragen darf.“ „Ich bin die Dezernentin für Sicherheit in Krems.“ „Und was genau ist Ihr Problem?“ „Seit Mai haben wir ein Problem mit Rechtsradikalismus. Sehen Sie, eine Nazigruppierung veranstaltet regelmäßig Hetzjagden auf Flüchtlinge und auch auf österreichische Staatsbürger, die es wagen, sich den Nazis entgegenzustellen.“ „Was wissen Sie über diese Gruppe?“ „Sie nennen sich „Bruderschaft Adolf Hitler“. Ihr Anführer ist ein Mann namens Manfred Schicklgruber.“ „War das nicht mal der eigentliche Nachname des Führers?“, fragte Jelena. „Ganz recht. Und jetzt kommts. Manfred Schicklgruber gleicht Adolf Hitler wie ein Ei dem anderen.“ „Wahrscheinlich kann er sich auch genau so gut ausdrücken.“ „Absolut. Dieser Mann ist der perfekte Doppelgänger.“

„Sie sprachen davon, dass seine Anhänger regelmäßig Hetzjagden auf Flüchtlinge und Gegner der Bruderschaft veranstalten. Was passiert, wenn die Nazis ihr Opfer erwischen?“, fragte Jelena. „Ist es ein Flüchtling, wird er eiskalt ermordet. Ist es ein Österreicher, wird er brutal zusammengeschlagen.“ „Und was ist mit der Polizei? Machen die nichts?“ „Sie tun zwar was. Aber zu wenig. Sie haben Angst. Denn einige Kollegen sind Mitglied in der Gruppe.“ „Wann war der letzte Vorfall?“, wollte ich wissen. „Gestern. Zwei Brüder haben einen Flüchtling aus Syrien bei sich in der Wohnung versteckt. Die Bruderschaft hat davon Wind bekommen. Also hat Manfred Schicklgruber befohlen, den beiden die Quittung für ihre Courage zu verpassen.“ „Was genau ist passiert?“ „Die beiden Brüder wurden vor meinen Augen von einer kleinen Gruppe zuerst angepöbelt. Aber als sie nicht reagiert haben, haben die Nazis angefangen, die Brüder rumzuschubsen. Und als auch das nicht funktioniert hat, haben sie zugeschlagen. Und als die Gebrüder Morgenstern auf dem Boden lagen, haben diese Nazischweine auf sie eingetreten, bis sie das Bewusstsein 267

verloren haben. Erst dann haben sie von den beiden abgelassen. Aber dabei haben es die Nazis nicht belassen.“, sagte Marlena Brunner. „Was geschah noch?“ „Sie haben jeden angegriffen, der es gewagt hat, den Brüdern zu Hilfe zu eilen.“ „Jelena?“ „Ich denke, wir sollten den Fall übernehmen.“ „Wären 120.000 € genug?“ „Wir sind einverstanden.“

Am Montag, den 07.10.2019 reisten Jelena und ich nach Krems. Wir hatten uns für das Hotel „Alte Post“ entschieden. Brit brachte mich und Jelena zum Flughafen. „Viel Glück und auf das eure Knochen heil bleiben.“, sagte sie. „Keine Sorge. Wir kommen lebend zurück. Oder wie hat Admiral Halsey vor der Schlacht um Midway zu seinem Stellvertreter Ray Spruance gesagt: „Fahr raus, finde Yamamoto und verhau ihm den Arsch. Das ist alles was du zu tun hast.“ Und genau dasselbe machen wir auch mit Manfred Schicklgruber.“, sagte ich. „Es ist eine Sache, einen geldgierigen Finanzchef der SBB hochgehen zu lassen. Aber es ist eine andere, einen gefährlichen Neonazi zur Strecke zu bringen. Wenn der spitz kriegt, dass Ihr ihm ans Leder wollt, dann hetzt euch Manfred Schicklgruber seine beißwütigen Dobermänner auf den Hals.“ „Du meinst seine Schergen?“ „Nenn es wie du willst, Jelena.“ „Wir werden schon dafür sorgen, dass sich die Brüder vor Angst in die Hosen scheißen, wenn sie die Namen Paul MacLain und Jelena Romanova auch nur hören.“ „Na von mir aus.“

Mit dem SkyLine-Zug fuhren Jelena und ich von Terminal 2 zum Terminal 1, da die Maschinen von Austrian Airlines in den Bereichen A und B des Terminal 1 abgefertigt wurden. Am Schalter 460, an dem die Gepäckabfertigung für den Flug nach Wien abgewickelt wurde, gaben wir unsere Koffer ab. Danach gingen wir weiter zur Sicherheitsschleuse, die Jelena und ich ohne nennenswerte Schwierigkeiten passierten. Im Transitbereich suchten wir uns einen freien Platz. Und während Jelena das Geschehen beobachtete, suchte ich auf der Anzeigetafel unseren Flug nach Wien. Bald hatte ich ihn entdeckt. Unser Flug nach Wien war mit der Flugnummer OS101 angezeigt und sollte am Gate A26 zum Boarding bereitstehen.

Um 14:00 Uhr startete unsere Maschine, um nach einer Flugzeit von einer Stunde und zwanzig Minuten auf dem Flughafen Wien Schwechat zu landen. Nach dem wir unser Gepäck geholt hatten, suchten wir am Flughafen nach einer Autovermietung. Bei europcar entschieden wir uns für einen 4türigen Mazda 6. Es war ein Modell der Exclusive Line, das über eine umfangreiche Serienausstattung verfügte. Der Wagen war in mitternachtsblau metallic lackiert und hatte den 165 PS starken Skyactiv G165 Benzinmotor und das 6-Gang-Schaltgetriebe.

Vom Flughafen in Wien fuhren wir über die A22 eine Stunde und 7 Minuten nach Krems an der Donau. Das Hotel „Zur alten Post“ war ein vierstöckiger Altbau. Die Fenster waren nicht sehr groß, verliehen dem Gebäude aber einen rustikalen Charme, Die Außenfassade des Gebäudes war in einem hellen Gelbton gestrichen, und wurde von weißen Sandsteinplatten durchzogen, die als Dekoration dienten. Das doppelte Giebeldach des Hotels war mit roten Ziegeln aus Ton gedeckt. An den Fenstern, die die ersten beiden Hoteletagen kennzeichneten, hatte man Blumenkästen angebracht. 268

Wir parkten gerade auf dem Parkplatz des Hotels, als Jelena eine etwas größere Menschenmenge auffiel, die sich um ein Podest versammelt hatte. Auf dem Podest stand ein Mann. Er war 1,75 m groß und hatte einen athletischen Körper. Seine braunen Haare hatte er bis zur Oberkante der Ohren geschnitten und zur rechten Seite hin gescheitelt. Außerdem trug er einen Schnauzbart unter der Nase. In seinen braunen Augen konnte ich einen stechenden, hasserfüllten Blick erkennen. Bekleidet war der Mann mit einer braunen Jacke, einer schwarzen Stoffhose, schwarzen Socken und schwarzen Herrenschuhen.

Als wir ausstiegen konnte ich die Stimme des Mannes hören. Und da ich schon als kleiner Junge gerne Dokumentationen über diverse prominente Zeitgenossen aus der Zeit des zweiten Weltkriegs gesehen hatte, war mir die Stimme Adolf Hitlers im Gedächtnis geblieben. Nun hörte ich einem Mann zu, der dem „Führer“ wie ein Ei dem anderen glich und der auch diesselbe Stimme besaß wie der deutsche Diktator. Auch die Art und Weise, wie der „Doppelgänger“ sich ausdrückte, war absolut identisch mit dem Original.

„Die Menschen, die sich für die Rechte von Flüchtlingen stark machen, und die uns energisch mit Entschlossenheit entgegentreten, sind eine Bedrohung für unsere Republik. Unser Vaterland muss von diesen Anti-Nationalsozialisten und den Flüchtlingen ein für allemal gesäubert werden! Wir werden nicht zulassen, dass unsere Feinde die Oberhand in unserer Heimat gewinnen. Ich sage: JAGT DIESE VOLKSVERRÄTER AUS UNSEREM LAND! UND AUF DAS SIE NIE WIEDERKEHREN MÖGEN, SAGE ICH: VERBRENNT DIESE LINKSVERSIFFTE GRÜNE BRUT!!!!“ Bei diesen Worten lief es mir eiskalt den Rücken runter. Aus der Menge erscholl ein lautes: „UNSEREM FÜHRER EIN LAUTES SIEG...“ „HEIL!“ stimmte der Rest der Menge mit ein. „Machen wir, dass wir ins Hotel kommen. Ich hab keinen Bock, einem aufgestachelten Mob in die Hände zu laufen.“, sagte ich leise. „Wollte ich auch gerade vorschlagen.“

Als wir das Hotel betraten sahen wir am Empfang zwei junge Frauen. Eine erkannte ich sofort wieder. Es war Kattie. Sie hatten wir auf Malta kennen gelernt und in Ungarn wieder getroffen. Neben Kattie stand eine weitere Frau. Sie war eine 1,69 m große Brünette mit wunderschönen braunen Augen. Ihre Haarre trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Schultern reichten. Der schlanke, sexy Körper hatte ebenso seine Reize, wie das ovale Gesicht mit den sinnlichen Lippen und der breiten Nase, die sich aber dennoch harmonisch in dieses Engelsgesicht einfügte. Bekleidet war sie mit einem blauen Minikleid mit kleinen aufgestickten Perlen und blauen High Heels. Sie sah kurz von ihrem Monitor auf und fragte: „Was kann ich für Sie tun?“ „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert.“ „Einen Moment. Ah! Da ist es! Paul MacLain und Jelena Romanova. Sie haben Zimmer 20. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt.“, sagte die Brünette und gab uns unseren Zimmerschlüssel.

Kattie begleitete uns in den zweiten Stock. „Also seid Ihr wieder im Einsatz.“, sagte sie. „Es gibt immer einen Bösen, der meint, dass er es sich leisten kann, sich 269

mit uns anzulegen.“ „Dann nehmt euch in acht. Manfred Schicklgruber ist ein sehr gefährlicher Mann. Er sieht sich selbst als der neue starke Mann Österreichs.“ „Also ein Größenwahnsinniger.“, sagte Jelena. „So siehts mal aus. Aber er hat vor, in Deutschland einzumarschieren, um von Berlin aus ein neues Nazi-Reich aufzubauen.“ „Woher weißt du das?“ „Ich hab mitbekommen, wie sich zwei seiner Gefolgsleute unterhalten haben. Einer meinte, dass er sich freiwillig für den Einmarsch in Deutschland melden und bei der Errichtung des neuen Nazi-Reiches mithelfen will.“ „Hat er auch gesagt, wann es losgehen soll?“ „Manfred Schicklgruber will am 20. April 2021 in Deutschland einmarschieren.“ „Behalte ihn im Auge. Und erstatte uns Bericht.“

Am nächsten Morgen, Jelena und ich hatten gerade unser Frühstück beendet, trafen wir an der Rezeption Kattie und ihre Kollegin. „Guten Morgen Kattie.“, sagte ich. „Na Ihr zwei hübschen?“ „Gibts was neues?“ „Meine Kollegin Rita und ich waren gestern noch einen trinken. Dabei sind uns zwei von Manfred Schicklgrubers Gefolgsleuten aufgefallen. Die beiden hatten schon ein gehörige Ladung Alkohol in sich reingeschüttet, so wie die gegrölt haben.“ „Was haben die beiden denn so von sich gegeben?“, fragte Jelena. „Unser Adolf-Hitler-Verschnitt plant den Aufbau einer privaten Armee. Er will einen alten Namen aus der Zeit der Nazidiktatur wieder aufleben lassen.“ „Welchen?“ „Er will seine Armee „Reichsstandarte „Adolf Hitler“ nennen. Außerdem will er auch die Waffen SS wieder auferstehen lassen.“, meldete sich Rita zu Wort.

Um die Mittagszeit gingen Jelena und ich in Krems spazieren. Im Stadtzenrum fiel uns ein Stand auf, der mit dem Slogan „Österreich wieder stark machen“ warb. Neben dem Stand hatten Anhänger ein 1:1 Abbild von Manfred Schicklgruber aus Pappe aufgestellt. Man hatte auch Stehtische aufgestellt an denen je ein Mann stand, der mit den Bürgern der Stadt ins Gespräch treten sollte. Hinter dem Stand saß eine ältere Frau, die zwischen 60 und 65 Jahre alt war. Gerade kam ein junges Pärchen vorbei. Einer der Männer an den Stehtischen sprach sie an. „Entschuldigung, dass ich Sie beide anspreche, aber wie denken Sie über die derzeitige Situation in diesem Land?“, sagte er. Doch das Pärchen ging weiter. Allerdings wollte sich der Mann nicht so leicht geschlagen geben. Er stellte sich den beiden in den Weg und sagte: „Sie gehen solange nicht weiter, bis Sie mir zugehört haben.“ Die beiden wollten nach links ausweichen, doch dort stand ein weiterer von Manfred Schicklgrubers Anhängern. Auch rechts war kein Vorbeikommen.

Jelena und ich beschlossen einzugreifen. „Entschuldigung, wenn wir stören, aber es scheint, als ob die beiden kein Interesse an dem haben, was Ihr zu verkünden habt.“, sagte Jelena. „Was mischst du dich da ein, Russenfotze?“, sagte der Mann, der das Pärchen angesprochen hatte. Als Antwort schlug ihm meine Partnerin mit dem Handrücken ins Gesicht. Der zweite Kerl, der sich links vom Sprecher positioniert hatte, griff Jelena an. „Du schlägst Alois nicht.“, sagte er. Doch der Mann hatte die Rechnung ohne mich gemacht. Ich packte ihn am Handgelenk, drehte ihn um und rammte ihm meine Faust in die Magengrube. Der Nazi brach zusammen. Der andere Nazi, der dem Pärchen den Weg rechts versperrt hatte, sah mich 270

mit hasserfüllten Augen an. „Willst du auch ein paar aufs Maul? Dann komm her, wenn du dich traust.“, sagte ich. „Lieber nicht.“ „Feige Sau! Erst das Maul aufreißen, aber wenns ernst wird den Schwanz einziehen.“

Die ältere Dame kam nun dazu. „Wer sind Sie beide eigentlich, dass Sie sich das Recht raus nehmen, so unverfroren Sand ins Getriebe unserer Propagandamaschinerie zu streuen?“, fragte sie barsch. „Mein Name ist MacLain. Paul MacLain.“ „Sieh mal einer an. Paul MacLain. Der Tommyschnüffler aus Inverness. Dann ist ihre weibliche Begleitung wohl Jelena Romanova aus Smolensk.“ „Das haben Sie sehr richtig erkannt.“ „Hat man Sie beide auf unseren Führer angesetzt?“ „Sie glauben doch nicht allen ernstes, dass wir ihnen den Grund unseres Aufenthaltes hier in Krems nennen.“, sagte Jelena. „Sie sind wohl kaum aus privaten Gründen hier.“ „Wie meine Partnerin es bereits gesagt hat, wir werden Ihnen keinerlei Informationen zum Grund unseres Aufenthaltes geben.“ „Wie schon gesagt, ich bin davon überzeugt, dass Sie beide dienstlich hier sind. Wer hat Sie beauftragt?“ „Auch dazu äußern wir uns nicht.“

Später am Abend trafen sich die Anhänger von Manfred Schicklgruber in einem Wirtshaus am Stadtrand von Krems an der Donau, das den Nazis wohl gesonnen war, da es dem Cousin des neuen „Adolf Hitler“ gehörte. Der neue starke Mann Österreichs hielt wieder einmal eine seiner Hassreden. „Unsere Feinde werden nicht weniger, sie werden mehr! Wir können, ja wir DÜRFEN nicht zulassen, dass hier in unserem Land die Grenzen für jedermann offen bleiben. Nur wenn wir unsere Heimat vor Juden, Moslems und anderem unreinen Gesindel schützen, dann wird Österreich wieder ein starkes Österreich.“ Ein lautes „Sieg Heil!“ erscholl aus der Menge. „Ich bin dazu bereit, liebe Freunde, euch alle in eine glorreiche Zukunft zu führen, auf das die arische Rasse endlich die Weltherrschaft übernimmt, die sie schon unter meinem Ebenild Adolf Hitler hätte übernehmen müssen.“ Wieder skandierten Manfred Schicklgrubers Anhänger „Sieg Heil!“

Nach dem er seine Rede gehalten hatte, mischte sich Manfred Schicklgruber unter seine Anhänger. „Was hat die Standaktion heute erbracht?“, fragte er in die Runde. „Nichts. Die meisten Leute sind einfach vorbeigegangen. Ein junges Pärchen wollte vorbeigehen, aber Alois ist hartnäckig geblieben. Sepp und Joseph haben ihn unterstützt. Aber leider haben sich zwei Fremde eingemischt und Alois und Sepp eins mitgegeben.“ „Wer sind die beiden?“, wollte Manfred Schicklgruber wissen. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Ich habe versucht, Sie unter Druck zu setzen, um herauszubekommen, wer Sie schickt, aber die beiden verraten nichts.“ „Das war nicht anders zu erwarten Irmintrude. Die beiden sind Privatdetektive. Aber ich habe eine Ahnung, wer die beiden angeheuert hat.“ „Wer?“ „Marlena Brunner. Diese Frau ist mir schon lange ein Dorn im Auge.“ „Sollen wir sie liquidieren?“ „Nein. Oder sagen wir, noch nicht.“ „Was sollen wir dann unternehmen, Manfred?“, fragte Irmintrude. „Ein paar Drohbriefe wirken manchmal Wunder. Wenn sich nichts tut, dann setzen wir uns nochmal zusammen und beraten das weitere Vorgehen.“

Am nächsten Tag lief die Drohbriefaktion der Nazi-Bande gegen unsere 271

Klientin an. Die Briefe wurden am PC verfasst und mit „Anhänger der Bruderschaft „Adolf Hitler“ unterschrieben. Doch Marlena Brunner ließ sich davon nicht einschüchtern. Die Nazis trafen sich an einem geheimen Ort, den sie, wie uns Kattie und Rita berichteten, das „Hauptquartier“ nannten. Doch den genauen Ort hatten die beiden nicht in Erfahrung bringen können. Sie mussten vorsichtig sein, um Manfred Schicklgruber und seine Bande nicht unnötig zu provozieren. Außerdem waren die Nazis gewarnt und wussten, dass wir ihnen im Nacken saßen.

Am Dienstag, den 15.10.2019 schlugen die Nazis dann erneut zu. Sie zündeten ein leerstehendes Haus an, in dem syrische Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Zusätzlich parkten Mitglieder der Bruderschaft die Einfahrten der Feuer- und der Rettungswache zu, um zu verhindern, dass die Rettungskräfte zum Einsatzort gelangen konnten. Doch die Freude der beiden Nazis, die die Einfahrt der Feuerwache blockiert hatten währte nicht lange. Denn aus dem Löschfahrzeug stieg ein Mann aus. Er war ca. 1,88 m groß und war athletisch gebaut. Der Mann hatte ein rundes Gesicht mit abstehenden Ohren, kurzgeschorenen braunen Haaren und braunen Augen. Auffällig waren die schmale Nase und der Bart an der Unterseite des Kinns. Bekleidet war der Mann mit der typischen Uniform eines Rettungssanitäters.

„Moin, Ihr geilen Typen! Wisst Ihr was Ihr da gerade macht? Ihr hellen Kerzen auf der Geburtstagstorte?“ „Wir parken hier nur.“ „Ihr wisst schon, dass das die Einfahrt von einer Rettungswache ist?“ „Na und wenn schon. Wir sind hier gleich wieder weg. Dauert nur 15 Minuten.“ „Ach ne. Jetzt stellt euch mal vor, bei euren Angehörigen zu Hause passiert was. Und ein Polizei, Feuerwehr- oder Rettungswagen muss dort hin. Und Ihr blockiert mit eurem Auto die Einfahrt der Wache. Was glaubt Ihr, was eure Angehörigen von euch denken?“, fragte der Mann. „Keine Ahnung.“ „DAS IHR EINEN AN DER MARMEL HABT MANN! SAGT MAL SEID IHR BESCHEUERT ODER WAS? SEHT ZU, DASS IHR VERNÜNFTIG PARKT! SONST KRIEGT IHR MAL NE RICHTIGE ANSAGE! BALD MUSS MAN MAL RÄUMSCHAUFELN VOR DIE EINSATZFAHRZEUGE MACHEN, DAMIT MAN EURE AUTOS DA WEGHAUEN KANN! ABER NÖ! AUCH DANN WÜRDET IHR NOCH RECHT KRIEGEN, WEIL DANN IST IMMER NOCH DER EINSATZFAHRER SCHULD, DASS DER NÄMLICH EUER AUTO ANGEDITSCHT HAT! EIGENTLICH MÜSSTE MAN HIER MAL AMERIKANISCHE VERHÄLTNISSE EINFÜHREN. WENN IHR IM WEG SEID, DANN SCHIEBEN DIE EUCH EINFACH WEG DA, UND DA BEZAHLT KEINE VERSICHERUNG! MEINE GÜTE! WENN ICH SOWAS SCHÖN SEH ODER HÖR, DANN KRIEG ICH SO NEN BLUTDRUCK DOOO! ECHT! MAL OBEN DIE HIRNBIRNE EINSCHALTEN! ODER IST DAS DING NUR DA OBEN AUF DEM HALS, DAMIT ES NICHT BEIM REGEN IN DEN KÖRPER REINREGNET ODER WAS? SEHT ZU, DASS IHR DAS IN ZUKUNFT SEIN LASST, IHR LAPPEN! VERSTANDEN?“ „V- verstanden.“ „GUT! WILL ICH DOCH WOHL AUCH HOFFEN!“

Auf dem Weg zurück ins Hotel kamen wir an dem Haus vorbei. Die Feuerwehr war gerade dabei, die Flammen zu löschen, als ein paar Anhänger der „Bruderschaft „Adolf Hitler“ vorbei kamen. „Nun schaut euch das mal an, Kameraden! 272

Wir geben uns Mühe, damit dieses Haus für diese scheiß Kanacken unbewohnbar wird, und die Feuerwehr macht alles zunichte. Können wir das zulassen?“ Daraufhin ging der Anführer der Gruppe den Mann zu, der die Löscharbeiten koordinierte. „Hör mal zu, du Meisenarsch! Jetzt mach mal ganz schnell die Biege und nimm deinen Löschtrupp mit, oder willst du deine Schwingen in der Schlinge tragen?“, fragte er.

Kaum hatte er zu Ende gesprochen feuerte Jelena einen Warnschuss aus ihrer Makarow ab. „Es reicht jetzt, Runkelrübe!“, sagte meine Partnerin kalt. „Ach du Scheiße! Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Na die haben uns gerade noch gefehlt.“ „Und was jetzt?“ „Wir verduften.“ „Dir ist schon klar, Sebastian, dass Herr Schicklgruber alles andere als erfreut sein wird, wenn wir ihm sagen, dass wir die Feuerwehr nicht am Löschen gehindert haben, wie er es befohlen hat.“ „Willst du, dass die Luft bleihaltig wird, Reinhard?“

Mit unserem Mazda folgten wir der Gruppe in einigem Abstand und kamen an einen Bunker, der zur Zeit des zweiten Weltkriegs gebaut worden war. „Sieht so aus, als hätten wir den Unterschlupf dieser Nazi-Bande gefunden.“, sagte Jelena. „Auf jeden Fall. Aber jetzt sollten wir ins Hotel zurück. Nicht dass uns jemand entdeckt.“ „Du hast Recht, Paul. Besser wir verschwinden.“

Während der Fahrt zurück ins Hotel schlug Jelena vor, den Standort den örtlichen Polizeibehörden zu melden. Doch als wir am Hotel vorfuhren, erlebten wir eine böse Überraschung. Ich sah zwei Streifenwagen und vier Polizeibeamte. Einer der Beamten kam auf uns zu und riss die Beifahrertür unseres Mietwagens auf. „Aussteigen, Frau Romanova! Aber ein bisschen dalli, wenn ich bitten darf!“, sagte er scharf. Jelena gehorchte. Doch dann wurde sie rau an der Schulter gepackt und an unseren Mazda gedrückt. Der Streifenpolizist tastete meine Partnerin ab. Und das zu gründlich, denn er griff Jelena in den Ausschnitt und zwischen die Beine.

„Lassen Sie meine Partnerin in Ruhe! Sie hat nichts getan.“, sagte ich. „Schnauze Mr. MacLain! Wenn Sie sich noch mal einmischen lasse ich Sie einsperren.“ Dann nahm der Polizist ein Paar Handschellen und drehte ihre die Arme brutal auf den Rücken, ehe er die Handschellen schloss. „Jelena Romanova, ich verhafte Sie wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit!“ Ein Kollege brachte Jelena zu einem der Streifenwagen und setzte sie in den Fonds des Wagens. Sein Kollege wandte sich mir zu. „Und für Sie habe ich eine Warnung, Mr. MacLain. Sollten Sie den Versuch unternehmen, Ihre Partnerin aus dem Gefängnis zu holen, dann...“ „Dann was? Ich zittere schon am ganzen Körper, du Strolch.“ „Seien Sie mal nicht so frech, Mr. MacLain. Vergessen Sie nicht, in dieser Stadt bin ICH das Gesetz. Noch so eine Frechheit, und ich buchte Sie gleich mit ein. Seien Sie froh, dass Sie ein freier Mann bleiben.“

Hilflos musste ich mit ansehen, wie meine Partnerin ins Gefängnis gebracht wurde. Doch so leicht wollte ich nicht aufgeben. Ich fuhr zur Polizeiwache und wollte mit Jelena sprechen, damit sie ihre Hoffnung nicht verlor. Doch zu meiner größten Überraschung verweigerte der Leiter der Dienststelle mir den Besuch. 273

„Ihre Partnerin hat auf eine Gruppe Unschuldiger geschossen. Deshalb muss sie aus dem Verkehr gezogen werden. Wenn ich Ihnen jetzt erlaube, Miss Romanova zu sehen, schmieden Sie beide womöglich Pläne für eine Flucht. Und das ist nicht im Sinne der Justiz dieses Landes. So leid es mir tut, aber ich muss Sie bitte zu gehen.“ , sagte der Beamte. „Na schön. Ganz wie Sie wollen. Aber ich komme wieder!“ „Tun Sie das ruhig. Aber es wird nichts an der Situation ihrer Partnerin ändern. Jelena Romanova bleibt in Haft“ Ich warf dem Leiter des Polizeireviers einen vernichtenden Blick zu und verließ die Wache.

Bevor ich ins Hotel zurückkehrte, fuhr ich noch einmal beim Rathaus vorbei und suchte Marlena Brunner auf. Zum Glück war sie noch in ihrem Büro. „Sie erwischen mich voll auf dem Sprung. Ich wollte gerade Feierabend machen.“ „Es tut mir leid, dass Sie meinetwegen ihren Feierabend nach hinten verlegen müssen. Aber ich brauche Ihre Hilfe.“, sagte ich mit matter Stimme. „Stimmt was nicht? Sie wirken so verängstigt.“ „Jelena wurde verhaftet. Ich wollte sie besuchen, aber man verweigert mir jeden Kontakt mit ihr.“ „Setzen Sie sich.“ Ich setzte mich unserer Klientin gegenüber. „Und jetzt erzählen Sie mir bitte, was passiert ist.“, sagte Marlena Brunner. „Die Nazis haben ein leer stehendes Haus angezündet, im dem Flüchtlinge untergebracht werden sollten. Und um sämtliche Einsatzkräfte am Löschen zu hindern, haben die Kerle sämtliche Feuer-, Rettungs-, und Polizeiwachen zugeparkt. Als Jelena und ich an dem Haus vorbeikamen war die Feuerwehr bereits vor Ort und hat mit dem Löschen angefangen. Aber eine Gruppe der Bruderschaft wollte dies verhindern.“ „Was ist noch passiert?“ „Der Anführer der Bande wollte den Einsatzleiter einschüchtern. Jelena hat einen Warnschuss aus ihrer Makarow abgefeuert. Wir sind den Nazis gefolgt und haben deren Versteck aufgespürt. Als wir zu unserem Hotel zurückkamen, standen dort zwei Streifenwagen. Offenbar hat man auf uns gewartet. Jelena wurde ohne angehört zu werden verhaftet und ins Gefängnis gebracht.“ „Fahren Sie zurück ins Hotel. Ich treffe Sie heute Abend im Restaurant. Und ich bringe noch jemanden mit.“ „Ich danke Ihnen.“ „Keine Ursache.“

Später am Abend saß ich im Restaurant und wartete. Mein Abendessen hatte ich bereits verputzt. Um 20:00 Uhr kam Marlena Brunner in Begleitung zweier Damen. Die eine war eine 1,74 m große braunhaarige mit einem ovalen Gesicht und grünen Augen. Ihre Haare trug sie offen, sodass sie bis zur Armbeuge reichten. Ihre Nase war zwar etwas breit, aber das tat der Schönheit dieser Lady keinen Abbruch. Auch die üppige Oberweite hatte etwas reizvolles, ebenso wie die sinnlichen Lippen. Auch der schlanke, sexy Körper hatte seine Reize, wie ich zugeben musste. Bekleidet war die Lady mit einem Weißen Kleid und weißen High Heels.

Ihre Begleiterin war nicht minder attraktiv. Sie war 1,67 m groß und hatte schwarze Haare, die bis zu ihren üppigen Brüsten reichten. Das runde Gesicht mit den braunen Augen und den sinnlichen Lippen war ebenfalls ein Hingucker. Auch der schlanke, sexy Körper und die wunderschönen Beine waren nicht zu verachten. Im Gegensatz zu ihrer Begleiterin hatte diese Dame eine etwas grazilere Nase. Bekleidet war diese Lady in Black mit einem schwarzen Minikleid, mit einem Ausschnitt, der einen großzügigen Blick auf ihre üppige Oberweite gewährte 274

und schwarzen Stiefeletten. „Guten Abend Herr MacLain. Ich sagte bei ihrem Besuch bei mir ja schon, dass ich nicht alleine komme.“ „Das sagten sie.“ „Erlauben Sie, dass ich Ihnen meine Begleiterinnen vorstelle?“ „Nur zu.“ „Zuerst sollte ich wohl erwähnen, dass die beiden Damen von Beruf Staatsanwältin und Richterin sind.“, sagte Marlena Brunner. Ich wurde hellhörig. „Setzen Sie sich doch.“, sagte ich. Die drei kamen meiner Bitte nach. „Und nun möchte ich Ihnen meine Begleitung vorstellen. Zu meiner linken Staatsanwältin Emilia Schrammel.“ „Freut mich, Sie kennenzulernen.“, sagte ich.

Also war die Dame in weiß Staatsanwältin. „Zu meiner Rechten Richterin Doris Gerhart.“ „Nice to meet you.“ „Frau Brunner hat uns berichtet, dass die Polizei Ihre Partnerin Jelena Romanova verhaftet hat. Stimmt das?“ „Ja, das stimmt. Außerdem musste Jelena eine Leibesvisitation über sich ergehen lassen. Der Beamte, der sie abgetastet hat, hat ihr zusätzlich noch in den Ausschnitt und zwischen die Beine gefasst.“ „Damit ist der Straftatbestand der sexuellen Belästigung erfüllt. Ich komme morgen früh ins Hotel. Erwarten Sie mich in der Lobby. Ich bringe dann einen Gerichtsbeschluss mit. Damit kriegen wir Ihre Partnerin wieder frei. Außerdem werden Frau Schrammel und ich Sie auf die Wache begleiten.“

Am nächsten Morgen, es war Mittwoch der 16.10.19, traf ich mich mit Emilia Schrammel und Doris Gerhart. Die Richterin hatte, wie am Vorabend versprochen, den Gerichtsbeschluss mitgebracht. Gemeinsam fuhren wir zu der Polizeiwache, auf die man Jelena gebracht hatte. Vor dem Eingang sah ich einen Streifenwagen, der von mehreren Beamten bewacht wurde. Darunter auch der dicke Beamte, dem meine Partnerin ihre Festnahme zu verdanken hatte. Als ich ausstieg grinste er diabolisch. „Sind Sie gekommen, um ihrer Partnerin Lebewohl zu sagen?“, fragte er. „Was soll das heißen?“ „Jelena Romanova wird in ein anderes Gefängnis verlegt.“ „Ach wirklich?“ „Rede ich Chinesisch oder was? Wenn ich sage, dass ihre Partnerin in ein anderes Gefängnis verlegt wird, dann können Sie mir das glauben. Und ich habe strikte Anweisung Sie nicht zu ihr zu lassen. Wird wohl nichts mit dem Verabschieden.“, sagte er und grinste wieder diabolisch.

Doch der Ausdruck in seinem Gesicht veränderte sich schlagartig, als Doris Gerhart und Emilia Schrammel aus dem Wagen stiegen. „Ich habe alles mitbekommen. Und ohne ausdrückliche Genehmigung gibt es keine Verlegungen. Und ich habe keine Verlegung angeordnet.“, sagte die Richterin. Der Leiter der Wache kam heraus. „Also Erwin in 5 Minuten geht es los.“ „Gar nichts geht los.“, sagte ich. „Sie haben hier gar nichts zu sagen, Herr MacLain.“ „Ich nicht. Aber sie.“, sagte ich und deutete mit dem Kopf auf die Richterin. „Wer sind Sie denn?“, fragte Der Leiter. „Doris Gerhart. Von Beruf Richterin. Und ich habe hier einen hübschen kleinen Gerichtsbeschluss für Sie.“ Mit diesen Worten reichte sie dem Polizisten das Papier.

„So einfach geht das nicht. Ich muss erst mit meinem Vorgesetzten telefonieren.“, sagte der Leiter der Wache. Doch gerade als er in das Gebäude gehen wollte, traf Marlena Brunner ein. „Ich denke, das Telefonat erübrigt sich. Denn wenn ich das richtig sehe, ist die Dezernentin für Justiz und Sicherheit gerade 275

eingetroffen.“, sagte ich.

Als Marlena Brunner ausgestiegen war ging sie schnurstraks auf den Leiter der Dienststelle zu und sah ihm in die Augen. „Wurde Frau Romanova schon freigelassen?“, fragte sie. „Noch nicht. Sie soll in ein anderes Gefängnis verlegt werden.“ „Haben Sie den Gerichtsbeschluss schon erhalten?“ „Ja. Und ich habe ihn auch gelesen.“ „Dann wissen Sie ja, was Sie jetzt zu tun haben.“ „Was?“ „LASSEN SIE JELENA ROMANOVA FREI! Und das ganze ein bisschen al dente. Ich bin heute ziemlich mies gelaunt. Wenn Sie sich jeglichen Ärger ersparen wollen, dann halten Sie sich gefälligst an den Gerichtsbeschluss.“ „Wenn es unbedingt sein muss.“ „Es muss sein. Und jetzt kommen Sie in die Puschen.“

„Erwin, hol die Gefangene.“ „Und was ist mit der Anweisung vom Führer? Sollen wir die etwa missachten?“ „Wir haben keine andere Wahl. Also mach hin.“ Wir begleiteten den Fettwanst zu der Zelle, in der meine Partnerin saß. „Dein Partner scheint ja überaus einflussreiche Freunde hier in Krems zu haben. Du bist frei, Russenfotze.“, sagte er zu Jelena. Als Antwort rammte ich ihm meinen Ellenbogen in die Magengrube. „Du nennst meine Partnerin nicht noch mal Russenfotze. Beim nächsten Mal mach ich aus dir Hackfleisch, Nazi-Schwein.“

Zurück im Hotel besprachen Jelena und ich mit unserer Klientin, Emilia Schrammel und Doris Gerhart das weitere Vorgehen. „Wie hat man sie eigentlich behandelt?“, fragte die Staatsanwältin. „Die Leute waren ziemlich brutal. Sie haben mich geschlagen und wollten sich sexuell an mir vergehen. Sie haben mir sogar verschimmeltes Brot und abgestandenen Orangensaft zu Essen gegeben. Aber ich habe nichts angerührt.“ „Das ist gut. Ich denke, die Informationen die ich von Ihnen biden erhalten habe, reichen aus, um ein umfassendes Ermittlungverfahren gegen die Polizei von Krems und die Dienststellen in den umliegenden Gemeinden einzuleiten.“ „Je früher, desto besser.“ „Dieser Fettsack, Erwin, hat doch etwas von einer Anweisung vom Führer gefaselt. Was hat er damit gemeint?“, fragte ich. „Manfred Schicklgruber hat seine Bullenfreunde angewiesen mich einzubuchten. Er wollte dich damit dazu verleiten, mich rauszuholen, um dich auch noch verknacken zu können.“ „Tja. Dumm gelaufen, würde ich sagen.“

Zur selben Zeit hatten sich die Nazis wieder in ihrem Hauptquartier versammelt. „Was meinst du, sitzt Paul MacLain auch im Kittchen?“, fragte Irmintrude den „Führer“. „Schön wäre es. Aber ich bin mir da nicht so sicher. Paul MacLain ist ein Mann, der noch in auswegslosen Situationen ein Ass aus dem Ärmel zaubert.“ „Ich denke eher, dass die Romanova wieder auf freiem Fuß ist. Ich hab nämlich mitbekommen, dass sich Paul MacLain mit Marlena Brunner getroffen hat. Sie hat ihm Hilfe zugesichert.“, sagte eine Mitarbeiterin aus dem Rathaus. „Ich hab Paul MacLain beschattet. Gestern Abend ht er sich mit Marlena Brunner im Restaurant des Hotels getroffen, in dem er abgestiegen ist. Marlena Brunner hat Richterin Doris Gerhart und Staatsanwältin Emilia Schrammel mitgebracht. Ich denke, mehr brauche ich nicht zu sagen.“ 276

Am Abend trafen sich die Nazis in der Kneipe, in der sie sich immer zum Stammtisch trafen. Auch die Polizisten, die bei der Verhaftung meiner Partnerin anwesend waren, hatten sich eingefunden. „Nun, was gibt es neues von der Front?“, fragte Manfred Schicklgruber in die Runde. „Jelena Romanova ist wieder frei. Wir mussten sie freilassen.“ „Was ist passiert, Erwin?“, fragte Irmintrude. „Dieser Tommy, Paul MacLain ist heute morgen aufgekreuzt und hatte Doris Gerhart und Emilia Schrammel dabei. Die Richterin hat Dieter einen Gerichtsbeschluss in die Hand gedrückt, aus dem hervorgeht, dass Jelena Romanova unverzüglich auf freien Fuß zu setzen ist.“ „Hat er wenigstens versucht, Zeit zu schinden?“ „Er wollte ein Telefonat führen, damit wir Zeit gehabt hätten, Jelena wegzubringen. Aber die Brunner ist ihm dazwischen gegrätscht.“ „Heißt?“ „Sie hat mir befohlen, Jelena Romanova freizulassen und mit ernsthaften Schwierigkeiten gedroht, sollten wir den Gerichtsbeschluss von Doris Gerhart missachten.“ „Das gefällt mir gar nicht. Sonst noch was neues?“ „Wir müssen jetzt vorsichtig sein. Denn Staatsanältin Schrammel ist für ihren Ehrgeiz bekannt. Ich denke, jeder hier weiß, was passiert, wenn Emilia Schrammel die Ermittlungen persönlich übernimmt.“

Die junge Staatsanwältin war indes nicht untätig geblieben. Sie hatte sich vom Bürgermeister von Krems und den Bürgermeistern der umliegenden Gemeinden die Namen sämtlicher Mitarbeiter in den Polizeidienststellen geben lassen und Erkundigungen über sie eingezogen. Auch die Mitarbeiter in den Rathäusern wurden überprüft. Auch das Personal unseres Hotels wurde einer Überprüfung unterzogen. Und schnell zeigte sich, dass zumindest eine Mitarbeiterin des Restaurants eine glühende Anhängerin der Nazis war. Auch ein Zimmermädchen stand auf der Liste. Der Direktor zog die entsprechenden Konsequenzen und sprach den beiden die fristlose Kündigung aus. Auch der Bürgermeister von Krems handelte entsprechend. Alle Polizeibeamten in Krems, die der „Bruderschaft Adolf Hitler“ angehörten, wurden mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Auch in den umliegenden Gemeinden gab es massenhaft Suspendierungen.

Emilia Schrammel ging bei ihren Ermittlungen sehr gründlich vor. Denn was sie aufdeckte, ließ Jelena und mir das Blut in den Adern gefrieren. Allein im vergangenen Jahr gab es über 250 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund, von denen nur 16 aufgeklärt werden konnten und man die Täter zur Rechenschaft gezogen hatte. Es stellte sich heraus, dass Anhänger der Bruderschaft, die als Justiz – oder Polizeibeamte angestellt waren, die Ermittlungen massivst behindert hatten. Der Generalstaatsanwalt wollte Emilia Schrammel aufs Abstellgleis schieben und entzog ihr den Fall, indem er sie selbst suspendierte, doch unsere Staatsanwältin arbeitete unbeirrt weiter.

Am Montag, den 21.10.2019 erhob Emilia Schrammel Anklage gegen alle Vertreter der Justizbehörden, die Mitglieder in der Bruderschaft waren. Auch den Generalstaatsanwalt Karl Öttinger hatte sie auf die Anklagebank gesetzt. Die Verhandlung leitete keine geringere als Doris Gerhart. Auch sie hatte man von ihrer Tätigkeit als Richterin entbunden, doch auch sie hatte sich nicht ins Bockshorn jagen lassen und weiter gemacht, als wäre nichts gewesen. 277

Als Doris Gerhart den Gerichtssaal betrat, schluckten die Angeklagten. Der stellvertretende Landeshauptmann Gustav Eichmann stand auf und brüllte Doris Gerhart und Emilia Schrammel an: „ICH HABE SIE BEIDE VOM DIENST SUSPENDIERT!!!! VERLASSEN SIE AUGENBLICKLICH DIESEN SAAL, ODER ICH RUFE DIE POLIZEI!!!!“ „Es wird Sie sicherlich interessieren, aber der Innenminister hat unsere Suspendierungen wieder aufgehoben. Wir dürfen also weiter machen.“, sagte Emilia Schrammel. „WAS? WEIß DER KERL EIGENTLICH, WAS FÜR EINEN JUSTIZSKANDAL ER DA ENTFACHT?“ „Jetzt mach mal halblang, Opa!“, sagte Jelena. „Wie reden Sie mit mir? Wer sind Sie überhaupt?“ „Jelena Romanova.“ „Achso. Die russische Privatschnüfflerin. Warum sind Sie nicht im Gefängnis?“ „Frau Gerhart, Frau Schrammel und Frau Brunner haben sich für mich eingesetzt. Was dagegen?“

Die Verhandlung dauerte gerade einmal drei Tage, denn am Donnerstag, den 24.10.2019 wurden die Urteile gesprochen. Alle Anhänger der Bruderschaft „Adolf Hitler“, die bei der Polizei, in den Rathäusern und Gerichten beschäftigt waren, mussten aus dem Dienst ausscheiden. Damit hatte man der Bruderschaft eine empfindliche Niederlage beigebracht. Denn die neuen Beamten waren von den Drohungen der Nazis nicht sonderlich beeindruckt. Nach und nach wurden die Nazis bei ihren Aktionen behindert. Es wurde sogar ein Versammlungsverbot gegen die Bruderschaft verhängt. Auch der Betreiber des Wirtshauses, in dem sich die Nazis immer getroffen hatten bekam sein Fett weg. Die Stadt Krems kündigte seinen Pachtvertrag und stellte das Objekt zur Verpachtung im Internet via Online-Anzeige zur Verfügung.

Am Abend des 25.10.2019, es war Freitag, kamen Jelena und ich von einem Abendspaziergang durch die Stadt zu unserem Hotel zurück. Davor wartete Manfred Schicklgruber auf uns. „Dass Sie den Mut haben uns noch vor die Augen zu treten, wundert mich doch sehr.“, sagte ich süffisant. „Sie beide denken, Sie haben triumphiert. Aber Sie irren sich. Der Krieg ist nicht vorbei, bloß weil man eine Schlacht verliert.“ „Spar dir deine dummen Sprüche, du scheiß Nazi.“ „Das Spiel ist aus, Mr. Schicklgruber. Ihre Gefolgsleute hocken samt und sonders hinter schwedischen Gardinen. Und der Innenminister Österreichs ist nach dem Skandal, den Sie ausgelöst haben, von seinem Posten zurückgetreten. Sie haben keinen Rückhalt mehr.“ „In dem Punkt mögen Sie Recht haben, Mr. MacLain. Aber ich gehe nicht in den Knast.“

Mit diesen Worten zog das Adolf-Hitler-Double eine Sauer 38 H aus seinem Halfter. „Werfen Sie die Waffe weg und gehen Sie auf die Knie. Hände hinter den Kopf.“, befahl Jelena. „Oh Nein! Das können Sie beide vergessen. Sie liefern mich garantiert nicht ans Messer.“ Manfred Schicklgruber steckte die Pistole in seinen Mund und drückte ab. „Feige Sau.“, sagte ich. „Aber hallo. Ich denke, er und der „Pate“ werden sich in der Hölle gut vertragen.“ „Erinner mich bitte nicht an diesen kriminellen Fettsack.“

Unser Auftrag in Krems war beendet. Die Stadtverwaltung überwies und die 278

vereinbarten 120.000 €. Am Freitag, den 01.11.2019, kehrten wir nach Frankfurt zurück. Wir hatten schon zwei Tage vorher mit dem Packen der Koffer angefangen und checkten um 9:45 Uhr aus. Wir fuhren mit unserem Mazda zurück zum Wiener Flughafen, wo wir ihn bei europcar zurückgaben. Danach gingen wir zu den Schaltern von Austrian Airlines. Am Schalter, der für den Flug nach Frankfurt vorgesehen war, gaben Jelena und ich unsere Koffer auf und machten uns auf den Weg zur Sicherheitsschleuse.

Um 11:30 Uhr startete unser Flieger Richtung Frankfurt am Main, wo wir um 12:50 Uhr landeten. Wir holten unsere Koffer und trafen am Ausgang auf meine Verlobte Kelly Ling. „Na Ihr zwei Rumtreiber, habt Ihr es doch noch in einem Stück nach Hause geschafft.“ „Sehr witzig, Kelly. Dieser Nazi hat mich verhaften lassen, und seine Schergen bei der Polizei sind nicht gerade zimperlich mit mir umgegangen.“ „Tut mir leid, das zu hören. Aber jetzt ab nach Hause. Anastasia wartet schon auf dich.“

Später am Abend saßen wir bei meiner Schwester zusammen und aßen zu Abend. Jelena und Anastasia hatten eine Rote-Rüben-Suppe, oder auf russisch Borschtsch, zubereitet. Camille aß mit großem Appetit. „Jetzt mal ernsthaft, Onkel Paul. Was hat sich dieser Möchtegern-Nazi eigentlich dabei gedacht?“, fragte sie. „Wenn ich das wüsste. Aber er hat einigen Schaden angerichtet. Seine Gruppierung hat zumindest in Niederösterreich den Einwohnern eingeheizt.“ „Die haben bekommen, was sie verdient haben.“ „Was ist eigentlich mit den ganzen Staatsdienern?“, fragte Anastasia. „Ich glaube nicht, dass die Brüder noch einmal in Amt und Würden zurückkehren können. Vergesst nicht, dass der österreichische Innenminister wegen dieser Angelegenheit seinen Hut nehmen musste.“, sagte ich. „Welcher Partei hat er angehört?“ „Der FPÖ.“ „Na wunderbar.“ „Was ich nicht ganz begreife, wieso man dich verhaftet hat.“ „Manfred Schicklgruber hat versucht, meinen Partner zu einer unbedachten Aktion zu verleiten. Aber er hat die Rechnung ohne Marlena Brunner gemacht.“

Später am Abend, wir hatten den Tisch gerade abgedeckt, klingelte es an der Wohnungstür meiner Schwester. Jelena öffnete. Umso überraschter war sie, als sie Emilia Schrammel gegenüberstand. „Kommen Sie rein. Ich möchte Sie vorher noch darauf hinweisen, dass wir mit dem Abendessen bereits fertig sind.“, sagte Jelena. „Das ist kein Problem. Ich habe mir hier unten beim Italiener eine Pizza genehmigt.“ „Was ist eigentlich seit unserer Abreise noch alles passiert?“, wollte ich wissen. „Ich wurde zur neuen Generalstaatsanwältin in Niederösterreich ernannt. Johanna Mikl-Leitner hat meinen Vorgänger aus dem Staatsdienst entlassen.“ „Geschieht ihm Recht.“ „Wohl wahr.“, sagte Anastasia. „Wieso wurde der ehemalige Generalstaatsanwalt eigentlich gefeuert?“ Camille hatte diese Frage gestellt. „Weil er ein Mitglied der „Bruderschaft Adolf Hitler“ war. Er hat zum innersten Zirkel gehört.“ „Das ist jetzt ein schlechter Scherz.“, entfuhr es Jelena. „Durchaus nicht. Karl Öttinger war einer der mächtigsten Männer in der Bruderschaft. Und auch einer der loyalsten. Er war nach Manfred Schicklgruber die Nummer 2 in der Hierarchie.“ „Und wer war die Nummer 3?“, wollte ich wissen. 279

„Irmintrude Glockner.“ „War das die fette alte Schrapnelle, die uns auf dem Marktplatz dazwischen grätschen wollte, als wir den Nazis so eingeheizt haben?“ „Genau die.“ „Was ist eigentlich aus ihr geworden?“ „Sie wandert für den Rest ihres Lebens ins Gefängnis.“ „Ist auch richtig so. Und noch etwas ist mir ein Dorn im Auge.“, sagte Camille „Und was wäre das?“ „Dass Nazis wichtige Positionen in Staatsämtern inne haben. Diese braune Brut gehört da nicht hin!“ „Camille!“ „Ist doch wahr. Man könnte glatt meinen, in Österreich hat man aus der Vergangenheit so gut wie gar nichts gelernt. Sonst wäre dieser Adolf-Hitler-Verschnitt doch niemals in der Lage gewesen den Justizapparat so präzise zu infiltrieren.“ „Das stimmt.“ „Im Endeffekt zählt doch nur der Erfolg, oder? Auch wenn ihr diesen Nazi nicht ins Gefängnis gebracht habt, so habt ihn doch aufgehalten.“, sagte Anastasia. 280

23. Fall - Drogenhandel in Famagusta

23. Fall – Drogenhandel in Famagusta

Die warmen Herbsttage waren vorbei und der Herbst hatte Frankfurt am Main fest im Griff. Wenn man Glück hatte, kletterte das Thermometer auf 13 Grad. Früh morgens war es schon so kalt, dass man schon einen Pullover anziehen musste, wenn man rausging. Aber es war zu warm für eine Winterjacke. Es war ein typischer Montagmorgen. Wir schrieben Montag, den 11.11.2019. Und an diesem Tag wurde die „fünfte Jahreszeit“ traditionell mit dem Sturm auf die Rathäuser eröffnet. Ich brauche wohl nicht extra zu erwähnen, dass Karneval gemeint ist.

Es war nach unserer allmorgendlichen Joggingrunde durch den nahegelegenen Park. Jelena, Brit und ich waren gerade ins Büro gekommen. Wir hatten gerade geduscht und uns frische Klamotten angezogen, als es an der Tür klingelte. Brit betätigte den Türöffner. Kurze Zeit später hörten wir Schritte auf der Treppe. Schließlich klopfte es an der Tür unseres Detektivbüros. Brit öffnete. Die Frau, die eintrat, war eine wahre Schönheit.

Sie war 1,65 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. Ihre dunkelbraunen Haare trug sie offen, sodass sie bis zur Oberkante ihrer wohlgeformten Brüste reichten. Das ovale Gesicht mit den sinnlichen Lippen und den wunderschönen braunen Augen war ebenfalls ein Hingucker. Auch die etwas breite Nase passte wie die Faust aufs Auge. Bekleidet war unsere unbekannte Besucherin mit einem schwarzen Kleid, das auf einer Seite einen großzügigen Blick auf ihre sexy Beine gewährte, und schwarzen High Heels. „Guten Morgen. Ich bin doch hier richtig bei Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte die Dame mit einer etwas rauchigen aber dennoch erotischen Stimme. „Das sind Sie in der Tat. Womit können wir dienen?“ „Zuerst sollte ich mich wohl vorstellen. Mein Name ist Hera Arnakis. Ich komme aus Famagusta.“ „Ist das nicht Zypern?“ „Gut aufgepasst, Mr. MacLain.“ „Was genau ist Ihr Problem?“, wollte Jelena wissen. „Wir haben in Famagusta seit dem Sommer einen Anstieg von Drogenhandel. Und damit einhergehend auch einen Anstieg von Jugendprostitution und Raubüberfällen.“ „Was können wir tun?“

„Lassen Sie die Bande hochgehen. Sie haben freie Hand.“ „Das ist schon mal eine gute Basis.“ „Wir wären bereit, jedem von Ihnen 30.000 € zu bezahlen.“ „Jelena?“ „Wir machen den Job. Mit welchen Drogen wird eigentlich gedealt?“ „Haben Sie schon mal von „Kolumbia pur“ gehört?“ „Sicher. Aber die Produktionsstätten wurden doch in den 80ern zerstört.“ „Das stimmt. Die alte Anlage ist nicht mehr in Betrieb. Die neue Anlage befindet sich am Stadtrand von Medellin.“ „Und wie wird die Ware nach Zypern gebracht?“ Zuerst wird das Rauschgift in Tanklastern zum Flughafen von Medellin gebracht.“ „Welchen von den beiden?“ „Zum Rionegro.“ „Also der internationale.“ „Richtig. Nach allem was wir in Erfahrung bringen konnten, gibt es in einem abgelegenen und stillgelegten Hangar eine Einrichtung in der die Ware getrocknet und verpackt wird.“ „Wie oft startet eine Maschine vom Rionegro nach Famagusta?“, wollte ich wissen. „Gar nicht. Die Kurierflugzeuge landen in der Türkei. In Antalya, um genau zu sein. Dort werden die Drogen in einen Schüttgutfrachter umgeladen und nach Famagusta gebracht.“ 281

„Und wenn das Schiff im Hafen ist, dann wird mit dem Entladen erst nach Anbruch der Dunkelheit angefangen, nehme ich an.“, sagte Jelena. „Das nicht. Aber die Drogen werden mit Hilfe eines riesigen Staubsaugers aus den Laderäumen der Schiffe geholt. Danach werden sie in Holzkisten verpackt und auf LKW umgeladen. Der Konvoi besteht aus vier Transportern und zwei bewaffneten Eskorten.“ „Und was ist mit der eigentlichen Ladung des Frachters? Die wird doch garantiert mit raus gesogen.“ „Kurioserweise nein. Aber wir haben herausgefunden, dass ein Mann namens Giannis Boufakis das Entladen überwacht.“ „Was können Sie uns sonst noch sagen?“, fragte ich. „Wir haben einen Mann in die Organisation eingeschleust. Kurz bevor er aufgeflogen ist, hat er uns noch den Namen des Kopfes der Bande verraten.“ „Wer ist es?“ „Es ist eine Kolumbianerin. Sie heißt Alejandra Valderrama.“

Bei dem Namen wurde ich hellhörig. „Der Name ist mir nicht ganz unbekannt. Nennt man sie nicht „El Doberman“?“ „Ganz genau. Diese Frau ist sexy und gefährlich.“ „Sonst noch etwas, das wichtig wäre?“, fragte Jelena. „Unser Mann war auf dem besten Wege uns zumindest ein Zwischenversteck zu verraten, aber leider hat ihn Alejandra Valderrama liquidiert, bevor er mit uns in Kontakt treten konnte.“ „Wahrscheinlich hat sie ihn mit der kolumbianischen Krawatte mundtot gemacht.“, sagte ich. „Woher wissen Sie das?“ „Weil meine Partnerin und ich in Kroatien schon einmal damit konfrontiert wurden. Dort hat ein Immobilienbetrüger seine eigene Assistentin auf diese Weise zum Schweigen gebracht. Außerdem ist es nicht schwer zu erraten, dass die „Kolumbianische Krawatte“ die beliebteste Hinrichtungsmethode bei lateinamerikanischen Drogenbaronen ist.“

„Nun gut. Ich denke, wir wissen, was wir wissen müssen. Erwarten Sie uns am Donnerstag.“ „Gut zu wissen. Ich werde für die Dauer ihres Einsatzes ihre Verbindungsperson sein.“ „Na das sind doch gute Nachrichten.“ „Die Kosten für die Unterkunft übernehmen wir ebenfalls. Nur den Mietwagen müssten Sie selbst bezahlen.“, sagte Hera Arnakis. „Dann ist das halt so.“ „In welchem Hotel werden Sie absteigen?“ „Welches würden Sie uns denn empfehlen?“ „Das Chrystal Springs Beach Hotel.“

Am 14.11.2019 waren wir schon um 6:00 Uhr morgens am Flughafen. Wir hatten einen Flug mit Condor gebucht, der um 8:50 Uhr am RheinMain-Flughafen in Frankfurt in Richtung Larnaka starten sollte. Jelenas Freundin Anastasia Dimitrova hatte uns gefahren. Unmittelbar nach dem Deal mit Hera Arnakis hatten wir im Internet nachgesehen, an welchem Terminal die Flüge für Condor abgefertigt wurden.

Am Schalter 787, an dem die Gepäckaufgabe für den Flug nach Larnaka abgewickelt wurde, gaben wir unser Gepäck auf und gingen dann weiter zur Sicherheitsschleuse. Wie schon seit Beginn unserer Zusammenarbeit schlug der Detektor bei uns nicht an, sodass wir ohne Zwischenfall in den Transitbereich gehen konnten. Und während meine Partnerin das Geschehen im Auge behielt, studierte ich den Bildschirm, an dem die Flüge und deren Zielflughafen aufgelistet waren. Unser Flug, CONDOR 1660 sollte vom Gate B 15 abfliegen. 282

Jelena und ich begaben uns dorthin.

Dort angekommen, suchten wir uns zwei freie Sitzplätze nebeneinander. Um 8:00 Uhr kam die Durchsage „Achtung! Alle Passagiere des Fluges CONDOR 1660 nach Larnaka, werden gebeten, sich an Bord der Maschine zu begeben.“ Jelena und ich gingen an Bord und zeigten der Stewardess unsere Boardingpässe. Sie wies uns unsere Sitzplätze zu und wir begaben uns direkt dorthin.

Um 8:50 Uhr startete unser Flieger in Richtung Larnaka, wo wir nach einer Flugzeit von 3 Stunden und 35 Minuten um 12:25 Uhr auf dem Larnaka International Airport landeten. Nachdem wir unsere Koffer abgeholt hatten, gingen Jelena und ich zu einer Autovermietung. Bei SIXT mieteten wir uns einen Audi A7 Sportback. Der Wagen war in firmamentblau metallic lackiert und hatte den 50 TDI-Motor mit 286 PS. Unser Audi besaß das 8-Stufen-Tiptronic-Getriebe und hatte Allradantrieb. Dazu kamen HD-Matrix-Scheinwerfer mit Audi Laserlicht, ein Panorama-Glasdach, ein Sonnenschott, das Audi Connect Diebstahl-Ortungssystem und ein Doppelspeichen-Lederlenkrad mit Multifunktion und Schaltwippen. Ferner hatte Renate Sixt dem Audi ein paar schicke 20-Zoll-Leichtmetallfelgen 8 ½, das Reifendruck Kontrollsystem, Sitzheizung vorn und hinten und das Fahrwerk mit Dämpferregelung spendiert. Außerdem waren die Sitzbezüge in perlmuttbeige-perlmuttbeige-achatgrau bezogen, während das Armaturenbrett in granitgrau-perlmuttbeige bezogen war. Der Dachhimmel war in mondsilber gehalten, und die Türverkleidung in Leder des Typs Leder/mono.pur 550-Kombination gehalten. Den Teppich im Innenraum hatte man in Ingolstadt im Auftrag von Sixt in perlmuttbeige ausgeführt. Des weiteren hatte unser Mietwagen variable Kopfstützen für die Vordersitze, Teppich und Fußmatten in der Audi Exclusive Ausführung, sowie einen Kraftstoffbehälter mit 73 Litern Fassungsvermögen und einen AD Blue Tank mit 24 Litern Fassungsvermögen als Extras an Bord.

Über die E303 15 fuhren wir 50 Minuten nach Famagusta. Um 13:20 Uhr kamen wir an unserem Hotel an. Das Chrystal Springs Beach Hotel war ein sechsstöckiger Betonklotz. Die Außenfassade des Hotels war in weiß gehalten und die Fenster waren großzügig angelegt. Wir parkten den Audi auf dem Gelände des Hotels und holten unsere Koffer. Als wir die Lobby des Hotels betraten staunte ich nicht schlecht. An der Rezeption stand Miyuki, jene Dame, die Jelena und ich in Marrakesch aus den Fängen der Krake befreit hatten. Sie strahlte, als sie uns sah. „Paul, Jelena! Es ist schön euch wieder zu sehen.“, sagte sie und drückte uns ganz fest. „Wir sind überrascht, dich zu sehen. Was machst du hier?“ „Ich arbeite. Allerdings undercover.“ „In wessen Auftrag arbeitest du, Miyuki?“, fragte ich. „Ich bin im Auftrag der japanischen Drogenbehörde unterwegs. Meine Schwester Matsushito war auf „El Doberman“ angesetzt, doch dann hat ihr der „Schwede“ das Licht ausgeknipst. Jetzt ist das mein Fall. Und wer hat euch angeheuert?“ „Hera Arnakis.“ „Das ist die Chefin vom zypriotischen Drogendezernat. Ich schlage vor, da wir drei hinter demselben Fisch her sind, sollten wir zusammenarbeiten.“, sagte Miyuki. „Einverstanden, Miyuki.“ „Damit wir nicht weiter auffallen spiele ich jetzt wieder die 283

Hotelangestellte.“ „Na von mir aus.“ „Mr. MacLain, Sie haben Zimmer 600. Miss Romanova, Zimmer 602. Ich wünsche Ihnen beiden einen angenehmen Aufenthalt.“

Nachdem wir unsere Zimmer bezogen hatten, packten Jelena und ich unsere Koffer aus und machten uns frisch. Um 19:00 Uhr trafen Jelena und ich uns im Restaurant des Hotels zum Abendessen. Jelena trug an diesem Abend wieder ihr rotes Paillettenkleid und die dazu gehörigen Plateauschuhe. Wir waren gerade beim Essen, als Hera Arnakis zu uns an den Tisch kam. „Ich hoffe ich störe nicht.“, sagte sie. „Kommt drauf an, was Sie wollen.“ „Es gibt Neuigkeiten. Aber ich glaube, das hat Zeit bis nach dem Essen. Treffen wir uns in der Cocktailbar des Hotels. Sagen wir um 21:45 Uhr?“ „In Ordnung.“

Um 21:45 Uhr trafen Jelena und ich uns mit Hera Arnakis in der Cocktailbar unseres Hotels. Sie saß in einer ruhigen Ecke und trug wieder das schwarze Kleid, das sie getragen hatte, als sie uns vor 3 Tagen besucht hatte. Nach einer netten Begrüßung setzten wir uns zusammen. „Sie sagten, dass Sie Neuigkeiten für uns haben. Also bitte.“ „Uns ist zu Ohren gekommen, dass El Doberman plant ein kleineres aufstrebendes Kartell zu übernehmen. Außerdem erwartet sie eine Lieferung von 3,5 Kilo Columbia pur.“ „Wann soll die Ware hier eintreffen?“, wollte Jelena wissen. „Nächste Woche Freitag.“ „Und was ist mit der Übernahme des Kartells?“ „Wir wissen nur, dass das Kartell von Hernando Guzman geführt wird. Die Unterwelt nennt ihn „El Pit Bull“.“ „Also noch so ein beißwütiger Kläffer.“ „Ich wäre an Ihrer Stelle vorsichtig, Mr. MacLain. Wenn sich zwei Kartelle bekriegen, ist das für Außenstehende lebensgefährlich. Sie müssen Alejandra Valderrama außer Gefecht setzen, bevor der Krieg mit dem „Pitbull“ losgeht.“ „Wir werden auch den Pitbull aus dem Verkehr ziehen. Sicher ist sicher.“

Am Abend machten Jelena und ich noch einen Abendspaziergang durch Famagusta. In einer der vielen Bars sahen wir dann unsere Zielpersonen. Alejandra Valderrama fiel sofort auf. Sie war 1,57 m groß und besaß einen schlanken, sexy Körper. Ihre blonden Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. Die braunen Augen im ovalen Gesicht blickten ernst und Mordlust brannte in ihnen. Die Lippen dieser Beauty waren durchaus als sinnlich zu bezeichnen, wären sie nicht vor lauter Anspannung zu einem dünnen Strich zusammengekniffen. Die etwas breite Nase fügte sich harmonisch in das Gesicht des Dobermanns ein. Bekleidet war Miss Valderrama mit einer schwarzen Lederhose und einem schwarzen Pulli. Ihre nackten Füße steckten in schwarzen High Heels.

Ganz anders ihr Gesprächspartner. Hernando Guzman war 1,78 m groß und besaß einen athletischen Körperbau. In seinem runden Gesicht ruhten zwei stechend blaue Augen, die sein Gegenüber regelrecht zu durchbohren schienen. Die grauen Haare bildeten einen Haarkranz an den Schläfen. Der graue Vollbart war kurz geschnitten. Die breite Nase schien ganz gut in dieses Gesicht zu passen. Ebenso die Lippen, die nicht zu lang und nicht zu kurz waren. Bekleidet war El Pit Bull mit einem blauen Sakko, einem weißen Hemd und einer schwarzen Hose. Dazu trug er schwarze Socken und schwarze Lackschuhe. 284

Offenbar hatte eine Bemerkung seiner Gesprächspartnerin ihn etwas erheitert, denn er lächelte diabolisch und zeigte seine Zähne. Dabei fiel Jelena und mir die Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen auf. Hernando Guzman sagte etwas auf Spanisch.

Und dieser eine Satz brachte Alejandra Valderrama komplett aus der Fassung. Wutentbrannt verpasste die kleine Kolumbianerin ihrem Rivalen eine laut schallende Ohrfeige. „Que piensas quien eres? No te atrevas a meterte en mi camino, de lo contrario eres hombre muerto. Confíe en ello.“ Der Pitbull lachte lauthals, ehe er antwortete. „ Mira lo que dices, pequeños matzos. O puedes visitar a tu hijo en el cementerio.“ „Si le haces a Ramon incluso un pelo, te haré pedazos, maldito pedazo de mierda.“ entgegnete Alejandra. „Eres como tu padre. La misma cabeza testaruda.“ „Guarda tus frases vacías, Hernando. No olvides que fui yo quien puso en marcha tu cartel.“, sagte der Dobermann. Dem Pitbull klappte der Unterkiefer runter. Doch dann verzerrten sich seine Gesichtszüge zu einer hasserfüllten Fratze. „¿QUÉ? Te perdiste este cuello roto? Por tu culpa tuve que empezar de nuevo?“ „Exactamente. Y estoy lejos de terminar contigo.“ „¿Por qué me estás haciendo esto? ¿Qué he hecho para llevarte a un corazón tan frío a la ruina?“ „Eso es lo que estás preguntando. Pero si me preguntas la pregunta, entonces debes obtener una respuesta.“ „Oigo.“ „Digo una sola palabra: VENGANZA.“, sagte Alejandra Valderrama. „¿Qué quieres vengarte de mí?“ „¿No lo sospechas, Hernando? ¿Tengo que ayudar a tu memoria para empezar?“ „Ya no soy el más joven.“ „Tu memoria ha disminuido rápidamente. Solo digo esto: 17.04.1995.“ „Ese fue tu cumpleaños número 18.“, sagte der Pitbull.

„No solo eso. En este día, cometiste el peor crimen que hayas cometido.“ „Ahora no exageres. Lo que hice, nada comparado con lo que hizo tu papá.“ „Broma sal, estás rodeado. No solo mataste a toda mi familia en mi cumpleaños número 18. Lo has hecho mucho peor. Tú también me mataste. La Alejandra Valderrama que conoces se ha ido. La llevaste a la tumba.“ „No digas tanta mierda, Alejandra.“ „Tu última hora ha llegado, Hernando. Quedan 48 horas, entonces eres historia.“, sagte die Kolumbianerin. Dann drehte sie sich um und ging.

Zurück blieb ein verblüffter Hernando Guzman. Auch meine Partnerin und ich entschieden uns, zu gehen, denn wir hatten genug gehört. Zurück im Hotel ließen wir uns unsere Zimmerschlüssel geben. Ich hatte gerade meine Wohlfühlklamotten angezogen, als es an meiner Zimmertür klopfte. Ich öffnete. Jelena stand im Türrahmen. „Hast du kurz Zeit, Towarischtsch?“, fragte sie. „Für dich immer, dass weisst du doch.“ Nur kurze Zeit später hatten wir es uns in meinem Zimmer etwas gemütlich gemacht. Ich saß auf dem Bett, während Jelena auf einem Stuhl Platz genommen hatte, dessen Lehne sie nach vorne gedreht hatte. Nackt, wie Gott sie geschaffen hatte, hatte sie darauf Platz genommen und ihre Arme übereinander gelegt. „Also, schieß los. Was hast du auf dem Herzen?“ „Erinnerst du dich noch an das Gespräch zwischen den beiden Drogenbaronen in der Kneipe?“ „Ja. Was ist damit?“ „Um was wetten wir, dass die beiden sich von früher kennen?“ „Du meinst, dass zwischen den beiden so eine Art persönliches Verhältnis besteht?“, 285

fragte ich.

„Ist für mich die logischste Erklärung. Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir in etwas hinein geraten sind, dass außer Kontrolle geraten wird.“ „Worauf willst du hinaus, Jelena?“ „Ist das nicht offensichtlich? Hernando Guzman hat in der Vergangenheit etwas getan, was ihm für den Rest seines Lebens den Zorn und den Hass von El Doberman eingebracht hat.“ „Leider bin ich des Spanischen nicht mächtig.“ „Ich auch nicht, Towarischtsch. Die einzige, die Licht in diesen Umstand bringen kann, ist Alejandra Valderrama.“ „Du meinst, wir sollen das Gespräch mit ihr suchen? Dir ist aber hoffentlich klar, dass wir damit gegen unseren Auftrag verstoßen. Wir haben den Auftrag, Alejandra Valderrama außer Gefecht zu setzen. Willst du allen ernstes 30.000 € flöten gehen lassen?“ „Ich würde mich sogar von dir schwängern lassen, Paul, wenn ich dadurch in Erfahrung bringen könnte, welche Verbindung zwischen Alejandra Valderrama und Hernando Guzman besteht.“

Es klopfte an der Tür. Ich stand auf um zu öffnen. „Ich sag dir, die beiden kennen sich.“, sagte Jelena. Als ich die Tür öffnete staunte ich nicht schlecht. Draußen standen Hera Arnakis und Miyuki. „Dürfen wir reinkommen?“, fragte Hera. „Bitte.“ Kaum war die Tür wieder zu, saß ich wieder auf dem Bett, während Jelena weiter auf dem Stuhl saß. Miyuki lehnte am Schreibtisch und Hera saß auf einem Schemel. „Fassen wir doch mal zusammen, was wir bis jetzt haben.“, schlug ich vor. „Alejandra Valderrama will das Kartell von Hernando Guzman übernehmen. Aber dieser wird nicht kampflos das Feld räumen.“ „Und er wird dabei über Leichen gehen.“, sagte Miyuki. „Ich weiß nicht, wie Ihr das seht, aber ich bin der festen Überzeugung, dass sich die beiden kennen.“ Hera und Miyuki sahen meine Juniorpartnerin fragend an. „Wir haben in einer Bar ein Gespräch zwischen Alejandra Valderrama und Hernando Guzman zufällig mitgehört. Die Unterhaltung wurde auf spanisch geführt, deswegen können wir keinerlei Auskunft über den Inhalt des Gesprächs geben.“ „Aber Hernando Guzman muss die Valderrama ganz schön gereizt haben.“ „Woraus schließen Sie das, Miss Romanova?“, fragte Hera Arnakis. „Weil sie ihm eine laut schallende Ohrfeige verpasst hat.“

„Das ist typisch für El Doberman.“ „Mir fällt etwas ein.“, sagte Miyuki. „Dann lass uns an deinem Wissen teilhaben, Miyuki-san.“ „Alejandra Valderrama hat einen Sohn. Er heißt Ramon und ist 6 Jahre alt.“ „Den Namen hat sie im Gespräch mit dem Pitbull erwähnt.“ „Könnte es sein, dass Hernando Guzman den Sohn von Alejandra Valderrama in seiner Gewalt hat und ihn als Faustpfand benutzt?“ „Es wäre denkbar. Möglicherweise könnte da der Zusammenhang bestehen, den Sie suchen, Miss Romanova.“ „Da ist noch viel mehr. Ich weiß nur nicht was.“ „Worauf willst du hinaus, Jelena?“, wollte Miyuki wissen. „Hernando Guzman hat Alejandra Valderrama etwas schlimmes angetan. Etwas so schlimmes, dass sie ihn vernichten will.“ „Spielt das für ihren Auftrag eine Rolle? Ich habe Sie beide angeheuert, damit Sie sie unschädlich machen.“, sagte Hera Arnakis bestimmt. „Wir versuchen ein Blutbad zu verhindern. Wenn die Vermutung meiner Partnerin stimmt und eine Verbindung zwischen diesen beiden beißwütigen Kläffern besteht, dann müssen wir diese Spur weiter verfolgen. Jeder noch so kleine Anhaltspunkt, der uns der Lösung dieses 286

Falles näherbringt, muss untersucht werden.“ „Wo befindet sich im Hafen die Entladeanlage für die Schüttgutfrachter?“, fragte Jelena. „Sie befindet sich an Pier 16.“ „Na schön. Dann sehen wir uns morgen früh dort mal um. Mal sehen, was da so alles rumkreucht.“

Am nächsten Tag, gleich nach dem Frühstück, wollten meine Partnerin und ich uns bei Pier 16 umsehen. Doch wie so oft kam mal wieder alles anders. Wir hatten gerade unser Hotel verlassen, als ein schwarzer Lincoln Town Car, zur Stretchlimousine umgebaut, vorfuhr. Die beiden Typen, die ausstiegen, trugen schwarze Designeranzüge, schwarze Socken und schwarze Herrenschuhe. Dazu weiße Hemden und schwarze Krawatten. Dazu kamen noch Designersonnenbrillen von Gucci. Die beiden „Gorillas“ waren knapp zwei Meter groß und kräftig gebaut. Sofort war mir klar, dass die beiden auf Krawall gebürstet waren, und nicht zögern würden, ihre Fäuste sprechen zu lassen, wenn man ihnen quer kam.

„Sind Sie beide Paul MacLain und Jelena Romanova?“, fragte der linke der beiden. „In Person. Mit wem haben wir das Vergnügen?“ „Mein Name ist Roberto Escobar und das ist mein Kollege Jose´ Jimenez.“ „Sie sind nicht zufälligerweise verwandt mit Pablo Escobar?“, fragte ich vorsichtig. „Ich bin nicht im geringsten mit diesem Dreckskerl verwandt.“ „Uns würde interessieren, was Sie von uns wollen.“, schaltete sich Jelena in das Gespräch ein. „El Doberman möchte Sie beide gerne sprechen.“ „Was will Miss Valderrama von uns?“ „Wir sind nicht befugt Ihnen das zu sagen. Wir sollen Sie nur zu unserer Chefin bringen.“

Wir stiegen in den Fond der Limousine, während die beiden Gorillas gegenüber von uns Platz nahmen. Der Lincoln brachte uns zum Yachthafen von Famagusta. Dort wartete mit laufenden Motoren eine Sunseeker Predator 108. Das Boot trug den Namen „Aphrodite“ und war in Monaco registriert. Die Sunseeker brachte Jelena und mich nach Kreta, wo wir nach einer Fahrtzeit von 9 Stunden um 16:30 Uhr in einer abgelegenen Bucht anlegten. Vom Anleger führte ein mit geschliffenen Basaltsteinen gepflasterter Weg zu einer weißen dreistöckigen Villa mit Meerblick.

„Wenn Sie uns bitte folgen wollen, El Doberman wartet nicht gern.“ Wir folgten den Bodyguards den Weg entlang. Ich staunte nicht schlecht, als wir am Haupteingang der Villa ankamen. Dieser war dem Parthenon auf der Akropolis nachempfunden. Die beiden Gorillas führten uns durch einen mit Tannenholzbrettern ausgekleideten Flur, auf eine mit weißen und blauen Fliesen ausgekleidete Terrasse. Diese wurde von einer weiß-blau gestreiften Markise überspannt. Dort stand ein Tisch mit drei Rattanstühlen. Auch drei Gläser standen dort. In der Mitte stand eine Karaffe Orangensaft. „Paul MacLain und Jelena Romanova.“, wurden wir von Jose´ Jimenez angekündigt. „Endachsi.“

Alejandra Valderrama drehte sich zu uns um. Dieses mal trug sie ein dunkelblaues Kleid mit aufgestickten Pfauenfedern und dunkelblaue Sandaletten mit goldenen und silbernen Ornamenten. „Danke, dass sie beide gekommen sind.“, sagte sie. „Worüber wollen Sie mit uns reden?“ 287

„Ich weiß, dass Sie beide den Disput zwischen mir und Hernando Guzman mit angehört haben. Und mir ist auch bewusst, dass Hera Arnakis Sie auf mich angesetzt hat.“ „Könnten Sie uns vielleicht endlich verraten, weshalb Sie uns sprechen wollten?“, fragte Jelena. Die Ungeduld in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

„Bitte setzen Sie sich.“, sagte El Doberman. Nachdem wir uns gesetzt hatten, und jeder ein Glas Orangensaft vor sich stehen hatte, rückte Alejandra Valderrama endlich mit der Wahrheit heraus. „Hernando Guzman hat meinen Sohn Ramon in seiner Gewalt. Wenn ich die Reißleine ziehe und ihn verrate, bringt er meinen Jungen um. Er ist in Wirklichkeit der Bad Guy.“ „Was meinen Sie?“ „Die Ladungen Columbia Pur werden in seinen Anlagen hergestellt. Ich muss den Transport übernehmen.“ „Was hat er davon, dass er Sie so schamlos ausnutzt?“ „Ich hab 2010 sein Kartell hochgehen lassen. Ein Jahr darauf hat er Ramon beschattet. An seinem 6. Geburtstag hat er meinen Sohn entführt.Seitdem setzt er mich unter Druck.“

Alejandra Valderrama schlug eine Hand vor ihren braunen Augen und fing an zu weinen. „Sicher war das nicht das einzige, was Hernando Guzman Ihnen angetan hat, Miss Valderrama.“, sagte Jelena, nachdem sich unsere Gastgeberin einigermaßen gefasst hatte. „Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, Señora Romanova, An meinem 18. Geburtstag hat El Pitbull ein Blutbad an meiner Familie angerichtet. Er hat erst meinen Vater mit einem Schuss in der Hinterkopf hingerichtet. Danach meinen Bruder. Am Schluss meine Mutter. Bevor er abgeflogen ist hat mir noch ins Gesicht gesehen und gesagt: „Du hast Glück das ich dich am Leben gelassen habe. Ab jetzt wirst du für mich arbeiten.“ Ich habe 10 Jahre in seinen Fabriken unter menschenunwürdigen Bedingungen Schwerstarbeit leisten müssen. Wäre Tante Chrysanti nicht gewesen, wäre ich dort als Leiche wieder raus gekommen.“ „Sie haben eine Tante, die Griechin ist?“ „Ich bin zur Hälfte Griechin. Griechische Frauen verehren Elektra. Rache zu nehmen am Mörder ihrer Liebsten ist ihre Pflicht.“ „Deshalb wollen Sie sich also am Pitbull rächen.“ „Sie haben es erfasst, Señora Romanova.“ „Ich erinnere mich an ein altes chinesisches Sprichwort. Bevor du dich anschickst zur Rache zu schreiten, schaufele lieber zwei Gräber.“

Um 1:30 Uhr kehrten wir ins Hotel zurück. Alejandra Valderrama hatte uns noch zum Essen eingeladen und ein griechisches Menü auftischen lassen. Auf dem Weg zurück hatten Jelena und ich geschwiegen. Jeder von uns musste, das, was uns diese Frau hatte wissen lassen erst mal verdauen. Miyuki war gerade an der Rezeption, als wir die Lobby betraten. „Ihr wart aber lange weg.“, sagte sie. „Fahr du mal 18 Stunden von Zypern nach Kreta und zurück.“ „Was hattet Ihr denn auf Kreta verloren?“ „El Doberman wollte uns sprechen.“ „Und dafür lässt Sie euch extra nach Kreta kommen? Hätte es nicht auch ein Telefonat getan?“ „Dazu später mehr. Jetzt wollen wir erst mal soviel Schlaf wie möglich nachholen.“ Nach dem Frühstück sahen Jelena und ich uns am Hafen um. An Pier 16 trafen wir Hera Arnakis. Und der Ausdruck in ihrem Gesicht war alles andere als freundlich. „Sie beide haben echt Nerven, einfach so zu verschwinden, ohne zumindest 288

mich über ihren Plan zu informieren.“, sagte sie streng. „Um der Wahrheit die Ehre zu geben, waren wir selbst überrascht. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass uns Miss Valderrama zu sprechen wünscht.“ „Hoffentlich waren die Informationen, die Sie erhalten haben, diesen Vertrauensmissbrauch wert.“ „Wenn das, was uns Ihre Cousine erzählt hat, wirklich stimmt, dann ist der Pitbull der wahre Schuldige.“ Offenbar hatten meine Worte unserer Klientin einen mächtigen Schock versetzt, denn sie taumelte und setzte sich auf eine Bank. Eine zeitlang saß Hera Arnakis auf der Bank und sagte kein Wort. Nur ab und zu schüttelte sie ungläubig den Kopf. Dann sah sie abwechselnd von Jelena zu mir. „Ist das wirklich wahr? Eine der mächtigsten Drogenbaroninnen Kolumbiens ist meine Cousine?“ „Ein DNA-Test sollte darüber Auskunft geben können, wenn auch Sie damit einverstanden sind. El Doberman hat bereits seine Zustimmung erteilt.“ „Und was ist mit der Geschichte, die Ihnen meine „angebliche“ Cousine erzählt hat? Halten Sie die für glaubwürdig?“ „Da sind wir uns uneinig. Aber es dürfte Zeitungsberichte und Aufzeichnungen von Nachrichtensendungen von diesem Tag geben. Da fällt mir ein, dass es der 17.04.1995 war. Der 18. Geburtstag ihrer Cousine.“ „Dem DNA-Test stimme ich zu, denn ich will Klarheit. Um die Nachforschungen bezüglich der Geschichte, die Sie von Alejandra Valderrama gehört haben, werden Sie sich kümmern. Wir treffen uns dann nach dem Abendessen in der Cocktailbar. Wie immer um 21:45 Uhr.“

Um die Mittagszeit saßen Jelena und ich in der Lobby des Hotels. Jelena hatte ihren Laptop hochgefahren, den sie auf Reisen immer mitnahm und sich mit dem Internet im Hotel verbunden. Und siehe da, meine Partnerin wurde fündig. Sie fand gleich mehrere internationale Zeitungsberichte, die sich mit dem Massaker an Gustavo Valderrama und dem rätselhaften Verschwinden seiner Tochter befassten. Auch das mysteriöse Auftauchen von Alejandra Valderrama auf Kreta wurde thematisiert. Nun hatten wir endgültig Gewissheit, dass uns El Doberman in Bezug auf Hernando Guzman die Wahrheit gesagt hatte.

Miyuki hatte gerade ihre Schicht beendet. „Was treibt Ihr zwei Hübschen denn hier unten in der Lobby?“ „Wir gehen unserer Arbeit nach.“ „Das tue ich auch. Aber wollten wir nicht zusammenarbeiten?“ „Treffen wir uns auf meinem Zimmer. Hier sind mir zu viele Osterhasen.“, sagte Jelena. 15 Minuten später saßen wir auf Jelenas Zimmer zusammen. „Also. Worum ging es in dem Gespräch mit dem Dobermann?“ „Alejandra Valderrama hat uns ihre Geschichte erzählt. Und es ist so, wie es Hera Arnakis vermutet hat. Der Pitbull hat Ramon Valderrama, Alejandras Sohn, in seiner Gewalt und setzt sie damit unter Druck.“ „Und es ist, wie ich es vermutet habe. Hernando Guzman und Alejandra Valderrama kennen sich von früher. Der Pitbull ist für das Massaker an der gesamten Familie Valderrama verantwortlich.“, sagte Jelena. „Habt Ihr das nachgeprüft?“ „Ja. Unten in der Lobby. Und wir haben noch mehr herausgefunden. Der Pitbull hat sie 10 Jahre lang ausgebeutet.“ „Alejandra Valderrama hat uns einen Einblick in ihre Seele gewährt. Der Pitbull hat aus einer selbstbewussten, jungen Frau einen von Hass und Zorn zerfressenen Racheengel gemacht.“ „Und dieser Racheengel will ihm jetzt ans Leder.“, sagte Miyuki. „Davon ist auszugehen. Konntest du etwas in Erfahrung bringen?“ 289

„Na hallo.“ „Dann schieß mal los.“ „Hernando Guzman hält Ramon Valderrama in seinem Chalet auf Syros gefangen.“ „Wie schwer ist es bewacht?“ „Das weiß ich nicht. Noch nicht.“ „Jelena?“ „Du denkst an Yuri?“ „Ganz genau.“ „Ich weiß nicht, ob er uns noch mal helfen wird.“ „Wenn wir ihn mit einer Kiste Wodka bestechen, macht er bestimmt mit.“, sagte ich.

„Was habt Ihr zwei vor?“, fragte Miyuki. „Vergangenes Jahr im September sollten wir in der Schweiz einen Fall von Zugsabotage aufklären.“ „Die Geschichte also. Aber wie passt dieser Yuri da mit rein?“ „Er ist der Chef des Teams, dass die Ehefrau und die Tochter von Alois Mosgruber rausgeholt hat.“ „Jetzt verstehe ich. Und wenn ich ehrlich sein soll, können wir jede Hilfe brauchen, die wir kriegen können.“ „Hör zu, Miyuki. Jelena und ich haben heute Abend noch eine Verabredung mit Hera Arnakis. Wir treffen uns hier im Hotel in der Cocktailbar. Wäre gut, wenn du dabei bist.“ „Weiß Hera Arnakis eigentlich, wer du in Wirklichkeit bist?“, fragte Jelena. „Sicher weiß sie das. Wir arbeiten schon seit drei Jahren zusammen.“ „Und sie hat dich auch auf ihre Cousine angesetzt, nehme ich an.“, sagte ich. „Was meinst du damit, Paul?“ „Alejandra Valderrama ist Hera Arnakis Cousine. Zumindest behauptet sie das. Sie ist aber bereit sich einem DNA-Test zu unterziehen.“ „Das muss für Hera ein echter Schock gewesen sein.“, sagte Miyuki. „Ich glaube, ich hätte nicht anders reagiert, hätte man mir eine solche Nachricht überbracht.“ „Wie lange dauert eigentlich ein solcher Test?“ „Der Test ist schnell gemacht. Aber die Zeit, bis die Resultate vorliegen dauert etwas länger.“ „Nehmen wir mal an, dass Alejandra Valderrama auch in diesem Punkt die Wahrheit sagt, was wäre dann?“ „Gute Frage. Aber eines ist sicher.“ „Was?“ „Wenn die beiden wirklich Cousinen sind, dann wird es für El Pitbull echt brenzlig.“, sagte Jelena.

Später am Abend hatten Jelena, Miyuki und ich uns in der Cocktailbar des Chrystal Springs Beach Hotel eingefunden. Wir hatten uns einen Tisch in einer Nische ausgesucht, von dem aus wir alles überblicken konnten, ohne dass man uns selbst bemerkte. Um 21:45 Uhr kam dann Hera Arnakis. Sie sah sich kurz um, dann kam sie zielstrebig an unseren Tisch. „Ich wusste, gar nicht, dass Sie beide mit Miyuki zusammenarbeiten.“, sagte sie, nach einer kurzen Begrüßung. „Hat sich spontan so ergeben. Sie weiß auch, wo Ramon Valderrama gefangen gehalten wird.“ „Was haben Sie vor?“, fragte Hera. „Wir planen, den Jungen aus der Gefangenschaft des Pitbull zu befreien.“ „Das schaffen Sie nicht allein. Das Gelände ist ziemlich streng bewacht.“ „Ich dachte an eine Spezialeinheit.“, sagte ich. „Welche?“ „Speznas. Der Leiter eines Außenteams ist ein guter Freund von mir. Wir haben letztes Jahr in der Schweiz mit ihm zusammengearbeitet.“ „Ich erinnere mich. Die Befreiungsaktion in Montreux.“ „Auf Yuri und seine Leute ist Verlass.“ „In Ordnung. Tun Sie, was Sie tun wollen. Sie haben meine volle Unterstützung.“

Am nächsten Morgen rief Jelena nach dem Frühstück ihren Freund Yuri an. Dieser war froh, wieder was von seiner alten Weggefährtin zu hören. „Ihr habt also einen neuen Fall. Worum geht es?“ „Drogenhandel.“ „Hör mir bloß auf mit diesem Teufelszeug. Dimitris Sohn Vadim ist vor zwei Wochen an einer Überdosis Heroin gestorben.“ „Mein Beileid an Dimitri. Auch im Namen von Paul.“ „Schon Ok. 290

Wie können wir euch helfen?“ „Könnt Ihr Ramon Valderrama aus der Gewalt von El Pitbull befreien?“ „Sagtest du Valderrama? Der Junge ist doch nicht etwa der Sohn von El Doberman?“ „Da.“ „Wir sind in zwei Tagen bei euch. Haltet solange die Knochen still.“

Am Montag, den 18.11.2019 traf dann die Yuri Grigorovitsch geführte Speznas-Spezialeinheit ein. Wir warteten am Hafen auf die Jungs. Yuri freute sich sichtlich, uns zu sehen. „Hey Yuri!“ „Jelena. Lass dich mal drücken.“ „Na Yuri?“ „Hey Briderchen.“ „Ich schlage vor, wir suchen uns einen ruhigen Platz. Hier sind mir zu viele Leute.“ In der Kneipe, in der wir vorige Woche den Streit zwischen dem Dobermann und dem Pitbull live miterlebt hatten setzten wir uns zusammen. „Also Briderchen, dann lass mal hören.“, sagte Yuri. „Eure Zielperson ist Ramon Valderrama. Er wird in Hernando Guzmans Chalet auf der griechischen Insel Syros festgehalten.“ „Wie sieht es mit Plänen aus?“ „Unsere Kontaktperson hier in Famagusta, Hera Arnakis, wollte welche auftreiben.“

Um 10:30 Uhr traf dann Hera Arnakis in der Kneipe ein. Begleitet wurde sie von Alejandra Valderrama und deren Bodyguards. Nach einer förmlichen Begrüßung deutete Hera mit dem Kopf auf die Spezialeinheit. „Ist das das Speznas-Team, dass sie bei unserem letzten Treffen erwähnten, Mr. MacLain?“ „In der Tat. Darf ich Ihnen beiden den Teamleiter Yuri Grigorovitsch vorstellen?“ „Freut mich sehr.“ „Miss Arnakis.“ „Haben Sie die Pläne des Chalets gefunden?“ „Das habe ich in der Tat. Aber noch mehr als das. Ich habe nämlich noch ein paar Neuigkeiten für Sie.“ „Setzen Sie sich doch erst einmal.“, sagte Yuri und bot Alejandra Valderrama seinen Stuhl an. „Oh. Ein Gentleman. So was gibt’s nur noch ganz selten.“ Ein anderes Teammitglied bot seinen Sitzplatz Hera Arnakis an.

Nachdem wir alle beisammen saßen eröffnete uns Hera Arnakis, was es neues gab. „Wir haben einen DNA-Test durchführen lassen. Die Ergebnisse kamen heute morgen.“, sagte sie. „Und was ist bei raus gekommen?“ „Der Test hat ergeben, dass wir miteinander verwandt sind. Ich habe mit meiner Mutter gesprochen und sie hat mir die Geschichte bestätigt. Sie hat meine Cousine in einer Nacht- und Nebelaktion aus dieser Hölle befreit.“ „Ich muss mich bei Ihnen beiden entschuldigen, denn ich habe Ihnen bei unserem Treffen in meiner Villa auf Kreta etwas wichtiges verschwiegen.“, sagte Alejandra Valderrama. „Und was wäre das?“ „Hernando Guzman hat mich ohne mein Wissen als Kopf des Kartells eingesetzt. Aber in Wirklichkeit hat er im Hintergrund die Fäden gezogen. Sie können sich sicher vorstellen, dass ich aus allen Wolken gefallen bin, als auf einmal der Sicherheitsdienst vom Pitbull vor mir stand und mich in meinem Haus in Medellin abgeholt hat.“

„Haben Sie Hernando Guzman an diesem Tag gesehen?“, fragte Yuri. „Und ob. Er hat mir gesagt, dass er Tante Chrysanti am liebsten umgebracht hätte, dafür, dass sie mich aus seinen Klauen befreit hat. Er hat gesagt: „Du wirst ab sofort die Leitung eines meiner Kartelle übernehmen. Wenn du nicht mitspielst, stirbt dein Sohn.“ Ich habe die Leitung aber nur zum Schein übernommen. Hernando hat das aber

nie gewusst. Bis zu dem Tag, als Sie und Jelena uns in dieser Kneipe hier belauscht haben.“ „Was hat er zu Ihnen gesagt, bevor wir dazu gekommen sind?“ „Er hat gesagt: „Wie kannst du es wagen, mich so zu hintergehen? Du solltest das Kartell an Stelle meines Sohnes führen. Jorre war ein Stümper, das weiß jeder. Du solltest ihn ersetzen. Aber statt dessen lässt du dich nie sehen.“ „Und was haben Sie ihm geantwortet?“ „Dass er mich sonst wo gern haben kann und dass ich nicht eine Marionette bin, die er nach Belieben herumschubsen kann.“ „Ich hab noch mitbekommen, wie Sie dem Pitbull eine Ohrfeige verpasst haben. Was hat er zu Ihnen gesagt?“ „Dass es seinem Sohn eine wahre Freude ist, sich sexuell an meinem Sohn zu vergreifen. Ich bitte Sie, holen Sie mein Kind aus den Fängen dieser Bestie.“ „Deshalb haben wir uns auch hier versammelt.“

Hera Arnakis holte die Pläne aus ihrer Handtasche und breitete sie auf dem Tisch aus. „Also Gentlemen. Hören Sie gut zu. Ich hasse es, mich zu wiederholen.“ Als sie sich sicher sein konnte, dass alle ihr zuhörten begann Hera mit ihren Ausführungen. „Das Gelände ist ziemlich gut bewacht. Es gibt nur eine Stelle, an der man ungesehen landen kann. Hier. Unterhalb dieses Felsvorsprungs befindet sich eine natürliche Anlegestelle. Von dort führt ein Pfad zur Rückseite des Hauses. Die Wachen kommen im 2-Minuten-Rhythmus dort vorbei. Machen Sie nur von der Schusswaffe Gebrauch, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Noch Fragen?“

Wir vereinbarten, dass die Speznas-Einheit mit einem modifizierten Schlauchboot am versteckten Anleger das Gelände betreten sollte, während wir, mit Nachtsichtgeräten und Headsets ausgestattet in einem modifizierten EC145-Hubschrauber über der Anlage kreisen und auf das Signal, dass die Geisel befreit war, warten sollten.

Um Mitternacht startete die Aktion. Wir hatten uns auf die Codewörter von der Befreiungsaktion aus dem vergangenen September geeinigt. Hera und Miyuki warteten zusammen mit Alejandra Valderrama in deren Villa auf Kreta. Die „Hydra“, eine Fregatte der griechischen Marine, hatte unseren Hubschrauber auf dem Landedeck abgestellt und hatte uns dann so nah an die Küste von Syros gebracht, wie es möglich war, ohne vom Radar auf dem Gelände des Chalets erfasst zu werden. Es knackte in meinem Headset. „Team Snakeeater ruft Hellboy. Wie siehts bei euch aus?“ „Wir sind noch an Bord der „Hydra“. Unser Start erfolgt in 5 Minuten.“ „Roger, Briderchen.“ Vorsichtshalber packte Jelena noch eine Panzerfaust mit ein. „Wofür brauchst du die denn?“, wollte ich wissen. „Ich will die Radaranlage ausschalten. Denn solange das Boot auf hoher See ist, kann es vom Radar erfasst werden. Und wir wissen beide, was das für unser Vorhaben bedeutet, wenn das Team entdeckt wird, Towarischtsch.“ Ein Argument, dem ich nichts entgegen zu setzen hatte.

Um 0:30 Uhr starteten wir mit dem Hubschrauber. Jelena bereitete die Panzerfaust für den Einsatz gegen die Radaranlage vor. Sie hatte die Waffe geladen aber noch nicht entsichert. Als wir in Sichtweite waren, öffnete meine Partnerin ein Seitenfenster und entsicherte die Panzerfaust. Danach richtete sie die Waffe 291

aus dem Fenster und klappte die Laserzielerfassung nach oben. Als das Ziel erfasst war, betätigte Jelena den Abzug und schickte das tödliche Geschoss auf seine zerstörerische Reise.

Ein orange-roter Feuerball zeigte uns die erfolgreiche Zerstörung der Radaranlage an. „Ark Angel an Team Snakeeater.“ „Hier Teamführer. Was gibt’s?“ „Ihr habt freie Bahn Jungs. Die Radaranlage ist erledigt.“ „Sehr gut. Jetzt haltet die Augen offen, ob nicht irgendwelche Störenfriede hier auftauchen. Denn die Explosion dürfte für einige Aufmerksamkeit gesorgt haben.“ „Verstanden. Sollte sich jemand nähern, bekommt ihr als Signal „Go Fast!“.“ „Verstanden Ark Angel.“

Als das Schlauchboot anlegte nährte sich ein Kanonenboot dem Anleger. Der Kapitän der griechischen Fregatte kontaktierte uns. „Mr. MacLain. Ich hab da einen ungebetenen Besucher. Nähert sich von Südwesten. Eure Freunde sollen sich beeilen.“ „Verstanden.“ „Hellboy an Team Snakeeater. Go Fast! Go Fast! Go Fast!“ „Verstanden.“ Zu seinen Leuten gewandt sagte Yuri: „Jungs! Ein ungebetener Gast nähert sich. Er kommt aus Südwestlicher Richtung. Wir haben vielleicht 15 Minuten Zeit, um die Zielperson zu lokalisieren und rauszuholen. Also los Männer!“

Die Speznas-Einheit schaltete die beiden Überwachungskameras an der Rückseite des Gebäudes aus, ehe man sich zum Hintereingang vorarbeitete. Dummerweise kam einer der Wachposten ums Eck. Doch er wurde gleich von den Russen in Empfang genommen und unschädlich gemacht. Schnell drang das Team in das Gebäude ein und machte die Wachen im inneren mit einer Rauchgranate unschädlich. Im oberen Stockwerk wurden die Spezialagenten dann fündig. Sie holten den Jungen aus seinem Bett und sprinteten zum Hubschrauberlandeplatz. Einer hatte dem Sohn des Pitbull unbemerkt noch eine Sydney-Trichternetzspinne ins Bett gesetzt, ehe sich die Russen davon geschlichen hatten.

Um 1:15 Uhr war die Aktion vorbei. Wir hatten den Jungen in den Hubschrauber genommen und waren gestartet. Die Speznas-Agenten waren zum Schlauchboot zurück gekehrt und hatten abgelegt. Gerade noch rechtzeitig. Denn am Horizont konnte man schon die Umrisse des sich nähernden Kanonenbootes erkennen. Wir nahmen das Schlauchboot an Bord und die „Hydra“ lichtete die Anker. Die Fregatte nahm Kurs auf Kreta, wo wir um 8:15 Uhr ankamen. Die „Aphrodite“ war uns entgegengekommen und wir waren zusammen mit den Speznas-Soldaten auf die Yacht umgestiegen.

In seinem Chalet auf Syros musste Hernando Guzman mit Entsetzen feststellen, dass nicht nur seine Geisel fehlte, sondern auch, dass sein Sohn durch den Biss der Spinne den Tod gefunden hatte. Alejandra Valderrama jedoch war überglücklich, ihr Kind wieder in die Arme schließen zu können. „Wie kann ich Ihnen danken?“, sagte sie. „Danken Sie uns, wenn das Ganze vorbei ist. Denn jetzt kommt der gefährliche Teil.“ „Was meinen Sie?“, fragte Hera. „Der Pitbull wird seine Geisel wieder haben wollen.“ „Und das bedeutet, dass wir Ihren Sohn in ein anderes Land bringen müssen. In Frankfurt am Main wäre Ramon sicher. Er könnte bei mir und meiner 292

Verlobten Kelly Ling unterkommen.“ „Würden Sie das bitte veranlassen?“ „Ist schon so gut wie erledigt.“ Nur keine zwei Stunden später saß Ramon Valderrama in einem Flieger nach Frankfurt. Ich hatte meiner Verlobten noch eine SMS geschrieben und sie gebeten, den Jungen am Flughafen in Frankfurt abzuholen. Zur Sicherheit hatte ich ihm noch ein Bild von meiner Flamme gezeigt, damit er sie auch erkannte.

Doch nun galt es, sich auf das große Finale vorzubereiten. Am frühen Abend, Kelly hatte mich gerade per SMS benachrichtigt, dass sie Alejandras Sohn am Flughafen abgeholt hatte, klingelte deren Smartphone. Auf ein Kopfnicken des Dobermann nahm ich den Anruf entgegen. „Anschluss Valderrama, Sie sprechen mit Paul MacLain.“, sagte ich. „WO IST DER JUNGE??“ „Was soll das Gebrülle? Benehmen Sie sich gefälligst! Was bilden Sie sich wohl ein, wer Sie sind?“ „Hier spricht Hernando Guzman. Ich will den Jungen wieder haben.“ „Das kannst du knicken, du Bastard.“ „Hören Sie, Mr. MacLain. Wenn ich sage, ich will den Jungen wieder haben, dann meine ich das auch so. Sie haben exakt 48 Stunden, um den Tausch vorzunehmen. Ansonsten fließt Blut. Viel Blut.“ „Beiß nicht mehr ab, als du kauen kannst, Briderchen.“, meldete sich Yuri. „Mit wem spreche ich?“ „Yuri Ismail Grigorovitsch.“ „Und jetzt hören Sie mal zu, Señor Guzman. Wenn es etwas auf der Welt gibt, dass für Leute wie Sie ungesund ist, dann ist das, den Fehler zu machen und sich mit einer Spezialeinheit anzulegen.“

„Ich hab keine Angst.“, sagte der Pitbull. „Mal sehen. Wir treffen uns in 48 Stunden. Wo, bestimmen Sie.“, sagte ich. „Ganz wie Sie wollen. Es gibt ein Kloster mit dem Namen Saint Cyrils. Dort treffen wir uns. Wenn Sie mit leeren Händen kommen, kommt Sie das teuer zu stehen, Señor MacLain.“ „Sie machen mir keine Angst. Der Junge ist in Sicherheit. Und allein das zählt.“ „Das war der dümmste Fehler, den Sie je machen konnten, Mr. MacLain.“ „Hau du mal nicht so auf den Putz, Briderchen.“

Am Donnerstag, den 21.11.2019, flogen wir mit einem Transporthubschrauber der russischen Streitkräfte zu dem Kloster. Hera Arnakis, ihre Cousine und Miyuki begleiteten uns. Als wir landeten machten sich die Speznas-Soldaten bereit. „Bereit, Jelena?“, fragte ich. „Das musst du mich nicht fragen, Towarischtsch.“ „Lass uns die Reifen heizen und nicht mit Feuer geizen, Paul.“, sagte Miyuki. Hernando Guzman stand auf dem Hof und wartete. In der Hand hielt er eine Pistole. Ich öffnete die Tür und stieg aus dem Hubschrauber. Der Pitbull und ich sahen uns an. „Wo ist der Junge?“, fragte Hernando Guzman. „Ich habe ihn nicht mitgebracht. Ich habe beschlossen, es drauf ankommen zu lassen.“ „Was soll auf Ihrem Grabstein stehen, Mr. MacLain?“ „Und was soll auf Ihrem stehen, Señor Guzman?“ „Sie sind ein Narr, Mr. MacLain. Und schon bald ein toter Mann.“

Auf ein Zeichen des Drogenbarons erschienen überall bewaffnete Sicherheitskräfte. „Die Kavallerie ist da, Mr. MacLain. Und jetzt seien Sie vernünftig und werfen Sie ihre Waffe weg.“ „Ein MacLain ergibt sich nicht, solange er noch ein Ass im Ärmel hat.“ „Sie bluffen doch nur.“ „Schluss mit dem Versteckspiel Jungs! Ihr könnt ausschwärmen!“ In Windeseile stürmten die Soldaten aus dem Hubschrauber und eröffneten ohne Vorwarnung das Feuer. Ein paar der Bodyguards von 293

Hernando Guzman konnten sich gleich die Radieschen von unten betrachten.

In dem Getümmel bemerkte niemand, dass der Pitbull versuchte, sich abzusetzen. Doch dann sah Miyuki ihn um eine Häuserecke verschwinden. „Scheiße! Der Pitbull türmt!“ „Haltet Ihr die Wachen auf, wir übernehmen den Pitbull.“, sagte Hera bestimmt. Dann teilten sich die beiden Cousinen auf, um Hernando Guzman an der Flucht zu hindern.

Der Pitbull staunte nicht schlecht, als Alejandra Valderrama sich ihm in den Weg stellte und eine Beretta auf ihn richtete. „Stehenbleiben, Hernando!“, befahl sie barsch. „Du bist wirklich so dämlich, wie du blond bist, Alejandra. Geh mir aus dem Weg.“ „Das könnte dir so passen.“ „Zwing mich nicht dazu, dich über den Haufen zu schießen. Wirf die Waffe weg, und mach den Weg frei.“ „Hände hoch, Guzman! Das Spiel ist aus! Lassen Sie die Waffe auf den Boden fallen und nehmen Sie die Hände hinter den Kopf!“, ertönte eine weitere Frauenstimme. Dieses Mal hinter ihm. Ganz langsam drehte sich Hernando Guzman um. Und sah in das Gesicht von Hera Arnakis, die ebenfalls ihre Dienstwaffe, eine Heckler & Koch auf ihn richtete. „Der Pitbull ergibt sich nie.“ „Ganz wie Sie wollen, Mr. Guzman.“ „Ich werde erst Alejandra ins Jenseits befördern, und dann Sie in die ewigen Jagdgründe schicken.“

Plötzlich krachte ein Schuss, der den Pitbull in der Brust traf. Der Kolumbianer wurde nach hinten geworfen. „Was soll das?“, fragte er. „Ich habe dir ewige Rache geschworen! Ich habe es damals bei unserem Gespräch in der Kneipe gesagt. Und ich sage es heute noch einmal. Die Alejandra Valderrama, die du kennst, die gibt es nicht mehr. Du hast mich zu dem Racheengel gemacht, der jetzt vor dir steht.“ „Bitte. Hab Mitleid. Was muss ich tun, damit du mir vergibst?“ „Sterben. Dann findet meine Seele endlich Ruhe.“ Alejandra Valderrama drückte ein zweites Mal ab. Zeitgleich feuerte auch ihre Cousine Hera Arnakis auf den Pitbull.

El Doberman sicherte seine Waffe und gab sie Hera Arnakis. „Schick mich wegen Mordes in den Knast. Ich hab die Strafe verdient.“ „Nein. Ich kann dich nicht verhaften. Dich trifft keine Schuld.“ „Ich habe einen Menschen erschossen.“ „Dann bin ich genauso schuldig wie Du, Cousine.“

Unser Auftrag auf Zypern war beendet. Hera Arnakis hatte uns die vereinbarten 60.000 Euro überwiesen. Auch ihre Cousine hatte uns noch einmal 80.000 Euro für die Befreiung ihres Sohnes überwiesen. Doch die eigentliche Überraschung folgte erst noch. Jelena und ich hatten gerade ausgecheckt, und wollten zum Flughafen, als der schwarze Lincoln wieder vorfuhr. Jose´ Jimenez stieg aus. „El Doberman erwartet Sie beide in ihrer Villa.“ „Wann? Jetzt?“ „Allerdings.“ „Eigentlich wollten wir nach Hause.“ „ Señora Valderrama ist sich dessen bewusst und hat vorgeschlagen, dass Ihre Verlobte und natürlich auch die anderen nach Kreta kommen und man den Fall hier ausklingen lässt.“ „Was meinst du, Jelena?“ „Wäre doch schön. Nichts gegen Frankfurt. Aber ich finde, dass wir die Einladung annehmen sollten.“ „Einverstanden. Aber wir müssen den Mietwagen noch zurückgeben.“ „El Doberman wird die Kosten übernehmen. Am Flughafen von Larnaka wartet ihr privater Jet.“ 294

Wir fuhren zum Flughafen und gaben den Audi bei SIXT zurück. Danach wurden wir von Jose´ Jimenez zu Alejandra Valderramas Jet einer Gulfstream G650ER, geleitet. Um 9:10 Uhr startete die Gulfstream zu ihrem vierstündigen Flug nach Heraklion, wo sie um 13:10 Uhr landete. Dort wartete ein BMW 745Le der aktuellen Bauserie G11. Lackiert war das Fahrzeug in Royal Burgundy Red mit Brillianteffekt.

Über die Autobahn ging es zur Villa von Alejandra Valderrama. Dort trafen wir um 15:10 Uhr ein. Meine Schwester, meine Verlobte, Camille und natürlich auch Anastasia waren bereits anwesend. Kelly nahm mich in ihre Arme und drückte mich erst mal ganz fest. „Du scheinst ja ziemlich mächtige Leute zu kennen, Schatz.“, sagte sie nach einem innigen Kuss. „Wie darf ich das verstehen, Kelly?“ „Na ja. Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine Einladung nach Kreta ins Haus flattert.“, sagte Samantha, die unbemerkt dazu gekommen war.

Später am Abend, dass Abendessen war vorbei, saßen wir auf der Terrasse noch beisammen. Die Sicherheitskräfte hatten für den Rest des Abends frei. Als Abendessen hatte Alejandra Valderrama ein für Kreta typisches Menü zubereiten lassen. Als Dessert hatte sie griechische Weihnachtsplätzchen, Melomarkarona gereicht, die sie zusammen mit Hera Arnakis selbst zubereitet hatte. „Ich denke, keiner von uns hätte den Ausgang dieses Falles vorhersehen können.“, sagte ich. „Den ganzen Verlauf nicht, Bruderherz.“ „Dieser Hernando Guzman war kein Mensch, er war ein Monster.“, sagte Camille. „Meine Adoptivtochter. Ihre Eltern sitzen im Knast.“ „Weswegen?“ „Camilles Mutter sitzt wegen Untreue und Ehebruchs ein, ihr Vater wegen Erpressung.“ „Jesus!“ „Camille ist in unserer Runde sowas wie der Moralapostel. Sie sagt immer was sie denkt und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.“

„Wie kommst du eigentlich darauf, dass der Pitbull ein Monster war?“, wollte Hera von Camille wissen. „Ist das nicht offensichtlich? Wer deine Cousine 10 Jahre lang ausbeutet und deren Kind entführt um sie sich gefügig zu machen, der hat echt einen an der Klatsche. Und sein Sohn war bestimmt nicht besser dieser pädophile Wichser.“ „Camille!“ „Du hast ein ziemlich loses Mundwerk, kleine Lady.“, sagte Ramon. „HALLO??? Der Sohn von diesem geldgierigen Drogenboss hat sich an dir vergangen. Mit so Leuten hab ich kein Mitleid. Das ihm die Speznas-Leute eine Sydney-Trichternetzspinne ins Bett gesetzt haben, geschieht ihm Recht. Den Vater hätte man ruhig an die Haie verfüttern können.“ „Das geht nicht, da werden die lieben Tierchen vergiftet.“, sagte Hera. „Wie dem auch sei. Unsere Welt hat zwei Bösewichte weniger.“, sagte ich. „Mich würde eines interessieren.“ „Was?“ „Was mit den Kartellen des Pitbull passiert ist.“, sagte Kelly. „Die sind beide Geschichte. Die DEA hat ein bisschen Druck gemacht, nachdem man in Washington vom Tod von Hernando Guzman erfahren hat.“

„Mal was anderes.“, sagte Alejandra. „Was?“ „Ich möchte euch alle herzlich einladen, Weihnachten und Silvester hier bei mir auf Kreta zu verbringen.“ „Sam?“ „Warum nicht? Ist doch mal was anderes, als zu Hause im kalten Frankfurt.“ „Kelly?“ „Ich würde mich freuen.“ „Dann sagen wir zu.“, meinte ich. „Ihr werdet es bestimmt 295

nicht bereuen. Auch für die Kinder wäre es schön.“ Wohin uns unser nächster Fall führen würde, wussten wir noch nicht. Ebenso wenig konnten Jelena und ich ahnen, wie sehr uns der Dobermann bei unseren Fällen zur Seite stehen würde. 296

24. Fall - Steuerhinterziehung in Chalkida

24. Fall – Steuerhinterziehung in Chalkida

Unser nächster Fall führte uns wieder in die Ägäis. Dieses Mal waren wir in Griechenland tätig. Nach dem Fall in Zypern, bei dem wir die beiden Cousinen Hera Arnakis und Alejandra Valderrama kennen gelernt hatten, hatten wir noch Weihnachten und Sylvester als Gäste bei Alejandra in ihrer Villa auf Kreta verbracht. Brit hatte uns an Sylvester Gesellschaft geleistet. In dieser Zeit waren sich Samanthas Adoptivtochter Camille Huybrechts und Ramon Valderrama, Alejandras Sohn ein wenig näher gekommen. Nun wartete aber wieder die Arbeit auf uns. Das Blatt unseres Kalenders, den wir als Mitbringsel aus Kreta mitgebracht hatten, zeigte den 7. Januar 2020. An diesem Dienstag morgen hatte keiner von uns dreien so richtig Lust zu arbeiten. Das Thermometer zeigte 2 Grad über Null. Doch draußen war es gefühlt Minus 10 Grad.

Um 10:00 Uhr klingelte es bei uns an der Tür. Brit betätigte den Türöffner. Nur kurze Zeit später hörten wir Schritte auf der Treppe. Dann klopfte es an der Tür unseres Detektivbüros. Unsere Sekretärin öffnete. Die Frau, die eintrat, war eine faszinierende Schönheit. Sie war 1,71 m groß und hatte lange rote Haare, die bis zu ihren Brüsten reichten. Sie hatte ein ovales Gesicht mit grünen Augen und kurzen, wulstigen Lippen. Auch der schlanke, sexy Körper fiel sofort auf, ebenso wie die etwas zu breit geratene Nase, die sich dennoch harmonisch ins Gesicht einfügte. Ihre üppigen Brüste waren ebenfalls ein Hingucker. Bekleidet war unsere Besucherin mit einer Jeans, einem weißen Rollkragenpullover und schwarzen langschäftigen Stiefeln. „Brrr! Ist das kalt draußen. Da holt man sich ja leicht was weg.“, sagte sie. „Sie sind wohl wärmere Gefilde gewohnt.“ „Da haben Sie Recht, Mr. MacLain. Ich kann Winterjacken, dicke Pullis und dergleichen nicht ab. Ich liebe es leicht und luftig.“

„Was können wir für Sie tun?“, fragte Jelena. „Ich sollte mich wohl erst mal vorstellen. Mein Name ist Elektra Tsulfidou.“ „Und was machen Sie beruflich?“ „Ich bin Steuerfahnderin. Und zurzeit bin ich einem dicken Fisch auf der Spur.“ „Petri heil.“ „Sehr witzig. Meine Arbeit wird dadurch erschwert, dass ich einfach keine hieb- und stichfesten Beweise in die Hände bekomme, die ausreichen, um einen Haftbefehl oder einen Durchsuchungsbefehl beim Gericht zu erwirken.“ „Und wir sollen diese Beweise beschaffen.“ „Sie sollen meine Zielperson hochgehen lasen.“ „Und die Person, auf die man Sie angesetzt hat, schleust Steuern am griechischen Fiskus vorbei.“ „Genau das. Wir bei der Steuerfahndung sind mit unserem Latein am Ende. Und da haben wir an Sie gedacht.“ „Wie sind Sie eigentlich auf uns aufmerksam geworden?“, fragte ich. „Durch Ihren letzten Fall. Als Sie Hernando Guzman zur Strecke gebracht haben. Durch seine Drogen ist mein jüngerer Bruder gestorben.“, sagte Elektra verbittert.

„Eigentlich waren wir auf El Doberman angesetzt. Aber dann hat sich herausgestellt, dass sie auch ein Opfer des Pitbull war.“, sagte ich. „Wir wissen aber immer noch nicht, warum Hernando Guzman dieses Blutbad an Miss Valderramas 18. Geburtstag angerichtet hat.“ „Ich kann es Ihnen sagen.“ 297

„Im Prinzip ist es nicht mehr von Belang. Aber es wäre dennoch interessant für uns.“ „Alejandra Valderramas Vater Chavo Valderrama war ein Kollege von mir. Ein ehrlicher und tüchtiger Mann. El Pitbull hat versucht ihn zu bestechen. Aber ohne Erfolg. Chavo Valderrama hat Hernando Guzman wegen Steuerhinterziehung dran gekriegt. Das Resultat: 3 Jahre Haft und eine Nachzahlung in Höhe von 2,6 Millionen US-$.“ „Und das Massaker war die Rache dafür.“ „Ja. Und nicht nur für die Haftstrafe und die Nachzahlung, sondern auch für den Machtverlust.“ „Machtverlust? Inwiefern?“ „In den drei Jahren, die Hernando Guzman hinter schwedischen Gardinen verbracht hat, hat ihm jemand die Führung im Kartell streitig gemacht und ihn ausgebootet.“ „Er musste also komplett bei null anfangen.“ „Richtig. Also hat er ein neues Kartell aufgebaut. Jenes, in dessen Fabriken Alejandra Valderrama 10 Jahre lang Schwerstarbeit verrichtet hat.“ „Dieses Kartell hat sie vor 10 Jahren hochgehen lassen. Ab hier kennen wir die Geschichte wieder.“

„Nicht ganz würde ich sagen. Denn nach der Zerschlagung besagten Kartells hat er gleich zwei neue Kartelle aus dem Boden gestampft. Die Leitung des einen, jenem das Kolumbia Pur hergestellt hat, hat er seinem Sohn Jorre übertragen. Aber Jorre Guzman war ein Loser. Er hätte das Kartell beinahe unrentabel gemacht. Also hat El Pitbull seinen eigenen Sohn abgesetzt, und stattdessen El Doberman auf den Thron des Kartells gehievt.“ „Was hat er versucht, damit zu erreichen?“ „Ganz einfach. Alejandra Valderrama hat wie schon zuvor ihr Vater dem Pitbull ziemlich übel mitgespielt. Also sollte sie die Zeche für die kriminellen Machenschaften von Hernando Guzman zahlen.“

„Kommen wir nun zu Ihrem Fall zurück. Wo genau sollen wir nach ihrem Steuerhinterzieher suchen?“ „Die letzte Spur, die wir haben, führt nach Chalkida.“ „Gibt es irgendwelche Informationen über diese Person, wie Name, Geschlecht, oder Herkunft?“ „Wir wissen nur, dass unser Fisch eine Reederei betreibt, deren Firmensitz auf den Bahamas ist.“ „Also spart er oder sie auf diese Weise schon mal bei der Gewerbesteuer. Was wissen Sie sonst noch?“ „Dass er oder sie den Hauptwohnsitz auf die Cayman Islands verlegt hat.“ „Also kommt auch noch die Vermögenssteuer dazu. Und was können Sie uns noch mitteilen?“ „Nur, dass die Zielperson kein Grieche ist. Nach allem, was wir in der Lage waren in Erfahrung zu bringen, hat diese Person, männlich oder weiblich, die tunesische Staatsbürgerschaft.“ „Und mehr haben Sie nicht an Informationen zu bieten?“ „Leider nein.“ „Dann kommen wir nicht ins Geschäft. Das sind zu wenig Anhaltspunkte, um Ermittlungen aufzunehmen. Sie müssen uns schon mehr liefern.“, sagte ich. „Moment! Gerade fällt mir etwas ein. Die Reederei betreibt eine Flotte Containerfrachter. Der Name ist Tunisian Container Line.“ „Na also. Es geht doch.“ „Damit lässt sich was anfangen. Wenn wir uns jetzt noch über die Höhe unseres Honorars einigen können, übernehmen wir den Fall.“ „Wir können Ihnen nur 7.500 € pro Person zahlen. Unser Budget gibt nicht mehr her.“ „Jelena?“ „Wir haben schon für weniger gearbeitet. Also wird uns dieses Mal auch kein Zacken aus der Krone brechen.“ „Erwarten Sie unser Eintreffen diesen Freitag.“ „In Ordnung. In welchem Hotel kann ich Sie erreichen?“, fragte Elektra Tsulfidou. „Das können wir Ihnen 298

erst am Freitag sagen.“ „Dann bis Freitag.“, sagte Elektra. Dann stand sie auf und verließ unser Büro.

20 Minuten später hörten wir Schritte auf der Treppe. Dann klopfte es an unserer Bürotür. Brit öffnete. Jelena und ich staunten nicht schlecht, als Alejandra Valderrama eintrat. „Miss Valderrama! Na das ist aber eine Überraschung.“, sagte ich. „Warum denn so förmlich, Paul? Schon vergessen, dass wir Freunde sind?“ „Ich werd alt.“ Alejandra lachte. „Was können wir für dich tun?“ „Ich war gerade in der Nähe und hab mir gedacht, statte ich euch beiden einen Besuch ab.“ „Das ist echt lieb von dir. Aber wir müssen bald nach Hause. Koffer packen. Wir fliegen am Freitag nach Griechenland.“ „Urlaub?“ „Nein. Wir haben einen Fall. Es geht um Steuerhinterziehung.“ „Ist dort an der Tagesordnung. Es ist selten, dass mal einer auffliegt. Und wenn, dann sind es meistens die normal sterblichen.“ „Und die großen Fische kommen ungeschoren davon.“ „Die „großen Fische“, wie du es so charmant auszudrücken pflegst, Jelena, sind regelrechte Piranhas. Ihr wisst, was ich meine.“

Schließlich machten wir Feierabend und gingen ins Reisebüro um unsere Reise für Freitag zu buchen. Alejandra begleitete uns und zahlte zu unserer größten Überraschung die Kosten für unser Hotel. Wir hatten uns für das Hotel El Greco Eretria entschieden. „Ist ja lieb von dir, dass du die Kosten für unsere Unterkunft übernimmst.“ „Ist das mindeste was ich für euch tun kann.“ „Wann fliegst du nach Hause?“, fragte Jelena. „Morgen früh. Schickt mir bitte am Donnerstag Abend eure Flugnummer und die Ankunftszeit am Zielflughafen. Ich hol euch dann ab.“ „Womit haben wir das verdient?“, wollte ich von Alejandra wissen. „Na hör mal, Paul. Du und Jelena habt nicht nur meine Unschuld bewiesen, Ihr habt mir auch mein Kind wieder zurück geholt. Ich stehe für immer in eurer Schuld.“

Am Freitag, den 10.01.2020, machten wir uns dann auf den Weg nach Thessaloniki. Noch am Vorabend hatte ich Alejandra Valderrama per SMS mitgeteilt, dass wir mit dem Flug Aegean 747 auf dem Makedonia Airport um 12:35 Uhr landen würden. Um 8:30 Uhr waren wir schon am Flughafen. Jelenas Mitbewohnerin und Lebensgefährtin Anastasia Dimitrova hatte uns zum Rhein-Main-Flughafen gebracht. Sie hatte mit uns gewartet bis wir die Koffer an dem entsprechenden Schalter aufgegeben hatten, dann hatte sie uns zur Sicherheitsschleuse gebracht, wo sie sich von uns verabschiedete. „Wenn ich euch irgendwie helfen kann, dann sagt mir bescheid.“, sagte sie noch. „Machen wir.“

Wir passierten die Sicherheitsschleuse ohnen nennenswerte Schwierigkeiten. Im Transitbereich des Terminals suchten wir uns zwei Sitzplätze nebeneinander. Während Jelena sich umsah, sah ich auf dem Anzeigedisplay an welchem Gate unser Flug nach Thessaloniki zum Bording bereitgestellt wurde. Schließlich fand ich unseren Flug. AEGEAN 787 wurde an Gate C15 zum Boarding bereitgestellt. Nachdem ich dies meiner Partnerin mitgeteilt hatte, begaben wir uns direkt zum Gate, wo auf dem Display des Boarding-Schalters unser Flug angezeigt wurde. Um 10:35 Uhr wurde unser Flug zum Boarding aufgerufen. „Alle Passagiere des Fluges AEGEAN 787 nach Thessaloniki werden gebeten, sich umgehend an Bord 299

der Maschine zu begeben.“, ertönte es aus dem Lautsprecher. Jelena und ich gingen an Bord der Maschine und zeigten der Flugbegleiterin unsere Boardingkarten und unsere Personalausweise.

Um 11:05 Uhr hob die Maschine ab. Nach einer Flugzeit von zwei Stunden und dreißig Minuten landeten wir wie geplant um 12:35 Uhr auf dem Makedonia Airport. Nachdem wir unser Gepäck geholt hatten gingen wir zum Ausgang, wo wir El Doberman in die Arme liefen. Nach einer innigen Begrüßung gingen wir zu einer Autovermietung. Alejandra überraschte uns einmal mehr, denn sie übernahm auch die Kosten für unseren Mietwagen.

Wir entschieden uns für einen Jaguar XF „Prestige“. Lackiert war diese englische Nobelkarosse in Loire Blue und hatte neben Allradantrieb auch das 8-Gang-Automatik-Getriebe. Außerdem hatte sunny cars bei Jaguar den Ingenium 2,0-Liter Twinturbo Benzin-Motor mit 300 PS bestellt. Als weitere Extras hatte man bei der Autovermietung noch die Sonnenblende hinten, das Meridian Surround Sound System, Batterieladegerät, Starterkabel, Feuerlöscher und einen Erste Hilfe Kasten geordert. Außerdem gehörten noch ein Reifendruckmessgerät, das 12,3 Zoll TFT-Instrumentendisplay, dunkel getönte Scheiben ab der B-Säule, die 20-Zollfelgen mit 9 Doppelspeichen Style 9004, das Parkhilfe-Paket Premium, das Panoramaschiebedach und ein Dachhimmel in Premium-Velours zur Sonderausstattung unseres Mietwagens.

Mir fielen noch ein paar weitere Extras auf. So hatte der Jaguar den Kühlergrill und die Einfassung in Chrom. Die Sitzbezüge waren aus perforiertem genarbtem Leder im Farbton Latte ausgeführt. Außerdem gab es noch eine Taschenlampe inklusive Ladestation, eine Sonnenschutzblende für die Windschutzscheibe, das Memory-Paket Plus für die Sitze und adaptive LED-Scheinwerfer mit LED-Signatur. Zusätzlich gab es noch einen Stoßfängerschutz, das Komfort-Paket Premium, Teppichfußmatten Premium AWD und das beheizbare Multifunktions-Soft-Grain-Sportlederlenkrad. Aber die Autovermietung war noch weitergegangen. So hatte man bei Jaguar noch die Dekorelemente in Gloss Figured Ebony, den Leichtmetallfelgen Reiniger, die Allwetter Fahrzeugabdeckung, Das Fahrsicherheitspaket Premium, eine Heckklappenabschlussleiste in glänzend schwarz, die faltbare Gepäckaufbewahrung und zu guter Letzt das Gepäckaufraum Bodennetz bestellt.

Über die A1 und anschließend die EO44 fuhren wir nach Chalkida. Um 18:15 kamen Jelena und ich an unserem Hotel an. Das El Greco Eretria war ein sechsteiliger Gebäudekomplex mit einem roten Ziegeldach. Die Zimmer in den unteren Geschossen hatten Terrassen und die Fenster waren auf allen Zimmern großzügig und ließen viel Licht ein. Auch eine Dachterrasse, die über den hoteleigenen Swimmingpool erreichbar war fehlte nicht. Auf dem Dach des Gebäudeteils neben dem Rezeptionsbereich war noch eine Solaranlage montiert. Der Poolbereich war ebenfalls mit einem roten Ziegeldach überdacht. Der Eingangsbereich war durch ein Tor von der Straße getrennt. Der Haupteingang besaß eine Rampe, die in der Mitte eine dreistufige Treppe hatte. Der Boden war mit feinstem Naturstein versehen. 300

Die Rampe besaß an beiden Seiten ein Geländer. Am Geländer auf der rechten Seite waren noch jeweils vier Querstreben verbaut. Über die Treppe gelangte man zu einer weiß gestrichenen Doppeltür mit vier großen Fenstern. Zwei Stahlpfeiler stützten das Vordach, an dessen Strinseite der Name des Hotels zu lesen war.

Als wir mit unserem gemieteten Jaguar am Tor vorfuhren, öffnete es sich und wir fuhren auf den Parkplatz. Wir luden die Koffer aus und nahmen die Treppe. Als wir die Lobby des Hotels betraten, schaute die Mitarbeiterin an der Rezeption von ihrem Monitor auf. Als sie uns erblickte, strahlte sie über das ganze Gesicht. Kein Wunder, hatte ich die Lady doch als unsere Bekannte Kattie identifiziert. Seit unserem Fall in Österreich hatten wir sie nicht mehr gesehen. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Sagt bloß Ihr habt wieder einen Fall.“, sagte Kattie. „Wären wir sonst hier?“ „Wann macht Ihr zwei mal Urlaub?“ „Wieso fragst du, Kattie?“, wollte Jelena wissen. „Mein Gott Jelena. Bist du wirklich so schwer Begriff? So kann das doch nicht weitergehen.“ „Worauf willst du hinaus, Kattie?“ „Schon mal was von Burn Out gehört, Ihr zwei Hübschen?“

„Bist du Ärztin oder Undercoveragentin?“, fragte ich. „Im Moment keins von beidem. Aber nehmt einen guten gemeinten Rat von mir an und schaltet nach diesem Fall mal richtig ab. Lasst es euch gut gehen. Die Welt ist groß.“ Danach gab uns Kattie unsere Zimmerschlüssel. „Mr. MacLain Sie haben Zimmer E301. Miss Romanova, Sie haben Zimmer E302. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus.“

Wir bezogen unsere Zimmer und machten uns frisch. Danach gingen wir zum Abendessen ins Restaurant. Jelena trug wieder ihr blaues Abendkleid und die blauen Schuhe mit den flachen Absätzen, die ich bei unserem Fall in Belgien gekauft hatte. Die aufmerksamen Blicke, die meine Partnerin auf sich zog, blieben nicht aus. Kein Wunder, Jelena ist ein heißer Feger. Auch heute mit 36 Jahren ist sie immer noch die atemberaubende Schönheit von damals. Nur mit ein paar Fältchen um die Augen.

Das Abendessen nahmen Jelena und ich auf der Dachterrasse ein. Ein Kellner nahm unsere Bestellungen auf. Als Aperitif bestellten wir uns einen Ouzo und als Vorspeise einen Bauernsalat. Als Hauptspeise wählten Jelena und ich Hähnchen mit Schafskäse und als Dessert griechischen Joghurt mit Walnüssen und Honig.

Wir saßen gerade beim Dessert, als Jelenas Smartphone klingelte. Meine Partnerin verdrehte entnervt die Augen. „Kann man denn nicht mal in Ruhe essen?“, fragte sie mit einem gereizten Unterton in der Stimme. Dennoch nahm Jelena den Anruf an. „Jelena Romanova. Welche Nervensäge stört?“ „Elektra Tsulfidou. Können wir uns heute noch treffen?“ „Wir sind heute erst angekommen. Mein Partner und ich müssen uns erst mal ausruhen.“ „Das ist verständlich. In welchem Hotel haben Sie sich eingemietet?“ „Im El Greco Eretria.“, sagte Jelena. „Eine gute Wahl.“

Nach dem Abendessen suchten wir die Cocktailbar unseres Hotels auf. Die Bedienung servierte uns gerade die Getränke, als Alejandra Valderrama und 301

Hera Arnakis zu uns an den Tisch kamen. „Habt Ihr Stehplatz, Ladies?“, fragte ich. „Soll das eine Aufforderung zum Setzen sein, Paul?“ „Es kann ja wohl nicht angehen, dass Ihr euch die Beine in den Bauch stehen müsst.“

„Es muss schon einen besonderen Grund geben, dass ihr zwei Beauties uns mit eurer Anwesenheit beehrt.“, sagte Jelena, nachdem Hera und ihre kolumbianische Cousine Platz genommen hatten. „Den haben wir in der Tat. Uns ist zu Ohren gekommen, dass Ihr zwei auf die Tunisian Container Line angesetzt seid.“ „Das ist richtig. Aber aus Gründen der Diskretion dürfen wir uns nicht zu einem laufenden Ermittlungsverfahren äußern.“, sagte ich. „Wir können mit einigen Informationen dienen, die euch sicherlich weiterhelfen werden.“ Jelena und ich wurden hellhörig. „Die Linie gehört einem Ehepaar. Sie ist Tunesierin. Er ist Grieche.“, sagte Hera. „Was wisst Ihr sonst noch über die beiden Turteltauben?“ „Der Mann heißt Demanas. Aber alle nennen ihn nur El Jamon.“ „Was für ein komischer Spitzname.“, sagte ich. „El Jamon hat eine Vorliebe für gesunkene Schatzschiffe. Im Moment bereitet er eine Expedition zu einer gesunkenen spanischen Galleone der „San Sebastian“ vor.“

„Und wie finanziert er dieses Projekt?“, wollte Jelena wissen. „Ab hier wird es interessant. Die Ausrüstung und die Leute bezahlt er aus den hinterzogenen Steuergeldern. Die Bergungsrechte mit Geldern aus Drogengeschäften.“ „Das ist auch der Grund, warum sich die hiesigen Drogenbehörden für Demanas interessieren.“ „Was wisst Ihr sonst noch?“, fragte ich. „Die Schiffe, die von der Container Linie betrieben werden, sind allesamt älter als 5 Jahre. Manche sind sogar noch aus den 70ern. „Dass sich diese Seelenverkäufer noch über Wasser halten können, grenzt fast schon an ein Wunder.“

„Für El Jamon spielt das keine Rolle. Wohl aber für seine Frau. Sie hat vor kurzem bei Blohm & Voss in Hamburg einen Neubau in Auftrag gegeben.“ „Hat die Lady auch einen Namen?“ „Demanas Frau heißt Nadia Ben Ali.“ „Und wie groß soll der Neubau werden?“ „Das neue Schiff soll 333,20 m lang werden und voll beladen 118.945 Tonnen wiegen.“ „Und wie hat El Jamon auf den Auftrag an Blohm & Voss reagiert?“ „Er war stinksauer, Paul. Denn durch den Neubau fehlen ihm ein paar Millionen für die Expedition zur „San Sebastian“.“, sagte Alejandra. „Das heißt, bei den beiden hängt der Haussegen gründlich schief.“ „Ist das ein Wunder? Ich würde mir das auch nicht lange gefallen lassen, Towarischtsch.“ „So ein Neubau kostet schon so einiges. Zumal das Schiff in Deutschland gebaut wird. Und dort sind die Lohnkosten natürlich höher, als in Asien.“ „Von welcher Summe reden wir hier überhaupt?“ „Wir haben in Erfahrung bringen können, dass dieses Schiff 320 Millionen Euro kosten soll.“, sagte Hera.

„Mich interessieren jetzt zwei Dinge.“, sagte ich „Erstens: Wieso der Auftrag an Blohm & Voss ein neues Containerschiff zu bauen? Zweitens: Wofür braucht El Jamon so viel Geld? Ausrüstung und Personal kosten ja wohl nicht die Welt.“ „Was den zweiten Teil angeht, da kann zumindest meine Cousine Hera dir Auskunft geben, Paul. Was nun deine erste Frage angeht, so habe ich erfahren, dass der Tunisian Containerline mehrere Schadenersatzklagen drohen, wenn Nadia 302

Ben Ali nicht eine Auflage erfüllt. Nämlich den Neubau des besagten Containerriesen. Ansonsten drohen Schadenersatzforderungen in einer Höhe von 800.000.000 Dollar.“, sagte Alejandra. „Was aber deine zweite Frage angeht, muss Demanas Leute schmieren, um überhaupt die Bergungsrechte zu kriegen. Denn viele dieser gesunkenen Schiffe sind zum Teil maritime Denkmäler. Und natürlich auch maritime Grabstätten. Es wäre also Grabschändung und Störung der Totenruhe, wenn Gegenstände aus den Wracks geborgen würden.“

„Das leuchtet ein. Was mich aber auch noch interessiert, welche Position hat Demanas in der Reederei inne?“ „Gar keine. Er hat in der Reederei seiner Frau nichts mitzureden. Deshalb versucht er, so wenig Geld wie möglich in das Unternehmen zu stecken. Dieses Mal war El Jamon aber per Gerichtsbeschluss dazu verdonnert worden, eine Summe von 750.000.000 Euro an seine Frau abzutreten.“ „Und das war es, was Demanas so auf die Palme gebracht hat.“ „Richtig, Paul. Er gibt seiner Frau gerade mal so viel Geld für die Reederei, dass diese nicht bankrott geht. Er braucht die Schiffe für seine Drogenaktivitäten.“ „Hat er sich an den Gerichtsbeschluss gehalten?“ „Zwangsläufig. Denn wenn er diesen Bescheid missachtet hätte, wäre El Jamon finanziell richtig geschröpft worden.“

„Was auch interessant wäre, was El Jamon mit den geborgenen Kunstgegenständen macht, die er aus den Wracks birgt.“, sagte Jelena. „Das was jeder Grabräuber macht. Er verkauft sie.“ „Und die Steuern, die für die Einnahmen aus den Verkäufen fällig werden, hinterzieht Demanas auch.“ „Worauf du deinen süßen Arsch verwetten kannst, Paul.“, sagte Alejandra. „Tut mir leid, aber den brauch ich noch.“

Am nächsten Morgen trafen Jelena und ich uns nach dem Frühstück mit Elektra Tsulfidou. Sie kam zu uns ins Hotel und wir zogen uns auf die Dachterrase zurück. „Wir hatten gestern abend ein unerwartetes Zusammentreffen mit El Doberman und Hera Arnakis.“, sagte Jelena. „Ich weiß. Worum ging es bei dieser Zusammenkunft?“ „Alejandra Valderrama und ihre Cousine haben uns mit wertvollen Informationen versorgt. Kennen Sie einen Griechen namens Demanas, Spitzname El Jamon?“ „Und ob ich den kenne. Der Kerl hat mehr Dreck am Stecken, als euch lieb ist.“ „Schmuggel?“ „Nicht nur. Grabräuberei und Hehlerei kommen auch noch dazu.“ „Und Steuerhinterziehung.“, ergänzte Jelena. „Die auch.“

„Was wissen Sie sonst noch über El Jamon?“ „Alexis Demanas. Geboren am 6.01.1970 in Heraklion. Absolvent in Harvard. Hat dort BWL studiert und als Jahrgangsbester abgeschlossen.“ „Und was hat er nach seinem Studium gemacht?“ „Er hat im Unternehmen seines Vaters gearbeitet und sich dort seine Sporen verdient. Dann hat er sich selbständig gemacht. Aber sein Partner, ein Mann namens Dennis Southby hat die Einnahmen veruntreut und ist untergetaucht.“

„Und was ist mit seiner Frau, Nadia Ben Ali?“, fragte ich. „Sie ist die Vorstandsvorsitzende der Tunisian Container Line. Allerdings hält ihr Mann 51% der Firmenanteile.“ „Das bedeutet, dass Demanas rein theoretisch schalten und walten kann, wie er will.“ „Theoretisch ja. Aber in Wirklichkeit hat er gar nichts 303

zu melden. Und das wurmt ihn.“ „Wie jetzt? Als Mehrheitseigner kann Alexis Demanas sämtliche Entscheidungen seiner Frau durch sein Veto blockieren.“, sagte ich. „Können schon. Aber seine Frau lässt ihn nicht. Sie handelt getreu dem Motto: „Entweder es läuft, wie ich es will, oder gar nicht.“ Mit anderen Worten: Sie lässt sich von niemandem sagen, wie sie die Reederei zu führen hat.“

„Scheint mir eine selbstbewusste Frau zu sein. Was wissen Sie sonst noch über diese Frau?“ „Nadia Ben Ali. Geboren am 4.07.1995 in Bizerte. Ihr Vater ist Youssouf Ben Ali. Ihm gehören Anteile der P&O und der norwegischen Colour Line.“ „Der Name sagt mir was. Gilt als der reichste Mann Tunesiens.“ „Er hat seiner Tochter ein BWL-Studium in Oxford und danach die Gründung der Reederei finanziert.“ „Und wie ist sein Verhältnis zu seinem Schwiegersohn?“, wollte ich wissen. „Er hasst ihn, wie die Pest. Am liebsten würde er ihn komplett aus der Reederei rausboxen, wenn er könnte.“ „Und warum macht der alte Ben Ali das nicht einfach?“ „Weil er dann seinen Schwiegersohn komplett auszahlen müsste. Und über die finanziellen Mittel verfügt die Familie nicht.“

„Was meinst du, Jelena?“ „Wir sollten mehr über diesen Dennis Southby herausfinden.“ „Darum kann ich ja deine Flamme Anastasia kümmern.“, meinte ich. „Ich ruf sie heute Nachmittag mal an.“ „Warum tun Sie das nicht jetzt?“ „Weil meine Mitbewohnerin um die Uhrzeit eine Menge um die Ohren hat. Sie arbeitet im russischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main.“ „Wie heißt Ihre Mitbewohnerin?“, fragte Elektra Tsulfidou. „Ist das so wichtig?“ „Es könnte ja sein, dass Sie in Bezug auf den Arbeitsplatz ihrer Mitbewohnerin nicht die Wahrheit sagen.“ „Der Name von Miss Romanovas Mitbewohnerin lautet Anastasia Dimitrova.“ „Der Name sagt mir was. Sie kommt nicht zufällig aus Smolensk?“ „Doch. Genau wie ich. Wir waren zusammen in der Schule. Bei unserem Einsatz in Russland haben Anastasia und ich uns wieder getroffen.“, sagte Jelena. „Ach Sie beide haben Michail Golowko aufs Abstellgleis geschoben.“ „Dieser Bösewicht war nicht der einzige.“ „Ich weiß, wen Sie und Ihre Partnerin schon alles erledigt haben. Zuletzt El Pitbull.“

Um 14:30 Uhr rief Jelena dann Anastasia an. Sie schaltete den Lautsprecher ihres Smartphones an, damit ich mithören konnte. Nach dem dritten Freizeichen nahm Jelenas Mitbewohnerin den Anruf an. „Was hast du auf dem Herzen, Jelena?“ „Anastasia, Paul und ich brauchen deine Hilfe.“, sagte Jelena. „Inwiefern?“ „Kannst du uns sämtliche Informationen über einen Mann namens Dennis Southby beschaffen?“ „Na sicher. Aber das dauert. Wenn der Mann Beziehungen bis in den Kreml hat, wird es ohnehin schwierig, da Wladimir Putin sämtliche Ermittlungen gegen Leute denen er wohlgesonnen ist, ohne zu zögern behindern wird.“ „Danke schon mal für deine Hilfe, Schatz.“, sagte Jelena. „Ist schon Okay, Liebling. Wenn ich was hab, melde ich mich bei euch.“

Es dauerte fast eine ganze Woche, ehe Anastasia etwas von sich hören ließ. Am Freitag, den 20.01.20 kam sie dann. Doch am Tag zuvor hatte sie Jelena eine SMS auf ihr Smartphone geschickt. „Anastasia hat die Informationen. Sie bringt den Bericht morgen mit.“, hatte Jelena gesagt. Um 12:00 Uhr traf 304

Jelenas Mitbewohnerin bei uns im Hotel ein. Nach dem Check-In trafen wir uns auf der Dachterrasse. „Tut mir leid, dass es solange gedauert hat. Aber wir hatten ein Sicherheitsproblem.“, sagte Anastasia. „Ein Hacker?“ „Wenn es nur das gewesen wäre. Wir hatten einen Maulwurf in unseren Reihen.“ „Klingt nicht gut.“ „War es auch nicht. Der Kerl war stellvertretender Archivleiter.“ „Russe?“ „Nein. Brite. Er war nur als Russe getarnt.“ „Gib mir doch bitte mal die Akte, Schatz.“, sagte Jelena.

Nachdem sie die Akte studiert hatte, gab meine Partnerin die Akte an mich weiter. „Howard Kimball.“, las ich vor. „Was haben wir über ihn?“ „Seine Akte ist in Ordnung. 1997 wurde er in Nordkorea verhaftet. Kam ein Jahr später gegen Kaution frei und brauchte noch einmal zwei Jahre um sich von der Folter zu erholen. Seine Frau ist aus Taiwan.“ „Ja, so steht es da. Aber in Wirklichkeit stammt seine Frau aus Nam Dinh. Ihre Familie lebt in Haifong und ihr Bruder arbeitet noch immer für vietnamesischen Geheimdienst.“ „Wie konntet Ihr nur so etwas übersehen?“, fragte ich fassungslos. „Tja, den ham se uns untergejubelt. Da hat jemand bei uns geschlafen.“

„Wie passt euer Maulwurf zu unserem Fall?“, fragte Jelena. „Er schützt britische Staatsbürger, deren Machenschaften dem Kreml ein Dorn im Auge sind. Und euer Dennis Southby ist ein solcher Mann. Lest euch mal die Akte durch.“

Nachdem wir uns die Akte über Dennis Southby durchgelesen hatten, blieb Jelena und mir die Spucke weg. „Was ist das bloß für eine kranke Feder?“, fragte Jelena. „Euer Mr. Southby ist ein brandgefährlicher Mann. Nicht nur der Kreml ist hinter ihm her. Das Pentagon jagt ihn auch.“ „Was hat der Typ bloß verbrochen, dass ihn die beiden mächtigsten Männer der Welt tot sehen wollen?“ „Byzanium.“ „Byzanium? Noch nie was gehört davon.“, sagte ich. „Es gibt nur sehr wenige Menschen, die darüber bescheid wissen.“ „Was hat das mit unserem Fall zu tun?“ „Ganz einfach. Dennis Southby versucht, sich das Firmenvermögen der Tunisian Containerline unter den Nagel zu reißen. Von Alexis Demanas kriegt er keinen Cent mehr.“ „Die Geschichte kennen wir schon.“ „Nicht ganz, fürchte ich.“, sagte Anastasia. „Schieß los.“ „Dennis Southby hat Demanas schon die eine oder andere Expedition versaut. Die letzte vor zwei Monaten. Das Zielobjekt war die „San Mateo“, eine Galeone mit 36 Kanonen die 1568 vor der Küste Kretas in einem Sturm gesunken ist.“

„Und was hat Dennis Southby mit dem Geld gemacht, dass er aus dem Verkauf der Ladung der „San Mateo“ rausgeschlagen hat?“, fragte ich. „Ab hier kommt das Byzanium ins Spiel. Dennis Southby hat ein riesiges Vorkommen in der inneren Mongolei entdeckt und will sich die Schürfrechte sichern. Das Land auf dem sich das Vorkommen befindet gehört ihm und nun ratet mal, mit welchen Geldern er den Kauf finanziert hat.“ „Doch nicht etwa mit den veruntreuten Firmengeldern von El Jamon?“ „JACKPOT! Und nach dem Erwerb ist Dennis Southby sofort abgetaucht. Er wechselt das Versteck fast täglich.“ „Weil er Angst hat, dass El Jamon ihm das Licht ausknipst.“, sagte Jelena. „Gut aufgepasst. Gibt ne 1 mit nem Plus bis Bagdad Fischmarkt.“, sagte Anastasia. 305

„Eins verstehe ich nicht. Wieso will Dennis Southby auch das Vermögen von Nadia Ben Alis Firma?“, fragte ich. „Das ist ganz einfach. Die Regierung in Ulaanbaatar fordert für die Vergabe der Schürfrechte eine finanzielle Sicherheit in Höhe von 900 Millionen Euro. Und diese Summe kann Dennis Southby nur aufbringen, wenn er in den Besitz des GESAMTEN Firmenvermögens der TCL gelangt.“ „Das wird Alexis Demanas aber nicht zulassen. Immerhin ist er mit Nadia Ben Ali verheiratet.“ „Noch. Vor zwei Tagen hat Nadia die Scheidung eingereicht.“

„Eines erschließt sich mir immer noch nicht. Wozu braucht Mr. Southby Byzanium? Und damit kommen wir zu Frage Nummer Zwei. Was ist überhaupt Byzanium?“

Später am Nachmittag trafen Jelena, Anastasia und ich uns mit den beiden Cousinen. Nach einer herzlichen Begrüßung fiel Alejandra Valderrrama der nachdenkliche Blick in meinen Augen auf. „Worüber zermarterst Du dir den Kopf, Paul?“, fragte sie. „Was Byzanium sein könnte.“ „Sagtest Du gerade eben „Byzanium“, Paul?“ „Ja, das habe ich.“ „Viel wissen wir nicht darüber. Das einzige, was wir wissen, ist, dass es ein ganz seltenes Mineral ist.“ „Und das ist der Grund, warum so wenige Menschen darüber bescheid wissen.“

„Für mich ergibt das alles einfach keinen Sinn. Ich meine, was hat die Byzanium-Geschichte mit unserem Fall zu tun? Wir wurden angeheuert, um Alexis Demanas der Steuerhinterziehung zu überführen.“, meldete sich Jelena zu Wort. „Sie hat insofern damit zu tun, dass Dennis Southby uns auf Mr. Demanas aufmerksam gemacht hat.“ „Ich ahne etwas.“, sagte ich. „Dann lass uns an deinem Wissen teilhaben, Towarischtsch.“ „Dennis Southby hat seinen früheren Geschäftspartner bei der griechischen Steuerbehörde denunziert, in der Hoffnung, im Falle einer Verurteilung von El Jamon, mit einer fürstlichen Belohnung, in Form einer millionenschweren Geldsumme, bedacht zu werden. Dieses zusätzliche Geld würde ihn seinem Ziel, sich die Schürfrechte für das Byzanium zu sichern, ein Stück näher bringen.“ „Klingt logisch.“ „Dennis Southby ist auch kein Kind von Traurigkeit. Der hinterzieht auch Steuern in Millionenhöhe.“ „Denkt Ihr, was ich denke, Ladies?“, fragte ich in die Runde. „Die beiden sind Rivalen im Kampf um das Byzanium.“ „Und Dennis Southby besitzt das Grundstück mit dem Vorkommen.“ „Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Alexis Demanas seinen ehemaligen Geschäftspartner bei der Regierung in Ulaanbaatar angeschwärzt hat.“ „Da scheinen sich zwei Ganoven nicht ganz grün zu sein.“, sagte Hera Arnakis.

Unsere Besprechung dauerte bis spät in die Nacht. Bevor wir auseinander gingen hatte Elektra Tsulfidou noch eine Information für uns. „Nadia Ben Ali hat gefragt, ob sie sich morgen mit euch treffen kann.“ „An uns soll es nicht scheitern. Wäre 10:30 Uhr in Ordnung?“ „Ich klär das kurz.“

Das Gespräch dauerte keine 5 Minuten. „10:30 Uhr ist geritzt. Miss Ben Ali wird euch morgen früh im Hotel aufsuchen.“, sagte Elektra. „Mit oder ohne Ehemann?“ „Ohne. Sie kommt allein.“ „Ist vielleicht auch besser so.“, sagte Jelena.

Am nächsten Morgen kam Nadia Ben Ali pünktlich um 10:30 Uhr ins Hotel. 306

Wir hatten eher eine ältere etwas in die Breite geratene Frau erwartet, aber Nadia Ben Ali war das krasse Gegenteil. Alexis Demanas Gattin war eine 24jährige Schönheit. Sie war 1,68 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. An ihrem stark gebräunten Teint konnte man erkennen, dass Miss Ben Ali sehr oft und sehr viel draußen unter der Sonne war. Ihr ovales Gesicht mit den braunen Augen und der leicht breiten Nase war ebenfalls hübsch anzusehen. Allein schon wegen der sinnlichen Lippen. Bekleidet war sie mit schwarzen High Heels und einem türkisen Minikleid, das auf der rechten Seite offen geschnitten war. Ihre schwarzen, dauergewellten Haare trug Nadia Ben Ali offen, sodass sie bis zu ihren schön anzusehenden Hängetitten reichten.

„Guten Morgen, Miss Ben Ali. Was können meine Partnerin und ich für Sie tun?“, fragte ich. „Nennen Sie mich bitte Nadia. Und mir ist es lieber, wenn wir uns duzen.“ „Ist das nicht ein bisschen riskant? Ich meine, Sie sehen uns heute zum ersten Mal.“, warf Jelena ein. „Das ist richtig. Aber meine Freundinnen, Hera Arnakis und Alejandra Valderrama haben mir bei unserem letzten Treffen derart von euch beiden vorgeschwärmt, dass ich weiß, dass ich euch vertrauen kann.“ „Also Nadia. Wo drückt der Schuh?“ „Ich weiß, dass euch Elektra Tsulfidou auf meinen Ehemann angesetzt hat. Glaubt mir, Sie ist die einzig vernünftige Mitarbeiterin bei der Steuerbehörde.“ „Wir sollen deinen Schatz hochgehen lassen. Das stimmt. Aber was sich uns nicht erschließt, ist, wie das Mineral Byzanium in den Fall passt. Weißt du etwas darüber?“ „Oh ja. Byzanium ist ein seltenes, stark radioaktives Mineral. Im frühen 20. Jahrhundert wurde in einem Bergwerk auf der Insel Sverdlovsk Byzanium gefunden und von den Amerikanern abgebaut. Schon damals hat man erkannt, dass es militärischen Zwecken dienen könnte.“

„Du hast gesagt, dass schon ein Vorkommen auf russischem Boden gefunden wurde.“ „Richtig.“ „Und das die USA es abgebaut haben.“ „Auch das ist korrekt.“ „Hat das Byzanium jemals seinen Bestimmungsort erreicht?“, fragte Jelena. „Nein. Es ging verloren. Zuerst wurde es an Bord der TITANIC vermutet, doch nach deren Bergung hat sich diese Spur schnell als Rohrkrepierer erwiesen.“ „Und wo wurde es dann aufgespürt?“ „Auf einem englischen Friedhof in einem Dorf namens Southby.“ „Warum haben die Amerikaner das Byzanium nicht einfach ausgegraben?“ „Der mit den Forschungsarbeiten betraute Wissenschaftler hat es abgelehnt.“ „Was für Forschungsarbeiten waren das?“, fragte ich. „Es ging um ein sehr gut ausgetüfteltes Verteidigungssystem. Das einzige, was man brauchte, war ein Mineral, dass mehr Energie freisetzt, als Uran.“ „Jetzt wird mir einiges klar.“, sagte ich. „Was?“ „Dennis Southby und El Jamon haben beide die Pläne für dieses Verteidigungssystem in ihrem Besitz. Und deswegen wollen beide derjenige sein, der dieses System auf den Markt bringt.“ „Sehr scharfsinnig. Dennis und mein Mann waren mal Freunde. Bis sie das Byzanium gefunden haben.“ „Und bei Geld hört die Freundschaft auf.“ „Deswegen hat Dennis auch die Firmengelder meines Mannes veruntreut.“ „Und hat sich mit diesen Geldern das Landstück mit dem Byzaniumvorkommen gesichert.“ „Genau das. Mein Mann hatte jedoch einige brisante Dokumente, die er der mongolischen Regierung in Ulaanbaatar vorgelegt hat.“, sagte Nadia. 307

„Und daraufhin wollten die Mongolen die 900 Millionen Euro als finanzielle Sicherheit.“ „Richtig. Und deswegen versucht Dennis Southby sich die Gelder meiner Firma zu sichern. Aber das schafft er nicht. Ich habe die besten Cyberspezialisten. Und dank Alejandra und Hera auch die 51%, die mein Ehemann gehalten hat. Aber er hat sich auf seine Weise gerächt.“ „Was hat er gemacht? Und wie bist du in den Besitz der Firmenanteile gelangt?“ „Alexis hat mich geschlagen, nachdem Hera und ihre Cousine, die Aktien, die sie ihm für einen Apfel und ein Ei abgekauft hatten, an mich überschrieben hatten.“ „Und das war alles?“ „Nein. Er hat mich bei der DEA verpetzt. Er hat den Drogenfahndern den exakten Kurs und den genauen Ankunftstag in Los Angeles verraten. „Welches Schiff soll L. A. anlaufen?“ „Die Emerald Isle.“ „Wann soll das Schiff auslaufen?“ „In drei Tagen.“ „Jelena?“ „Ich sprech mit Anastasia. Vielleicht kann sie die Behörden in Tunis dazu bringen, das Schiff zu durchsuchen.“

Gesagt, getan. Nach dem Gespräch mit Nadia Ben Ali sprach Jelena mit ihrer Lebensgefährtin. Diese schickte den Behörden in Tunesiens Hauptstadt eine Nachricht, dass in den Containern für die Emerald Isle Drogen versteckt sein könnten. Doch sie ließ auch durchblicken, dass die Container nach der Durchsuchung ganz normal verladen werden sollten, und die Emerald Isle wie geplant auslaufen sollte.

Um 12:00 Uhr kam aus Tunis die Nachricht, dass man in allen Containern, die für die Emerald Isle vorgesehen waren, Drogen gefunden worden waren. Diese hatten die Behörden sofort beschlagnahmt. Am Freitag den 24.01.20 lief die Emerald Isle nach Los Angeles aus. Doch nach der Ankunft wurde das Schiff von den amerikanischen Drogenfahndern von oben bis unten durchsucht. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als die DEA an Bord kein Heroin fand, wie von Alexis Demanas avisiert. Der Leiter der amerikanischen Drogenbehörde rief El Jamon an, und machte ihn am Telefon zur Sau. „Sagen Sie mal, was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, Sie klingonischer Vollpfosten?“ „Was meinen Sie?“ „Sie haben uns verarscht, Mr. Demanas.“ „Verarscht?“ „Ja, verarscht. An Bord der Emerald Isle waren gar keine Drogen.“ „Das kann nicht sein.“ „So, und wieso nicht?“ „Weil ich selbst Zeuge war, als das Heroin in den Containern versteckt wurde.“ „Ach, was Sie nicht sagen.“

Nach diesem Telefonat führte der Leiter der Dienststelle in Los Angeles ein Gespräch mit seinem Kollegen in Tunis. „Drogenbehörde Tunis, Sie sprechen mit Ahmed Beytullah.“ „Warren Crawford von der DEA. Ich wollte mich nach dem Verbleib von 8 Kilo Heroin erkundigen, die an Bord des Containerschiffes Emerald Isle nach Los Angeles transportiert werden sollten.“ „Wieso interessiert Sie das?“ „Weil wir von Alexis Demanas einen Tipp bekommen haben.“ „Sagten Sie Alexis Demanas, Herr Kollege?“ „Ja, wieso?“ „Weil er derjenige welche ist, der die Drogen schmuggelt. Seine Frau Nadia Ben Ali ist seit einiger Zeit die alleinige Eigentümerin sämtlicher Firmenanteile. Jetzt versucht Alexis Demanas, sich an seiner Noch-Ehefrau zu rächen, indem er sie bei Ihnen denunziert.“ „Und was hat er davon?“ „Woher soll ich das wissen?“ 308

In Chalkida waren wir mit unseren Ermittlungen noch nicht wirklich weiter. Wir wussten zwar von der Rivalität zwischen Alexis Demanas und Dennis Southby, bezüglich des Byzaniums, allerdings wussten wir noch nicht so recht, wie das alles zusammenpasste, und ob die Beweise ausreichten, um El Jamon vor Gericht zu stellen und rechtskräftig zu verurteilen. Eines war sicher. Nur Alexis Demanas Noch-Ehefrau Nadia Ben Ali konnte uns die notwendigen Beweise beschaffen. Und das musste schnell gehen.

Zum Glück konnte uns Nadia einen Umschlag mit brisanten Dokumenten beschaffen, der in einem geheimen Safe gelagert war. Jelena fotografierte die Dokumente mit ihrem Smartphone und steckte die Originale wieder in den Umschlag. Danach ließ El Doberman Nadia Ben Ali mit der „Aphrodite“ abholen und auf ihr Haus auf Kreta bringen. Zur Vorsicht hatte sie noch einen Flug nach Frankfurt am Main gebucht, sollte Nadias Mann sie auf Kreta aufspüren.

Doch noch eine Überraschung erwartete uns. Am 25.06.2020 trafen Sylvie de la Richardais und ihre Schwester Claire in Chalkida ein. Wie ich von Kattie erfuhr, hatten die beiden Schwestern hier ein Ferienhaus. Als die beiden erfuhren, dass Jelena und ich auch hier weilten, kamen sie uns kurz im Hotel besuchen. Wir hatten mit diesem Besuch gar nicht gerechnet. Umso überraschter waren wir, als die beiden Gräfinnen uns in der Lobby über den Weg liefen.

„Na das ist ja eine Überraschung. Sylvie und Claire de la Richardais. Was hat euch den nach Chalkida verschlagen?“, fragte Jelena nach einer innigen Begrüßung. „Wir machen hier Urlaub. Und was hat euch zwei hierher verschlagen?“ „Wir haben einen Fall. Es geht um Steuerhinterziehung. Alexis Demanas heißt der Mann.“ „Nehmt euch bloß vor dem in Acht. Dieser Mann ist sehr gefährlich.“ „Inwiefern gefährlich?“ „Insofern, als dass er Steuerfahnder und andere Schnüffler mit einer Autobombe ins Jenseits zu schicken pflegt.“ „Er ist nicht der einzige, den wir im Visier haben. Dennis Southby haben wir auch im Fadenkreuz.“ „Dann werdet Ihr zwei unsere Hilfe brauchen. Denn mit den beiden ist nicht zu spaßen.“ „Wir haben Dokumente, die zumindest Alexis Demanas schwer belasten.“ „Und wir könnten euch die notwendigen Beweise gegen Dennis Southby liefern.“

Und offenbar wirkte der Druck, den Sylvie und Claire auf die Behörden ausübten. Denn schon am Montag hatten wir die Beweise gegen Dennis Southby in der Hand. Wir übermittelten die Unterlagen an die Steuerbehörde, die daraufhin eine Razzia bei Alexis Demanas anordnete. Doch bevor es losgehen konnte, wurde der leitende Beamte durch eine Autobombe getötet. Dennoch wurde die Razzia durchgezogen und tonnenweise Material beschlagnahmt.

Am Dienstag tauchte ein wütender Alexis Demanas in Chalkida auf. Und offenbar hatte man ihn darüber aufgeklärt, wer Jelena und ich waren, und in welchem Hotel wir logierten. Jedenfalls kam El Jamon wutentbrannt in die Lobby unseres Hotels gestürmt. Er packte meine Partnerin am Genick und zog sie unsanft nach oben. Dann hielt Alexis Demanas Jelena eine Heckler & Koch USP an die Schläfe und 309

bugsierte sie in Richtung Ausgang. Doch ich ließ meine Partnerin nicht im Stich und richtete meine Walther auf ihn. „RUNTER MIT DER WAFFE, UND DANN MACH DEN WEG FREI! ODER DEINE PARTNERIN STIRBT!“ „Geben Sie auf, Demanas. Das Spiel ist aus.“ „SAG MAL BIST DU TAUB? ICH HAB GESAGT WAFFE RUNTER UND WEG FREI!“ „Oder Jelena tritt ihre letzte Reise an.“ „Leg die Waffe nicht weg, Towarischtsch.“ „WENN DU NICHT BALD TUST, WAS ICH SAGE, DANN KANNST DU DEINE PARTNERIN AUF DEM FRIEDHOF BESUCHEN, DU SCHEIß TOMMY!“

„Erklären Sie mir eines. Wozu das Ganze?“ „Aber gerne doch. Mir geht es um die Alleinherrschaft.“ „Über die ganze Welt?“ „Wo denken Sie hin? Ich will Griechenland beherrschen.“ „Und was haben Sie davon?“ „Was ich davon habe? Wenn ich Griechenland regiere und das Byzanium besitze, dann mache ich mein Heimatland zur führenden Weltmacht.“ „Das Byzanium ist doch wertlos.“ „Ohne das sizilanische Verteidigunssystem? Es ist nicht wertlos. Aber jetzt haben wir genug geredet. LEG DEINE WAFFE AUF DEN BODEN UND GEH ZUR SEITE!“ „Ein MacLain ergibt sich nie.“ „Ganz wie du willst. SAG DEINER PARTNERIN AUF WIEDERSEHEN!“, sagte Alexis Demanas und drückte ab. Doch nichts passierte. „Du hättest deine Waffe vorher entsichern sollen, Durak.“, sagte Jelena. Dann rammte sie dem verblüfften Griechen den Ellenbogen in die Magengrube.

Nur eine Woche nachdem wir Alexis Demanas hatten hoch gehen lassen, machte man El Jamon den Prozess. Wie sich herausstellte, hatte die Familie Demanas seit Generationen Steuern hinterzogen. Die Verteidigerin, eine gutaussehende Brünette mit üppiger Oberweite, versuchte zwar, den Richter mit ihren Reizen zu beeindrucken, doch es half nichts. Dieser Richter war ein harter Knochen. Alexis Demanas wurde zu einer Haftstrafe von 6 Jahren ohne Bewährung wegen Steuerhinterziehung und Drogenschmuggel und einer Nachzahlung in Höhe von 7,5 Milliarden Euro verurteilt. Als wir den Saal verließen sagte ich zu El Jamon: „Merken Sie sich eines: Wer alles will, hat am Ende gar nichts.“ „Mann halt bloß die Schnauze, du elender Schnüffler.“ „Du kannst mich gern haben, Durak.“

Unser Auftrag in Griechenland war beendet. Die Regierung zahlte uns die vereinbarten 15.000 € und wir machten uns fertig für die Rückreise. Doch wieder einmal kam alles anders. Alejandra Valderrama hatte uns wieder in ihre Villa auf Kreta eingeladen. Bei dieser Zusammenkunft war auch Nadia Ben Ali dabei, die gerade frisch geschieden war.

Es war jedoch Camille, die das Wort ergriff. „Was hat sich dein Ex eigentlich dabei gedacht, dass er Steuern hinterzogen hat, Tante Nadia?“, fragte sie gerade heraus. „Das war nicht nur mein Ex-Mann, Camille. Auch sein Vater und sein Großvater haben Steuern am Fiskus vorbeigeschleust.“ „Und wieso hat das keiner gemerkt?“ „Schon mal was von Korruption gehört, Camille?“ „Mein Vater hat in einer Bank gearbeitet. Er war auch so eine miese Drecksau.“ „Du scheinst ja keine hohe Meinung von deinem Vater zu haben, Camille.“, sagte Nadia. „Wenn ich dir nur die Hälfte von dem erzähle, was meine Eltern verzapft haben, brennt dir 310

garantiert die Sicherung durch.“

„Letzten Endes zählt doch nur, dass wir einen größenwahnsinnigen Steuersünder unschädlich gemacht haben.“, sagte ich. „Irrtum. Zwei. Du hast Dennis Southby vergessen, Towarischtsch.“ „Mich würde vor allem eines interessieren. Was hat eigentlich die mongolische Regierung mit dem Grundstück gemacht, dass Dennis Southby gehört?“ „Ulaanbaatar hat ihn enteignet und das Grundstück zum Sperrgebiet erklärt. Außerdem wurde per Gesetz verfügt, dass das Byzaniumvorkommen nicht ausgebeutet werden darf.“, sagte Anastasia. „Von wem hast du diese Information?“ „Von Elektra Tsulfidou. Sie wäre heute gerne dabei gewesen, aber man hat sie befördert. Sie ist die neue Leiterin der Abteilung Steuerfahndung.“ „Ehre, wem Ehre gebührt.“, sagte Nadia. „Und was habt Ihr zwei Hübschen noch vor?“ „Erst mal Urlaub.“ „Verreist Ihr?“ „Wahrscheinlich.“ „Und wo solls hingehen?“ „Neuseeland.“ „Grüßt mal die Maori von mir.“, sagte Alejandra. 311

25. Fall - Wilderei im Kruger Nationalpark

25. Fall – Wilderei im Kruger-Nationalpark

Unser 25. Fall führte uns wieder mal außerhalb von Europa. Nach Südafrika, wenn ihr es genau wissen wollt, liebe Freunde. Es war April geworden. Den restlichen Februar und den kompletten März hatten wir nicht gearbeitet. Brit hatte in der Zeit die Post durchgesehen und nach einem eigens entwickelten Sortierungssystem nach Relevanz sortiert.Am Montag, den 06.04.2020, kamen Jelena und ich wieder in unser Büro. Brit war schon anwesend.

„Einen wunderschönen guten Morgen Brit.“, sagte Jelena. „Gleichfalls. Ich hab hier einen Brief von der Parkverwaltung des Kruger-Nationalpark in Mbombela.“ „Was wollen die denn?“ „Keine Ahnung.“ „Lang mal rüber das Teil.“, sagte ich. „Kannst du fangen, Paul?“ Mit diesen Worten warf mir Brit den Umschlag zu. Ich öffnete ihn und las mir den Inhalt genau durch. „Was wollen die Herrschaften, denn von uns, Towarischtsch?“ „Sie haben ein Problem. Eine Bande von Wilderern lockt die Tiere aus dem Park und knipst ihnen die Lichter aus.“ „Warum tun sie das?“ „Ganz einfach. Wenn diese Kerle die Tiere im Park abknallen, und sie werden von den Park-Rangern geschnappt, dann wandern die Brüder hinter schwedische Gardinen.“ „Eins würde mich interessieren.“, sagte Jelena. „Und was?“ „Wer der Kopf dieser Bande ist.“ „Das weiß man nicht so genau. Aber uns wird für heute Morgen 10:20 Uhr der Besuch einer Mitarbeiterin des Parks avisiert.“ „Hat Madame auch einen Namen?“ „Die besagte Dame heißt Renee Van der Built.“

Um 10:20 Uhr klingelte es bei uns an der Tür. Unsere Sekretärin betätigte den Türöffner. Kurze Zeit später hörten wir Schritte auf der Treppe. Schließlich klopfte es bei uns an der Tür. Die Frau die nach dem Öffnen eintrat war eine 1,68 m große Brünette mit braunen Augen. Sie hatte ein ovales Gesicht mit einer etwas breiten Nase und kurzen sinnlichen Lippen. Ihre Haare, hatte unsere Besucherin zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden. Bekleidet war Miss Van der Built mit einem schwarzen Minirock und einem weißen bauchfreien Top. Um den Hals trug sie als Accessoire eine Kette aus schwarzen Perlen und dazu passende Ohrringe. Über ihrem Top trug sie einen schwarzen Blazer. Ihre Füße steckten in schwarzen High Heels.

„Guten Tag, Miss Van der Built. Was können meine Partnerin und ich für Sie tun?“ „Haben Sie den Brief der Parkverwaltung des Kruger-Nationalparks erhalten?“ „Ich habe ihn vor mir liegen.“ „Es gibt Neuigkeiten. Als ich im Flieger nach Frankfurt saß, hat die Bande wieder zugeschlagen.“ „Was für eine Tierart war es dieses Mal?“ „Ein Elefantenbulle. Sein Name war Abdul. Abdul war bei den Touristen wegen seines Sanftmutes sehr beliebt. Man konnte ihn sogar bedenkenlos anfassen. Er hat sich auch aus der Hand füttern lassen.“ „Gibt es noch mehr solcher Publikumslieblinge?“ „Natürlich! Was glauben Sie denn?“, fragte Renee Van der Built aufgebracht. „Können Sie uns ein paar Namen nennen, und um was für Tiere es sich handelt?“ „Sicher. Wir haben eine Löwin. Ihr Name ist Sienna und ein männliches Exemplar mit Namen Mogambi. Dann wären da noch unsere beiden Spitzmaulnashörner Lestrade und Maeve. Bei den Elefanten wären noch Asrael und Nia zu erwähnen.“ 312

„Gestatten Sie mir eine Frage. Wie alt war Abdul, als er gewildert wurde?“, sagte ich. „Er war 10 Jahre alt.“ „Ist das schon viel für einen Elefantenbullen?“ „Für einen ausgewachsenen schon.“ „Was können Sie uns sonst noch berichten?“ „Vor zwei Monaten haben wir ein paar Wilderer auf frischer Tat ertappt. Einer davon war ein weißer. Sein Name ist Dick van Dyk.“ Bei dem Namen wurde Jelena hellhörig. „Der Name sagt mir was. Er ist so eine Art Koordinator, wenn es darum geht, schnell und effizient Wildtiere entweder zu töten, oder zu entführen.“ „Wir haben bei ihm eine Liste sicherstellen können. Ganz oben stand Abdul. Gleich dahinter kam Sienna.“ „Das heißt, wir sollen jetzt verhindern, dass Sienna auch noch abgeknallt wird.“ „Es geht nicht nur um sie. Es geht generell um unsere Wildtierbestände. Uns wurde nur positives über Sie beide berichtet. Und ihre letzten Erfolge sprechen für sich. Wir wären bereit, für jeden 100.000 € zu bezahlen. Außerdem würden wir die Kosten für Ihre Unterkunft übernehmen.“ „In Ordnung. Erwarten Sie unser Eintreffen jetzt am Donnerstag.“, sagte ich. „Also am 9.04.“ „Genau.“ „Einen gut gemeinten Rat noch. Wenn Sie einen Mietwagen nehmen, dann holen sie sich einen geländegängigen Pick-Up.“

Am Donnerstag, den 9.04.2020, waren Jelena und ich schon um 16:45 Uhr am Flughafen, obwohl unser Flug erst um 20:45 Uhr nach Mbombela startete. Jelenas Lebensgefährtin, Anastasia Dimitrova, hatte uns zum Flughafen gebracht. „Ich habe mich mit Dick van Dyk befasst. Er arbeitet für einen Mann namens Kan Mah Jongg.“, sagte sie, ehe wir uns an der Sicherheitsschleuse trennten. Die Koffer hatten wir bereits vorher an einem Schalter von South African Airways aufgegeben.

Nachdem Jelena und ich die Sicherheitsschleuse passiert hatten, suchten wir uns im Transitbereich einen freien Platz. Und während meine Partnerin das Geschehen beobachtete, suchte ich auf den Anzeigetafeln nach dem Gate für unseren Flug. Um 17:00 Uhr erschien unser Flug SA 1020 auf dem Display. Gate A18 war zum Boarding angesetzt. Doch ich wusste, dass sich so etwas jederzeit ändern konnte.

Um 20:15 Uhr wurde unser Flug zum Boarding freigegeben. „Achtung! Alle Passagiere des Fluges SA 1020 nach Mbombela mit Zwischenstopp in Johannesburg werden gebeten, sich an Bord der Maschine zu begeben.“ Wir zeigten unsere Boardingpässe und gingen zu unseren Sitzplätzen.

Pünktlich um 20:45 Uhr startete unser Flieger, ein Airbus A 350-900 der South African Airways zu seinem Flug nach Mbombela. Nach 13 Stunden und 5 Minuten landeten Jelena und ich um 9:50 Uhr auf dem Kruger Mpumalanga International Airport. Nachdem wir unsere Koffer geholt hatten, suchten wir eine Autovermietung. Bei sunny car mieteten Jelena und ich einen Mercedes X350D 4Matic der Power Edition. Der Pick-Up hatte den V6-Dieselmotor mit 258 PS und das 7-Stufen-Automatikgetriebe 7-G-TRONIC Plus. Lackiert war der Benz in danakilrot und hatte die 19-Zoll-Leichtmetallräder im Vielspeichendesign.

Als Extras hatte sunny car der X-Klasse ein Fahrwerk mit erhöhter Bodenfreiheit und eine Differentialsperre an der Hinterachse spendiert. 313

Auch an das Diebstahlschutzpaket hatte man gedacht. Natürlich fehlte auch ein Feuerlöscher nicht. Auch das Park-Paket mit 360-Grad-Rückfahrkamera hatte man mitbestellt. Die Polster der Ledersitze waren in nussbraun gehalten. Die Zierelemente wiesen eine Holzmaseroptik in einem matten Braun-Ton auf. Der Autovermieter hatte auch daran gedacht ein vollwertiges LM-Ersatzrad und ein digitales Radio mitzubestellen. Die Mittelkonsole besaß einen 1-DIN-Schacht. Als absolutes Highlight hatte sunny car ein Hardtop mit Dachreling als Extra geordert.

Über die R104 und anschließend über die R40 fuhren wir 6 Minuten nach Southern Sun Emnotweni. Unser Hotel, das den gleichen Namen wie der Ort trug war ein dreiteiliger Gebäudekomplex mit lichtdurchlässigen Fenstern. Die Außenfassade des Gebäudes war in einem hellen beige-Ton gestrichen. Das Dach war mit hellblauen Schindeln gedeckt. Über dem Haupteingang, von dem ein roter Teppich auf den Gehweg führte, konnten wir den Schriftzug Southern Sun erkennen, der vor einem halbrunden Fenster angebracht war. Eine Treppe aus schwarzem Granit mit vier Stufen führte zu einer Doppeltür. Links und rechts des Weges waren Palmen gepflanzt und vor dem linken Beet standen noch drei Fahnenmasten.

Als wir die Lobby des Southern Sun betraten, sah die Mitarbeiterin an der Rezeption gerade von ihrem Monitor auf. Es war Rita, die wir bei unserem Fall in Krems an der Donau kennengelernt hatten. Als sie uns sah, strahlte sie über beide Backen. „Na Ihr zwei Hübschen? Was verschlägt euch nach Südafrika?“, fragte Rita. „Wir wurden engagiert um einer Bande Wilderer das Handwerk zu legen.“ „Dann sind eure Auftraggeber ganz schön verzweifelt.“ „Wie kommst du denn darauf, Rita?“, fragte Jelena. „Na ja, euch ruft man doch, wenn gar nichts mehr geht.“ „Wir haben in Erfahrung gebracht, dass der Kopf der Bande ein gewisser Dick van Dyk ist.“ „Und das stimmt. Aber die Aufträge bekommt er von einem Chinesen.“ „Etwa Kan Mah Jongg?“ „Woher habt Ihr diese Information?“ „Meine Lebensgefährtin hat uns den Namen verraten.“

„Da fällt mir ein, diese Nachricht wurde für euch abgegeben.“, sagte Rita und gab uns einen Umschlag. Dann reichte sie uns die Zimmerschlüssel. „Paul MacLain Zimmer 212 Jelena Romanova Zimmer 214.“ Nachdem wir uns frisch gemacht hatten gingen wir erst mal ins Restaurant frühstücken. Wir hatten seit dem Start in Frankfurt zuletzt im Flugzeug was zu uns genommen. Und das war schon wieder einige Stunden her. Danach holten Jelena und ich etwas Schlaf nach, denn der lange Flug hatte doch ganz schön geschlaucht.

Am späten Nachmittag, es war 16:30 Uhr Ortszeit trafen Jelena und ich uns bei mir auf dem Zimmer. Ich hatte die Nachricht geöffnet, als meine Juniorpartnerin eintrat. „Und?“, fragte Jelena. „Und was?“ „Was steht in der Nachricht?“ „Dick van Dyk ist wieder auf freiem Fuß. Sein Auftraggeber hat eine Kaution von 1.000.000 Dollar auf den Tisch geblättert.“ „Jesus!“, entfuhr es Jelena. „Es kommt noch besser. Die Behörden mussten auch die Liste wieder aushändigen. Jetzt will man auf eine Löwin mit Namen Chani Jagd machen.“ „Steht auch drin, wann die Jagd beginnen soll, Towarischtsch?“, fragte Jelena. „Leider nein.“ 314

In diesem Moment klopfte es an der Tür. „Herein!“, rief ich. Renee Van der Built trat ein. „Was sagen Sie beide zu diesen Neuigkeiten?“ „Nicht gut.“ „Absolut nicht. Die Wilderer haben Chani erwischt. Sie wird jetzt an einen Zirkus in China verkauft.“ „Scheiße!“ „Das Dumme ist nur, dass die Wilderer bald wieder zuschlagen wollen.“, sagte Renee. „Wann?“ „In 2 Tagen. Dieses Mal wollen sie Bahati, ein weiteres Spitzmaulnashorn zur Strecke bringen.“ „Tot oder lebendig?“ „Sie soll geschossen werden. Was uns allerdings in Panik versetzt, ist die Tatsache, dass Bahati kurz vor der Niederkunft steht.“ „Na Prost Mahlzeit.“

Am 11.04.2020 durften Jelena und ich mit unserem Mietwagen eine Patrouille des park-eigenen Sicherheitsdienstes auf ihrem Einsatz begleiten. Wir hatten Bahati mit Hilfe eines Transponder-Signals geortet und waren nun auf dem Weg zu ihrer Position. Ein Hubschrauber vom Typ Bell 429 Global Ranger war als Luftobserver eingesetzt und suchte nach den Wilderern. Wir hatten fast Bahatis Position erreicht, als der Hubschrauber sich per Funk meldete. „Bodenteam hier ist Air Ranger 1. Wir haben die Bande entdeckt. Es sind drei Fahrzeuge. Zwei Landrover Defender und ein Pritschenlaster mit Plane.“ „In welcher Richtung sind die Kerle unterwegs?“, fragte Jelena. „Sie nähern sich aus nordöstlicher Richtung. Anscheinend haben die Burschen das Gaspedal am Bodenblech festgenagelt. Die fahren nämlich mit Vollgas.“

„Anscheinend hat es sich schon bis zu dieser Wilderer-Bande herumgesprochen, wer wir sind, und was wir hier wollen.“, sagte ich zu Jelena. „Worauf du einen lassen kannst. Die Brüder wollen vor uns bei Bahati sein.“ „Wie weit ist es noch?“, fragte ich per Funk beim leitenden Ranger nach. „Noch anderthalb Minuten. Keine Sorge, wir werden vor den Wilderern da sein.“ Schließlich hatten wir die Stelle erreicht, an der das Tier sich aufhielt und Position bezogen. Jelena und ich warteten mit gezückten und geladenen Waffen im Anschlag. Keine 10 Minuten später erschienen die Wilderer.

Aus dem zweiten der beiden Landrover erschien plötzlich der Lauf eines Gewehres. Jemand hatte das Seitenfenster geöffnet. Aus einem Reflex heraus eröffnete ich das Feuer, und zwang den Fahrer zu einem riskanten Ausweichmanöver. Der Schuss verfehlte natürlich das Ziel. Die Fahrzeuge kamen zum Stehen.

Aus den beiden Geländewagen stiegen 6 Schwarze und ein Weißer aus. Ganz offensichtlich war dies Dick van Dyk. Er war 1,70 m groß und hatte schon einen ordentlichen Bierbauch. Die braunen Augen in seinem runden Gesicht blickten böse drein. Es war nur allzu offensichtlich, dass er alles andere als erfreut war, den Park Rangern erneut zu begegnen. Über den schmalen Lippen trug der Niederländer einen schwarzen Schnurrbart, der an den Enden nach oben gezwirbelt war. Auch die breite Nase fiel sofort auf. Bekleidet war Dick van Dyk mit einer Khaki-Shorts, einem hellbraunen Hemd, weißen Socken und schwarzen Herrenschuhen. Auf dem Kopf trug er einen Expeditionshut. „Oh nein! Nicht Sie schon wieder Captain Hislop! Hat man denn nie seine Ruhe vor Ihnen?“ „Ich würde gerne Ihre Papiere und die ihrer Begleiter sehen.“, sagte der Ranger ruhig. „Muss das sein?“ „Ich tue nur 315

meine Pflicht.“ Widerwillig gaben Dick van Dyk und seine Begleiter dem Ranger ihre Ausweise. Captain Shaka Hislop hatte gerade die Überprüfung abgeschlossen, als der Hubschrauber am Himmel auftauchte. „Scheiße! Die Ranger haben Luftunterstützung! Los haut ab Leute!“, schrie Dick van Dyk. „Und was ist mit dem Auftrag? Sollen wir die Kohle etwa sausen lassen? Mann der Boss wird ganz schön sauer sein, wenn er hört, dass Sie ihm Bahatis Horn nicht liefern können.“ „Ach scheiß auf das Geld. Wichtig ist, dass wir unsere Haut retten.“

Der erste der beiden Landrover und der Pritschenlaster gaben Gas und fuhren davon. Jelena feuerte aus ihrer Makarow einen Schuss auf den zweiten Jeep ab und zerstörte den Motorblock. „So und jetzt Waffen auf den Boden und die Hände hinter den Kopf!“ Die Wilderer legten ihre Kalaschnikows auf den Boden und taten, was Jelena ihnen befohlen hatte. Die Ranger nahmen sie fest. Ich stieg in den Hubschrauber und folgte den Flüchtigen. Jelena folgte mit unserem Mietwagen.

Wir hatten den Landrover schnell eingeholt. Der Pilot setzte sich vor den Geländewagen während ich auf den Motorblock zielte. Mit einem einzigen Schuss zerschoss ich den Motor. Jelena stellte unsere X-Klasse direkt hinter den Landrover, damit die Wilderer nicht entkommen konnten. Dann entsicherte sie ihre Makarow und stieg aus.

Dick van Dyk bekam es mit der Angst zu tun, als er in den Lauf von Jelenas Bleispritze sah.Meine Partnerin öffnete die Beifahrertür des Defender. „Aussteigen Durak! Und keine faulen Tricks!“ „Wer sind Sie überhaupt, dass Sie es wagen mich mit einer Pistole zu bedrohen?“ „Hast du eine Ahnung, was ich noch alles tun kann, Durak. Übrigens: Mein Name ist Romanova. Jelena Romanova.“ Bei der Erwähnung ihres Namens wurde der Niederländer kreidebleich. Er wusste nur zu gut, wo Jelena war, war ich nicht weit. Den Mann im Fonds des Jeeps schien das wenig zu beeindrucken, denn er zückte ein riesiges Buschmesser. Doch so schnell, wie er in den Lauf meiner Walther P22 Target blickte, konnte der Wilderer nicht mal mit den Knien schlottern. „Wenn du auch nur einmal zuckst, puste ich dich bis auf den Mars.“

„So und jetzt aussteigen! Und zwar alle!“, befahl Jelena. Dick van Dyks Begleiter kamen ihrer Aufforderung nach, nur er selbst blieb sitzen. Da packte ihn meine Partnerin am Kragen und holte ihn aus dem Wagen. Unsanft warf sie ihn auf den Boden. „Wenn ich sage alle aussteigen, dann meine ich das auch so. Hast du mich verstanden, Durak?“ „Verstanden.“, sagte Dick van Dyk mürrisch. „Gut! Will ich doch wohl auch hoffen!“ „Eines ist sicher, Mr. Van Dyk. Dieses Mal kommen Sie nicht gegen Kaution aus dem Knast raus.“, sagte ich. „Wer zum Teufel sind Sie denn?“ „Mein Name ist MacLain. Paul MacLain.“

Captain Hislop legte Dick van Dyk erneut die Acht an und verfrachtete ihn in seinen Streifenwagen. In Mbombela wurde er dann von Renee van der Built in Empfang genommen und umgehend ins Bezirksgefängnis nach Pretoria gebracht. Doch am Ostersonntag, den 12.04.2020 kam dann die nächste Überraschung. Der Rechtsanwalt von Kan Mah Jongg erschien im Polizeipräsidium von Mbombela. 316

Er war ein 1,77 m großer Mann, im Alter von 46 Jahren, mit schwarzen Haaren und grünen Augen, die aus einem runden Gesicht mit einer etwas zu breit geratenen Nase und wulstigen Lippen ziemlich verärgert dreinblickten. Ich beobachtete die Körpersprache von Michael van Buren, so hieß der Anwalt. Beim Eintreten war sein Auftreten noch selbstbewusst. Doch als er sich dem Polizeipräsidenten von Mbombela gegenübersah, änderte sich sein Verhalten. „Mr. Mah Jongg bietet 2.000.000 Dollar Kaution für die Freilassung von Mr. Van Dyk und verlangt ferner die erneute Aushändigung der Liste.“ „Es tut mir leid, Mr. van Buren. Dieses Mal wird Mr. van Dyk nicht gegen Kaution freigelassen.“, gab der Präsident von Mbombelas Polizei zurück. „Darf ich fragen wieso?“ „Befehl von ganz oben.“ „Wie darf ich das verstehen?“ „Nun, das zuständige Ministerium in Pretoria hat mir eine entsprechende Anweisung erteilt. Keine Freilassung von Dick van Dyk gegen Kaution.“

„Verstehe. Mr. Mah Jongg wird nicht gerade sehr erfreut sein, wenn er das hört.“ „Das mag ich Ihnen gerne glauben. Aber die Anweisung erfolgte nach eingehender Rücksprache mit Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Die beiden Privatermittler aus Frankfurt?“ Jelena und ich kamen aus dem Nebenraum. „In Person.“, sagte ich. „Sagen Sie ihrem Brötchengeber, dass wir ihn im Auge behalten werden.“ Michael van Buren verließ das Polizeipräsidium. Ich folgte ihm nach draußen.

Und mein Verdacht hatte sich bestätigt. Denn als ich auf den Treppenabsatz kam hörte ich Michael van Buren telefonieren. Und es war ganz offensichtlich, mit wem er sprach. „Mr. Jongg. Ich habe schlechte Neuigkeiten. Die Park Ranger des Kruger Nationalparks haben Dick van Dyk erneut verhaftet. Ja, leider muss man sagen. Aber das ist nicht das einzige an schlechten Neuigkeiten, das ich Ihnen zu berichten habe. Eine Freilassung von Dick van Dyk gegen Kaution wurde abgelehnt. Die Anweisung kam direkt aus Pretoria. Sie haben richtig gehört, Mr. Jongg. Die Anweisung kam aus dem zuständigen Ministerium. Und der dortige Minister hat diese Entscheidung nach intensiver Rücksprache mit Paul MacLain und Jelena Romanova getroffen.“ Anhand der Reaktion des Anwalts konnte ich erahnen, was sein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung von sich gab. „Sie brauchen mir nicht ins Ohr zu schreien, Mr. Jongg. Ich hab keinen Bock auf Tinnitus. Aber es sieht nicht gut für uns aus. Wenn die Behörde in Pretoria Paul MacLain und Jelena Romanova anheuert, dann ist das kein gutes Zeichen.“

Die nächsten zwei Wochen passierte nichts. Die Wilderer hatten ihre Aktivitäten vorübergehend eingestellt. Doch am 25.04.2020 wurden wieder mehrere Fahrzeuge gesichtet. Es waren drei Gruppen, die in verschiedene Richtungen unterwegs waren. In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken. Die Wilderer hatten ihre Taktik geändert. Statt wie bisher ein Team einzusetzen, hatte Kan Mah Jongg nun drei Teams geschickt. Denn auch er wusste, dass sowohl die Park Ranger, als auch Jelena und ich nicht an allen drei Orten gleichzeitig sein konnten. Renee van der Built besorgte uns noch einen zusätzlichen Hubschrauber. Doch dieser traf zu spät ein, und die Wilderer erschossen Bahati und töteten noch einen Wasserbüffelbullen, dem sie den Kopf abschlugen. So konnte es nicht weitergehen. Meine Partnerin und ich beschlossen ihre alten Weggefährten bei Speznas um Hilfe zu bitten. 317

„Dieses Mal schuldet Ihr uns aber mehr als nur eine Kiste Wodka, Briderchen.“, sagte Yuri, nachdem ich ihm den Grund meines Anrufes geschildert hatte. „Was darfs denn sein? Eine Stripeinlage von Jelena?“ „So was in der Art. Besorg uns eine heiße Stripperin und gut ist.“ „Ok.“ „Was wollte Yuri denn für einen „Lohn“ für seine Hilfe?“ „Ich soll ihm und seinen Jungs eine heiße Stripperin besorgen.“ „Da brauchst du nicht lange zu suchen, Towarischtsch.“ „Wie?“ „Ich werde strippen.“ „Weißt du wie man strippt?“ „Nach meinem Ausscheiden bei Speznas habe ich eine Weile als Stripperin gearbeitet.“ „Letzten Endes ist es deine Entscheidung.“ „Gut, dass du das einsiehst, Towarischtsch.“, sagte Jelena.

Als wir wieder ins Hotel kamen, erwartete uns eine faustdicke Überraschung. Als wir die Lobby betraten, sahen wir Alejandra Valderrama und Hera Arnakis an der Rezeption stehen. Während ich noch etwas perplex war, strahlte meine Juniorpartnerin über beide Backen. „Hey, Ihr zwei Hübschen! Was macht ihr denn hier?“, fragte Jelena und drückte erst El Doberman, dann ihre Cousine. Danach wurde ich von den beiden Cousinen auf herzlichste umarmt. „Ihr zwei könnt jetzt jede Hilfe brauchen, die ihr kriegen könnt.“, sagt Hera. „Wir haben schon Jelenas Speznas-Freunde alarmiert.“ „Trotzdem. Ihr habt soviel für uns getan. Das können wir nie wieder gutmachen.“ „War nicht der Rede wert.“ „Lasst uns später weiterreden. Wir haben Zimmer 215. Treffen wir uns dort.“ „Einverstanden. Wann?“ „Nach dem Abendessen.“ „Keine schlechte Idee, Alejandra.“, sagte ich.

Um 19:15 Uhr gingen Jelena und ich zum Abendessen. Auch Alejandra Valderrama und ihre Cousine Hera Arnakis hatten sich eingefunden. Am Buffet trafen wir uns. „Wir haben einen Tisch für vier Personen entdeckt und ihn durch unsere Handtaschen reserviert.“, sagte Hera. „Herzlichen Dank, meine Liebe.“ „Kein Ding, Paul.“ Ich hatte mir eine Portion Pommes Frites und Geschnetzeltes afrikanische Art auf den Teller geladen, während Jelena sich für Algerische Schweinenacken entschieden hatte. Als Getränk bestellte ich mir einen Rotwein, genauer gesagt einen 2016er Delaire Graff Botmaskop, während meine Juniorpartnerin sich für einen Delaire Graff Sunburst Noble Late Harvest aus dem Jahr 2015 entschied.

Um 20:00 Uhr hatten wir das Abendessen dann abgeschlossen. Wir verabredeten uns mit den beiden Cousinen um 20:35 Uhr auf ihrem Zimmer. Pünktlich wie die Maurer klopften wir an die Tür von Zimmer 215. Hera öffnete. „Kommt rein, Ihr zwei Süßen.“, sagte sie. „Wenn du uns schon so lieb darum bittest.“ Wir setzten uns auf den Balkon, denn es war noch schön warm draußen. „Dick van Dyk schmort erst mal hinter schwedischen Gardinen.“, sagte ich. „Das reicht bei weitem nicht Paul. Jetzt müsst ihr die neuen Trupps aus dem Verkehr ziehen.“ „Und was kommt danach?“ „Danach kommt Kan Mah Jongg höchstpersönlich. Und ihn müsst ihr einsacken.“ „Nehmen wir mal an, es gelingt uns tatsächlich, diesen Kan Mah Jongg hinter Schloss und Riegel zu bringen, was passiert dann?“ „Danach ist in Asien die Hölle los.“ „Wie meint Ihr zwei Hübschen das?“ „Das heißt im Klartext, wenn Kan Mah Jongg vor Gericht gestellt und verurteilt wird, dann werden die ganzen Bandenkriege wieder losgehen.“ „Bandenkriege?“ „Ja. Es ist ihm gelungen, die ganzen chinesischen Triadenbanden unter seiner Führung zu vereinen.“ 318

Wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt, ist die Triade doch eine Organisation wie die Mafia.“, sagte ich. „Gut aufgepasst. Die chinesische Triade ist das Pendant zur japanischen Yakuza und auch zur Camorra, der Mafia in Neapel.“

„Was wissen wir eigentlich über diesen Kan Mah Jongg?“, wollte Jelena wissen. „Kan Mah Jongg. Geboren am 12.12.1974 in Nantong. Hat die Schule als Jahrgangsbester abgeschlossen. Danach ein Jurastudium an der Universität von Yale.“ „Also noch so ein Streber.“ „Kurz nach dem Jurastudium hat er noch BWL an der Universität in Oxford studiert. Und danach hat er angefangen, mit seltenen Wildtierarten zu handeln.“ „Jetzt wird auch klar, warum Kan Mah Jongg Jura und BWL studiert hat.“, sagte ich. „Es wird noch interessanter. Kan Mah Jongg war zu dem Zeitpunkt ein unbeschriebenes Blatt auf dem asiatischen Wildtiermarkt. Die etablierten Bandenchefs wollten ihn natürlich so schnell wie möglich wieder loswerden.“ „Also war er ein unliebsamer Konkurrent.“ „Richtig, Jelena.“, sagte Hera. „Ich nehme mal stark an, dass sämtliche Versuche, Kan Mah Jongg wieder loszuwerden, nicht von Erfolg gekrönt waren.“ „Sehr richtig, Paul. Dieser kleine Provinzler hat innerhalb der nächsten 10 Jahre, nach seinem Einstieg auf dem Markt jede namhafte Bande übernommen und seinen Machtanspruch gefestigt.“ „Und jetzt ist er in Asien die ganz große Nummer auf dem dortigen Wildtiermarkt.“ „So in etwa. Er hat sein Geschick am Verhandlungstisch genutzt, und die anderen Bandenchefs, deren Organisationen er noch nicht geschluckt hatte, hinter sich versammelt.“

„Das heißt, Kan Mah Jongg steht unter Druck.“ „Ganz recht. Er muss liefern. Tut er das nicht, ist er fällig. Denn solche Kunden verstehen keinen Spaß. Die versenken ihn eiskalt lächelnd an Händen und Füßen einbetoniert im Yangtse Kiang.“, sagte Alejandra. „Mich würde jetzt interessieren, wen Kan Mah Jongg als Nachfolger von Dick van Dyk angeheuert hat.“ „Wir wissen nur den Namen.“ „Und wie heißt dieser Bürstenbinder?“ „Sein Name ist Maurice Womasa. Besser Bekannt unter seinem Spitznamen „BULL“.“ „Sollte man sich vor ihm in Acht nehmen?“ „Ihr solltet Maurice Womasa besser nicht unterschätzen.“

Am Folgetag, es war Sonntag der 26.04.2020 trafen dann Yuri und seine Speznas-Truppe in Emnotweni ein. Um nicht aufzufallen quartierten sich die Russen in einem anderen Hotel als wir ein. Unsere Lagebesprechung hielten wir in der GlassBar, einem der angesagtesten Nachtclubs in Emnotweni, ab. „Also Briderchen, dann bring uns mal auf den neuesten Stand.“, sagte Yuri. „Der Drahtzieher ist ein Chinese namens Kan Mah Jongg.“ „Das wissen wir schon. Hast du uns doch bei deinem Anruf gestern erzählt. Und seinen Bandenchef Dick van Dyk habt ihr ausgeschaltet.“ „Mittlerweile hat er aber einen neuen Clanchef beauftragt. Sein Name ist Maurice Womasa. Spitzname „BULL“.“, sagte ich. „Sagtest Du Maurice Womasa, Towarischtsch?“, fragte Alexeji Voskovtich, eines der Teammitglieder. „Kennst du ihn, Alexeji?“ „Klar kenn ich den. Ist ne ziemlich miese Ratte. Er hat als einziger Afrikaner in der Fremdenlegion gedient. Der Typ ist eine regelrechte Kampfmaschine. Vor allem im Nahkampf ist er ein harter Brocken. Den kriegst du nur klein, wenn du ihn mit einem Shell Shock durch den Tisch hämmerst.“ „Wieso nennt man ihn eigentlich „BULL“?“, fragte ich. „Wegen seinem Körperbau. 319

Maurice Womasa ist 1,91 m groß und bringt 120 Kg auf die Waage. Und da ist kein Gramm Fett. Das ist alles nur Muskelmasse. Der Typ hat einen Körperbau wie ein Bulle.“ „Habt Ihr sonst noch irgendwelche Informationen über diesen Burschen?“ „Da. Maurice Womasa ist Kenianer. Wurde am 28.08.1960 in Nairobi geboren. Schon im Teenageralter hat er sich als Waffennarr geoutet. Hat dann seinen Dienst in der kenianischen Armee angetreten und war dort als Scharfschütze tätig. Aber meistens hat er sich als Heckenschütze nützlich gemacht. Er hat für die Infanterie-Soldaten mehr oder minder den Weg geebnet, in dem er feindliche Verteidiger aus dem Hinterhalt erschossen hat.“ „Wahrscheinlich von Häuserdächern nehme ich an.“ „Das war sein bevorzugter Platz.“ „Und was hat Maurice Womasa nach seinem Ausscheiden bei der kenianischen Armee gemacht?“ „Danach ist er gleich zur Fremdenlegion und hat dort drei Jahre lang gedient. Seitdem übernimmt er die haarigen Aufgaben.“, sagte Yuri.

„Dann sollten wir uns jetzt um die Aufgabenverteilung kümmern. Wer übernimmt Team 1?“, fragte Jelena. „Das können wir übernehmen.“ „In Ordnung Hera. Wer kümmert sich um Team 2?“ „Das machen wir, Briderchen.“, sagte Yuri. „Jelena?“ „Dann kümmern wir uns um Team 3.“ „Alles klar. Jetzt müssen wir leider noch auf eine Nachricht der Park-Ranger warten.“

Diese kam kam 2 Tage später. Jelena und ich fuhren wieder mit Captain Hislop mit. Wir waren mit den anderen über Headsets verbunden. Um 10:30 Uhr knackte es in meinem Headset. „Hellboy hier Team Snakeeater. Wir haben die Brüder. Erbitte Zugriffserlaubnis.“, hörte ich Yuris Stimme. „Erlaubnis erteilt.“

20 Minuten später trafen wir auf das Team von Wilderern, an das wir uns geheftet hatten. Wir hatten die Wilderer gerade aus den Autos geholt, als ein Hubschrauber erschien. Es handelte sich um einen Aerospatiale SA 365 C. Der Pilot ging in den Schwebeflug und ich konnte erkennen, wie das hintere Seitenfenster auf der linken Seite geöffnet wurde. Das Gesicht das erschien, war das eines Schwarzen. Dieser Mann musste Maurice Womasa sein! Doch dann ging alles sehr schnell. Womasa hatte auf einmal eine 45er Magnum in der Hand, mit der er auf Jelena zielte. Ich riss meine Walther nach oben, doch der „Bulle“ war schneller. Zwei Schüsse krachten und trafen meine Partnerin in den Bauch. Jelena brach zusammen. Ich feuerte noch einmal, doch der Hubschrauber drehte bereits ab. Das letzte, was ich noch sah, war Maurice Womasas diabolisches Grinsen.

Captain Hislop rief über Funk medizinische Hilfe, während ich versuchte, die Blutungen meiner Partnerin zu stoppen. Der Bell-Hubschrauber der Park-Ranger brachte Jelena sofort ins Busamed Lowveld Private Hospital in Mbombela, wo sie umgehend behandelt wurde. Erst am Abend um 22:35 Uhr kam aus dem Krankenhaus der erlösende Anruf. Gott sei Dank! Jelena hatte überlebt! Ich wollte zu ihr ins Krankenhaus um an ihrer Seite zu sein, doch die Ärzte lehnten dies mit der Begründung ab, Jelena wäre noch zu schwach und nicht ansprechbar. Erst am nächsten Tag konnte ich zu ihr. „Ich muss sie leider bitten, nicht länger als 5 Minuten in Miss Romanovas Zimmer zu bleiben. Ihre Partnerin ist noch nicht über 320

den Berg.“, sagte die behandelnde Ärztin. Dr. K. Reddington stand auf ihrem Namensschild. „Wie schlimm ist es?“, fragte ich. Die Angst in meiner Stimme war wohl nicht zu überhören, denn Dr. Reddington antwortete: „Es sieht schlimmer aus, als es ist. Ihre Partnerin hat großes Glück gehabt, dass der Schütze keine Organe getroffen hat.“ „Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.“, bat ich die Ärztin. „Das mach ich. Keine Panik.“

Bevor ich Jelenas Zimmer betrat, drehte ich mich noch einmal zu Dr. Reddington um und betrachtete sie genauer. Sie war eine 1,61 m große Frau mit rotblonden, dauergewellten Haaren und braunen Augen. Der schlanke, sexy Körper mit den üppigen Brüsten und den sexy Beinen war ebenfalls nicht zu verachten. Auch das ovale Gesicht mit den sinnlichen Lippen und der leicht breiten Nase war ein Hingucker. Bekleidet war Dr. Reddington mit einem schwarzen Minikleid und schwarzen High Heels und natürlich dem weißen Arztkittel.

Als ich das Zimmer betrat und Jelena im Bett liegen sah, wurde mir schwer ums Herz. Ich setzte mich zu ihr ans Bett und nahm ihre rechte Hand in meine Hände. „Komm mir bloß nicht auf die Idee, jetzt schon den Löffel abzugeben, Jelena. Ich brauche dich. Ohne dich bin ich ein Niemand.“, sagte ich leise. Doch Jelena hatte mich offenbar gehört, denn sie drückte meine Hand ganz fest. Mit dem was dann folgte hatte selbst ich nicht gerechnet. Meine Partnerin schlug die Augen auf und drehte ihren Kopf zu mir. Dann sah sie mich aus ihren braunen Augen an. „Du brauchst nicht denken, dass ich jetzt schon von dieser Erde gehe, Towarischtsch. Da muss schon ein bisschen mehr passieren.“ „Werde schnell wieder gesund, Jelena. Wir haben einen Job zu erledigen.“, sagte ich. „Mach dir da keine Sorgen. Wer sich Sorgen machen sollte, ist Maurice Womasa. Denn wenn er mir wieder über den Weg läuft kann er sich die Radieschen von unten betrachten.“ „Mach halb lang. Du bist noch nicht aus dem schlimmsten raus.“

„Kommst du morgen wieder, Paul?“, fragte Jelena, als ich aufstand um zu gehen. „Wenn du auf meinen Besuch wert legst, gerne.“ „Natürlich tu ich das, du Hohlhirn. Aber ich wäre dir sehr dankbar, wenn du mir ein paar persönliche Dinge mitbringen könntest.“ „Das mit dem Hohlhirn will ich nicht gehört haben, du Pappnase. Aber ich werde sehen was ich tun kann. Was brauchst du denn?“ „Zu aller erst meine Waschsachen. Und dann noch ein paar Klamotten. Und vergiss meinen roten Morgenmantel nicht.“ „Den aus Seide?“ „Na welchen denn sonst, du taube Nuss?“ „Du bist ja herzallerliebst, Jelena.“ „Was bleibt mir anderes übrig, in dieser beschissenen Situation?“, sagte meine Partnerin.

Auf dem Gang traf ich noch einmal Dr. Reddington. „Ich habe Sie beide miteinander reden hören. Demnach hat Miss Romanova das Bewusstsein wiedererlangt.“, sagte sie. „Ja. Gerade eben. Ich würde morgen noch mal vorbei kommen und die gewünschten Sachen vorbeibringen. Aber haben Sie ein Auge auf Jelena.“ „Das mache ich, keine Sorge.“

Am nächsten Tag fuhr ich wieder nach Mbombela zu Jelena ins Krankenhaus. 321

Hera Arnakis und ihre Cousine Alejandra Valderrama begleiteten mich. Nachdem wir uns am Empfang angemeldet hatten gingen wir auf die Station, auf der sich Jelenas Zimmer befand. Auf dem Gang trafen wir wieder auf Dr. Reddington. „Wie geht es Jelena?“, fragte ich ohne Umschweife. „Es geht ihr gut. Aber sie wird noch mindestens zwei weitere Wochen hier bleiben müssen. Wir mussten die beiden Projektile operativ entfernen. Aber außer einer kleinen dezenten Narbe wird Miss Romanova nichts zurückbehalten.“ „Sie haben mir gerade eine tonnenschwere Last von der Seele genommen, Dr. Reddington.“, sagte ich.

Jelena strahlte, als wir ihr Zimmer betraten. „Was ist denn das für eine Arbeitsmoral? Liegst im Krankenhaus anstatt zu arbeiten.“, sagte Hera scherzhaft. „Krieg du mal zwei Kugeln ab, dann reden wir weiter.“, sagte Jelena angesäuert. „Sorry, sollte ein Scherz sein.“ „Ich finde das nicht komisch, Hera. Ich muss noch zwei Wochen hier rumeiern. Wenn Katrina nicht wäre, wäre mir schon längst die Decke auf den Kopf gefallen.“ „Katrina?“ „Dr. Reddington. Wir haben uns ein bisschen angefreundet. Wir siezen uns zwar, aber reden uns mit Vornamen an. Zumindest, wenn wir alleine sind.“ „Hier sind die Sachen, die du haben wolltest.“, sagte ich und stellte eine kleine Reisetasche auf einen Stuhl. „Danke,Towarischtsch.“ „Kein Ding.“

In Nairobi, Kenias Hauptstadt, traf sich Maurice Womasa mit Kan Mah Jongg. Und ganz offensichtlich war der Chinese alles andere als zufrieden mit der Arbeit des Bullen. „Sie hätten Jelena Romanova er- statt nur anschießen sollen.“, polterte er. „Worauf wollen Sie hinaus?“ „Paul MacLains Partnerin ist noch am Leben.“ „Ihr Leben hängt aber an einem seidenen Faden.“ „Wenn Sie sich da nur nicht täuschen, Maurice. Jelena Romanova hat das Bewusstsein wieder erlangt.“ „Keine Sorge. Ich werde dieses kleine russische Miststück eliminieren.“ „Tun Sie das. Und töten Sie Paul MacLain gleich mit.“ „Aber stellen Sie sich das nicht so leicht vor.“, sagte Maurice Womasa. „Wieso?“ „Paul MacLain ist ein ehemaliger SAS-Kommandeur. Sie wissen schon, was das bedeutet?“ „Nein.“ „Paul MacLain war Kommandeur einer Regimentseinheit beim Special Air Service. Das ist ein verdammt harter Brocken.“ „Mir bereitet noch etwas ganz anderes Sorgen.“ „Und was, Mr. Jongg?“ „So wie die Dinge stehen, wird auch diese Lieferung nicht komplett sein. Der Kunde wollte ausdrücklich das Fell der Leopardin Loredana. Aber das halte ich nicht in meinen Händen. Weil diese russische Spezialeinheit dazwischen gefunkt hat.“ „Was waren das für Leute?“, fragte der Bulle. „Speznas. Dieser Einheit hat auch Jelena Romanova angehört.“ „Ein SAS-Mann und eine Speznas-Agentin. Das wird ein hartes Stück Arbeit.“ „Wie dem auch sei. Paul MacLain und Jelena Romanova sind eine ernsthafte Gefahr. Beten Sie zu Gott, dass Ihr vermasselter Mordanschlag nicht zum Boomerang wird.“ „Sie werden das Fell von Loredana bald haben. Ich kümmere mich darum.“

Eine Woche nachdem Jelena fast durch die Kugeln von Maurice Womasa gestorben wäre, kam Alejandra Valderrama mit der neuesten Ausgabe der Pretoria News zu mir auf das Zimmer. Es war Sonntag, der 03.05.2020. „Hier lies mal.“, sagte sie. „Leopardin Loredana getötet.“, las ich laut vor. „Keine guten Nachrichten, Paul.“ „Da hast du Recht, El Doberman.“ „Nenn mich nie wieder bei meinem Spitznamen.“ 322

„Okay, okay. Schon gut. Kein Grund so einen Terz zu machen.“ „Tut mir leid. Aber ich hasse es, wenn man mich mit meinem Spitznamen anspricht. Da versteh ich keinen Spaß.“ „Kann ich die Zeitung behalten, oder brauchst du sie dringend?“ „Ich hab sie für dich besorgt. Lies dir den Artikel durch und dann gehen wir Jelena besuchen. Mal sehen, was sie sagt.“ „Sie wird Gift und Galle spucken, darauf kannst du deinen sexy Arsch verwetten.“ „Das dürfte etwas schwer werden. Mein Arsch gehört mir.“

Ich las mir den Artikel sehr aufmerksam durch. Also hatte Maurice Womasa die Leopardin höchstpersönlich geschossen. Dafür sollte er bezahlen! Das schwor ich mir. Ich wollte ihn für die Tötung des Leopardenweibchens und für Jelenas Verletzungen zur Rechenschaft ziehen. Ich hatte den Artikel gerade fertig gelesen, als es an meiner Zimmertür klopfte. „Herein!“, rief ich. Alejandra Valderrama und Hera Arnakis traten ein. „Jelena hat gerade angerufen. Sie möchte, dass wir sie besuchen kommen.“, sagte Hera. „Dann mal los, würde ich sagen.“

Um 10:00 Uhr waren wir bei Jelena auf dem Zimmer. „Habt Ihr die Nachrichten gehört?“, fragte meine Partnerin. „Ich hab einen Artikel in der Pretoria News gelesen. Maurice Womasa hat ein Leopardenweibchen mit Namen Loredana erschossen.“ „Da. Und Loredana stand auf Kan Mah Jonggs Liste. Zumindest ihr Fell. Ein chinesischer Lokalpolitiker mit Namen Quin Yu An hat es für sein Büro bestellt.“ „Und um zumindest den Politiker zufrieden zu stellen, hat der Bulle sich persönlich der Sache angenommen.“ „Sagen wir es mal so. Quin Yu An könnte Kan Mah Jongg den Rücken freihalten, wenn die anderen Kunden ihm ans Leder wollen.“ „Eines ist sicher.“ „Was, Towarischtsch?“, fragte Jelena. „Womasa kauf ich mir, den mach ich fertig.“ „Nein, Towarischtsch. Den Bullen überlässt du mir. Ich hab noch eine Rechnung mit ihm offen. Eine Romanova vergibt nie, wenn man ihr weh tut.“

Ich sagte nichts. Denn ich wusste nur zu gut, dass nichts auf dieser Welt Jelena davon abbringen konnte, Maurice Womasa in die ewigen Jagdgründe zu schicken. „Und wie willst du das anstellen, Jelena?“, fragte ich stattdessen. „Mir fällt schon was ein.“ „Mal was anderes.“ „Was, Paul?“ „Weißt du schon, wann du wieder entlassen wirst?“ „Nein. Aber jetzt am Dienstag werden die Fäden von der OP gezogen.“ „Immerhin etwas.“ „Ganz ehrlich, Leute. Ich werd fast verrückt hier drin.“ „Gibt es keine Möglichkeit, dass du mal an die frische Luft kannst?“, fragte ich. „Ich kann ab und zu mal raus. Aber wegen akuter Gefahr durch Bakterien infiziert zu werden, darf ich das Gebäude nicht verlassen. Es ist sowas von zum Kotzen.“ „Kann ich sonst noch was für dich tun, Jelena?“ „Kannst du mir bei deinem nächsten Besuch mein rotes Paillettenkleid und die roten Plateauschuhe mitbringen?“ „Für wen willst du dich denn so in Schale werfen?“ „Na für dich, wenn du mich abholst, Towarischtsch.“

Es dauerte noch bis zum 12. Mai, bis Jelena aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Um 10:40 Uhr holte ich meine Partnerin ab. Ich fuhr mit unserer gemieteten X-Klasse gerade auf den Parkplatz des Krankenhauses, als Jelena aus dem Haupteingang kam. Nach einer innigen Umarmung machten wir uns auf den Weg ins Hotel. „Hat sich Maurice Womasa noch einmal gerührt, seitdem er diese Leopardin 323

abgeknallt hat?“, fragte Jelena. „Nein. Anscheinend will er erst mal untertauchen. Denn nach ihm wird in ganz Südafrika gefahndet.“ „Also hat er die Hosen gestrichen voll.“ „Sieht fast so aus. Ach übrigens: Yuri kennt das Versteck des Bullen.“ „Sehr gut. Wo versteckt sich dieser Mistkerl?“ „In einem Lagerhaus der Namibian Animal Trading Company.“ „Und in welcher Stadt befindet sich dieses Lagerhaus?“ „In Swakopmund.“ „Das wird unserer Klientin gar nicht schmecken.“ „Sie hat einen Tobsuchtsanfall gekriegt. Aber sie hat den Kollegen in Namibia ein bisschen Feuer unterm Arsch gemacht.“ „Na immer hin. Wann geht die Aktion los?“ „Schon morgen. Wir sollen um 20:30 Uhr bei dem Lagerhaus sein. Den Wagen lassen wir auf dem Parkplatz des Sportflugplatzes stehen. Alejandra stellt uns ihre Gulfstream zur Verfügung.“ „Da müssen wir uns aber revanchieren.“

Am darauf folgenden Tag fuhren Jelena und ich nach dem Abendessen zum Sportflugplatz von Mbombela, wo Alejandras Privatjet mit laufenden Triebwerken auf uns wartete. Um 19:30 Uhr starteten Jelena und ich zu unserem Flug nach Swakopmund. Um 20:25 Uhr hatten wir unser Ziel erreicht. Jelena war vom Hubschrauber, der uns in Swakopmund abgeholt hatte, aus auf das Dach des Lagerhauses geklettert. Ich war mit Yuri und seinen Jungs mit dem Auto mitgefahren. Das Team schwärmte aus und sicherte das Gelände. Ich öffnete die Tür des Lagerhauses und ging hinein, meine Walther geladen und entsichert in der Hand. Über mir sah ich meine Juniorpartnerin, die sich mit geschmeidigen Bewegungen einer Katze gleich über die Stahlträger bewegte.Von rechts hörte ich Schritte, die sich näherten. Und dann trat Maurice Womasa in mein Blickfeld.

Und er sah genauso aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. 1,91 m Körpergröße und ein kräftiger Körperbau zeichneten den Bullen aus. Die schwarzen Haare trug Maurice Womasa offen, sodass sie bis zu den Schultern reichten. Auffällig waren auch der Bart, der auf einen Schnauz- und einen Kinnbart zurück geschnitten war und die Goldkette, die der Bulle um den Hals trug. Aus den braunen Augen, die in einem runden Gesicht ruhten, funkelte unverhohlener Hass. Auch die breite Nase und die dünnen, kurzen Lippen fügten sich harmonisch in das Gesicht des Bullen ein. Das diabolische Grinsen, mit dem mich Maurice Womasa bedachte, entblößte ein Gebiss mit strahlend weißen Zähnen. Auffällig waren auch die Koteletten, die an den Kopfseiten zu einem seitenverkehrten L rasiert worden waren. Bekleidet war er mit einem grauen Anzug, einem schwarzen Pullover, schwarzen Socken und ebensolchen Herrenschuhen. In seiner rechten hielt Maurice Womasa ebenfalls eine Walther, wie ich sie gerne benutzte.

„Wo ist deine Partnerin, MacLain?“, fragte mich der Bulle. „Immer noch im Krankenhaus. Und das verdankt sie dir, du Arsch.“ „Verarsch mich nicht, MacLain. So was kann ich partout nicht ab.“ „Ach, was du nicht sagst.“, sagte ich so ruhig wie möglich. „Du riskierst ne ziemlich dicke Lippe.“ „Spar dir deine dummen Sprüche, Womasa. Du kannst einpacken. Die Kavallerie ist da. Alles andere spielt keine Rolle.“, sagte ich und deutete mit dem Kopf auf die bewaffneten Sicherheitskräfte, die hinter dem Bullen aufgetaucht waren. „Das spielt für dich sehr wohl eine Rolle, MacLain. Das ist nämlich meine Kavallerie. Zum letzten Mal, MacLain. 324

Wo ist Jelena Romanova?“ „Such sie doch.“, sagte ich und drückte heimlich auf einen Sender, den ich hinter meinem Rücken versteckt hatte.

Wie aus dem Nichts erschienen die Speznas-Soldaten und eröffneten das Feuer und erwischten gleich mehrere von Maurice Womasas Söldnern. In dem folgenden Feuergefecht zwischen Yuri und seinen Leuten und den Sicherheitsleuten von Maurice Womasa achtete niemand auf die zierliche Gestalt, auf dem Stahlträger, die mit ihrer Makarow auf das rechte Knie des Bullen zielte. Ein Schuss krachte und Maurice Womasa spürte einen stechenden Schmerz im Knie, als die Kugel die Kniescheibe zertrümmerte und auch die Muskeln und das Gewebe dahinter zerfetzte. „Hier bin ich doch Womasa.“, sagte Jelena. Der Bulle brachte seine Walther in Anschlag, doch so schnell, wie Jelena sich bewegte, konnte er nicht zielen.

Von einem Stahlträger hinter Maurice Womasa sprang meine Partnerin nach unten und packte im Abrollen eine Drahtschlinge aus. Diese warf sie dem Bullen um den Hals und zog sie zu, ehe Maurice Womasa überhaupt wusste, wie ihm geschah. Der Bulle versuchte verzweifelt, seine Hände zwischen den Draht und seinen Hals zu bringen, doch es war zu spät. Jelena hatte die Schlinge bereits so fest zugezogen, dass ihm keine Luft zum Atmen mehr blieb. Maurice Womasa versuchte noch einmal nach Luft zu schnappen, doch dann brachen sich seine Augen und er fiel der Länge nach auf den Boden. „Ich wette, die Bullen werden froh sein, dass er den Löffel abgegeben hat.“

Es war kurz vor Mitternacht, als wir ins Hotel zurückkehrten. Rita hatte gerade Schicht an der Rezeption. „Ihr wart aber lange weg.“ „Bleibt halt nicht aus, wenn man als Privatermittler tätig ist.“ „Und ungefährlich ist es auch nicht, wie man an meinem Beispiel sehen kann.“, ergänzte Jelena meine Aussage. „Ich habs gehört. Gott sei Dank lebst du noch.“ „Ganz ehrlich, die letzten drei Wochen waren der pure Horror. Mir ist im Krankenhaus fast die Decke auf den Kopf gefallen.“ „Hier sind eure Schlüssel. Gute Nacht.“ „Danke, dir auch.“, sagte ich. „Ich darf noch bis 2:00 Uhr morgens hier Schicht machen.“ „Ach du Scheiße.“

Am nächsten Morgen trafen wir uns mit Alejandra und Hera zum Frühstück. „Und wie ist es gestern gelaufen?“, fragte Hera Arnakis ohne Umschweife. „Der Bulle ist Geschichte.“ „Und was ist mit der Ladung?“ „Die hat Womasa noch rechtzeitig beiseite schaffen können. Das Schiff ist heute morgen um 8:00 Uhr in den Hafen von Shanghai eingelaufen.“ „Dann muss der Transport zum Teil auf dem Luftweg erfolgt sein. Denn von Swakopmund nach Shanghai braucht man mit dem Schiff 9 – 10 Tage.“, sagte Alejandra. „Worauf willst du hinaus?“ „Ich finde, dass liegt doch glasklar auf der Hand, Paul. Ein Schiff muss auf seiner Route nach Shanghai, das Kap der guten Hoffnung umrunden. Und in dieser Region gibt es häufig Stürme und Unwetter.“ „Und so genannte Freakwaves.“, ergänzte Hera. „Was ist das denn?“ „Das sind Monsterwellen, Towarischtsch.“ „Manche können bis zu 40 m hoch werden.“ „Und das schlimme an solchen Wellen ist, dass sie unverhofft auftauchen.“325

In diesem Moment kam Rita mit einer Aktenmappe, die sie mir in die Hand drückte. „Das kam gerade rein. Ich dachte, Ihr wollt gleich einen Blick darauf werfen.“ „Danke, Rita.“, sagte ich. „Gern geschehen.“ Ich sah mir die Akte genau an, und hätte um ein Haar meine Kaffeetasse fallen gelassen. „Also dieser Womasa muss ein Hellseher gewesen sein.“, sagte ich zu mir. Offenbar etwas lauter als beabsichtigt, denn Jelena fragte: „Was meinst du, Partner?“ „Gestern morgen um 6:00 Uhr ist eine Frachtmaschine, der Fluggesellschaft FedEx nach Tainan gestartet. Es war eine Boeing 777F.“ „Und wie passt das Ganze mit den Monsterwellen zusammen?“ „Keine Anderthalb Stunden nach dem Start, hat ein Massengutfrachter, die „Iberian Sun“ einen Notruf abgesetzt. Eine dieser Wellen hat das Schiff getroffen. Es wurden keine Wrackteile gefunden. Also kann man davon ausgehen, dass das Schiff mit Mann und Maus gesunken ist.“ „Was ist mit dem Schiff, das heute morgen in Shanghai eingelaufen ist?“ „Das war die „Gulf of Persia“, ein Schwesterschiff der „Iberian Sun“.“

„Wäre es möglich, dass Maurice Womasa versucht hat, uns auf eine falsche Spur zu locken?“, fragte Jelena. „Es wäre denkbar.“ „Wir können mit 100%iger Sicherheit davon ausgehen, dass Maurice Womasa eine falsche Spur gelegt hat, um euch in die Irre zu führen.“ „Da hätte der Bulle aber verdammt früh aufstehen müssen. Jelena und ich sind ja nicht aus Dummsdorf.“, sagte ich und biss in meinen Toast. „Aber wozu dann dieses Ablenkungsmanöver?“ Hera Arnakis hatte diese Frage gestellt. „Er hat versucht, Kan Mah Jongg zu schützen. Denn wenn rauskommt, dass dieser Mah Jongg derjenige welche ist, der im Hintergrund die Fäden zieht, dann dürfte die Luft ziemlich bleihaltig werden.“, sagte ich. „Wir werden sehen.“

In seinem Loft über den Dächern von Shanghai erhielt Kan Mah Jongg einen Anruf. „Ja bitte?“, meldete er sich. „Mr. Jongg, hier spricht Xi Fa Kun, Ihr persönlicher Assistent. Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie, Sir.“ „Fangen Sie mit der schlechten an. Dann haben wir es hinter uns.“ „Sehr wohl. Maurice Womasa ist tot.“ „Woher haben Sie diese Information?“ „Von einem Freund, der bei der namibischen Wildtierbehörde arbeitet. Womasa wurde mit einer Drahtschlinge erdrosselt.“ „Von wem?“ Am anderen Ende der Leitung trat eine längere Pause ein, ehe Kan Mah Jonggs Assistent stammelnd antwortete. „Das... war das Werk... von... Jelena Romanova.“ „Ich nehme das einfach mal zur Kenntnis. Was ist die gute Nachricht?“ „Die Gulf of Persia ist heute morgen um 8:00 Uhr Ortszeit in den Hafen von Shanghai eingelaufen. An Bord ist die Ladung, die Sie so sehnsüchtig erwarten. Auch das Fell der Leopardin Loredana ist darunter.“ „Wenigstens das, Gott sei dank. Der Rest fehlt aber?“ „Der wichtigste Posten fehlt leider. Die Löwin Sienna.“ „Ausgerechnet Sienna. Na schön. Dann werde ich die Sache ab jetzt selbst in die Hand nehmen.“

Keine zwei Tage, am 15. Mai 2020 kam dann Kan Mah Jongg nach Mbombela. Yuri hatte vorsichtshalber einen seiner Leute auf dem Dach des Terminals postiert, und sich über jede Flugbewegung informieren lassen. Um 10:45 Uhr klingelte mein Smartphone. „Paul, hier ist Yuri. Eure Zielperson, dieser Kan Mah Jongg, er ist vor ca. 5 Minuten gelandet. Alexeji beschattet ihn und kundschaftet das 326

Versteck von dieser Dreckratte aus. Du hörst von mir, Briderchen. Und vergiss nicht, uns die Stripperin zu besorgen.“, sagte Yuri. „Hab ich schon erledigt. Jelena zieht für euch blank. Und nur damit wir uns klar verstehen, das war ihre eigene Entscheidung.“

In seiner großzügig errichteten Villa rief Kan Mah Jongg seinen persönlichen Assistenten. „Ich möchte, dass Sie eine Nachricht an Paul MacLain und Jelena Romanova für mich aufsetzen.“, sagte der Wildtierhändler, nachdem sein Assistent ihm gegenüber Platz genommen hatte. „Was soll ich schreiben?“ „Mr. MacLain, Miss Romanova, ich lade Sie beide herzlich am kommenden Freitag, den 22.05.2020 zum Mittagessen in meine Villa hier in Mbombela ein. Wenn Sie noch Freunde mitbringen möchten, so sind diese mir herzlich willkommen.“

Die Nachricht Kan Mah Jonggs erreichte uns zwei Tage später, am Sonntag. Jelena und ich kamen gerade von einem Spaziergang zurück, als uns der Mitarbeiter an der Rezeption den Brief mit der Einladung des Tierhändlers überreichte. „Dieser Brief wurde vor 10 Minuten von einem Asiaten für Sie abgegeben.“, sagte er. „Paul MacLain & Jelena Romanova Hotel Southern Sun“ persönlich“ stand auf dem Umschlag. „Woher weiß Kan Mah Jongg wo wir abgestiegen sind?“, wollte Jelena wissen. „Er wird Erkundigungen eingezogen haben.“ Ich öffnete den Umschlag und zog die Einladung heraus. „Was will Kan Mah Jongg von uns?“ „Er lädt uns beide zum Mittagessen ein. Und falls wir Freunde haben, die uns begleiten möchten, sind diese auch eingeladen.“ „Wir sollten Hera und Alejandra mitnehmen.“ „Keine schlechte Idee. Und Yuri sollte auch mitkommen.“ „Einverstanden, Towarischtsch.“

An dem Freitag trafen Jelena und ich, begleitet von den beiden Cousinen und Yuri bei der Villa ein. Xi Fa Kun, Kan Mah Jonggs Assistent kam auf uns zu und begrüßte uns förmlich. „Mr. MacLain, Miss Romanova, schön, dass Sie die Einladung von Mr. Jongg angenommen haben. Und wen haben Sie als Begleitung mitgebracht? „Hera Arnakis und ihre Cousine Alejandra Valderrama.“ „Und meinen ehemaligen Kollegen Yuri Grigorovitsch.“, ergänzte Jelena.

Kan Mah Jonggs Assistent führte uns durch das Haus in einen großzügig angelegten Garten, an den noch ein weiteres Gelände mit Ställen und Käfigen anschloss. Der Tierhändler begrüßte uns mit einem gutmütigen Lächeln. Ich nahm mir einen Augenblick Zeit, um mir unseren Gastgeber genauer anzusehen. Kan Mah Jongg war 1,70 m groß und hatte einen schlanken Körper. Die schwarzen Haare waren bis zu den Ohren kurz geschnitten und waren an den Schläfen bereits ergraut. Durch den kurzen Haarschnitt kam das runde Gesicht des Asiaten mehr zur Geltung. Auffällig waren auch die für Asiaten typischen Mandelaugen, die breite Nase und die dünnen Lippen im Gesicht des Chinesen. Seinen Pony hatte Kan Mah Jongg zurückgekämmt, sodass man die hohe Stirn erkennen konnte. Bekleidet war er mit einem schwarzen Sakko, einer weißen Leinenhose und einem weißen Hemd. Dazu trug der Tierhändler schwarze Socken und schwarze Herrenschuhe, sowie eine schwarze Krawatte mit goldenen Schrägstreifen. „Mr. MacLain, Miss Romanova, ich freue mich, dass Sie meine Einladung angenommen haben. 327

Ich darf voran gehen?“, sagte Kan Mah Jongg, mit einer freundlichen, sympathischen Stimme.

Als wir an einem langen Tisch Platz genommen hatten, ließ Kan Mah Jongg das Essen servieren. Als Vorspeise gab es eine chinesische Nudelsuppe. Als Hauptgang gab es Geschnetzeltes afrikanischer Art und asiatische Koteletts. Als Dessert gab es gebackene Bananen. „Mir ist aufgefallen, dass Sie meine Quarantänestation bewundert haben, Mr. MacLain.“, sagte Kan Mah Jongg. „Bewundert ist etwas übertrieben. Ich habe sie mir höchstens angeschaut.“

„Nur damit wir uns klar verstehen. Es gibt nur einen, der in diesem Landstrich das Sagen hat. Dieser Jemand bin ich. Und ich dulde keine Unruhestifter in meinem Distrikt. Wer das nicht einsieht...“, sagte Kan Mah Jongg und nahm einen Kotelettknochen. „Der wird gebrochen.“ Mit diesen Worten brach der Chinese den Knochen in zwei Teile. „Wissen Sie, wir haben was gegen die bösen Buben. Wer uns Steine in den Weg legt...“ „Der wird gebrochen.“, sagte Jelena und brach ebenfalls einen Knochen in zwei Teile.

Zu guter Letzt hatte Kan Mah Jongg noch eine knallharte Warnung, die er uns mitgab. „Ich warne Sie. Kommen Sie beide mir besser nicht in die Quere. Sie und ihre Partnerin haben mir schon genug Schwierigkeiten bereitet. Viele Kunden sind wütend. Sie wollen nicht länger auf ihre Ware warten. Gerade der türkische Ministerpräsident ist sauer, weil Sienna immer noch nicht gefangen ist. Er will die Löwin als tierischen Scharfrichter um Regimegegner zu exekutieren.“, sagte der Chinese. „Der Kerl spinnt ja.“ „Hören Sie, Mr. Jongg. Der türkische Ministerpräsident soll sich vorsehen, sonst komm ich höchstpersönlich bei ihm vorbei und schiebe ihm den Kopf zwischen die Schultern.“, sagte ich.

Um 17:00 Uhr waren wir wieder im Hotel. Wir trafen uns auf einen Drink in der Bar. „Was haltet Ihr von Kan Mah Jongg?“, fragte ich in die Runde. „Der Kerl geht über Leichen, um seine Ziele zu erreichen. Der schreckt auch vor Mord nicht zurück. Es würde mich nicht überraschen, wenn zumindest du bei ihm ganz oben auf der schwarzen Liste stehst, Paul. DU hast ihm mit deiner letzten Aussage gehörig contra gegeben.“ „Meine Cousine hat Recht, Paul. Ihr beide seid eine Gefahr für ihn. Das heute war für ihn eine gute Gelegenheit euch zu studieren. Kan Mah Jongg weiß jetzt, dass Ihr nicht zögern werdet und ihn, wenn nötig umlegt.“, sagte Hera.

Das Wochenende passierte nichts. Zugegeben, es hätte mich auch gewundert, wenn Kan Mah Jongg etwas bezüglich seiner Aufträge unternommen hätte. Doch am Montag, den 25.05.2020 ging es dann los. Die Park Ranger hatten das Versteck der Löwin Sienna lokalisiert und den Standort an uns weitergegeben. Doch wie nicht anders zu erwarten, kam unser Gegner ebenfalls dahinter, wo sich die Löwin versteckt hielt. Sienna war zwar sein Hauptziel, doch offenbar wollte er damit noch ein bisschen warten und noch ein bisschen Beute machen, ehe er sich das Sahnehäubchen holte. So hatte er beispielsweise einen jungen Elefantenbullen namens Shaka gefangen und in seine Quarantänestation bringen lassen. 328

Auch zwei afrikanische Wildhunde hatte Kan Mah Jongg erbeuten können. Einem weiteren Bericht zufolge sogar das Fell eines männlichen Löwen.

Es war spät am Abend, und die Sonne begann bereits unterzugehen, als Kan Mah Jongg dann endlich an Siennas Versteckt auftauchte. Die Löwin hatte sich einen ehemaligen Warzenschweinbau als Versteck ausgesucht. Jelena und ich hofften sehr, dass der asiatische Wildtierhändler keine Dummheit begehen und den Bau anzünden würde. Doch Kan Mah Jongg tat genau das. Und es kam, wie es kommen musste. Sienna verließ fluchtartig ihr Versteck. Der Asiate lud einen Betäubungspfeil in sein Gewehr und zielte auf das ahnungslose Tier.

In dem Moment, als Kan Mah Jongg abdrücken wollte, erschien wie von Geisterhand herbeigerufen ein Rudel afrikanischer Wildhunde, die sofort den Chinesen einkreisten und immer wieder nach ihm schnappten. Dadurch war es unmöglich für ihn, einen gezielten Schuss auf die Löwin abzugeben. Einer seiner Gefolgsleute hatte nun selbst sein Gewehr im Anschlag und wollte feuern. Jelena riss ihre Makarow nach oben und schoss auf den Mann. Dieser verriss und der Schuss verfehlte Sienna nur knapp. Die Löwin drehte sich nun aber zum Schützen um und kam auf ihn zu. Wir alle ahnten, was nun passieren würde. Der Mann ließ sein Gewehr fallen und lief davon. Sienna jagte ihn. Kan Mah Jongg wollte ihm zu Hilfe kommen, doch die afrikanischen Wildhunde hielten ihn weiter in Schach. Die Anführerin, Tait war ihr Name, wie ich von Captain Hislop später erfuhr, machte einen Sprung nach oben und biss dem Chinesen in die Hand.

Der Mann, der auf Sienna geschossen hatte, war über einen am Boden liegenden Ast gestolpert. Er wollte sich gerade aufrichten, als Sienna über ihm war und ihm mit einem gezielten Biss in die Kehle tötete. Die Löwin war wütend und würde nicht zögern, jedem dasselbe Schicksal zu bescheren, wie dem Mann, der auf sie geschossen hatte. Kan Mah Jongg befahl den sofortigen Rückzug. „Alle Mann in die Fahrzeuge! Los, los Beeilung!“, rief er seinen Helfern zu. Die Wilderer verschwanden. Kan Mah Jongg ließ noch einmal das Seitenfenster seines Range Rover herunter und steckte den Kopf heraus. „Das war das letzte Mal, dass Sie und ihre Partnerin mir dazwischen gefunkt haben, Mr. MacLain.“, sagte er kalt. Dann machte der britische Nobel-SUV kehrt und entfernte sich.

Zurück im Hotel trafen wir uns in der Bar des Southern Sun. „Wir müssen schnell handeln.“ „Du sagst es, Briderchen. Kan Mah Jongg wird jetzt vor gar nichts mehr zurückschrecken. Er will Sienna. Und nachdem wir ihm heute die Tour vermasselt haben, wird er nichts unversucht lassen, um sie zu kriegen.“ „Vor allem wird er jetzt versuchen Tait zu töten.“, sagte ich. „Wer ist Tait, Towarischtsch?“ „Die Anführerin des Rudels afrikanischer Wildhunde, die Kan Mah Jongg so lange beschäftigt haben.“ „Merkwürdig.“, sagte Alejandra. „Was ist merkwürdig?“ „Normalerweise würden Löwen afrikanische Wildhunde bei jeder Gelegenheit angreifen und töten.“ „Es sei denn, die Wildhunde hätten gegenüber der Löwin etwas wieder gut zu machen.“ „Selbst dann nicht.“ „Was macht dich da so sicher?“, fragte Jelena. „Löwen können afrikanische Wildhunde nicht leiden.“ 329

Am Mittwoch, den 27.05.2020, wurden Jelena und ich mit den anderen bei Kan Mah Jongg auf dessen Anwesen vorstellig. Leider kamen wir etwas zu spät und zwei LKWs der Marke Volvo verließen das Grundstück. Dahinter folgte ein VW Amarok. Auf dem zweiten Volvo und dem Amarok konnte ich Tierkäfige sehen. In einem war ein Leopard. In einem anderen die beiden afrikanischen Wildhunde. In einem dritten befand sich ein Mandrill. Per Funk bat ich den Hubschrauberpiloten, der Kolonne zu folgen, um herauszufinden, wohin sie fuhr.

Keine Stunde später erreichte uns die Meldung, dass der kleine Konvoi den Hafen von Kapstadt erreicht hatte. Die Käfige und die übrigen erbeuteten Gegenstände wurden auf einen Stückgutfrachter, die „Herman Melville“ umgeladen. Laut Aussage von Air Ranger 1 lief das Schiff um 9:45 Uhr aus. Damit hatten wir keine Möglichkeit mehr, den Frachter aufzuhalten. Denn es war klar, dass Kan Mah Jongg den Hafenmeister geschmiert hatte, damit dieser das Schiff nicht stoppte und wir zu einer Kontrolle an Bord gehen konnten.

Um 11:10 Uhr betraten wir die Villa. Aus der Quarantänestation hörten wir allerhand Tiergeräusche. Also hatte der Chinese noch mehr Tiere auf seinem Grundstück in Verwahrung. Als wir nach draußen auf die Terrasse kamen sah ich, wie auf einen weiteren LKW, es handelte sich um ein niederländisches Fabrikat aus dem Hause DAF und einen Toyota Hilux Pick-Up weitere Ware verladen wurde. Auf den Pick-Up kamen die Hörner von Nashörnern und die Stoßzähne von Elefanten. Auf den DAF-Truck kamen weitere Tierkäfige. Ich konnte unter anderem ein Kirk Dik Dik erkennen. Dann einige Käfige mit Springböcken. Und ich sah Kan Mah Jongg, der sich diabolisch grinsend die Hände rieb. Schließlich gab er den Fahrern den Befehl zur Abreise. „Und Abfahrt!“, sagte er.

Auf dem Hof konnte ich noch einen weiteren LKW entdecken. Es handelte sich um einen Truck aus dem Hause IVECO. Der Pick-Up daneben war ebenfalls ein Japaner. Es handelte sich um einen Nissan Navara. Ich ahnte, was das zu bedeuten hatte. Kan Mah Jongg wusste, dass das Spiel vorbei war. Und er wollte soviel Beute beiseite schaffen wie möglich, bevor er verhaftet wurde. Ich hatte meinen Gedanken gerade zu Ende gedacht, da quoll aus dem Auspuff des IVECO schwarzer Qualm. Rasch zückte ich meine Walther und schoss auf den Motorblock, während Jelena mit ihrer Makarow dem Nissan den Motorblock zerstörte.

Als Jelena und ich mit den Park Rangern und der Speznas-Einheit das Gelände der Quarantänestation betraten, drehte sich Kan Mah Jongg zu uns um. Sein Gesicht vor zu einer von Hass zerfressenen Fresse verzogen. Dementsprechend war auch ein Tonfall. „Sie fangen langsam an, mir auf die Nerven zu gehen. Wissen Sie beide eigentlich wie viel Geld mir jetzt wegen ihrer Einmischung durch die Lappen geht?“ „Vielleicht eine viertel Million?“, fragte ich lässig zurück. „VON WEGEN!! Ich verliere allein schon durch die Tatsache die Lieferung nur zu zwei dritteln komplett ist, eine Million Dollar. Und das nur, wenn ich Glück hab. Und dank Ihnen wurde mir vom türkischen Ministerpräsidenten eine Strafzahlung in Höhe von 6,5 Millionen Dollar aufgebrummt.“ „Glaubst du wirklich, ich hab Mitleid mit dir, Durak? Wenn du das 330

wirklich glaubst, dann bist du bei mir auf dem komplett falschen Dampfer.“, sagte Jelena kalt.

Kan Mah Jongg gab seinen Gorillas ein Zeichen. „Albert! Biggs! Kommt schnell her! Jack! Johnson! Herkommen!“ Sofort erschienen neben den Mitarbeitern der Quarantänestation auch vier Leibwächter und umzingelten mich. Durch ein Ablenkungsmanöver von Yuri gelang mir die Flucht zu einem Stall. Doch Kan Mah Jongg und seine Leute kamen mir hinterher. Schon wieder hatten sie mich umzingelt. „Okay, MacLain. Bevor wir dich den Löwen zum Fraß vorwerfen, werden wir dich erst mal in kleine handliche Stücke zermantschen.“ Ich versteckte mich hinter den gelagerten Heuballen. Die Handlanger Kan Mah Jonggs kamen jedoch nach. „Jetzt reichts mir! Los Jungs!“

Ein kleines Handgemenge brach aus und ich schaffte es irgendwie, mir diese Mistkerle vom Hals zu halten. Die Heuballen fielen zu Boden, und im Nu war die wildeste Schlägerei entbrannt. Einer der Gorillas wollte sich auf mich stürzen, doch Yuri fing fing ihn geschickt ab, und verdrehte ihm das Handgelenk nach oben. Ein Schmerzensschrei war zu hören, als der Mann aufschrie. Danach kassierte er einen Schlag ins Gesicht. Jelena wich einem anderen von Kan Mah Jonggs Leuten aus, um ihm dann einen Schlag auf den Hinterkopf zu verpassen. Kan Mah Jongg boxte mir ein paar mal in den Bauch, doch eine doppelte Ohrschelle und ein Schlag auf den Kopf beförderten ihn erst mal ins Reich der Träume.

Einer der Männer des Asiaten schlug Captain Hislop ins Gesicht. Dieser blinzelte ganz kurz, ehe er dem Mann einen Schlag ins Gesicht verpasste. Kan Mah Jongg war inzwischen wieder zu sich gekommen und hatte nun ein Brett in der Hand, dass er auf dem Rücken des Dobermann zerschlug. Alejandra rammte ihm den Ellbogen in die Magengrube und steckte ihn mit dem Kopf zuerst in einen Heuhaufen. „Na jetzt riech mal, wie die Natur riecht.“, sagte kess.

Irgendwie war es Kan Mah Jongg erneut geglückt, sich unbemerkt davon zu schleichen. Doch als er mit einem bereitstehenden Krankenwagen fliehen wollte, hob ihn Hera mit einem Gabelstapler nach oben. Und genau in diesem Augenblick kam die örtliche Polizei. Ein ganzes Kontingent Beamten, umstellte den Gabelstapler. „Mr. Jongg. Warum haben Sie uns nicht längst gesagt, dass sie von dem Herrn und der Dame belästigt werden? Wir hätten die beiden längst festsetzen können!“, sagte der leitende Beamte. „Einen Moment mal Desmond! Lassen Sie ihre Leute da wo sie sind und kommen Sie her! Ich möchte Sie klug machen.“, sagte eine uns wohl bekannte Frauenstimme. „Captain, was machen Sie denn hier?“ „Ich bin immer da wo es richtig qualmt.“ „Das sich sogar die Behörden für die beiden interessieren.“ „Der Gentleman und die Lady sind Paul MacLain und Jelena Romanova. Die beiden sind Privatermittler.“ „Die berühmten Ermittler aus Frankfurt am Main?“ „Eben jene.“

Kurz darauf klickten bei Kan Mah Jongg die Handschellen. Die gefangenen Tiere wurden aus ihren Käfigen geholt und wieder im Kruger Nationalpark ausgewildert. Gerade als Jelena und ich in unseren Mietwagen steigen wollten tauchte hinter 331

Mir ein Mann mit einer Pistole auf. „So MacLain. Das Spiel ist aus. Und jetzt die Pfoten hoch!“, sagte er. Auf einer T-Stange hinter ihm konnte ich einen Beo sitzen sehen. Bis zu diesem Augenblick wusste ich gar nicht, dass diese Vögel sprechen können. Ich verstand es erst, als der Beo „Die Pfoten hoch!“ sagte. Der Mann ließ vor Schreck die Waffe fallen und hob die Hände. Ich ging zwei Schritte auf ihn zu und verpasste dem Kerl einen ordentlichen Kinnhaken, der ihn von den Beinen holte. Über einem der Gatter blieb er dann hängen.

„Ts! Ein großer Vogel!“, sagte der Beo. „Hast du gut gemacht Harold“ Jelena hatte diese Worte ausgesprochen. „Alles von meinem Chef gelernt. Alles vom Chef!“

Unser Auftrag in Südafrika war beendet. Die Behörde in Pretoria überwies uns die vereinbarten 200.000 €. Wir packten unsere Koffer, beglichen die Rechnung und fuhren zurück zum Kruger Mpumalanga International Airport. Dort gaben wir unsere X-Klasse bei SIXT zurück und ging zu den Schaltern von Soutache African Airways, wo wir unsere Koffer aufgaben. Die Sicherheitsschleuse passierten wir auch dieses Mal ohne nennenswerte Schwierigkeiten.

Um 9:00 Uhr startete unser Flieger in Richtung Frankfurt am Main, wo wir um 22:05 Uhr landeten. Meine Schwester Samantha holte uns ab. „Wir haben mit dem Abendessen auf euch gewartet. Denn es kann ja nicht sein, dass ihr zwei hübschen euch bei McDoof einen Burger reinpfeifen müsst.“, sagte Camille, die Samantha begleitet hatte. „Camille! Sei mal nicht so vorwitzig.“ „Ist doch wahr. Diesen Fastfood-Fraß kannste doch echt in die Tonne kloppen. Da kochst du viel besser.“ „Danke für das Kompliment.“

Wir saßen wieder auf dem Balkon meiner Wohnung, als es an der Tür klopfte. Jelena stand auf und öffnete. Draußen standen die beiden Cousinen. „Ist es erlaubt einzutreten?“, fragte Hera. „Kommt rein.“

Schließlich saßen wir zu siebt auf dem Balkon. „Was ist eigentlich aus Kan Mah Jongg geworden?“, fragte Kelly. „Der Prozess beginnt erst noch. Aber ich denke, der wird einige Zeit einsitzen müssen.“ „Und was ist mit diesem Womasa?“ „Was soll mit dem sein? Den gibt’s nicht mehr.“ „Wie jetzt?“ Jelena hob ihr Top und zeigte Camille ihre Narbe. „Die hab ich von der OP zurückbehalten. Maurice Womasa hat mir zweimal in den Bauch geschossen. Man musste die Projektile operativ entfernen. Dafür hab ich ihn mit einer Drahtschlinge erwürgt. Der Bastard beguckt sich jetzt die Radieschen von unten.“ „Und was ist mit Sienna? Ich meine die Löwin, die Kan Mah Jongg für den türkischen Ministerpräsidenten fangen sollte.“ „Die stromert noch munter durch den Kruger Nationalpark.“ 332

26. Fall - Kinder- und Jugendprostitution am Zuckerhut

26. Fall – Kinder- und Jugendprostitution am Zuckerhut

Unser nächster Fall führte uns nach Südamerika. Nach Rio de Janeiro in Brasilien, wenn ihr es genau wissen wollt. Es war ein warmer Sommertag. Unsere morgendliche Joggingrunde musste wegen Jelenas Schussverletzung aus unserem vorherigen Fall in Südafrika erst mal entfallen. Dr. Reddington hatte zur Schonung geraten. Sie hatte uns vor kurzem in Frankfurt besucht und sich die Narbe meiner Partnerin angesehen. „Soweit ist alles in Ordnung. Allerdings sollte sich Ihre Partnerin noch nicht sportlich betätigen.“, hatte sie gesagt. Jelenas Blick hatte Bände gesprochen. Wenn Blicke töten könnten, sage ich nur.

Wir schrieben Dienstag, den 09.06.2020. Es war um 8:00 Uhr morgens, als Jelena bei mir an der Tür klingelte. Als ich öffnete, staunte ich nicht schlecht. Meine Partnerin trug wieder ihre Joggingklamotten. „Ich dachte, du sollst dich noch schonen, oder hab ich Dr. Reddington falsch verstanden?“ „ Towarischtsch, dass war noch im Mai. Jetzt haben wir Juni. Ich war gerade noch einmal bei ihr und habe mich untersuchen lassen. Katrina meint, dass ich wieder Sport machen kann. Ich muss die zusätzlichen Kilo wieder loswerden.“ „Wie viel bringst du auf die Waage?“, fragte ich. „46 Kilo. Und mein Idealgewicht ist 43.“

Um 8:45 Uhr trafen Jelena und ich uns mit Brit im nahegelegenen Park. Wir brauchten eine Stunde für unsere Joggingrunde. Um 9:45 Uhr waren wir im Büro. Ich hüpfte schnell unter die Dusche und machte mich frisch. Danach ging Jelena duschen und zuletzt Brit. Um 10:25 Uhr klingelte das Telefon an Jelenas Platz. „Detektivbüro MacLain – Romanova, Sie sprechen mit Brit Olson.“, meldete sich unsere Sekretärin. „Mein Name ist Dora Correia da Silva. Ist Senhor MacLain oder Senhora Romanova zu sprechen?“ „Jelena Romanova steht direkt neben mir.“ Mit diesen Worten reichte Brit meiner Juniorpartnerin den Hörer. „Jelena Romanova. Was können mein Partner und ich für Sie tun, Miss Correia?“ „Ich bin zurzeit in Frankfurt am Main und würde in 30 Minuten bei Ihnen im Büro vorbeikommen. Dann können wir alles weitere besprechen.“ „Einverstanden.“

Um 10:55 Uhr klingelte es an der Eingangstür. Brit betätigte den Türöffner. Nur kurze Zeit später, konnten wir Schritte auf der Treppe hören. Schließlich klopfte es an der Tür unseres Detektivbüros. Brit öffnete. Die Frau, die eintrat, war eine richtige Augenweide. Sie war 1,60m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. Auch das ovale Gesicht mit den braunen Augen war ein Hingucker. Die Nase war zwar zu breit, fügte sich aber dennoch harmonisch in das Gesicht unserer Besucherin ein. Die braunen Haare, die blond gefärbt waren, trug Dora Correia da Silva offen, sodass sie bis zur Oberkante ihrer kleinen Brüste reichten. Die langen, sinnlichen Lippen und die leicht gebräunte Haut rundeten den ersten Eindruck ab, den ich mir von unserer möglichen Klientin machen konnte. Bekleidet war Dora Correia da Silva mit einem schwarzen Trägerkleid, dessen Träger sich am Hals kreuzten und schwarzen High Heels. 333

„Bitte setzen Sie sich, Miss Correia.“, sagte ich. „Nennen Sie mich bitte Dora.“ „Wie Sie wünschen.“ „Was können mein Partner und ich für Sie tun, Dora?“, fragte Jelena. „Ich bin in Rio de Janeiro die Dezernatsleiterin für Kinder- und Jugendprostitution.“ „Hat Rio nicht die höchste Kriminalitätsrate?“ „Wenn man wie ich aus den Favelas kommt, dann gerät man schnell auf die schiefe Bahn.“ Jelena und ich wechselten einen fragenden Blick. „In Rio gibt zwei Arten von Armenvierteln. Die Loteamentos irregulares, also die irregulären, und die illegalen, die Favelas. Und gerade in den Favelas ist die Kriminalitätsrate sehr hoch. Wenn wir in diesen Gebieten unterwegs sind, dann haben Sie bitte ihre Bleispritzen griffbereit.“, sagte Dora Correia da Silva. „Das klingt, als wären wir uns schon einig.“ „Ich habe mir sagen lassen, dass man Ihre Dienste selten unter 10.000 € in Anspruch nehmen kann. Wären 17.500 genug?“ „Preislich sind wir uns also einig. Aber wir brauchen schon noch nähere Informationen, damit wir uns ein Bild machen können.“ „Ich möchte meinen Vorschlag präzisieren. 17.500 € für jeden von Ihnen beiden, wenn Sie mir helfen, Kinder und Jugendliche vor dem Straßenstrich zu bewahren. Plus 10.000 zusätzlich, wenn Sie herausfinden, wer hinter der Gegenseite steckt.“

„Haben Sie mir eben nicht zugehört? Wir übernehmen keine Fälle, wenn uns der Klient keine näheren Informationen liefern kann.“ „Ich kann Ihnen jetzt keine Namen nennen. Wir wissen einfach nicht genug. Das einzige, was wir wissen ist, dass wir es mit zwei Vettern zu tun haben.“, sagte Dora. „Ist das alles?“ „Nicht ganz. Die Dynastie, der sie angehören, stellt ein echtes Wirtschaftsimperium dar.“ „Inwiefern?“ „Dieser Familie gehören Reedereien, Fluggesellschaften, Gold- und Silberminen, Diamantenminen und weiß der Teufel nicht noch alles.“ „Also an allzu viel Freizeit dürften die nicht zu leiden haben.“, sagte Jelena. „Ich finde das nicht komisch. Diesem Clan werden sogar Verbindungen zur Unterwelt nachgesagt.“ „Das heißt, es ist unmöglich, diesen beiden etwas nachzuweisen.“, sagte ich. „So in etwa. Aber die brasilianischen Unterweltbonzen sind dafür bekannt, potenzielle Informanten derart einzuschüchtern, dass diese gegenüber den Behörden lieber schweigen.“ „Sicherlich kommt es doch ab und an mal vor, dass jemand Cojones hat und trotzdem redet.“ „Ab und an mal ja. Aber die Strafe folgt in der Regel auf dem Fuß. Senhora Romanova.”, sagte Dora. „Ich gehe mal davon aus, dass solche Personen in der Regel mundtot gemacht werden.“ „Ja. Leider. Solche Verräter werden in der Regel mit der kolumbianischen Krawatte zum Schweigen gebracht. Und so eine Hinrichtung, zu mal in aller Öffentlichkeit vollzogen, schreckt ab. Das ist auch der Grund, warum wir kaum Informationen bekommen.“ „Was war denn die letzte Information, die man Ihrer Behörde hat zukommen lassen?“ „Wir haben erfahren, wo die beiden Vettern leben.“ „Dann bitte.“ „Die beiden residieren auf einem Anwesen in Rios Nobelviertel Copa Cabana.“

„Ich denke, wir wissen genug. Erwarten Sie unser Eintreffen am Donnerstag.“, sagte ich. „Ich danke Ihnen. Sie nehmen mir eine tonnenschwere Last von meinen Schultern.“ „Was tut man nicht alles für seine Mitmenschen. Meistens viel zu wenig.“

Am 11.06.2020 waren wir schon um 0:05 Uhr am Flughafen. Denn unser Flug startete um 4:00 Uhr. Meine Schwester Samantha hatte uns gefahren. 334

Unsere Koffer hatten Jelena und ich schon am Vortag aufgegeben. Am Eingang zur Sicherheitsschleuse verabschiedeten wir uns. „Passt auf euch auf. Ich habe herausgefunden, dass einer der beiden Vettern mit Patricia Velasquez verheiratet ist. In der brasilianischen Unterwelt kennt man sie als La Duchesse.“

Die Sicherheitsschleuse brachten meine Partnerin und ich ohne Probleme hinter uns. Der Mann hinter uns hatte Pech. Bei ihm schlug der Scanner an. Die Sicherheitsleute holten ihn aus der Schlange und führten ihn in eine Box. Dort wurde er von einem der Mitarbeiter abgetastet. Jelena und ich sahen aufmerksam zu. Der Mann war ein Latino mit lockigen, schwarzen Haaren und braunen Augen. Das ovale Gesicht besaß elegante Gesichtszüge und der hoch gezwirbelte Schnurrbart verlieh dem Verdächtigen das gewisse etwas. Der Körper war von athletischer Statur. Bekleidet war der Passagier mit einem weißen Anzug, einem schwarzen Hemd, schwarzen Socken und weißen Lackschuhen.

Jelena und ich sahen mit Genugtuung, wie die Mitarbeiter der FRASEC aus der Innentasche der Anzugjacke eine Pistole hervorzogen. Es handelte sich um eine Smith & Wesson SD40 VE. Der verdächtige Passagier bestritt, der Besitzer der Waffe zu sein. Doch es nutzte nichts. „Die Waffe gehört mir nicht! Ich schwöre es!“, sagte er. „Das kannst du dem Richter erzählen Bürschchen.“ Der Mann wurde von Beamten der Bundespolizei abgeführt.

Jelena und ich gingen weiter in den Transitbereich. Und während meine Juniorpartnerin sich nach freien Sitzplätzen umsah, studierte ich die Anzeigen, um das Gate für unseren Flug in Erfahrung zu bringen. Schließlich fand ich unseren Flug. Flug LAN 911 wurde an Gate D44 abgefertigt. Jelena und ich begaben uns direkt dorthin. Die meisten Passagiere blieben jedoch an ihren Plätzen. Bis auf zwei junge Frauen, die uns folgten.

Die beiden besaßen einen schlanken, sexy Körper und sexy Beine. Auch die üppige Oberweite fiel auf. Die Augen hatten die beiden Damen hinter Gucci-Sonnenbrillen verborgen. Was Jelena und mir auch noch auffiel war, dass unsere Verfolgerinnen unterschiedlich groß waren. Die eine, eine rothaarige, war 1,70 m groß, die andere, eine Blondine, war 1,73 m groß. Bekleidet waren die Mädels mit schwarzen Catsuits mit Reißverschluss und schwarzen, langschäftigen Stiefeln. Was jedoch speziell mir auffiel, war, dass die beiden Ladies in Black keinen BH trugen.

„Die beiden hängen an uns, wie die Kletten.“, raunte ich Jelena zu. „Also sind dir die beiden Schnepfen auch aufgefallen.“ „Jede Wette, die arbeiten für La Duchesse.“ „Wäre möglich.“ „Also für mich lässt das nur einen Schluss zu. Unsere Klientin wird seit ihrer Abreise aus Rio von Patricia Velasquez beschattet.“ „Zumindest von zwei Handlangern. Aber ich stimme dir in dem Punkt zu, dass Dora Correia da Silva beschattet wird.“, sagte Jelena.

Nach und nach kamen die restlichen Passagiere, die ebenfalls nach Rio de Janeiro wollten. Um 3:45 Uhr wurde unser Flug dann zum Boarding aufgerufen. „Achtung! Alle Passagiere des Fluges LAN 911 nach Rio de Janeiro werden gebeten, 335

sich an Bord der Maschine zu begeben. Jelena und ich gingen an Bord und zeigten der Flugbegleiterin unsere Boardingpässe. Direkt nach uns betraten unsere Verfolgerinnen die Maschine. „Denkst du, was ich denke?“, fragte Jelena. „Sicher. Wir haben vielleicht nur eine Chance.“ Pünktlich um 4:00 Uhr startete unser Flieger nach Rio.

Doch als die Maschine ihre Reiseflughöhe erreicht hatte passierte das, womit ich die ganze Zeit gerechnet hatte. Die beiden Grazien erhoben sich von ihren Plätzen und zückten zwei Messer. Die Blondine packte eine der Flugbegleiterinnen und hielt ihr das Messer an die Kehle. „Ladies and Gentlemen, darf ich kurz um ihre Aufmerksamkeit bitten. Dies ist eine Flugzeugentführung. Tun Sie, was wir Ihnen sagen, und Ihnen passiert nichts.“, sagte sie. „Und wohin fliegen wir?“ „Nach Dubai, Mr. MacLain.“ „Abwarten.“, sagte ich. „Ich würde an Ihrer Stelle keine allzu große Klappe riskieren. Melody! Bewache die Passagiere. Ich gehe ins Cockpit.“ „Alles klar, Emily!“

Die Blondine machte sich auf den Weg in Richtung Cockpit. Die rothaarige ging mit gezücktem Messer den Gang entlang. Als sie am Sitzplatz meiner Partnerin vorbeikam, sprang Jelena auf und rammte Melody mit voller Wucht den Ellenbogen auf den Solarplexus. Ich sprang auf und eilte in Richtung Cockpit, wo ich Emily stellte. Sie war ziemlich überrascht, als sie in den Lauf meiner Walther blickte. „Ich schätze das wars dann wohl Emily. Lass deinen Zahnstocher fallen, oder ich drücke ab.“ „Im Cockpit?! Haben Sie den Verstand verloren?“, ließ sich der Pilot vernehmen.

„Ich würde eher sagen, dass Sie ausgespielt haben, Mr. MacLain. Melody wird gleich hier sein und Ihnen ihr Messer zwischen die Rippen knallen.“ „Das wage ich zu bezweifeln, Emily. Meine Juniorpartnerin hat deiner Komplizin nämlich einen Ellenbogenstoß auf den Solarplexus verpasst. Und dabei war Sie nicht gerade zimperlich. Melody ist kampfunfähig. Also wirf deinen Zahnstocher weg und nimm die Hände hinter den Kopf.“

Widerwillig ließ die Blondine ihr Messer fallen. Im Vorbeigehen warf sie mir einen vernichtenden Blick zu. Als wir in den Passagierbereich der Kabine zurück kamen, versuchte Emily, mich mit einem Handkantenschlag außer Gefecht zu setzen. Doch ich hatte mit so etwas gerechnet und rammte ihr das Knie mit voller Wucht im spitzen Winkel in den Unterleib. Die Blondine brach mit einem Schmerzensschrei zusammen.

Nach einer Flugzeit von 12 Stunden und 8 Minuten landete unser Flieger auf dem Antônio Carlos Jobim-Flughafen. Unmittelbar nach der Landung erschienen Beamte der Policia Civil und nahmen die beiden Entführerinnen in Gewahrsam. Doch bevor wir aus der Maschine ausstiegen, mussten Jelena und ich eine regelrechte Dankesorgie über uns ergehen lassen. Umso glücklicher waren wir, als wir endlich aus dem Flieger draußen waren, und an der Gepäckausgabe auf unsere Koffer warteten. Als wir unsere Trolleys dann vom Förderband geholt hatten, führte uns unser Weg zum Ausgang. 336

In der Empfangshalle sahen meine Partnerin und ich uns nach einer Autovermietung um. Bei Hertz mieteten wir einen Peugeot 508 SW Allure. Der Wagen hatte das 8-Stufen-Automatikgetriebe in Kombination mit dem 1,6 Liter Pure Tech-Motor mit 180 PS. Selbstverständlich hatte man bei der Firmenleitung nicht bei den Extras gegeizt. So war unser 508 in Ultimate Rot Metallic lackiert und hatte das Full-LED-Paket an Bord. Auch eine induktive Ladestation fehlte nicht. Auch an den automatischen Geschwindigkeitsregler ACC hatte man bei Hertz gedacht. Ebenso an das Focal Sound System. Auch eine Alarmanlage inklusive Rundum-Innenraum- und Safesicherung durfte nicht fehlen.

Auch ein Keyless-System und eine ferngesteuerte Heckklappe durften nicht fehlen. Auch die schwarzen Ledersitze Modell Claudia waren schön anzusehen. Und dam man bei Hertz bei den Extras etwas großzügiger war, hatte man unserem Peugeot die 18-Zoll Leichtmetallfelgen Modell „Hirone“ inklusive Notrad spendiert. Auch ein Easy Paket Plus und eine Night Vision hatte man beim Hersteller für unseren Mietwagen bestellt. Zu guter Letzt möchte möchte ich noch das Panoramadach mit Jalousie erwähnen, dass als Ausstell- oder Schiebedach genutzt werden kann. Und natürlich das iCockpit Amplify-System.

Als wir zu den Stellplätzen gingen, fielen mir zwei Männer auf. Diese trugen weiße Leinenhosen und Hawaiihemden. Dazu trugen sie weiße Herrenschuhe und schwarze Socken. Einer von ihnen hatte ein Smartphone gezückt. Ganz offenbar hatte er den Lautsprecher aktiviert, denn ich konnte seinen Gesprächspartner hören. „Schlechte Nachrichten, Boss. Emily und Melody haben versagt.“, sagte er. „Was ist passiert?“ Also war der Gesprächspartner eine Frau. „Paul MacLain und seine Partnerin Jelena Romanova sind gerade hier in Rio gelandet.“ „Woher wissen Sie das?“ „Weil die beiden gerade an mir und meinem Bruder vorbeigegangen sind. Anscheinend haben sie einen Wagen gemietet.“ „Maldição. Aber es ist jetzt nicht mehr zu ändern. Hör zu Fernando. Du und dein Bruder Bernardo werdet die beiden Schnüffler im Auge behalten. Merkt euch vor allem den Namen des Hotels. Und dann erstattet mir Bericht.“

Vom Flughafen fuhren Jelena und ich zu unserem Hotel. Das Atlantico Business Centro war ein Betonklotz mit einer Glasfassade über dem Haupteingang. Wir parkten unseren Peugeot auf dem hoteleigenen Parkplatz. Wir waren gerade dabei, unsere Koffer aus dem Kofferraum zu holen, als ich einen dunkelblauen Bentley Brooklands bemerkte. Der Wagen parkte und auf der Beifahrerseite ließ man das Seitenfenster herunter. Ich erkannte sofort die Insassen des Wagens. Es waren die beiden Kerle, die wir am Flughafen gesehen hatten. Der eine, Fernando, hatte wieder sein Handy aktiviert. „Boss, hörst du uns?“, fragte er. „Klar und deutlich. Habt Ihr Neuigkeiten für mich?“ „Ich geb dir mal das Kennzeichen des Wagens durch. Es lautet PJ . 7777.“ „Und der Name des Hotels?“ „Es ist das Atlantico Business.“ „In Ordnung. Ich weiß, was ich wissen muss. Kommt in die Villa.“

Der Bentley fuhr wieder los. Beim Hineingehen sagte ich zu meiner Partnerin: „Ich sag dir was Jelena. Noch nie haben wir geholfen, einen Gegner zur Strecke 337

zu bringen, der so gefährlich ist wie La Duchesse.“ „Das wird kein leichter Job, da geb ich dir Recht. Aber wir haben auch den Paten hochgehen lassen. Und Manfred Schicklgruber.“ „Das schon. Aber ich hab kein gutes Gefühl. Ich schätze, wir brauchen die Hilfe der Cousinen.“ „Du meinst Hera und Alejandra.“ Ich nickte stumm. „Würde mich nicht wundern, wenn die beiden Schönheiten bald hier auftauchen.“

Als wir die Lobby des Hotels betraten, sah die Dame an der Rezeption gerade von ihrem Bildschirm auf. Und wer das war, brauche ich ja nicht extra zu erwähnen. Ein breites Grinsen trat in das Gesicht der Dame, als sie uns erkannte. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Euch zwei verschlägt es aber auch überall hin.“, sagte Kattie. „Wir sind dienstlich hier.“ „Mal wieder.“ „Wieso mal wieder?“ „Habt Ihr in Südafrika nicht schon genug Action für dieses Jahr gehabt?“ „Man muss halt mal was tun, für sein täglich Brot.“, sagte Jelena. „Seid Ihr auf La Duchesse angesetzt?“ „Dito, Kattie.“ „Dann haltet eure Argusaugen offen. Diese Frau ist sehr gefährlich. Und vor allem ist sie verdammt gerissen.“ „Das hat man über den Paten auch gesagt und was ist am Ende passiert? Er hat sich am Ende selbst das Hirn durch die Schädeldecke geblasen.“ „Und Manfred Schicklgruber hat sich auch selbst gerichtet.“

Kattie begleitete uns noch auf unsere Zimmer, die im achten Stock lagen. Ich hatte Zimmer 810, Jelena bewohnte die Nummer 811. Auf Jelenas Zimmer setzten wir uns kurz mit Kattie zusammen. „Ich hoffe du kannst uns einiges an Informationen liefern, die die ganzen Ereignisse der letzten Stunden erklären.“, sagte ich. „Was ist denn passiert?“ „Zwei Frauen haben versucht die Maschine zu entführen, mit der wir heute in Rio gelandet sind.“ „Außerdem haben wir zwei Männer beobachtet, die ihren Auftraggeber über jeden unserer Schritte informiert haben. Die sind uns sogar hierher gefolgt. Der Wagen war ein Bentley Brooklands. Kennzeichen HX.8090.“ „Ich versuche über die KFZ-Stelle den Besitzer des Wagens ausfindig zu machen. Aber das wird einige Zeit dauern.“

Um 19:00 Uhr gingen Jelena und ich ins Restaurant unseres Hotels um unser Abendessen einzunehmen. Ich sah mich nach einem freien Tisch für uns um. Ich entdeckte einen Tisch für vier Personen. Doch zwei der Plätze waren bereits belegt. Und dort saßen Hera Arnakis und ihre Cousine Alejandra Valderrama. Nach einer innigen Begrüßung holten Jelena und ich uns was zu essen und setzten zu den beiden Cousinen. „Wie war die Anreise?“, fragte Alejandra. „Stressig.“ „Was meinst du damit, Paul?“ „Man hat versucht, die Maschine zu entführen, mit wir heute Nachmittag hier in Rio gelandet sind.“ „Außerdem sind uns zwei Typen gefolgt, die am Flughafen bei den Stellplätzen herumgelungert haben. Sie heißen Fernando und Bernardo.“ „Die Portela-Brüder.“ „Ihr kennt die beiden?“ „Nicht persönlich. Aber wir wissen so einiges über diese beiden Rotzlutscher.“ „Dann lasst uns an eurem Wissen teilhaben.“, sagte Jelena.

„Fernando und Bernardo Portela. Geboren am 12.08.1974 in Brasilia. Die beiden sind gerade einmal 4 Minuten auseinander.“ „Ist das alles?“ „Nein. Die beiden sind in ärmsten Verhältnissen aufgewachsen. Der Vater war Straßenkehrer und die Mutter war Buchbinderin.“ „Und wie hat sich die Familie über Wasser halten können?“, 338

fragte Jelena. „Die Mutter ging noch nebenbei anschaffen.“ „Weiß eine von euch beiden Grazien den Namen?“ „Delia Velasquez.“, sagte Hera. „Und Delia Velasquez ist...“ „Die Schwester von Patricia Velasquez. Und diese ist die Tante der beiden Brüder.“ „Hätte La Duchesse ihre Schwester finanziell nicht unterstützen können?“, fragte ich. „Das Geld wäre durchaus vorhanden gewesen. Aber Patricia hat für ihre Schwester nicht einen müden brasilianischen Real springen lassen.“ „Wisst Ihr vielleicht, warum?“ „Bedauerlicherweise nein.“

„Was mich aber eher interessiert, ist, warum Patricia Velasquez unbedingt unsere Ankunft hier verhindern wollte.“, sagte Jelena. „Die Frage können wir euch beantworten.“ „Dann bitte.“ „Dora Correia da Silva, eure Klientin, musste mal für La Duchesse anschaffen. Sie war ihr bestes Pferd im Stall, wie man so schön sagt. 2016 ist sie dann allerdings ausgestiegen. Und das hat ihr Patricia Velasquez nie verziehen.“ „Wie meinst du das, Alejandra?“ „Ganz einfach. Wer für La Duchesse auf den Strich geht, kommt erst von ihr los, wenn sie keine Verwendung mehr für sie hat.“ „Und deswegen versucht diese Frau alles, um unserer Klientin eine Niederlage beizubringen.“ „Genau. Sie hat Dora Correia da Silva ewige Rache geschworen.“ „Die Frau ist ja nachtragender als eine Elefantenkuh.“, sagte ich. „Für sie ist es ein schwarzer Fleck auf ihrer blütenweißen Weste. Sie fühlt sich gedemütigt.“

Am nächsten Tag trafen wir uns nach dem Frühstück mit unserer Klientin. „Ich habe gehört, was passiert ist. Gut, dass Sie beide, die beiden Entführerinnen unschädlich machen konnten.“, sagte Dora nach einer netten Begrüßung. „War eine Kleinigkeit. Es braucht schon mehr, als nur ein Buschmesser um es mit einem ehemaligen SAS-Kommandeur und einer ehemaligen Speznas-Agentin aufzunehmen.“ „Und wir haben auch schon herausgefunden, wer Ihnen versucht einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.“ „Wer ist es?“ „Sie kennen die Dame. Es ist Patricia Velasquez. Man nennt Sie auch „La Duchesse“. Und sie war auch mal Ihre Zuhälterin.“, sagte Jelena. „Sie wissen davon?“ „Kennen Sie Alejandra Valderrama und Hera Arnakis?“, fragte ich. „Zumindest Alejandra. Sie war auch diejenige, die mir geholfen hat, dem Straßenstrich den Rücken zu kehren.“ „Sie und ihre Cousine, haben uns die entsprechenden Informationen beschafft. Den Namen Ihrer Gegnerin haben wir von meiner Schwester erfahren.“

Später waren wir mit unserer Klientin in einer der Favelas unterwegs. Ich konnte die aufgeheizte Atmosphäre geradezu spüren. Auch die skeptischen und ablehnenden Blicke konnte ich spüren. Man wollte Jelena und mich hier nicht. Und es gab nur eine Person, die ein berechtigtes Interesse daran hatte, dass wir versagten. Und dies war niemand anderes als Patricia Velasquez.

An der Ecke Rua Camino/Avenue Marechal Floriano rannte eine junge Frau beinahe in uns hinein. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt nicht den Nerv mir die Kleine anzusehen, denn es galt, uns deren Verfolger vom Hals zu schaffen. Als einer der Kerle um die Ecke kam, verpasste ich ihm einen Schlag vor die Stirn und schlug ihm noch einmal ins Gesicht. Doch leider verfolgten uns diese Bastarde nun durch ganz Rio. Ständig mussten wir irgendwo ein Versteck suchen. Um 22:00 Uhr schlüpften wir 339

durch den Hintereingang des Nachtclubs Carioca da Gema. Dummerweise erwischte uns der Türsteher. „Boa Tarde Senhores. Haben Sie eine Einladung?“, fragte er. „Bitte entschuldigen Sie, dass wir einfach so rein platzen. Aber wir werden schon den ganzen Tag von drei Männern verfolgt. Ja, ich weiß, Sie glauben uns nicht. Aber es ist die Wahrheit.“ „Ich habe nicht gesagt, dass ich Ihnen nicht glaube. Aber aus diesem Club kommt nur raus, wer vorher ein Liedchen zum Besten gibt.“ „Und was wird gewünscht?“ „Das bleibt Ihnen überlassen.“

„Könnt Ihr singen, Ladies?“ „Das brauchst du mich nicht zu fragen, Towarischtsch.“, sagte Jelena. „Ich weiß. Ich hab dich ja oft genug unter der Dusche singen hören, als wir noch zusammen gewohnt haben.“ Dann ging es ab auf die Bühne. Der Clubbesitzer sah uns an. „Haben Sie sich ein Lied ausgesucht?“, fragte er. „The Thrill is gone, von B.B. King.“ „Und Sie sind...“ „Mein Name ist MacLain. Paul MacLain. Und die Dame ist meine Juniorpartnerin Jelena Romanova.“ „Ladies and Gentlemen. Gerade eben hat uns die bezaubernde Luna mit ihrer Gesangseinlage verzaubert. Nun hören wir ein berühmtes Ermittlerduo. Paul MacLain und Jelena Romanova singen für uns „The Thrill is gone“ von B.B. King.“

Die Band war schon bereit, als ich den Einsatz gab. „One. One, two, three, four.“, sagte ich. Der Drummer begann und der Leadgitarrist setzte ein. Dann begann ich zu singen. „Thrill is gone. The thrill is gone away. Thrill is gone, baby. The thrill is gone away. You done me wrong baby. And you're gonna be sorry someday.“ Die zweite Strophe sang Jelena. „Thrill is gone. The thrill is gone away from me. Thrill is gone, baby. The thrill is gone away from me. Although I'll still live on. But so lonely I'll be.“ Ein stürmischer Applaus wurde uns zuteil, als wir dann im Quartett mit unserer Klientin und der unbekannten jungen Blondine die restliche Strophe zum besten gegeben hatten.

Wir wollten gerade den Club verlassen, als aus dem Publikum die obligatorischen Rufe nach Zugabe ertönten. Zum Glück hatte ich noch ein Lied von Chris Rea auf Lager. „Heißt hier jemand mit Vornamen Josephine?“, fragte ich ins Publikum. Keine der anwesenden Damen stand auf. „Oder Julia?“ Ein etwas älterer Mann stand auf. „Meine Tochter heißt Julia.“ „Und wie alt ist sie?“ „12 Senhor. Sie hat heute Geburtstag.“ „Dann alles gute. Ist ihre Tochter denn auch anwesend?“ Der Mann hob ein Mädchen mit einem brünetten Wuschelkopf auf einen Barhocker. „Dann bekommst du noch dieses Lied von mir als Geburtstagsständchen, kleine Julia.“

Also gab ich wieder den Einsatz. „One. One, two, three, four.“ Der Drummer fing genauso an, wie in dem Lied von Chris Rea. Der Leadgitarrist stimmte mit ein. „Eyes so bright, so big and wide. Make you feel so strange. Somewhere deep inside, It's the face of an angel, Soul of the devil may care. How I'd love to know, what goes on in there. She needs your love, She needs it every day. But speak of love, See her laugh and run away. Julia, which way will you go? Julia, I want to know. Julia, only the moon and stars. Julia, know just where you are. Julia“

Um 23:30 Uhr waren wir wieder im Hotel. Auf Jelenas Zimmer hatte ich endlich 340

Zeit, die junge Frau genauer in Augenschein zu nehmen. Sie war 1,73 m groß und hatte einen sexy Körper, der aber kein Gramm Fett zu viel aufwies. Das ovale Gesicht mit den rehbraunen Augen offenbarte eine breite Nase, die sich aber dennoch harmonisch ins Gesicht einfügte und kurze, rot geschminkte, sinnliche Lippen. Die blonden Haare trug die junge Dame offen, sodass sie über ihre Schulter bis zu ihrer Taille reichten. Außerdem verfügte sie über eine üppige Oberweite. Auffällig war auch das Muttermal unterhalb des rechten Nasenflügels. Bekleidet war die unbekannte Schönheit mit einem schwarzen Minikleid mit breiten Trägern und schwarzen High Heels. Um den Hals trug sie noch eine Halskette mit einer Perle in Tränenform und am rechten Handgelenk noch ein Armband aus Perlen. Das Alter schätzte ich auf 24 Jahre.

„Ich sollte wohl erst mal Obrigada sagen, Senhor. Ihnen und ihrer Partnerin verdanke ich, dass mich diese schmierigen Typen nicht eingesackt haben.“ „Was waren das eigentlich für Käsemilben?“, fragte ich. „Das waren Häscher. Salteadores. Sie haben die Aufgabe ein Mädchen, das gut aussieht zu fangen und zu ihrem Auftraggeber zu bringen.“ „Denen haben wir die Suppe heute aber gründlich versalzen.“ „Wir haben es geschafft eine junge Dame dem Zugriff von La Duchesse zu entziehen. Aber Miss Velasquez hat doch sicher mehrere solcher Kommandos.“ „Bedauerlicherweise ja.“ „Wie heißt du eigentlich?“, fragte ich. „Thais. Der Name stammt aus dem ägyptischen und bedeutet „Die zur Göttin Isis gehörende“. „Und wie alt bist du, Thais?“ „18, Senhor MacLain.“ „Ich kenne Thais Familie. Die Leute können einem Leid tun. Der Vater ist arbeitslos und die Mutter muss noch drei weitere Kinder durchfüttern und kann nicht arbeiten gehen.“ „Das heißt, Thais muss für ihre Familie sorgen.“ „So gesehen, ja. Ich habe gerade die Schule abgeschlossen und will bald mit dem Studieren anfangen. Aber hier in Brasilien sind die Möglichkeiten nicht so breit gesät.“, sagte Thais. „Darf ich fragen, was du studieren willst?“, fragte ich. „Ich will Medizin studieren und später als Frauenärztin arbeiten.“ „Eine Frau mit Ambitionen.“

Während des Gesprächs hatte sich Jelena über ihren Laptop mit dem Internetzugang des Hotels verbunden und suchte nun in Frankfurt am Main, nach Studiengängen im medizinischen Bereich. „Ich glaube, ich hab was.“, sagte sie. „Was hast du?“ „Einen Studienlehrgang im Fachbereich Frauenmedizin, an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität. Es beginnt am 12.10.2020. Die Bewerbungsfrist hat schon begonnen und endet am 15.07.2020. Hast du Abitur, Thais?“ „Si, Senhora Romanova.“ „Gut. Denn die Studiengänge sind durch den Numerus Clausus zulassungsbeschränkt.“

Mit Jelenas Hilfe erstellten wir eine Onlinebewerbung und reichten alle Zeugnisse als Anlage mit ein. Nun lag es an der Leitung von Frankfurts renommierter Universität, Thais Bewerbung zu akzeptieren, oder sie abzuschmettern. Danach war erst mal Schlafenszeit. Jelena hatte Thais bei sich im Zimmer einquartiert.

In der Villa im Stadtteil Copa Cabana war Patricia Velasquez außer sich vor Wut. „IHR SEID STÜMPER! LASST DAS MÄDCHEN ENTWISCHEN! WAS HABT IHR ZU EURER VERTEIDIGUNG ZU SAGEN?“ „Wir hätten die Kleine ja her gebracht, 341

aber Paul MacLain hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er hat Amando erst einen Schlag an die Stirn verpasst und ihn dann mit einem Schlag ins Gesicht zu Boden gestreckt.“ „War er allein?“ „Nein. Jelena Romanova und ihre ehemalige Mitarbeiterin Dora Correia da Silva waren noch bei ihm.“ „Auch das noch. Na schön. Dann müssen wir uns eben nach Ersatz für Thais umsehen. Ihr kriegt noch diese eine Chance. Wenn Ihr die auch noch verbaselt, seid Ihr tote Männer. Habe ich mich klar ausgedrückt?“ „Noch klarer geht’s ja wohl nicht, Boss.“

Später am Tag trafen wir Thais Vater Osvaldo. Wir waren gerade auf der Dachterrasse unseres Hotels, als Kattie zu uns kam, Thais Vater im Schlepptau. „Entschuldigen Sie bitte die Störung, Senhor MacLain. Man hat mir berichtet, dass Sie und ihre Partnerin meine Tochter Thais vor dem Zugriff durch die Salteadores von Senhora Velasquez bewahrt haben. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen.“, sagte Thais Vater. „Das war nicht der Rede wert, Mister...“ „Oh, ich muss mich wieder entschuldigen. Mein Name ist Osvaldo Amerigo La Riguna.“ „Freut mich, Sie kennenzulernen, Sir.“ Jelena meldete sich zu Wort. „Sorry Leute. Aber wie geht es denn jetzt weiter?“ „Erst mal müssen wir zusehen, dass Thais Brasilien verlässt. Wenn sie hier bleibt, dann besteht die Gefahr, dass La Duchesse noch einmal versucht, sie in die Finger zu kriegen.“ „Können Sie denn so kurzfristig einen Flug buchen?“ „Wir werden es zumindest versuchen. Packen Sie bitte inzwischen Thais Sachen zusammen und seien Sie in spätestens einer Stunde wieder hier im Hotel.“ „Si, Senhor.“

Jelena schaffte es tatsächlich, einen Flug von Rio de Janeiro nach Frankfurt am Main zu buchen. Flug LH 777 sollte Thais in die Mainmetropole bringen. Der Start sollte um 21:30 Uhr erfolgen. Um 15:00 Uhr kam Thais Vater wieder ins Hotel und übergab seiner Tochter einen bordeauxroten Trolley. Jelena lud den Koffer in unseren Mietwagen. Ich gab Thais noch unsere Visitenkarten mit. „Schick einem von uns eine SMS, wenn du in Frankfurt gelandet bist.“, sagte ich. „Mach ich, Paul. Und noch mal, vielen Dank für alles.“ „Kein Ding. Und jetzt ab mit dir.“

Um 17:00 Uhr kam Jelena zurück. „Alles klar. Thais hat die Sicherheitsschleuse passiert. Noch viereinhalb Stunden und unser Protegé ist in Sicherheit.“ „Das sind mal gute Nachrichten. Ich hab Kelly benachrichtigt und sie gebeten Thais abzuholen. Sie soll mich per SMS informieren, ob Thais angekommen ist oder nicht.“ „Sehr gut. So haben wir Gewissheit, dass Thais es geschafft hat. Jede Wette, diese Herzogin ist eine Frau, die nicht so leicht aufgibt.“ „Eure Vermutung ist durchaus zutreffend, Jelena. Aber wir können euch beruhigen. Patricia Velasquez hat Thais abgeschrieben.“ Unbemerkt waren die beiden Cousinen dazu gekommen. „Na immerhin.“ „Freu dich nicht zu früh, Paul. La Duchesse ist wie eine Krake, die mit ihren Tentakeln nach Beute greift. Ihr habt mit der Rettung von Thais einen kleinen Achtungserfolg erzielt. Für die Velasquez ist das wie ein Nadelstich. Ihr müsst noch ein paar Nadelstiche mehr setzen.“, sagte Hera. „Außerdem hat Kattie herausgefunden, wem der Bentley gehört, der euch vom Flughafen hierher gefolgt ist.“ „Sag nichts, Alejandra. Die englische Nobelkarosse gehört Patricia Velasquez.“ „Nein. Die gehört ihrem Ehemann. Einem Don Bastiano Juao Coimbra de la 342

Coronilla y Azevedo.“ „Gesundheit.“ „Wir haben noch etwas raus gefunden.“, sagte Alejandra. „Spuck aus.“ „Patricia Velasquez hat die Truppe unter Druck gesetzt, der ihr begegnet seid. Außerdem ist sie keine gebürtige Brasilianerin.“ „Heißt?“ „Die Familie stammt ursprünglich aus Belize. Erst durch ihre Hochzeiten, haben die beiden Schwestern die brasilianische Staatsbürgerschaft bekommen.“ „Interessant.“ „Aber wieso hat Patricia ihre Schwester so eiskalt lächelnd ihrem Schicksal überlassen?“, fragte Jelena. „Sie ist die jüngere der beiden.“

Um 17:30 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg. Dieses Mal begleiteten wir Dora Correia da Silva in einen anderen Stadtteil Rios. Dieses Mal waren wir in Santa Teresa unterwegs. Doch Aufgrund des Vorfalls vom 10.06. waren dieses mal bewaffnete Sicherheitskräfte dabei. An der Ecke Rua Constante Jardim/Rua Felicio Dos Santos rannte wieder eine junge Frau beinahe in uns hinein. Jelena war geistesgegenwärtig und bugsierte das Mädchen in einen Hauseingang. Der erste Verfolger kam um die Ecke. Er trug ein rotes Kopftuch und war athletisch gebaut. Umso überraschter war er, als er sich mir gegenübersah. Doch ehe er sich von dem Schock erholt hatte, hatte ich ihn schon die Hauswand gedrückt. „So Kasperle. Jetzt mal Butter bei die Fische. Ich bin sehr musikalisch nun sing mir mal ein schönes Lied.“ „Von mir erfahren Sie nichts, Senhor.“ Ich verdrehte ihm den Arm auf den Rücken. „Also was ist? Quatschst du nun? Kleiner ich verbieg dir die Knochen bis du lachst.“ Ich verdrehte den Arm noch weiter. Doch der Kerl war ein zäher Bursche. „Also, erzählst du mir freiwillig was?“, fragte ich. „Nein.“ „Oh doch, wollen wir wetten?“ „Niemals.“

Nun hatte ich aber endgültig die Schnauze voll. Ich drückte den Typ wieder an die Hauswand. „Nu hör mal, mit deinem roten Putzlappen an der Knolle siehst du zwar aus, wie ne bildschöne Marktfrau. Aber: Ich behandele dich anders! Na was hör ich jetzt? Also fang an zu singen!“ „Na schön, na schön. Sie haben mich überzeugt.“ „Sehr gut. Also raus mit der Sprache. Wer ist dein Auftraggeber?“ „Patricia Velasquez.“ „Und wo befindet Sie sich zurzeit?“ „Sie ist in der Praxis von Professor Andreas von Strelitz.“ „Na schön, dann kommen wir mal zur nächsten Frage. In welchem Verhältnis steht La Duchesse zu Professor von Strelitz?“ „Er ist ihr Vertrauter.“

Weiter kam der Kerl nicht, denn jemand hatte ihm mit einem Blasrohr einen Giftpfeil ins Genick gejagt. „Verschwinden wir lieber.“, sagte Jelena. „Wollte ich auch gerade vorschlagen.“ Und wieder gab es eine Verfolgungsjagd durch ganz Rio. Und einmal mehr gelang es uns, unbemerkt ins Carioca da Gema zu gelangen. Dieses Mal trafen wir den Clubbesitzer persönlich. „Sind Sie wieder auf der Flucht vor den Häschern von La Duchesse?“, fragte er. „Leider.“ „Und ihre Häscher wollten wohl die süße rothaarige bei ihrer Chefin anschleppen.“ „Vermutlich.“ „Wäre ich sonst Hals über Kopf abgehauen?“, ließ sich unsere Begleitung vernehmen. Zum ersten Mal hatte ich Zeit, mir das Mädchen genauer zu betrachten. Die Kleine war 1,65 m groß und hatte einen sexy Körper und sexy Beine. Ihre roten Haare trug sie offen und als Dauerwelle, sodass sie über ihre Schultern fielen und bis zu ihren Brüsten reichten. Das ovale Gesicht mit der schmalen Nase und den sinnlichen Lippen 343

besaß ein Paar grüner Augen, dass jeden Mann sicherlich in seinen Bann zog. Bekleidet war das Mädchen mit einem Kleid im Leopardenlook und schwarzen High Heels.

„Bevor wir wieder eine Gesangseinlage zum Besten geben, hätte ich Sie gerne über Professor Andreas von Strelitz befragt.“, sagte ich. „Ich weiß so gut wie gar nichts über ihn.“ „Und was ist das wenige, was Sie über ihn wissen?“ „Er ist ein Spezialist auf dem Gebiet der Psychoanalyse.“ „Heißt im Klartext?“ „Der Mann ist ein Seelenklempner, Towarischtsch.“, klärte mich Jelena auf. „Ich würde sagen, das klären wir später. Jetzt müssen wir erst mal wieder singen.“ „Also mir macht das nichts aus.“ „Also dann ab auf die Bühne.“ „Nicht so eilig. Sie haben noch Zeit. Aber wenn ich richtig informiert bin, dann bleiben bis zu deren nächsten Auftritt die Instrumente auf der Bühne. Die Jungs haben nichts dagegen, wenn jemand anders mal darauf spielt.“ „Kann jemand von euch Gitarre spielen?“ „Akustische ja, aber keine E.“, sagte Jelena. „Ich kann auch nur akustisch.“ „Macht nichts. Es sind drei Stück.“ „Kennt jemand von euch das Lied „A Horse with no Name?“, fragte ich. „Ich sing das jeden morgen unter der Dusche,Towarischtsch.“ „Können der Bassist und der Drummer vielleicht auf der Bühne bleiben, und uns unterstützen?“ „Das lässt sich einrichten. Aber die Trommeln sind nur Bongotrommeln.“ „Na noch besser.“

Schließlich war die Band fertig. Nur der Bassist und der Drummer waren übrig. „Ladies and Gentlemen. Vor zwei Tagen haben uns Paul MacLain und seine Partnerin Jelena Romanova schon einmal mit einer einem Stück von B.B. King ein musikalisches Schmankerl geboten. Heute zeigen sie uns, dass es auch ohne E-Gitarre und Verstärker geht. Wir hören das Lied „A Horse with no Name. Senhor MacLain, Senhora Romanova, the Stage is yours.“ Wie schon vor zwei Tagen gab ich den Einsatz. „One. One, two, three four.“ Dann fing ich an zu spielen und Jelena und unsere unbekannte rothaarige stimmten mit ein. Mit „On the first part of the journey I was looking at all the life. There were plants and birds and rocks and things

There was sand and hills and rings. The first thing I met was a fly with a buzz.

And the sky with no clouds, The heat was hot and the ground was dry, but the air was full of sound. I've been through the desert on a horse with no name. It felt good to be out of the rain. In the desert you can remember your name. Cause there ain't no one for to give you no pain.“, sang ich die erste Strophe. Ab „ La, la, la, la, la, la

La, la, la, la, la, la.“, setzten Jelena und unser Schützling mit ein.
 

Um 22:30 Uhr waren wir wieder in unserem Hotel. „Was hat Patricia Velasquez eigentlich davon, dass sie junge Frauen eiskalt lächelnd auf den Straßenstrich schickt?“ „Eine gute Frage, Towarischtsch.“ „Diese Frage müsste uns eigentlich Professor von Strelitz beantworten können.“ „Der wird uns nichts verraten. Ärztliche Schweigepflicht.“ „Was wissen wir eigentlich über ihn? Ich meine außer seinem Beruf.“ Es klopfte an der Tür. „Wer ist da?“ „Zimmerservice.“, hörte ich eine Männerstimme. „Ich habe nichts bestellt. Verschwinden Sie!“ gab ich schroff zurück. Ich hörte wie sich Schritte von der Tür meines Zimmers entfernten. „Die Stimme kenne ich.“, sagte Jelena. „Und wer war das?“ „Das war Fernando.“ „Du 344

meinst der Typ vom Flughafen?“ Meine Partnerin nickte. „Die wissen ja, in welchem Hotel wir abgestiegen sind. Also war es nicht schwierig uns aufzustöbern.“ Ich wusste nur zu gut, dass meine Juniorpartnerin recht hatte.

Erneut klopfte es an der Tür meines Zimmers. „Wer ist da?“ „Hera Arnakis.“ Doch ich merkte schnell, dass nicht Hera vor meiner Tür stand. „Sie sind garantiert nicht Hera Arnakis. Verschwinden Sie auf der Stelle, Senhora Velasquez.“ Ein lauter Schrei wurde hörbar. Sowohl Jelena als auch ich wussten, dass Patricia Velasquez vor Wut kochte, weil ich ihr Täuschungsmanöver durchschaut hatte. „SIE WERDEN DEN TAG VERFLUCHEN, AN DEM SIE SICH ENTSCHIEDEN HABEN, FÜR DORA CORREIA DA SILVA DIESE VERRÄTERIN ZU ARBEITEN!“ „Shut up, Bitch!“, sagte ich. Wieder stieß La Duchesse eine wütenden Schrei aus, stapfte mit dem Fuß auf und verschwand. „Na wenn das keine Strafanzeige wegen Ruhestörung gibt.“, sagte ich.

Wieder klopfte es an meiner Zimmertür. „Wer ist da?“ „Hera Arnakis.“ „Wie heißt Ihre Cousine?“ „Alejandra Valderrama. Können wir rein kommen?“ Ich sah Jelena an. Sie nickte. Also öffnete ich die Tür und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als tatsächlich die beiden Cousinen vor meiner Zimmertür standen. Kaum war die Tür wieder zu, musste ich mir erst mal einen Rüffel von Hera gefallen lassen. „Sag mal Paul, was sollte das denn? Wieso hast du mich gesiezt und gefragt wie meine Cousine heißt?“, fragte sie streng. „Weil ich sicher gehen wollte, dass nicht schon wieder jemand an der Tür steht, und sich für dich ausgibt.“ Hera sah mich fragend an. „La Duchesse war gerade hier und hat behauptet, sie wäre du. Und nur du weißt, den Namen deiner Cousine.“ „Dir sei noch mal verziehen. Und was diese dumme Pute angeht, so werde ich mit ihr abrechnen.“, sagte Hera. „Das überlässt du mir, Cousine.“

„Okay, Ladies. Back to Business. Weiß eine von euch beiden etwas über einen Psychologen namens Andreas von Strelitz?“ „Andreas von Strelitz geboren am 15.05.1970 in Breslau. Hat an der dortigen Universität Psychologie studiert. Ist 2000 mit seiner Frau Ludmilla und Tochter Michelle hierher nach Rio ausgewandert.“ „Dann muss er aber über entsprechende Geldmittel verfügt haben, wenn er sich nach seiner Ankunft hier gleich selbstständig gemacht hat.“, sagte Jelena. „Er hat seine Praxis von einem älteren Kollegen übernommen, als sich dieser in Ruhestand verabschiedet hat.“ „Uns wurde gesagt, dass Professor von Strelitz der engste Vertraute von Patricia Velasquez ist.“ „Aber der Typ, der uns diese Information gegeben hat, wurde direkt vor unseren Augen ermordet. Jemand hat ihm mit einem Blasrohr einen Giftpfeil verpasst.“, sagte Jelena. „La Duchesse weiß jetzt, dass es für sie und für Professor von Strelitz gefährlich wird. Kann also sein, dass die beiden versuchen werden zu türmen.“

„Wie werden die Mädchen, die für Senhora Velasquez anschaffen gehen sollen, eigentlich ausgesucht?“, warf ich eine nicht unerhebliche Frage in die Runde. „Das macht Professor von Strelitz.“ „Und wie geht er dabei vor?“ „Er hat mich einfach angesprochen. Hat mich gefragt, wie ich mich fühle.“, sagte die rothaarige. 345

„Und wie hast du dich gefühlt?“ „Ich bin traurig. Mein jüngerer Bruder Alberto ist gestern Nacht gestorben. Er war gerade erst 15 Jahre alt geworden.“ „Mein Beileid.“ „Was hast du Professor von Strelitz geantwortet?“ „Dass er mich in Ruhe lassen soll. Aber er hat nicht locker gelassen. Er hat solange auf mich eingeredet, bis ich mit ihm in seine Praxis gegangen bin.“ „Und was geschah dort?“, fragte Dora. „Ich musste mich auf eine Couch legen. Dann hat mich Professor von Strelitz hypnotisiert.“ „Unter dem Einfluss seiner Hypnose hast du ihm alles erzählt, was er wissen wollte.“ „Si, Senhor.“ „Wie heißt du eigentlich?“ „Maricarmen.“

„Ich nehme mal an, dass du auch Pläne für die Zukunft hast, mit denen du deine Familie unterstützen willst.“, sagte Jelena. Maricarmen nickte. „Und was willst du machen?“ „Ich will IT studieren und später als IT-Beauftragte in einem großen Unternehmen arbeiten.“ „Und das hast du auch Professor von Strelitz unter Hypnose erzählt.“, folgerte ich. „Ja. Später sagte er mir, dass er jemanden kennt, der über die finanziellen Mittel verfügt um mir helfen zu können. Er bat mich kurz zu warten und hat das Zimmer verlassen. Nach 5 Minuten kam er in Begleitung einer Frau zurück.“ „Kannst du sie uns beschreiben?“

Maricarmen ließ sich einen Stift und ein Blatt Papier geben und fing an zu zeichnen. Ihr Bild zeigte eine 1,63 m große Frau mit sexy Beinen und einem recht ansehnlichen Körper. Die Oberweite fiel zwar nicht sehr üppig aus, ließ den Körper aber auch nicht überladen wirken. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen und der breiten Nase wirkte auf den ersten Blick vertrauenerweckend. Die sinnlichen Lippen rundeten den ersten Eindruck ab. Ihre braunen Haare trug Patricia Velasquez offen, sodass sie bis zur Oberkante ihre Brüste reichten. Auf dem Kopf trug sie einen breitkrempigen Sommerhut für Frauen. Dazu trug La Duchesse ein cremefarbenes Sommerkleid und eine Perlenkette. Ihre Schuhe waren cremefarbene High Heels.

„Mal eine Frage, Maricarmen.“, sagte Hera. „Bitte.“ „Hat Patricia Velasquez irgendetwas zu dir gesagt, als sie das Zimmer betreten hat?“ „Hat sie.“ „Kannst du dich noch an den ungefähren Wortlaut erinnern?“ „Sie hat gesagt: „Deine Zukunftspläne interessieren mich einen Dreck. Du bist ab sofort eine meiner Nutten. Und das bleibst du solange, wie es mir passt.“ Da bin ich dann abgehauen.“ „Eine kluge Entscheidung. Und ein verdammtes Glück, dass du uns in die Arme gelaufen bist.“ „Was meinst du, Jelena?“ „Wir haben Thais nach Deutschland geschickt. Apropos. Hat sie sich eigentlich gemeldet?“ „Ja hat sie. Kelly hat ihre Ankunft bestätigt.“ „Gut. Aber es würde auffallen, wenn wir auch Maricarmen nach Deutschland schicken würden.“ „Warum schicken wir sie nicht nach Kreta? Ramon ist alleine und würde sich über Gesellschaft freuen.“ „Würdest du das veranlassen?“ „Ist schon so gut wie erledigt.“

Am nächsten Morgen brachten wir Maricarmen zum Flughafen. Ein weißer Lincoln Towncar wartete vor dem Hotel. El Doberman und Maricarmen stiegen in den Fond der Limousine, die Leibwächter setzten sich gegenüber. „Wir sehen dich später, Alejandra.“ „Sicher. Hasta Luego, Paul.“ Der Lincoln fuhr los. Kaum war die Stretchlimousine außer Sichtweite, da fuhr ein weißer Rolls Royce Silver Spur 346

vor dem Hotel vor. Der Chauffeur stieg aus und öffnete die Tür. Aus dem Fonds stieg La Duchesse. Und der Ausdruck in ihrem Gesicht sprach Bände.

„Ich könnte Ihnen den Hals umdrehen, Senhor MacLain. Sie und ihre Partnerin haben mir schon zwei Mal dazwischen gefunkt. Erst bei Thais. Jetzt bei Maricarmen. Aber ich sage Ihnen, ein drittes Mal stören Sie beide meine Pläne nicht.“, sagte Patricia Velasquez. „Wenn Sie glauben, dass Sie mich mit dem Imponiergehabe beeindrucken können, dann sind Sie bei mir und meiner Partnerin schief gewickelt. Wir sind in unserem Gewerbe die besten. Und wir sorgen dafür, dass Leute wie Sie aussterben.“ „Ich mach sie beide fertig. Darauf können Gift nehmen.“ „Danke, ich verzichte.“

Patricia Velasquez ging zum Wagen zurück. Doch bevor sie einstieg sagte sie noch: „Ach ja und noch etwas, Senhor MacLain. Niemand nennt mich eine Schlampe. Das bedeutet „Bitch“ ja bei euch Engländern.“ „Ich bin kein Engländer. Ich bin Schotte.“ Die Frau stieg in den Rolls und der Chauffeur schloss die Tür. Dann setzte er sich wieder hinter das Steuer, und der Wagen fuhr davon.

Um 12:45 Uhr kam Alejandra wieder vom Flughafen zurück. Auf der Dachterrasse trafen wir uns mit unserer Klientin zu einer kurzen Besprechung. „Also Maricarmen ist auf dem Weg nach Kreta. Mein Langstreckenjet war am Flughafen.“, sagte Alejandra. „Ich wusste gar nicht, dass du auch einen Jet für Langstrecken hast.“ „Ich habe mir vor kurzem eine Boeing 747-8 gegönnt.“ „Und das obwohl der Hersteller-wegen des Startverbots für die 737 Max kaum Platz hat, um deinen Vogel unterzubringen?“ „Wieso? Die 747-8 ist vom Startverbot ja nicht betroffen. Also konnte die Maschine auch ausgeliefert werden.“ „Es gibt etwas, dass Ihr wissen solltet, Ladies. Patricia Velasquez ist gerade zu dem Zeitpunkt hier am Hotel aufgekreuzt, als Alejandra mit Maricarmen auf dem Weg zum Flughafen war.“ „Und?“ „Sie hat Gift und Galle gespuckt. Stellt euch vor, La Duchesse will mich und Jelena fertig machen.“ „Die Frau meint es Ernst, Paul.“ „Ich weiß. Aber trotzdem habe ich keine Angst vor dieser Furie.“, sagte ich.

„Was machen wir jetzt?“ „Zuerst sollten wir uns um diesen Psychoheini kümmern und den ausquetschen.“ „Keine schlechte Idee. Aber wer soll ihn sich vorknöpfen?“ „Es sollte jemand sein, der tough ist und sich gut verstellen kann. Aber es sollte keiner von uns sein.“ „Warum keiner von uns?“ „Wenn einer von uns Professor von Strelitz in die Zange nimmt, dann bekommt La Duchesse kalte Füße.“, sagte ich. „Das leuchtet ein.“ „Ich wüsste jemanden, der infrage käme.“ Wir blickten El Doberman an. „Kann einer von euch etwas mit dem Begriff Capoeira anfangen?“ „Das ist doch die brasilianische Kampfkunst.“ „Ganz recht, Paul.“ „Bei uns in Niederrad gibt es eine Gruppe, die sich regelmäßig trifft. Der Leiter heißt Anderson Varejao und stammt aus Sao Paulo.“ „Ich habe während meiner Zeit in Hernando Guzmans Laboren eine Frau kennengelernt, die hier aus Rio stammt. Sie heißt Eliane Azevedo da Silva. Ein Jahr nachdem mir die Flucht gelungen ist, ist sie dann abgehauen.“ „Weißt du, wo wir sie finden?“ „Sicher. Aber lasst mich zuerst mit ihr reden. Mir vertraut Eliane. Wir müssen vorsichtig vorgehen.“ „In Ordnung. Aber jetzt sollten wir wieder auf 347

Patrouille gehen. Wollen doch mal sehen, ob wir dieser arroganten Giftnatter nicht noch einen Nadelstich versetzen können.“

Um 13:20 Uhr begannen Jelena und ich unsere tägliche Runde durch eins von Rios Vierteln. Dieses Mal waren wir im Stadtteil Cidade de Deus unterwegs. Wie immer wurden wir mit Wut, Ablehnung und Hass bedacht. Es war ganz offensichtlich, dass Patricia Velasquez die Einwohner der Armenviertel bezahlte, damit sie uns bei jeder sich bietenden Gelegenheit dazwischen grätschten. Und das zeigte mir, wie nervös La Duchesse nach unseren beiden erfolgreich durchgeführten Aktionen war. An einer belebten Straße prallten wir mit einem älteren Mann zusammen. Vom Aussehen hätte er durchaus als Zwillingsbruder des Paten durchgehen können, den wir bei unserem Fall in Schweden hatten hochgehen lassen.

„Kann ich Sie beide einen Augenblick sprechen?“, fragte er ohne Umschweife. „Kommt drauf an, was Sie wollen, Mister...“ „Mein Name ist Alfonso da Silva y Morales. Ich bin der Vater von Maricarmen. Ich danke Ihnen beiden für Ihre Hilfe.“ „Haben wir gerne gemacht.“ „Ich bin bereit, Ihnen als Geste meines Dankes einige Informationen zukommen zu lassen, die Ihnen bei der Lösung Ihres Falles weiterhelfen könnten.“

In einem der vielen Cafes, auch Cafezinho genannt, setzten wir uns mit Maricarmens Vater zusammen. „Sie sagten vorhin, dass Sie mit einigen Informationen aufwarten können, die für uns hilfreich sein könnten, Senhor Morales. Dann schießen Sie mal los.“, sagte ich. „Senhora Velasquez ist ziemlich nervös. Sehen Sie, bis vor drei Monaten war sie die unangefochtene Herrscherin des Straßenstriches. Im März ist eine andere Frau auf der Bildfläche erschienen und hat angefangen, La Duchesse Teile ihres Reviers streitig zu machen. Das Viertel, in dem wir uns gerade aufhalten, gehört noch zum Einflussbereich von Patricia Velasquez. Santa Teresa, wo Sie gestern waren, wird von Renita Benitez kontrolliert.“ „Die Frau ist aber keine Brasilianerin?“ „Nein, Senhora Romanova. Renita Benitez ist Chilenin.“ „Denkst du, was ich denke, Towarischtsch?“ „Die Parallele zu unserem Fall auf Zypern ist geradezu verblüffend.“ Maricarmens Vater sah uns fragend an. „Im November vergangenen Jahres hatten wir auf Zypern einen Fall von Drogenhandel aufzuklären. Wie sich herausgestellt hat, war unsere Zielperson unschuldig. Ihr ehemaliger Peiniger hat ihren Sohn als Faustpfand benutzt und sich Alejandra Valderrama so gefügig gemacht.“ „Sie kennen El Doberman?“ „Und auch ihre Cousine. Hera Arnakis war damals unsere Klientin.“

„Was wissen Sie sonst noch?“ „Durch die Konkurrenz von Renita Benitez ist Patricia Velasquez ziemlich unter Druck geraten. Weswegen Sie mit Professor von Strelitz zusammenarbeitet.“ „Gibt es sonst noch etwas, dass wir wissen müssten?“, fragte Jelena. „Senhora Benitez weiß noch nicht, dass Dora Correia da Silva Sie beide angeheuert hat, um La Duchesse aus dem Verkehr zu ziehen. Aber Sie und ihre Partnerin sind nicht nur für Senhora Velasquez eine Gefahr, sondern auch für Senhora Benitez.“ „Und Sie sind auch nicht besser dran. Wenn eine der beiden 348 Damen spitz kriegt, dass Sie geplaudert haben, dann sind Sie ein toter Mann, Senhor Morales.“ „Ich weiß. Aber das Risiko gehe ich gerne ein.“

Nachdem Gespräch mit Maricarmens Vater setzten wir unsere Runde fort. An einer der vielen Straßenecken kam es erneut zu einem Zwischenfall. Dieses Mal rannten nicht eine, sondern gleich drei junge Frauen in uns hinein. Bei den Mädels handelte es sich um eine Blondine und zwei brünette. Da es wieder schnell gehen musste, hatte ich keine Zeit, mir die drei Mädels genauer anzusehen. Wir waren gerade um die nächste Straßenecke gerannt, als ein weißer Mercedes 560 SEC anhielt. Direkt dahinter ein dunkelblauer Opel Astra. Aus dem Benz stieg eine Frau. Sie war 1,65 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper mit sexy Beinen. Die braunen Haare trug die Unbekannte offen, sodass sie bis zur Oberkante ihrer üppigen Brüste reichten.

Auf einer Seite hatte die Dame eine Haarspange in Form einer roten Rose in ihr Haar geklemmt. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen hatte etwas anziehendes. Auch die etwas breitere Nase und die kurzen Lippen waren durchaus hübsch anzusehen. Bekleidet war diese chilenische Schönheit mit einem roten Wickelkleid, das zwischen der Unterkante der Brüste und der Taille zusammengeknotet war, und schwarzen High Heels. Aus dem Opel stiegen zwei grobschlächtige Kerle. „Pedro, Franco! Schnappt euch die drei Grazien, und dann nichts wie weg.“, sagte die Frau.

Die beiden Männer rannten los. Umso überraschter waren die beiden, als Jelena und ich mit gezückten Waffen ums Eck kamen. „Ihr lass die drei Mädels in Ruhe. Hab ich mich klar genug ausgedrückt, Ihr klingonischen Vollpfosten?“, fragte ich. Die beiden Kerle zeigten keinerlei Furcht. Stattdessen zogen sie zwei Butterfly-Messer. Offenbar wollten die beiden Typen damit Eindruck schinden. Doch der Schuss ging nach hinten los. Jelena feuerte einmal und schoss dem einen seinen Zahnstocher aus der Hand. „Was ist denn noch? Beeilt euch mal ein bisschen! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“ „Es gibt ein Problem, Chef.“, sagte einer der beiden an die Dame gewandt. „Was denn?“ „Der Mann und die Frau. Die beiden sind bewaffnet. Die Frau hat Franco gerade sein Butterfly aus der Hand geschossen.“ „Na sowas aber auch.“

Die Frau kam näher. „Macht mal Platz.“ Die beiden Gorillas gingen zur Seite. „So, so. Sie sind also so dreist und vermasseln mir die Tour. Wer sind Sie beide eigentlich, dass Sie sich solche Unverfrorenheiten heraus nehmen?“, fragte die Lady. „Mein Name ist MacLain. Paul MacLain.“ „Und Sie Señora?” „Romanova. Jelena Romanova.“ „Äh... Chef?“ „Was ist, Franco?“ „Wir sollten die Mädels in Ruhe lassen. Das sind nämlich die beiden Privatschnüffler aus Frankfurt am Main. Und mit denen ist nicht gut Kirschen essen.“ „Und wie kommst du darauf, Franco?“ „Paul MacLain. Ehemaliger SAS-Kommandeur. Jelena Romanova , ehemalige Speznas-Agentin. Reicht das als Erklärung, Chef? Das sind zwei ganz harte Brocken. Die beiden gelten als der Schrecken der Unterwelt. Sogar der „Pate“ war ihnen nicht gewachsen.“ „Und Kan Mah Jongg auch nicht.“ „Ihr zwei Dumpfbacken habt Manfred Schicklgruber vergessen.“, sagte Jelena. „Ich mach Sie beide fertig. Und zwar dermaßen, dass Sie noch vor Angst zittern werden, wenn Sie auch nur den 349

Renita Benitez hören.“

„Ich mach mir vor Angst gleich in die Hose, du mieses, kleines Dreckstück. Verpiss dich, oder ich verpass dir ein drittes Nasenloch.“, sagte Jelena und richtete ihre Makarow auf Renita Benitez. „Na schön. Dieses Mal haben Sie gewonnen. Aber Sie werden mich nicht daran hindern, den Straßenstrich in Rio unter meine Kontrolle zu bringen.“ „Wenn du dich da mal nur nicht täuschst. Wir werden dich und La Duchesse fertig machen. Fang schon mal an zu beten.“

Ein paar Straßenzüge weiter liefen wir dann den Häschern von La Duchesse in die Arme. Doch dieses Mal war ich nicht gewillt wegzulaufen. „Wartet mal kurz Ladies.“, sagte ich und ging auf die Typen zu. „Sie haben ganz schön Cojones, dass Sie sich allein mit uns anlegen, Senhor MacLain.“ „Haut Ihr zwei Saupreißen mal nicht so auf den Putz.“ „Na, na, na. Sie riskieren eine ziemlich dicke Lippe, Senhor.“ Ich trat zwischen die beiden Häscher und legte meine Hände um ihren Hals. Mit einem „Jungs! Kommt mal her“ schlug ich ihre Köpfe zusammen. „Alles klar! Jetzt aber nichts wie weg. Und dieses mal sollten wir das Carioca umgehen. Ich hab nämlich keine Lust, noch einmal eine Gesangseinlage zum Besten zu geben.“, sagte ich. „Wollte ich auch gerade vorschlagen, Towarischtsch.“

Um 20:00 Uhr waren wir wieder im Hotel. Kattie hatte wieder Dienst. „Also wart ihr ein drittes Mal erfolgreich.“, sagte sie. „Allerdings.“ „Ich schätze mal, euch beiden hängt euch der Magen bis zu den Kniekehlen.“ „Nicht nur uns. Ich schätze mal, den jungen Damen ebenfalls.“ Die drei nickten stumm. „Soll ich das Abendessen auf die Zimmer liefern lassen? Ist vielleicht sicherer.“ „Wieso? Lauern hier überall irgendwelche Schmierlappen, die für Renita Benitez oder Patricia Velasquez arbeiten?“ „Das nicht.“ „Dann können wir auch im Restaurant essen. Kannst beim Leiter ein gutes Wort für uns einlegen?“ „Wenn du mich schon so lieb darum bittest, Paul.“, sagte Kattie.

Nach dem Abendessen zogen wir uns auf mein Zimmer zurück. Nun hatte ich endlich mal die Gelegenheit, mir die drei jungen Damen genauer anzusehen. Die erste der beiden Brünetten war 1,60 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper und sexy Beine. Ihre Oberweite war nicht gerade üppig ausgefallen, aber dieser Umstand tat der Schönheit dieses Mädchens keinen Abbruch. Ihre braunen Haare trug sie offen, sodass sie bis über ihre Schultern fielen. Auch das ovale Gesicht mit den braunen Augen war ein echter Hingucker. Die schmale Nase hätte kein Bildhauer auf der Welt besser treffen können. Auch die sinnlichen Lippen blieben mir im Gedächtnis haften. Bekleidet war das junge Ding mit einem schwarzen Minikleid und schwarzen High Heels.

Die Blondine war ein ganz anderes Kaliber. Sie war 1,74 m groß und hatte ebenfalls einen schlanken, sexy Körper. Auch sie war nicht gerade mit einer üppigen Oberweite gesegnet worden. Aber es soll ja durchaus Männer geben, denen kleine Brüste nichts ausmachen. Die blonden Haare trug sie ebenfalls offen, sodass sie bis zu ihrer Taille reichten. Das ovale Gesicht mit den blauen Augen war wie von 350

einem Bildhauer gemeißelt. Auch die breite Nase fügte sich harmonisch in das Gesicht ein, ebenso wie die sinnlichen Lippen. Bekleidet war diese junge Dame mit einem roten Minikleid, das ab dem Bauchnabel durchsichtig war und einen großzügigen Blick auf ihre kleinen Brüste gewährte, und roten High Heels.

Die zweite Brünette war 1,67 m groß und hatte einen etwas kräftigeren Körperbau. Auch die Oberweite war etwas üppiger ausgefallen. Ihre dunkelbraunen Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. Zumindest auf der Rückseite. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen war ebenfalls hübsch anzusehen. Die Nase war für meinen Geschmack etwas zu breit, fügte sich aber dennoch harmonisch in dieses hübsche Gesicht ein. Ebenso ihre sinnlichen Lippen. Bekleidet war diese junge Schönheit mit einem schwarzen Minikleid, dessen Träger sich am Hals kreuzten, und schwarzen High Heels.

„Also langsam fängt die Sache an, unheimlich zu werden, Jelena.“, sagte ich. „Kneifen gilt nicht, Towarischtsch. Wir haben den Job angenommen, also werden wir ihn auch zu Ende bringen.“ „Von Senhora Benitez wusste ich selber nichts. Diese Information hat man mir verschwiegen.“, versuchte sich Dora Correia da Silva zu rechtfertigen. „Ich mache dir keinen Vorwurf, Dora. Aber uns rennt die Zeit davon. Zumal wir jetzt an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen müssen.“ „Erst einmal sollten wir mehr über Renita Benitez herausfinden.“ Es klopfte an meiner Tür. Zur Sicherheit hatten wir mit den Cousinen ein Codewort vereinbart, um einen Vorfall wie am Vortag zu vermeiden.

„Wie wird Frankfurt am Main auch genannt?“, stellte ich die Frage. „Bankenstadt.“ Diese Stimme gehörte eindeutig Alejandra Valderrama. „Kommt rein, Ladies.“ Die beiden Cousinen betraten mein Zimmer. Im Schlepptau eine junge Frau im Alter von 22 Jahren. Die Dame war 1,65 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper der einen leichten athletischen Bau aufwies. Auch die Oberweite fiel etwas üppiger aus. Die dunkelbraunen Haare trug sie offen, sodass sie bis zu den Achseln reichten. Das ovale Gesicht mit den haselnussbraunen Augen war ebenfalls hübsch anzusehen. Die Nase war für meinen Geschmack zu breit, fügte sich aber dennoch, ebenso wie die sinnlichen Lippen in das Gesicht der jungen Dame ein. Auffällig war auch die leicht gebräunte Haut. Ein klares Indiz dafür, dass diese sportliche Schönheit sehr oft draußen an der frischen Luft war. Bekleidet war die junge Lady mit einem roten Kleid und rot-weißen Plateau-Schuhen.

„Das ist Eliane.“, stellte uns Alejandra ihre Begleiterin vor. „Nett Sie kennenzulernen.“ „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Senhor MacLain.“, sagte Eliane. Doch der kühle Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Und wie heißt Ihr drei hübschen?“ Die Blondine nannte als erste ihren Namen. „Luciana dos Santos.“, sagte sie. Danach stellte sich die1,60 m große Brünette vor. „Dasianera La Riguna.“ „Janaira Benavides.“ So stellte sich die zweite Brünette vor.

Eigentlich hätte jetzt die obligatorische Frage nach dem Alter der Mädchen und deren Zukunftsplänen gestellt werden sollen, doch ich wollte Eliane erst mal auf 351

den Zahn fühlen. „Hat Alejandra dir gesagt was los ist?“, fragte ich. „Sie sagte lediglich, dass Sie und Senhora Romanova meine Hilfe benötigen. Sie meinte, dass Sie mir alles erklären würden.“ „Sagt dir der Name Andreas von Strelitz etwas?“ „Sicher. Soll ich ihn etwa zum Singen bringen?“ „So in etwa.“ „Was erhoffen Sie sich davon?“, fragte Eliane. „Wir sind auf La Duchesse angesetzt, falls du weißt, was dass bedeutet. Und wir wissen, dass Professor von Strelitz mit ihr unter einer Decke steckt. Wir haben noch nicht genug Informationen, um Patricia Velasquez dingfest zu machen. Wenn eine von uns sich diesen Seelenklempner vorknöpft, kriegt die Velasquez kalte Füße und macht die Biege.“ „Und wie soll ich Professor von Strelitz weichklopfen?“ „Da kannst du dir was einfallen lassen. Du hast freie Hand.“, sagte Jelena. „Obrigada. Also schön. Ich werde den werten Herr mal ordentlich durch den Fleischwolf drehen.“

„Und nun zu euch drei Teenies. Wärt Ihr so freundlich, und sagt uns, wie alt Ihr seid, und was Ihr so an Plänen für die Zukunft geschmiedet habt?“, fragte ich. „Sie wollen es aber auch ganz genau wissen.“ „Ich möchte es einmal so ausdrücken, Dasianera. Meine Partnerin und ich wären in der Lage euch zu unterstützen. Und wir stehen zu unserem Wort. Fragt von mir aus Thais.“ Luciana ging als erste auf unser Hilfsangebot ein. „Ich bin gerade 20 geworden und habe mein Abitur gemacht. Ich möchte ein Studium im Bereich Finanzen absolvieren und später Finanzberaterin werden.“ „Da fällt mir ein: Ein guter Kumpel ist Vorstandsvorsitzender bei Frankfurts bedeutendstem Finanzdienstleister. Vielleicht kannst du im Rahmen deines Studiums dort Praktikum machen und Praxiswissen erwerben.“

„Das würde bedeuten, dass wir Luciana auch nach Frankfurt schicken müssten. Ist das nicht ein bisschen riskant, Towarischtsch?“ „Weder La Duchesse, noch Renita Benitez kennen unsere Pläne. Und solange das so bleibt, hat Luciana nichts zu befürchten.“ „Dein Wort in Allahs Gehörgang, Towarischtsch.“ Dasianera war zwar immer noch nicht ganz von unseren guten Absichten überzeugt, nannte uns aber immerhin ihr Alter. „Ich bin gerade 19 geworden, und habe heute mein Abitur mit Bestnote bestanden.“ „Herzlichen Glückwunsch.“ „Ich will nicht unhöflich sein, Senhor MacLain. Aber nach dem, was heute passiert ist, habe ich das Vertrauen in das Gute im Menschen verloren.“ „Das kann ich dir nicht verdenken. Aber wie bist du an Renita Benitez geraten?“ „Genau wie die anderen. Durch Professor von Strelitz.“ „Also steht er auch bei dieser Schnepfe auf der Gehaltsliste.“ „Sieht fast danach aus, Towarischtsch.“ „Würde mich nicht wundern, wenn er La Duchesse und diese Benitez gegeneinander ausspielen will.“

Janaira hatte bisher geschwiegen, doch nun hatte sie sich dazu durchgerungen, uns zumindest mal ihr Alter zu verraten. Denn auch sie war, wie Dasianera, ziemlich skeptisch. „Ich bin gestern 18 geworden.“ „Glückwunsch nachträglich.“ „Danke, Senhor MacLain.“ „Hört mal zu, Ladies. Ich kann euch nicht verdenken, dass Ihr uns misstraut. Würde mir genauso gehen. Allerdings wären wir dankbar, wenn Ihr drei uns zumindest ein bisschen bei unserer Arbeit unterstützt. Und wie mein Partner es schon erwähnt hat, haben wir auch Thais bei der Verwirklichung ihrer Zukunftspläne so gut es ging unterstützt.“, sagte Jelena. 352

„Sie meinen jetzt nicht Thais Amerigo La Riguna?“ „Eben jene, Dasianera.“ „Ich kenne Thais. Sie hat vor mir Abitur gemacht. Hat Sie Ihnen ihre Zukunftspläne enthüllt?“ „Das hat sie. Und wie Jelena es gesagt hat, wir haben Thais nach bestem Ermessen unterstützt.“ „Dann kann ich Ihnen vertrauen, denke ich.“ „Was hast du denn für Pläne für die Zukunft, Dasianera?“, fragte Jelena. „Ich will nach Oxford und dort Jura studieren.“ „Deine Familie wäre sicher stolz auf dich.“ „Von wegen. Ich bin Vollwaise. Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als ich 12 Jahre alt war. Seitdem lebe ich bei meiner Tante. Und die ist ein hartherziger Hausdrachen. Nur mein Cousin Bastiano hat mir geholfen.“ „Und was ist aus ihm geworden?“ „La Duchesse hat ihn ermorden lassen. Meine Tante steckt mit ihr nämlich unter einer Decke.“

„Und woher weißt du das?“, wollte Jelena wissen. „Ich habe ein Gespräch zwischen meiner Tante und Patricia Velasquez belauscht.“ „Kannst du dich noch an den Gesprächsverlauf erinnern?“ „Ich kann mich nur noch an den letzten Satz von Senhora Velasquez erinnern.“ „Was hat sie gesagt?“ „Sie hat gesagt: Ich habe deinen Sohn beseitigen lassen, nun gib mir deine Nichte. Die kleine Schlampe gehört mir. Das war unser Deal.“ „Und dann bist du ausgebüchst.“, sagte ich. „Genau. Und bin Professor von Strelitz in die Arme gelaufen. Den Rest kennen Sie.“ „Janaira. Weder meine Partnerin noch ich können von dir verlangen, dass du uns vertraust. Aber du solltest es zumindest versuchen.“ „Wer beweist mir, dass Sie es ernst meinen, und Sie mir wirklich helfen werden?“

Alejandra ergriff nun das Wort. „Ich bürge für Paul MacLain und Jelena Romanova. Den beiden würde ich sogar mein Leben anvertrauen.“, sagte sie. „Na schön. Ich werde Ihnen beiden meine Zukunftspläne enthüllen. Unter Vorbehalt, versteht sich. Ich will Meeresbiologie studieren und später mal die Ozeane erforschen.“ „Dann kann dir Jeremy Wade sicher einiges beibringen, wenn es an den praktischen Teil geht. Wir sind ihm bei meinem dritten Fall begegnet, der mich in meine Heimat Schottland geführt hat.“ „Der Fall mit dem Grönlandhai, der zum Killer mutiert ist?“ „Genau dieser.“ „Also wenn damit nicht auch der letzte Zweifel beseitigt ist, dann weiß ich auch nicht.“ „Ich denke, unsere Erfolge in der Vergangenheit sprechen für sich. Wir haben den Paten zur Strecke gebracht. El Pitbull, Manfred Schicklgruber, Michail Golowko, Viktor Pliskowski. Um nur ein paar zu nennen. „Und zuletzt Kan Mah Jongg. Einem seiner Handlanger hab ich diese Narbe hier zu verdanken.“, sagte Jelena und zog ihr Top aus.

Am nächsten Morgen buchten wir einen Flug nach Frankfurt und zwei nach London. Von dort aus sollte die Reise von Dasianera und Janaira nach Oxford weitergehen. Mein Cousin Nigel wollte die beiden abholen. Dieses Mal brachte ich die drei jungen Damen zum Flughafen und begleitete sie zur Sicherheitsschleuse. „Schickt mir oder Jelena eine SMS wenn Ihr an euren Zielorten angekommen seid. Dasianera, Janaira. Mein Cousin Nigel Ravens holt euch in London am Flughafen ab. Er wohnt in Oxford und hat schon alles in die Wege geleitet. Er wird euch dann alles weitere erklären.“ „Wir danken Ihnen. Tun Sie uns bitte einen Gefallen und ziehen Sie diese beiden elenden Fotzen aus dem Verkehr.“, sagte Dasianera. „Keine Bange. Den 353

beiden wird der Arsch schon bald auf Grundeis gehen.“

In ihrer Villa in Copa Cabana war Patricia Velasquez außer sich vor Wut. Nicht nur wegen Jelenas und meinen Erfolgen. Sie war nun auch durch Renita Benitez unter Druck geraten. Vor kurzem hatte man La Duchesse mitgeteilt, dass sie nun auch die Kontrolle über den Stadtteil Flamengo verloren hatte. Damit blieben ihr noch Ipanema, Copa Cabana, und einige andere Viertel Rios. Den Straßenstrich in den Luxusvierteln wollte sie auf keinen Fall verlieren. Hier hätten die von uns außer Landes gebrachten Mädchen anschaffen gehen sollen.

Auch Eliane war tätig geworden und hatte Professor von Strelitz aufgesucht. Sie hatte eine Vergewaltigung und ein damit einher gehendes Trauma vorgetäuscht. Der Psychologe bot sich an ihr zu helfen. „Bitte setzen Sie sich doch, Senhora da Silva.“, sagte er mit einer warmen und freundlichen Stimme. Eliane nahm Platz. „Sie sagten, man hätte Sie vergewaltigt und Sie hätten ein Trauma erlitten. Hab ich das so richtig verstanden?“ „Das stimmt. Außerdem habe ich seit dem Tag schlimme Träume.“ „Ich denke, da kann ich Ihnen helfen. Legen Sie sich doch bitte auf die Couch dort.“ Eliane tat, worum der Therapeut sie gebeten hatte. Als sie auf der Couch lag, hielt Professor von Strelitz einen Füllfederhalter in der Hand. „Was soll denn der Blödsinn?“, fragte Eliane. „Nun, da es sich bei Ihrem Trauma um ein schwerwiegendes handelt muss ich zu einer anderen Behandlungsmethode greifen, als sonst üblich. In Ihrem Fall, Senhora, hilft nur Hypnose.“

„Würden Sie bitte auf den Füllfederhalter sehen?“ „Schönes Ding.“ „Konzentrieren Sie sich bitte. Schön auf den Füllfederhalter sehen. Die Intensität mit der Sie auf den Füllfederhalter schauen macht Sie... müde. Alles in Ihnen wird ruhig. Ihre Glieder werden schwer und ihre Augen fallen zu. Und jetzt verspüren Sie den Wunsch zu schlafen.“ Eliane schloss ihre Augen. „So ist es gut. Schön schlafen.“, sagte der Psychologe und rückte mit seinem Hocker näher an seine Patientin heran und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. „Eliane, können Sie mich hören?“ „Ja.“ „Ich werde Ihnen jetzt Fragen stellen, die Sie mir beantworten werden. Stimmts Eliane?“ „Ja.“ „Ich weiß, das Paul MacLain und Jelena Romanova Privatdetektive sind. Wer hat die beiden geschickt?“ „Was geht dich das an, du Arsch?“, gab Eliane zurück. „Wie bitte? Bitte wiederholen Sie.“

Eliane schlug die Augen auf und sah den Professor scharf an. „Ich sagte, was geht dich das an! Was geht dich das an, wer zwei Privatdetektive anheuert und warum?“ Mit einem Arrastão beförderte sie den Seelenklempner auf seine Couch. „So. Jetzt wirst du mal eine richtige Therapie kennenlernen. Meine Therapie. Und ich rate dir, löse deine Zunge.“ „Das ist doch wohl ein Missverständnis.“ „Nein, das ist kein Missverständnis. Das ist typisch! In deinem Unterbewusstsein stinkts wie in einem Gully, durch den Bösewicht, der da an die Oberfläche kommt. Machs Maul auf! Los mach schon, rede!“ „Okay! Okay! Aber bitte hören Sie auf mich zu schütteln.“

Auch wir waren wieder in Rio unterwegs. Und dieses Mal hatte man unsere bewaffnete Eskorte noch mal verstärkt. Statt bisher vier Mann, waren es jetzt 354

acht. Denn es stand nun zu befürchten, dass sich Patricia Velasquez und Renita Benitez verbünden würden. Zumindest ich hoffte, dass sich die beiden Rotlichtgrößen weiterhin bis aus äußerste bekriegen würden.

Und zum Glück war dem auch so. Doch das bedeutete nun für Jelena und mich, dass wir zwischen die Fronten in einem mit aller Härte geführten Rotlichtkrieg geraten konnten, wenn wir nicht rechtzeitig die Reißleine zogen und die beiden Frauen zur Strecke brachten. An einer der vielen Straßenecken rannte eine 1,60 m große Frau mit hüftlangen, roten Haaren beinahe in uns hinein. Als die Verfolger ums Eck kamen, riss ich meine Walther hoch und feuerte zwei Mal. Einen der beiden traf ich direkt zwischen den Augen. Ein weiterer Schuss krachte und das Projektil pfiff an mir vorbei. Jelena spitzte kurz ums Eck und schoss einmal. Ein Schmerzensschrei ertönte, als meine Partnerin das Knie des Mannes traf. Unsere Eskorte nahm ihn in Gewahrsam.

Doch damit war diese Angelegenheit noch lange nicht ausgestanden. Denn an der nächsten Ecke packte ein anderer Mann das junge Mädchen und wollte sie zu einem wartenden Auto zerren. Doch ich grätschte dazwischen. „Na lässt du wohl die Kleine los, du Schmutzfink, dir hau ich die Pfanne platt! Für wen arbeitest du? Na los! Machs Maul auf!“ Ein Schuss krachte. Ich schlug dem Kerl auf den Kopf. „Na das fängt ja gut an.“, sagte ich zu mir selbst. An der folgenden Straßenecke wollte sich ein weiterer Häscher das Mädchen schnappen, doch eine Frauenhand packte ihn von hinten und riss ihn zurück. Es folgten ein paar Schläge und dann tauchte Jelena auf. „Hauen wir ab.“ „Wollte ich auch gerade vorschlagen, Jelena.“

Es war 17:45 Uhr als wir ins Hotel zurückkehrten. Kattie hatte wieder Dienst. „Und wieder erfolgreich ein junges Mädchen vor dem Straßenstrich bewahrt.“ „Du hast es erfasst. Gibts eigentlich was neues?“ „Wenn du mich schon so fragst, Paul. Da war was. Renita Benitez war hier und hat mir diese Nachricht für euch hinterlassen.“ Mit diesen Worten reichte uns Kattie eine Luftpolstertasche.

Nach dem Abendessen trafen wir uns auf Alejandras Zimmer mit Eliane und Hera. Ich öffnete die Luftpolstertasche und mir fielen zwei Patronen in meine rechte Hand. Dann folgte noch ein Zettel. Auf diesen waren folgende Worte aufgeklebt: „Die sind für euch zwei Schnüffler. Was soll auf euren Grabsteinen stehen?“ Doch wenn Renita Benitez gehofft hatte, Jelena und mich mit dieser Drohung einzuschüchtern, dann war sie so dämlich, dass sie die Wildschweine beim Himbeeren pflücken beißen. Ich studierte den Brief etwas genauer.

„Was hat es mit diesem Fetzen Papier eigentlich auf sich, Towarischtsch?“, fragte Jelena. Ich reichte ihr den Brief. „Soll das ein Witz sein? Liest sich wie der reinste Schauerroman.“ „Das ist kein Witz. Sondern eine ernste und tödliche Angelegenheit. Und kein billiger Groschenroman, sondern die Londoner Times. Von gestern Abend um genau zu sein.“ „Und das lesen Sie alles aus ein paar Papierschnipseln?“ „Die Leitartikel der Times sind unverwechselbar. Der Druck erfolgt in einer 9-Punkte-Bourgeois-Botschrift.“Alejandra und die anderen kamen aus dem Staunen nicht 355

mehr heraus. Umso beeindruckter waren sie, als ich mir die Luftpolstertasche vornahm. „Die Schrift auf dem Umschlag ist ein grobes Gekritzel, während die Times von einer gebildeten Schicht gelesen wird. Wir haben es also mit einer gebildeten Person zu tun, die sich als ungebildet ausgibt, um uns abzulenken.“ Ich griff mir ein Exemplar der renommierten Londoner Zeitung, das auf dem Nachttisch lag, und schlug die Seite mit den Leitartikeln auf.

Mir fiel ein Artikel über einen Kollegen auf, der in seiner Freizeit als Autor arbeitete und Krimis schrieb, die in Rio spielten. Ich hielt den Brief von Renita Benitez daneben. Und es war genau so, wie ich es mir gedacht hatte. Ich las aus dem Artikel vor und dann noch einmal ein paar Stichworte. „Die Worte auf dem Zettel. Sie wurden aus dem Artikel aus geschnitten.“, sagte Hera. „Mit einer Nagelschere. Man erkennt es daran, dass Renita Benitez bei dem Wort Grabsteinen einen neuen Schnitt machen musste.“, sagte ich. „Und weil sie das Wort Patronen nicht finden konnte, hat Senhora Benitez zwei echte Patronen in den Umschlag gepackt.“ „Präzise gefolgert, junge Dame. Und achtet darauf, dass das Wort „Schnüffler“ außer der Reihe steht, was auf Achtlosigkeit oder hastige Eile hinweist. Ich neige eher zu letzterem, da der Brief Renita Benitez zu wichtig war und somit Achtlosigkeit eher unwahrscheinlich ist, da jeder Brief, der gestern Abend aufgegeben wurde uns noch erreicht hätte, ehe wir das Hotel verlassen hätten. Wenn Renita Benitez also in Eile war, dann stellt sich die Frage warum. Offenbar fürchtete sie gestört zu werden. Durch wen? Das ist hier die Frage.“ „Nun, Senhor MacLain. Es sieht so aus, als hätte ich Sie unterschätzt.“, sagte das Mädchen.

„Konntet Ihr etwas über Renita Benitez herausfinden?“, fragte Jelena die beiden Cousinen. „Renita Benitez. Geboren am 25.08.1995 in Valparaiso. Ihr Vater war selbst Zuhälter und hat seine Frau und auch seine Tochter gezwungen für ihn anschaffen zu gehen. Die Mutter beging Selbstmord. Nach dem Tod ihres Vaters hat Renita dann seine Tätigkeit fortgeführt. Heute kontrolliert sie alle Straßenstriche in Chile.“ „Und jetzt will Renita Benitez in Brasilien Fuß fassen.“, sagte ich. „Genau.“ „Sieht wohl so aus, als ob der Straßenstrich in Chile nicht mehr viel Profit abwirft.“ „Ganz im Gegenteil.“ „Scheint so, als ob diese Pute auch zu denen gehört, die den Hals nicht voll genug kriegen können.“ „Vor allem, wenn man bedenkt, dass Patricia Velasquez ihren Mädchen deren Zukunftspläne zerstört, um ihre eigene Verwandtschaft zu begünstigen.“, meldete sich Eliane zu Wort. Und während sie berichtete, nahm ich auch dieses junge Ding genauer in Augenschein.

Die Kleine hatte braune Augen und ein ovales Gesicht. Die etwas zu breit geratene Nase fügte sich harmonisch ins Gesicht ein. Der schlanke, sexy Körper und diese sexy Beine verliehen diesem jungen Mädchen das gewisse Etwas. Nur bei der Oberweite war das Mädchen nicht gerade üppig gesegnet. Ihre Brüste waren klein, aber handlich. Bekleidet war sie mit einem roten Kleid mit schwarzen Perlen und roten Plateauschuhen.

„Und was konntest du sonst noch in Erfahrung bringen?“, fragte Jelena Eliane. „Professor von Strelitz soll morgen in einem Schönheitssalon 356

einer Kontaktperson den Brief mit den Antworten der Mädchen übergeben.“ „Bin mal gespannt, wie die Kontaktperson reagiert, wenn wir ihr auf den Leib rücken.“ „Dann müssen wir ihm folgen. Wer macht das?“ „Das könnten wir doch übernehmen. Oder Hera?“ „Es wär mir... eine große Ehre, Cousine.“ „Na schön. Dann bringen Jelena und ich dich morgen zum Flughafen. Du musst Rio verlassen, sonst gerätst du in die Fänge von Renita Benitez oder von La Duchesse. Und das wäre nicht gerade vorteilhaft.“

„Würdest du uns freundlicherweise verraten, wie du heißt?“, fragte Jelena. „Giovanna La Riguna. Ich bin die jüngere Schwester von Dasianera La Riguna.“ „Und wie alt bist du, wenn ich fragen darf?“ „18. Allerdings bin ich 3 Monate jünger.“ „Und was planst du für die Zukunft?“ „Ich will Privatermittlerin werden. Ich will den Tod unserer Eltern aufklären. Das bin ich Mama und Papa schuldig.“ „Klingt fast so, als gehst du von Mord aus.“ „Darüber reden wir ein andermal. Jetzt ist es erst mal wichtig, Giovanna aus der Schusslinie zu nehmen.“

Am nächsten morgen teilten wir uns auf. Hera und ihre Cousine Alejandra hefteten sich an den Seelenklempner, während meine Partnerin und ich mit Giovanna zum Flughafen fuhren und sie dort in einen Flieger nach Mailand setzten. Wir hatten mit einem Kollegen Kontakt aufgenommen, der angeboten hatte, Dasianeras jüngere Schwester unter seine Fittiche zu nehmen. Sein Name war Enrico Rizzo. Besser bekannt als „Plattfuß“. Und dieser Mann brauchte keine Bleispritze, denn für seine Fäuste brauchte Rizzo einen Waffenschein.

In dem Schönheitssalon, der sich im Stadtteil Ipanema befand, stellten die beiden Cousinen Professor von Strelitz und auch dessen Kontaktperson, da sie beide inflagranti bei der Übergabe erwischten. Die herbei gerufene Polizei nahm die beiden fest und brachte sie ins nächste Polizeipräsidium. Doch die nächste Überraschung erlebten wir, als wir am späten Nachmittag in unser Hotel zurückkehrten. Als wir die Lobby betraten, bemerkte ich an der Rezeption zwei Frauen. Und ich wusste nur zu gut, wer da auf uns wartete. Sylvie und Claire de la Richardais. Wir hatten die beiden seit unserem Fall in Griechenland nicht mehr gesehen.

„Bonjour Paul.“, begrüßte mich Sylvie. „Hey, Sylvie. Wie geht’s dir?“ „Bien, et toi?“ „Kann mich nicht beklagen. Was verschlägt euch beide nach Rio?“ „Sylvie und ich fördern jedes Jahr Jugendliche, denen die Möglichkeit etwas aus ihrem armseligen Leben zu machen, verwehrt bleibt.“, erzählte uns Claire. „Letztes Jahr haben wir ein 19jähriges Mädchen aus Ecuador unterstützt und ihr ein Studium für Schauspielerei an der Conservatoire national supérieur d’art dramatique in Paris ermöglicht. 2018 haben wir einen 19jährigen Jungen aus Belize ein Studium für Medizin an der Sorbonne gesponsert.“ „Lasst uns heute Abend noch mal miteinander reden. Am besten nach dem Abendessen.“ „Einverstanden.“, sagte Sylvie. In diesem Augenblick kehrten Alejandra Valderrama und ihre Cousine Hera Arnakis ins Hotel zurück.

Nach dem Abendessen trafen wir uns auf dem Zimmer der Schwestern. Auch Eliane war wieder mit von der Partie. „Okay Ladies. Fassen wir mal zusammen, was 357

wir bis jetzt wissen. Patricia Velasquez hat bis vor drei Monaten den kompletten Straßenstrich hier in Rio kontrolliert. Dann ist Renita Benitez hier aufgekreuzt und hat angefangen, sie aus einigen Vierteln zu verdrängen.“ „Richtig. Und der Psychologe Andreas von Strelitz hat für beide die Frauen ausgesucht. Er hat deren Zukunftspläne durch Hypnose in Erfahrung gebracht und über eine Kontaktperson an La Duchesse weitergegeben.“ „Bis Ihr engagiert wurdet.“, sagte Claire. „Richtig. Man hat sogar versucht, die Maschine zu entführen, mit der wir angereist sind.“ „Das zeigt, wie verzweifelt Patricia Velasquez ist. Denn sie hat die Entführung befohlen.“ „Sie hat sogar versucht, uns mit einem billigen Trick reinzulegen.“ „Was sie aber nicht geschafft hat.“, ergänzte Jelena meine Ausführungen. Nun fiel mir auf, dass Sylvie und Claire ziemlich betreten drein blickten.

„Ihr beide seht aus, als hätte man eure Pläne durchkreuzt.“, sagte ich zu Sylvie. „Leider. Renita Benitez hat sich ein Mädchen, dass wir dieses Jahr unterstützen wollten, gefügig gemacht.“ „Macht euch keine Sorgen. Wir holen die Kleine da wieder raus.“ „Das würdet Ihr tun?“ „Wir haben euch doch schon einmal geholfen.“ „Das vergessen wir euch nie.“ „Ihr zwei könnt auch stolz auf euch sein. Immerhin habt ihr gleich fünf Mädchen vor dem Straßenstrich bewahrt.“ „Sehr zum Leidwesen unserer beiden Rotlichtbaroninnen.“ „Stimmt. Die Familien werden uns auf ewig dankbar sein.“ „Da. Mit einer Ausnahme, Towarischtsch. Die Tante von Dasianera und Giovanna.“ „Zu dumm, dass wir nichts über diese Frau wissen.“, sagte ich. „Uns ist diese Frau sehr gut bekannt. Sie war Vaters engste Vertraute. Sie hat für ihn die Tiere besorgt, die er uns geschenkt hat. Und sie hat ihm geholfen, Maman loszuwerden.“

„Dann lasst uns an eurem Wissen teilhaben.“ „Die Frau heißt Margarita Goncalves de Almeida.“ „Und wie alt ist dieser Hausdrachen?“ „Margarita ist 55 Jahre alt.“, sagte Claire. „Dasianera La Riguna hat uns gesagt, dass ihre und Giovannas Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Und sie danach bei ihrer Tante aufgewachsen sind.“ „Der Unfall geht auf das Konto von Margarita. Sie war es, die den Wagen von der Straße gedrängt hat.“ „Warum, in drei Teufels Namen hat sie das bloß getan?“, fragte Jelena fassungslos. „Sie hat sich mit ihrer Schwester und ihrem Schwager überworfen.“ „Worum ging es?“ „Margarita wollte Dasianera mit einem reichen Plantagenbesitzer verheiraten. Aber ihre Schwester Jandira und deren Ehemann Ayrton haben ihre Zustimmung verweigert. Deswegen mussten sie sterben.“, sagte Sylvie. „Dann wissen wir ja, was wir zu tun haben.“ „Sag bloß, du hast schon einen Plan, Paul.“ „Sicher hab ich den. Hat eine von euch zwei ein Foto von eurer Wunschkandidatin?“, fragte ich die Zwillinge. „Klar. Hier.“ Mit diesen Worten übergab mir Claire ein Foto.

Auf dem Foto war eine sexy Frau mit schwarzen Haaren und braunen Augen zu sehen. Ihre Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren prallen Brüsten reichten. Auch der schlanke sexy Körper in Kombination mit den sexy Beinen war ebenfalls bemerkenswert. Ebenso das ovale Gesicht mit den sinnlichen Lippen und der leicht zu breit geratenen Nase war hübsch anzusehen. Bekleidet war das Mädchen mit einem weißen Kleid mit Spitzenbesatz, einem weißen Slip und weißen 358

High Heels. Das Alter schätzte ich auf U 20 Jahre.

„Wie heißt denn diese junge Lady?“, fragte ich. „Marilyn Ronaldo da Silva.“ „Und wie alt ist Marilyn?“ „Sie ist vor 2 Tagen 18 geworden.“ „Und da wolltet Ihr dem Mädchen zur Feier des Tages bei der Verwirklichung ihrer Zukunftsträume helfen.“ „So hatten wir es geplant. Bis uns Renita Benitez heute einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.“ „Macht euch keine Sorgen. Wir holen die Kleine vom Straßenstrich wieder weg.“ „In welchem Stadtteil ist das passiert?“, fragte Jelena. „In Flamengo. Ihre Gorillas haben Marilyn gepackt und in einen weißen Mercedes gezerrt. Dann ist der Wagen mit durchdrehenden Reifen losgefahren.“ „Alles klar. Dann wissen wir, was zu tun ist. Ruht euch aus. Morgen früh geht’s los.“, sagte ich.

Am nächsten Morgen, es war Freitag der 19.06.2020, machten wir uns zusammen mit den Schwestern und den anderen auf den Weg nach Flamengo. Die bewaffnete Eskorte war dieses Mal 15 Mann stark. Zuerst suchten wir den Ort auf, an dem Renita Benitez Marilyn entführt hatte. Doch bei unserer Befragung stießen wir auf eine Mauer des Schweigens. „Jede Wette, Renita Benitez hat die Bewohner von Flamengo eingeschüchtert, damit sie ihre Klappe halten.“, flüsterte ich Jelena ins Ohr. „Du irrst dich, Towarischtsch. Auch Geld verschließt Augen, Ohren und Mund.“ Irgendwann trafen wir dann doch jemanden, der mit uns sprach, und uns berichtete, was sich ereignet hatte. Mehr noch, er wusste sogar, wo im Stadtteil Marilyn als Nutte ihr Revier hatte. Der Mann bot uns sogar an, uns dorthin zu bringen.

Als wir das Mädchen gefunden hatten, sah ich mich erst mal um, ob jemand in der Nähe war, der uns hätte gefährlich werden können. Jelena hingegen sprach Marilyn direkt an. An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, wie erleichtert sie war. Denn es war offensichtlich, das die Kleine keine Lust hatte, für irgendwelche reichen Geldsäcke die Beine breit zu machen. Und das konnten weder Jelena noch ich Marilyn verdenken. Doch nun galt es zu handeln, ehe Renita Benitez oder einer ihrer Handlanger auf der Bildfläche erschienen.

Wir hatten uns gerade auf den Rückweg gemacht, als der weiße Mercedes aus einer Seitenstraße auftauchte. Zum Glück kam gerade eine Straßenbahn vorbei, in die Jelena und ich mit Marilyn einstiegen. Die Cousinen und die beiden Schwestern folgten. Auch unsere Eskorte schaffte es in den Zug. Als der Zug anfuhr kam eine wütende Renita Benitez um die Ecke. „SIE ENTKOMMEN MIR NICHT! DAS SCHWÖRE ICH BEI MEINEM LEBEN!“, schrie sie uns noch hinterher. „Ihr müsst die Stadt verlassen. Ich kann euch führen.“, sagte Marilyn. „Was schwebt dir vor?“ „Wir fahren zuerst ins Hinterland von Rio. Ich zeige es euch auf der Karte, wenn wir im Hotel sind.“

Zurück im Hotel verzogen wir uns gleich auf Jelenas Zimmer, wo uns Marilyn anhand einer GPS-gestützten Karte ihren Plan erläuterte. „Also, Marilyn. Dann lass mal hören.“ „Okay. Also. Wir fahren mit eurem Mietwagen bis in die Nähe von Brasilia. Dort entspringt der Tocantins. Ein Nebenfluss des Amazonas. Von dort fahren wir mit einem Boot weiter. Denn auf dem Wasser sind wir schwer aufzuspüren.“ 359

„Gibt es überhaupt Boote, die über die entsprechende Kapazität verfügen? Wir sind immerhin 9 Leute.“, warf Jelena ein. „Und ob es die gibt. Ich stelle mir das Ganze wie folgt vor. Wir fahren mit dem Boot den Tocantins in Richtung Nordosten. Dann biegen wir in der Nähe der Ortschaft Belem auf den Rio Parana ab und folgen diesem, bis wir den Hauptarm des Amazonas erreichen. Klar soweit?“ „Soweit schon. Angenommen, wir schaffen es bis zum Hauptarm des Flusses. Wie geht es dann weiter?“ „Wir fahren bis zur Ortschaft Santarem. Dort leben Freunde von mir.“ „Und bei denen können wir uns verstecken. Sehe ich das richtig?“, fragte Alejandra. „Si.“ „Dein Plan ist nicht schlecht. Aber er hat einen Haken. Renita Benitez wird uns früher oder später aufstöbern.“, warf Hera ein.

„Da fällt mir etwas ein. Gibt es in der Gegend um Santarem Piranhas?“ „Massenweise. Sowohl die roten, als auch die schwarzen.“ „Wann soll es losgehen?“ „Morgen früh. Kurz vor Sonnenaufgang.“ „Am besten, einer von uns fragt, ob wir morgen etwas früher frühstücken können.“ Es klopfte an der Tür. „Wer ist da?“, fragte Jelena. „Ich bins Kattie.“, hörte ich die uns so wohl vertraute Stimme. „Komm rein.“ Die Tür öffnete sich und Kattie betrat den Raum. „Was verschafft uns die Ehre deines Besuchs?“ „Ich habe morgen frei und habe gedacht, ich helfe euch ein bisschen.“ „Wir müssen morgen früh ziemlich früh los. Können wir vielleicht etwas früher frühstücken?“ „Wann soll es losgehen?“ „Kurz vor Sonnenaufgang.“ „Also um 5 Uhr morgens. Tut mir Leid, Paul. Aber um die Uhrzeit hat das Restaurant noch nicht auf. Ich kann nur mit dem Chefkoch reden, und ihn bitten, dass er für uns Lunchpakete macht. Dann können wir unterwegs etwas essen.“, schlug Kattie vor. „Dann erledige das bitte.“ „Bin schon weg.“

Nach dem Abendessen trafen wir uns noch mal Kattie. „Alles klar. Der Küchenchef stellt uns die Lunchpakete morgen früh am Empfang auf einem Teewagen bereit.“, sagte sie. „Perfekt.“ „Dann sollten wir uns jetzt schlafen legen, denn morgen müssen wir früher aufstehen, als die letzten Tage.“ Die Nacht verlief einigermaßen ruhig. Bis auf einen Vorfall, von dem ich hier berichten will, tat sich nichts. Um 3:45 Uhr hörte ich Schritte auf dem Flur. Vor Jelenas Zimmer blieben sie stehen. Dann hörte ich zwei Stimmen. Eine weibliche und eine männliche. Und die Frauenstimme erkannte ich sofort. Es war Renita Benitez. „Also Franco. Ich möchte, dass du dich hier auf die Lauer legst. Benachrichtige mich, sobald Paul MacLain und seine Freunde mit unserer Zielperson das Hotel verlassen. Ich warte mit Pedro vor dem Hotel im Auto.“ „In Ordnung, Boss.“

Um 4:30 war es dann mit der Bettruhe vorbei. Aber was tut man nicht alles, für die Lösung eines Falles. Nachdem ich geduscht und mich angezogen hatte ging ich nach unten in die Empfangshalle unseres Hotels. Dort traf ich dann die anderen. Da der Lincoln von El Doberman wesentlich mehr Platz bot, als unser Peugeot, zogen wir es vor, die Stretchlimousine zu nehmen. Als ich zum hinteren Fenster hinaus auf die Straße sah, entdeckte ich den weißen Mercedes. Ich berichtete den anderen von den nächtlichen Besuchern. „Ich habe es auch gehört. Diese Schnepfe scheint ja nicht gerade viel von Vorsicht zu halten.“, sagte Jelena. „Was meinst du damit?“ „Ist das nicht offensichtlich, Towarischtsch? Wir wissen, was Renita Benitez 360

vorhat. Wir sind das Wild. Und sie ist der Jäger.“ „Da ist schon was wahres dran, Jelena. Aber es gibt Situationen, in denen die Beute dem Jäger überlegen ist. Wir müssen es nur bis Santarem schaffen.“, sagte ich. „Nur ist gut. Erstmal müssen wir nach Santarem kommen.“

Doch zu unser aller Überraschung hatte Alejandra einen Trumpf im Ärmel von dem wir nichts wussten. Über Umwege fuhren wir zum Flughafen von Rio, wo wir in ihre private Boeing 747-8 umstiegen. Diese Maschine brachte uns in 59 Minuten nach Brasilia. Dort warteten zwei SUVs mit laufenden Motoren. Diese brachten uns zu unserem Boot, dass am Flussufer auf uns wartete. Als auch meine Wenigkeit an Bord war, startete der Skipper die Motoren und das Boot legte ab.

Doch so leicht ließ sich Renita Benitez nicht abschütteln. Sie landete eine halbe Stunde nach uns in Brasilia. Auch sie hatte ein Boot gechartert und einen ortskundigen Skipper angeheuert. Am Dienstag, den 23.06.2020 erreichten, wir Belem. Wir tankten das Boot auf und fuhren dann den Rio Parana entlang, bis wir auf den Hauptarm des Amazonas kamen. Es war 6:00 Uhr früh, als wir am Mittwoch, den 24.06.2020 in Santarem ankamen. Die Einwohner waren sehr skeptisch. Kein Wunder, denn nun bestand für sie die Gefahr, dass Renita Benitez ihnen die Hölle heiß machte. Diese Bitch musste unschädlich gemacht werden. Soviel stand fest.

Renita Benitez traf am selben Tag in Santarem ein. Allerdings erst um die Mittagszeit. Das hatte mir Zeit gegeben, mich mit ein paar Einheimischen zu unterhalten. Ein alter Mann mit einem Panamahut auf dem Kopf saß am Ufer und angelte. „Beißen die Fische heute gut?“, hatte ich ihn gefragt. „Nein, Senhor. Diese verdammten Piranhas vermasseln mit andauernd die Tour. Kaum hab ich einen am Haken, sind diese gefräßigen Räuber da und nagen ihn bis auf die Knochen ab.“ „Mich würde eines interessieren. Sind diese Fische wirklich genauso schlimm, wie immer behauptet wird?“ „Nein, Senhor. Piranhas sind sogar weitaus besser, als der Ruf, den man ihnen angedichtet hat. Sie sind so eine Art „Gesundheitspolizei“. Sie greifen nur dann an, wenn ein Tier oder ein Mensch verletzt ist und blutet.“ „Sie bringen mich da auf eine geniale Idee, Mister. Und zwar eine, wie wir Renita Benitez endgültig loswerden.“ „Sie wollen aus dieser Frau Piranha-Futter machen, wie?“ „So in etwa.“

Nachdem Renitas Boot angelegt hatte, ging die Zuhälterin an Land. Ich war gerade draußen und sprach mit einem jungen Mädchen. „Ich hab doch gesagt, Sie entkommen mir nicht.“, sagte Renita Benitez mit barscher Stimme. „Das haben Sie gesagt. Na und?“ „Ich will das Mädchen wieder haben. Marilyn. Wo haben Sie sie versteckt?“ „Kümmer dich um deinen eigenen Dreck.“ „Niemand duzt mich unaufgefordert und klaut mir eins meiner Mädchen. Also zum letzten Mal. Wo ist Marilyn?“ „Glaubst du wirklich, ich verrat dir das? Ein MacLain verrät seine Schutzbefohlenen nicht.“, sagte ich. „Ach wirklich? Oder ist der große Paul MacLain einfach zu feige?“ „Mich würde eines interessieren. Wieso nehmen Sie sich das Recht, jungen Mädchen wie Marilyn die Zukunft zu ruinieren?“ „Weil ich es kann. Und da Sie sich so hartnäckig weigern, mir zu verraten, wo das Mädchen ist, sollen 361

das Privileg haben, als erster von dieser Welt zu gehen.“, sagte Renita Benitez kalt. Dann zog sie ihre Waffe. Sie benutzte eine Beretta U22 Neos.

Genau in diesem Moment krachte ein Schuss. Jelena war hinter mir aufgetaucht, ihre Makarow in der Hand. Renita Benitez hielt sich eine Stelle auf der rechten Seite ihrer Taille und taumelte rückwärts in Richtung Fluss. Ich eilte ihr hinterher. Auch die anderen waren schnell zur Stelle, denn keiner wollte das Ende dieser hinterhältigen Frau verpassen. Renita Benitez fiel ins Wasser. Als ihr Kopf die Wasseroberfläche durchbrach fing das Wasser um sie herum an zu brodeln. Jelena und mir war klar was das bedeutete: Piranhas griffen die verletzte Renita Benitez an. Bei jedem Biss ruckte sie mit dem Kopf und stieß einen lauten Schmerzensschrei aus.

Ihr Todeskampf dauerte eine ganze Stunde, ehe ihr Kopf endgültig unter Wasser verschwand und sich das Wasser vom Blut rot färbte. Damit war zumindest Renita Benitez erledigt. „Doswidanja, Miststück.“, sagte Jelena. „Fahren wir nach Rio zurück. Jetzt müssen wir uns auf La Duchesse konzentrieren.“

Wieder zurück in Rio wurden wir schon ungeduldig erwartet. Als wir ins Hotel zurückkamen wartete dort eine ziemlich genervte Dora Correia da Silva. „Himmel Herrgott! Wo wart Ihr die letzten drei Tage?“, fragte sie barsch. „Wir haben Renita Benitez ausgeschaltet.“ Unsere Klientin sah fragend von einem zum anderen. „Die Piranhas haben sich ihrer angenommen.“ „Jetzt versteh ich. Ihr habt dieses Miststück auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen.“ „Genau, Dora. Und jetzt, wo dieses Problem gelöst ist, können wir uns wieder unserer eigentlichen Aufgabe zuwenden. Gibt es eigentlich was neues?“ „Patricia Velasquez hat versucht, Andreas von Strelitz durch Zahlung einer Kaution aus dem Gefängnis rauszuholen.“ „Und hat das geklappt?“ „Nein. Denn ich habe veranlasst, dass eine Freilassung gegen Kaution wegen Fluchtgefahr abgelehnt wird.“ „Sehr gut.“ „In Ordnung. Morgen früh gehen wir wieder Streife.“

Am nächsten Tag waren wir wieder in Rio unterwegs. Dieses Mal waren wir in Copacabana. Jelena und mir war klar, dass wir uns in diesem Stadtteil buchstäblich in der Höhle des Löwen bewegten. Wir kamen gerade an einer Villa vorbei, als sich das große schmiedeeiserne Doppeltor öffnete. Und das Auto, dass herauskam, erkannte ich sofort. Es war der weiße Rolls Royce von Patricia Velasquez. Die Tür öffnete sich und La Duchesse stieg aus. Als sie Jelena und mich entdeckte, trat ein diabolisches Grinsen in ihr Gesicht. „Ich darf Ihnen und ihrer Partnerin gratulieren. Sie haben wirklich ganze Arbeit geleistet.“, sagte sie. „Worauf wollen Sie hinaus?“ „Können Sie sich das nicht denken? Ich rede von Renita Benitez, was denken Sie denn? Die Idee sie den Piranhas als Mittagessen zu servieren war genial. Hätte auch von mir sein können.“ „Passen Sie bloß auf, dass Sie nicht auch noch in den Bäuchen dieser gefräßigen Räuber enden.“ Ein diabolisches Lachen ertönte. „Das glauben Sie doch wohl selber nicht.“ „Abwarten. Noch ist der finale Akt nicht gespielt.“, sagte Jelena. „Wie theatralisch, Senhora Romanova.“

Um 16:00 Uhr trafen wir wieder im Hotel ein. Die Zwillinge checkten gerade aus. 362

„Sag bloß, Ihr zwei hübschen reist schon wieder ab, Sylvie.“, sagte ich. „Leider. Aber wir haben keine andere Wahl. An unserem Protegé ist leider auch La Duchesse interessiert. Deshalb reisen wir ab. Marilyn wartet schon draußen im Wagen. Au revoir, Paul. Und noch einmal vielen Dank für alles.“ „Kein Ding. Wenn Ihr wieder mal Zores habt, ruft mich an. Jelena und ich machen zusammen ne ganze Armee nieder.“

Als die beiden Schwestern zusammen mit Marilyn abgereist waren, trafen wir uns kurz bei Hera auf dem Zimmer. „Das waren anstrengende Tage, die hinter uns liegen.“, sagte ich. „Das schon, aber noch ist der Fall nicht gelöst.“ „Darf ich einen Vorschlag machen?“, fragte Jelena in die Runde. „Nur zu.“ „Ich würde sagen, wir setzen uns heute Abend nach dem Abendessen bei mir auf dem Zimmer zusammen und besprechen das weitere Vorgehen.“ „Gebongt. Um wie viel Uhr treffen wir uns?“ „Wir könnten doch zusammen das Abendessen zu uns nehmen. Sagen wir 18:30 Uhr?“ „Jelena?“ „Das passt.“

Um 18:30 Uhr trafen Jelena und ich uns mit den beiden Cousinen zum Essen im Restaurant. Alejandra und Hera hatten schon einen Tisch für vier Personen reserviert. Sehr zum Leidwesen eines älteren Ehepaares aus Houston. Die Frau zeterte lautstark mit Hera herum. „Zum letzten Mal! Räumen Sie beide den Tisch, oder ich werde mich beim Manager des Hotels über Sie und ihre Cousine beschweren!“, keifte die Frau. „Dann beschweren Sie sich, wenn Sie sich unbedingt lächerlich machen wollen. Es sind noch genügend andere Tische frei. Nehmen Sie doch einen von denen.“ „Was bilden Sie sich ein, wer Sie sind? Wir haben in den letzten Jahren immer hier gesessen. Warum sollen wir jetzt auf unseren Stammplatz verzichten?“ „Schatz, mach nicht aus einer Fliege einen Elefanten. Unser Stammplatz ist halt nun mal besetzt. Willst du uns den Urlaub verderben, bevor er überhaupt richtig angefangen hat?“ „Schweig, Harold! Das ist unser Tisch und damit hat es sich.“

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung, wenn ich mich in diese Angelegenheit einmische, aber meine Juniorpartnerin und ich sind mit den beiden Cousinen ziemlich eng befreundet. Und wir sind zurzeit aus dienstlichen Gründen hier. Es gibt einige Dinge, die wir zu besprechen haben, und die nicht für jedermanns Ohren bestimmt sind. Ich hoffe, dass Sie Verständnis für unsere Situation aufbringen können.“, sagte ich. „Sind Sie sowas wie Kriminalpolizisten?“, fragte die Dame. „Wir sind Privatermittler. Mein Name ist MacLain. Paul MacLain. Und meine Juniorpartnerin ist keine geringere als Jelena Romanova.“ „Na schön. Weil Sie es sind, will ich für heute mal großzügig sein, und Gnade vor Recht ergehen lassen. Aber morgen Abend sitzen wir hier. Ich hoffe, wir haben uns klar verstanden.“, sagte die Frau.

Nach dem Abendessen trafen wir uns, wie besprochen auf Jelenas Zimmer. „Wer waren diese beiden eigentlich?“, fragte ich, als Hera und Alejandra Platz genommen hatten. „Das waren Harold und Jane Griffin. Er ist eigentlich der vernünftigere von den beiden, wie Ihr ja selbst bemerkt habt. Aber seine Frau ist ein 363

richtiger Sturkopf. Wenn es nicht nach ihrem Kopf geht, wird sie zur Furie.“ „Ich finde, wir sollten uns wieder um unseren Fall kümmern.“, warf Jelena ein. „Deswegen haben wir uns auch hier getroffen.“ „Also: Renita Benitez ist tot. Jetzt sollten wir uns um Dasianeras und Giovannas Tante kümmern. Denn die steckt mit La Duchesse unter einer Decke. Sie könnte noch zu einer Gefahr für uns werden.“ „Das leuchtet ein, Paul. Also sollten wir uns als nächstes um Margarita Goncalves de Almeida kümmern.“ „Wo lebt sie überhaupt?“, fragte Alejandra.

In diesem Moment klopfte es an der Tür von Jelenas Zimmer. „Wer ist da?“, fragte ich. „Giovanna La Riguna.“ „Komm rein.“ Die Tür öffnete, und Dasianeras jüngere Schwester betrat, begleitet von ihrem Ausbilder das Zimmer. Enrico Rizzo, der ehemalige Leiter des Drogendezernats im italienischen Neapel, sah noch genauso aus, wie ich ihn noch während meiner Ausbildungszeit kennen gelernt hatte. „Plattfuß“ war 1,93 m groß und wog 125 Kg. Auffallend war natürlich der stattliche Bierbauch des Italieners. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen strahlte etwas beruhigendes aus. Seinen schwarzen Vollbart hatte „Plattfuß“ immer noch stehen gelassen. Auch seine schwarzen Haare hatte er modisch flott zurück gekämmt. Bekleidet war er mit einem dunkelblauen Anzug, einem hellblauen Hemd und einer roten Krawatte. Dazu kamen schwarze Herrensocken und schwarze Wildlederschuhe.

„Ich will nicht unhöflich sein, Giovanna, aber solltest Du nicht in Mailand sein?“, fragte Jelena. „Als wir gehört haben, was mit Renita Benitez passiert ist, war klar, wer als nächstes fällig ist. Nämlich meine Tante. Und ich will doch nicht verpassen, wenn Margarita ihrer gerechten Strafe zugeführt wird.“ „Dann weißt du es also?“ „Was?“ „Das eure Tante für den Tod eurer Eltern verantwortlich ist. Sie hat den Wagen gefahren, mit dem eure Eltern von der Straße gedrängt wurden.“ An Giovannas Reaktion erkannte ich, dass sie es nicht gewusst hatte. „Dafür wird Tante Margarita büßen.“, sagte Giovanna. „Erst mal müssen wir ihrer habhaft werden.“ „Und dazu müssen wir herausfinden, wo sie wohnt.“, warf Hera ein. „Ich werde euch hinführen. Aber vorher will ich wissen, von wem Ihr diese Information habt.“ „Sylvie und Claire de la Richardais.“

„Woher kennt Ihr die beiden?“, wollte Giovanna wissen. „Wir haben die beiden bei unserem Fall in Frankreich kennen gelernt.“ „Die beiden haben uns bei unserem Fall in Griechenland noch einmal unterstützt, indem sie uns Informationen über einen Mann namens Dennis Southby beschafft haben.“ „Den Typen kenn ich nicht.“ „Nun, wir haben deine Bedingung erfüllt, und unsere Quelle offen gelegt. Jetzt solltest du uns zu deiner Tante bringen und deinerseits dein Versprechen einlösen.“ „Keine Sorge. Ich werde mein Wort halten. Morgen früh, um 9:45 Uhr hole ich euch ab.“, sagte Giovanna.

Am nächsten Tag, es war Montag, der 29.06.2020, trafen wir uns wie besprochen mit Giovanna. Dasianeras jüngere Schwester führte uns in den Stadtteil Ipanema. Auch ihr Ausbilder begleitete uns. Als wir an einem Park vorbeikamen, bemerkte ich einen Schatten, der sich hinter einem Busch versteckte. Auch „Plattfuß“ war alarmiert. 364

Er betrat den Park und packte beherzt zu. „Wer hier schmult, wird angenagelt.“, sagte der Italiener. Dann drückte er ihn an einen Baum. „So. Du sollst mir sagen, für wen du arbeitest.“

Doch Rizzo brachte den Killer nicht zum Singen. Ein Dampfhammer auf den Kopf beförderte ihn ins Reich der Träume. Wir fesselten den Kerl an einen Baum, knebelten ihn und zogen ihm eine schwarze Skimütze über den Kopf. Giovanna führte uns zu einer Villa mit Blick auf den Zuckerhut. Doch zu unserer Überraschung war das Haus verlassen. „Merda! Tante Margarita hat das Weite gesucht. Das war aber zu erwarten. Sie weiß, dass sie die nächste ist.“ „Wo könnte sich eure Tante aufhalten?“, fragte Jelena Giovanna. „Tante Margarita besitzt noch ein Wochenendhaus in Fortaleza. La Duchesse hat es ihr geschenkt. Als Belohnung für den Mord an unseren Eltern.“ „Warst du schon mal dort?“ „Nein. Sie hat weder Dasianera noch mich dorthin mitgenommen.“ „Woher weißt du dann davon?“ „Ich habe mir sämtliche Kontobewegungen von Patricia Velasquez angesehen. Und dabei habe ich die Schenkungsurkunde für das Haus gefunden. Leider gibt es keine Bilder von dem Haus.“

„Es muss doch jemanden geben, der Bescheid weiß.“ „Natürlich! Warum hab ich nicht gleich daran gedacht?“, sagte Giovanna. „Was meinst Du?“ „Einer von Tante Margaritas Leibwächtern kennt sich in Fortaleza aus.“ „Und wie heißt diese Käsemilbe?“ „Sein Name ist Ronaldo Fernando Da Costa.“ „Wo finden wir ihn?“ „Er wohnt nicht hier in Rio. Er lebt in Porto Alegre.“ „Dann wissen wir ja, was wir zu tun haben.“, sagte ich. „Meine Privatmaschine bringt uns hin. Wir brauchen so knappe zwei Stunden.“ „Na dann los.“

Um 12:00 Uhr landeten wir in Porto Alegre. Es war nicht schwer, den Leibwächter ausfindig zu machen. Denn sein Apartment befand sich im achtzehnten Stock eines Hochhauses. Also hatte ihn Dasianeras und Giovannas Tante fürstlich für seine Dienste belohnt. Das Gebäude selbst befand sich am Hafen. Wie uns der Besitzer berichtete, war Ronaldo noch im Stadion, um sich das Fußballspiel zwischen Gremio Porto Alegre und Fortaleza Esporte Clube anzusehen, und im Falle eines Sieges wohl erst nach Mitternacht nach Hause kommen würde.

Um 0:15 Uhr kam unsere Zielperson dann endlich nach Hause. Über ein brasilianisches Sportwettenportal hatte ich herausgefunden, dass Gremio Fortaleza mit 4:1 geschlagen hatte. Als Ronaldo die Eingangstür aufschließen wollte, packte ich ihn von hinten, und drehte ihm den Arm auf den Rücken. „So, Freundchen. Du hast die Wahl. Entweder, du kommst freiwillig mit, oder ich muss härtere Maßnahmen ergreifen.“, sagte ich. „Lassen Sie mich los. Ich habe nichts getan.“ „Nichts da! Du kommst jetzt mit uns mit!“

Wir brachten Margaritas Leibwächter zu einer Hazienda außerhalb von Rio. Dort fesselte ihn Jelena an die Absperrung einer Viehweide. Dann zog sie ihm die Hose und die Unterhose herunter. Hera und Dora hatten aus einem der Ställe ein Kälbchen an die frische Luft geholt, und hielten es nun an seinem Strick fest. 365

„So. Dann wollen wir mal anfangen. Wir haben ein paar Fragen, und auf die wollen wir Antworten. Du bist doch einer der Leibwächter von Margarita Goncalves de Almeida.“ Der Mann nickte stumm. „Hält sie sich zurzeit in ihrem Wochenendhaus in Fortaleza auf?“, fragte Jelena kalt. Wieder ein Nicken. „Wo in der Stadt befindet sich das Haus?“ „Das sage ich Ihnen nicht.“ „Ach ja. Und warum nicht?“ „Weil Sie das einen feuchten Dreck angeht.“ „Hör zu Junge, wir kriegen schon raus, wo das Wochenendhaus ist. Aber es wäre weniger schmerzhaft für dich, wenn du freiwillig auspackst.“

Das Kälbchen musste Ronaldo Fernando da Costa wegen seiner Nüsse für seine Mutter halten, denn es zerrte an seinem Strick. Offenbar wollte es zu dem bösen Buben und einen Schluck an der Milchbar nehmen. „Ich würde an deiner Stelle reden. Denn letzten Endes darfst du die Suppe auslöffeln, die du dir da eingebrockt hast.“ „Fuck you, Tommy.“ „Na, na, na. Was sind denn das für Töne?“, fragte Alejandra. Dann rammte sie Ronaldo ihren Ellenbogen in die Magengrube. Margaritas Bodyguard rang nach Luft. „Na? Und jetzt?“ „Und jetzt was?“ Verrätst du uns, wo in Fortaleza Margaritas Wochenendhaus ist?“ „Nein.“ „Oh doch. Wollen wir wetten?“ Doch der junge Mann schüttelte den Kopf. „Tja. Da muss wohl jemand durch die harte Schule. Hera, Dora! Waltet eures Amtes!“, sagte Jelena.

Ronaldo schluckte schwer, als Hera Arnakis und unsere Klientin Dora Correia da Silva das Tier von der Leine ließen. Wenig später schrie er auf, als das Kälbchen seelenruhig an seinen Eiern saugte. „Okay! Okay! Ich rede. Aber tun Sie mir einen Gefallen, und nehmen dieses Kalb da weg!“ „Diese Maßnahme hättest du dir ersparen können, wenn du freiwillig den Mund aufgemacht hättest.“, sagte Alejandra.

Noch am selben Tag ging es weiter nach Fortaleza. Wir beschlossen, mit dem Zug dorthin zu fahren, in der Hoffnung, Patricia Velasquez dadurch zu täuschen. Um 8:50 Uhr fuhr unser Zug am Hauptbahnhof von Rio ab. Das Bahnhofsgebäude war ein quadratischer Bau mit einem Turm in der Mitte. Die Außenfassade war weiß gestrichen. Am vorletzten Turmsegment war auf allen Seiten eine Uhr montiert. Da in Brasilien der Eisenbahnverkehr überwiegend mit Dieselloks statt mit dem elektrischen Pendant betrieben wird, wunderte es mich nicht, an der Spitze des Zuges eine Lokomotive aus US-amerikanischer Produktion, eine GE Dash 9-40 BBW zu entdecken.

Als wir in den Zug stiegen, drehte ich mich noch einmal um. Doch wenn ich erwartet hatte, Patricia Velasquez auf dem Bahnsteig auftauchen zu sehen, dann wurde ich enttäuscht. Auf der anderen Seite empfand ich doch eine gewisse Erleichterung. Denn dies bedeutete, das „La Duchesse“ nichts von unserer bevorstehenden Aktion wusste. Ich sah kurz aus dem Fenster und entdeckte zwei Männer, die im Dauerlauf auf den Zug zu rannten. In diesem Moment betätigte der Lokführer das Horn auf dem Dach der Lok. Ein lauter, tiefer, langgezogener Ton ertönte. Der Zugbegleiter schloss die Türen und der Zug fuhr an. Die beiden Männer blieben auf dem Bahnsteig stehen. 366

Anhand ihrer beiden Bleispritzen, die sie in ihren Halftern trugen, ahnte ich, dass die beiden Kerle für „La Duchesse“ arbeiteten. Ihr mögt mich vielleicht für beknackt halten, Fakt ist aber, dass Sicherheitsbeamte in Staatsdiensten eine Uniform tragen. Die beiden Burschen trugen Designeranzüge von Joop. So eine feine Garderobe kann sich kein Staatsdiener leisten. Außerdem haben die brasilianischen Streifenpolizisten keine Magnum Kaliber 45 in vernickelter Ausführung. Diese Waffe kostet pro Stück stolze 8.000 Dollar.

Wir fuhren in Nordöstlicher Richtung. Der nächste Halt nach Rio de Janeiro war Belo Horizonte. Danach kam keine Station mehr und unser Zug fuhr ohne Halt bis Fortaleza durch. Um 14:50 Uhr rollte der Zug in den neu gebauten Bahnhof von Fortaleza ein. Das Bahnhofsgebäude war ein zweistöckiges Steinhaus mit großen Fenstern. Das Dach war in Giebelform ausgeführt, allerdings in einem flacheren Winkel aus bei herkömmlichen Giebeldächern. Auch zwei Gleise gab es schon. Das eine war für die Züge nach Rio bestimmt, das andere für die Züge aus der Gegenrichtung. Ein drittes Gleis war gerade im Bau. Wohin es führen sollte, wollte sich mir nicht erschließen. Auch eine Bahnhofsuhr war vorhanden. Sie war auf der Seite des Gebäudes angebracht, auf der die Gleisbauarbeiten liefen. Die anderen beiden Gleise waren bereits überdacht. Jeweils acht Stahlstreben, die in mächtigen Betonpfeilern steckten, stützten das Dach. Ein neunter Pfosten war mit einem Unterstand verbunden, der sogar eine Bank zum Sitzen vorweisen konnte. Das Dach selbst war ein Viertelkreis. Offenbar sollte daraus später einmal ein Halbkreis werden, wenn die neuen Gleise fertig waren.

Bevor wir uns auf den Weg zu Margaritas Versteck aufmachten, trafen wir uns mit dem örtlichen Polizeichef. Dieser gab uns seine besten Männer als bewaffnete Eskorte mit. Um 15:45 Uhr kamen wir an dem Wochenendhaus an. Und wie nicht anders zu erwarten, war dieses Gebäude mit Überwachungskameras gesichert, als wäre es eine Festung. Vor dem Eingangstor patrouillierten mehrere Hundestreifen. Die Sicherheitsleute von Margarita Goncalves de Almeida waren allesamt mit Maschinenpistolen aus dem Hause Heckler & Koch ausgerüstet. Gute Deutsche Wertarbeit.

Nachdem wir uns ein Bild der Lage gemacht hatten, war klar, dass wir unsere Zielperson in einer Nacht- und Nebelaktion entführen mussten. Nach Einbruch der Dunkelheit kehrten wir zurück. Ein modifizierter Hubschrauber vom Typ EC145 brachte uns zum Haus. Jelena und ich seilten uns ab, während die anderen vor dem Haupteingang warteten. Jelena und ich drangen über die Terrasse in das Gebäude ein. Und wie gut das Gebäude gesichert war, zeigte sich, als wir die Treppe in den ersten Stock entdeckt hatten. Überall waren Bewegungssensoren installiert, die einen Alarm auslösten, sobald man hindurch ging. Doch Jelena und ich hatten eine Spezialausbildung durchlaufen und wussten, wie es möglich war, die Sensoren auszutricksen.

Ganz langsam robbten wir auf dem Bauch in Richtung Treppe. Als wir diese Strecke überwunden hatten, schlichen wir lautlos nach oben, wo wir den Hauptschalter 367

für das Sicherheitssystem fanden. Dasianeras und Giovannas Tante, war in diesem Punkt wirklich nachlässig. Jeder Bösewicht, der auch nur ein bisschen klar im Kopf ist, würde den Schalter so anbringen, dass selbst zwei gestandene Spezialisten wie Jelena und ich diesen auch erst nach längerem Suchen gefunden hätten. Wir schlichen die Balustrade entlang und leuchteten mit unseren Taschenlampen in jedes Zimmer. Eine Tür war jedoch verschlossen und durch eine eigene Alarmanlage gesichert. Offenbar hatte Margarita damit gerechnet, dass jemand die Hauptanlage deaktivieren würde. Doch auch hier war sie extrem nachlässig. Ein simpler Draht war mit einer Alarmglocke verbunden, und würde einen Alarm auslösen, sobald jemand versuchte, die Tür zu öffnen. Ich holte eine Zange aus meinem mitgeführten Etui und schnitt den Draht durch.

Jelena schraubte einen Schalldämpfer auf ihre Makarow. Danach öffnete ich lautlos die Tür, während meine Partnerin einen Lappen mit Chloroform tränkte. Dasianeras und Giovannas Tante schlief tief und fest, nicht ahnend, dass sie dieses Haus nie wieder betreten würde. Ich tippte dieser Frau auf die Schulter. Ruckartig setzte sie sich auf. Jelena war rasch zur Stelle und drückte ihr den Lappen ins Gesicht. Es dauerte nicht lange, und Margarita Goncalves de Almeida war außer Gefecht. Rasch lud ich sie auf meine Schulter und wir verließen das Zimmer. Natürlich waren Jelena und ich darauf bedacht, so wenig Lärm wie möglich zu machen, um das Wachpersonal nicht zu wecken.

Irgendwie schafften Jelena und ich es, das Grundstück mitsamt unserer Geisel unbemerkt zu verlassen. Erst im Zug kam dieses Miststück wieder zu sich. Vorsorglich hatten Jelena und Alejandra Dasianeras und Giovannas Tante an Händen und Füßen gefesselt. Zuerst blickte sie zu Jelena und dann zu mir. „Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?“ „Wir sind die good Guys.“ „Ihre Namen will ich wissen. Ich will bei ihren Vorgesetzten Beschwerde einreichen. Denn Sie beide haben eindeutig Ihre Kompetenzen überschritten.“ „Paul MacLain und Jelena Romanova sind ihre eigenen Chefs. Da hilft keine Beschwerde.“, klärte Alejandra auf.

„Ich werde dafür sorgen, dass man Ihnen ihre Lizenz entzieht.“ „Wir haben zwar eine deutsche Lizenz, weil unsere Detektei ihren Sitz in Frankfurt am Main hat, aber wir sind international anerkannt. Deshalb dürfen wir auch außerhalb Deutschlands ermitteln.“, sagte ich mit einem diabolischen Lächeln. „Ich garantiere Ihnen, ihre ungerechtfertigte Entführung meiner Person wird Ihnen beiden das Genick brechen.“ „Was Sie so abwertend als Entführung bezeichnen, sehe ich als Sicherungsmaßnahme. Wir haben Sie in Gewahrsam genommen, weil Sie versucht haben, sich dem Gesetz zu entziehen.“ „Wenn wir in Rio sind, lasse ich Sie und ihre Freunde einsperren.“, sagte Margarita. „Das seh ich anders, Tante. Paul MacLain und Jelena Romanova wurden von der Leiterin des Jugenddezernats beauftragt, deine Gönnerin auszuschalten. Patricia Velasquez wandert hinter Gitter. Aber für dich haben wir uns was anderes einfallen lassen. Welches Schicksal dich erwartet, bleibt bis zu Letzt unser Geheimnis.“, sagte Giovanna, die mittlerweile das Abteil betreten hatte.“ „Giovanna! Du läufst ja noch frei herum! Wie kann das sein?“ 368

„Da staunst du, was Tante? Dass ich noch frei bin, verdanke ich Senhor MacLain und seiner Partnerin.“ „Dafür werden Sie mir büßen. Ich werde nicht eher Ruhe geben, bis sie beide tot vor meinen Füßen liegen.“

„Sie können uns nicht drohen. Sie werden nur noch das tun, was wir anordnen.“ „Einen Dreck werde ich tun.“ „Was wollen Sie denn noch groß gegen uns unternehmen. Anscheinend haben Sie vergessen, dass Sie an Händen und Füßen gefesselt sind. Sie können uns nicht gefährlich werden.“ „LÖSEN SIE DIE FESSELN, UND ICH WERDE NOCH MEHR ALS DAS TUN!“ Doch so schnell, wie Margarita Goncalves de Almeida in den Lauf von Alejandras Beretta blickte, konnte ihr nicht mal das Herz in die Hose rutschen. „Das Spiel ist vorbei. Haben Sie allen ernstes geglaubt, wir würden Sie nicht aufstöbern? Wenn Sie das geglaubt haben, dann sind Sie bei uns an der falschen Adresse.“

Um 22:50 Uhr trafen wir wieder in Rio ein. Jelena hatte Dasianeras und Giovannas Tante zuvor wieder mit Chloroform betäubt. Mit Hilfe der örtlichen Polizei brachten wir Margarita Goncalves de Almeida ins Gefängnis Vicente Piragibe. Wir sperrten sie in eine Einzelzelle. Jelena stopfte ihr zur Sicherheit noch etwas Oropax in die Ohren, damit die Tante von Dasianera und Giovanna bloß nichts von dem mitbekam, was wir besprachen. „Wir sollten sie spurlos verschwinden lassen.“, schlug Jelena vor. „Der Meinung bin ich auch. Wenn wir sie hier lassen, holt „La Duchesse“ sie garantiert wieder aus dem Knast.“ „Welche Art von Raubfischen lebt eigentlich an der brasilianischen Küste?“, stellte ich eine nicht ganz unerhebliche Frage. „Barrakudas.“ „Dann verfüttern diese Schnepfe eben an die Barrakudas.“ „Die Idee ist gut, Paul. Leider hat sie einen Haken.“, sagte Alejandra. „Welchen?" „Diese Fische leben nur an der Südküste Brasiliens. Zum Glück habe ich noch eine Yacht hier.“ „Und was für eine?“ „Eine Admiral Maxima 47 Entourage. Das Boot trägt den Namen „Elektra“.

Am nächsten Morgen liefen wir um 7:45 Uhr Ortszeit mit Alejandras Hochseejacht aus dem Hafen von Rio aus. Alejandra selbst stand am Ruder und steuerte die Jacht geschickt an den großen Fracht- und Kreuzfahrtschiffen vorbei, die den Hafen von Rio an diesem Tag anliefen, oder ihn in alle Windrichtungen verließen. Als wir den Hafen hinter uns gelassen hatten, steuerte Heras Cousine die „Elektra“ auf einen südlichen Kurs, bis wir die brasilianischen Hoheitsgewässer hinter uns gelassen hatten. Dasianeras und Giovannas Tante hatten wir unter Deck eingesperrt. Die Hände und die Füße immer noch gefesselt. Ich spähte über den Rand der Reling und sah eine Gruppe Barrakudas im Wasser. Ich schätzte die Größe der Tiere auf 1,40 m. Die Fische standen still im Wasser. In einem Wikipedia-Artikel über den großen Barrakuda, denn um diese Art handelte sich bei diesem Schwarm, hatte ich gelesen, dass dieser Raubfisch so seine Beute fängt. Außerdem hatte ich gelesen, dass ausgewachsene Tiere Einzelgänger sind und man sie eher selten in Gruppen antreffen kann. Doch zu meiner Überraschung zählte ich 30 Tiere.

Margarita wurde an Deck gebracht. Hera hielt sie mit ihrer Heckler & Koch in Schach. „So Margarita. Wir haben unser Ziel erreicht. Von hier trittst du deine letzte Reise an.“ „Ich komme wieder! Und dann werde ich Sie und ihre Partnerin töten!“ 369

„Wenn die Barrakudas dich am Leben lassen, dann sehen wir weiter. Aber selbst wenn du dann noch lebst, dann dürften sich die Haie über ein zusätzliches Frühstück freuen.“, sagte Jelena.

Unterdessen hatte ich mein Überlebensmesser aus meiner Jackentasche gezogen. Ich zog es aus seiner Schutzhülle und prüfte die Klinge. Sie war noch scharf. Einmal mehr machte sich meine Sorgfalt, die ich während meiner aktiven Zeit beim SAS an den Tag gelegt hatte, bezahlt. „Deine letzte Stunde hat geschlagen. Grüß den Teufel, wenn du ihm in der Hölle begegnest.“, sagte ich und setzte einen Schnitt quer über Margaritas rechten Oberschenkel. Sie wurde an die Reling gebracht und von ihren Fesseln befreit. Damit dieses Miststück nicht um sich schlug oder nach einem von uns trat packte Jelena sie an den Handgelenken, während ich sie an den Füßen packte. Mit ordentlich Schwung warfen wir Margarita Goncalves de Almeida über Bord. Die Barrakudas waren sofort zur Stelle und setzten mehrere schmerzhafte Bisse, ehe sie davon schwammen.

Wir blieben noch eine Weile, um zu sehen, was noch passierte. Keine 10 Minuten später teilten sich die Fluten und eine Dreiecksflosse tauchte auf. Ein Hai hatte die verwundete Margarita entdeckt. Als das Tier die Endphase seines Angriffs einleitete verschwand die Dreiecksflosse unter Wasser. Kurze Zeit später tauchte der Hai auf und schlug seine Zähne in sein Opfer. Das Wasser färbte sich rot, als das Tier Margarita Goncalves de Almeida unter die Wasseroberfläche zog. „Konntet Ihr sehen, was für ein Hai das war? Ich nicht.“ „Es war ein großer Weißer.“

Um12:00 Uhr kehrten wir nach Rio zurück. Auf dem Weg zurück wären wir jedoch beinahe mit einem Kreuzfahrtriesen kollidiert. Es war die Queen Victoria der Cunard Line. Das Schiff wollte gerade in das sichere Fahrwasser einfahren, als unser Boot steuerbord dicht an ihm vorbeiraste. Der Kapitän machte mit dem Tifon des Schiffes seinem Ärger Luft. „Mann, das war aber knapp. Fährst du immer so halsbrecherische Manöver, Alejandra?“, fragte ich, als wir anlegten. „Nur wenn ich es eilig habe.“ „Was ist denn so eilig, dass du fast eine Kollision mit einem Kreuzfahrtschiff riskierst?“ „Willst du „La Duchesse“ einbuchten oder nicht? Ohne Margarita Goncalves de Almeida ist Patricia Velasquez erledigt. Und das weißt du genauso gut wie ich.“

Am späten Nachmittag, es war 17:30 Uhr Ortszeit trafen wir uns mit der Polizei vor dem Haus von Patricia Velasquez. Aus Brasilia war ein neben einem Haft- auch ein Durchsuchungsbefehl bei der örtlichen Polizeistation eingegangen. Jelena betätigte die Klingel. Das Tor öffnete sich und wir betraten das Grundstück. Aus der Eingangstür trat ein Mann. Er war wohl so etwas wie der persönliche Sekretär von „La Duchesse“. Er war 1,72 m groß und besaß einen schlanken Körper. Sein rundes Gesicht wies ernste Züge auf. Auch seine braunen Augen blickten ernst drein. Seine hellbraunen Haare trug er kurz. Auffällig war auch die Hakennase in seinem Gesicht. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammen gekniffen. Ein Zeichen von Anspannung. Bekleidet war der Typ mit einem weißen Anzug, einem roten Hemd, weißen Herrenschuhen, sowie schwarzen Socken. Zu dem Hemd trug er noch eine schwarze Krawatte mit silbernen Streifen. 370

„Was wünschen die Herrschaften?“, fragte er mit einem hochnäsigen Tonfall. „Wir würden uns gerne im Haus ihrer Chefin umsehen.“, sagte ich und hielt dem Mann, der sich als Jameson vorstellte, den Durchsuchungsbefehl unter die Nase.

„Dagegen muss ich energisch Protest erheben.“, sagte Jameson. „An deiner Stelle würde ich ganz schnell die Klappe halten, Durak. Oder willst du wegen Behinderung der Justiz in den Knast wandern?“ Nur widerwillig ließ uns Jameson eintreten. Ein Teil der Polizisten suchte mit Hera und El Doberman in den Arbeitsräumen, während die restlichen Polizeibeamten zusammen mit Jelena und mir Patricia Velasquez aufsuchte. Wir fanden sie in ihrem Studierzimmer.

„La Duchesse“ war etwas überrascht, als Jelena ihr den Haftbefehl unter die Nase hielt. „Das ist jetzt wohl ein verspäteter Aprilscherz.“ „Durchaus nicht. Wir haben genügend Beweise, um Sie für eine ziemlich lange Zeit hinter schwedische Gardinen zu schicken.“ „Dafür mach ich Sie beide fertig. Dasianeras und Giovannas Tante wird mir helfen.“ „Das wage ich zu bezweifeln. Es sei denn, sie könnte von den Toten wieder auferstehen.“, sagte ich und zog süffisant eine Augenbraue nach oben. Patricia Velasquez wurde kreidebleich. „Wie ist sie gestorben?“, fragte sie leise. „Ein weißer Hai hat sich ihrer angenommen.“ „Sie sind keine Menschen, Sie und ihre Partnerin sind Monster.“ „Das einzige Monster, das ich sehe, sitzt genau vor mir. Sie hatten kein Recht, die Zukunftsträume unschuldiger junger Mädchen zu zerstören, und diese auf den Straßenstrich zu zwingen.“, sagte Jelena.

„WAS VERSTEHEN SIE DENN DAVON? SIE WISSEN NICHT, WAS ES BEDEUTET, WENN MAN IN ARMUT AUFWÄCHST! DIE ANDEREN JUNGEN MÄDCHEN IN MEINEM ALTER HABEN MICH AUSGELACHT UND VERSPOTTET, UND HABEN ALS ÄRZTINNEN, RECHTSANWÄLTINNEN UND IN ANDEREN HOHEN BERUFEN KARRIERE GEMACHT. UND ICH BIN IMMER LEER AUSGEGANGEN. WIE AUCH? ICH HATTE KEINEN SCHULABSCHLUSS, KEINE AUSBILDUNG! FÜR MICH BLIEB NUR DER STRAßENSTRICH!!!“ „Und deshalb wollten Sie sich an der Gesellschaft rächen, indem Sie anderen jungen Mädchen ihre Zukunftsträume gestohlen und ihre eigene Verwandtschaft begünstigt haben.“ „Sie haben es ja auch verdient. Wer loyal zu mir steht, der wird belohnt. Wer mich verrät, wird bestraft. So einfach ist das.“

Eine Woche später, wir schrieben Montag, den 06.07.2020 machte man „La Duchesse“ den Prozess. Beim Auftakt selbst waren wir noch anwesend, doch dann wurde es für uns doch Zeit, nach Hause zurückzukehren. Jelena und ich checkten aus, und fuhren zum Flughafen von Rio de Janeiro zurück. Dort gaben wir den Peugeot bei der Autovermietung zurück. Wir wollten gerade unsere Koffer aufgeben, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um. Vor uns standen die beiden Cousinen. „Ich denke, nach der Aufregung könnt Ihr ein bisschen Erholung gebrauchen.“, sagte Alejandra. „Soll das eine Einladung sein?“ „Zugegeben, Frankfurt hat auch seine schönen Seiten. Zumindest im Sommer. Aber warum lasst Ihr den Fall nicht wieder auf Kreta ausklingen? Mein Sohn würde sich freuen, wenn er Camille wieder sieht. Er hat mir vor kurzem sogar erzählt, dass er sich 371

Samanthas Adoptivtochter verliebt hat.“ „Na sowas. Aber wer weiß, was Camilles leibliche Eltern dazu sagen werden. Sehr erfreut werden die nicht gerade sein, wenn sie erfahren, dass sie den Sohn einer vermeintlichen Drogenbaronin eventuell als Schwiegersohn kriegen.“, warf Jelena ein. „Die haben da nicht viel mitzureden, Paul. Den beiden wurde das Sorgerecht für das Mädchen entzogen.“

Am nächsten Morgen, es war Mittwoch, der 8.07.2020 landeten wir auf dem Flughafen von Sitia. Dort wartete wieder der schwarze Lincoln, mit dem wir zu Alejandras Villa fuhren. Dort angekommen, wurden wir von unseren Freunden und Angehörigen bereits erwartet. Auch die beiden Schwestern und ihr Protegé waren gekommen. Ebenso Thais.

Nach dem Abendessen saßen wir noch gemütlich beisammen. Jelena trug das blaue Abendkleid, dass ich ihr bei unserem ersten gemeinsamen Fall als Partner in Belgien gekauft hatte. „Wisst Ihr schon das neueste?“, fragte Thais. „Nein.“ „Patricia Velasquez wurde zu 23 Jahren Haft verurteilt.“ „Geschieht ihr Recht.“, sagte Camille. Marilyn und Thais sahen sich fragend an. „Camille ist unser Moralapostel. Sie sagt immer was sie denkt, auch wenn es dem anderen weh tut.“ „Ich versteh bis heute nicht, warum diese Frau nur so grausam sein konnte.“ „Die Motive werden für uns außenstehende wohl für immer im Dunkeln bleiben. Aber aus meiner Sicht hat diese Bitch das bekommen, was sie verdient hat. Die kommt garantiert als Leiche wieder raus.“, sagte Camille. „Aber das Problem der Kinder- und Jugendprostitution in Rio de Janeiro ist damit leider nicht gelöst.“ Alle Augen richteten sich nun auf meine Schwester Samantha. „Ich meine, selbst wenn „La Duchesse“ jetzt hinter schwedischen Gardinen sitzt, kommt garantiert der nächste und nimmt ihren Platz ein.“ Samantha hatte Recht.

Kurz bevor wir uns zu Bett begaben, überprüfte ich den Kontostand auf unserem Konto. Dort waren 45.000 € eingegangen. Damit war unser Auftrag in Brasilien erledigt. Doch dass sich unser nächster Fall zu einem Familiendrama für mich entwickeln würde, ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. 372

27. Fall - Familienvendetta in Vancouver

27. Fall – Familienvendetta in Vancouver

Am Montag, den 13.07.2020, erreichte mich ein Anruf auf meinem Privathandy. „Paul MacLain. Welche gallische Nervensäge stört?“ „Ich finde das nicht sehr komisch, werter Cousin.“ Schlagartig saß ich senkrecht im Bett. „Chrissy! Weiß Gott, ist schon ne Weile her, seit wir das letzte Mal Kontakt miteinander hatten.“ „Vier Jahre, Paul.“ „Du klingst so bedrückt. Geht es dir nicht gut?“ „Mein Leben wird bedroht, mein lieber Vetter.“ „Was hast du jetzt schon wieder angestellt, Cousine?“ „Was meinst du damit, Paul?“ „Chrissy! Man dich keine fünf Minuten alleine lassen, ohne dass du in Schwierigkeiten gerätst. Also, was hast du dieses Mal verzapft?“ „Gar nichts.“ „Chrissy! Versuch nicht, mich zu verarschen. Ich kenn dich nur zu gut.“ „Ich hab nichts angestellt. Ehrenwort.“ „Kannst du mir näheres sagen?“ „Nicht am Telefon, Cousin. Ich bin Donnerstag in Frankfurt. Ich muss eine Messe mit aufbauen.“ „Wann kannst du im Büro sein?“ „In welchem Büro?“ „In meinem Detektivbüro.“ „Na sieh mal einer an, mein teurer Vetter arbeitet als Privatschnüffler.“ „Ich bin einer der besten.“ „Und wer ist dann DIE Beste?“ „Meine Juniorpartnerin Jelena Romanova.“ „Wann passt es dir Donnerstag am Besten, Paul?“ „Ist 11:30 Uhr für dich in Ordnung?“ „Sorry, aber da muss ich noch arbeiten. Geht auch 14:00 Uhr?“ „Wenn du ein Eis spendierst, gerne Cousine.“, sagte ich.

Am 16.07.2020, es war der besagte Donnerstag, klingelte es Punkt 14:00 Uhr an der Eingangstür. Brit betätigte den Türöffner. Nur kurze Zeit später hörten wir Schritte auf der Treppe. Dann klingelte es an der Tür unseres Büros. Unsere Sekretärin öffnete. Die Frau, die eintrat, war ein heißer Feger. Zugegeben, Chrissy war schon als Teenager eine atemberaubende Schönheit. Und die Zeit hatte aus dem sexy Schwan eine 35jährige Göttin gemacht. Chrissy war 1,67 m groß und besaß einen schlanken, sexy Körper. Wie nicht anders zu erwarten, war meine Cousine mit einer üppigen Oberweite gesegnet. Ihre blonden Haare trug sie offen und schulterlang. Auch ihre Beine waren nicht zu verachten. Ebenso wie das ovale Gesicht mit seinen haselnussbraunen Augen. Ihre Nase war zwar etwas breit, fügte sich aber dennoch harmonisch in Chrissys Gesicht ein. Auch ihre Lippen waren durchaus als sinnlich zu bezeichnen. Bekleidet war Chrissy mit einem goldenen Minikleid und goldenen High Heels. Um den Hals trug sie eine Goldkette.

„Hi Paul. Schön dich zu sehen.“, sagte Chrissy. „Lass dich drücken, Cousine.“ Nach einer innigen Umarmung stellte ich meiner Cousine meine Juniorpartnerin vor. „Darf ich bekannt machen: Meine Juniorpartnerin Jelena Romanova.“ „Freut mich sehr.“ sagte Jelena und gab Chrissy mit einem festen Händedruck die Hand. „Setz dich doch, Chrissy.“ „Danke, Cousin.“ Als sich meine Cousine setzte, sah ich, dass sie unter ihrem Kleid noch einen schwarzen Slip trug. „Was können meine Partnerin und ich für dich tun?“ „Wie ich es dir schon am Montag gesagt habe, wird mein Leben bedroht.“ „Hast du schon einen Verdacht?“ „Ich kann dir genau sagen, wer es ist.“ „Wer?“ „Jamie und Norris Doohan.“ In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken. „Kennst du die Typen etwa, Towarischtsch?“, fragte Jelena. „Und ob ich die kenne. Das sind die älteren Brüder von Mick Doohan, dem ich meine dreijährige Haftstrafe verdanke.“ 373

„Du hast mir die Geschichte nie erzählt, Partner.“ „Ich hatte bisher nicht die Gelegenheit dazu.“ „Komm schon, Paul. Hör auf zu flunkern. Du hattest schlichtweg keine Lust dazu. Und das zeigt mir, dass Du mir nicht vertraust. Als deine Partnerin habe ich etwas besseres verdient.“, sagte Jelena gekränkt. „Ich vertraue dir voll und ganz, Jelena. Allerdings betrifft dies ein Kapitel meines Lebens, über das ich nicht gerne spreche.“

„Verstehe. Aber du solltest zumindest mit mir darüber reden. Ich merke nämlich, wie sehr dich das belastet. Wir beide haben in Brasilien eine Straftat begangen, indem wir Renita Benitez und Margarita Goncalves de Almeida spurlos haben verschwinden lassen. Im Prinzip war es Mord.“ „Den man uns aber nicht nachweisen kann.“ „Trotzdem Cousin. Ihr zwei Hübschen habt kaltblütig zwei Menschen umgebracht. Da beißt die Maus keinen Faden ab.“ Ich seufzte. „Also schön. Hier und heute breche ich mein Schweigen. Der Grund, warum ich drei Jahre im Knast schmoren musste, war eine Frau. Meine Jugendliebe, wenn Du es genau wissen willst, Jelena. Mick Doohan hat sich ebenfalls für sie interessiert. Und weil Catherine, so hieß meine Jugendliebe, mir den Vorzug gegeben hat, wollte er mich aus dem Weg haben. Mick hat zusammen mit seinen Brüdern Jamie und Norris eine Kneipenschlägerei angezettelt und mich vor Gericht gestellt. Und obwohl alle Zeugen zu meinen Gunsten ausgesagt haben, hat man mich zu drei Jahren Haft verurteilt. Als ich 2013 aus dem Gefängnis raus war, wollte Mick mich wieder vor den Kadi schleifen, um mich noch einmal einzubuchten. Da haben Samantha und ich Großbritannien verlassen und uns hier niedergelassen. Ich habe meine Ausbildung als Privatdetektiv gemacht und Samantha hat ihre Kanzlei eröffnet. Am 20.05.2017 haben Mick und ich uns hier in diesem Raum gegenüber gestanden. Er wollte mich damals erschießen. Allerdings ist er dann selbst vor Gericht gelandet und hat als Strafmaß Lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung gekriegt.“

„Hast du ihn danach noch einmal gesehen?“ „Ja. Er wurde mir bei meinem ersten Fall als Lockvogel zugeteilt. Peter Löwitsch, der Mittelsmann von Robert Burgstaller, hat Mick die Lampen ausgeschossen, als wir ihn haben hoch gehen lassen.“ „Jetzt wird mir so einiges klar, Towarischtsch. Jamie und Norris geben dir die Schuld am Tod ihres Bruders Mick.“ „Sieht fast so aus.“ „Hat Catherine sich nicht selbst das Leben genommen, holder Cousin?“ „Ja. Und dafür hat Mick mir die Schuld gegeben.“ „Also schließt sich der Kreis. Aber keine Angst, ich stehe an deiner Seite, Partner. Du hast mir in Südafrika gesagt, dass du ohne mich ein Nichts bist. Ohne dich bin ich ein Niemand.“

„Was kostet mich der Spaß, Paul?“, fragte Chrissy. „Hör mal, du bist meine Cousine. Da werd ich doch kein Geld verlangen.“ „Verwandtschaft hin oder her. Ich komme als deine, nein besser als eure Klientin.“ „Unter 10.000 € geht bei uns gar nichts. Qualität hat nun mal ihren Preis.“, sagte Jelena. „Ich habe vor kurzem eine nicht unerhebliche Summe im zweistelligen Millionenbereich geerbt. Sind 3 Millionen für jeden in Ordnung?“ „Einverstanden. Aber vor dem 20.07. schaffen wir es unmöglich.“ „Bis dahin könnten Jamie und Norris herausgefunden haben, wo ich wohne.“ „Und welche Stadt hat du dir als festen Wohnsitz auserkoren?“ „Ich lebe und arbeite in 374

Vancouver.“ „Hör zu, Chrissy. Du hältst die Knochen still, bis wir da sind. Geh nur raus, wenn es unbedingt nötig ist. Und geh niemals allein aus dem Haus.“, sagte ich. „Keine Bange. Die meiste Zeit arbeite ich sowieso von zu Hause aus. Ich bin nur zum abschließenden Gespräch mit meinem jeweiligen Kunden im Büro.“ „Was machst du eigentlich beruflich?“, wollte ich wissen. „Ich arbeite als Eventmanagerin.“

Am Sonntag, den 19.07.2020, brachte meine Schwester Samantha Jelena und mich zum Flughafen. Dafür war sie extra um 4:00 Uhr morgens aufgestanden. Wir hatten noch am vergangenen Freitag einen Flug mit Air Canada von Frankfurt nach Vancouver mit Zwischenlandung in Toronto gebucht. Unser Hotel war das Executive Hotel Vintage Park in der Nähe des False Creek. Chrissy war beleidigt, hatte sie doch gehofft, wir würden bei ihr wohnen. Doch ich konnte meine Cousine überzeugen, dass es besser war, wenn wir in einem Hotel wohnen würden. Denn hätten wir im Haus meiner Cousine gewohnt, dann wären Jamie und Norris alarmiert gewesen.

Am Schalter 662 von Air Canada im Terminal 1 gaben Jelena und ich unsere Koffer auf. Samantha brachte uns anschließend noch zur Sicherheitsschleuse. „Kommt heil nach Hause.“, sagte sie. „Keine Bange. Ich mach Jamie und Norris fertig. Die beiden werden den Tag verfluchen, an dem ihr Bruder die Intrige gegen mich begonnen hat.“ „Du kennst Jamie und Norris, Bruderherz.“ „Sicher. Und dieses Mal wird dieses Spiel zu Ende gespielt. De Facto sind die beiden Rotzlutscher schon schachmatt. Sie sind sich dessen nur noch nicht bewusst.“

Wie immer passierten wir die Sicherheitsschleuse ohne Probleme. „Komisch. Jedes mal, wenn die beiden durch die Sicherheitsschleuse gehen, schlägt der Detektor nie an. Da stimmt doch was nicht.“, sagte eine Frau zu der hinter ihr stehenden Person. „Die beiden haben halt Glück. Mehr nicht.“ „Finden Sie? Beim letzten Mal hat der Scanner bei einem anderen Reisenden angeschlagen. Der Arme schmort immer noch hinter schwedischen Gardinen.“ „Pech. Was schleppt der auch eine Waffe mit sich herum.“ „Wie können Sie nur so herzlos sein? Der Mann ist unschuldig.“ „Der Kerl hat für Patricia Velasquez gearbeitet, soweit ich gehört habe. Er hatte den Auftrag, die beiden umzubringen.“

Wir gingen weiter in den Transitbereich, wo wir uns zwei freie Plätze reservierten. Ich studierte gerade die Anzeige, um unseren Flug zu suchen, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um und sah in das Gesicht von Hera Arnakis. Neben ihr stand ihre Cousine Alejandra Valderrama. „Hi Paul. Ist schon ein bisschen her, seit unserem Treffen auf Kreta.“, sagte Hera. „Da ist was wahres dran. Aber meine Partnerin und ich fliegen heute nach Vancouver. Meine Cousine ist in ernsthaften Schwierigkeiten.“ „Dann könnt Ihr unsere Hilfe brauchen. In welchem Hotel habt Ihr gebucht?“ „Im Executive Hotel Vintage Park.“ „Sehr gut. Dort haben wir auch ein Zimmer. Also Paul. Wenn wir in Vancouver sind, dann werden Hera und ich die bösen Buben im Auge behalten.“ „Jamie und Norris Doohan sind ziemlich gerissen.“ „Wir sind auch nicht auf den Kopf gefallen.“ „Apropos. Wonach suchst du eigentlich, Paul?“ „An welchem Gate unser Flug zum Boarding bereit gestellt wird.“ 375

„Welche Flugnummer?“ „AC 888.“ Alejandra schaute kurz auf das Display und fand schon nach 3 Minuten unseren Flug. „Ich hab ihn, Paul. Flug AC 888 wird an Gate B15 abgefertigt.“

Wir begaben uns direkt dort hin. Am Gate angekommen suchten wir uns vier Plätze nebeneinander. „Habt Ihr schon einen Plan?“, wollte Hera wissen. „Einen von den beiden sollten wir schon eher erledigen. Zusammen sind Jamie und Norris eine größere Gefahr als jeder für sich alleine.“ „Wer ist der gefährlichere von den beiden?“ „Norris.“ „Bis wir in Vancouver sind, haben meine Cousine und ich schon einen Plan.“, sagte Alejandra.

Um 9:30 Uhr wurde unser Flug zum Boarding aufgerufen. „Achtung! Alle Passagiere des Fluges AC 888 werden gebeten sich umgehend an Bord der Maschine zu begeben. Ich wiederhole: Alle Passagiere des Fluges AC 888 werden gebeten sich umgehend an Bord der Maschine zu begeben.“ Wir gingen zum Schalter und scannten unsere Boarding Pässe ein. Danach ging es weiter zur Maschine, einer Boeing 787-9, wo wir einer Flugbegleiterin der Airline unsere Boarding Pässe noch einmal zeigten.

Pünktlich um 10:00 Uhr startete unser Flieger zu seinem Flug nach Vancouver. Um 18:35 Uhr erreichten wir unseren Zwischenstopp in Toronto. Die Maschine wurde aufgetankt und das Gepäck der Passagiere, die nur bis Toronto gebucht hatten wurde ausgeladen. 50 Leute verließen den „Dreamliner“, wie Boeing die 787 nannte.

Um 20:30 Uhr ging es dann weiter. In den 2 Stunden waren noch einmal 16 neue Passagiere an Bord gekommen. Um 1:35 Uhr landeten wir dann auf dem Vancouver International Airport. Nach dem Aussteigen gingen wir vier zur Gepäckausgabe und warteten an Band Nr. 4 auf unsere Koffer. Nachdem wir unser Gepäck geholt hatten trennten sich unsere Wege. Hera und Alejandra wurden von einem weißen Lincoln Towncar abgeholt, während Jelena und ich zu einer Autovermietung gingen. Bei Europcar mieteten wir einen geländegängigen Pick-Up der Ford Motor Company.

Wir hatten uns für einen Ford Ranger Wildtrack mit Doppelkabine entschieden. Angetrieben wurde der Wagen vom 3,2-Liter-TDCI-Motor der 200 PS leistete. Als Getriebe hatte man das Start/Stop-6-Gang-Getriebe verbaut. Außerdem hatte unser Ford Ranger die programmierbare Standheizung und das Offroad Paket erhalten. Auch an eine 230 Volt-Steckdose in der Kabine hatte man bei Europcar gedacht. Als weiteres Extra gab es noch ein Park-Pilot-System vorn und hinten. Ein weiteres Highlight, das mir als Technik-Nerd auffiel, waren die Felgenschlösser. Natürlich durfte auch eine ordentliche Alarmanlage nicht fehlen. Ford hatte auf Wunsch von Europcar die Diebstahl-Alarmanlage mit Innenraumüberwachung eingebaut. Und da in Kanada das Wetter gerne mal umschlägt, hatte man bei der Autovermietung gleich die Laderaumabdeckung „Roller Shutter“ mitbestellt. Und zu guter Letzt sollte noch das Radiopaket 129 erwähnt werden. Lackiert war unser Ranger in Outdoor Orange Metallic.

Vom Flughafen, der auf Sea Island errichtet worden war, fuhren wir nach 376

Norden. Auf unserem Weg zu unserem Hotel kamen wir durch den Stadtteil Kerrisdale, in dem meine Cousine wohnte. Unser Hotel lag in einem anderen Stadtteil Vancouvers, in Kitsilano. Das Vintage Park war eine Mischung aus einer Stahl-Glas-Konstruktion und einer Beton-Glas-Konstruktion. Der vordere runde Teil war aus Stahl und Glas gefertigt, während der Eingangsbereich überwiegend aus Beton gebaut worden war. Die Fenster der Zimmer waren großzügig und lichtdurchlässig.

Als wir die Lobby des Hotels betraten, sah der Mann an der Rezeption von seinem Monitor auf. „Was kann ich für Sie tun, Mister?“, fragte er. „Paul MacLain und Jelena Romanova. Wir haben reserviert.“ „Einen Moment bitte.“ Der Mann suchte im System. „Sekunde! Da stimmt was nicht! Die Zimmer, die Sie reserviert haben, wurden ein zweites Mal vermietet.“ „An wen?“ „An eine Miss Guaido und einen Mister Masterson. Ich ruf mal schnell meinen Chef. Haben Sie bitte einen Moment Geduld.“

Nach 10 Minuten kam dann der Leiter des Hotels. „Wo brennts denn?“, fragte er. „Irgendwer hat die Zimmer Nummer 706 und 707 doppelt gebucht.“ „Ja ich sehe es. Sind Miss Guaido und Mister Masterson auf ihren Zimmern?“ „Ich befürchte, die horchen schon am Kopfkissen.“ „Na schön. Welche Zimmer haben wir noch frei?“ „Zimmer 710 und 712 wären noch frei. Die sind sogar noch besser gelegen, weil man von dort einen schönen Blick auf den False Creek hat.“ „Was meinen Sie Mr. MacLain?“ „Hab ich keine Probleme mit. Darf ich noch eine Frage stellen?“ „Nur zu.“ „Welches Zimmer haben Hera Arnakis und ihre Cousine Alejandra Valderrama?“ „Kennen Sie die beiden?“ „Seit unserem Fall auf Zypern.“ „Die Cousinen haben Zimmer 714.“

Wir bezogen unsere Zimmer. Auf dem Gang lief uns Hera Arnakis in die Arme. „Welche Zimmer habe ihr?“ „710 und 712.“ „Solltet Ihr nicht die Nummern 706 und 707 haben?“, fragte Hera stutzig. „Das schon. Aber irgend so ein klingonischer Vollpfosten hat die Zimmer doppelt gebucht.“ „Und jetzt hat jemand anderes die Zimmer von euch bekommen.“ „So sieht es wohl aus.“ „Na ja, egal. Hauptsache, Ihr seid untergebracht. Und jetzt schlaft euch erst mal aus. Wir sehen uns später beim Frühstück.“

Am 20.07.2020 ging ich nach dem Frühstück raus an die frische Luft. Auf der anderen Straßenseite bemerkte ich einen SUV der Marke Chevrolet. Als Technikfreak erkannte ich sofort, dass es sich bei diesem Modell um einen Chevy Blazer der S10-Reihe handelte. Der Wagen war in Cajun Red lackiert, einem Rot-Ton aus er aktuellen Farbpalette von Chevrolet. Ich notierte mir das Kennzeichen und schickte über mein Smartphone eine Anfrage an die örtliche Polizeidienststelle. Deren Antwort kam nach 15 Minuten. „Mr. MacLain! Der besagte Chevrolet mit Kennzeichen ND 1447 ist auf Norris Doohan zugelassen. Es handelt sich um einen Chevrolet Blazer aus dem Jahr 1995.“ „Danke für die Auskunft. Können Sie mir noch sagen, welche Autowerkstatt Norris immer aufsucht?“ „Klar. Norris ist Stammkunde bei Barneys Garage.“ 377

Auf Jelenas Zimmer trafen wir uns mit den Hera und Alejandra. „Du warst nach dem Frühstück so schnell verschwunden, Paul. Stimmt was nicht?“ „Jamie und Norris haben uns einen Besuch abgestattet. Ich habe einen SUV, einen Chevrolet Blazer der Reihe S10 aus dem Jahr 1995 auf der anderen Straßenseite gesehen. Lackiert im aktuellen Rot aus der 2020er Farbpalette.“ „Und wem gehört der Chevy?“ „Norris Doohan. Er lässt seinen Wagen bei Barneys Garage warten und reparieren.“ „Dann sollten wir uns den Mechaniker schnappen, der an dem Auto immer arbeitet.“

Vom Portier erfuhren wir, dass Barneys Garage in der Powell Street lag. Mit unserem Ford fuhren wir zu der Werkstatt. Als wir auf den Hof fuhren, kam der Chef aus seinem Büro. Barney war ein älterer, schlaksiger Mann mit weißen, schulterlangen Haaren und stechend blauen Augen. Ihm fehlten ein paar Zähne. Sein Kinn war mit unzähligen Bartstoppeln übersät. „Guten Tag. Kann ich den Herrschaften irgendwie behilflich sein?“, fragte Barney mit einer leicht krächzenden Stimme. „Mein Name ist MacLain. Paul MacLain.“ „Der Name ist mir nicht unbekannt. Sie kommen nicht zufällig aus Inverness?“ „Doch das tu Ich. Mein Vater war David MacLain.“ „Paul MacLain! Mann bist du groß geworden. Lass dich mal drücken Junge!“

Nach einer innigen Umarmung kam Barney gleich zur Sache. „Also Paul. Was führt dich nach Vancouver?“ „Die Arbeit. Jamie und Norris Doohan bedrohen das Leben meiner Cousine Chrissy.“ „Dann sei besser vorsichtig. Mit den beiden ist nicht gut Kirschen essen.“ „Ich kenn die beiden Wichser. Sag mal, Barney, hat Norris noch den roten Chevy Blazer?“ „Klar hat er den noch. Aber ganz ehrlich, Paul, Norris scheint es in letzter Zeit nicht nötig zu haben, seine Rechnungen pünktlich zu bezahlen.“ „Heißt im Klartext?“, fragte Jelena. „Verzeihung, Barney. Ich habe vergessen dir meine Begleitung vorzustellen. Da wäre zum einen Jelena Romanova. Meine Juniorpartnerin. Und Alejandra Valderrama und ihre Cousine Hera Arnakis.“ „Freut mich sehr.“

„Du sagtest, dass Norris in der letzten Zeit seine Rechnungen nicht pünktlich bezahlt. Was meinst du damit?“ „Ganz einfach. Ich muss ihm immer eine Mahnung schicken. Manchmal reagiert er auch erst nach der dritten Mahnung.“ „Hat er im Moment Außenstände bei dir, Barney?“ „Nein, Paul. Aber ich seh mir das nicht mehr lange mit an. Das kannst du glauben.“ „Hast du schon mal versucht, Vorkasse zu verlangen?“ „Natürlich. Aber dann kommt sein Bruder Jamie und droht, meinen Laden dicht machen zu lassen.“ „Dafür braucht er aber eine verdammt gut Begründung.“, sagte Hera. „Er behauptet, Vorkasse wäre illegal und er hätte genügend Beweise, dass ich krumme Dinger drehe.“ „Typisch Jamie. Dreht sich die Wahrheit so, wie es für ihn und Norris am günstigsten ist.“, sagte ich. „Am liebsten würde ich Norris eine Bombe ins Auto bauen.“ „Mach das doch. Und behalte den Wagen als Pfand, bis Norris die Kohle rausrückt.“

Wir verließen Barney. Und kaum, dass wir das Gelände verlassen hatten, sah ich, wie Norris mit seinem Chevy auf den Hof fuhr. Jelena stieg aus und schlich sich nahe genug heran, damit sie alles mitbekam, ohne gesehen zu werden. „Was willst du dieses Mal Norris?“, fragte Barney. „Das Getriebe macht Probleme. Kannst du 378

mal nachsehen?“ „Sicher. Aber wenn du Pech hast, muss ich unter Umständen einen Getriebetausch vornehmen.“ „Was kostet sowas?“ „Es ist ja noch nicht mal gesagt, dass ich für deinen Blazer noch ein Originalgetriebe bei Chevrolet kriege. Vergiss nicht, der Wagen ist Baujahr 95. Wenn, dann höchstens ein gebrauchtes das gut erhalten ist.“ „Angenommen, es gibt noch Originalteile für den S10 beim Hersteller. Wie viel würde das kosten?“ „Da ich das ganze aus Detroit kommen lassen müsste und GM für entsprechende Teile stolze Preise verlangt, kommst du unter acht Riesen nicht weg.“ „Ganz schön happig.“

Norris fuhr seinen Chevy auf die Hebebühne. Barney machte sich gleich an die Arbeit und untersuchte das Getriebe. Es dauerte eine Stunde, ehe er fertig war. „Und?“, wollte Norris wissen. „Schlechte Neuigkeiten. Das Getriebe ist hinüber. Ich muss es austauschen.“ „Na schön. Ich versuch ein Ersatzgetriebe aufzutreiben. Aber dann machst du es für 300.“ „300 Dollar? Nein Norris. 3.000 müssen es schon sein.“ „Drei Riesen?? Barney, du tickst nicht mehr ganz richtig. 500. Das ist mein letztes Wort.“ „3.000. Oder du kannst dir eine andere Werkstatt suchen.“ „Na schön. Dann eben 3.000.“, sagte Norris zerknirscht.

Am nächsten Tag kam Norris wieder. Sein Bruder Jamie fuhr ihn. Er besaß einen schwarzen Ford Explorer der 3. Generation aus dem Jahr 2002. Jamie und Norris öffneten die Heckklappe des Ford und wuchteten nacheinander die Komponenten für ein neues Getriebe für Norris Chevy heraus. „Hier ist das Austauschgetriebe, Barney. Aber jetzt keine Mätzchen mehr. Haben wir uns da klar verstanden?“, sagte Jamie. „Nur gegen Barzahlung im voraus.“ „Fängst du schon wieder damit an! Ich hab dir doch gesagt, dass Vorkasse illegal ist.“ „Dann bleibt der Wagen so lange hier, bis dein sauberer Bruder bezahlt hat, Jamie. So einfach ist das.“ „Ich kann deinen Laden dicht machen lassen, Barney. Das weißt du genau. Soll ich bei den Mounties vorstellig werden, und denen erzählen, dass du ahnungslose Kunden als Drogenkuriere missbrauchst?“

In dem Moment rollte ein 2006er Corvette C6 auf den Hof der Werkstatt. Eine Frau stieg aus. Sie war 1,65 m groß und hatte braune Haare die bis zu ihren üppigen Brüsten reichten. Auch der schlanke, sexy Körper und die sexy Beine hinterließen bei mir einen bleibenden Eindruck. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen und den sinnlichen Lippen machte ebenfalls was her. Ebenso die etwas breite Nase, die sich dennoch harmonisch ins Gesicht einfügte. Bekleidet war die unbekannte Schöne, deren Alter ich auf 21 Jahre schätzte mit einem schwarz-weiß-gestreiften Rock und einem schwarzen T-Shirt. Dazu trug sie schwarze High Heels. „Entschuldigen Sie, Mister. Aber ich befürchte, Ihre Aussage, dass Vorkasse illegal ist, entspricht nicht der Wahrheit. Außerdem habe ich erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer Beweise.“

„Wer sind Sie überhaupt, dass Sie es wagen, sich in Dinge einzumischen, die Sie überhaupt nichts angehen?“ „Mein Name ist Elena Guaido. Ich bin Rechtsanwältin und eine gute Freundin von Chrissy Fox.“ „Trotzdem wüsste ich nicht, was Sie die Sache mit dem Getriebetausch angeht. Sie beknackte Rechtsverdreherin.“ 379

Falls Jamie Doohan gehofft hatte, mit seinem pöbelhaften Auftreten bei Miss Guaido Eindruck zu schinden, so war ihm dies nicht gelungen. „Ich bin Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Wirtschaftsrecht. Barney hat mich beauftragt, ihn zu vertreten, sollte diese Angelegenheit vor Gericht landen.“ „Kann er sich so eine flotte Biene, wie Sie eine sind, überhaupt leisten?“ „Erwarten Sie auf diese Frage etwa eine Antwort?“ „Na schön. Sie haben gewonnen. Denn weder mein Bruder noch ich haben Bock auf eine gerichtliche Auseinandersetzung.“ „Schön, dass Sie das einsehen, Mr. Doohan.“

Jamie zog 30 Bündel 100-dollar-Scheine hervor und drückte sie Barney in die Hand. „Cash auf die Kralle. Aber ab jetzt keine Kinkerlitzchen mehr. Hast du verstanden? Oder die Mounties werden dich mit ihrem Besuch beehren.“ „Willst du Pfusch oder erstklassige Arbeit?“ „Letzteres natürlich. Aber zu fairen Preisen.“

Wir hatten genug gehört. Tief in meinem Inneren verspürte ich den Wunsch, auf den Hof der Werkstatt zu marschieren und mich Jamie und Norris zu zeigen. Doch auf Jelenas Anraten ließ ich davon ab. Wir wollten gerade zum Wagen zurück, als Jamie Barney noch eine Frage stellte. „Wo ist eigentlich Paul MacLain? Wir wissen, dass er hier in Vancouver ist. Wir haben ihn gestern in Begleitung einer jungen, gutaussehenden Dame gesehen. Waren die beiden schon hier?“ „Und wenn schon, was geht euch das an?“ „Hör zu Barney. Paul MacLain muss sterben. Und das wird er auch. Und wenn wir mit ihm fertig sind, ist seine Cousine dran. Und danach seine Begleiterin.“

Zurück im Hotel trafen wir uns auf Jelenas Zimmer. „Also Ladies, Ihr habt gehört, worum es geht. Wir müssen Norris ausschalten. Barney wollte ihm eine Bombe ins Auto bauen. Helfen wir ihm dabei.“ „An was für eine Art Bombe hast du gedacht, Towarischtsch?“ „An eine Zeitbombe. Allerdings muss der Sprengsatz so versteckt werden, dass weder Jamie noch Norris ihn finden.“ „Ich hab eine Idee, Paul.“, sagte Alejandra. „Schieß los.“ „Warum verbindest du die Bombe nicht mit dem Anlasser? Dieser sendet doch einen elektrischen Impuls an die Zündspule.“ „Richtig. Warum fragst du?“ „Ich würde dort ein Zählwerk anbringen, das einen Impuls an die Bombe weitergibt. Und nach sagen wir, 15 Zündvorgängen, sollte die Bombe hochgehen.“ „Du bist echt genial, wie du sexy bist.“

Am frühen Nachmittag suchte ich einen Freund auf, der auf einem der Militärstützpunkte arbeitete. „Na sieh mal einer an. Mein alter Kumpel Paul MacLain schaut mal vorbei.“, sagte er, als ich am Kasernentor stand. „Kannst du mir einen Gefallen tun, Hector?“ „Kommt drauf an was du willst.“ „Du kennst doch noch Mick Doohan.“ „Dein Rivale? Hör zu, lass uns ins Offizierscasino gehen und einen trinken. Dann kannst du mir alles erzählen.“

Später saßen wir bei einem Bier zusammen. „Sag mal, was machst du eigentlich, seitdem du aus dem Knast raus bist?“, fragte mich Hector. „Ich arbeite als Privatermittler. Seit meinem vierten Fall habe ich eine Juniorpartnerin. Jelena Romanova.“ „Die Speznas-Agentin?“ „Jepp.“ „Nach allem, was man sich so über sie erzählt, muss sie ein echt heißer Feger sein.“ „Vorsicht, Hector. Jelena ist zwar 380

sexy, aber sie ist auch ebenso gefährlich. Ein Berufskiller namens Maurice Womasa musste diese tödliche Erfahrung machen.“ „Du meinst doch nicht etwa „BULL“?“ „Doch, den meine ich. Jelena hat ihn mit einer Drahtschlinge erdrosselt.“ „Autsch! Und was machst du hier in Vancouver?“ „Meine Cousine Chrissy, hat mich und Jelena angeheuert, damit wir ihr Jamie und Norris Doohan vom Hals halten.“ „Sind das nicht die beiden älteren Brüder von Mick?“ „Du hast es erraten, Hector. Sie bedrohen das Leben von Chrissy.“ „Deswegen ist sie in letzter Zeit so ängstlich. Du musst wissen, Paul, deine Cousine und ich sind seit letztem Jahr ein Paar. Dass Jamie und Norris jetzt Chrissy ans Leder wollen, lässt für mich nur einen Schluss zu.“ „Welchen?“ „Sie wollen in erster Linie dich. Meine Chica ist für sie nur Mittel zum Zweck. Aber es ist gut, dass du deine Partnerin mitgenommen hast.“

„Noch haben wir nicht angefangen, aber wir waren gestern und heute bei Barneys Garage. Norris und Jamie machen ihm Feuer unterm Arsch.“ „Ich weiß.“ „Barney will Norris eine Bombe ins seinen Chevy bauen. Eine Bekannte, halb Griechin, halb Kolumbianerin, hat schon eine konkrete Vorstellung, wie die Bombe aufgebaut sein könnte.“ „Dann lass mal hören.“ Ich schilderte Hector Alejandras Idee. Während meiner Schilderungen fertigte er eine Skizze an. „Nicht schlecht. Na schön. Ich kümmer mich um die Beschaffung des Sprengstoffs und baue den Zündmechanismus zusammen. Eine Frage noch.“ „Ich höre.“ „Soll das Zählwerk ein analoges oder ein digitales sein?“ „Es sollte eines sein, das keine verräterischen Geräusche verursacht.“ „Das lässt sich bei einem digitalen Zähler ohne großen Aufwand programmieren.“

Zurück im Hotel, klopfte ich an die Tür von Jelenas Zimmer. Meine Partnerin öffnete. „Wo brennts denn, Paul?“, fragte sie. „Ich hab einen alten Freund besucht, der beim kanadischen Militär dient. Er hilft uns beim Bau der Bombe.“ „Komm rein.“ Kaum war die Tür zu, kam Jelena zur Sache. „Also wenn ich das richtig verstehe, Partner hast du schon jemanden gefunden, der uns beim Bau der Bombe unterstützt. Wie passt der Bursche in unsere Pläne?“ „Er ist der Lover von Chrissy.“ „Verstehe. Und als solcher, hat er ein Interesse, dass Jamie und Norris zur Hölle fahren.“ „So siehts mal aus. Aber man darf keinen von uns mit Norris Tod in Verbindung bringen.“ „Das versteht sich ja wohl von selbst. Ist es nicht so, dass es in jeder größeren Stadt Mafiabanden gibt?“ „Klar gibt’s die. Wieso fragst du?“ „Mich würde interessieren, ob einer oder sogar beide Brüder bei den Mafiosi auf der Abschussliste stehen.“, sagte Jelena. „Das lässt sich leicht raus finden.“

Nach dem Abendessen fuhren Jelena und ich mit den Cousinen zum Hafen runter. An einem der Docks fragte ich einen der Arbeiter ob Jamie und Norris in Vancouver Feinde hätten. „Na und ob. Speziell Norris steht bei den Unterweltbossen ganz oben auf der Abschussliste.“ „Aha. Ich muss mich entschuldigen. Ich habe vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist MacLain. Paul MacLain. Die Dame mit der Narbe am Bauch ist meine Juniorpartnerin Jelena Romanova. Und die beiden anderen Damen sind Hera Arnakis und Alejandra Valderrama.“ „Sie sind doch mit Chrissy Fox verwandt, richtig?“ „Ja, das stimmt.“ „Ich denke, ich kann Ihnen trauen, Mister. Wie gesagt, speziell Norris steht bei den Clanchefs ganz oben auf der schwarzen 381

Liste.“ „Können Sie uns ein Beispiel nennen?“ „Einige.“ „Welcher Mafiaboss liquidiert Verräter und andere Widersacher mit Autobomben, die einen Zeitzünder haben?“ „Oh! Da gibt es nur einen. Antonio Rivetti. Spitzname „Bomben-Toni“. Er pflegt bei seinen Bomben ein Zählwerk anzubringen, dass runter zählt. Dieses wird an der Zündspule angebracht. Warum wollen Sie das wissen?“ „Ganz einfach, weil wir Mr. Rivetti Norris auf dem Silbertablett servieren wollen. Sein Wagen steht zurzeit bei Barneys Garage. Das Getriebe ist hinüber.“ „Die Idee ist gut. Aber Bomben-Toni steht unter Beobachtung. Gerade bei Waffen und Sprengstoff schauen die Mounties genauer hin.“ „Den Sprengstoff und den Zündmechanismus besorge ich. Den Rest braucht nur noch Bomben-Toni zu erledigen.“ „Wo finden wir ihn überhaupt?“, fragte Jelena. „Im Celebrities Nightclub.“ „Um welche Uhrzeit ist Mr. Rivetti meistens dort?“ „Er kommt für gewöhnlich um 21:30 Uhr. Aber dann hat er den ganzen Clan im Schlepptau.“

Nach unserem Ausflug an den Hafen setzten wir uns noch einmal auf meinem Zimmer zusammen. „Also Ladies. Wir wissen jetzt, welcher Mafioso unser Mann fürs Grobe sein wird.“ „Man darf uns aber nicht mit Norris Tod in Verbindung bringen, Paul.“, mahnte Hera. „Daran habe ich schon gedacht. Aber wir müssen in diesem Punkt mit äußerster Vorsicht agieren. Man darf uns nur nicht zusammen mit „Bomben-Toni“ sehen.“ „Das hängt mit einem Faktor zusammen.“, sagte Jelena. „Welcher wäre das?“ „Ich denke ich weiß, worauf deine Partnerin hinaus will. Es hängt damit zusammen, wie gut der Club besucht ist. Wenn der Club zu diesem Zeitpunkt richtig voll ist, könnten wir nicht weiter auffallen.“, sagte Alejandra. „Ich werde mal mein Glück bei den Mounties versuchen.“ „Ich begleite dich, Towarischtsch.“

Am nächsten Morgen suchten Jelena und ich die örtliche Polizeistation auf. Hera und Alejandra versuchten mehr darüber herauszufinden, warum Antonio Rivetti Micks Bruder Norris tot sehen wollte. Der Leiter des Polizeireviers der Royal Canadian Mounted Police in Vancouver wäre vor Zorn fast an die Decke gegangen. „SAGEN SIE MAL, MR. MACLAIN, WIE STELLEN SIE SICH DAS EIGENTLICH VOR? WISSEN SIE EIGENTLICH, WAS SIE DA VON MIR VERLANGEN, SIE AUFGEBLASENER ARMLEUCHTER?“ Ehe ich antworten konnte polterte er auch schon weiter. „SIE VERLANGEN VON MIR, DASS ICH MEINEN EID BRECHE, DEN ICH DAMALS BEI AMTSANTRITT GESCHWOREN HABE. SIE VERLANGEN VON MIR, DASS ICH DAS GESETZ BRECHE! HABEN SIE ÜBERHAUPT EINE AHNUNG, WIEVIEL FÜR MICH AUF DEM SPIEL STEHT? SOLLTE IHRE AKTION NÄMLICH SCHIEF GEHEN, MR. MACLAIN, DANN BIN ICH DIE LÄNGSTE ZEIT EIN MOUNTIE GEWESEN!“ Jelena schaltete sich ein. „Hören Sie, Mr. Fraser. Mein Partner und ich sind uns sehr wohl bewusst, was auf dem Spiel steht. Aber nichts desto trotz brauchen wir Bomben-Tonis Hilfe. Norris Doohan ist, solange er lebt, eine Gefahr für uns. Er kann seinen Bruder Jamie nämlich warnen. Wenn Norris stirbt, dann ist Jamie hilflos. Wie eine Marionette, die man von ihren Fäden getrennt hat.“ „Das leuchtet ein. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass im Falle eines Scheiterns eine unehrenhafte Entlassung aus dem Polizeidienst wie ein 382

Damoklesschwert über meinem Kopf hängt.“ „Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag. Sie lassen Mr. Rivetti den Mord an Norris Doohan durchführen und dann schnappen Sie ihn. Denn dann hätten Sie ihn im Prinzip inflagranti erwischt.“, sagte ich. „Okay, von mir aus. Aber wenn die Sache schief geht, dann brummen Sie beide ein paar Jährchen im Knast.“

Nach unserem Besuch bei den Mounties trafen Jelena und ich uns mit Hera und Alejandra in einem Café. „Also Ladies, wie ist es bei euch gelaufen?“, fragte ich. „Wir haben uns umgehört. Aber keiner will reden.“ „Fucking Bullshit!“ „Ist aber auch verständlich. Jeder hat Angst, dass er von der Mafia Besuch bekommt.“ „Wir leben doch nicht mehr in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts.“ „Die Zeiten haben sich zwar geändert, und sicher auch die Mafiamethoden. Aber die Kaltblütigkeit ist nach wie vor die selbe.“ „Das hat gerade noch gefehlt.“ „Nicht so schnell. Einer hat doch noch geredet. Der Mann arbeitet bei Barney. Sein Name ist Massimo Creoli. Italoamerikaner. Ist vor drei Jahren nach Kanada abgezischt.“ „Warum denn das?“ „Ein Killerkommando der Triade war ihm auf den Fersen.“ „Na hoffentlich finden die den nicht.“ „Wohl kaum. Massimo ist Mitglied in der Bande von unserem Freund Bomben-Toni.“ „Was hat Mr. Creoli euch denn gesteckt?“ „Antonio Rivetti schiebt einen echten Hass auf Norris.“, sagte Alejandra. „Der Grund warum ist folgender: Norris hat Antonios Schwester vergewaltigt und ihm auch noch die Freundin ausgespannt.“ „Und nach einem Monat hat er das Mädel abgesägt um eine neue Frau aufzureißen. Die arme hat die Trennung nicht verkraftet und sich mit einer Überdosis Schlaftabletten das Leben genommen.“ „Na schau mal einer an. Ein triftiger Grund jemanden in die ewigen Jagdgründe zu schicken.“

„Wie ist es eigentlich bei den Mounties verlaufen?“, fragte Hera. „Wir haben soweit grünes Licht. Aber die Mounties wollen auch ein Stück vom Kuchen. Nämlich Bomben-Toni.“ „Geben wir Ihnen, was sie wollen.“ „Das war auch mein Vorschlag. Aber wenn die Sache schief geht, dann sitzen Jelena und ich erst mal ein.“ „WIE BITTE???“ „Du hast schon richtig gehört, Alejandra. Wenn die Aktion schief geht, dürfen meine Partnerin und ich einige Zeit im Knast brummen.“ „Haben die einen Sockenschuss?“ „Die Royal Canadian Mounted Police will sich absichern. Wenn die Aktion schief geht, und wir kommen ungeschoren davon, haben die Mounties einen Imageschaden, den sie so schnell nicht wieder beheben könnten. Das Vertrauen der Kanadier in die Royal Canadian Mounted Police dürfte dann auf unbestimmte Zeit erschüttert sein.“

Es war am späten Nachmittag, als ich meinen alten Kumpel in der Kaserne aufsuchte. Ich wusste nicht wie, aber er hatte von meinem Plan, Norris durch einen Mafiaboss beseitigen zu lassen, erfahren. „Deine Idee ist nicht schlecht. Aber Bomben-Toni ist nicht aus Dummsdorf.“ „Was muss ich tun, damit er uns hilft?“ „Zum einen tief in die Geldtasche greifen. Bomben-Toni lässt sich seine Hilfe ordentlich was kosten. Unter 2 Mille kommst du nicht weg.“ „Nehmen wir an, ich finde jemanden, der die erforderliche Summe aufbringen kann, wie geht es dann weiter?“ „Das besprichst du alles mit Antonio Rivetti. Und während du deinen Plan ausgearbeitet hast, war ich auch nicht ganz untätig. Hier hast du den 383

Sprengstoff und den Zündmechanismus. Hals und Beinbruch, Keule.“ „Danke Hector. Hast was gut bei mir.“ „Nicht der Rede wert. Sag mir Bescheid, wenn der Showdown bevor steht.“ „Mach ich.“

Später am Abend, das Abendessen hatten wir schon seit geraumer Zeit zu uns genommen, begaben Jelena und ich uns in Begleitung der beiden Cousinen in den Celebrities Nightclub. Es war 20:45 Uhr als wir den Club betraten. Das Päckchen mit dem Sprengstoff und dem Zündmechanismus, das Hector mir bei meinem Besuch in der Kaserne mitgegeben hatte, hatte ich im Hotel zurückgelassen. Wir setzten uns an einen Tisch, von dem aus wir den ganzen Club überblicken konnten, ohne selbst gesehen zu werden.

Keine 15 Minuten später betrat ein Mann den Club. Er war schlank, und trug einen schwarzen Anzug. Auf dem Kopf trug er einen grauen Hut. Das kantige Gesicht mit den braunen Augen und den markanten Kinn besaß noch einen schwarzen Schnurrbart. Offenbar wollte er unseren Tisch, denn er steuerte direkt drauf zu. „Guten Abend die Herrschaften.“, sagte er mit einem leicht arroganten Tonfall. „Buenos Tardes, Señor.“ „Ich möchte sie dezent darauf aufmerksam machen, dass dieser Platz eigentlich für Mr. Rivetti reserviert ist. Er pflegt jeden Abend dort zu sitzen.“ „Es tut mir leid, wenn wir den Platz von ihrem Freund jetzt in Beschlag genommen haben, aber wir sind her gekommen, weil wir ihm ein Geschäft vorschlagen wollen.“ „Verstehe. Und sie wünschen dabei keine Mitwisser.“ „Das haben Sie sehr richtig erfasst.“ „Ich sage Signore Rivetti bescheid. Aber bevor ich mit ihm spreche, würde ich gerne wissen, was genau Sie von ihm wollen.“ „Es geht um Norris Doohan. Wir wollen im Prinzip dasselbe wir Ihr Freund. Nämlich seinen Tod.“, sagte ich. „Ich werde sehen, was ich ausrichten kann. Aber ich verspreche nichts.“

Es dauerte eine Weile, bis Antonio Rivetti persönlich auftauchte. Er war 1,80 m groß und hatte einen athletischen Körperbau. Seine schwarzen Haare trug er offen, sodass sie bis zu seinen Schultern reichten. Sein Gesicht war oval geschnitten und hatte ein rundes Kinn. Dieses war jedoch von einem dichten schwarzen Vollbart bedeckt. Auffällig waren allerdings die gelbbraunen Augen. Bekleidet war Bomben-Toni mit einem schwarzen Nadelstreifenanzug, schwarz-weißen Brogues, einem weißen Hemd und einem schwarzen Hut. „So so. Sie wollen mir also einen Deal unterbreiten. Wenn die Bezahlung stimmt, sehen wir weiter.“ „Reichen vier Millionen, Señor Rivetti?“, fragte Alejandra. „Wenn Sie das Geld dabei haben, reden wir weiter.“ Alejandra Valderrama stellte einen Aktenkoffer auf den Tisch. „In diesem Koffer befinden sich 2 Millionen kanadische Dollar. Als Anzahlung. Den Rest kriegen Sie nach der Ausführung des Auftrags.“ „Oho. Eine Frau mit Prinzipien. Gefällt mir.“, sagte Bomben-Toni.

Dann setzte er sich mir gegenüber. „Und wen haben wir hier?“ „Mein Name ist MacLain. Paul MacLain. Und die Dame mit dem roten Paillettenkleid ist meine Juniorpartnerin Jelena Romanova.“ „Ihre Namen sind mir nicht ganz unbekannt. Alfredo hat mir berichtet, dass sie auch Norris tot sehen wollen.“ „Das stimmt. Seinem Bruder Mick hab ich einen dreijährigen Aufenthalt im Gefängnis zu 384

verdanken. Allerdings unschuldig.“ „Verstehe. Sie wollen Rache. Molto Buono. Ich sag Ihnen was Signore MacLain. Sie besorgen den Sprengstoff und den Zündmechanismus und ich baue die Bombe zusammen. Allerdings wäre noch eine Zusatzzahlung von 50.000 Dollar fällig.“ Alejandra griff in ihre Handtasche und holte einen Umschlag heraus. „Hier sind noch einmal 60.000.“ „Dann sind wir im Geschäft.“, sagte Bomben-Toni.

Nachdem alles geklärt war, war es für meine Begleitung und mich Zeit zu gehen. Als ich aufstand sah mich der Mafiaboss noch einmal an. „Eine Frage noch.“, sagte er. „Was?“ „Wann können Sie die für die Bombe benötigten Utensilien beschaffen?“ „Die hab ich schon. Ich hab sie in meinem Zimmer im Hotel.“ „Gut. Treffen wir uns morgen Abend wieder hier. Um die gleiche Zeit.“, sagte Bomben-Toni. „Einverstanden.“ Zurück im Hotel kam der Manager des Hotels auf mich zu. „Captain Fraser war hier. Sie mögen bitte morgen bei ihm auf dem Revier erscheinen.“ „Danke für die Information.“

Am nächsten Morgen gingen Jelena und ich in Begleitung der beiden Cousinen ins Polizeipräsidium von Vancouver. Benton Fraser kam gleich zur Sache, nachdem wir den Raum betreten hatten. „Ich habe noch einmal über unser gestriges Gespräch nachgedacht. Ich werde Ihnen, soweit es meine Machtbefugnisse zulassen freie Hand lassen. Allerdings stelle ich eine Forderung.“ „Die da wäre?“ „Wenn Sie ihre Aktion durchgezogen haben, werde ich Antonio Rivetti verhaften. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie und ihre Partnerin die Knochen stillhalten.“ „Können wir mit leben.“, sagte ich.

Als wir ins Hotel zurückkamen erlebten wir eine böse Überraschung. Jamie und Norris warteten seelenruhig am Empfang. „Na Paul, wie geht’s denn so?“, fragte Jamie mit einem diabolischen Grinsen. „Kann mich nicht beklagen. Ich hab in drei Jahren mehr verdient, als Ihr beide in eurem armseligen Leben.“ „Was nützt dir eine gute finanzielle Lage, wenn du am Ende sowieso nichts davon hast?“, fragte Jamie. Norris ergänzte: „Wir hätten dich schon am Tag deiner Entlassung eliminieren sollen.“ „Wenn Ihr zwei Dumpfbacken glaubt, dass Ihr mich mit diesem billigen Trick reinlegen könnt, dann seid Ihr schief gewickelt. Die internationale Unterwelt zittert vor Angst, wenn sie meinen Namen hört.“ „So so. Und was macht Paul MacLain, dass die Unterweltbosse ihn fürchten?“ „Ich bin Privatermittler.“ „Oh! Paul MacLain arbeitet in einem Detektivbüro. In welchem wenn man fragen darf?“ „Im Detektivbüro MacLain-Romanova.“ Norris stutzte. „Was hast das zu bedeuten?“ „Ich bin mein eigener Chef. Und nur, falls Ihr zwei Pfeifendeckel es noch nicht geschnallt habt, die kleine Brünette ist meine Juniorpartnerin. Jelena Romanova. Ehemalige Speznas-Agentin.“ Jamie schluckte schwer. Auch Norris begann zu schwitzen. „Na? Geht euch zwei klingonischen Vollpfosten der Arsch etwa schon auf Grundeis?“

Alejandra sah mich fragend an. „Wer sind denn diese Mülleimer?“, fragte sie. „Halt dich da raus Süße, das ist nicht deine Angelegenheit!“ „Seit wann bin ich deine Süße, du Pappnase!“ „Deine letzten Tage auf dieser Erde sind angebrochen, MacLain. Bald ist es aus mit dir!“ „Du stinkst ja geradezu vor 385

Überheblichkeit, du Pappnase!“

Norris ließ ein Springmesser aufschnappen. „Wer ist die Kleine denn? Ist sie vielleicht dein Liebchen? Ich bin sicher, dass sie auch meine Wünsche erfüllen wird.“ Doch so schnell, wie Jamies Bruder in den Lauf von Alejandras Beretta blickte, konnte er noch nicht mal mit den Zähnen klappern. „Ich warne dich, Blanquito. Beim nächsten Mal mach ich ernst.“ „Verrätst du mir noch deinen Namen, damit ich weiß, was ich auf deinen Grabstein meißeln lassen soll?“ „Alejandra Valderrama. Manche nennen mich auch El Doberman. Also pass auf Gringo. Sonst reiß ich dich in Stücke. Und jetzt zischt ab. Beeilt euch, sonst überleg ich es mir anders und schieße euch gleich hier über den Haufen.“

Später am Abend trafen wir uns mit Bomben-Toni wieder im Celebrities Nightclub. Ich hatte das Päckchen mitgenommen. Heimlich, still und leise schob ich es ihm unter dem Tisch zu. „Ich frag nicht mal wo Sie es her haben.“, sagte er. „Ja, das ist auch besser so, Mr. Rivetti.“ „Wie schnell brauchen Sie die Bombe?“ „Das kommt drauf an, wie lange Barney für das Getriebe braucht.“ „Eine Frage.“ „Schießen Sie los.“ „Was für einen Wagen fährt Norris Doohan?“ „Einen 95er Chevrolet Blazer. Ist die S10-Reihe.“ „Davon verstehe ich nichts. Aber gut. Ich häng mich heute noch an die Sache dran. Wenn die hübsche Signora mir noch mal 500.000 gibt, ist die Bombe schon übermorgen fertig.“ Alejandra knallte zwei Luftpolstertaschen auf den Tisch. „Sie sind ja ganz schön geldgierig, Señor Rivetti.“ „Qualität hat nun mal ihren Preis.“ „Also übermorgen. Ich verlass mich auf Sie, Mr. Rivetti.“, sagte ich und stand auf. „Einen Moment noch.“ „Was ist denn noch?“ „Eine Sache wäre noch zu klären.“ „Bitte.“ „Habe ich Ihr Wort, dass Sie mich nicht bei den Mounties hinhängen?“ „So wahr ich hier stehe. Ich gebe Ihnen das Ehrenwort eines MacLains.“

Am Freitag, wir schrieben den 24.07.2020, fuhren Jelena und ich zu Barney. Hera und ihre Cousine hatten sich an die Fersen von Jamie und Norris geheftet. „Hey Paul. Ich hoffe, du bringst gute Nachrichten.“, sagte Barney, als wir auf den Hof kamen. „Montag.“ „Was ist mit Montag?“ „Da können wir die Bombe in Norris Wagen installieren. Morgen habe ich das gute Stück.“ „Hoffentlich baust du keinen Scheiß, Junge. Du weißt, für mich geht es um meine Existenz.“ „Mach dir keine Sorgen, Barney. Bald hast du ein Problem weniger.“

Am darauf folgenden Tag, Samstag, den 25.07.2020, trafen Jelena und ich uns in Begleitung der beiden Cousinen wieder mit Antonio Rivetti. Dieser gab mir eine kleine Umhängetasche. „Da ist das gute Stück. Ich habe das Zählwerk auf 25 Zündungen eingestellt. Wenn Norris den Motor zum fünfundzwanzigsten Mal startet, gewinnt er einen Freifahrtschein in die ewigen Jagdgründe.“, sagte er. „Sie sind Ihr Geld wert.“, sagte ich. „Bin ich immer. Und nur noch mal zur Erinnerung. Kein Wort zu den Mounties.“ „Ich habe Ihnen meinen Ehrenwort gegeben. Und ich stehe zu meinem Wort.“ „Man kann nie vorsichtig genug sein. Sehen Sie, die Mounties kleben mir schon seit Beginn des Jahres an den Hacken.“ „Was haben Sie denn verbrochen, dass Ihnen die Royal Canadian Mounted Police im Nacken sitzt?“, fragte Jelena. „Ich habe einen unbequemen Rivalen ausgeschaltet. Ich weiß nicht, ob 386

Ihnen der Name Billy Robards was sagt.“ „Vom Hörensagen.“ „Nun ja, er hat mir letztes Jahr im August, als Sie und Signora Romanova in Ungarn aktiv waren, bei einer wichtigen Lieferung dazwischen gefunkt. Er hat den Mounties einen Tipp gegeben, dass ich eine Fuhre Tequila erwarte, der auf dem kanadischen Markt nicht erhältlich ist. Ich musste die Ware umleiten. Also habe ich Billy eine Bombe ins Auto gepackt. Sie war im Benzintank versteckt. Der Wichser hat nichts gemerkt, bis es zu spät war.“

Am Montag brachten wir das Paket zu Barney und gaben es Massimo Creoli. „Mille Grazie. Ich mach mich, bevor ich Feierabend mache, an die Arbeit. Morgen früh ist das Bömbchen einsatzbereit.“, sagte er. „Sehr gut. Wird Norris das Zählwerk entdecken können?“ „Nur wenn er sich mit der Materie auskennt, und weiß wonach er suchen muss.“, sagte Massimo. „Mick wäre der einzige gewesen, der die Bombe hätte finden und entschärfen können. Seine Brüder hatten dafür kein Händchen.“ „Und Mick ist seit drei Jahren tot.“, sagte Jelena.

Wir wollten gerade gehen, als Jamie und Norris auf den Hof fuhren. „Na sieh mal einer an. Paul MacLain. Dich trifft man aber auch überall.“ „Ich wollte gerade gehen.“ „Du machst es dir wie immer einfach. Wenn es brenzlig wird, ziehst du den Schwanz ein. Dass du es überhaupt beim SAS so weit gebracht hast, ist wirklich ein Wunder.“ „Spar dir deine dummen Sprüche, Jamie. Die Nummer läuft bei mir nicht.“ „Die lief doch schon damals nicht, als Mick dich in den Knast geschickt hat. Hast du dich nie gefragt, warum du trotzdem verknackt wurdest, obwohl Mick gestanden hat?“ „Es ging ihm um Catherine.“ „Das stimmt, aber was Mick dir nicht erzählt hat, war, dass wir den Richter ausgetauscht haben. Hätte Richter Fitzpatrick am Richterpult gesessen, wären Catherine und du heute verheiratet und hättet Kinder. Das konnten wir leider nicht dulden. Also haben wir statt Richter Fitzpatrick Richter MacDonald eingesetzt. Aber leider wollte der noch Geld für seine Dienste. Die Aktion hat uns noch einmal stolze 15.000 Pfund gekostet.“ „Gemein und hinterhältig. Das war eure Sippe schon immer.“ „Hüte deine Zunge MacLain. Deinetwegen musste Mick ins Gras beißen.“ „Beschwer dich bei dem Staatsanwalt, der ihn mir als Lockvogel zugeteilt hat. Freiwillig hätte ich Micks Hilfe nie angenommen, Jamie. Und das weißt du genau.“, sagte ich.

Zurück im Hotel trafen wir uns bei Jelena auf dem Zimmer. „Ernsthaft. Diese Typen sind ja echt widerwärtig. Was haben die nur gegen dich?“, fragte Hera. „Das ist eine lange Geschichte. Jelena kennt bereits einen Teil davon.“ „Aber wir noch nicht.“ „Na schön. Dann bringe ich euch mal auf den aktuellen Stand. Ihr wisst ja, dass ich drei Jahre unschuldig im Knast verbringen musste.“ „Das hast du uns erzählt. Ich glaube, das war in Griechenland.“ „Mick Doohan, der jüngste von den Brüdern hat mich dorthin verfrachten lassen, in dem er eine Kneipenschlägerei angezettelt hat.“ „Warum denn das?“, fragte Alejandra. „Der Grund war eine Frau. Ihr Vorname war Catherine. Mick hat sich auch für sie interessiert.“ „Und du warst sein schärfster Konkurrent.“ „Genau so ist es.“ „Zumindest wissen wir jetzt, wie es dazu kommen konnte, dass du unschuldig einsitzen durftest. Was ich aber noch nicht ganz verstehe, warum Mick Doohan etwas gegen die Beziehung zwischen dir und 387

Catherine hatte. Er hätte doch auch eine andere Frau ehelichen können, Towarischtsch.“ „Das hätte er wohl tun können. Aber er konnte es nicht verkraften, dass ein Mitglied einer verfeindeten Familie die schönste Frau an der Schule bekommt.“

„Heißt das, die Doohans und die MacLains sind Feinde?“, fragte Jelena. „Das ist in der Tat so.“ „Was hat zu dieser Fehde geführt?“ „Ich nenne nur ein Datum. 14.06.1982.“ „Das müsste gegen Ende des Falklandkrieges gewesen sein.“, sagte Hera. „Es war sechs Tage davor. Mein Dad und Robert Doohan, der Vater dieser verlogenen Drecksbande haben zu der Einheit Fallschirmjäger gehört, der unter dem Befehl von General Thompson die Moody Brook Kaserne am Mount Tumbledown einnehmen sollten. Und an genau diesem Berg wurden sie von den Argentiniern unter Beschuss genommen. Robert Doohan hat sich aus dem Staub gemacht und meinen Vater und den Rest der Einheit eiskalt lächelnd im Stich gelassen.“ „Jetzt verstehe ich, Towarischtsch. Und ich werde dir auch weiterhin zur Seite stehen, Partner.“ „Auf uns kannst du auch zählen.“

Am nächsten Morgen waren wir wieder bei Barney. Unseren Ford Pick-Up hatten wir in einer Seitenstraße geparkt, damit Jamie und Norris keinen Verdacht schöpften. Wir waren gerade im Büro, als Jamie und Norris auf den Hof fuhren. Norris stieg aus. „Ist mein Wagen endlich fertig?“, fragte er fordernd. „Ja, dein Chevy ist wieder in Ordnung. Du kannst ihn gleich mitnehmen.“ „Danke. Und bis zum nächsten Mal.“, sagte Norris. „Es wird kein nächstes Mal geben. Für dich nicht. Und auch nicht für deinen Bruder.“ Ich sah, wie sich Norris Züge verdüsterten. „Was willst du mir damit sagen, Barney?“ „Das ist ganz einfach, Norris. Du und Jamie könnt euch ab sofort eine andere Werkstatt suchen. Ich werde eure Autos nicht mehr reparieren. Ihr habt hiermit Hausverbot. Und das für immer. Also schert euch von meinem Grundstück.“ „Du mieser...“ „Es reicht Bruder. Wir sind hier nicht mehr erwünscht. Also steig in deine Karre und halts Maul.“

Bevor Jamie und Norris losfuhren, steckte Jamie seinen Kopf noch mal zum Seitenfenster raus. „Du wirst den Tag noch verfluchen, an dem du meinen Bruder und mich kennen gelernt hast. Denn niemand stößt uns so vor den Kopf und kommt ungestraft davon. Wer einen Doohan beleidigt, bekommt eine gesalzene Quittung.“, sagte Jamie. „Schert euch zum Teufel. Und jetzt haut ab. Oder ich stelle Strafanzeige gegen euch.“ „Ach ja. Wegen was willst du uns denn dran kriegen?“, fragte Jamie und zog süffisant eine Augenbraue nach oben. „Wegen Nötigung und Hausfriedensbruchs.“ „Na wir werden ja sehen, wem die Mounties mehr glauben.“ Kaum waren Jamie und Norris weg, wählte ich von Barneys Festnetzanschluss die Nummer von Captain Fraser. Nach dem zweiten Klingeln nahm er ab. „Royal Canadian Mounted Police, Sie sprechen mit Benton Fraser.“ „Captain Fraser. Hier spricht Paul MacLain.“ „Ah Sie sinds. Wo brennts denn?“ „Jamie Doohan will Barney Cross bei Ihnen anschwärzen. Glauben Sie ihm kein Wort.“ „Kennen Sie ihn so gut?“ „Und ob. Die Doohans sind eine Bande von Lügnern.“ „Warum will Jamie Doohan Mr. Cross bei uns denunzieren?“ „Weil der ihm und seinem Bruder Norris seit heute 388

Hausverbot erteilt hat.“ „Hoppla! Ich komm mal vorbei. Dann kann Barney mir alles erzählen. Ich bin in 15 Minuten da.“ „In Ordnung.“

Als der Leiter des Präsidiums von Vancouver bei Barney ankam, war es für uns an der Zeit aufzubrechen. Wir hatten gerade unseren Mietwagen erreicht, als Jamie unvorhergesehen aus einem Hauseingang auftauchte. „Ach, was ich dich fragen wollte, MacLain. Mir ist der Klunker an deinem linken Ringfinger aufgefallen. Hat der eine besondere Bedeutung?“ „Wüsste nicht, dass dich das was angeht, Jamie.“ „Jede Wette, du bist verlobt, Paul.“ „Wie schon gesagt, das geht dich nichts an. Steck deine Nase nicht meine Angelegenheiten.“ „Ich bin von Natur aus neugierig, das weißt du doch.“ „Da. Und irgendwann wird dir deine Neugier zum Verhängnis, Durak.“, sagte Jelena. „An deiner Stelle wäre ich vorsichtig, mit dem was ich sage. Es sei denn, du willst deine Familie auf dem Friedhof besuchen.“ „Vergiss es Durak. Du machst mir keine Angst.“ „Ah ja? Mal sehen, was deine Flamme Anastasia Dimitrova dazu sagt.“

Es war nicht anders zu erwarten. Jamies Bluff verfehlte seine Wirkung. „Glaubst du wirklich, dass du mich mit dem billigen Trick aus der Reserve locken kannst? Da musst du dir schon was besseres einfallen lassen, Durak.“ „Du bist ganz schön unverschämt, Kleine. Aber was heißt eigentlich „Durak“?“ „Das bedeutet „Idiot“ auf russisch, Durak!“, sagte Jelena. „Du bist echt erbärmlich. Dass du dich mit so einem Loser wie Paul MacLain einlässt und noch noch mit ihm arbeitest. Pfui!“ „Wenn hier jemand erbärmlich ist, dann du, Durak!“

Wir fuhren ins Hotel zurück. Am Empfang wartete meine Cousine auf uns. Ihr Gesichtsausdruck war besorgt. „Stimmt was nicht?“, fragte ich. „Können wir auf deinem Zimmer reden? Hier sind mir zu viele Osterhasen.“ Auf meinem Zimmer kam Chrissy dann zur Sache. „Hier. Der war heute bei mir im Briefkasten.“, sagte sie und gab mir einen DIN-Lang-Umschlag. Ich öffnete ihn und nahm einen gefalteten DIN A4-Bogen heraus. Darauf stand folgender Text zu lesen. „Dein letztes Stündlein hat geschlagen. Du kannst nicht entkommen. Und hoffe nicht auf Hilfe, BITCH!!!“ Unterzeichnet war der Wisch mit einem großen J und einem großen N.

Ich wusste wer hinter dieser Nachricht steckte. „Das sieht Jamie und Norris ähnlich. Aber den Text aus verschiedenen Tageszeitungen zusammen zu stückeln ist ein billiger und erbärmlicher Trick.“ „Was meinst du damit, Cousin.“ „Den Trick hat eine Zuhälterin in Rio versucht. Hat wohl gedacht, wir lassen uns einschüchtern.“ „Um dich einzuschüchtern braucht es schon ein bisschen mehr. Ich kenn dich nur zu gut.“ „Hör zu. Es ist vielleicht besser, wenn du Vancouver erst einmal für einige Zeit verlässt. Dann bist du aus der Schusslinie raus, wie man in unserem Fachjargon sagt.“, sagte ich. „Und wohin soll ich gehen?“ Vielleicht erst mal nach Kreta. Alejandra hat dort eine Villa. Dort bist du sicher.“ Kaum hatte ich meinen Satz beendet, klopfte es an der Zimmertür. „Wer ist da?“ „Hera Arnakis und Alejandra Valderrama.“, hörte ich Heras wohl vertraute Stimme. „Kommt rein Mädels.“ Die beiden Cousinen betraten den Raum. „Was können wir für euch tun?“ „Wir haben schlechte Nachrichten für euch. Wir haben mitgekriegt, wie Jamie zwei 389

Freunde angeheuert hat. Sie sollen ihm den Rücken frei halten, wenns brenzlig wird.“ „Das habe ich erwartet. Jamie war schon immer ein Feigling, genau wie sein Bruder Norris. Mick war auch so eine feige Sau.“, sagte ich. „Und hatte die größte Klappe von den dreien.“ „Das ist meine Cousine Christina. Ich nenne sie Chrissy.“ „Freut mich sehr. Du siehst sehr bedrückt aus, wenn ich das mal so sagen darf, Amigo.“, sagte Alejandra.

Wortlos reichte ich ihr den Brief. „Wenn du willst, dann lasse ich deine Cousine in meine Villa nach Kreta bringen.“ „Ich wollte dich gerade darum bitten.“ „Mach ich gerne.“ „Wann können wir sie nach Kreta bringen?“, wollte Jelena wissen. „Nicht vor Donnerstag.“ „Damn Shit! Dann könnte es schon zu spät sein!“ „Mach dir keine Sorgen, Amigo. Bei uns ist deine Cousine sicher. Es braucht schon einiges, um eine Valderrama zu überrumpeln.“ „Und eine Arnakis ebenso.“

Am Donnerstag, den 30.07.2020, brachten wir meine Cousine mit Alejandras Stretchlimousine zum Vancouver International Airport. Dort wurde sie von Jose´ Jimenez und Roberto Escobar in Empfang genommen. Wir blieben noch solange, bis Alejandras Privatmaschine zur Startbahn rollte. Dann kehrten wir ins Hotel zurück. Dort warteten mal wieder Jamie und Norris Doohan. „Du bist echt ne miese Kanalratte MacLain.“, sagte Jamie. „Ach ja. Und warum?“ „Kannst du dir das nicht denken, du Arschgeige?“ „Sag du es mir, Norris.“ „Deine Cousine! Du hinterhältiger Pisser hast sie nach Kreta bringen lassen. Dummerweise ist die Maschine, in der Chrissy sitzt, Privateigentum. Wir wissen, dass der Vogel deiner kolumbianischen Chica gehört.“

Ich klatschte hämisch Beifall. „Sehr gut. Aber das kann jeder. Ein Privatermittler wirst du damit nicht. Außerdem hast du nicht das Zeug dazu. Und du noch weniger Jamie.“ „Sagt wer?“ „Sag ich. Ihr zwei klingonischen Vollpfosten kriegt doch gar nichts auf die Reihe. Sogar zum Kochen seid Ihr zu blöd.“, sagte ich. „Ach, was du nicht sagst, MacLain. Aber du kannst kochen. Oder wie?“ „Kelly weiß meine Kochkünste jedenfalls zu schätzen.“ „Wer ist Kelly?“ „Kümmer dich um deinen eigenen Kram Jamie. Was ich mache, hat dich nicht zu interessieren.“ „Ich habe Nachforschungen über dich angestellt, MacLain. Wir wissen, dass du verlobt bist. Und wir wissen, dass deine Flamme Kelly Ling heißt und Thailänderin ist. Sie kommt aus Pattaya, wenn unsere Informationen stimmen.“ „Ist ja mordsmäßig.“ „Musst du immer das letzte Wort haben, MacLain?“ „Stört dich das etwa, Jamie?“ „Arschloch.“ „Danke gleichfalls.“, sagte ich und zog süffisant eine Augenbraue nach oben.

Dieses Mal trafen wir uns auf dem Zimmer der Cousinen. „Also eines ist sicher. Die beiden sind richtig angepisst. Anscheinend haben diese Schmierlappen Leute am Flughafen bezahlt, damit die mit Informationen rausrücken.“ „Mir ist bei dem Gespräch etwas aufgefallen.“, sagte Jelena. „Was?“ „Erst behauptet Norris, meine Cousine wäre deine Verlobte. Aber keine zwei Sätze später lässt er dich wissen, dass du mit Kelly Ling verlobt bist. Was sollte das?“ „Wahrscheinlich haben die beiden versucht, mich mit diesem billigen Trick aufs Glatteis zu führen. Aber man hat ja gesehen, dass ich den beiden den Wind aus den Segeln genommen habe.“ 390

„Ja. Und das hat die beiden noch wütender gemacht, als sie ohnehin schon sind. Du hast ihren Plan durch Chrissys Abreise erheblich durcheinander gewirbelt. Und das macht Jamie und Norris jetzt noch gefährlicher.“, warnte Jelena. „Möchte zu gern wissen, bei wie vielen Zündvorgängen Norris jetzt steht.“ „Er steht noch ganz am Anfang. Massimo hat mir eine Software auf meinem Smartphone installiert, die mir anzeigt, wie oft Norris den Motor gestartet hat.“ „Wie viele waren es bis jetzt?“ „Stand jetzt waren es sechs Startvorgänge.“

Später am Tag suchte ich meinen Kumpel Hector in der Kaserne auf. „Hey Paul! Wie geht’s altes Haus?“ „Kann mich nicht beklagen. Du siehst etwas bedrückt aus, wenn ich das mal so sagen darf.“ „Ich versuche Chrissy die ganze Zeit zu erreichen um zu fragen ob alles in Ordnung ist, aber sie geht nicht ans Telefon und reagiert auf keine SMS.“ „Das dürfte schwierig werden, denn im Moment sitzt meine Cousine in einer Maschine, mit Ziel Kreta.“ „Verstehe. Hast du das veranlasst?“ „Ich hielt es für besser. Eine gute Freundin von mir, Alejandra hat eine Villa auf Kreta. Dort kann Chrissy einige Zeit verbringen.“ „Gut. Wenigstens ist mein Schatz in Sicherheit.“ „Ja. Allerdings hat meine Aktion Jamie und Norris ganz schön auf die Palme gebracht.“ „Hätte mich gewundert, wenn die beiden Dorftrottel das einfach so hingenommen hätten.“ „Zugegeben Hector, es wird noch dauern, bis die Bombe in Norris Blechschleuder hochgeht, aber die Uhr hat bereits angefangen zu ticken.“ „Also ist die Bombe aktiviert?“ „Ja.“ „Das ist gut. Aber ich gebe dir Brief und Siegel, dass sich Jamie und Norris jetzt garantiert an die Fersen von Chrissys bester Freundin heften werden.“ „Kenn ich die Dame?“ „Klar kennst du sie. Danielle Rivetti.“ „Stimmt da war was!“ „Jetzt wo Chrissy weg ist, werden die beiden versuchen sie zu kassieren.“ „Lieber Danielle, als meine Cousine.“

Wie ernst es Jamie und Norris war, mich endgültig fertig zu machen, zeigte sich am darauffolgenden Tag. Es war Freitag, der 31.07.2020. Die beiden Brüder drangen am helllichten Tag in das Haus von Chrissys bester Freundin ein und entführten sie. Norris rief mich auf meinem Smartphone an. Doch dieses Mal benutzte er einen Stimmenverzerrer. Anscheinend dachte er, ich würde vor Angst mit den Knien schlottern, wenn ich die Stimme nicht erkannte.

Wir saßen gerade auf Jelenas Zimmer beisammen als der Anruf einging. „Paul MacLain. Wer geht mir auf die Nüsse?“ „Deine letzte Stunde schlägt bald, du mieses Stück Scheiße.“ „Ach du bists Norris. Aber wozu der billige Trick mit dem Zerhacker?“ „Du bist ein Spielverderber! Woher weißt du, wer ich bin?“ „War nicht schwer zu erraten.“ „Dann hör mir jetzt genau zu, du mieser Scheißkerl. Wir haben statt deiner Cousine nun deren beste Freundin. Wenn du willst, dass Chrissy Danielle wieder in die Arme nehmen kann, dann stell dich uns. Wann und wo, sagen wir dir noch. Und nur damit wir uns klar verstehen, du kommst allein zum Treffpunkt. Haben wir uns da klar verstanden?“ „Dann erwarte ich von euch beiden, dass Ihr auch ohne Verstärkung anrückt.“ „Du forderst gar nichts von uns. Noch so eine Dreistigkeit, und Danielle stirbt gleich.“ „Na schön. Dann halte ich die Spielregeln auch nicht ein. Wir sehen uns Norris. Und dann hoffentlich zum letzten Mal in diesem Leben, du taube Nuss.“ „Klar sehen wir uns das letzte Mal, weil du nämlich 391

sechs Fuß unter der Erde liegst, wenn wir fertig sind.“ „Beiß nicht mehr ab, als du kauen kannst, Durak.“, sagte Jelena.

Der nächste Anruf kam am Sonntag, dem 02.08.2020. Dieses Mal war es Jamie, der anrief. Und er versuchte nicht den Trick mit dem Zerhacker. „Also MacLain. Ich hoffe, du hast nächsten Mittwoch nichts vor.“, sagte er. „Das ist der 5. August, stimmts?“ „Gut aufgepasst. Du kennst doch den Güterbahnhof von Vancouver. An der Haltestelle des „Whistler Mountaineer“ treffen wir uns. Dann kannst du zumindest ein paar Takte mit Danielle reden.“ „Wie großzügig, Jamie.“ „Du sollst doch noch ein paar schöne Momente haben, bevor du nach Walhalla einziehen darfst.“ „Freu dich nicht zu früh. Denn ich spiele nicht nach euren Spielregeln.“ „Wieso wundert mich das nicht?“ „Frag nicht mich.“ „Du wirst langsam zu einer Hämorride im Hintern, MacLain.“ „Bin ich das nicht schon?“

An dem besagten Mittwoch traf ich dann Danielle. Jelena begleitete mich, während Hera und Alejandra sich dezent im Hintergrund hielten. Die Jahre die zwischen unserem letzten Treffen und dem Treffen an diesem Tag hatten aus Danielle eine Schönheit gemacht. Sie war 1,76 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. Zugegeben, ihre Brüste waren nicht sehr groß, aber sie waren ein Eldorado für Männer, die es gerne klein und handlich mochten. Auch die sexy Beine waren nicht zu verachten. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen wurde von schulterlangen schwarzen Haaren eingerahmt, die am unteren Ende eine Dauerwelle bildeten. Auch die etwas breite Nase fügte sich harmonisch in Danielles Gesicht ein. Auch die sinnlichen Lippen, hätten mich zu einem Kuss verleitet, wenn Jelena mich nicht in die Seite geknufft hätte. „Du wirst bald heiraten, Paul. Vergiss das nicht.“, zischte sie leise. Bekleidet war Chrissys beste Freundin mit einem Tank-Top und einem Slip im Leoparden-Look. Dazu trug sie schwarze, halterlose Nylonstrümpfe und schwarze High Heels.

„Mach die beiden fertig, Paul. Ich bitte dich.“ „Das habe ich sowieso vor.“ „Mach bitte schnell. Jamie und Norris werden echt nervös.“ „Warum denn dieses?“ „Antonio Rivetti lässt Norris ausspionieren. Das macht er immer, bevor er zuschlägt.“ „Woher weißt du das?“ „Ich bin seine Frau.“ Ich stutzte. „Du hast richtig gehört, Paul. Ich bin eine Mafiabraut.“ „Weiß Chrissy davon?“, fragte ich. „Nein. Ich trau mich gar nicht es ihr zu erzählen. Und deshalb bitte ich dich, sag deiner Cousine nichts davon.“ „Mach ich. Dein süßes Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben. Aber darf ich dir noch was sagen?“ „Nur zu.“ „Dein Outfit ist ziemlich gewagt, wenn du mich fragst.“ „Ich hatte leider keine Zeit mehr, einen Rock über den Slip zu ziehen. Ich stand gerade am Kleiderschrank um nach einem passenden Kleidungsstück zu suchen, als Jamie und Norris ins Zimmer stürmten und mich mit Waffengewalt aus dem Haus geschleppt haben.“ „Hör zu, es mag dir vielleicht ein schwacher Trost sein, aber Norris könnte bald in der Hölle schmoren. Dein Mann hat ihm eine Bombe ins Auto gebaut.“ „Wie viele Starts gab es seit dem Einbau?“, fragte Danielle leise. „13.“

Schließlich erschien Jamie auf der Bildfläche. „So MacLain, deine Zeit ist um. Danielle muss wieder ins Körbchen.“, sagte er. „War klar.“ „Nächste Woche 392

Dienstag, am 11. August.“ „Ist das der Tag X?“ „Sehr richtig. Kennst du das Blockhaus am Stadtrand von Whistler?“ „Natürlich.“ „Dort findest du uns. Und ich warne dich. Wehe, du schaltest die Mounties ein, dann ist Danielle eine tote Frau.“ „Ich möchte nicht in eurer Haut stecken, Jamie. Antonio Rivetti wird euch den Arsch aufreißen.“ „Das werden wir sehen. Bis Dienstag, du Versager.“

Die Tage bis zum Showdown passierte nichts. Bis auf ein Treffen zwischen mir und Benton Fraser. Der Mountie war ein 1,82 m großer Mann mit stechenden blauen Augen. Sein Körper war athletisch gebaut. Seine braunen Haare trug er kurz geschnitten. „Ihr spezieller Freund Jamie war hier.“, eröffnete er unser Gespräch. „Und was wollte er?“ „Er meinte, wir sollten Antonio Rivetti im Auge behalten.“ „Das ist typisch für Jamie. Wenn man ihm ans Leder will versteckt er sich gerne hinter den lokalen Gesetzeshütern.“ „Sie scheinen die Familie ziemlich gut zu kennen, Mr. MacLain.“ „Das tu ich in der Tat, Captain. Ich mach Ihnen einen Vorschlag. Wenn Sie Dienstschluss haben, lade ich Sie auf ein Bier ein. Und dann erzähle ich Ihnen die ganze Geschichte.“ „Einverstanden.“

Um 18:30 Uhr traf ich mich mit dem Mountie in einem Pub in der Nähe von Barneys Garage. „Also, Mr. MacLain. Dann erzählen Sie mal.“, sagte er. „Ich werde versuchen auf Nebensächlichkeiten zu verzichten.“ „Ich höre.“ „Unsere Familien sind seit Generationen verfeindet. Diese Fehde nahm im Falklandkrieg ihren Anfang. Es war der 14.06.1982. Sechs Tage vor Kriegsende. Mein Vater und Robert Doohan, der Vater von Jamie und Norris, waren bei der Einheit Fallschirmjägern, die den Auftrag hatten die Moody Brook Kaserne einzunehmen. Am Mount Tumbledown haben die argentinischen Verteidiger die britischen Fallschirmjäger unter Beschuss genommen. Robert Doohan hat sich aus dem Staub gemacht und seine Kameraden wissentlich ihrem Schicksal überlassen.“ „Ist das nicht Fahnenflucht?“ „Doch. Mein Vater und die übrigen Männer haben einen offenen Brief an den Oberbefehlshaber der Einheit geschrieben und darin gefordert, dass man Robert Doohan keine Orden verleiht und ihn bei Beförderungen kategorisch ausschließt. Am 12. Januar 1983 ist Robert Doohan aus der Royal Army ausgeschieden. Leider war es keine unehrenhafte Entlassung. Doch die Angelegenheit war damit noch lange nicht ausgestanden. Robert Doohan hat meinen Dad des Vaterlandsverrats beschuldigt und ihn öffentlich vor Gericht stellen lassen. Man hat Dad zwar aus Mangel an Beweisen frei gesprochen, aber er war praktisch am Ende. Sein exzellenter Ruf, den er sich in all den Jahren erworben hat, war mit einem Schlag zerstört. Er war für den Rest seines Lebens ein gebrochener Mann.“

„Jetzt wird mir einiges klar. Wissen Sie, es wäre vielleicht besser gewesen, Sie hätten mich früher über die Hintergründe aufgeklärt. Aber besser zu spät, als gar nicht. Na schön, von mir aus kann Bomben-Toni Norris ins Nirvana pusten. Ich persönlich habe da nichts gegen. Aber er muss für seine Taten büßen. Gesetz ist Gesetz.“ „Hören Sie, Captain. Ich habe Mr. Rivetti mein Ehrenwort gegeben, ihn nicht bei der Polizei zu denunzieren. Und ich werde meinen Schwur nicht brechen.“ „Sie sind doch fein raus. Denn wenn wir Bomben-Toni festnehmen, dann haben wir das dem Tipp von Jamie Doohan zu verdanken.“ 393

„Dann sagen Sie ihm das auch.“ „Keine Sorge, Mr. MacLain. Ich werde Antonio Rivetti schon klar machen, dass er seine Festnahme Jamie Doohan zu verdanken hat.“

Und dann war der schicksalhafte Dienstag angebrochen. Der Tag, an dem ich mich noch einmal den Dämonen meiner Vergangenheit stellen musste, die in Person von Jamie und Norris an der alten Blockhütte auf mich warteten. Um 8:30 Uhr rief Jamie an. Jelena und ich saßen gerade beim Frühstück. „Paul MacLain.“ „Wo bleibst du, Mann. Du bist schon zwei Stunden überfällig.“ Du hast keine Zeit genannt, wann wir uns treffen.“ „Egal. Setz deinen Arsch in Bewegung und komm zum Treffpunkt.“ „Geht nicht.“ „Warum nicht?“ „Weil ich gerade frühstücke, du Spatzengehirn.“ „Das Frühstück fällt aus! Mach dass du herkommst. Und das ein bisschen hurtig.“ „Schon vergessen, dass ich auf eure Spielregeln einen Pfifferling gebe?“ „Jetzt hör mal gut zu, MacLain. Sieh zu, dass du deinen Arsch nach Whistler verfrachtest. Du hast noch anderthalb Stunden und keine Sekunde mehr.“

Um 10:00 Uhr kamen Jelena und ich am Blockhaus an. Den Ford hatten wir auf dem öffentlichen Parkplatz vor dem großen Hotel abgestellt. Den Rest waren wir gelaufen. Alejandra und ihre Cousine hatten einen abzweigenden Waldweg genommen. Bevor Jelena und ich am Treffpunkt aufkreuzten, luden und entsicherten wir unsere Waffen. Als wir vor dem Blockhaus standen, öffnete sich die Tür und Jamie und Norris kamen mit Danielle heraus. Links und rechts konnte ich im Schatten zwei Konturen ausmachen. Und ich wusste genau, wer dort lauerte. Tim Robbins und Curtis Novak. „Schon wieder unsere Spielregeln nicht eingehalten, MacLain. Du solltest allein und unbewaffnet herkommen. Stattdessen kommst du mit geladener Bleispritze und deiner russischen Schickse hier an.“

Bevor ich zu einer Erwiderung ansetzen konnte, erschien aus heiterem Himmel ein Hubschrauber. Es handelte sich um einen Bell 505. Das Seitenfenster auf der von mir aus gesehen linken Seite war zurückgeschoben und Antonio Rivetti zielte mit einer Heckler & Koch Maschinenpistole auf Norris. Dieser sprang in seinen Chevy und gab Gas. Bomben-Toni drückte den Abzug durch. Die Heckscheibe des Chevy ging zu Bruch. Doch dann würgte Norris den Motor seines Geländewagens ab. Während Jamie entsetzt das Geschehen verfolgte, sah ich unauffällig auf mein Smartphone. Eine dunkelorange 24 erschien auf dem Display. „Noch eine Zündung. Dann ist Norris Geschichte.“, sagte ich leise zu Jelena. „Da.“

Schließlich gelang es Norris, den Motor des Blazer wieder zu starten. In diesem Moment ging ein elektrischer Impuls von der Zündspule zum Zähler der Bombe. Die Zahl sprang von 24 auf 25 um. Ein weiterer elektrischer Impuls wanderte dann vom Zählwerk hinunter zum Sprengsatz. Als dieser dort ankam, wurde eine chemische Reaktion in Gang gesetzt. Mit einer lauten Explosion detonierte die Bombe und der Chevy wurde von einem orange-roten Feuerball eingehüllt.

„NORRIS!!!!!!!“, schrie Jamie. „Pech, wenn ihm Bomben-Toni eine Bombe ins Auto baut.“ „Du mieser Scheißkerl hast mit Antonio Rivetti gemeinsame Sache 394

gemacht. Erst Mick. Jetzt Norris. Ich mach dich fertig, MacLain. Verlass dich drauf.“ Er sah verstohlen zur rechten Ecke des Blockhauses wo Curtis Novak lauerte. Dann deutete Jamie auf Jelena. „Knall diese Bitch ab, Curtis!“, rief er. Der Lauf eines Colt Peacemaker tauchte aus dem Schatten auf.

Curtis spannte gerade den Hahn, als Alejandra Valderrama aus heiterem Himmel hinter ihm stand und ihm ihre Beretta an die Schläfe hielt. „Schmeiß die Kanone weg, oder du hast nie mehr Zahnschmerzen.“, sagte sie leise. Curtis ließ den Hahn wieder einrasten und warf den Peacemaker auf den Boden. „Und jetzt nimm die Pfoten hoch, du hinterhältiges Aas.“ Curtis tat, was Alejandra von verlangte. „Los jetzt! Vorwärts!“, befahl El Doberman. Jamies Freund setzte sich in Bewegung. „So ists schön. Ganz langsam. Und keine faulen Tricks! Hast du verstanden?“ Als Jamie sah, dass Heras Cousine seinen Spezi entwaffnet hatte und ihm nun ihrerseits eine Waffe an den Kopf hielt, begriff er, dass es nahezu unmöglich war, Jelena zu töten. „Na schön, MacLain. Deine Partnerin mag einen Schutzengel haben, der auf sie aufpasst. Aber ich habe auch einen. Nämlich Tim. Und rate mal für wen dessen Kugel bestimmt ist.“ „Etwa für mich?“ „Richtig! Der Kandidat hat hundert Gummipunkte und eine aufblasbare Waschmaschine gewonnen. Tim! Erschieß den verdammten Bastard!“

Ein Schuss krachte. Kurze Zeit später sah man Tim Robbins rückwärts taumeln. Hera stand vor ihm. In der Hand ihre Heckler & Koch. Anhand der sich kräuselnden Rauchfahne konnte ich sehen, dass sie den Schuss abgegeben hatte. „Tja, Jamie. Es sieht wohl so aus, als ob MEIN Schutzengel deinem Schutzengel gerade das Licht ausgeknipst hat.“, sagte ich hämisch. „Das wird dieses Miststück büßen!“ Jamie zog eine Benelli B76. Doch ein Schuss aus Alejandras Beretta ließ ihn in der Bewegung inne halten. „Das lässt du mal schön bleiben, Gringo!“, sagte El Doberman. „Was mischst du dich da ein? Das ist eine Sache zwischen deinem Busenfreund und mir! Ich habe mit ihm eine Rechnung zu begleichen, die er nur mit seinem Leben bezahlen kann.“ „Spar dir deine dummen Sprüche, Blanquito. Außerdem habe ich deinem Erzfeind eine Menge zu verdanken.“ „Soviel, dass du ihm sogar in den Arsch kriechst?“

„Genug jetzt! Ich denke, es ist erwiesen, dass du Paul MacLain hinterhältig abknallen lassen wolltest! Du und dein Spezi da werdet dem Haftrichter vorgeführt, wie es sich gehört.“, sagte Hera. „Aber...“ „Komm mir nicht mit dem Satz, dass du unschuldig bist. Das kauf ich dir nicht ab. Dein Leben in Freiheit, ist jedenfalls vorbei.“ „Was habe ich gesagt, Durak. Du sollst nicht mehr abbeißen, als du kauen kannst.“, sagte Jelena.

Nur eine Woche, nach dem großen Finale machte man Jamie Doohan und Curtis Novak den Prozess. Der Anwalt der beiden versuchte alles, um mich in ein schlechtes Licht zu rücken. Doch am Ende nutzte dies nada Granada. Jamie bekam, was er verdiente. Er wurde zu dreimal Lebenslänglich verurteilt. Curtis Novak bekam, weil er umfassend ausgesagt hatte, drei Jahre auf Bewährung. Für Jelena und mich bedeutete das: Auftrag erfüllt, also her mit der Kohle.

Allerdings sollte ich noch etwas erwähnen. Zur gleichen Zeit, als Jamie verurteilt wurde, hatte Captain Fraser Antonio Rivetti hatte verhaften lassen. Dieser tobte vor Wut, weil er glaubte, ich hätte mein Wort gebrochen. „Sie tun Mr. MacLain Unrecht. Er hat geschwiegen. Es war Jamie Doohan, der Sie ans Messer geliefert hat.“ hatte er dem Mafiaboss zu verstehen gegeben. „Den kauf ich mir. Den mach ich fertig.“ „Das dürfte etwas schwierig werden. Denn es heißt, dass Jamie Doohan drei mal lebenslänglich als Strafmaß aufgebrummt bekommen soll.“

Nachdem meine Cousine meiner Partnerin und mir das vereinbarte Honorar überwiesen hatte, war es für uns an der Zeit Kanada zu verlassen. Doch vorher schaute ich noch mal bei Jamie vorbei. „Na Jamie. Wie ist das, wenn man auf einmal eine Gefängniszelle als sein Domizil bezeichnen darf?“ „Halts Maul und geh mir aus den Augen, MacLain. Ich will dich nie wieder sehen.“ „Keine Bange. Wenn ich wieder nach Vancouver komme, werde ich noch miterleben, wie man dich mit den Füßen voraus aus dem Gefängnis trägt. Wie alt bist du jetzt? 55?“ „58. Und jetzt verpiss dich!“ „Liebend gern. Machs gut Jamie. Und grüße den Teufel von mir, wenn du ihm begegnest.“ Mit diesen Worten machte ich kehrt und ging.

Wir bezahlten die Rechnung und machten uns auf den Weg zum Flughafen. Dort gaben wir den Ford Ranger bei der Autovermietung zurück und gingen zu den Abflügen. Als wir den Schalter von Air Canada aufsuchten, um unser Gepäck aufzugeben, trafen wir auf Alejandras Bodyguards. „Ihr seid aber spät dran, Amigo.“, sagte Jose´. „Ich habe noch einmal Jamie im Knast besucht, um mich von ihm zu verabschieden.“ „Und wie hat er reagiert?“ „Er wollte mich nicht sehen.“ „Alejandra hat gefragt, ob ihr den Fall auf Kreta ausklingen lassen wollt. Die anderen sind schon unten.“, sagte Roberto. „Jelena?“ „Keine schlechte Idee. Ein bisschen Sonne tut gut, nach der Kälte Kanadas.“

Am Freitag, den 21.08.2020 saßen wir bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel auf der Terrasse von Alejandras Villa. „Hoffentlich kommt Jamie nicht auf die Idee, sich an dir zu rächen.“, sagte Kelly. „Das wage ich zu bezweifeln. Der darf 45 Jahre brummen. Ich glaube eher, dass er mit den Füßen zuerst raus kommt.“ „Wieso haben Jamie und Norris dich eigentlich so gehasst, Onkel Paul?“, fragte Camille. „Weil ihr jüngster Bruder, Mick, bei meinem ersten Fall von meiner Zielperson erschossen wurde. Unsere Familien verbindet eine Jahrzehnte lange Feindschaft.“ „Samantha hat es mir erzählt. Eigentlich hätte man den Vater von Jamie, Norris und Mick unehrenhaft aus der Royal Army entlassen müssen.“ „Hätte, hätte Fahrradkette. Fakt ist, er durfte in Ehren gehen.“ „Ich wollte mich bei dir und Jelena bedanken, dass Ihr mir die beiden vom Hals geschafft habt.“, sagte Chrissy. „War nicht der Rede wert. Wichtig ist, ich habe ein dunkles Kapitel meiner Vergangenheit ein für allemal geschlossen. Die Dämonen meiner Vergangenheit sind nicht mehr da.“ „Was planst du für die Zukunft?“ „Ich denke, ich kann mit dem Gedanken spielen, mich zur Ruhe zu setzen. Ich werde langsam zu alt für diesen Scheiß.“ „Was denn? Du denkst jetzt schon ans aufhören?“ „Jelena und ich haben gut verdient. Das kann nicht jeder von sich behaupten.“ „Wohl wahr.“ In diesem Moment kam Jose´ mit der aktuellsten Ausgabe der Frankfurter Rundschau. „Hab ich dir mitgebracht, Paul.“, sagte er. 395

„Gracias, Jose´.“ „Denada. Ach übrigens Paul. Ließ dir mal den Artikel auf Seite 3 durch. Da wird über eine Bande von Versicherungsbetrügern berichtet.“

„Und?“, fragte meine Schwester, nach dem ich den Artikel gelesen hatte. „Einen mach ich noch. Zum Abschied.“ „Heißt im Klartext?“ „Die Versicherungsgesellschaft wird sich an uns wenden. Das hab ich im Urin.“ Und wie recht ich haben sollte, würde sich bald herausstellen. 396

28. Fall - Versicherungsbetrug in Christchurch

28. Fall - Versicherungsbetrug in Christchurch

Am Montag, den 24.08.2020, hatte uns der Alltag wieder. Jelena und ich waren wieder mit Brit Olson unserer Sekretärin zu unserer allmorgendlichen Joggingrunde im Park aufgebrochen. Wir waren gerade im Büro, als das Telefon klingelte. „Detektivbüro MacLain-Romanova. Sie sprechen mit Brit Olson.“, sagte Brit, als sie den Anruf entgegennahm. „Mein Name ist Lorena West. Ich arbeite bei Christchurch Insurance Limited, einer neuen Versicherungsgesellschaft in Neuseeland. Unser Firmensitz ist, wie es der Firmenname sagt, in Christchurch. Wir bräuchten die Hilfe Ihrer Brötchengeber.“ „Einen Moment, ich verbinde.“ Dann stellte sie die Anruferin zu mir durch. „Detektivbüro MacLain-Romanova. Paul MacLain am Apparat.“ „Guten Tag, Mr. MacLain. Mein Name ist Lorena West. Mein Arbeitgeber bräuchte Ihre Hilfe und die ihrer Partnerin.“ „Worum geht es?“ „Haben Sie von der Betrügerbande gehört, die hier in Christchurch ihr Unwesen treibt?“ „Ich habe einen Artikel in der Frankfurter Rundschau gelesen.“ „Mir wurde gesagt, Sie und Miss Romanova wären die besten ihrer Branche. Ich bin morgen in Deutschland. Kann ich um 10:30 Uhr zu Ihnen ins Büro kommen?“ „Das geht klar. Wir erwarten Sie um 10:30 Uhr.“, sagte ich.

Am nächsten Tag hatten wir die Joggingrunde etwas verkürzt, da wir zeitig im Büro sein wollten. Jelena und ich hatten gerade unsere Laptops hochgefahren, als es an der Eingangstür unten klingelte. Brit betätigte den Türöffner. Nur kurze Zeit später hörten wir Schritte auf der Treppe. Dann klopfte es an der Tür unseres Büros. „Herein!“, sagte ich. Die Frau, die eintrat, erinnerte mich an unseren Fall in Marrakesch. Sie sah der Spanierin ähnlich, die wir damals befreit hatten.

Sie war 1,70 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper mit sexy Beinen. Zugegeben was die Oberweite angeht, war unsere Besucherin nicht gerade glücklich gesegnet. Aber wer es klein und handlich mochte, dürfte bei dieser Frau an der richtigen Adresse sein. Auch das ovale Gesicht mit den braunen Augen war ein Hingucker. Die dünne Nase fügte sich ebenso harmonisch ins Gesicht ein, wie die sinnlichen Lippen. Ihre braunen Haare trug Lorena West offen, sodass sie bis zur Oberkante ihrer Brüste reichten. Bekleidet war sie mit einem schwarzen Rock und einer schwarzen Weste. Dazu trug sie schwarz-gelbe High Heels ohne Halteriemen.

„Bitte Miss West, setzen Sie sich.“, sagte ich freundlich. „Muchas Gracias, Señor MacLain.” „Bevor wir weiterreden, habe ich eine Frage.” „Bitte.“ „Waren Sie im Mai vergangenen Jahres vielleicht in Marrakesch?“ „Si, Señor. Ich erinnere mich gut an Sie und ihre Partnerin. Es ist schön Sie beide wieder zu sehen.“ „Die Freude ist ganz auf unserer Seite. Was hat Sie nach Neuseeland verschlagen?“ „Die Liebe und die Arbeit. Mein Mann Aaron ist Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei. Ich bin gelernte Versicherungskauffrau. Aaron hat mich an die neu gegründete Versicherungsgesellschaft in Christchurch verwiesen. Und das war auch naheliegend, denn wir haben dort auch unseren Wohnsitz.“

„Verstehe. Sie sagten gestern am Telefon, dass Ihr Brötchengeber unsere Hilfe benötigt.“ „Ja, das ist richtig. Sehen Sie, diese Betrügerbande macht uns 397

ganz schön zu schaffen.“ „Nun ja, wenn man es richtig betrachtet, ist die Palette für Versicherungsbetrug recht breit gefächert. Es gibt ja allein schon die verschiedensten Arten von Sachschäden.“, sagte Jelena. „Das stimmt. Unsere Versicherungsgesellschaft ist auf Luxusautos und Luxusjachten spezialisiert. Sie können sich denken, von welchen Summen wir hier reden.“ „Von Summen im zweistelligen Millionenbereich. Und die sind bei Versicherungsobjekten wie in ihrem Fall, soweit ich weiß an der Tagesordnung.“, sagte ich. „Das stimmt. Wie gesagt, die Christchurch Insurance Limited gibt es erst seit 4 Monaten.“ „Das bedeutet, dass die Rücklagen Ihrer Gesellschaft noch nicht ausreichen, um einen Schaden zu regulieren.“ „Das ist korrekt. Einen Großbildfernseher könnten wir noch bezahlen, aber keinen komplett zerstörten Lamborghini.“ „Haben Sie keinen hauseigenen Detektiv?“ „Unser Etat gestattet keine solche Stelle. Wir sind zum Glück in der Lage, Ihnen beiden pro Kopf 20.000 Euro zu bezahlen.“ „Das ist schon etwas. Aber verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Wir haben einfach noch keine Fakten, mit denen wir arbeiten können.“, sagte Jelena. „Man warnte mich, dass Sie so etwas sagen würden. Ich habe hier einen Zeitungsartikel, der sich mit der Pleite eines Konkurrenten beschäftigt. Das Unternehmen war in Australien, genauer gesagt, in Melbourne. Anfang des Jahres ging die Gesellschaft schließlich pleite.“

Ich nahm die Zeitung, die Lorena West mitgebracht hatte und las mir den Artikel durch. „Interessant.“, meinte ich, als ich den Artikel gelesen hatte und gab die Zeitung Jelena. „Was meinst du, Jelena?“ „Wir sollten den Fall übernehmen.“ „Na dann. Aber vorher brauchen wir schon ein paar konkrete Fakten, mit denen wir arbeiten können. Sonst müssten wir ablehnen.“ „Viel ist es aber nicht, was ich Ihnen beiden sagen könnte.“ „Dann teilen Sie uns mit, was Sie wissen.“ „Unser Unternehmen wurde am 14.04.2020 gegründet. Die wirtschaftliche und finanzielle Elite der Stadt hat ihre Besitztümer bei uns versichert.“ „Also die Reichen und Schönen.“ „Ganz genau. Im Mai sind wir dann ins Visier der Betrüger geraten.“ „Können Sie sich noch erinnern, wie der Kontakt zustande kam?“ „Am 3. Mai kamen zwei Männer zu uns ins Büro. Der eine war etwas älter. Der andere ein Jungspund im Alter von 25 Jahren. Ein Musterexemplar vom Typ Sunnyboy.“

„Welcher von den beiden? Der Alte oder der Junge?“ „Der Junge natürlich.“ „Können Sie uns diese beiden Herren genauer beschreiben?“ „Zumindest den Jungspund.“ „Wie sieht er aus?“ „Er ist 1,85 m groß und hat einen athletischen Körperbau. Das Gesicht ist oval geschnitten und seine Haut stark gebräunt.“ „Scheint wohl mit Vorliebe Sonnenstudios zu besuchen.“ „Woran erinnern Sie sich noch?“, fragte Jelena. „Der Sunnyboy hatte blonde Haare und blaue Augen. Außerdem trug er einen Kinnbart.“ „Kleidung?“ „Ich weiß, dass er ein Seidenhemd getragen hat, dass bis zum Brustansatz aufgeknöpft war. Dann hat er eine weiße Leinenhose getragen und weiße Segeltuchschuhe. Socken hat er keine an gehabt.“ „War sonst noch was auffällig?“ „Si. Er hat eine Sonnenbrille getragen, wie sie die Piloten der U.S. Airforce zu tragen pflegen. Ich glaube das war eine Rayban.“ „War sonst noch was Auffälliges an dem Burschen?“ „Nur noch sein Goldkettchen.“

„Na schön. Das ist ja schon einiges. Was können Sie uns noch berichten?“, 398

fragte ich. „Die beiden Herren haben getrennt voneinander zwei Objekte versichert. Der Jungspund einen Lamborghini Huracan. Der Senior eine Yacht.“ „Gibt es Dokumente, die die Abschlüsse beweisen?“ „Ich habe die Dokumente über den Abschluss für den Lamborghini mitgebracht. Immerhin war ich diejenige, die diesen Auftrag bearbeitet hat.“ Mit diesen Worten reichte mir Lorena West einen C4-Umschlag. Ich öffnete ihn und nahm die Dokumente heraus. Ich sah mir jedes Dokument genau an. Bei der Höhe der Versicherungssumme wurde ich allerdings stutzig. „Wieso wurde der Wagen für 750.000.000 Dollar versichert? Das ist für ein solches Fahrzeug normalerweise gar nicht üblich.“ „Wenn Sie den Artikel richtig gelesen haben, dann wird Ihnen nicht entgangen sein, dass die Betrüger die Sportwagen immer mit einer solch hohen Summe versichern. Und ja, unsere Gesellschaft verfügt nicht über die Summe, um den Schaden zu regulieren, sollte der Lambo beschädigt werden.“

„Ich denke, die Informationen reichen, um den Auftrag anzunehmen. Ich möchte Ihnen allerdings sagen, dass Sie unsere letzte Klientin sind. Wenn dieser Fall abgeschlossen sein wird, setzen meine Partnerin und ich uns zur Ruhe. Wir haben genug Geld verdient, um ein sorgenfreies Leben führen zu können.“ „Die Unterwelt wird sich freuen, wenn die Nachricht von Ihrer beider Karriereende bis zu den Bossen vordringt.“ „Aber vorher werden wir der Unterwelt noch einmal einen ordentlichen Schock versetzen, wenn wir diese Bande hoch gehen lassen.“ „Außerdem wird jemand anderes dieses Büro übernehmen. Wir haben seit Beginn unserer Partnerschaft ein junges Ermittlerduo aufgebaut. Bernd Köhler und Tina Kraus.“ „Ich habe von den beiden gehört. Die beiden sollen nach Ihnen beiden, die Besten der Branche sein.“ „Kein Wunder, wenn man bei uns lernt.“, sagte Jelena.

„In Ordnung. Wir kommen am Mittwoch. Das ist der 26.08.“ „Gibt es ein Hotel, das Sie uns empfehlen könnten?“, fragte Jelena. „Das Crowne Plaza. Ist zwar ein Betonklotz, aber Ihren Ansprüchen würde es genügen.“ In diesem Moment klopfte es an der Tür unseres Büros.“ „Herein!“, rief ich. Die Tür öffnete sich und ein junger Mann und eine junge Frau traten ein. Tina Kraus war eine 1,65 m große rothaarige mit einem sexy Körper und ebenso sexy Beinen. Ihre roten Haare trug sie offen und als Dauerwelle, so dass sie bis zur Oberkante ihrer üppigen Brüste reichten. Das ovale Gesicht mit den blauen Augen war ebenfalls ein Hingucker. Die grazile Nase und die sinnlichen Lippen rundeten das schöne Äußere ab. Bekleidet war Tina mit einem magentafarbenen Kleid und magentafarbenen High Heels.

Bernd Köhler war ein junger Mann im Alter von 28 Jahren. Er war 1,76 m groß und besaß einen athletischen Körperbau. Das runde Gesicht mit den braunen Augen ließ Entschlossenheit erkennen. Seine dunkelbraunen Haare hatte er an den Seiten kurz geschoren. Den Rest hatte Bernd mit Haargel in Form gebracht. Seine etwas breite Nase passte irgendwie zu Bernds Gesicht. Allein schon die gesamte Erscheinung von Bernd Köhler beeindruckte. Bekleidet war mein Nachfolger in Spe mit einem schwarzen Hemd, auf dem der Schriftzug „ICEMAN“ zu lesen war, einer schwarzen Hose, schwarzen Socken und schwarzen Herrenschuhen. „Bernd, Tina, was führt euch her?“, fragte Jelena. „Wir wollten wissen, ob Ihr zwei noch zu eurem 399

Wort steht. Ihr wisst, was ich meine.“, sagte Bernd. „Haben wir euch je enttäuscht?“ „Nein, Paul.“ „Na also. Bei diesem Fall werdet Ihr mit uns zusammenarbeiten. Jetzt könnt Ihr beweisen, dass Ihr es wert seid, mit uns in einem Atemzug genannt zu werden.“ „Wann geht’s los?“, fragte Tina. „Übermorgen. Wir buchen im Crowne Plaza. Um den Mietwagen kümmern wir uns vor Ort.“ „Die Kosten dafür würden wir übernehmen.“, sagte Lorena. „Nur Unterkunft oder nur Mietwagen?“ „Für beides zusammen.“

Am 26.08. trafen wir uns mit Bernd und Tina schon um 0:05 Uhr am Flughafen im Terminal 1. Tina war schon ganz aufgeregt. Irgendwie hatten Jelena und ich es hinbekommen einen Direktflug mit Air New Zealand von Frankfurt nach Christchurch zu ergattern. Wir gingen zusammen mit Kelly und Anastasia zur Sicherheitsschleuse, wo wir uns verabschiedeten. „Passt gut auf Paul und Jelena auf.“, sagte Anastasia zu Tina. „Keine Bange. Die beiden kommen schon wieder heil nach Hause.“ „Hoffentlich seht Ihr ein bisschen was von Neuseeland.“, sagte Kelly. „Allzu viel wohl nicht. Denn wir fliegen hin, um zu arbeiten und nicht um am Pool Däumchen zu drehen.“

Die Sicherheitsschleuse brachten wir ohne große Probleme hinter uns. Auch Bernd und Tina kamen durch. Nur bei der Frau hinter Tina schlug der Scanner an. Sie wurde von den anderen separiert und von einer FRASEC-Mitarbeiterin einer Leibesvisitation unterzogen. Die Sicherheitsbeamtin fand einen Dolch mit einer 15 cm langen und gewellten Klinge, der im Saum ihres Rocks versteckt war. Sofort klickten die Handschellen.

„Jede Wette, die wollte uns ans Leder.“, sagte Bernd. „Davon könnt Ihr ausgehen. Und eins steht jedenfalls fest.“ „Und was, Jelena?“, wollte Tina wissen. „Die Gegenseite weiß Bescheid, dass wir kommen.“

Wir begaben uns in den Transitbereich. Und während Jelena, Bernd und Tina aufmerksam das Geschehen verfolgten, suchte ich nach dem Gate von dem aus unser Flug starten sollte. Schließlich fand ich ihn. „Okay, Leute. Es geht los. Auf zum Gate.“, sagte ich. „Zu welchem Gate müssen wir eigentlich?“, fragte Tina. „C12.“ Dort angekommen suchten wir uns vier Sitzplätze nebeneinander. Bernd und Tina beobachteten das Geschehen. Plötzlich knuffte sie ihren Partner in die Seite. Bernd nickte. „Stimmt irgendwas nicht?“, fragte Jelena. Bernd Köhler senkte die Stimme. „Kuck mal unauffällig zwei Reihen weiter vorne. Siehst du die Blondine mit der Catcherfigur? Die hängt an uns dran, seit wir losgefahren sind.“

Ich folgte Jelenas Blick und entdeckte eine 1,75 m große Frau mit blonden Haaren, die sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Das ovale Gesicht mit den sinnlichen Lippen und der grazilen Nase war hübsch anzusehen. Die Augen hatte sie hinter einer Carrera-Sonnenbrille verborgen. Auffällig war auch der durchtrainierte, athletische Körper. Auch die sexy Beine fielen sofort auf. Bekleidet war die Unbekannte mit einem schwarzen Tank-Top und silbernen Hotpants. Dazu trug sie schwarze halterlose Nylonstrümpfe und Sportschuhe der Marke PUMA. 400

Offenbar hatte die Blondine gemerkt, dass wir sie entdeckt hatten, denn sie stand auf und suchte einen anderen Sitzplatz. Nach weiteren 10 Minuten Wartezeit kam dann endlich die Durchsage für das Boarding. „Achtung! Alle Passagiere des Fluges NZ 505 nach Christchurch werden gebeten an Bord der Maschine zu gehen.“

Wir zeigten unsere Boardingpässe und gingen durch den Eingang an Bord des Flugzeugs. Ganz Techniknerd hatte ich unsere Maschine schnell identifiziert. Es handelte sich um eine 777-300ER aus dem Hause Boeing.

Wir saßen schon auf unseren Plätzen, als die blonde Catcherin an Bord kam. Sie setzte sich direkt hinter Bernd, der sofort sehr wachsam war. Sollte diese Frau nämlich auf krumme Gedanken kommen, musste es schnell gehen.

Um 5:00 Uhr startete unser Flieger. Der Pilot schob die Gashebel der Triple Seven nach vorn und beschleunigte die Maschine. Und dann waren wir in der Luft. Der Pilot ging in den Steigflug, um die Boeing auf ihre vorgeschriebene Reiseflughöhe zu bringen. Und solange das so blieb, rührte sich die Blondine nicht vom Fleck. Erst als sich die Maschine im Horizontalflug befand, trat sie in Aktion.

„Sie wollen bitte mitkommen.“, sagte die Blondine, als sie neben uns stand. So schnell, wie mein Nachfolger reagierte, konnte ich nicht mal meine Walther ziehen. Denn im nächsten Augenblick hatte Bernd die Frau überwältigt und sie mit dem Polizeigriff am Boden fixiert. „So, jetzt ist aber Ruhe im Karton. Du setzt dich wieder schön brav auf deinen Platz und hältst die Knochen still, oder du kriegst die Acht umgelegt.“, sagte er.

Die Dame wusste nur zu gut, was Bernd Köhler meinte. Er würde nicht zögern und ihr Handschellen anlegen. Also setzte sie sich wieder auf ihren Platz. Aber nicht, ohne meinem Nachfolger in Spe einen tödlichen Blick zuzuwerfen. Um 4:50 Uhr landeten wir auf dem Christchurch International Airport.

Doch den nächsten Aufreger gab es beim Verlassen des Flugzeugs. Die Blondine versuchte sich aus dem Staub zu machen, doch Bernd hatte wieder aufgepasst. Er packte sie an ihrem linken Arm und drehte ihn auf den Rücken. „Einen Moment mal Püppi! Du bleibst schön hier. Denn das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist noch nicht gesprochen. Auf dich wartet jede Menge Ärger!“

Nachdem wir unsere Koffer geholt hatten, brachten Bernd und ich die blonde „Catcherin“ zu einer am Flughafen befindlichen Polizeistation. Jelena und Tina gingen zu einer Autovermietung. Dort trafen wir uns dann. Jelena und ich entschieden uns für einen BMW 840 D, während sich Bernd und Tina für einen Mercedes E200 Coupé´ Avantgarde entschieden.

Unser Wagen hatte den Dieselmotor mit 320 PS, während der Mercedes, den Bernd und Tina gemietet hatten, von 197 PS straken Benzinmotor und einem 14 PS starken Hybridmotor befeuert wurde. Der BMW war in Tansanitblau metallic lackiert, der Benz in designo-hyazintrotmetallic. Bernds und Tinas Mietwagen hatte noch das 401

9G-tronic-Getriebe an Bord. Bei unserem BMW waren noch die 19-Zoll Leichtmetallfelgen im Vielspeichendesign Bi-Color, erwähnenswert. Und während in unserem Mietwagen das Interieur in schwarzem Leder ausgekleidet war, hatte Bernds und Tinas Mercedes im Innenraum die Ledernachbildung ARTICO spendiert bekommen. Bei unserem Mietwagen hatte der Autovermieter die Einstiegsleisten mit BMW Individual Schriftzug mitbestellt, beim Mercedes das Spurpaket, das aus Totwinkel-Assistent und aktivem Spurhalte-Assistent bestand. Die Zierleisten in unserem Wagen waren in Edelholzesche Schwarz ausgeführt, in Bernds und Tinas hatte man designo Klavierlacklines schwarz verbaut. Zu guter Letzt möchte ich noch das Innovationspaket erwähnen, das Jelena und ich im 8er vorgefunden hatten. Auch das Spiegelpaket im Benz, bei dem die Innen- und Außenspiegel seitlich abblendbar und die Außenspiegel elektrisch anklappbar waren, soll nicht unerwähnt bleiben.

Vom Flughafen fuhren wir 12 Minuten zu unserem Hotel. Doch die Gegenseite hatte andere Pläne. Sie wollten einen von uns in einen Verkehrsunfall verwickeln, um die Versicherungssumme für den Huracan zu kassieren. Doch die Betrüger hatten nicht damit gerechnet, dass wir eine andere Route wählen würden. Allerdings waren die Brüder nicht auf den Kopf gefallen. Im Stadtzentrum von Christchurch wollten sie uns als dann schließlich abfangen. Doch auch dieser Plan schlug fehl. Denn statt das die Bande einen von uns erwischte, traf es am Ende einen Postboten mit seinem Auto, der gerade auf dem Weg zur Arbeit war.

Das Crowne Plaza war ein Betonklotz mit 16 Stockwerken. Vom vierten bis zum siebten Stockwerk waren die Zimmer in einem dreieckigen Vorbau untergebracht. Ab dann wies das Gebäude eine Sicke auf. Die Fenster der Zimmer waren nicht die größten, ließen aber dennoch genügend Licht herein. Der Eingangsbereich bestand aus einer riesigen Glasfront, die sich über die ersten drei Stockwerke erstreckte.

Als wir die Lobby des Hotels betraten, sah die Mitarbeiterin an der Rezeption von ihrem Computer auf. Als sie uns erkannte, strahlte sie über das ganze Gesicht. Kein Wunder, handelte es sich doch um unsere gute Freundin Kattie. „Paul! Jelena! Na das ist aber eine Überraschung!“, sagte sie und kam hinter dem Empfangstresen hervor und drückte uns herzlich. „Lang nicht gesehen und doch wiedererkannt.“ „Wie darf ich das verstehen?“, fragte Kattie. „Na ja, zwischen Brasilien und jetzt liegt noch ein Fall, der mich und Jelena nach Kanada verschlagen hat.“ „Was hattet Ihr zwei hübschen denn im schönen Kanada verloren?“ „Ich musste mich noch einmal den Dämonen meiner Vergangenheit stellen.“ Kattie sah mich mit vor Schreck geweiteten Augen an. „Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?“ „Doch Kattie. Aber ich war ja nicht alleine. Jelena hat mich begleitet. Und die beiden Cousinen waren ebenfalls in meiner Nähe.“

Kattie atmete erleichtert auf. Dann fiel ihr Blick auf Bernd und Tina. „Und wen habt Ihr dieses Mal mitgebracht?“, fragte sie. „Das sind Bernd Köhler und Tina Kraus. Sie werden unsere Nachfolge antreten.“ Kattie sah uns fragend an. 402

„Du hast schon richtig gehört. Paul und ich setzen uns zur Ruhe. Dieser Fall ist unser letzter. Danach übernehmen Bernd und Tina unser Büro.“, sagte Jelena. „Kann ich euch auch mal besuchen kommen?“ „Klar kannst du das. Ich würde mich freuen, wenn du zu meiner Hochzeit kommst, Kattie.“ „Klar komm ich.“ „Braver Hund.“ „Wuff!“, erwiderte Kattie.

Bernd räusperte sich. „Ich finde, du hast genug Süßholz geraspelt, großer Meister.“, sagte er. „Kattie ist nicht nur eine gute Freundin von Jelena und mir. Sondern auch eine gute Informantin.“ „Und Saboteurin.“, ergänzte Kattie. „Wir erzählen euch später mehr. Aber jetzt sollten wir erst mal einchecken.“ Kattie ging wieder hinter den Tresen. „Mr. MacLain, Zimmer 506, Miss Romanova, Zimmer 508, Mr. Köhler, Zimmer 510 und Miss Kraus, Zimmer 512. Ich wünsche einen angenehmen Aufenthalt in unserem Haus.“

Nach dem Abendessen trafen wir uns auf Tinas Zimmer. „So, großer Meister. Jetzt spuck mal aus. Woher kennt du und Jelena diese heiße Meduse?“, sagte Bernd. „Kattie ist uns bei unserem Einsatz in Malta zum ersten Mal begegnet. Sie hat uns sogar bei der Versenkung der „Whistler“ geholfen. Die Kleine ist Gold wert.“ „Bist du dir da so sicher, Paul?“, fragte Tina. „Und ob wir uns da sicher sind. Kattie ist eine der besten Informationsquellen, die Ihr finden könnt. Auch die beiden Cousinen, Hera Arnakis und Alejandra Valderrama gehören dazu. Es ist unglaublich, was diese drei an Informationen beschaffen können. Vergrätzt die Mädels nicht.“ „Macht euch da mal keinen Kopf. Ihr selbst habt uns diese Regel immer wieder eingetrichtert.“, sagte Bernd.

In diesem Moment klopfte es an der Zimmertür. „Wer ist da?“, fragte ich. „Hera Arnakis und Alejandra Valderrama.“, hörte ich Heras Stimme. „Kommt rein, Ladies.“ Die Tür öffnete sich und die beiden Cousinen betraten das Zimmer. Kaum war die Tür zu bedachte mich Alejandra mit einem bitterbösen Blick. „Stimmt was nicht?“, fragte ich. „Die beiden Jungspunde sollen verschwinden.“ „Moment! Das sind unsere Nachfolger! Und es ist unsere Sache, ob sie uns begleiten, oder nicht.“ „Wie vertrauenswürdig sind die beiden?“, fragte El Doberman. „Wir haben die beiden ausgebildet. Ich denke, das spricht für sich.“ Bernd wollte aufbrausen, doch Tina hielt ihn zurück.

„Ich denke, du solltest dich bei den beiden entschuldigen, Cousine. Du kannst vom Glück sagen, dass die Nachfolgerin von Jelena Romanova ihren Partner zurückgehalten hat. Wer weiß, was sonst passiert wäre.“, sagte Hera. „Ich kann deiner Cousine nur beipflichten. Bernd Köhler und Tina Kraus wurden von uns von Beginn unserer Partnerschaft an ausgebildet und aufgebaut. Sie sind bereit, in unsere Fußstapfen zu treten. Außerdem haben wir ihnen versprochen, dass sie uns bei unserem letzten Fall begleiten dürfen. Und bis jetzt bereuen wir es keine Sekunde, die beiden mitgenommen zu haben.“

Hera und Alejandra sahen uns fragend an. Jelena erzählte, was sich bisher ereignet hatte. Dann wandte sich El Doberman an Bernd. „Ich denke, es ist nur rechtens, 403

wenn ich mich für mein rüdes Benehmen Ihnen gegenüber entschuldige, junger Mann.“ „Das will ich auch hoffen. Denn das hätte sonst ordentlich Ärger gegeben.“ „Bernd! Es ist gut jetzt! Alejandra hat sich bei dir entschuldigt. Und damit ziehen wir einen Schlussstrich.“, sagte Jelena streng. „Ist der Junge immer so ein Hitzkopf?“ Hera hatte diese Frage gestellt. „Nur wenn man ihm quer kommt. Ansonsten ist mein Partner ein netter Kerl. Und absolut zuverlässig.“, sagte Tina.

„Ich denke, die Sache ist jetzt geklärt. Jetzt sollten wir uns aber unserem Fall zuwenden.“, sagte ich. „Seh ich auch so, Towarischtsch.“ „Bevor wir damit anfangen, großer Meister, hätte ich gerne eines gewusst.“, sagte Bernd. „Und was wäre das?“ „Woher Ihr die beiden Cousinen kennt?“ „Ich war die Klientin der beiden, als der Drogenhandel in Famagusta Überhand genommen hat. Das El Doberman, wie man meine Cousine Alejandra auch nennt, mit mir verwandt ist, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht.“, beantwortete Hera die Frage. „Es hat sich auch erst im Laufe des Falles durch einen DNA-Test herausgestellt.“ „Und dadurch wurde aus der vermeintlich Bösen letzten Endes doch eine gute.“, sagte Tina. „Ganz genau. Seitdem haben uns die beiden Cousinen immer unterstützt, wo immer es nur ging. Auf die beiden ist Verlass.“ Bernd blickte beschämt zu Boden. „Dann ist wohl auch von meiner Seite eine Entschuldigung, fällig.“ „Es sei verziehen.“

„Also, Paul, dann lass mal hören, mit was für kriminellen Elementen Ihr es dieses Mal zu tun habt.“, sagte Alejandra. „Wir arbeiten für eine Versicherungsgesellschaft. Die Christchurch Insurance Limited. Ein neu gegründetes Unternehmen, das jetzt im Visier einer Bande von Versicherungsbetrügern steht.“ „Habt Ihr irgendwelche Namen?“ „Nein. Ich habe nur eine Personenbeschreibung, die mir unsere Klientin vor zwei Tagen mündlich gegeben hat.“

Am nächsten Morgen trafen wir uns mit den Cousinen zum Frühstück. „Was hatte es eigentlich mit dem Verkehrsunfall auf sich?“, wollte Hera wissen. „Der war fingiert. Der hatte nur den Zweck uns aufzuhalten und uns als Verursacher in ein schlechtes Licht zu rücken.“ „Jetzt wären Fotos von dem Lamborghini nicht schlecht. Dann wüsste ich, ob die PS-Schleuder in den Unfall verwickelt war.“, sagte Tina. „Nein, Tina. Der Unfallgegner war eine S-Klasse. Ich hab ein bisschen drauf geachtet, während du gefahren bist. Das war eine Warnung an uns, uns nicht zu tief in diese Sache einzumischen.“ „Ob der Benz auch bei unseren Klienten versichert war?“ „Dann hätte uns Lorena West auch die Dokumente für diesen Vertrag vorgelegt.“, warf ich ein.

Wir hatten uns gerade in die Lounge zurückgezogen, als Lorena West zu uns kam. „Haben Sie von dem Verkehrsunfall gestern gehört?“, fragte sie, nachdem sie sich gesetzt hatte. „Wir waren sogar Augenzeuge. Der Unfallgegner war ein Mercedes Benz 300 SD, wie er auf dem amerikanischen Markt angeboten wird.“ „Mich würde jetzt eines interessieren.“, sagte Bernd. „Und was?“ „War der Wagen bei Ihrer Gesellschaft versichert?“ Nein. Der Benz ist bei Berkshire Hathaway versichert.“ „Weiß man denn, wer der Besitzer dieses Fahrzeugs ist?“ „Klar weiß ich das, Señores. Der Mercedes gehört Lionel Debrett. Er ist der Vater von Nick Debrett. 404

Und diesem gehört der Huracan, der bei uns versichert ist. “ „Und was ist mit der Yacht, die Debrett Senior bei Ihnen versichert hat?“ „Sie meinen die „Ocean Breeze“? Als Eigentümerin ist Corinne Debrett eingetragen.“ „Was hat Berkshire Hathaway eigentlich wegen der Schadensregulierung unternommen?“ „Die Debretts haben heute den Antrag auf Schadensregulierung gestellt. Aber da man in Omaha, Nebraska 17 Stunden zurück ist, wird man dort mit der Bearbeitung erst heute beginnen. Bei uns wäre das dann schon morgen.“

„Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Miss West.“, sagte ich. „Welchen?“ „Sobald Sie eine Rückmeldung von Berkshire Hathaway bekommen, melden Sie sich bitte bei mir.“, sagte ich und gab Lorena West meine Visitenkarte. „In Ordnung.“

Nachdem Miss West gegangen war, erstellten Jelena und ich zusammen mit unseren Nachfolgern unseren Schlachtplan. „Also Leute. Aufgabenverteilung. Wer hängt sich an die Debretts?“, fragte ich. Jelena und Tina hoben die Hand. „Okay. Dann sehen wir uns im Yachthafen um, Bernd.“ An die beiden Cousinen gewandt sagte ich: „Und Ihr zwei Hübschen sprecht bei der Versicherungsgesellschaft vor. Sagt denen, dass sie ein Gutachten anfordern sollen, wenn der Lambo einen Unfall verursacht.“ „Ich denke, dass wissen die dort selbst. Aber wir werden mal mit dem Leiter der Werkstatt sprechen, in der der Benz steht.“, sagte Hera. „In Ordnung.“

Im Yachthafen von Christchurch sahen Bernd und ich uns um. „Was meinst Du, wo könnte die „Ocean Breeze“ ihren Liegeplatz haben?“, fragte Bernd. „Wenn es eine Hochseeyacht ist, dann dürfte sie bei den größeren Booten zu finden sein.“ „Das heißt also, den ganzen Hafen abklappern.“ „Nicht unbedingt Bernd. Der Hafenmeister wird uns weiterhelfen.“ „Und wenn er uns nicht helfen will? Schon mal daran gedacht, Du Stratege?“ „Geht nicht, gibt’s nicht. Zumindest nicht bei mir.“, sagte ich.

„Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein, Gentlemen?“, hörten Bernd und ich eine Frauenstimme hinter uns. Wir drehten uns um und standen einer 1,57 m großen Frau mit braunen Haaren, die bis zu den Brüsten reichten gegenüber. Auffällig war auch das ovale Gesicht mit der grazilen Nase und den braunen Mandelaugen. Auch die prallen Brüste sorgten sicher dafür, dass so mancher Mann auf schmutzige Gedanken kam. Auch die sexy Beine und der schlanke sexy Körper sorgten bestimmt für manches Brett in der Hose. Auch die sinnlichen Lippen waren durchaus ein Hingucker. Bekleidet war die unbekannte Schöne mit einem schwarzen Kleid und schwarzen High Heels mit elfenbeinfarbenen Absätzen.

„Wir suchen den Hafenmeister.“, sagte Bernd. „Sie haben ihn gefunden. Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?“ „Können Sie uns sagen, an welchem Liegeplatz die „Ocean Breeze“ liegt?“ „Kommen Sie mit in mein Büro.“, sagte die Dame und ging voraus zu einer Wellblechbaracke, die am Ende eines Steges im Zentrum des Hafenbeckens lag. „Von hier aus habe ich den besten Blick auf den Hafen. Und mir entgeht nicht die kleinste Bewegung.“, sagte die Lady, als wir eintraten. „Darf ich Ihnen eine Frage stellen, Frau…“ „Stone. Cataline Stone.“ „Nun Frau Stone. Sie sehen aus, als wären sie auf dem Weg zu einem Rendezvous. Mich würde 405

interessieren warum.“, sagte Bernd. „Nein, ich komme gerade von einer Party.“ „Nun Miss Stone. Ich würde vorschlagen, wir kommen zum Hauptgrund unseres Besuches zurück. Der „Ocean Breeze“.“, sagte ich. „Natürlich. Aber beantworten Sie beide mir bitte eine Frage, Gentlemen. Wieso interessieren Sie sich so für dieses Boot?“

„Wir sind Privatermittler und arbeiten für ein hier ansässiges Versicherungsunternehmen. Sie werden sicher verstehen, Miss Stone, dass wir uns nicht näher äußern dürfen.“, sagte ich. „Haben Sie Dienstausweise oder ähnliche Dokumente?“ Bernd und ich zeigten Cataline Stone unsere Ausweise. „Paul MacLain und Bernd Köhler. In Ordnung, Gentlemen. Ich helfe Ihnen. Die „Ocean Breeze“ hat Liegeplatz 15.“ „Gehört das Boot Corinne Debrett?“ „Ja.“ „Um was für ein Boot handelt es sich?“, wollte ich wissen. „Es ist ein italienisches Modell. Eine Pershing 140.“ „Hören Sie, Miss Stone…“ „Cat. Nennen Sie mich bitte Cat.“ „Ganz wie Sie wollen. Also Cat. Ich denke, wir können Ihnen ein bisschen mehr verraten. Die „Ocean Breeze“ wurde bei unserem Klienten von Lionel Debrett versichert.“ „Deswegen also Ihr Interesse. Na schön. Dann mal weiter im Text. Die Pershing Boote werden aus Aluminium gefertigt und können bis zu 38 Knoten schnell werden.“

Dann zog Cataline Stone eine der oberen Schubladen ihres Schreibtisches auf, und holte mehrere Fotos des gesuchten Bootes heraus. Dazu reichte sie uns ein Datenblatt. Auf diesem waren alle technischen Daten der „Ocean Breeze“ aufgelistet. Anhand dieses Blattes erfuhren Bernd und ich, dass die Yacht am 4. März 2020 in Forli, Italien vom Stapel gelaufen war. Das Boot war 43,30 m lang und 36,38 m breit. Die Maschine, ein MTU 16V2000 M96L leistete 2.600 PS. 18 Mann Besatzung wurden für diese Bootsklasse benötigt.

Dann sahen Bernd und ich uns die Fotos der Yacht an. Dort war ein Boot mit einem eleganten Rumpf und ebenso eleganten Aufbauten abgebildet. Auffällig war die Kante am Bug in der Nähe der Wasserlinie. „Danke für Ihre Hilfe, Cat.“, sagte ich und gab Miss Stone die Fotos und das Datenblatt zurück. „Keine Ursache. Wollen Sie sich noch an Bord umsehen?“ „Geht das denn so ohne weiteres?“, fragte Bernd. „Wenn das Boot zur Inspektion ansteht, dann schon.“ „Zur Inspektion?“ „Ja, Mr. Köhler. Die Sache ist die, wir müssen die Boote, die hier im Hafen ihren Liegeplatz haben auf ihre Sicherheit überprüfen. Wenn ein Boot in Ordnung ist, bekommt es die Freigabe. Andernfalls habe ich das Recht eine Festhalte für das betroffene Boot anzuordnen.“

„Müssen wir eine Uniform tragen?“ „Wenn Sie beide keinen Verdacht erregen wollen, wäre diese Maßnahme sinnvoll.“ Bernd meldete sich zu Wort. „Wie kooperativ ist Corinne Debrett in diesem Punkt?“, fragte er. „Sie wird uns keinerlei Schwierigkeiten bereiten. Sie weiß, was auf sie zukommt, wenn sie quer schießt.“ „Heißt im Klartext?“ „Ich kann verschiedene Arten von Strafmaßnahmen verhängen. Das kann eine Geldstrafe sein, oder eine Gefängnisstrafe.“, sagte Cat Stone. „Mussten Sie schon mal gegen Miss Debrett eine Strafe verhängen?“, fragte Bernd. „Gegen sie nicht. Aber gegen ihren Bruder Nathan Cunningham.“ „Was haben Sie gegen Mr. Cunningham unternommen?“ „Ich habe ihn festnehmen und sein Boot 406

beschlagnahmen lassen.“ „Haben Sie das Boot durchsucht?“ „Das erübrigt sich ja wohl von selbst. Wenn wir ein Boot beschlagnahmen, dann haben wir auch die Befugnis es zu durchsuchen.“

„Bevor wir uns weiter mit dem Thema befassen, Cat, wäre es nicht naheliegender, zu überprüfen, ob die „Ocean Breeze“ zur Inspektion fällig ist, oder nicht?“ „Das ist schnell erledigt, Mr. MacLain.“, sagte Cat und fuhr ihren Laptop hoch. Nach dem Anmelden öffnete sie das Register der im Hafen liegenden Yachten. Dann tippte sie den Namen des Bootes in die Suchmaske ein. Sofort erschien der entsprechende Eintrag. „Ah ja! Da haben wir es. Also Gentlemen. Die „Ocean Breeze“ ist seit gestern zur Inspektion fällig.“ „Wie lange wird es dauern, bis der Inspektionstermin feststeht?“, fragte ich vorsichtig. „Drei Tage mindestens. Aber eher vier oder fünf.“ „Warum denn so lange?“, wollte Bernd wissen. „ich muss die Inspektion beim Eigentümer anmelden. Dann brauchen wir das ganze Equipment. Und das braucht Zeit. Ansonsten geht die Inspektion relativ flott.“

Zurück im Hotel trafen wir uns mit den anderen. „Und, wie ist es so gelaufen?“, fragte ich in die Runde. Hera und Alejandra berichteten als erste. „Der Benz hatte schon mal einen Unfallschaden. Wurde aber wieder zusammengeflickt. Der hätte eigentlich gar keine Zulassung haben dürfen.“, sagte Hera. „Also wurde nur halbherzig gearbeitet.“ „Dito.“ Tina meldete sich als nächstes zu Wort. „Wir haben die Familie Debrett beschattet. Lionel und sein Sohn Nick haben sich mit in einem Nobel-Restaurant mit einem Mann getroffen. Jelena hat Fotos gemacht.“ „Habt Ihr Erkundigungen über den Burschen eingezogen?“ „Haben wir. Der Mann heißt Burt Saxby. Er ist eine Art Versicherungsberater.“ „Ist das alles?“ „Mehr wollte uns der Besitzer des Restaurants nicht verraten. Aber ich hatte das Gefühl, dass er Angst hatte, Towarischtsch.“, sagte Jelena. „Na schön. Dann ist es jetzt an uns zu berichten. Die „Ocean Breeze“ ist ein italienisches Fabrikat aus dem Hause Pershing. Es handelt sich um das Topmodell 140. Das Boot ist seit gestern zur Inspektion fällig.“

„Außerdem wurde uns vom Hafenmeister, einer Frau namens Cataline Stone, versichert, dass uns Corinne Debrett keinerlei Schwierigkeiten machen wird.“, sagte Bernd. „Und was macht diese Person in diesem Punkt so sicher, Partner?“ „Miss Stone ist mal gegen den Bruder von Miss Debrett vorgegangen. Der Mann heißt Nathan Cunningham.“ Bei der Erwähnung dieses Namens wurde El Doberman hellhörig. „Der Name ist mir nicht ganz unbekannt.“, sagte Alejandra. „Kennst du ihn?“ „Na und ob. Das ist ne ganz linke Kanalratte. Nathan Cunningham hat für Hernando Guzman spioniert und ihn gewarnt, wenn Aktionen gegen sein Kartell geplant waren. Durch seine Informationen war es dem Pitbull möglich, rechtzeitig wichtige Beweise zu vernichten.“ „Und dafür wurde er von deinem Peiniger wahrscheinlich fürstlich belohnt.“, sagte Tina. „Das kannst du laut sagen. Hernando Guzman hat Nathan Cunningham ein Strandhaus in Tecura Bay geschenkt und unter anderem eine französische Hochseeyacht. Eine Couach 5000 Fly. Die Yacht trägt den Namen „Matauri Bay“.“ 407

„Ich gehe mal stark davon aus, dass dieses Boot hier in Christchurch seinen Liegeplatz hat.“ „Du bist sehr scharfsinnig, Bernd. Hätte ich so einem Jungspund wie dir gar nicht zugetraut.“ „Ich hab noch ganz andere Talente.“

„Ich denke, wir sollten die Aufgaben neu verteilen und die Teams wechseln. Bernd. Unsere Aufgabe wird sein, mehr über diesen Versicherungsberater herauszufinden.“ „Einverstanden, großer Meister.“ „Wer übernimmt die Inspektion der „Ocean Breeze“?“ Hera und Alejandra meldeten sich. „Gut. Jelena, Tina. Ihr zwei fragt Miss Stone, ob sie bei ihrer Aktion gegen Nathan Cunningham besagte Yacht, die „Matauri Bay“ beschlagnahmt hat. Außerdem solltet Ihr versuchen in Erfahrung zu bringen, was Miss Stone und ihre Leute bei der Durchsuchung des Bootes gefunden haben.“ „Geht klar.“

„Ich denke, für heute ist Feierabend, großer Meister.“ „Warum Bernd?“ „Die Sache ist doch die, vor morgen tut sich überhaupt nichts. Du vergisst, dass die Amis 17 Stunden zurück sind. Außerdem würde es Verdacht erregen, wenn wir Miss Stone noch einmal aufsuchen.“ „Und wie kommst du darauf?“, fragte Jelena. „Überlegt doch mal. Die Debretts werden uns im Auge behalten. Ich meine, die Familie wird ja wohl mittlerweile wissen, dass die Aktion mit dem Unfall ein Rohrkrepierer war.“ „Und sich zu einem Boomerang entwickeln könnte, der zu ihnen zu zurückkommt.“, ergänzte Tina. „In einem Punkt hast du Recht, Bernd. Viel können wir heute nicht mehr tun. Aber wir können versuchen, etwas über diesen Saxby rauszufinden.“, sagte ich.

In dem Augenblick betraten zwei Frauen die Lobby des Crowne Plaza. Es waren die Richardais-Zwillinge, die wir zuletzt in Rio de Janeiro wieder gesehen hatten. Nach einer herzlichen Begrüßung stellte ich Claire und Sylvie unsere Nachfolger vor. „Schade, dass Du und Jelena schon aufhört.“, sagte Sylvie. „Wir haben genug verdient. Ganz abgesehen davon, bin ich verlobt. Und ich will Kelly nicht zur Witwe machen, ehe sie verheiratet ist.“ „Ganz abgesehen davon haben wir mit Bernd und Tina zwei hervorragende Nachfolger aufgebaut.“ „Seit wann habt Ihr die beiden ausgebildet?“ „Seit Beginn unserer Zusammenarbeit.“

Später am Nachmittag trafen wir uns in der Cocktailbar. „Also Paul. Können wir euch irgendwie helfen?“, fragte Claire. „Wenn Ihr etwas über einen Mann namens Burt Saxby wisst, dann schon.“ „Wie sieht er denn aus?“ Jelena drehte ihren Laptop um, auf dem ein Bild unserer Zielperson zu sehen war. Das Foto zeigte einen Mann, der 1,88 m groß war und über einen athletischen Körperbau verfügte. Auffällig waren auch seine eiskalten braunen Augen. Das ovale Gesicht schindete ebenfalls Eindruck. Seinen Mund hatte Mister Saxby zu einem Lächeln geöffnet, sodass ein paar blendend weiße Zähne erkennbar waren. Seine langen dunkelbraunen Haare trug er offen. Der Bart an seinem markanten Kinn begann, an einigen Stellen zu ergrauen. Bekleidet war der Mann mit einem dunkelblauen Anzug, einem weißen Hemd, schwarzen Socken und schwarzen Herrenschuhen. Dazu trug er eine rot-gold gestreifte Krawatte.

Die Zwillinge sahen sich das Bild genau an. Dann nickten sie. „Die Type ist 408

uns nicht ganz unbekannt. Burt Saxby nennt er sich also jetzt?“ „Ja.“ „Das ist nicht sein richtiger Name. Und bevor Ihr auf die Idee kommt danach zu fragen, müssen wir euch leider enttäuschen. Den richtigen Namen weiß niemand. Und wer ihn kennt, schweigt.“ „Warum denn dieses?“, fragte Bernd. „Weil der Kerl jeden, der seine wahre Identität preisgibt, an den Füßen einbetonieren und versenken lässt. Und niemand will so ein Ende riskieren.“ „Verstehe. Aber was hat Mr. Saxby mit den Versicherungsbetrügern zu tun?“, wollte Jelena wissen. „Er ist der Kopf der Bande.“ „Wisst Ihr sonst noch etwas über ihn?“ „Das einzige, was wir euch noch sagen können, ist, dass er eine Versicherungsagentur betreibt.“

Jelena und ich tauschten einen wissenden Blick, der Bernd nicht entging. „Lasst uns an eurem Wissen teilhaben, großer Meister.“, sagte er. „Es ist nur eine Vermutung. Und du weißt selbst, dass Vermutungen nicht halbes und nichts Ganzes sind, Junior.“ „Trotzdem.“ „Ich gehe davon aus, dass unser Mann mit anderen Versicherern ein Kartell gründen will.“ „Das leuchtet ein. Aber was ich nicht verstehe, ist, warum er seine Konkurrenten in den Ruin treibt.“, sagte Tina. „Da Burt Saxby die Gründung eines Kartells anstrebt, passt es ihm nicht in den Kram, wenn ein neues Versicherungsunternehmen gegründet wird. Neue Unternehmen könnten ihm Marktanteile streitig machen.“ „Du meinst also, dass dieser miese kleine Stricher Angst davor hat, als Mitbegründer eines möglichen Versicherungskartells von einem neuen Konkurrenten ausgestochen zu werden.“ „Hast du eine bessere Erklärung, Junior?“ „Ich denke, dass Herr Saxby keine weiteren Mitglieder im Kartell gebrauchen kann. Denn sonst müsste er den „Neuen“ ja auch Teile von dem Kuchen zugestehen.“, sagte Bernd. „Auch nicht schlecht.“ „Und genau so einleuchtend.“, sagte Tina.

„Ich denke, die Theorie mit dem Kartell ist die plausibelste Variante. Und dazu passt Bernds These, dass Burt Saxby keine weiteren Mitglieder im Kartell will. Aber ich habe den Verdacht, dass das Kartell für Burt Saxby nur die Vorstufe zum Monopol sein könnte.“, sagte Alejandra. „Wie kommst du darauf, Cousine?“ „Im Moment kommt Mr. Saxby an die großen nicht ran. Beziehungsweise ist finanziell nicht stark genug, um sie zu vernichten. Er muss sich also mit ihnen zu einem Kartell zusammenschließen, um nicht selbst zerstört zu werden. Aber wenn er finanziell stark genug ist, wird er seinen Kartellpartnern in den Rücken fallen.“ „Mann, du bist ja so scharfsinnig, wie du sexy bist.“, warf Bernd ein. „Danke für das Kompliment, Blanquito.“

Während wir in der Cocktailbar unseres Hotels saßen, hatte sich Burt Saxby mit Lionel Debrett getroffen. „Nun, Mr. Debrett, können Sie mir positive Nachrichten berichten?“ „Sie meinen bezüglich des Unfalls?“ „Nicht nur das. Mich interessiert viel mehr, wer die beiden Frauen waren, die Ihnen und ihrer Familie gefolgt sind.“ „Wie meinen?“, fragte Lionel Debrett überrascht. „Sie haben mich schon verstanden, Lionel. Sie und ihre Familie werden beschattet. Jede Wette, das sind Privatermittler.“ „Haben Sie schon eine Ahnung, wer uns an den Hacken klebt?“ „Die rothaarige habe ich noch nie gesehen. Aber die Brünette habe ich erkannt. Das ist Jelena Romanova. Die Juniorpartnerin von Paul McLain. Und wo sie ist, ist er nicht weit.“ 409

„Die beiden gelten als der Schrecken der Unterwelt.“, sagte Lionel Debrett. „Die beiden gelten nicht nur als der Schrecken der Unterwelt, sie SIND der Schrecken der Unterwelt. Nicht mal der Pate und El Pitbull konnten mit ihnen fertig werden.“ „Wie wäre es, wenn wir die Romanova und den Rotfuchs entführen, dann lässt uns Paul McLain in Ruhe.“, schlug Lionel Debrett vor. Doch Burt Saxby gefiel der Vorschlag gar nicht. „Geben Sie sich keinen Illusionen hin, Lionel. Paul McLain wird seine Juniorpartnerin nicht im Stich lassen. Das ist einer von der harten Sorte.“, sagte er. „Ein Befreiungsversuch?“ „Ja. Und zwar einer, der Erfolg haben wird. Paul McLain hat viele Freunde. Das mit der Entführung schlagen Sie sich lieber gleich aus dem Kopf.“ „Aber was können wir tun, um uns diese beiden Schnüffler vom Hals zu halten?“

„Da fällt mir schon was ein. Aber jetzt sollten wir uns um das naheliegende kümmern. Hat Berkshire Hathaway schon reagiert?“ „Noch nicht. Wir haben den Antrag auf Regulierung erst heute eingereicht. Außerdem weigert sich die Versicherung des Briefträgers zu zahlen.“, sagte Lionel Debrett. Burt Saxby ließ beinahe seine Kaffeetasse fallen. „Warum denn das?“, wollte er wissen. „Sie behaupten, dass der Unfall absichtlich herbei geführt wurde.“ „Haben die Brüder denn Beweise, die diese Behauptung stützen?“ „Es liegt ein Gutachten der Werkstatt vor, in die der Wagen gebracht wurde.“ „Unsere?“ „Nein, Sir. Es ist nicht die Werkstatt mit der wir zusammen arbeiten.“ „Das ist ärgerlich, aber nicht zu ändern. Aber warum hat man bei Berkshire Hathaway noch nicht reagiert?“ „Weil man in Omaha, Nebraska von der Zeit 17 Stunden hinter uns ist. Und außerdem wird es noch ein bisschen dauern, bis die Unterlagen beim zuständigen Sachbearbeiter liegen.“ „Eine kleine finanzielle Zuwendung sollte ausreichen, um zumindest die Bearbeitung zu beschleunigen.“, sagte Burt Saxby.

Kurz vor dem Abendessen kam Cataline Stone zu uns ins Hotel. Fragt nicht, wie sie herausgefunden hat, in welchem Hotel wir abgestiegen waren. „Ich hab ein bisschen Druck gemacht. Der Termin für die Inspektion der „Ocean Breeze“ ist am Montag. Werden Sie und Mr. Köhler pünktlich sein?“ „Hören Sie Cat. Aus taktischen Gründen haben wir die Teams gewechselt. Miss Arnakis und Miss Valderrama werden Ihr Inspektionsteam unterstützen.“ „Verstehe. Seid bitte um 8:30 Uhr morgens am 30.08. bei mir im Büro. Ruft an, wenn Ihr euch auf den Weg macht, Ladies.“ Mit diesen Worten drückte Cat Hera eine Visitenkarte mit ihrer Büronummer in die Hand.

„Bevor wir unser Abendessen einnehmen, würde ich gerne noch eines wissen.“, sagte ich. „Und was wäre das?“ „War die „Matauri Bay“ die Yacht, die Sie beschlagnahmt haben?“ „Ja. Warum wollen Sie das wissen?“ „Weil mich interessiert, was bei der Durchsuchung des Bootes herausgekommen ist.“ „Wir konnten einen Laptop sicherstellen. Allerdings war er durch eine Software geschützt, die den gesamten Inhalt der Festplatte verschlüsselt, sobald ein Unbefugter versucht, auf die gespeicherten Daten zuzugreifen.“ „Konnten Sie den Code knacken?“, fragte Bernd. „Das ist uns gelungen. Allerdings haben wir drei Wochen gebraucht, bis wir den Schlüssel geknackt hatten. Sie müssen wissen, dass sämtliche Algorithmen in Maori programmiert wurden. Und die Sprache beherrscht nicht jeder 410

in Wort und Schrift.“ „Können wir die Dokumente mal bei Gelegenheit einsehen?“ „Sie können sich heute Abend noch damit rumprügeln. Ich hab die Akte mitgebracht.“ „Vielen Dank.“ Nun schaltete sich Tina in unser Gespräch ein. „Ach bevor ich es vergesse: Eine Frage noch.“ „Ich höre.“ „Was wissen Sie über einen Mann mit Namen Burt Saxby?“ „Sie meinen Lionel Debretts Busenfreund? Über den weiß ich so einiges. Ihm gehört eine der Yachten hier in Christchurch. Das Boot trägt den Namen „Hephaistos“ und ist ein Modell von Astondoa. Eine 185 Steel. Diese Yacht ist knappe 184 Meter lang.“ „Nobel geht die Welt zu Grunde.“ „Was kostet so eine Yacht?“, wollte Jelena wissen. „Da geht unter 500.000 Dollar nichts.“ „Und das dürfte der Basispreis sein. Ich bin mir sicher, dass Extras aufpreispflichtig sind.“, sagte Bernd. „Da gebe ich dir Recht, Junior.“ „Leute, ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir hängt der Magen bis zu den Kniekehlen.“, sagte Jelena. „Esst erst mal etwas. Dann berichte ich euch, was die Sichtung der entschlüsselten Dokumente ergeben hat.“

Nach dem Abendessen trafen wir uns mit Cat in der Cocktailbar unseres Hotels. „Nun Cat, was haben Sie für uns?“, fragte Bernd ohne Umschweife. „Die Dokumente, die wir entschlüsselt haben, enthalten mehrere Zahlungseingänge im zweistelligen Millionenbereich. Und bevor ihr fragt, dass besagte Konto wird von einer Bank auf den Cayman Inseln geführt.“ „Also ein Steuerhinterzieher.“ „Mich würde vor allem eines interessieren.“, sagte Tina. „Und was wäre das, Partner?“ „Von wem die eingegangenen Zahlungen getätigt wurden.“ „Ein Name, der mehrfach aufgetaucht ist, ist ein gewisser Hernando Guzman.“ „El Pitbull.“, sagte Alejandra. „Sie kennen ihn?“ „Ja, ich habe ihn gekannt. Leider, muss man sagen.“ Tina wollte nachhaken, doch Jelena gebot ihr mit einer gebieterischen Geste zu schweigen. „Ich erzähl dir die Geschichte, wenn wir mal allein sind, Tina.“, sagte El Doberman. „Sind noch mehr Namen aufgetaucht?“ „Nur zwei sind uns noch aufgefallen. Weil auch von denen mehrere Überweisungen getätigt wurden. Einer ist ein gewisser Dr. Michael Moriarty, der andere heißt Alain Prior.“ „Haben Sie sonst noch etwas gefunden?“, fragte ich. „Na und ob. Wir haben Kaufverträge für mehrere Immobilien überall auf der Welt gefunden. Für unsere Steuerbehörde stellt sich die Frage, wofür Nathan Cunningham so fürstlich bezahlt wird.“ „Ich denke, dass ich diese Frage beantworten kann. Zumindest was Hernando Guzman angeht.“

„Nathan Cunningham hat für Hernando Guzman spioniert. Er hat Informationen an ihn weitergegeben und ihn so vor Razzien gewarnt.“ „Und jetzt, wo der Pitbull in der Hölle schmort, sucht Mister Cunningham nach neuen Klienten.“ „Was ist eigentlich mit Dr. Moriarty und Alain Prior?“, stellte Tina eine nicht unerhebliche Frage. „Die sind hier in Neuseeland ein unbeschriebenes Blatt.“ „Was sind das eigentlich für krumme Vögel?“ „Bei dir ist wohl jeder verdächtig, Partner.“, sagte Tina. „Mein Instinkt sagt mir, dass die beiden Dreck am Stecken haben.“

Auf Jelenas Zimmer befassten wir uns mit der Akte, die uns Cataline Stone überlassen hatte. Tina suchte über Jelenas Laptop nach Informationen über den Doktor und Alain Prior. Über letzteren fand sie nichts. Wohl aber über Dr. Moriarty. „Ich hab was über unseren Doktor gefunden.“, sagte sie. „Dann lass mal hören, 411

Tina.“ „Dr. Michael Moriarty. Geboren am 14.10.1961 in Rayleigh, in der Grafschaft Essex. 1983 Medizinstudium an der Universität von Oxford mit Schwerpunkt Kardiologie. Hat Ende der 80er Anfang der 90er Jahre als Jahrgangsbester abgeschlossen. Von 91 bis 2000 Leiter der Kardiologie beim Charing Cross Hospital in London.“

„Und was ist danach aus ihm geworden?“ „Ab hier wird’s interessant. 2001 ist Dr. Moriarty unter mysteriösen Umständen verschwunden.“ „Einfach so?“, fragte Jelena. „Nein. 3 Tage vor seinem Verschwinden ist während einer Herz-Op eine Patientin verstorben. Der Assistenzarzt war sternhagelvoll wie eine Haubitze.“ „Hat wohl zu tief ins Glas geschaut.“ „Wohl eher in die Flasche. Dr. Trimble, so hieß der assistierende Arzt, hat sich an dem Tag so richtig volllaufen lassen. Die Gründe kamen nie ans Licht.“ „Und was macht Dr. Moriarty heute?“, fragte Bernd. „Er führt eine Kardiologieklinik auf den Cayman Inseln. Auf Little Cayman, wenn ihr es genau wissen wollt.“ „Der Mann muss ja Geld scheffeln wie Heu, wenn er sich über einen Zeitraum von 3 Jahren ein Honorar in Höhe von 2 Millionen Dollar monatlich für Mister Cunningham leisten kann.“ „Sein Vermögen wird derzeit auf 750 Milliarden Dollar geschätzt. Für den sind zwei Mille Peanuts. Das zahlt der mal eben aus der Portokasse.“

Hera hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte hinein. „Leute, ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich kann kaum noch die Augen offen halten.“, sagte sie. Ich sah auf meine Uhr. Sie zeigte 22:45 Uhr. „In Ordnung. Schluss für heute. Wir haben genug gearbeitet.“, sagte ich. Am nächsten Morgen trafen wir im Restaurant auf die Zwillinge. „Bon Matin, Paul. Ca va?“, fragte Sylvie. „Kann mich nicht beklagen. Und bei euch zwei Grazien?“ „Alles im grünen Bereich. Wie kommt Ihr eigentlich mit eurem Fall voran?“, fragte Claire. „Dank der Hilfe von Cat Stone konnten wir einige Zahlungen an Nathan Cunningham zurückverfolgen. Darunter auch der Pitbull, möge Gott seiner Seele nicht gnädig sein.“ „Und wer sind die beiden anderen?“, wollte Sylvie wissen. „Dr. Michael Moriarty, ein Kardiologe mit Praxis auf den Cayman Islands und ein Mann mit Namen Alain Prior.“ Bei der Erwähnung dieses Namens wurden die Zwillinge hellhörig.

„Sagt bloß, den kennt Ihr auch.“ „Nicht persönlich. Aber wir wissen so einiges über ihn.“ „Was haltet Ihr davon, wenn wir uns nach dem Abendessen am Pool treffen?“, fragte Jelena in die Runde. „Solange du deinen Laptop nicht IM Pool versenkst, kein Problem.“ Tina räusperte sich laut. „Was denn? Hab ich was Falsches gesagt?“ „Sei mal nicht so vorwitzig, Junior.“

Nach dem Frühstück trafen wir uns mit Lorena West in ihrem Büro. „Also, Señores. Berkshire Hathaway hat sich mit uns in Verbindung gesetzt. Die E-Mail kam heute morgen.” „Und was sagt man dort?“, fragte Tina. „Sie werden den Schaden am Benz nicht bezahlen. „War nicht anders zu erwarten.“ „Die Versicherung des Briefträgers zahlt auch nicht.“ „Auch das war vorauszusehen.“, sagte Jelena. „Sonst noch etwas, das wichtig sein könnte?“ „Ja. Lionel Debrett war gestern hier und hat einen BMW 750 Li bei mir versichert. Die Höhe der Versicherungssumme beträgt 412

500.000 Dollar.“ „Haben Sie auch Informationen bezüglich der Yacht?“ „Da müssten Sie mal meinen Kollegen Alan Painter fragen.“ „Wo finden wir ihn?“ „Sein Büro ist zwei Türen den Flur runter. Ich sage ihm, dass Sie kommen.“

Als wir das Büro erreichten, fanden wir die Tür verschlossen vor. In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken. „Irgendetwas ist hier faul.“, sagte Bernd. Zum Glück kam gerade Lorena West, die mit Hilfe ihres Generalschlüssels die Tür öffnete. Der Anblick, der sich uns bot, als wir das Büro betraten, war entsetzlich. Alan Painter saß leblos an seinem Schreibtisch. Schaum lief aus seinem geöffneten Mund. „Zyankali.“, stellte Tina fest. „Das versteh, wer will.“ Auf dem Tisch entdeckte Jelena eine Akte. „Ich schätze, das hier ist der Grund.“, sagte meine Juniorpartnerin und hielt die Akte in die Höhe. „Können wir die mal mitnehmen?“ „Klar. Aber Wiedersehen macht Freude.“ „Sie können die Akte schon morgen wieder haben.“

Nachdem wir uns etwas ausgeruht hatten, trafen wir uns auf meinem Zimmer und beschäftigten uns mit der Akte, die wir auf Alan Painters Schreibtisch gefunden hatten. Tina sah sich gerade das Datenblatt des Bootes an. Dann pfiff sie leise durch die Zähne. „Was ist?“, fragte Bernd. „Der Kerl muss ja Geld haben wie Heu, wenn er sich eine Mondo Marine Classic 63 leisten kann.“ „Was kostet so ein Teil überhaupt?“ „Also hier musst du 1,5 Millionen hinblättern. So ein Modell ist immerhin 62,1 Meter lang und hat 2 MTU-Dieselmotoren.“ „Wir sollten versuchen herauszufinden, auf welche Weise Lionel Debrett seinen Lebensstil finanziert.“, schlug Bernd vor. „Ich sehe, du hast deine Hausaufgaben gemacht, Junior.“

„Wäre es nicht geschickter, erst mal Informationen über die Familie Debrett zu sammeln?“, warf Jelena ein. „Keine schlechte Idee.“ „Wir sollten aber diskret vorgehen. Nicht, dass die Debretts unsere Ermittlungen behindern.“, wandte Bernd ein. „Fragen wir doch mal eure Busenfreundin Kattie. Die kriegt bestimmt viel mit.“ „Einen Versuch ist es wert.“

Kurz vor dem Abendessen sprach ich mit Kattie. „Tut mir leid, Babe. Aber über die Familie Debrett weiß ich nada Granada. Aber ich kenne jemanden, der euch helfen könnte. Nikita Adams. Aber ich befürchte, sie wird euch nicht helfen wollen.“ „Warum denn dieses Kattie?“, fragte ich. „Weil sie wegen dir und Bernd zwei Tage im Knast geschmort hat.“ „Du meinst…“ „Genau. Die blonde Catcherin, der ihr noch in Frankfurt begegnet seid, war Nikita.“ „Deine Bekannte hat aber eine merkwürdige Art sich vorzustellen.“ „Zugegeben, Nikita hat sich auch nicht korrekt verhalten.“ „Na also.“ „Ich würde sagen, dass ganze war ein Missverständnis.“

Im Restaurant trafen wir die beiden Cousinen und die Zwillinge. „Also Freunde, wie stehen die Aktien?“, fragte Claire. „Wir machen Fortschritte. Allerdings hat sich ein Mitarbeiter der Versicherungsgesellschaft mit einer Zyankalikapsel selbst gerichtet. Wir haben aber die Akte sicherstellen können.“ „Außerdem habe ich vor dem Essen noch den Namen einer möglichen Kontaktperson in Erfahrung bringen können.“, sagte ich. „Wieso „möglichen“, Großer Meister?“ „Weil wir dieser Dame ziemlich übel mitgespielt haben. Du weißt, wen ich meine, Junior.“ Bernd, Tina und Jelena 413

starrten mich mit offenen Mündern an. „Die Kleine heißt Nikita Adams. Welche Rolle sie in diesem Fall spielt weiß ich nicht. Noch nicht.“ „Fakt ist, Miss Adams hätte uns reinen Wein einschenken sollen, und uns von vornherein sagen sollen, wer sie wirklich ist.“, sagte Tina. „Hat sie aber nicht getan.“ „Das habe ich Kattie auch gesagt.“ „Und was hat Kattie geantwortet?“, fragte Jelena. „Sie war dafür, diese Angelegenheit als Missverständnis zu behandeln.“

Nach dem Essen trafen wir uns am Pool. „Also. Machen wir Bestandsaufnahme. Wir wissen, dass Berkshire Hathaway den Schaden am Benz nicht reguliert.“, sagte ich. „Und wir wissen, dass Nathan Cunningham von mehreren Personen Zahlungen in Millionenhöhe erhalten hat. Darunter ein kolumbianischer Drogenbaron und ein englischer Herzspezialist.“ „Außerdem wissen wir, dass die Debretts zwei Megayachten besitzen, die in der oberen Preisklasse rangieren.“, sagte Bernd. „Dann wäre da noch der Suizid von Alan Painter mit der Zyankalikapsel.“ „Was hat das mit der Akte zu tun, die wir in seinem Büro sichergestellt haben?“ „Wahrscheinlich hatte er vor sie zu vernichten.“, sagte Jelena. „Woraus schließt du das?“ „Weil auf dem Schreibtisch ein Feuerzeug lag, Towarischtsch.“ „Wäre es nicht einfacher gewesen, die Unterlagen im Aktenvernichter zu shreddern?“ „Dann wären Papierschnipsel übrig, die wir wieder zusammensetzen können.“, meinte Tina. „Zu dumm, dass wir vergessen haben, das Smartphone sicherzustellen und den Festnetzanschluss von Mr. Painter zu überprüfen.“ „So, und warum, wenn man fragen darf?“ „Weil wir dann wüssten, mit wem Alan Painter zuletzt telefoniert hat.“

In diesem Augenblick tauchte Nikita Adams auf. Im Gegensatz zum Anreisetag trug sie nun einen dunkelblauen Badeanzug und ihre Haare offen. Offenbar suchte sie jemanden, denn sie sah sich aufmerksam um. Als sie uns dann entdeckt hatte, kam sie direkt zu uns an den Pool. „Sie können sich sicher vorstellen, dass ihre Majestät die Königin nicht gerade erfreut war, als sie von diesem unangenehmen Zwischenfall erfahren hat.“, sagte Nikita. „Hätten Sie uns gesagt, wer Sie sind, dann hätten wir uns diese Unannehmlichkeiten ersparen können.“ „Das sagen Sie so einfach, Mr. MacLain. Versetzen Sie sich mal in meine Lage. Ich hätte keinem von Ihnen sagen können, dass ich vom MI6 bin, ohne gleich das ganze Flugzeug zu informieren. Deshalb wollte ich Ihnen das Ganze unter zehn Augen eröffnen.“ „Warum diese Vorsichtsmaßnahme, Nikita?“, fragte Jelena. „Hat schon mal jemand von euch etwas von Mahmoud gehört?“ Bernd wurde hellhörig. „Ist das nicht ein weltweit gesuchter Terrorist?“ „Dito. In der Unterwelt nennt man ihn auch „Die Hyäne“.“ „Lassen Sie mich raten. Dieser Rotarschpavian war an Bord der Maschine.“, sagte Tina. „Volltreffer ins Schwarze.“ „Könnte es sein, dass Mahmoud es auf Sie abgesehen hat, Nikita?“, fragte ich. „Sie haben es erraten. Vor zwei Monaten habe ich einen Anschlag auf den mongolischen Präsidenten vereitelt. Mahmoud ist leider entkommen.“ „Bernd, jetzt hast du die Gelegenheit ein bisschen Wiedergutmachung zu leisten.“ „Halb so wild, ich konnte ja nicht ahnen, dass Sie Privatermittler sind.“

„Sie arbeiten also beim britischen Geheimdienst. In welcher Funktion?“ „Ich bin Agentin mit Doppel-Null-Status.“ Bernd und Tina sahen mich fragend an. „Diese Lady hat die Lizenz zum töten und darf getötet werden.“ „Diese Beauty in die ewigen 414

Jagdgründe schicken? Wer das vorhat, dem hau ich eine Bratpfanne aus Gusseisen in die Fresse.“, sagte Bernd. „Na, na, na. Was sind denn das für Töne, Junior.“ „Eine Frage, Mister MacLain. Wieso nennen Sie Mister Köhler eigentlich „Junior“?“ „Er wird mein Nachfolger im Detektivbüro.“

Nikita Adams stützte sich am Beckenrand ab und kam zu uns in den Whirlpool. „Kattie sagte uns, dass Sie etwas über die Familie Debrett wissen.“ „Und da hat sie Ihnen nichts falsches erzählt. Aber wie alles haben diese Informationen ihren Preis. Sie wissen doch: Umsonst ist nichts. Noch nicht einmal Gevatter Tod. Der kostet nämlich das Leben.“ „Achtung Sarkasmus.“, sagte Bernd. „Ich schlage Ihnen einen Deal vor. Sie schaffen mir Mahmoud vom Hals und ich arbeite mit Ihnen zusammen.“ „Du wolltest doch jemandem, die Fresse einbeulen, Junior. Bitte. Tob dich ruhig aus.“, sagte ich. „Ist schon so gut wie erledigt.“ „Wissen Sie in welchem Hotel, sich diese räudige Hyäne aufhält?“, wollte Tina wissen. „Diese Information ist Top Secret. Versprechen Sie mir, dass Sie niemandem den Aufenthaltsort von diesem Arschloch verraten.“ „Sie haben mein Ehrenwort“, sagte ich. „Gut. Mahmoud residiert in der Ashford Motor Lodge.“

„Tina?“ „Ich bin dabei, Partner.“, sagte Tina. „Okay. Aber jetzt mal zurück zu unserem Fall. Sylvie, Claire. Was wisst Ihr über Alain Prior?“ „Monsieur Prior ist Börsenmakler an der Bourse de Paris. Der Mann gehört zu den Brokern. Er wurde am 24.12.1970 in Nizza geboren. Hat 1990 eine Ausbildung als Bankkaufmann gemacht und zeitgleich ein Studium in BWL an der Sorbonne Universite´ absolviert.“ „Da er auch über einen Zeitraum von zwei Jahren die Dienste von Nathan Cunningham in Anspruch genommen hat, muss da ja auch etwas vorgefallen sein, was ihn zu diesem Schritt veranlasst hat.“ „Oh ja. 2008 haben eine Menge Franzosen viel Geld durch die Finanzkrise verloren. Alain Prior wurde dafür zu Unrecht verantwortlich gemacht. Er hat es zwar geschafft, sich irgendwie wieder nach oben zu arbeiten, aber der Makel von 2008 hat seine Glaubwürdigkeit erschüttert. Bis er Nathan Cunningham engagiert hat.“

Die Besprechung dauerte bis 23:30 Uhr ehe sich jeder auf sein Zimmer zurückzog. Am nächsten Morgen, es war der 30.08.2020, machten sich Hera Arnakis und ihre Cousine schon nach dem Frühstück auf den Weg. Bernd und Tina befassten sich mit dem Terroristen Mahmoud. Jelena und ich versuchten mehr über Nathan Cunningham herauszufinden. Die Zwillinge wollten sich ausruhen und hatten sich auf ihr Zimmer zurückgezogen.

Ich ging nach draußen um ein bisschen frische Luft zu schnappen, als mir eine junge Frau mit braunen Haaren auffiel. Sie stand auf der anderen Straßenseite und blickte sich nervös um. Die Frau war 1,67 m groß und hatte einen sexy Körper und ebenso sexy Beine. Ihre braunen Haare trug sie offen und schulterlang. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen und den sinnlichen Lippen war ebenfalls hübsch anzusehen. Auch die breite Nase, fügte sich harmonisch in dieses Antlitz ein. Auch die prallen Brüste dieser jungen Dame waren ein Hingucker. Bekleidet war die unbekannte schöne mit einem schwarzen Kleid mit weißen Trägern und schwarzen High 415

Heels.

Die Dame überquerte rasch die Straße und kam auf mich zu. Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern, als sie mich ansprach. „Wo können wir ungestört miteinander reden?“ „Von mir aus auf meinem Zimmer. Aber bevor wir gehen, möchte ich eines klar stellen. Ich habe vor meiner Juniorpartnerin Jelena Romanova keine Geheimnisse. Alles was Sie mir zu sagen haben, kann sie ruhig mithören.“ Die Frau seufzte. „Wenn es unbedingt sein muss.“, sagte sie und verbarg die Enttäuschung nicht. „Wie gesagt, ich habe vor meiner Partnerin keine Geheimnisse. Jelena Romanova genießt mein uneingeschränktes Vertrauen.“ „Na schön. Machen wir es wie Sie wollen.“

Auf meinem Zimmer kam unsere unbekannte Besucherin zur Sache. „Zuerst sollte ich mich wohl vorstellen. Mein Name ist Alyssa Wilcox. Ich bin die Nachfolgerin von Alan Painter.“, sagte sie. „Was führt Sie zu uns, Miss Wilcox?“ „Ich habe heute Morgen den E-Mail-Verkehr von meinem Vorgänger durchgesehen. Da mir die ganze Sache etwas spanisch vorkam, bin ich damit zu meiner Kollegin Lorena West gegangen und die hat mich an Sie verwiesen.“ „Warum wollten Sie dann nicht, dass meine Partnerin mithört?“ „Ich war etwas nervös. Das werden Sie sicher verstehen.“ „Kann ich Ihnen nicht verdenken. Also, was haben Sie für uns?“, sagte Jelena. Alyssa Wilcox gab mir zwei Schnellhefter mit ein paar Dokumenten. „Was ist das?“ „Was Sie und Ihre Partnerin da in den Händen halten, ist der gesamte E-Mail-Verkehr von Alan Painter aus den letzten drei Wochen und die Telefonprotokolle seines Festnetzanschlusses und seines Smartphones aus demselben Zeitraum.“ „Sie wissen schon, dass Sie sich mitten ins Fadenkreuz der Betrügerbande manövriert haben.“, sagte ich.

Alan Painters Nachfolgerin sah mich fragend an. Doch es war Jelena, die an meiner Stelle die Frage beantwortete. „Was mein Partner Ihnen damit sagen will, ist, dass diese Betrüger nicht davor zurückschrecken werden, Sie zu töten, wenn sie herausfinden, dass Sie uns wichtige Informationen zugespielt haben, die uns helfen, die Bande hochgehen zu lassen.“ „Lange Rede, kurzer Sinn. Sie schweben in Lebensgefahr, Alyssa.“ „Und was raten Sie mir, jetzt zu tun?“ „Verlassen Sie Neuseeland. Noch heute.“ „Und was ist mit meinem Job?“ „Keine Sorge, wir regeln, das mit Ihrem Brötchengeber.“, sagte Jelena.

Gesagt, getan. Nach einem kurzen Anruf beim COO der Christchurch Insurance saß Alyssa Wilcox in Alejandras 747-8 und war auf dem Weg nach Kreta. El Doberman hatte das gerne veranlasst, hatte sie uns doch einiges zu verdanken.

Um 11:00 Uhr trafen wir uns mit den anderen auf Heras Zimmer zu einer kurzen Besprechung. „Also Freunde. Heute scheint unser Glückstag zu sein. Alan Painters Nachfolgerin hat uns heute mit ihrem Besuch beehrt und uns den gesamten E-Mail-Verkehr und die ganzen Telefonprotokolle vom Festnetz und vom Smartphone mitgebracht. Deswegen diese Blitzaktion.“ „Warum ist Frau Wilcox dieses Risiko überhaupt eingegangen? Das will mir nicht in den Kopf.“, sagte Tina. „Über ihre 416

Beweggründe können wir nur spekulieren, Tina. Fakt ist aber, dass sie uns die Bande mehr oder minder auf dem Silbertablett serviert hat.“ „Was ist eigentlich bei der Inspektion der „Ocean Breeze“ herausgekommen?“ „Miss Debrett hat keinerlei Probleme bereitet. Sie war sogar so freundlich und hat uns das hier mitgegeben.“, sagte Alejandra und gab mir eine Akte. „Damit befassen wir uns später. Bernd, Tina. Was habt Ihr herausgefunden?“ „Mahmoud hat sich in einem Cafe´ mit zwei Männern getroffen. Einer davon war Burt Saxby.“, sagte Tina. „Und der andere?“ „Das war mit 100%iger Sicherheit Lionel Debrett.“ „Woraus schließt Du das, Junior?“ „Wurde Debrett Senior von Miss West nicht als älterer Herr beschrieben?“ „Stimmt da war was.“ „Jede Wette, die Familie Debrett finanziert Mahmouds Attentate.“, sagte Tina.

„Und wie willst Du deine Theorie untermauern, Partner?“ „Sehen wir uns doch einfach mal die Dokumente an, die man uns zugespielt hat.“ Und wie Recht Tina mit ihrer Vermutung hatte, zeigte sich, als Jelena auf eine E-Mail von Mahmoud an Alan Painter stieß. Dummerweise war der Text verschlüsselt. Den jedoch eindeutigen Beweis entdeckte allerdings Alejandra. „Wann war der letzte Anschlag von Mahmoud?“, fragte sie in die Runde. „Vor anderthalb Monaten. Da hat er ein Attentat auf die Firmenzentrale der National Bank of Kenya in Nairobi verübt. Warum fragst Du?“ „Ratet mal, von wem er die Kohle für den Anschlag bekommen hat.“ „Von den Debretts nehme ich an.“, sagte Bernd. „Bingo! Und nicht nur den Anschlag. Die Familie hat Mahmoud auch die Gelder für den Anschlag auf das Kreuzfahrtschiff „Olympic“ im Jahr 2018 beschafft.“ „Und die Kohle verdienen die Debretts mit Versicherungsbetrug.“ „Danach sieht es aus.“

„In Ordnung. Bernd, Tina. Ihr zwei seid ja an Mahmoud dran. Habt Ihr schon einen Plan, wie Ihr ihn eliminieren wollt?“ „Erst mal müssen wir wissen, was er vorhat. Mahmoud gibt sich nicht damit zufrieden, nur Sachschaden anzurichten. Er will möglichst viele Menschen in den Tod reißen.“ Tina recherchierte mit Jelenas Laptop, welche Großveranstaltungen demnächst stattfinden sollten. „Ich glaub, ich hab was.“, sagte sie schließlich. „Was hast Du?“ „Jetzt am Wochenende findet ein Segelwettbewerb statt. Die Christchurch Sailing Classics. Die Veranstalter rechnen mit 80.000 Besuchern.“ „Ein lohnendes Ziel für Mahmoud.“

In dem Moment klopfte es an der Zimmertür. „Wer ist da?“, fragte ich. „Zimmerservice.“ „Ich habe nichts bestellt.“, antwortete Hera. „Darf ich trotzdem reinkommen?“ „Du bleibst draußen, Freundchen.“, sagte ich. „Na schön. Ganz wie Sie wollen. Dann eben auf die harte Tour.“, sagte die Männerstimme. Bernd und Tina postierten sich links und rechts von der Tür. Mein Nachfolger sah seine Partnerin an. Sie nickte. Bernd griff nach der Klinke und öffnete die Tür. Draußen stand ein Mann mit einer Heckler & Koch SFP9M. Der Typ hätte einfach nur abdrücken brauchen, um uns in die ewigen Jagdgründe zu schicken, aber er war sich seiner Sache wohl sehr sicher. Gemächlichen Schrittes betrat er Heras Zimmer. Allerdings schaute er weder nach rechts, noch nach links, als er durch die Tür ging. Bernd reagierte blitzschnell und zog dem Mann die Beine weg. Noch bevor er wieder auf die Beine kam, hatte ihn Tina mit einem Handkantenschlag ins Genick ins Reich der Träume geschickt. Bernd verpasste ihm die Acht und setzte ihn auf den Stuhl, der am 417

Schreibtisch gegenüber dem Bett stand.

Als der Kerl 10 Minuten später wieder zu sich kam, war er vollkommen orientierungslos. „Wo bin ich?“, fragte er benommen. „Ey! Mach dich ma grade, Du Fleischwurst!“ „Du bist ja wieder sehr feinfühlig, Partner.“, meinte Tina. „Der singt uns gleich ein schönes Lied wirst sehen.“ „Das kommt überhaupt nicht infrage!“, schrie der Mann. „Also an deiner Stelle würde ich das Maul aufmachen. Mein Partner kann nämlich ganz schnell ganz schön raubeinig werden.“, sagte Tina. In diesem Moment klopfte es erneut an der Tür. Hera öffnete einen Spalt breit. Draußen stand Nikita Adams. „Darf ich reinkommen?“ „Nur zu.“, sagte Hera und öffnete ganz.

Kaum war die Tür zu, staunte die MI6-Agentin nicht schlecht, als sie unseren Gefangenen sah. „Da ist euch aber ein dicker Fisch ins Netz gegangen.“ „Wie meinen Sie das?“, fragte Jelena. „Wisst Ihr, wer das ist?“ „Nein. Aber ich nehme an, SIE wissen es.“ „Klar weiß ich das. Das ist Kebir al Bakr. Spitzname „The Ferret“. Er ist nach Mahmoud einer der am meisten gesuchten Terroristen weltweit.“ „Der Typ sieht ja wirklich aus wie ein Frettchen.“

„Eine Frage, Miss Adams. Wissen Sie ob Mahmoud in der näheren Zeit einen Anschlag geplant hat?“ „Ja. Er will einen Anschlag auf die Christchurch Sailing Classics verüben. Viel Zeit bleibt nicht.“ „Tina?“ „Ab an die Arbeit.“ „Habt Ihr schon einen Plan, Junior?“, fragte ich. „Klar haben wir den. Tina, bist du so freundlich?“ Tina Kraus griff in ihre Handtasche und fischte einen Kugelschreiber heraus. „Was ist das denn?“, wollte Jelena wissen. „Äußerlich sieht es aus wie ein gewöhnlicher Kugelschreiber. In Wirklichkeit ist das ein raffiniertes Mordinstrument. Ein leichter Druck auf den Auslöser genügt und eine Nadel kommt zum Vorschein. Bei einem Einstich wird dem Opfer ein Gift injiziert. Es wirkt nicht sofort, aber nach einer gewissen Zeit stirbt das Opfer an Herzstillstand.“

„Was machen wir eigentlich mit unserem Frettchen?“, fragte Alejandra. „Wenn wir ihn den Behörden übergeben, lassen die ihn wieder laufen.“ „Aber bevor wir ihn ziehen lassen, drehen wir „The Ferret“ noch ein bisschen durch den Fleischwolf.“ Kebir al Bakr schluckte. Er wusste genau, was ihm bevorstand.

Nach einer halben Stunde wussten wir, was wir wissen wollten. Laut seiner Aussage beschaffte ein Mann namens Osbourne Manning den Sprengstoff für Mahmoud. Wie uns Kebir weiter verriet, war der Codename dieses Mannes „Sphinx“. „Wo finden wir ihn?“, fragte Bernd. „Im Club „Wunderbar“.“ „Na bitte. Geht doch auch ohne viel Schisslaweng.“, sagte Tina. Als wir Kebir al Bakr ziehen ließen, begleitete Jelenas Nachfolgerin den Terroristen noch zur Tür.

In dem Moment, als „The Ferret“ durch die Tür ging, verpasste ihm Tina mit dem Kugelschreiber einen Stich in den Allerwertesten. Offenbar hatte der Kerl davon nichts mitbekommen, denn er ging fröhlich pfeifend zum Fahrstuhl. „Ick jarantiere euch, wenn er det Hotel verlassen hat, jeht er druff.“, sagte Tina. „Was ist denn jetzt los? So hab ich ja noch nie reden hören, Tina.“ „Det is meene Berliner Kodderschnauze, Jelena. „Wie meinst Du das?“ „Wie ick dat meene? Ick bin 418

eene Berliner Göre.“ „Und aus welchem Stadtteil kommst Du?“, wollte ich wissen. „Kreuzberg.“ „Auch noch das Kiezviertel.“ „Ick kann nüscht für meene Herkunft.“ „Und was ist mit deinen Eltern? Wie haben die reagiert, als Du nach Frankfurt gegangen bist?“ „Det war die Idee von meener Mutter. Sie meente, det et besser is, wenn ick bei Tante Clarissa in Frankfurt lebe. Da würde ick nich so schnell uff die schiefe Bahn jeraten.“ „Was macht deine Mutter eigentlich beruflich?“, wollte Bernd wissen. „Det willste nich wissen, Partner.“ „Hätte ich sonst gefragt?“ „Okay, okay. Is jut. Meene Mutter is ne Bordsteinschwalbe.“ „Eine was?“ „Eine Prostituierte.“, erklärte Alejandra.

„Und was ist mit deinem Daddy?“ „Meen Alter? Den kann der Teufel holen.“, sagte Tina. „Warum denn dieses?“ „Weil er meene Mutter und mich an meinem 5. Geburtstag verlassen hat. Kam von der Arbeit, hat seinen ganzen Klumpatsch zusammengerafft und hat gemeint, wir wären nich mehr seine Familie. Wir müssten zusehen, wie wir alleene klar kommen. Er hätte ne neue Freundin und nur die wär wichtig. Seitdem hab ick ihn nich mehr jesehen.“ „Und wie war er als Mensch?“ „Meen Alter war ein richtiges Arschloch. Er hat Mama dat Leben zur Hölle jemacht. Nach außen hin Friede, Freude Eierkuchen. Aber hinter den Kulissen war er janz anders. Er hat Mama auf Übelste beleidigt und beschimpft. Sogar jeschlagen hat er sie. Und wenn sie im Bett nich so wollte, wie er wollte, dann hat er sie vergewaltigt. An dem Tag, als ick Jelena jetroffen habe, hatte ick grad die Nachricht erhalten, dat meen Alter ins Gras jebissen hat.“ „Was war denn passiert?“, wollte Jelena wissen. „Jemand hat ihn mit Blei volljepumpt. Meen Alter hat zuletzt als Schuldeneintreiber malocht. Und offenbar isser an jemanden jeraten, der keenen Spaß versteht. Geschieht ihm Recht, wenn man bedenkt, wat er Mama anjetan hat.“ „Hast du ein gutes Verhältnis zu deiner Mutter?“ „Ick liebe sie, so wie sie ist. Sie war immer für mich da, wenn ich jemanden brauchte, der mir zuhört. Sie hat mich wenigstens ernst jenommen. Und ick erinnere mich noch, wat sie jesagt hat, als sie mich zu Tante Clarissa jeschickt hat. Sie sagte: „Es ist besser, du ziehst weg aus Kreuzberg. Ick will nicht, dat du ooch ne Nutte wirst, wie icke. Du sollst es einmal besser haben.“ Det waren ihre letzten Worte.“

Tina setzte sich aufs Bett, schlug ihre Hände vors Gesicht und fing an zu weinen. Und wer jetzt glaubt, dass dieses Seelengeständnis von ihr ihren Partner kalt gelassen hat, der irrt sich gewaltig. Bernd setzte sich zu ihr und nahm sie in den Arm. „Sieh mich an, Tina.“, sagte er. Tina Kraus hob den Kopf, und sah ihrem Partner ins Gesicht. „Es ist mir egal, woher du kommst, oder ob deine Mutter eine Nutte ist oder nicht. Mir ist wichtig, dass ich mich auf dich verlassen kann und dass ich dir ohne Vorbehalte vertrauen kann. Und ich weiß, dass kann ich.“, sagte er. „Danke, Partner.“

Unten auf der Straße verspürte Kebir al Bakr einen leichten Krampf in der Herzgegend. Er hatte gerade die Straße überquert und eine Telefonzelle angesteuert, als sein Herz erneut verkrampfte. „The Ferret“ wurde nervös. Er betrat die Zelle und sah sich um. Als der Terrorist den Hörer abnahm setzte sein Herz aus. Er keuchte. Beim Versuch, die Nummer von Mahmoud zu wählen, gaben seine Beine Nach, der Hörer glitt ihm aus der Hand, und Kebir al Bakr fiel mit dem Rücken zuerst auf die Straße. Passanten, die den Vorfall beobachtet hatten, riefen sofort einen 419

Arzt. Nach 10 Minuten kam ein Krankenwagen. Direkt dahinter ein Holden Commodore aus dem Jahr 2017. Der Arzt, der ausstieg, begutachtete die Leiche. „Herzstillstand.“, sagte er dann zu den Polizisten, die eingetroffen waren. „Wie konnte es dazu kommen?“ „Wenn das Herz angegriffen ist, kann es durchaus zu einem plötzlichen Herzstillstand kommen. Eine Blutprobe wird Auskunft geben.“

Kattie, die gerade zur Arbeit ging, hatte ein bisschen was mitbekommen. Glücklicherweise war sie 20 Minuten zu früh dran, so dass sie uns aufsuchen und uns berichten konnte. „Herein.“, sagte Hera als Kattie klopfte. Jelena bemerkte sofort, wie aufgeregt die junge Brünette war, als sie das Zimmer betrat. „Wo brennts denn?“, fragte Bernd. „Gerade ist jemand gestorben.“ „Wo?“ „Hier auf der Straße. Der gerufene Arzt hat Herzstillstand als Todesursache diagnostiziert.“ „Verstehe. Hast du sonst noch was mitgekriegt?“, fragte ich. „Nur, dass man bei dem Toten eine Blutprobe entnehmen will, um herauszufinden, was den Herzstillstand verursacht hat.“ „Hast Du sonst noch Neuigkeiten für uns?“, wollte Jelena wissen. „Ich weiß, wo Ihr diesen Mahmoud findet.“ „Dann bitte.“ „Es gibt ein Straßencafe´ zwei Straßen weiter. Dort trinkt er meistens einen Kaffee und isst ein Truthahn-Sandwich.“ „Du bist ja recht gut informiert.“, sagte Tina. „Ich esse selbst dort. Und da kriege ich eine Menge mit. Im Moment trifft er sich mit Lionel Debrett und Burt Saxby.“ „Wie heißt denn der Laden?“ „The Haka.“ „Was für ein komischer Name.“

„Ich muss runter. Meine Schicht fängt an.“, sagte Kattie. Kaum war sie gegangen sagte Bernd: „Wer kommt denn auf so eine Schwachsinnsidee? „The Haka“. Der schwachsinnigste Name für ein Cafe´ den ich je gehört habe.“ „Ich denke, der Name soll den Traditionen der Ur-Einwohner Neuseelands huldigen.“, sagte Jelena. „Übrigens: Der Betreiber von dem Cafe´ ist ein Maori. Habs grad im Internet gesehen.“ „Und was hat das mit diesem „Haka“ zu tun?“ „Der „Haka“ ist der Kriegstanz der Maori. Die „All Blacks“, Neuseelands Nationalmannschaft führen ihn noch heute vor ihren Spielen auf.“, sagte Alejandra.

„Na schön. Back to Work. So wie es aussieht, hat euer kleines Mordinstrument funktioniert.“ „Hab ick doch jesacht.“, sagte Tina und fing wieder an zu berlinern. „Dann wisst Ihr ja, was Ihr zu tun habt.“, sagte Jelena. „Mahmoud anpieksen.“ „Genau. Also ab mit euch.“ Bernd und Tina machten sich auf den Weg. „Und was sollen wir tun?“, fragte Hera. „Könnt Ihr versuchen herauszufinden, ob jemand weiß, wer Burt Saxby in Wirklichkeit ist und der auch genug Cojones hat, uns aufzusuchen und mit uns zu reden?“ „Ist schon so gut wie erledigt.“, sagte Alejandra. „Und was machen wir beide, Towarischtsch?“, fragte Jelena. „Wir beide suchen Corinne Debrett auf und werden ihr mal auf den Zahn fühlen. Mal sehen, was sie weiß.“

Im Cafe´ hatten Tina und Bernd einen Platz im Außenbereich eingenommen. Sie saßen an einem Tisch, der in Mahmouds Nähe stand und an dem der Terrorist vorbei musste, wollte er mal aufs WC. Tina hatte ihr Smartphone gezückt und machte Fotos von Mahmoud. Auf den Bildern war ein 1,87 m großer Mann mit einem athletischen Körperbau schwarzen Haaren zu sehen, die an den Ohren etwas kürzer geschnitten waren. Die braunen Augen, im runden Gesicht blickten entschlossen drein. 420

Auffällig war auch der adrett geschnittene Zirkelbart. Die breite Nase fügte sich aber dennoch harmonisch in das Gesicht ein. Seinen Turban hatte Mahmoud auf dem Tisch liegen. Bekleidet war er mit einem weißen Hemd, einem blauen Sakko, schwarzen Socken und schwarzen Herrenschuhen. Dazu trug er eine blau-gold gestreifte Krawatte.

Neben dem Turban lagen ein Fernglas und eine Art Fernbedienung. „Jede Wette, dass ist ein Sender für einen Sprengsatz.“, sagte Bernd. „Denkst du, was ich denke?“ „Genau. Mahmoud will vor seinem geplanten Anschlag auf den Segelwettbewerb eine Generalprobe steigen lassen, um sicherzustellen, dass auch alles glatt läuft.“ „Wozu braucht er dann das Fernglas?“ „Gute Frage. Aber für mich gibt es nur eine logische Erklärung. Mahmoud hat auf einem Schiff den Sprengsatz versteckt, den er mit dem Sender zur Detonation bringen will. Und er braucht das Fernglas um zum einen das Schiff zu identifizieren, und zum anderen, um die Entfernung zu berechnen.“ „Macht Sinn.“, sagte Tina.

Um 14:00 Uhr tauchte eine Rauchfahne am Horizont auf. Eine halbe Stunde später tauchte ein Schiff auf. Es war 288 Meter lang und 49 Meter breit. Auffällig waren auch die vier Kuppeln auf dem Vorschiff. Der Rumpf des Schiffes war in einem hellen blau gestrichen, während die Aufbauten in weiß gehalten waren. „Ein Flüssiggastanker. Es würde mich nicht wundern, wenn der sein Ziel ist.“, sagte Bernd zu Tina. „Sollen wir eingreifen?“ „Nein. Denn dann würden wir nicht nur Mahmoud warnen, sondern auch die Familie Debrett.“ „Können wir wenigstens das Schiff identifizieren?“ „Einen Augenblick. Ich check das mal kurz.“ Bernd klinkte sich über sein Smartphone auf einen GPS-Satelliten ein und überprüfte sämtliche Schifffahrtsrouten rund um Christchurch. Schließlich fand er den gesuchten Tanker. „Alles klar. Hab ihn. Das Schiff, das gerade hier vorbeikommt, ist die „Dionysos“. 85.000 Tonnen. Fährt unter griechischer Flagge. Heimathafen Piräus.“

In dem Moment hatte Mahmoud den Sender für den Sprengsatz in die Hand genommen. Mit dem Fernglas las er den Namen des Schiffes und drückte dann auf einen Knopf. Auf der „Dionysos“ explodierte der vordere der vier Kuppeltanks. Danach gab es eine Kettenreaktion, denn es explodierte erst der zweite Tank, dann der dritte und zuletzt der vierte. Die Druckwellen der Explosionen ließen den Rumpf in zwei Teile zerbersten. Ein diabolisches Grinsen trat auf das Gesicht des Terroristen. „Warte bis er aufsteht, um mal für kleine Jungs zu gehen. Dann gib ihm saures.“, flüsterte Bernd Tina ins Ohr.

15 Minuten später stand Mahmoud auf und ging an Bernds und Tinas Platz vorbei. Tina tat so, als würde sie etwas schreiben. Als der Terrorist an ihr vorbeiging drehte sie sich um und piekste ihn in den Hintern. Mahmoud bekam auch wie Kebir al Bakr nichts davon mit. „In Ordnung. Job erledigt. Gehen wir zurück ins Hotel.“, sagte Tina. „Wollte ich gerade vorschlagen.“

Unterdessen waren Jelena und ich bei Corinne Debrett vorstellig geworden. Wir hatten sie auf ihrer Yacht angetroffen. Corinne Debrett war eine attraktive 421

Mittvierzigerin. Sie war 1,63 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. Auch ihre sexy Beine waren nicht zu verachten. Nur bei der Oberweite war Miss Debrett nicht ganz so üppig ausgestattet. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen war ebenfalls ein echter Hingucker. Die Nase hätte ich jetzt als durchschnittlich bezeichnet, aber dennoch schien sie zu diesem Gesicht zu passen. Die sinnlichen Lippen fügten sich ebenfalls harmonisch in dieses hübsche Gesicht ein. Die braunen Haare waren schulterlang und bildeten am unteren Ende eine Dauerwelle. Bekleidet war Corinne Debrett mit einem beerenfarbnen Kleid und schwarzen High Heels.

„Guten Tag, Mr. MacLain. Guten Tag, Miss Romanova.“, sagte Corinne mit einer liebenswürdigen, sexy Stimme. „Woher wissen Sie wer wir sind?“ „Jeder hier in Christchurch hat schon von Ihnen beiden gehört. Was führt Sie beide zu mir?“ „Wir hätten gerne mit Ihnen über Ihren Bruder Nathan Cunningham gesprochen.“ „Kommen Sie an Bord.“ Corinne Debrett führte uns in einen großzügig eingerichteten Salon. Die Wände waren mit edlem Walnussholz getäfelt, während der Boden mit feinstem Brokat-Teppich gepolstert war. In einer Ecknische auf der rechten Seite war eine Minibar untergebracht. Auf der linken Seite war eine großzügige Sitzecke mit feinsten Veloursmöbeln verbaut worden. „Bitte setzen Sie sich doch. Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten? Einen Whisky oder vielleicht einen Scotch?“ „Wir trinken nicht. Zumindest nicht im Dienst.“, sagte Jelena. „Ich kann Ihnen auch roten Traubensaft anbieten, wenn Ihnen das lieber ist.“ „Einverstanden.“

Schließlich saßen wir zusammen. „Sie wollten mich wegen meinem Bruder sprechen. Was wollen Sie wissen?“ „Aus den Unterlagen, die uns zugespielt wurden, geht hervor, dass Ihr Bruder oft Aufträge in Millionenhöhe erhält. Was macht er beruflich?“ „Nathan ist freischaffender Journalist. Sein Spezialgebiet ist das Aufdecken von handfesten Skandalen. Als Beispiel, der Skandal um Dr. Moriarty. Mein Bruder hat in einem Artikel die Wahrheit über Dr. Trimble enthüllt und kein Detail ausgelassen.“ „Und der Artikel Ihres Bruders war das Ende der medizinischen Laufbahn von Dr. Trimble.“ „Ganz genau. Zugegeben, dass mein Bruder für einen der mächtigsten Drogenbarone Kolumbiens gearbeitet hat, ist aus meiner Sicht moralisch verwerflich. Aber bei Geld hört die Freundschaft bekanntlich auf.“ „Was war mit Alain Prior? Wieso hat der sich an Ihren Bruder gewendet?“, fragte ich. „Alain Prior wurde 2008 zu Unrecht beschuldigt, für den sozialen Absturz vieler Franzosen verantwortlich zu sein, weil diese durch die Finanzkrise ihr gesamtes Vermögen verloren haben.“ „Das wissen wir bereits. Und wir wissen auch, dass er sich wieder nach oben gearbeitet hat.“ „Aber wissen Sie auch, wem er den ganzen Schlamassel zu verdanken hat?“, fragte Corinne Debrett und zog eine Augenbraue nach oben. „Wissen Sie es?“ „Natürlich.“

Während wir uns mit Corinne Debrett unterhielten, war Mahmoud nach Hause gegangen. In seinem Zimmer schaltete er die Videokamera ein, um ein neues Video aufzunehmen. Als die Aufnahme startete sah er in die Kamera und sagte: „Hört meine Botschaft, Ihr Ungläubigen. Heute habe ich die „Dionysos“, einen 88.000 Tonnen Tanker von euch vernichtet. Jetzt am Samstag, wenn der Segelwettbewerb startet, werden der Besatzung des Schiffes noch viele von euch Ungläubigen 422

folgen. Allah ist mächtig! Allah Akbar!“

Bernd und Tina waren nach ihrer Aktion gegen den Terroristen ins Hotel zurückgegangen. An der Rezeption hatte Kattie Dienst. „Irgendwelche Neuigkeiten von Paul und Jelena?“, fragte Tina. „Sie haben sich mit Corinne Debrett getroffen. Sie wollen vor dem Abendessen wieder zurück sein.“

Noch während Mahmoud seine Botschaft online stellte, verriet uns Corinne Debrett, wer Alain Prior so übel mitgespielt hatte. „Alain Prior hat den Ärger einer Frau zu verdanken.“, sagte sie. „Wem?“ „Britta Olson.“ „Der Stiefmutter von unserer Sekretärin?“ „Moment. Hab ich das eben richtig verstanden? Magnus Olsons Tochter arbeitet als Tippse in Ihrem Büro?“ „So ist es. Es war der Wunsch ihres Vaters.“

„Ich kann Ihnen einiges über Britta Olson erzählen.“ „Und woher haben Sie Ihre Informationen?“ „Mein Bruder hat mir oft von seinen Recherchen erzählt. Und jedes Mal musste ich ihm hoch und heilig versprechen, niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen zu erzählen. Aber nun zurück zu Britta Olson. Es gibt auf der Welt nur eines, was sie wirklich liebt.“ „Und was wäre das?“ „Geld, Mr. MacLain.“ „Geld?“ „Ja, Geld. Sie kann gar nicht genug davon kriegen.“ „Ein Glück, dass diese Bitch jetzt im Knast schmort.“ „Ja, ich erinnere mich. Waren es nicht Sie beide, die dieses geldgeile Miststück hinter schwedische Gardinen gebracht haben?“ „Doch das waren wir. Aber wieso hat sie Alain Prior so übel mitgespielt?“ „Sie war auf sein Geld aus. Aber Ihr Plan ging nicht auf. Alain Prior hat einer anderen Frau das JA-Wort gegeben.“ „Wie jetzt?“ „Britta Olson ist eine Betrügerin. Sie ehelicht einen Mann mit einem dicken Portemonnaie und einem dazugehörigen Bankkonto. Dann reißt sie sich alles unter den Nagel, nur um dann die Scheidung einzureichen. Und vor dem Scheidungsrichter drückt Britta noch einmal ein bisschen auf die Tränendrüse und lässt sich die Scheidung noch einmal versüßen.“

„Wissen Sie, wer die Frau war, die Alain Prior damals geheiratet hat?“ „Ihr Name ist Chantal Toussaint. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mit dem Dreh von Pornofilmen.“ „Verstehe. Britta Olson hat Gift und Galle gesprüht, weil eine Pornodarstellerin ihr den erfolgreichsten Broker von Paris vor der Nase weggeschnappt hat.“ „Ja. Aber danach haben die Probleme für Alain Prior angefangen. Britta Olson hat in den großen französischen Tageszeitungen Falschmeldungen lanciert, sodass der Eindruck entstanden ist, dass Monsieur Prior der Drahtzieher mehrerer verschleppter Insolvenzen war. Aber es ließ sich nicht beweisen. Dann kam 2008 die Finanzkrise.“ „Und da hat Britta Olson den Broker ordentlich zur Kasse gebeten.“ „Sie hat es zumindest versucht. Aber als sie feststellen musste, dass sie wieder scheitern wird, hat Britta die Betroffenen zu einer Klage gegen Alain Priors Arbeitgeber ermuntert. Aber die Klage wurde abgewiesen. Alain Prior wurde zwar nie juristisch belangt, dennoch war der Schaden angerichtet. Es hat 10 Jahre gedauert, bis der gute Ruf des Mannes wieder hergestellt war. In dem Jahr, in dem Sie beide Britta Olson haben hochgehen lassen, hat Alain Prior meinen Bruder zum ersten Mal kontaktiert.“, sagte Corinne. 423

Um 18:00 Uhr waren wir wieder im Hotel. Wir wollten gerade auf unsere Zimmer, als uns Bernd und Tina in die Arme liefen. „Na, großer Meister, hat sich euer Ausflug gelohnt?“, fragte Bernd. „Wir haben uns mit Corinne Debrett getroffen. Ich würde vorschlagen, dass wir uns nach dem Abendessen in der Cocktailbar treffen.“ „In Ordnung. Bis nachher beim Essen.“ Beim Abendessen hing jeder seinen Gedanken nach. Im Fernsehen lief eine Werbesendung, die für Reisen nach Neuseeland warb. Doch plötzlich ertönte das akustische Signal, das die Nachrichten ankündigte. Auf dem Bildschirm erschien das Logo von Television New Zealand. „Ist das nicht ein bisschen zu früh? Wir haben doch erst 18:35 Uhr und die Nachrichten kommen doch immer zur vollen Stunde.“, sagte Tina. „Ist bestimmt ne Sondersendung.“ Und wie Recht Alejandra haben sollte, zeigte sich, als der Nachrichtensprecher ins Bild trat. „Ladies and Gentlemen, wir unterbrechen unser laufendes Programm aufgrund einer Eilmeldung. Heute um 18:00 Uhr wurde der weltweit per Haftbefehl gesuchte Terrorist Mahmoud tot in seinem Hotel aufgefunden. Der herbeigerufene Arzt hat Herzstillstand als Todesursache diagnostiziert. Wie es zum Tode Mahmouds kommen konnte ist zurzeit noch unklar.“

Nach dem Abendessen trafen Jelena und ich uns mit den anderen in der Cocktailbar. Als jeder ein Getränk seiner Wahl vor sich stehen hatte, machten wir Bestandsaufnahme, wie Jelena und ich unsere Nachbesprechung des Tages immer genannt haben. „Also Freunde, was habt Ihr zu berichten?“, fragte ich in die Runde. „Ihr habt es ja in den Nachrichten gehört. Mahmoud ist tot. Wir haben unseren Auftrag also 1:1 ausgeführt, großer Meister.“ „Das war eine reife Leistung, Junior.“, sagte ich. Jelena schaltete sich nun ins Gespräch ein. „Paul und ich haben Corinne Debrett einen Besuch abgestattet und ihr ein bisschen auf den Zahn gefühlt. Ihr Bruder Nathan Cunningham arbeitet als freier Journalist und hat im Laufe seiner Karriere den einen oder anderen handfesten Skandal aufgedeckt. Unter anderem auch die Skandale um Dr. Moriarty und Alain Prior.“ „Sag nichts, lass mich raten, die Artikel von Nathan Cunningham sind den anderen zum Verhängnis geworden.“, sagte Hera. „Im Fall von Dr. Trimble trifft das zu. Nur im Fall von Britta Olson nicht. Sie hat sich unmittelbar nach Abweisen der Klage gegen Alain Priors Brötchengeber aus dem Staub gemacht, und Frankreich verlassen. Dann hat Sie Magnus Olson geheiratet. Er war vor 2 Jahren unser Klient. Unsere Sekretärin Brit Olson ist übrigens seine Tochter.“ „Was ist eigentlich aus Britta Olson geworden?“, fragte Bernd. „Sie sitzt hinter schwedischen. Aber heute ist sie hoch verschuldet. Laut Aussage von Corinne Debrett beläuft sich die Gesamtsumme auf 48 Millionen Euro.“ „Ach du heilige Rattenkacke! Wenn diese Schnepfe je wieder aus dem Knast rauskommt, dann wird sie für den Rest ihres Lebens ein Dasein in der Gosse fristen. Denn ihre ganzen Vermögenswerte dürften inzwischen vom Gerichtsvollzieher eingesackt worden sein.“, sagte Tina.

In diesem Augenblick betrat Nikita Adams die Cocktailbar. Ihre blonden Haare trug sie wieder offen. Allerdings trug sie dieses Mal ein rotes eng anliegendes Minikleid und schwarze Sandaletten mit silbernen Ornamenten. Schließlich hatte sie uns entdeckt und kam zu uns an den Tisch. Bernd schnappte sich einen Stuhl 424

von einem anderen Tisch und platzierte ihn so, dass Nikita sich setzen konnte. „Habt Ihr wieder eure Nachbesprechung?“, fragte sie ohne Umschweife. „Da haben Sie den Nagel absolut auf den Kopf getroffen.“ Ein Kellner kam. „Darf ich Ihnen was zu trinken bringen, Miss?“, fragte er. „Einen Singapore Sling.“ „Der geht auf meine Rechnung.“, sagte ich.

Als dann auch Nikita ihren Cocktail vor sich stehen hatte, fasste Tina noch einmal das zuvor besprochene zusammen. „Wie ich sehe, kann ich euch vertrauen. Also auf eine gute Zusammenarbeit. Und ab sofort, fällt das alberne „Sie“ weg. Nennt mich einfach Nikita.“ „In Ordnung. Hera, Alejandra. Konntet Ihr beide jemanden ausfindig machen, der die wahre Identität von Burt Saxby kennt?“, fragte Tina. „Haben wir. Wir konnten eine Frau ausfindig machen. Ihr Name ist Antonella Kimmel. Sie lebt hier in Neuseeland. Sie hat ein Strandhaus in Tecura Bay.“ „Dann werden wir ihr morgen mal einen Besuch abstatten.“ „Eine gute Idee. Aber danach sollten wir uns ins Hinterland verdünnisieren.“, sagte Nikita. „Und warum?“ „Weil uns die Familie Debrett ab sofort unerbittlich ins Fadenkreuz nehmen wird. Osbourne Manning wird seine Kohle sehen wollen. Wenn die Debretts nicht bezahlen können, dann wird die ganze Familie zu Fischfutter. Und da Mahmouds Tod auf euer Konto geht, seid ihr hier in Christchurch nicht mehr sicher. Aber ich kenne ein junge Frau. Ihr Vater ist Häuptling eines Maori-Stammes. Dort wären wir sicher. Denn die Maori sind nicht gerade zimperlich mit ihren Feinden.“ „Und was macht dich so sicher, dass uns die Maori helfen werden?“ „Dieser Stamm ist ziemlich schlecht auf die Familie Debrett zu sprechen. Immerhin hat Nick Debrett ein Stammesmitglied getötet. Und deswegen sind die Maori den Debretts alles andere als wohl gesonnen.“, sagte Nikita. „Was mir nicht ganz in den Schädel will, warum die Familie Debrett im großen Stil Versicherungsbetrug begeht.“ „Familie Debrett ist chronisch pleite. Ohne die Hilfe von Burt Saxby hätten die Debretts schon längst in Erzwingungshaft gesessen. Als Gegenleistung für seine Schuldenübernahme fordert Mr. Saxby von den Debretts, dass sie Mahmouds Terroranschläge finanzieren.“

„Und jetzt wo, Mahmoud tot ist…“ „Wird der Teufel los sein. Vor allem Burt Saxby dürfte richtige Schwierigkeiten bekommen.“ „Inwiefern, Nikita?“ „Nun ja, Burt Saxby ist Verbindungsmann einer weltweit operierenden Terrorgruppe. Mahmoud und Kebir al Bakr waren deren Topleute. Die Gruppe nennt sich „Kalifat von Baghdad“.“ „Ich schätze mal, dass uns diese Terrorbande auch ans Leder will.“, sagte ich. „Nur wenn sie wüssten, dass Ihr hinter dem Tod der „Hyäne“ und des „Frettchens“ steckt. Und das wage ich zu bezweifeln. „Bei Kebir al Bakr dürfte es auch so bleiben, weil du ihm das Gift im Hotel injiziert hast, wo es keine Zeugen gibt. Denn du hast ihm das Gift ja noch im Zimmer verabreicht. Bei Mahmoud dürfte mit 100%iger Wahrscheinlichkeit was durchsickern, da es sich bei dem Cafe´ um einen öffentlichen Platz handelt.“ „Da hat deine Mentorin nicht ganz Unrecht, Tina.“, sagte Nikita. „Eine Frage, Junior. Wie voll war das Cafe´? „Nicht sehr voll. Und Passanten sind auch kaum vorbeigekommen. Wahrscheinlich, weil die Mittagspause vorbei war.“

Am nächsten Morgen ging es dann los. Um 8:30 Uhr trafen wir uns. Vor dem Eingang des Hotels wartete Alejandras Stretch-Limousine mit laufendem Motor. 425

Wir fuhren zum Yachthafen, wo Alejandra eine Yacht liegen hatte. Es war eine Mondo Marine Classic 63. Das Boot trug den Namen „Elektra“ und war wie die „Aphrodite“ in Monaco registriert.

Um 9:00 Uhr fuhren wir los. Alejandra stand selbst am Steuer. Wir brauchten 4 Stunden um zu dem Haus zu kommen. Als wir dort ankamen, stellten wir zu unserer Überraschung fest, dass das Haus über zwei Anleger verfügte. Ganz vorsichtig manövrierte Alejandra ihre Yacht an einen der Stege. Jelena und ich hatten gerade die Leinen befestigt, als Bernd und Tina ein Boot entdeckten, dass sich dem Haus mit hoher Geschwindigkeit näherte. Doch kurz vor dem zweiten Anleger drehte das Boot ab. „Was sollte das denn?“, fragte Tina. „Jede Wette, die Brüder wollten verhindern, dass Antonella uns die wahre Identität von Burt Saxby enthüllt.“ „Und als sie uns beim Anlegen gesehen haben, war Ihnen klar, dass wir schneller waren.“, ergänzte Jelena Heras Erklärung.

„Die hätten uns auch leicht erledigen können, Paul!“, rief Alejandra vom Steuerstand herab. „Und wie kommst du darauf, Alejandra?“ „Wir waren nicht ganz aufmerksam. Ich hatte genug damit zu tun, das Anlegemanöver durchzuführen. Du und Jelena wart mit den Leinen beschäftigt. Hera war unter Deck und Bernd und Tina haben das Boot ja auch erst ziemlich spät entdeckt.“ „Ich würde darauf tippen, dass das fremde Boot über Stealth-Eigenschaften verfügt und somit für unser Radar unsichtbar ist.“ „Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt, Towarischtsch?“, fragte Jelena. „Wie kommst Du darauf?“ „Weil die Stealth-Technologie ausschließlich dem Militär vorbehalten ist.“

Auf der fremden Yacht telefonierte der Anführer des Killerkommandos mit Burt Saxby. „Schlechte Nachrichten, Mr. Saxby. Die beiden Schnüffler waren schneller. Wir haben sie beobachtet, als sie mit ihren Begleitern am Haus angelegt haben. Das fremde Boot trägt den Namen „Elektra“ und fährt unter monegassischer Flagge. Wir haben das schon überprüft. Die Yacht gehört einer gewissen Alejandra Valderrama.“ „Kommt zurück ins Hauptquartier. Zeit für Plan B.“

Wir standen inzwischen vor dem Haupteingang des Hauses. In der Einfahrt konnte ich einen alten Mercedes 280 SE der Baureihe W108 aus dem Jahr 1972 entdecken, der in einem dunklen Blau lackiert war. Die alte Limousine war in einem Top-Zustand und sah aus, als hätte sie das Stammwerk in Stuttgart-Untertürkheim gerade erst verlassen.

Die Frau, die öffnete, war eine atemberaubende Schönheit. Sie war 1,70 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. Auch die sexy Beine waren ein echter Hingucker. Ebenso wie die üppigen Brüste. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen war auch nicht von schlechten Eltern. Ihre schwarzen Haare trug sie offen, sodass sie bis zur Unterkante ihrer Brüste reichten. Die leicht grazile Nase fügte sich harmonisch in das Gesicht ein, wie auch die sinnlichen Lippen.

Normalerweise hätte ich an dieser Stelle die Kleidung der Dame beschrieben. 426

Doch bis auf ein Paar halterlose, schwarze Nylonstrümpfe und schwarze High Heels trug Antonella Kimmel gar nichts. Ihre Scham war unrasiert und wies einen ordentlichen Haarwuchs auf. „Man sagte mir, dass Sie sich dafür interessieren, wer Burt Saxby in Wirklichkeit ist. Bitte kommen Sie.“, sagte unsere Gastgeberin mit einer sexy Stimme, die einem einen wohligen Schauer über den Rücken jagte.

Wir folgten Miss Kimmel ins Wohnzimmer. „Bitte setzen Sie sich.“, sagte Antonella und wies auf eine mit Velours bezogene Couch. Nachdem wir uns gesetzt hatten, nahm Antonella Kimmel in einem Ledersessel uns gegenüber Platz. „Bevor ich Ihnen erzähle, was ich weiß, möchte ich gern von Ihnen wissen, wer Sie sind und warum Sie sich so für Burt Saxby interessieren.“ „Paul MacLain. Privatermittler von Beruf.“ „Jelena Romanova. Privatermittlerin. Ich bin die Juniorpartnerin von Mr. MacLain.“ „Bernd Köhler Privatermittler.“ „Tina Kraus. Ich bin Bernd Köhlers Partnerin.“ „Von Ihnen und Ihrer Partnerin habe ich schon gehört, Mr. MacLain. Aber von Ihnen beiden leider noch nichts, Mr. Köhler.“ „Bernd Köhler und Tina Kraus werden unsere Nachfolge antreten, Miss Kimmel. Wenn mein Partner und ich uns zur Ruhe setzen, werden sie die Detektei übernehmen.“ „Das heißt…? „Das dieser Fall unser letzter sein wird.“, sagte ich.

„Nun denn. Nun, da ich weiß, woran ich bei Ihnen bin, werde ich Ihnen sagen, was ich weiß. Ich möchte mit einer Frage beginnen. Kennen Sie Hernando Guzman?“ „Wir sind ihm letztes Jahr im September begegnet, als wir auf Zypern im Einsatz waren.“ „Burt Saxby heißt in Wirklichkeit Pablo Guzman.“ „Ist er irgendwie mit Hernando Guzman verwandt?“ „Er ist sein älterer Bruder.“ „Ja leck mich doch.“, sagte Bernd. „Was macht er hier in Neuseeland?“ „Er kam letztes Jahr im Oktober hierher.“ „Und einen Monat davor hat mein Peiniger das Zeitliche gesegnet.“ Antonella sah El Doberman fragend an. „Mein Name ist Alejandra Valderrama. Mein Spitzname ist „El Doberman“. Hernando Guzman hat mich 10 Jahre in seinen Drogenküchen ausgebeutet und meinen Sohn als Geisel genommen. 17 Jahre hat er mich seelisch gequält. Meine Cousine Hera Arnakis und ich haben dem Pitbull die Lampen ausgeknipst.“

„Was wissen Sie sonst noch über Pablo Guzman?“, fragte Tina. „Das kommt darauf an, was Sie wissen wollen.“ „Mich würde zum Beispiel interessieren, was der Bruder des Pitbull mit den Terroristen zu schaffen hat.“, sagte Jelena. „Er fungiert als Ausbilder in den Terrorcamps. Pablo Guzman bringt den Arabern die Guerilla-Taktiken der kolumbianischen Drogenkartelle bei. Dann zeigt er ihnen, wie man Sprengsätze baut, die eine hohe Anzahl an Menschenleben fordern.“

Plötzlich knackte es in meinem Headset. „Paul, hörst du mich? Hier ist Nikita.“ „Empfang klar und deutlich. Was hast Du?“ „Das fremde Boot kommt zurück. Und zwar mit Volldampf. Wir sollten uns schleunigst vom Acker machen.“ „Verstanden. Miss Kimmel, Sie sollten besser mitkommen. Ich bin mir sicher, dass die Kerle Sie umbringen wollen, weil Sie uns geholfen haben.“, sagte Tina. „Einverstanden.“

Über den Hinterausgang gelangten wir ungesehen zur „Elektra“. Alejandra 427

hatte zum Glück die Motoren laufen lassen. Wir hatten gerade die Leinen losgeworfen, da gab Alejandra Vollgas und hätte beim Wenden beinahe den Steg zertrümmert. Heras Cousine riss das Steuer herum und hätte beinahe das heran kommende Boot gerammt, wenn dessen Skipper nicht ein überhastetes Ausweichmanöver gestartet hätte. Dieses Ausweichmanöver rettete uns den Arsch, denn das feindliche Boot lief auf eine Untiefe auf. An Bord wurde alles durcheinander gewirbelt. Pablo Guzman alias Burt Saxby wurde zu Boden geschleudert und schlug sich den Hinterkopf auf dem harten Boden an.

Auf der „Elektra“ hatten wir mitbekommen, wie die Gegenseite mit ihrem Boot Grundberührung hatte. „Das wird wohl einige Zeit dauern, bis die Brüder ihr Boot wieder flott kriegen.“, sagte Nikita. „Auf jeden Fall. Und die Havarie unserer Gegner wird uns einen ordentlichen Vorsprung verschaffen.“

Alejandra verringerte die Geschwindigkeit und wir fuhren weiter. An Bord des fremden Bootes wurde alles versucht, dieses wieder flott zu kriegen, um die Verfolgung aufnehmen zu können. Pablo Guzman musste hilflos mit ansehen, wie die „Elektra“ immer kleiner wurde. „Meine Fresse! Kommt Ihr Tranfunzeln auch mal in die Puschen, oder muss ich alles alleine machen?“, sagte er aufgebracht. „Wir müssen die Flut abwarten.“ „Aber dann sind Paul MacLain und seine Freunde über alle Berge.“ „Außerdem müssen wir das Boot auf etwaige Schäden überprüfen.“ „Sagen Sie mal, sind Sie taub?“ „Nein, bin ich nicht. Ich weiß sehr wohl, wie viel Ihnen daran liegt, diese Schnüffler in die Hand zu kriegen. Aber Fakt ist, wir kommen erst mit der Flut frei.“ „Wir haben doch Sprengstoff an Bord. Den wollte ich eigentlich bei Antonella unter dem Auto verstecken und ihn zünden, wenn sie im Auto sitzt. Da dies aber unter den gegebenen Umständen nicht möglich ist, könnten wir doch den Felsen, auf dem wir aufgelaufen sind, damit weg sprengen.“ „Sicher, das wäre eine Möglichkeit. Aber eine gefährliche, wenn ich das mal so sagen darf. Sehen Sie, die Druckwelle könnte den Rumpf so stark beschädigen, dass das Boot Leck schlägt und wir mit den Fischen zu Abend essen.“, sagte der Skipper. Pablo Guzman musste sich eingestehen, dass der Skipper seines Bootes Recht hatte.

„Na schön. Dann zurück nach Christchurch. Wir fliegen mit dem Hubschrauber. Ich telefoniere mal mit den Debretts und sage ihnen Bescheid, dass sie sich bereithalten sollen. Das große Finale beginnt.“ Unterdessen hatten wir mit Nikitas Hilfe einen Wasserarm gefunden, der ins Landesinnere führte. Alejandra hatte den Motor abgestellt und wir manövrierten die „Elektra“ mit Staken durch die Mangroven. Schließlich erreichten wir eine Bucht mit einer Höhle, die so groß war, dass wir Alejandras Yacht bequem darin verstecken konnten. Auch eine Anlegestelle war vorhanden. Wir befestigten die Leinen und machten es uns erst mal gemütlich.

Doch dann fiel Tina etwas nicht ganz unwesentliches ein. „Haben wir überhaupt Vorräte an Bord? Und wenn ja, wie lange sind die haltbar?“, fragte sie in die Runde. „Ich befürchte nein. Aber wir haben die Möglichkeit uns bis zu einem gewissen Grad selbst zu versorgen.“ „Und wie stellst Du dir das vor, Cousine?“, wollte Hera wissen. „Mir ist einmal die Flucht aus einem von Hernando Guzmans Drogenlaboren 428

geglückt. Es hat zwei Wochen gedauert, bis seine Häscher mich aufgespürt hatten. In der zeit hab ich mich selbst versorgt. Entweder mit Speerfischen, oder mit verschiedenen Jagdtechniken.“ „Als ich noch beim SAS war, haben wir bei den Trainings auch immer Überlebenstraining gehabt.“

„Und wie sieht es mit der Tier- und Pflanzenwelt hier in Neuseeland aus? Die dürfte sich ja wohl von der in Kolumbien unterscheiden. Also dürfte es hier Tiere und Pflanzen geben, die für uns gefährlich sein können, weil sie giftig sein könnten.“ Bernd hatte diesen nicht ganz unerheblichen Einwand vorgebracht. „Ich finde mein Partner hat Recht. Solange wir nicht wissen, welche Tiere und Pflanzen wir ohne Gefahr essen können, sollten wir versuchen, auf andere Weise was Essbares zu organisieren.“

Gegen Abend kam Nikita zurück. Doch sie war nicht allein. Eine junge Frau hatte sie begleitet. „Tut mir leid, dass ich einfach los gegangen bin, ohne etwas zu sagen. Der Stammeshäuptling hat mir durch Boten eine dringende Nachricht überbracht.“ „Mit anderen Worten, er wollte dich sofort sehen.“ „Und bei ihm parierst Du besser. Sonst reißt Machise Epiha dich nämlich in Stücke.“, sagte Nikita. „Heißt im Klartext?“, fragte Tina und beugte sich so weit über die Reling, dass Bernd ihr in den Ausschnitt gucken konnte. „Das willst du nicht wissen.“ Hera räusperte sich. Erst jetzt bemerkte Tina, was Bernd machte. „Gefällt dir, was Du siehst, Du Ferkel?“, fragte sie schroff. „Sorry. Aber deine Hupen sind nun mal nicht zu verachten.“ „Letzte Warnung, Kollege. Noch so eine sexistische Bemerkung und wir sind die längste Zeit Partner gewesen. Ist das klar?“ Da platzte Jelena der Kragen. „ES REICHT JETZT!“, brüllte sie Bernd und Tina an. Tina wollte etwas erwidern, doch Jelena ließ weder sie noch Bernd zu Wort kommen. Für die Standpauke, die nun folgte gibt es keine passende Beschreibung.

Ich habe es in den zwei Jahren, die ich mit Jelena zusammen gearbeitet habe, noch nie erlebt, dass meine Partnerin so einen heftigen Ausraster gehabt hat. Als Jelena dann endlich fertig war, sprach keiner ein Wort. Meine Partnerin kochte innerlich vor Zorn. Und in diesem Zustand ist sie unberechenbar. Da reicht dann schon der kleinste Lapsus und Jelena wird zu einer Furie die eine Schneise der Verwüstung hinterlässt. Tinas Mentorin wandte sich ab und verschwand im Inneren der „Elektra“. Ein klares Zeichen, dass sie in Ruhe gelassen werden wollte.

Ich beschloss an Land zu gehen, um mir anzuhören, was Nikita zu berichten hatte. „Die Maori werden uns helfen.“, sagte sie ohne Umschweife. „Gut zu wissen.“ „Dich bedrückt doch etwas, Paul. Also was ist es?“ „So wie eben hab ich meine Partnerin noch nie erlebt. Hoffentlich beruhigt sie sich bald wieder. Da fällt mir ein: Wann werden wir von Machise Epiha erwartet?“ „Schon morgen.“, sagte das Mädchen. „Sie haben mitbekommen, was sich gerade abgespielt hat. Jetzt hilft nur noch beten, dass meine Partnerin Jelena Romanova sich bis morgen wieder einigermaßen im Griff hat. Sonst seh ich schwarz.“

Zu meinem Leidwesen dauerte es ganze 4 Tage, bis sich Jelena wieder 429

einigermaßen beruhigt hatte. Und es dauerte noch einmal zwei Tage, bis sich ihr Blutdruck wieder auf Normalniveau eingependelt hatte. Erst am 6.9.2020 war bei Jelena wieder alles so weit in Ordnung, dass wir den Stammeshäuptling aufsuchen konnten. An jenem Morgen durfte ich meine Partnerin zum ersten Mal seit ihrem Wutausbruch sehen. Sie lag auf dem Bett und starrte Gedanken verloren an die Decke. „Alles in Ordnung?“, fragte ich vorsichtig. „Es geht so. Ich fühle mich hundeelend.“ „Weil Du Bernd und Tina in ihre Schranken gewiesen hast?“ „Da.“ „Aus meiner Sicht war dein Rüffel absolut gerechtfertigt. Bernds Verhalten war absolut unprofessionell.“ „Hast du mit ihm gesprochen?“ „Ja, hab ich.“ „Und wie hat er reagiert?“, fragte Jelena. „Es hat ihm leid getan. Er ist dann gleich zu Tina und hat sie um Verzeihung gebeten.“ „Und?“ „Sie hat ihm vergeben. Hat ihm aber klar gemacht, dass er zusehen soll, dass so etwas nicht noch mal vorkommt.“ „Womit sie nicht ganz Unrecht hat, Towarischtsch.“ „Allerdings ist Tina auch nicht ganz unschuldig, Jelena.“ „Wie kommst du denn darauf?“ „Deine Nachfolgerin hat es ja geradezu provoziert, dass Bernd ihr in den Ausschnitt guckt, als sie sich so lasziv über die Reling gebeugt hat.“ „Verstehe. Meinst Du, die beiden haben was miteinander?“, fragte Jelena. „Wenn ich das wüsste.“

Jelena wollte gerade eine Frage stellen, als Tina den Kopf zur Tür hereinsteckte. „Was gibt’s Tina?“ „Amy, die Häuptlingstochter ist da. Ihr Vater erwartet uns.“ „Und wann?“ Wir sollen sofort aufbrechen. Frühstück gibt’s dort. Machise Epiha ist ziemlich ungehalten, dass wir ihn eine Woche haben warten lassen.“ „Wie lange brauchen wir bis zu der Siedlung?“, fragte ich. „10 Minuten.“ „Schaffst Du das, Jelena?“ „Ich denke schon. Aber eine Frage noch, bevor wir losgehen. Ist Amy alleine gekommen?“ „Nein. Zwei Maori-Krieger haben sie begleitet. Sie nennen sich Nugget und Donk.“ „Was sind denn das für Burschen?“ „Nugget ist ein Schlacks und Donk ist ein Wandschrank.“

Wir brachen auf. Da Jelena etwas schwach auf den Beinen war, musste ich sie stützen. Trotzdem brauchten wir nur 10 Minuten von unserem Versteck zur Maori-Siedlung. Als wir dort eintrafen, brach Jelena beinahe zusammen. Amys Vater sah dies mit Entsetzen. Der Häuptling war eine beeindruckende Erscheinung. Er war beinahe 1,90 m groß und besaß einen athletischen Körperbau. Machise Epiha war am ganzen Körper mit Maori-Symbolen tätowiert, die alle seine Stellung innerhalb des Stammes symbolisierten. Das ovale Gesicht mit den stechend braunen Augen verriet keinerlei Emotionen. Nur anhand des Ausdrucks in den Augen konnte man erkennen, was der Maori-Häuptling empfand. Seine schulterlangen, schwarzen Haare hatte Machise Epiha zu Dreadlocks geflochten und seinen Backen- und Kinnbart adrett zurückgeschnitten. Auch die breite Nase passte irgendwie in das Gesicht dieses Mannes.

Bekleidet war Machise Epiha mit einem Baströckchen mit roter Bauchbinde, einer schwarzen Unterhose und einem Federkranz auf dem Kopf. „Sind das deine Freunde, Nikita?“, fragte der Häuptling mit einer tiefen Bassstimme, die ein bisschen an Bud Spencer erinnerte. „Ja, das sind sie. Paul MacLain, Jelena Romanova, Bernd Köhler, Tina Kraus, Hera Arnakis und Alejandra Valderrama“ „Seid willkommen. 430

Ich sehe, dass es Ihrer Partnerin nicht gut geht, Mr. MacLain. War das der Grund für die Verzögerung?“ „Bedauerlicherweise lautet die Antwort „Ja“, Hoheit. Meine Partnerin hatte einen ziemlich heftigen Wutausbruch.“ „So was kommt in den besten Familien vor.“, sagte der Häuptling. „Ihr Blutdruck war ziemlich hoch und so konnten wir es nicht riskieren, Sie und ihren Stamm aufzusuchen, weil wir Komplikationen befürchtet hatten.“ „Wann haben Sie und die anderen eigentlich das letzte Mal richtig geschlafen?“ „Na ja, wenn Sie mich so fragen, das ist schon ne Weile her, Hoheit.“ Der Häuptling rieb sich nachdenklich das Kinn. „Dann ruht euch erst mal aus und esst erst mal was, bevor euch eure Mägen bis zu den Kniekehlen hängen. Alles Weitere klären wir später.“

Später am Tag, die Sonne hatte ihren Zenit längst überschritten kam Amy zu uns. „Mein Vater wünscht euch zu sprechen.“, sagte sie und ging wieder. Als wir aus der Hütte kamen, hatte sich der gesamte Stamm versammelt. Auf einer aus Bambusrohren errichteten Empore saß der Häuptling auf seinem Thron. Links von ihm stand seine Tochter. Amy war 1,73 m groß und hatte einen schlanken, sexy Körper. Wie ihr Vater verzichtete sie auf Schuhwerk. Das ovale Gesicht mit den braunen Augen war hübsch anzusehen. Auffällig waren auch die Tätowierung an der Kinnspitze und die schwarz geschminkten Lippen. Ihre Haare trug Amy Epiha offen, sodass sie bis zu ihren Brüsten reichten. Auch ihre üppigen Brüste fielen sofort ins Auge. Die Nase war etwas zu breit geraten, fügte sich aber dennoch harmonisch in Amys Gesicht ein.

Bekleidet war die Häuptlingstochter mit einem weiß-blauen Bastkleid mit schwarzen Bambus-Applikationen und einem weißen Oberteil in welches rote und schwarze Maori-Symbole eingearbeitet waren. Auf dem Kopf trug Amy eine Art Federschmuck, der vermutlich ihren Status als Prinzessin unterstreichen sollte. An ihrer Stirn trug sie einen Reif, der wie eine Spirale aussah. Auch das Mädchen hatte wie sein Vater einen gebräunten Teint.

Doch dann entdeckte ich einen zweiten Thron, rechts vom Häuptlingsthron. Er war leer. Daneben stand ein junger Mann. Der Junge war nicht älter als 28 Jahre, war 1,87 m groß und war athletisch gebaut. Seine schwarzen Haare hatte er, genau wie sein Vater zu Dreadlocks geflochten. Auffällig bei dem jungen Maori waren die braunen Mandelaugen, während Amy normale Augen hatte. Die Mandelaugen verrieten die polynesischen Wurzeln der Maori. Außerdem fielen mir die wulstigen Lippen und der gebräunte Teint auf. Das ovale Gesicht war mit einer Durchschnittsnase gesegnet, die aber dennoch irgendwie zu dem Gesicht passte. Wie sein Vater trug der junge Krieger einen Bart. Allerdings nur einen Schnauz- und einen Kinnbart.

Bekleidet war der Maori wie sein Vater mit einem rot-weißen Bastrock und einer schwarzen Unterhose. Auf dem Kopf trug er einen Federschmuck. Auch er trug wie Vater und Schwester keine Schuhe. „Das ist Ellis Epiha. Er ist hinter Amy die Nummer zwei, was die Thronfolge angeht. Deshalb steht er auf der rechten Seite.“, flüsterte mir ein Maori zu. „Kennen wir uns?“ „Ich bin Nugget.“ „Darf ich dich 431

was fragen, Kumpel?“ „Nur zu.“ „Der Junge sieht traurig aus. Warum?“ „Siehst Du den leeren Thron? Dort würde normalerweise die Mutter von Amy und Ellis sitzen.“ „Ist sie…?“ „Tot? Ja. Nick Debrett hat sie kaltblütig ermordet.“ „Dann ist also sie das Stammesmitglied, das getötet wurde.“ „Ganz genau, Mann. Debrett Junior hat unsere Königin mit einer Machete enthauptet und ihren Kopf auf einen Pfahl gespießt. Den hat er vor unserem Dorf aufstellen lassen. Ihr müsst daran vorbeigekommen sein.“ „Und deswegen soll die Familie die Zeche zahlen?“ „Nein. Corinne ist eine tolle Frau. Sie würde zu Machise passen. Und unter uns beiden, sie und der Häuptling sind heimlich ein Paar. Das Problem ist allerdings, dass sie sich erst von Debrett Senior scheiden lassen muss, um in unseren Stamm einheiraten zu können.“, sagte Nugget. „Und das wird Lionel Debrett nicht zulassen. Stimmt’s, Nugget?“ „Worauf du deinen Arsch verwetten kannst, Keule.“

Unterdessen suchten Pablo Guzman und Lionel Debrett nach der „Elektra“ und nach unserer Informantin, die die wahre Identität vom Bruder des Pitbull enthüllt, und ihn somit ans Messer geliefert hatte. Antonella hatte sich, seit wir im Dorf weilten, mit dem Häuptlingssohn angefreundet und sich sogar in ihn verliebt. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis Guzman und die Debretts uns finden würden.

Am Abend kehrten wir, begleitet von Amy, ihrem Bruder Ellis, sowie Nugget und Donk auf die „Elektra“ zurück. Antonella war im Dorf geblieben. Im großen Raum setzten wir uns zusammen. „Also Freunde. Nur um für klare Verhältnisse zu sorgen. Meine Partnerin und ich arbeiten als Privatermittler. Mein Name ist Paul MacLain. Die kleine Brünette ist meine Partnerin Jelena Romanova.“ „Wir haben schon von Ihnen beiden gehört. Sie und ihre Partnerin sind bei den Unterweltgrößen gefürchtet.“, sagte Ellis. „Freut uns, dass unser Ruf schon bis zu den Maori vorgedrungen ist. Aber wir werden uns nach diesem Fall zur Ruhe setzen.“ „Die ganzen Unterweltgrößen werden erleichtert sein.“ „Die sollen sich nicht zu früh freuen. Denn der junge Mann und die attraktive rothaarige sind unsere Nachfolger Bernd Köhler und Tina Kraus.“ „Darf ich mal was sagen?“ „Nur zu Ellis.“ „Bernd Köhler erinnert mich irgendwie an diesen walisischen Dartprofi. Wie heißt der doch gleich?“ „Es gibt viele Waliser bei der PDC. Welchen meinst du genau?“ „Ich weiß nur den Spitznamen. „ICEMAN“.“ „Dann meinst du Gerwyn Price.“ „Genau den! Dein Spezi gleicht ihm wie ein Ei dem anderen.“ „Nur mit einem Unterschied. Ich hab mit Dart so wenig am Hut wie der Iceman mit einer Beretta.“

„Na von mir aus. Aber jetzt mal back to work. Nugget, du hast mir vor ein paar Tagen erzählt, dass Nick Debrett Amys und Ellis Mutter auf dem Gewissen hat. Du weißt nicht zufällig, warum er den Mord begangen hat?“, fragte ich. Doch es war Donk, der die Frage beantwortete. „Der Grund ist Amy. Nick Debrett will sie heiraten. Aber sowohl Machise und Suzanne haben ihm die Hand ihrer Tochter mit der Begründung verweigert, dass Amy für ihn nur Mittel zum Zweck ist.“, sagte Donk. „Wieso nur Mittel zum Zweck? Das versteh ich nicht ganz.“ Tina hatte diese Frage gestellt. „Hätte Nick meine Schwester geheiratet, wäre er automatisch Vaters Nachfolger auf dem Thron geworden, sobald dieser abtritt. Und damit hätte er seinen Vater vor dem Zugriff der Behörden schützen können.“ „Was für ein Schmierlappen.“ 432

„Inwiefern hätte Nick Debrett seinen Vater vor den Versicherungsdetektiven schützen können? Lionel Debrett hat doch sicherlich Freunde in der Politik, die ihn genauso gut vor den Behörden schützen können.“, sagte Jelena. „Wenn dem so wäre, dann würde der junge Debrett nicht darauf spekulieren, seinen Vater durch eine Hochzeit mit mir dem Zugriff der Behörden zu entziehen.“ „Ihr müsst wissen, unser Dorf und das umliegende Areal ist für iwi ma e hiahiatia tabu.“

„Verstehe. Was ist seit dem Mord geschehen?“ „Wie schon gesagt, Nick Debrett hat den Kopf unserer Königin auf einen Pfahl gespießt. Den hat er vor dem Dorf aufgestellt.“ „Ich habe ihn bemerkt, bevor wir ins Dorf kamen. Mir sind die ganzen Kerben aufgefallen. Was haben die für eine Bedeutung?“, fragte Bernd. „Ahnst Du es nicht, Junior?“ Das ist ein Countdown. Jede Kerbe mehr bedeutet einen Tag weniger für die Herrscherfamilie, ihre Meinung bezüglich einer Heirat zwischen Amy und Nick Debrett zu ändern. Wenn am sichtbaren Ende des Pfahls die letzte Kerbe eingeritzt wird, und Nick danach immer noch Amys Hand verweigert wird, dann gibt’s den Big Bang.“ „Du meinst, dass der junge Debrett Mahmoud beauftragt haben könnte, Amys Stamm mit einer Bombe in die ewigen Jagdgründe zu schicken, großer Meister?“ „Nicht nur könnte. Er hat ihn beauftragt. Die Bombe sollte zeitgleich mit dem Anschlag auf den Segelwettbewerb hochgehen.“, sagte Amy.

Unterdessen hatten Pablo Guzman und Lionel Debrett in der tiefsten Wildnis ein mobiles Basislager errichtet. Der alte Debrett und der Bruder des Pitbull saßen bei einer Flasche Wein in Lionels Luxuswohnmobil. „Also Pablo. Die Sache gerät langsam aber sicher außer Kontrolle. Unmittelbar nach Mahmouds Tod sind mehrere Versicherungsdetektive bei mir vorstellig geworden. Ist Ihnen klar, was das für mich und meine Familie bedeutet?“ „Natürlich ist mir das klar. Aber eines dürfen Sie nicht vergessen, Lionel. Jetzt, da auch meine wahre Identität gelüftet wurde bin ich mehr oder minder ein toter Mann.“ „Die einzige Hoffnung, noch ungestraft aus der Nummer rauszukommen, liegt in einer Hochzeit zwischen meinem Sohn und Amy Epiha. Aber die Maori werden ihre Meinung ganz sicher nicht ändern.“ „Dann hilft nur eins.“ „Und was?“ „Wir müssen diese Privatschnüffler quer durch die Pampa jagen. Und so zwar so lange bis wir sie in die Enge getrieben haben.“

In diesem Augenblick landete ein Hubschrauber. Ein junger Mann sprang heraus, als sich die Tür öffnete. „Nick! Solltest du nicht erst in zwei Tagen zu uns stoßen?“ „Eigentlich ja. Aber die Ereignisse haben sich überschlagen. Deswegen musste ich früher kommen.“ „Was ist passiert?“, fragte Pablo Guzman. „Die „Ocean Breeze“ liegt nicht mehr an ihrem Liegeplatz im Yachthafen von Christchurch.“ „WAS!?“ „Du hast schon richtig gehört, Dad. Moms Yacht liegt nicht mehr an ihrem Liegeplatz.“ „Seit wann?“ „Seit vier Tagen. Und keiner hat etwas gesehen oder gehört. Ich war in Moms Wohnung und habe mich dort umgesehen. Ich habe diesen Brief gefunden. Mom hat die Scheidung durchgezogen. Außerdem ist auch meine Schwester Pamela abgehauen. Auch sie ist wie vom Erdboden verschluckt.“ „Sieht wohl so aus, als ob die Ratten das sinkende Schiff verlassen haben, Señor Debrett.“ „Hast du eine Ahnung, wohin sich Corinne und Pamela abgesetzt haben könnten, Nick?“ „Leider nicht. Aber für mich wäre die logischste Erklärung, dass die beiden zu dem

Maori-Stamm geflohen sind, in den ich einheiraten will.“

„Ich glaube, dass mit der Hochzeit kannst du dir von der Backe putzen, Sohn. Die Maori werden dir Amys Hand weiterhin verweigern.“ „Und wie kommst Du darauf, Dad?“, fragte Nick. „Mahmoud ist tot. Und damit hast du dein Druckmittel verloren.“ „Dann beauftrage ich eben Kebir al Bakr.“ „Der ist auch tot.“, sagte Pablo Guzman. „Und wie?“ „Herzstillstand.“ „Einfach so?“ „Einfach so. Im Blut der beiden wurden keinerlei Rückstände von irgendwelchen chemischen Mitteln gefunden, die einen Herzstillstand auslösen.“ „Verdammt! Ich hoffe dir ist klar, dass wir allesamt verloren sind, Dad. Die Behörden werden keine Gnade mit uns kennen, wenn sie uns in die Finger kriegen.“ „Was schlägst Du vor, Nick?“ „Wir sollten zuerst Jelena Romanova und Tina Kraus ausschalten.“ „Wer ist Tina Kraus?“ „Der Rotfuchs. Im Gegensatz zu euch zwei Dumpfbacken hab ich meine Hausaufgaben gemacht. Der männliche Jungspund ist Bernd Köhler. Er und Tina Kraus sind die Nachfolger von Paul MacLain und Jelena Romanova.“ „Na toll! Das heißt, die Unterwelt wird weiterhin von zwei Privatschnüfflern tyrannisiert.“

Wir kamen gerade von einem Besuch im Dorf zurück, als Tina die „Ocean Breeze“ neben Alejandras „Elektra“ liegen sah. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte Hera. „Das heißt, dass Corinne Debrett die Reißleine gezogen hat und abgehauen ist.“ „Da ist sie.“, sagte Tina, die Corinne auf dem Achterdeck ihrer Yacht entdeckt hatte. Neben ihr stand eine 1,75 m große, 25jährige Blondine mit braunen Augen. Ihre Haare trug sie offen, sodass sie bis zu ihren prallen Brüsten reichten. Auch die sexy Beine der blonden Schönheit waren nicht zu verachten, ebenso der schlanke, sexy Körper. Das ovale Gesicht war ebenso hübsch anzusehen. Die Nase war zwar hübsch, aber etwas zu breit geraten. Auffällig war auch das Piercing am rechten Nasenloch. Bekleidet war die junge Dame mit einem roten Minikleid, schwarzen halterlosen Nylonstrümpfen im Fishnet-Look und schwarzen High Heels mit roten Absätzen.

„Jetzt bin ich aber mal gespannt, was für eine Erklärung uns diese beiden Grazien für ihr plötzliches Erscheinen auftischen wollen.“, sagte Bernd. „Mach halblang. Erinnerst Du dich noch an neulich, als wir mit Nugget und Donk im Salon auf der Elektra gesessen und über die Hintergründe des Mordes an der Königin aufgeklärt wurden?“ „Ja natürlich, großer Meister.“ „Ick würde sagen, dat Corinne Debrett die Scheidung durchjekriecht hat.“, sagte Tina. „Meinst Du?“ „Haste eene bessere Erklärung, Partner?“ „Leider nein. „Nenn es meenetwegen weibliche Intuition.“ Wir waren kaum an Bord der Elektra, da stand auch schon die junge Blondine auf der Matte. „Dürfen meine Mutter und ich an Bord kommen?“, fragte sie. „Was gibt’s denn?“ „Wir sind hier um sie zu warnen. Aber das möchten wir nicht zwischen Tür und Angel besprechen. Dazu sind die Informationen die wir haben zu heiß.“ „Und wer sind die Sie?“, fragte Jelena. „Ich bin Pamela Debrett. Und ja, Nick Debrett ist mein missratener Bruder.“

Keine 5 Minuten später saßen wir im großen Salon der „Elektra“ zusammen. „Ich habe die Scheidung von meinem Mann erreichen können. Unsere Villa in 433

Tecura Bay und die „Ocean Breeze“ wurden mir zugesprochen. Außerdem zwei Lebensversicherungen und zwei Bausparverträge.“ „Und ihr Mann?“ „Dad steht mit leeren Händen da. Er hat keinen Cent mehr in der Tasche. Vorgestern wurden seine Kreditkarten eingezogen, sein Konto wurde aufgelöst. Aber von dem Geld sieht er nicht einen Penny. Den Versicherungsgesellschaften, die er betrogen hat, wurden Anteile an seinem Vermögen zugesprochen. Fragen Sie mich bitte nicht, nach dem prozentualen Anteil, denn den weiß ich nicht. Was ich aber mit definitiver Sicherheit weiß, ist, dass Dad und Nick zusammen mit Burt Saxby eine Jagd auf uns veranstalten werden. Und sie werden nicht eher ruhen, bis keinen Ort mehr gibt, an dem wir uns verstecken können.“, sagte Pamela. „Wie sagt man so schön, Junior? Angriff ist die beste Verteidigung.“ „Lass uns die Reifen heizen und nicht mit Feuer geizen, großer Meister.“

„Nun, Miss Debrett. Es wäre vielleicht ratsam, wenn Sie und ihre Tochter im Dorf bleiben. Dort sind Sie beide in Sicherheit.“, sagte Alejandra. „Und was ist mit Ihnen?“ „Machen Sie sich um uns keine Sorgen. Wir werden mit diesen Schnarchnasen schon fertig.“ „Außerdem haben wir noch einen weiteren Vorteil.“, sagte ich. „Welchen?“ „Meine Ortskenntnis. Als ich noch beim SAS war, haben wir sechs Wochen in diesem Distrikt trainiert. Ich weiß, wo wir uns sicher bewegen können. Wenn wir zusammenbleiben, kann uns nichts passieren.“ „Wir sollten aber noch zwei Maori-Krieger mitnehmen.“, schlug Nikita vor. „An wen hast du gedacht?“ „Nugget und Donk.“ „Einverstanden.“

Nach Einbruch der Dunkelheit kehrten wir ins Dorf zurück. Nach dem Abendessen saß ich mit dem Häuptling am Lagerfeuer und sprach mit ihm. „Es ist lange her, dass Du hier warst, Paul. Damals war mein Vater noch Häuptling.“ „Damals war ich noch beim SAS.“ „Ich weiß. Du hast uns damals echt aus der Patsche geholfen, als Du und dein Bataillon diesen durchgeknallten Sprengstoffexperten aus dem Verkehr gezogen habt. Erinnerst Du dich noch an das, was mein Vater damals zu dir gesagt hat?“ „Und ob. Er sagte, dass ich was gut bei ihm hätte.“ „Und dieses Versprechen gilt auch heute noch. Wir werden dich und deine Freunde nicht im Stich lassen. Amy und Ellis werden euch noch zusätzlich begleiten.“ „Danke, Machise.“, sagte ich. „Schon Okay. Und wenn Ihr da draußen seit, passt bloß auf euch auf.“ „Das machen wir.“

Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg. Nugget und Amy bildeten die Vorhut, während Donk und Ellis die Nachhut bildeten. „Hoffentlich erreichen wir die Höhle noch vor Einbruch der Dunkelheit.“, sagte ich. „Was für eine Höhle meinst Du, Towarischtsch?“ „Es gibt ein Sumpfgebiet, in dem sich eine Höhle befindet. Ich hab seinerzeit dort eine Notunterkunft eingerichtet. Wenn wir diese Höhle erreichen, haben wir einen Vorteil. Denn im Dunkeln sieht man die Wegmarkierungen nicht, die den Pfad kennzeichnen, der durch den Sumpf zur Höhle führt.“ „Hast du den Pfad markiert?“ „Was denkst Du, Jelena?“ „So lange, wie ich schon mit dir zusammen arbeite, bin ich mir ziemlich sicher, dass du die Markierungen gesetzt hast. Du bist nämlich einer, der nichts dem Zufall überlässt. Du glaubst an eine gute Vorbereitung. Aber manchmal muss man auch mal improvisieren können.“ 434

Plötzlich blieb Amy stehen und hob ihre Hand. „Was ist?“ Die Häuptlingstochter legte einen Finger an ihre Lippen. Und dann hörte ich es auch. Es raschelte. „Da kommt jemand.“

Aus dem Sumpf erschien eine Frau. Sie war ungefähr so groß wie Amy und hatte wie die Häuptlingstochter schwarze Haare, die sie offen trug. Auffällig waren jedoch ihre stechend blauen Augen. Ihre Haut war weiß und die unbekannte Frau war an den Armen, am Hals und am oberen Ende des Brustkorbs mit verschiedenen Motiven tätowiert. Ihre Lippen waren rot geschminkt. Das ovale Gesicht war ebenfalls hübsch anzusehen. Auch die grazile Nase fügte sich harmonisch in das Gesicht ein. Auch die Oberweite konnte sich sehen lassen. Die Brüste waren nicht so üppig, wie ich es gerne mag, aber die junge Frau hatte aber auch nicht zu wenig. Genau wie Amy trug sie auf dem Kopf einen Federschmuck. Ansonsten war ihre Kleidung eher im westlichen Stil gehalten. Bekleidet war die Fremde mit einem schwarzen Kleid. Schuhe trug sie keine.

Als sie Machises Tochter erblickte umspielte ein freundschaftliches Lächeln ihre Lippen. Sie und Amy gingen aufeinander zu, bis sie einander gegenüber standen. „Amy.“, sagte die Fremde. „Makani.“ Dann umarmten sich die beiden. „Das ist Makani. Sie ist die Tochter eines befreundeten Stammeshäuptlings.“, sagte Donk. „Hilfe kann man nie genug kriegen.“ „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Kommt mit.“, sagte Makani und gab uns ein Zeichen, dass wir ihr folgen sollten. „Können wir ihr überhaupt trauen?“, fragte Bernd leise. Aber offenbar nicht leise genug, denn Makani drehte sich um und bedachte Bernd mit einem eisigen Blick. „Es hat vor kurzem geregnet. Ohne meine Hilfe findet keiner von euch die sicheren Stellen, an denen ihr euch gefahrlos bewegen könnt.“, sagte sie.

Geführt von Makani drangen wir tiefer in den Sumpf vor. „Das ist aber nicht der Pfad den du markiert hast.“, sagte Bernd leise zu mir. „Makani wird schon wissen, was sie tut.“ Schließlich erreichten wir eine kleine Hütte. „Hier werden wir die Nacht verbringen. Morgen früh werden wir zu der Höhle aufbrechen, die ihr sucht.“ Ohne das es einer von uns gemerkt hätte, hatte die Dunkelheit bereits begonnen anzubrechen. Die Sonne war bereits nicht mehr zu sehen.

Nach dem Abendessen besprachen wir noch schnell die Wacheinteilung. Bernd übernahm die erste Wache. Ich weiß nicht mehr genau wann, aber es muss so um 1:45 Uhr gewesen sein, als Makani ihn abgelöst hat. „Bis jetzt ist alles ruhig. Zu ruhig für meinen Geschmack.“ „Willst du jetzt ne Schießerei anfangen?“, fragte Makani ihn. „Nein. Aber mein Instinkt sagt mir, dass etwas nicht stimmt. Irgendetwas ist da draußen.“ „Bist du dir sicher?“ „So sicher, wie man sich nur sein kann. Immer wenn mir ein eisiger Schauer den Rücken runterläuft, ist Gefahr in Verzug. Außerdem hab ich was gehört. Es kam aus dieser Richtung.“, sagte Bernd und zeigte mit seinem Finger in nordöstliche Richtung.“ „Gut. Ich werde meine Augen offen halten. Sollte uns wirklich Gefahr drohen, wecke ich euch.“

Doch es passierte nichts mehr in dieser Nacht. Als am nächsten Morgen 435

die Sonne aufging, kam Jelena in die Hütte. Sie hatte die letzte Wache inne gehabt. „War alles ruhig?“ „Da. Aber Bernd hatte Recht mit seiner Vermutung. Wir sind nicht allein. Ich habe dasselbe Geräusch gehört wie er.“ „Was war das für ein Geräusch?“ „Es war das Geräusch eines Bootsmotors. Außerdem konnte ich ein- oder zweimal einen Suchscheinwerfer aufblitzen sehen.“ „Dann sollten wir uns vom Acker machen, sobald wir gefrühstückt haben.“

Nach dem Frühstück ging es los. Makani hatte zwei Kanus fertig gemacht. Zum Glück fiel mir ein alter Trick aus meiner SAS-Zeit ein und wir umwickelten die Paddel mit Stoff. Dann machten wir uns auf den Weg. Wir waren schon seit einiger Zeit unterwegs, als ich Schüsse hörte. „Sie haben die Hütte gefunden.“, sagte Makani. Unterdessen war Pablo Guzman im Dorf von Machise angelangt. „Wohin sind Paul MacLain und seine Freunde aufgebrochen?“, fragte er in die Runde. Doch anstatt einer Antwort begannen die Maori ihren Tanz, den Haka aufzuführen. Machise stimmte ihn an. „Ringa Pakia! Uma tiraha! Turi whatia! Hope whai ake! Waewae takahia kia kino!“, begann er.
 


 


 

Unterdessen hatten wir ein gutes Stück des Weges zur Höhle hinter uns gebracht. Jelena, Hera, Alejandra und ich saßen mit Donk und Makani im ersten Kanu, während das zweite von Bernd, Tina, Amy, Ellis, Nikita und Nugget gesteuert wurde. „Was hat Bernd eigentlich gegen mich?“, wollte Makani wissen. „Nimms ihm nicht übel. Er hat wohl geglaubt, dass wir auf dem Weg zur Höhle gehen, den ich damals markiert habe.“ „Den gibt es nicht mehr. Der Sumpf hat sich dieses Stück Land wieder zurück geholt.“ „Ist das gut oder schlecht für uns?“ „Es ist für uns ein Vorteil. Denn die bösen Buben werden keine Fußspuren von uns finden, denen sie folgen können.“ „Dann suchen sie uns halt mit Hubschraubern und Sumpfbooten.“, warf Hera ein. „In Sumpfgebieten zieht manchmal Nebel auf. Das dürfte für uns von Vorteil sein.“, sagte Jelena. „Weil den Kerlen dann die Sumpfboote nichts nutzen. 1:0 für dich, Jelena. Bleiben aber immer noch die Hubschrauber.“ „Selbst die müssen gewartet und aufgetankt werden.“ „Und irgendwann wird Lionel Debrett das Geld ausgehen.“ „Ganz genau, Cousine.“, sagte Alejandra.

Im Dorf hatten die Maori-Krieger Pablo Guzman in die Zange genommen und mit Schlägen bearbeitet. In einem Moment der Unachtsamkeit konnte der Kolumbianer entkommen. Er floh in den Sumpf, den wir nun durchquerten. An einer Landzunge verließen uns Nugget und Donk. „Was habt Ihr vor?“, fragte Tina sorgenvoll. „Wir krallen uns einen von den Bösen. Mal sehen, welcher von den Wichsern uns ins Netz geht.“ „Donk!“ „Ja, den gibt’s für Nick Debrett, wenn wir ihn kriegen.“ „Wenn Ihr ihn erwischt.“ „Haut lieber ab. Nicht dass am Ende Ihr noch an den Kanthaken genommen werdet.“

Wir setzten unseren Weg fort. Als wir hinter einer Biegung verschwanden sah Makani Rauch aufsteigen. Auch Bernd hatte es bemerkt. „Spinnen die beiden? Paul, wir müssen umkehren.“, sagte er. „Auf gar keinen Fall. Ich höre ein Sumpfboot 436

das sich nähert.“ „Ich befürchte Makani hat Recht, Partner. Ich höre das Boot auch.“ Ich konnte hören, wie das Boot langsamer wurde. „Scheint so, als ob jemand ausgestiegen ist.“ „Viel Glück, Mr. Askins.“ „Ihnen auch, Mr. Debrett. Und unterschätzen Sie Paul MacLain nicht. Der ist ein ganz gewitzter Kerl.“

Schließlich erreichten wir die Höhle. Wir stiegen aus und zogen die Kanus an Land. Danach tarnten wir sie mit Tarnnetzen und Sumpfgras, sodass sie aussahen wie Felsen. Inzwischen hatte Mr. Askins das Lager von Nugget und Donk erreicht. Doch er traf erst mal nur Nugget an. „Tachchen. Ein kühles Blondes gefällig?“, begrüßte der Maori Lionel Debretts Handlanger und hielt eine Bierdose hoch. „Wer bist Du denn?“ „Nennen Sie mich Nugget. Ich bin auf der Suche nach Tina Kraus. Sie haben sie nicht zufällig gesehen, oder?“ „Du hättest besser ne Knarre als ein Bier mitbringen sollen.“ „Nee. Ich brauch keine Knarre. Ich hab nen Donk.“ „Ha, ha, ha! Was hast Du?“ Doch plötzlich tauchte Donk hinter ihm auf und drehte ihn um. „Gestatten, Donk!“, sagte er und rammte dem verblüfften Askins die Faust ins Gesicht, und schickte ihn so ins Reich der Träume.

Unterdessen hatten wir es uns in der Höhle gemütlich gemacht. Während die Cousinen und Nikita dort blieben, erkundeten Jelena und ich zusammen mit Bernd und Tina die Gegend. Amy und Makani blieben zusammen mit Ellis in der Nähe des Wassers und hielten Ausschau nach dem Sumpfboot. Zum Glück waren wir via Headset miteinander verbunden. Schließlich hörten wir das Boot. „Makani? Paul hier! Unsere krummen Vögel kommen. Sie nähern sich aus südwestlicher Richtung.“ „Ich seh sie! Wo seid Ihr?“ „Auf einem Hügel keine 10 Minuten entfernt.“ „Gut. Bleibt erst mal dort. Wir behalten die Kerle im Auge. Wenn sie der Höhle nähern, melde ich mich.“ „Verstanden.“

Das Sumpfboot legte an und Lionel Debrett und sein Sohn stiegen aus. „Sie sind hier, Dad. Hundertpro.“ „Dann werden wir das Gelände durchsuchen. Wir fangen bei der Höhle an. Sie bleiben hier und warten, Connor.“ „Ja, Sir.“ Es knackte in meinem Headset. „Paul hörst Du mich?“, hörte ich Makanis Stimme. „Klar und deutlich. Sind Vater und Sohn auf dem Weg zur Höhle?“ „Ja. Kommt sofort her.“ „Sind schon unterwegs.“ So schnell es ging rannten wir zur Höhle zurück. Dort angekommen teilten wir uns auf und schlichen uns von beiden Seiten an die Gauner heran. Als wir nur noch 5 Meter entfernt waren, gab ich das Zeichen. „ZUGRIFF!“, sagte ich. Lionel Debrett wollte flüchten, doch Bernd Köhler war schneller und warf ihn zu Boden. Sein Sohn Nick wollte mit einer Eisenstange nach mir schlagen, Doch ein Schlag in die Magengrube raubte ihm den Angriffsschwung.

Noch am Boden liegend banden wir den beiden die Handgelenke auf dem Rücken zusammen. Unsanft zog Bernd die beiden Typen nach oben. „Los an die Wand!“ „Was erlauben Sie sich? Sie wissen wohl nicht, wen sie vor sich haben.“ „An die Wand hab ich gesagt!“, sagte Bernd und beförderte Debrett Senior und Debrett Junior an die rechte Höhlenwand. „Beine auseinander!“ „Werden Sie nicht unverschämt!“ „Halts Maul! Und jetzt die Beine auseinander!“ „Connor! HILFE!“ Doch der Skipper des Sumpfbootes rührte sich nicht, denn Nikita war hinter 437

ihm aufgetaucht und hielt ihm ihre Walther an den Kopf. „Ihr Freund Connor wird Ihnen nicht helfen können. Es sei denn, Sie legen Wert darauf, dass er von Miss Adams eine Kugel verpasst bekommt.“ „Verdammte Arschlöcher! Wenn ich aus dem Knast raus bin, mach ich euch kalt! Verlass dich drauf, Du scheiß Tommy!“, sagte Nick. „Jetzt ist aber mal Schluss. Ihr zwei Flachpfeifen seid echt der letzte Abschaum. Versicherungen im großen Stil betrügen und Arbeitsplätze und damit auch Existenzen vernichten. Und warum? Nur um Terroranschläge zu finanzieren. Mann, ich könnt kotzen!“ „Dafür werden Sie und ihre Partnerin büßen, Mr. MacLain. Dank Ihnen beiden bin ich ein ruinierter Mann.“

Wir lieferten das Vater-Sohn-Gespann bei der Polizei in Christchurch ab. „So. Da habt Ihr die beiden Rotzlutscher. Ab mit denen in die Zelle und 24 Stunden Bewachung.“

Schon am nächsten Tag machte den beiden den Prozess. Dieser dauerte ganze vier Tage, ehe das Urteil gesprochen. Lionel Debrett wurde zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Sein Sohn bekam das gleiche Strafmaß aufgebrummt. Für uns war der Fall erledigt. Die Versicherungsgesellschaft überwies uns das vereinbarte Honorar. Und dieselbe Summe auch an Bernd und Tina.

Den Fall ließen wir auf Kreta ausklingen. Dieses Mal waren auch Nikita, sowie Amy, Ellis und Makani anwesend. „Und Du willst wirklich deine Detektei aufgeben?“, wollte Ellis wissen. „Weißt Du, Ellis, ich werde langsam zu alt für diesen Scheiß. Außerdem ist unser Büro in den besten Händen. Bernd und Tina sind würdig unsere Nachfolge anzutreten.“ „Danke, großer Meister, dass Du an uns glaubst.“ „Ihr schafft das schon. Aber eins müsst Ihr uns versprechen.“ „Alles.“ „Beschäftigt Brit weiter.“ „Hätten wir sowieso gemacht.“ „Dann bin ich ja beruhigt.“

„Was ist eigentlich aus Pablo Guzman geworden, Onkel Paul?“, fragte Camille. „Ich nehme an, dass er tot ist.“ „Was soll das denn schon wieder heißen?“ „Man hat seine Leiche nicht gefunden. Von Guzman fehlt jede Spur. Es deutet aber auch nichts darauf hin, dass er aus dem Sumpf lebend rausgekommen ist. Er ist wie vom Erdboden verschluckt.“, sagte Makani. „Und sollte der Sumpf ihn verschlungen haben, macht das auch nichts. Er bekam, was er verdiente.“ 438

Epilog

Epilog

Es war Mitte September. Der letzte Fall von Jelena und mir lag genau 4 Tage zurück. Am Sonntag, den 13.09.2020, waren wir aus Kreta zurückgekehrt. Am Montag hatten meine Partnerin und ich Bernd und Tina die Schlüssel zu unserer Detektei übergeben. Danach hatte ich beim Standesamt in Frankfurt den Termin für meine und Kellys Hochzeit vereinbart. Von meinem verdient Geld hatte ich das Haus in Malinska gekauft, in dem Jelena und ich während unseres Kroatien-Aufenthalts gewohnt hatten. Jelena hatte sich auch ein Haus in Malinska gekauft, das direkt neben unserem lag.

Am Mittwoch, den 16.09.2020, wurde der schönste Tag in meinem und Kellys Leben dann Wirklichkeit. Meine Verlobte hatte, während Jelena und ich mit Bernd und Tina bei den Kiwis weilten, zusammen mit meiner Schwester Samantha und Jelenas Lebensgefährtin Anastasia ihr Brautkleid gekauft. Den Abend vor der Trauung verbrachten wir getrennt. Denn es bringt Unglück, wenn sich das Brautpaar die Nacht vor der Trauung gemeinsam verbringt. Kelly war deshalb zu Jelena und Anastasia gegangen und hatte dort übernachtet. Giovanni, der Betreiber der Werkstatt, in der ich meinen alten Opel restauriert hatte, hatte für diesen Tag extra einen Oldie aus seiner Privatsammlung reaktiviert. Es handelte sich um einen Mercedes 280 SE 3.5 aus der werksinternen Serie W111, die von November 1969 bis Juli 1971 in 1.232 Exemplaren gebaut worden war. Bei diesem Exemplar, es handelte sich um die Cabrio-Variante des W111, handelte es um den zuletzt gebauten Wagen dieser Baureihe.

Der Benz hatte den großen V8 Motor mit 200 PS. Der Wagen hatte Doppelscheinwerfer vorn und war in dunkelbordeauxrot metallic lackiert. Dazu kam ein weinrotes Stoffverdeck. Die Sitze waren mit cremefarbenem Alcantara-Leder bezogen. Kelly und ich warteten vor dem Haus, als der gutmütige Italiener mit dem Benz vorfuhr. Meine zukünftige Ehefrau staunte nicht schlecht, als dieses schicke Luxuscabrio sah. „Ey Ragazzi! Wollt Ihr hier Wurzeln schlagen oder was?“, sagte Giovanni gut gelaunt. Ich ging um den Wagen herum, und öffnete Kelly die Tür. Auch beim Einsteigen war ich ihr behilflich. Als auch ich meinen Platz eingenommen hatte, alle Türen zu waren, und Kelly und ich uns angeschnallt hatten fuhr Giovanni los.

Um 10:20 Uhr fuhren wir vor dem Standesamt vor. Alle unsere Freunde waren anwesend. Jelena, Anastasia, Bernd und Tina, Brit sowie Alejandra und Hera. Auch von unseren ehemaligen Klienten und Klientinnen waren einige gekommen. So waren Lorena West, Marlena Brunner, Valeria Zubriggen, sowie Renee Van der Built zu entdecken. Natürlich war auch Kattie gekommen.

Ich half Kelly gerade beim Aussteigen, als ein Taxi hinter unserem Hochzeitsauto stoppte. Ich nahm an, dass noch ein zweites Pärchen heiraten wollte. Doch als ich Amy Epiha und ihre Freundin Makani aussteigen sah, war ich gerührt. Auch Jelena standen die Tränen in den Augen. „Schön, dass Ihr gekommen seid.“, sagte ich. „Wir wären eigentlich heute anderweitig verplant gewesen, Paul. Amys Vater heiratet 439

heute nämlich auch.“ „Sag ihm liebe Grüße und Paul und ich wünsche ihm und Corinne alles Gute.“, sagte Jelena. „Mach ich. Machise wird sich später noch in einer Videoschalte live melden, und euch beiden gratulieren.“ Bernd sah auf seine Uhr. „Wir haben nicht mehr viel Zeit, großer Meister.“, sagte er. „Reichts noch für ein Bild?“ „Die Zeit reicht auch für zwei Bilder.“ Nachdem alle sich zum Gruppenfoto aufgestellt hatten, machte der Taxifahrer mit Kellys Smartphone zwei Bilder ehe er meiner zukünftigen Ehefrau das Gerät zurückgab.

Danach gingen wir in den Saal, der von der Stadtverwaltung für unsere Hochzeit reserviert worden war. Es war ein großer lichtdurchfluteter Raum mit vielen großzügig angelegten Fenstern. Der Standesbeamte wartete schon. Ich selbst stand auch schon vor dem Altar, als Makani noch einmal zu mir kam. „Aufgeregt?“, fragte sie. „Ein bisschen. Aber wer ist das nicht in so einem Moment?“ „Herrje! Deine Krawatte ist ja total schief gebunden. Was soll denn Kelly von dir denken?“ „Krawatte binden, war noch nie meine Stärke.“

Dann kam Kelly zum Altar. Roberto Escobar, einer von Alejandras Leibwächtern führte sie. Kelly trug ein schulterfreies eng anliegendes rotes Kleid mit Diamantschnalle und rote Schuhe mit flachen Absätzen. In der Hand hielt sie einen Strauß mit dunkelroten Rosen.

Nachdem der Standesbeamte seine Traurede gehalten hatte richtete er zuerst das Wort an mich. „Paul MacLain. Willst du die neben dir stehende Kelly Ling zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen? Willst du sie lieben, sie ehren und behüten? Willst du allen anderen Frauen entsagen und nur ihr gehören, solange ihr beide miteinander leben werdet? Dann antworte mit „Ja“.“ „Ja, das will ich.“ „Und willst du, Kelly Ling, Paul MacLain zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen? Dann antworte mit „Ja“.“ „Ja, ich will.“, sagte Kelly. „Dann erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau.“

Am Samstag war dann die kirchliche Trauung. Wie schon am Mittwoch wurden wir von Giovanni mit dem Mercedes abgeholt. Bei der kirchlichen Trauung war dann noch Nikita anwesend. Bei der standesamtlichen hatte sie leider gefehlt, da sie zu diesem Zeitpunkt den medizinischen Test für MI6-Agenten im Außendienst absolvieren musste. An diesem Samstag trug Nikita ein dunkelblaues, eng anliegendes, schulterfreies Kleid, das im oberen Bereich mit Pailletten verziert war und weiße Schuhe mit flachen Absätzen. Dazu trug sie Handschuhe, die über die Unterarme reichten.

„Du siehst fabelhaft aus, Nikita.“, sagte ich. „Danke für das Kompliment.“ Dann standen Kelly und ich vor dem Pastor und dieser hielt seine Traurede. Als er geendet hatte fragte er erst mich, ob ich Kelly zu meiner Frau nehmen wollte, was ich bejahte. Danach war Kelly dran. Auch sie sagte „JA“. „Dann erkläre ich euch im Angesicht Gottes hiermit zu Mann und Frau.“, sagte der Pastor.

Später am Abend holten Kelly und ich unsere Hochzeitsfeier nach. Wir hatten den Leiter des Frankfurter Zoos gefragt ob er sich bereit erklären würde, uns den 440

ab 18:00 Uhr zur Verfügung zu stellen. Wir hatten Glück und konnten bei strahlendem Sonnenschein noch draußen feiern. Ein Catering-Service lieferte das Essen.

13 Jahre ist das jetzt her, dass Jelena und ich den Bossen der Unterwelt im wahrsten Sinne die Hölle heiß gemacht haben. Bernd und Tina haben auch schon eine erstaunliche Erfolgsbilanz vorzuweisen. So haben sie beispielsweise einen Kinderpornoring in Eschborn ausgehoben und zerschlagen. Sogar eine Fake-Detektei haben die beiden hochgehen lassen. Ihr jüngster Triumph ist ein vernichtender Schlag gegen einen Schmugglerring, der auf Diamanten spezialisiert ist. Jelena und ich haben noch am gleichen Tag in unserer ehemaligen Detektei angerufen und den beiden zu ihrem letzten Coup gratuliert. „Danke, großer Meister. Ein Lob von dir ist ein Ritterschlag für uns.“, hatte Bernd gesagt. „Warum kommt Ihr zwei nicht runter nach Malinska und besucht uns? Dann können wir euren Erfolg würdig feiern.“

Jetzt sitze ich auf der Terrasse unseres Hauses und sehe hinaus auf das Meer, in dessen Wasser sich das Licht der untergehenden Sonne spiegelt. Um 20:30 Uhr kommen Jelena und Anastasia zum Abendessen rüber. Bernd und Tina sind schon da und unterstützen Kelly in der Küche.

Ihr werdet mich bestimmt fragen, ob ich es bereue, dass ich Privatdetektiv geworden bin. Ich bereue es nicht. Und würde man mich heute vor die Wahl stellen, ich würde alles genauso machen wie 2017. Nur mit dem Unterschied, dass ich mich gleich für Jelena als Juniorpartnerin entscheiden würde. Meine kleine Russin. 441



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