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Perfekt

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Kapitel 30

Kapitel 30
 

Am Mittwoch musste sich Severus eingestehen, dass Hippocrates Recht hatte und dass es eine absolut beschissene Idee war, wieder arbeiten zu gehen. Er konnte sich kaum noch aufrecht halten, jede Bewegung schmerzte, eigentlich schmerzte es auch wenn er sich nicht bewegte. Er hatte seit Tagen nicht mehr richtig geschlafen, die Momente wo er vor Erschöpfung für ein paar Minuten eingeschlafen war, zählten nicht. Er hatte heute schon den Zauber weg gelassen aber seine Muskeln und Sehnen bestanden scheinbar nur noch aus schmerzhaften Knoten. Fluchend ließ er sich aufs Sofa fallen, er hatte zum Abendessen kaum etwas runter bekommen und hatte jetzt, zusätzlich zu den Schmerzen, auch noch Hunger. Was für ein tolles Leben.

Kurz hatte er überlegt ob er doch zu Hippocrates gehen sollte wegen der Massagen aber sein Stolz hielt ihn davon ab und so litt er lieber leise und alleine vor sich hin. Harry wollte er mit seinen Problemen auch nicht belästigen denn der sollte sich auf seine Ausbildung konzentrieren. Severus erinnerte sich an seine erste Zeit in Salem, alles neu, alles aufregend und vor allem alles sehr stressig. Da brauchte Harry nicht noch eine krüppeligen Freund, der ihn mit seinen Schwächen nervte. Freund. Noch immer konnte er nicht glauben, dass sie es wirklich als Paar versuchen wollten. Trotz seiner Probleme und seines Charakters. Severus wollte den Kopf schütteln, unterbrach es aber sofort als der Schmerz wie ein Blitz sein Rückgrat entlang schoss. Er würde einfach hier sitzen bleiben und hoffen, dass er es nachher irgendwie ins Bett schaffte.
 

Harry stolperte mehr schlecht als recht aus dem Kamin, unterdrückte einen Hustenanfall und sah sich um, wieso war es hier so dunkel? Es war gerade mal neun, Severus konnte noch nicht im Bett sein. „Lumos“, flüsterte er. Der Zauber sprang von seiner Zauberstabspitze auf die magischen Lampen, die an den Wänden befestigt waren. Und zeigten Harry, dass er wirklich allein im Wohnzimmer von Severus stand. Severus hatte ihm das Passwort für seine privaten Räume in Hogwarts gegeben, eigentlich nur für Notfälle aber Harry war sich sicher, dass es ein Notfall war. Er ging schnell ins Arbeitszimmer, fand es aber auch verlassen vor also wandte er sich zum Schlafzimmer und hier wurde er fündig.
 

Leise schlich er ins Schlafzimmer, Severus schlief aber irgendwie sah er nicht sehr entspannt aus. Die Gesichtszüge waren hart, verspannt und er lag auch sehr verkrampft da. Harry schüttelte den Kopf und ging ins Bad, der Kerl war wirklich so stur wie Hippocrates gesagt hatte. Nein, er konnte seinen Stolz nicht runter schlucken und zu den Massagen gehen, da litt er lieber unter seinen Schmerzen. Er ließ ein Bad ein, zusammen mit den Kräuteressenzen, die ihm Isabella mitgegeben hatte. Dann ging er zurück ins Schlafzimmer, setzte sich auf die Bettkante und sagte, „Severus, wach auf.“

Fast sofort schlug Severus die Augen auf und sah ihn fragend und etwas überrascht an.

„Keine Antwort?“, fragte Harry.

Kopfschütteln.

„Gut, dann nimmst du wenigstens in deiner Freizeit keine sinnlosen Tränke. Ich habe dir ein Bad eingelassen und du wirst dich jetzt ohne Widerworte oder Flüche in die Wanne begeben. Dann klären wir welche Stellen deines Körper am meisten weh tun und das auch ohne Widerworte oder Flüche. Und dann wirst du dich von mir massieren lassen“, erklärte Harry in einem Ton, den Severus noch nie bei ihm gehört hatte.

Eine Augenbraue wanderte langsam nach oben doch schließlich nickte er und versuchte sich langsam hoch zu stemmen. Harry griff ihm schnell unter die Arme und half ihm ins Bad. Er konnte allerdings nicht verhindern, dass Severus seinen Zauberstab mitnahm.
 

„Ich kann mich alleine ausziehen also raus!“

„Aber...“

„Ich bin ohne Widerworte ins Bad und gehe auch ohne Widerworte in die Wanne. Vom Ausziehen war keine Rede also raus.“

Harry starrte die Worte an und sagte, „das ist Haarspalterei.“

„Dann drück dich halt beim nächsten Mal genauer aus. Harry, ich kann mich selbst ausziehen.“

„Okay, aber du meldest dich wenn du fertig bist. Das Anziehen kannst du dir bis auf die Unterhose sparen.“

„Bitte? Ich habe mich gerade verhört, oder?“

„Nein, hast du nicht. Ich will dich massieren und habe ein Öl von Hippocrates dazu bekommen. Das Öl funktioniert nicht wenn du angezogen bist, deine Kleidung ist nicht verkrampft. Also stell dich nicht so an“, sagte Harry ernst.

Er wusste genau warum Severus sich so anstellte, er schämte sich für seinen Körper und wollte sich vor Harry nicht halb nackt zeigen. Doch langsam war Harry der Meinung, dass er diese Komplexe langsam überwinden musste. Er wollte sich schließlich nicht immer nur an seine Schlafklamotten kuscheln sondern auch mal nackte Haut unter den Fingern haben. In Severus' Gesicht arbeitete es doch schließlich nickte er.

„Raus mit dir, ich komme dann rüber.“

Damit war Harry zufrieden, er gab ihm noch einen Kuss und verließ dann das Bad. Severus seufzte kurz, zog sich aber dann aus und stieg vorsichtig in die Wanne. Er konnte sich ein erleichtertes Stöhnen nicht verkneifen, was auch immer Harry ins Wasser getan hatte, es wirkte. Wenn er sich etwas konzentrierte, könnte er wahrscheinlich die Inhaltsstoffe heraus riechen aber dazu hatte er keine Lust. Also schloss er die Augen, lehnte den Kopf an den Rand und genoss.
 

Nach einer knappen halben Stunde tauchte Severus wieder im Schlafzimmer auf, allerdings nicht wie von Harry gewünscht nur in Unterhose sondern in seiner normalen Schlafhose und mit freiem Oberkörper. Noch bevor Harry protestieren konnte, schrieb er, „Ich diskutiere nicht über meine Hose. Die bleibt da wo sie ist, meinen Beinen geht es gut.“

„Da hat Hippocrates was anderes gesagt.“

„Wer hat die Schmerzen? Er oder ich? Ich werde ja wohl wissen wo es am meisten weh tut, oder?“

Die Schrift war abgehakt und zornig. Harry verstand, dass er sich auf einer sehr dünnen Grenze bewegte und beschloss, sein Glück nicht zu strapazieren. „Leg dich hin. Wo ist der größte Schmerz?“, fragte er mit einem Deut auf die Liege, die er aus dem St. Mungo mitnehmen durfte.

„Der komplette Rücken.“

„Das war einfach“, murmelte Harry während er beobachtete wie sich Severus langsam auf die Liege legte. Es war ihm anzusehen, dass er scheinbar furchtbare Schmerzen hatte. Harry atmete tief durch, er war nervös denn er wollte nichts falsch machen.

„Du musst nicht wenn es dir zuwider ist.“

„Idiot. Ich bin nervös, ich hatte nur drei Tage um die Griffe zu lernen und ich weiß, wie schnell du mit dem Zauberstab bist wenn dir jemand Schmerzen zufügt“, knurrte Harry.

„Seit wann stehen Massagen gleich am Anfang auf dem Unterrichtsplan eines Heilers?“

„Seit besagter Heiler mit dem Schrecken des St. Mungos zusammen ist. Hippocrates muss wohl mit Isabella geredet haben und als ich am Montag im St. Mungo aufgetaucht bin, hat sie mich gleich zu den Masseuren geschickt. Da habe ich die letzten drei Tage verbracht und ich denke, ich kann dir zumindest etwas helfen“, erklärte Harry während er an die Liege trat und das Öl zur Hand nahm. „Du könntest nicht zufällig den Zauberstab weg tun, oder?“, fragte er.

Severus sah ihn von der Seite her an, seufzte dann und warf den Stab aufs Bett. Harry starrte das Stück Holz einen Moment an und sagte dann schlicht, „Danke.“

„Pfft.“

Jetzt grinste Harry und nahm sich etwas von dem Öl, es war durch einen Zauber schon angewärmt und dennoch zögerte er einen Moment. Er wollte Severus nicht weh tun. Als er allerdings dessen Blick auf sich spürte, überwand er seine Angst und fing an.
 

In den ersten Minuten waren Beide völlig verkrampft, Severus vor Schmerzen und Harry vor Unsicherheit.

„Ich möchte dir nicht mehr weh tun als ich sowieso schon tu. Kannst du dich irgendwie bemerkbar machen wenn es unerträglich wird? Möglichst ohne mich zu verfluchen“, bat Harry leise.

Er bekam ein Nicken, was dazu spürte, dass sich zumindest Harry etwas entspannte. Zwar war er sich nicht sicher wie sich Severus bemerkbar machen würde aber er hoffte, dass es für ihn schmerzlos war. Nur wenige Sekunden später, als er gerade in Richtung linkes Schulterblatt massierte, wurde ihm demonstriert, dass Severus keine Worte zur Kommunikation brauchte, er knurrte ihn einfach an.

„Ok, das versteh ich“, lachte Harry und massierte an dieser Stelle etwas sanfter.

Nach ein paar Minuten testete er ob er wieder etwas mehr Kraft aufbringen konnte und wurde wieder angeknurrt. Zusätzlich wandte Severus den Kopf um ihm einen warnenden Blick zuzuwerfen.

„Also lassen wir die Stelle?“, fragte Harry.

Nicken.

Ohne weitere Worte wandte sich Harry der nächsten Stelle zu und so arbeiteten sie sich über Severus' Rücken.

Am Anfang war sich Severus nicht sicher gewesen ob diese Massage eine gute Idee war. Er hatte einfach zu viele schlechte Erfahrungen gemacht, denn viele Masseure übergingen sein, „ich habe Schmerzen“, einfach und machten unbeirrt weiter. Harry wäre nicht der Erste gewesen, den er bei der Massage verflucht hätte aber scheinbar hatte sein Freund doch mehr Verständnis als er gedacht hatte. Nachdem er bewiesen hatte, dass er auf Severus' Warnungen reagierte, konnte er sich auch langsam entspannen. Langsam zeigte die Massage Wirkung, er konnte förmlich fühlen wie sich die hartnäckigen Knoten in seinem Körper langsam auflösten. Er hoffte wirklich, dass er diese Nacht schlafen konnte.
 

Nach knapp fünfzehn Minuten musste Harry sich allerdings eingestehen, dass er die Massage unterschätzt hatte denn seine Hände taten höllisch weh und durch die ungewohnte Haltung verkrampfte sich langsam sein Rücken. Doch er wollte unbedingt durchhalten. Severus schien das anders zu sehen denn er richtete sich langsam auf.

„Ich bin noch nicht fertig“, sagte Harry schnell.

Der Zauberstab flog zu Severus und er schrieb, „deine Hände sind schon völlig verkrampft, lass es für heute gut sein.“

„Wie fühlst du dich? Ich hoffe, ich habe es nicht schlimmer gemacht.“

„Nein, es geht.“

„Das klingt nicht sehr positiv“, sagte Harry traurig.

„Ich werde wohl die Nacht wieder schlafen können. Du kannst also gehen.“

„Ich dachte eigentlich daran bei dir zu schlafen. Gestern bin ich in der Küche aufgewacht.“

Severus musste sich ein Grinsen verkneifen, nickte aber und stand langsam auf. „Dann ab ins Bett. Wann musst du zurück sein?“

„Ich kann noch mit frühstücken, wenn es geht aber nicht in der großen Halle.“

„Wir können hier frühstücken, kein Problem.“

Harry lächelte und wischte sich die Hände an einem Tuch ab. Danach säuberte er noch die Liege, denn etwas Öl war doch auf das Leder getropft und Isabella würde ihn einen Kopf kürzer machen wenn er die Liege dreckig zurück brachte. Noch schnell ein Schrumpfzauber und schon konnte er sie wieder in seine Tasche stecken. Erst dann wandte er sich Severus zu, der auf seiner Bettkante saß und ihn ansah. Ein Wink und er hatte seinen normalen, dünnen Pullover, den er zum schlafen trug, in der Hand.

„Wegen mir musst du dich nicht anziehen“, sagte Harry schnell, diese Chance wollte er schließlich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Vor allem weil ihm sonst wieder der Mut fehlen würde.

Severus musterte ihn einen Moment bevor er schrieb, „gleiches Recht für Beide. Entweder oder.“

Harry verstand und zauberte sich kurzerhand in seine Pyjamahose, das Oberteil ließ er weg. Doch dann zögerte er, Severus' Blick änderte sich sofort und noch bevor Harry etwas sagen konnte, hatte er den Pullover doch angezogen. Harry wusste im ersten Moment nicht ob er sich oder ihn verfluchen sollte. Er war feige gewesen und Severus hatte wieder mit Rückzug reagiert.

„Wenn du hier schlafen willst, komm ins Bett.“

Diesmal zögerte Harry nicht, er durchquerte den Raum, zauberte Severus' Pullover wieder weg und rutschte schließlich unter die Decke. Er konnte Severus nicht ansehen, spürte aber dessen Blick auf sich ruhen bevor er auch unter die Decke kam.

Ohne weiteres Zögern rutschte Harry an ihn ran, stützte sich auf einen Ellenbogen und musterte ihn, Severus ließ ihn. In seiner Nervosität hatte Harry vorhin keinen Blick für ihn gehabt, er hatte sich nur Sorgen gemacht, dass er die Massage richtig hinbekommen würde. Doch jetzt fiel ihm auf wie dünn Severus eigentlich war, viel zu dünn. Die Haut sah auch nicht gesund aus, blass, teils sogar wässrig und von unzähligen kleinen und größeren Narben überzogen. Sein Blick ging automatisch zu seinem Hals, er hatte von der Narbe von Naginis Biss bis jetzt nur die Ränder gesehen. Dick, wulstig, mehrfach geteilt, in einem hässlichen Dunkelrot, einfach entstellend und unglaublich hässlich.

Er musterte sie kurz, es war eigentlich ein Weltwunder, dass er den Biss überhaupt überlebt hatte. Sein Blick ging weiter, zum linken Unterarm von Severus, den er auf den Bauch gelegt hatte. Das Dunkle Mal. Er sah es nicht zum ersten Mal aber egal wie oft er es sah, es verursachte einen kalten Schauer, der ihm langsam über den Rücken kroch. Langsam streckte er die Hand aus, Severus hielt ihn nicht auf als er mit den Fingerspitzen über die dunklen Linien fuhr. Noch immer glaubte er die dunkle Magie von Voldemort darin zu spüren aber das war nur Einbildung, es war einfach nur noch ein extrem hässliches Tattoo.

„Es ist hässlich“, sagte Harry abwesend.

„Dann passt es ja zu mir.“

„Idiot.“

„Danke. Willst du noch hier schlafen?“

Harry hob den Kopf um ihn anzusehen, Severus war auf eine Ablehnung gefasst.

„Natürlich. Ich werde in Zukunft unter der Woche hier schlafen. Für mich ist das Flohen kein Problem und für meine Ausbildung ist es egal wo ich lerne. Für meinen Rücken ist es allerdings sehr viel erholsamer wenn ich in einem Bett schlafe“, erklärte Harry, der es sich jetzt neben Severus bequem machte.

Das Gefühl von nackter Haut an nackter Haut war im ersten Moment seltsam, warm, weich aber auch fremd und ungewohnt aber nicht schlecht. Ganz und gar nicht schlecht. Mit einem zufriedenen Seufzen entspannte sich Harry, ein Arm wanderte auf Severus' Bauch und blieb dort neben dessen Arm liegen, die Hand direkt auf dem dunklen Mal.

„Gute Nacht.“

„Ebenfalls. Und wenn ich zu schwer werde, mach dich bemerkbar.“

„Ich schubs dich dann einfach aus dem Bett.“

Harry lachte leise, kuschelte sich enger an ihn und schloss die Augen. Er war sehr zuversichtlich, dass er heute im Bett bleiben würde und nicht wieder umher wandern würde.

Das Gefühl war viel zu lange her, stellte Severus in diesem Moment fest. Der warme Atem, der ihm über die nackte Brust streifte, verursachte ihm jedes Mal eine Gänsehaut. Wie sollte er da bitte schön schlafen? Aber um nichts in der Welt würde er es ändern wollen denn es fühlte sich einfach herrlich an. Wenn es nur mehr geben könnte. Wieder verfluchte er seine körperlichen Schwächen aber er konnte es nicht ändern, er konnte Harry nur das geben, was er hatte. Er musste hoffen, dass es genug war. Vorläufig schien es für Harry genug zu sein und er konnte nur hoffen, dass es so blieb. Mit diesem Gedanken schloss Severus die Augen, blendete die Schmerzen so weit es ging aus und versuchte zu schlafen.
 

Harry wachte am nächsten Morgen auf weil ihm kalt war. Verwundert schlug er die Augen auf und sah sich um, er war alleine. „Severus?“ Ein Geräusch kam aus dem Bad und kurz darauf erschien Schrift auf der Badtür.

„Alles in Ordnung.“

„Kommst du wieder ins Bett oder kann ich aufstehen?“, rief Harry, der mit Schrecken festgestellt hatte, dass es gerade mal kurz vor halb sechs war. Damit hatte er noch fast drei Stunden bis er im St. Mungo sein musste, sein Tag begann um halb neun und wann Severus anfing, blieb ihm überlassen, er hatte ja keinen Unterricht mehr.

„Schlaf weiter, ich bleibe auf.“

„Was ist los?“, fragte Harry alarmiert.

Die Badtür öffnete sich und Severus humpelte ins Zimmer, er musste sich schwer an der Wand abstützen. Seufzend erhob sich Harry, ging zu ihm und half ihm zurück ins Bett.

„Hast du Schmerzen?“

Nicken.

„Stark?“

Nicken.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“

Wieder ein Nicken. Sie hatten das Bett erreicht und Severus ließ sich vorsichtig darauf nieder.

„Was denn? Soll ich dir was holen? Brauchst du was?“, fragte Harry.

Statt einer Antwort legte sich Severus hin und zog ihn einfach mit sich. Es dauerte einen Moment bis Harry verstand und es sich an ihm bequem machte.

„Das soll helfen?“, fragte zweifelnd.

„Es macht die Schmerzen erträglicher.“

„Machst du die Übungen eigentlich noch?“

„Nein. Das geht nicht allein und das weißt du auch.“

„Dann könnten wir wieder damit anfangen wenn ich eh hier bin. Zumindest so weit es dir möglich ist“, schlug Harry vorsichtig vor. Er rechnete nicht wirklich mit einer positiven Antwort doch Severus schrieb.

„Lass uns noch eine Stunde hier liegen, dann machen wir ein paar Übungen und dann frühstücken wir. Einverstanden?“

„Ja, sogar sehr.“ Damit legte er den Kopf wieder an Severus' Brust und schloss die Augen, er döste langsam wieder weg.
 

Die Tage pendelten sich langsam ein auch wenn es Severus mehr als unangenehm war. Er hatte die Hoffnung gehabt, dass er seine Schwäche unter der Woche vor Harry verstecken konnte aber da dieser kurzerhand bei ihm in Hogwarts eingezogen war, ging das natürlich nicht. Ihm war es furchtbar peinlich aber Harry schien es entweder nicht zu sehen oder es störte ihn wirklich nicht. Das Letztere konnte Severus allerdings nicht glauben. Auch wenn er das Harry gegenüber nie zugeben würde, er vermutete aber, dass der es genau wusste.
 

„Schluss“, keuchte Severus.

Harry sah ihn überrascht an, nickte aber dann und streckte sein Bein langsam wieder aus. „Noch einmal?“, fragte er sicherheitshalber.

„Nein, Schluss. Ich kann nicht mehr.“

Diesmal fragte Harry nicht nach, sie waren mittlerweile an einem Punkt angekommen wo er respektierte, wenn Severus Schluss sagte. Denn er wusste wie schwer es Severus fiel, zuzugeben, dass er am Ende war.

„Soll ich dir ein Bad einlassen?“

„Nein, ich geh nur schnell duschen.“

„Dann eine Massage danach“, schlug Harry vor.

Severus nickte nur während er sich erhob und ins Bad ging. Harry runzelte die Stirn, sein Freund humpelte wieder stärker als gestern. Er würde ihn darauf ansprechen, nach der Massage, wenn er entspannter war. Denn noch immer war Severus sehr schnell mit dem Zauberstab.
 

„Hältst du dich eigentlich noch an die Diät?“, fragte Harry während er einen besonders hartnäckigen Knoten in der linken Schulter bearbeitete, natürlich sehr sanft denn sonst würde er nur wieder angeknurrt werden.

„Natürlich, diese verfluchten Hauselfen setzen mir ja nichts anderes vor“, murrte Severus, „Fino muss mit ihnen geredet haben.“

„Nimmst du noch deine Tränke?“, fragte Harry weiter.

„Ja, alle Notwendigen. Was soll die Fragerei?“

„Du humpelst stärker als gestern. Hast du stärkere Schmerzen?“

„Nicht mehr als sonst. Ich hatte den Zauber allerdings die ganze Nacht über auf mir“, erklärte Severus.

Harry stockte kurz und fragte, „wieso?“

„Weil es sinnvoller ist.“

„Aber dein Körper entspannt sich doch Nachts. Das braucht er doch, oder?“, fragte Harry überrascht.

„Vor allem geht mein Körper wieder in die Schieflage und das tut mehr weh als der Zauber. Wenn ich ihn drauf lasse, ist mein Körper gezwungen die richtige Haltung aufrecht zu halten und so gewöhnt er sich schneller daran“, murmelte Severus, „weiter rechts.“

Gehorsam wanderten Harrys Hände weiter nach rechts und machten sich daran langsam die Wirbelsäule runter zu massieren. Mittlerweile konnte er es sogar richtig gut. Was er hauptsächlich Isabella zu verdanken hatte denn sie schickte ihn jeden Tag nach dem Unterricht und den Lehrstunden noch eine Stunde zu den Masseuren. Dort lernte er neue Griffe, übte die Alten und trainierte seine Hände damit er länger durchhielt. Natürlich probierte er jeden neuen Griff noch am selben Tag an seinem Freund aus.

„Ist das gesund?“, fragte er schließlich.

„Keine Ahnung, wer von uns will denn Heiler werden?“, gab Severus schon im Halbschlaf zurück. Auch wenn er es nie zugeben würde aber diese allabendlichen Massagen wirkten sich sehr positiv auf seinen körperlichen Zustand aus. Die extremen Schmerzen blieben weg, er konnte wesentlich besser laufen und sich allgemein bewegen und er schlief auch besser.

„Also soll ich morgen einfach mal fragen?“

„Wenn du die Antwort wissen willst, dann ja. Genug für heute, lass uns schlafen gehen“, schlug Severus vor.

„Gute Idee.“

Schnell waren die Sachen weggeräumt, Harry hatte sich längst eine eigene Massageliege gekauft und noch schneller lagen sie zusammen unter der Decke.

Als sich Harry allerdings wie immer an ihn kuscheln wollte, wurde er weggeschoben. „Hey, was soll das?“

„Umdrehen, sofort!“

Etwas verwundert und auch erschrocken über den barschen Ton drehte sich Harry unsicher um, nur um dann zu grinsen. Severus war an ihn ran gerutscht und kuschelte sich an seinen Rücken. Warum konnte der Kerl nicht einfach mal etwas nett sagen? Nein, er knurrte einen lieber an.

„Gute Nacht, Severus.“

„Hm.“

Harry schüttelte innerlich den Kopf, legte dann die Hände auf die Arme, die um seinen Bauch lagen und kuschelte sich eng an ihn. Das hier war eigentlich auch toll, warum lagen sie nicht öfters so? Ach ja, weil Severus sich dann eine Schwäche eingestehen müsste denn ein Severus Snape kuschelte ja nicht. Manchmal war er echt schwierig.
 

Müde und erschöpft machte sich Harry auf den Weg in die Station für Verletzungen durch Tierwesen, er wollte eigentlich nur noch nach Hause aber er musste noch mit Hippocrates reden. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es gesund war wenn Severus diesen Zauber zur Körperkorrigierung vierundzwanzig Stunden am Tag auf sich trug. Da er Hippocrates nicht in seinem Büro vorfand, fragte er sich kurzerhand durch. Er hatte keine Lust ihn ewig zu suchen.
 

„Harry, was willst du denn hier? Hast du bei Isabella nicht genug zu tun?“, fragte Hippocrates. Er war gerade aus dem Zimmer eines Patienten gekommen und war förmlich in Harry rein gelaufen.

„Ich muss mit dir reden.“

„Albus oder Severus?“

„Severus. Von Albus habe ich erst gestern den Bericht von Oliver bekommen“, sagte Harry, „auch wenn es mir schwer fällt aber für meinen Sohn kann ich momentan nichts tun. Er hasst mich mehr denn je und wird wahrscheinlich nie wieder mit mir reden.“

Der Heiler nickte und fragte, „was hat der Grinch jetzt wieder gemacht?“

Harry konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, Hippocrates und Severus waren so etwas wie Freunde und das war halt seine Art um es zu zeigen. Er sorgte sich um Severus, auch wenn er eine seltsame Art hatte um das auszudrücken.

„Eigentlich ist er momentan brav, er hält sich peinlich genau an alle Anordnungen. Ich bin aus eigenem Antrieb hier. Er löst den Korrigierungszauber nicht auf, er lässt ihn immer auf sich und ich wollte dich fragen ob das gesund für ihn ist?“, erklärte Harry.

„Tag und Nacht?“

„Ja.“

„Hm, das hatte ich befürchtet.“

„Ist es gesundheitsschädlich?“

Hippocrates schüttelte den Kopf und erklärte, „nicht wirklich. Lass mich raten, er hat gesagt, dass die Schmerzen dann Nachts nicht so schlimm sind?“ Harry nickte, was Hippocrates ebenfalls mit einem nachdenklichen Nicken beantwortete und dann sagte, „er muss sich belesen haben. Der Zauber wirkt natürlich besser wenn er nicht aufgelöst wird. Aber die Meisten halten die Schmerzen durch die Korrektur nicht über Nacht aus und lösen den Zauber deswegen auf. Normalerweise entspannt sich der Körper und die Schmerzen gehen nach einiger Zeit weg, bei Severus dürfte das nicht der Fall sein. Die Schmerzen Nachts müssen stärker sein als tagsüber und deswegen hat er diese Lösung gewählt. Was eigentlich für seine Haltung nicht so schlecht ist. Lässt er sich von dir massieren?“

Isabella hatte ihm von diesen Extrastunden bei den Masseuren erzählt und auch gleich angedeutet, dass sie nicht glaubte, dass Severus sich massieren ließ. Der Kerl hatte im St. Mungo mittlerweile einen sehr schlechten Ruf weg.

Zu seiner Überraschung grinste Harry und sagte, „auch wenn du es mir genauso wenig glauben wirst wie Isabella und Markus aber er lässt sich freiwillig von mir massieren. Nicht ich hole nach den Übungen das Öl für die Massage.“

„Ernsthaft? Dann habe ich zwei Galleonen verloren.“

„Du hast gewettet, ob Severus sich von mir massieren lässt?“, fragte Harry lachend.

„Natürlich und ich bin nicht der Einzige. Aber Oliver hat gewonnen, der Rest hat gegen dich gewettet“, erklärte Hippocrates grinsend.

„Super. Was laufen noch für Wetten?“

Jetzt wurde das Grinsen noch breiter und Hippocrates sagte, „es steht fünf zu eins gegen dich, dass er dieses Wellnesswochenende mit Schwimmtherapie mitmacht.“

Harry starrte ihn einen Moment an bevor er in Gelächter ausbrach, das musste er Severus erzählen.
 

Genau das tat er am Abend und die Reaktion war dieselbe, Severus brach in Gelächter aus. „Ich wette mit“, sagte er irgendwann, noch immer grinsend.

„Gegen oder für mich?“, fragte Harry.

„Für dich, wir machen dieses verdammte Wochenende, es war schließlich dein Weihnachtsgeschenk.“

„Echt? Wann wollen wir fahren?“, fragte Harry begeistert.

„Hast du nicht gesagt, dass du meine Krankenakte vor schicken sollst? Dann würde ich vorschlagen, du holst sie bei Hippocrates ab, schickst sie hin und wir fahren am ersten oder zweiten Februarwochenende“, schlug Severus vor.

„Gibt er mir die Akte einfach? Was ist mit der Verschwiegenheitspflicht? Da stehen doch garantiert auch Dinge drin, die du mir nicht gesagt hast weil du dich unsinnigerweise dafür schämst“, sagte Harry. Er konnte den bitteren Unterton nicht ganz aus seiner Stimme verbannen, er rechnete mit einem Ausbruch oder einem Fluch aber Severus schüttelte den Kopf.

„Da steht nichts drin, was du nicht mehr oder weniger weißt. Dass ich im Koma lag, fast gestorben bin, die Dialyse und die Reha, die sinnlosen Therapieversuche und meine momentane Verfassung mit all ihren negativen Seiten. Also nichts, was du nicht weißt. Außerdem gehe ich davon aus, dass du die Akte nimmst, sie an eine Eule bindest und in dieses Hotel schickst und nicht, dass du erst mal ne Stunde darin rum stöberst. Hippocrates wird sie dir geben, er hat von mir eine Vollmacht bekommen.“

Etwas sprachlos starrte Harry ihn an und schließlich fragte er, „Vollmacht?“

„Natürlich. Bei den Tränken, die ich nehme, und meinen Vorerkrankungen kann es jederzeit zu einem Herzinfarkt oder anderen Nettigkeiten kommen und sollte ich nicht in der Lage sein, mich selbst zu artikulieren, bist du der Bevollmächtigte. Zusammen mit Hippocrates“, sagte Severus ruhig und ernst.

„Wieso?“

„Weil ich das so wollte. Du musst natürlich gar keine Entscheidung treffen und kannst Hippocrates alles überlassen aber ich denke mal, ihr werdet euch einig.“

„Seit wann?“, fragte Harry immer noch fassungslos. Er konnte nicht glauben, dass Severus ihm so sehr vertraute um ihn in so eine Vollmacht einzutragen.

„Etwa einen Monat vor Weihnachten.“

Jetzt entgleisten Harry sämtliche Gesichtszüge.

„Was?“, fragte Severus. Er verstand nicht wirklich, wo jetzt das Problem lag. „Harry, wo liegt dein Problem? Wenn du es nicht willst, schicke ich Hippocrates eine Eule und lasse es umändern“, sagte er schließlich. Ihm war der Gedanke gekommen, dass er Harry damit zu sehr an sich band und er das nicht wollte.

„Untersteh dich“, knurrte Harry sofort, „ich war nur überrascht, dass du mir so sehr vertraust um mir so eine Entscheidung zu überlassen.“

„Wenn ich mich eh nicht wehren kann, ist es mir egal. Wenn ich mich wieder wehren kann, verfluche ich dich einfach“, gab Severus schulterzuckend zurück.

„Natürlich. Also bringe ich morgen die Akte mit und schicke sie weg. Dann müssen wir die Antwort abwarten und dann können wir schon hin“, sagte Harry fröhlich.

„Ich bin begeistert.“

„Nur wegen der Schwimmtherapie? Mensch, so schlimm kann es doch nicht sein. Hast du überhaupt eine Badehose?“

„Natürlich nicht. Wozu auch? Ich war seit zwanzig Jahren nicht mehr schwimmen“, knurrte Severus.

„Dann wird es Zeit.“

„Heute nicht mehr. Lass uns schlafen gehen.“

„Die Übungen?“, fragte Harry.

„Heute nicht“, war die abweisende Antwort.

Harry nickte, ihm war schon aufgefallen, dass Severus heute nicht gut beisammen war. Er saß seltsam und bewegte sich nur sehr schwach. „Dann ab ins Bett.“



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