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Zwischen den Welten

von

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Ungewissheit

20. Ungewissheit
 

Das Bild, das mir geboten wurde, war erschreckend. Amelia lag vor mir, zusammengekrümmt und am ganzen Körper zitternd. Sie hatte sich mit letzter Kraft aus der Arena geschleppt und war hinter der Tribüne zusammengebrochen. Ich kniete mich zu ihr runter und nahm vorsichtig, aber auch beherzt, ihr sonst so sanft aussehendes Gesicht in meine Hände. „Was hast du zu dir genommen?“, schrie ich sie regelrecht an. Amelia reagierte nicht, hatte ihre Augen geschlossen. Das einzige was mich in dieser Situation beruhigte, war der Klang ihres Herzschlages. Das Herz pulsierte in einem annähernd normalen Rhythmus. Als ich ihr Gesicht genauer betrachten konnte, zog ich scharf die Luft ein. Ihre Prellungen waren blau unterlaufen und Blut rann aus mehreren Platzwunden. Von ihrem zierlichen Gesicht war nichts mehr zu erkennen. Schon während des Kampfes bemerkte ich, dass irgendetwas nicht stimmen konnte. Die Schläge und Tritte, denen sie ausgesetzt war, erzielten nicht die üblichen Auswirkungen. Sie steckte sie ein, als sei sie kaum getroffen worden, fast schon wie ein Dämon. Aber ich wusste es besser. Amelia hatte sich in der Zeit bei uns um einiges gesteigert – physisch, als auch mental. Manchmal ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass sie vielleicht doch die Auserwählte sein könnte. Doch sie war lediglich ein Mensch. Und, dass ich sie so hier vorfand bestärkte diese Tatsache.
 

„Was…“ Ryura, meine rechte Hand in der Armee, stieß gerade zu uns. Er stockte, als er Amelia auf dem Boden entdeckte und riss seine Augen weit auf. Er war von ihrem Anblick genauso erschrocken. Schnell hatte er sich jedoch wieder gefangen und das erwartete ich auch von ihm. Fokussiert blickte er auf mich und wartete auf eine Reaktion meinerseits. „Bring sie auf ihr Zimmer. Sei vorsichtig, mich würde es nicht wundern, wenn sie innere Verletzungen davon getragen hat. Ich gebe Hoshi Bescheid, er wird sich um sie kümmern“, waren meine klaren Anweisungen. Ryura nickte mir zu, nahm Amelia vorsichtig in seine Arme und trug sie davon. Langsam richtete ich mich wieder auf. Amelia benötigte dringend Hilfe und wenn ich nicht wollte, dass sie stirbt, musste unser Heiler schnell handeln.
 

Das ganze Szenario warf so viele Fragen auf, aber mit diesen konnte ich mich jetzt noch nicht auseinander setzten. Niemand von unseren Gästen sollte was von dem Tumult mitbekommen, also wollte ich die Lage erst einmal entschärfen. Ich trat wieder in die Arena und glücklicherweise kam Hoshi bereits auf mich zu. Es bedarf lediglich eine kurze Bewegung mit meinem Kopf in Richtung des Schlosses und der alte Mann wusste Bescheid, befolgte meinen unausgesprochenen Befehl. Im Augenwinkel beobachtete ich wie er im Schloss verschwand. Ich atmete kaum merklich aus.

Gut, diese Sache war nun erstmal geregelt.
 

Die Tribüne leerte sich nach und nach. Der Kampf war ein gelungener Auftakt zu den Festlichkeiten gewesen. Ich blickte in viele zufriedene und euphorische Gesichter. Hier schien keiner etwas mitbekommen zu haben. Aber über das niedere Volk machte ich mir ehrlich gesagt auch keine großen Gedanken. Mein Blick suchte nach den Fürsten des Ostens und Südens. Sie standen bei Serena und unterhielten sich rege mit ihr über den Kampf. Ich konnte ihr Gespräch aus der Ferne bestens verstehen und dem Inhalt nach zu urteilen, waren auch sie alle drei über die bedenkliche Lage unwissend.
 

Wie naiv sie doch alle waren. Lächerlich.
 

Meine größte Sorge aber bereitete mir Yomi, Amelias Gegner. Der junge Dämon, der erst seit kurzem sein Land regierte, befand sich noch inmitten der Arena. Seine Diener hatten sich um ihn versammelt und kleideten ihn wieder ein. Mit finsterer Miene schritt ich auf ihn zu. Als der Fürst des Nordens mich erblickte, grinste er mich hämisch an. „Einen wahrer Rohdiamanten habt Ihr da, Sesshomaru“, begrüßte er mich. Misstrauisch musterte ich ihn. Amelia hatte gute Arbeit geleistet. Auf seinem Gesicht konnte ich mehrere Blutergüsse erkennen und seine Diener waren gerade dabei, seine Schürfwunden von seinem Blut zu säubern. Der einzige Unterschied war, dass seine Wunden bereits am Verheilen waren. Zum Abend hin würden keine Spuren vom Kampf bei ihm mehr zu sehen sein. „Ihr habt Euch aber auch gut geschlagen“, reagierte ich monoton auf seine Aussage. Die oberste Priorität war es, Amelias Identität zu wahren.
 

„Ihr habt ziemlich früh den Kampf beendet, was war los? Hattet Ihr Sorge, dass man an Eurer Stärke zweifeln könnte, wenn ich verliert?“, provozierte ich ihn. Meine Absicht war es, in Erfahrung zu bringen, ob Yomi einen Verdacht über Amelias Verwundbarkeit schöpfte. Sein arroganter Gesichtsausdruck änderte sich auch nach meiner Provokation nicht.

Wie ich diesen elenden Bastard verabscheute.
 

„Nun, Sinn des Kampfes war es sicherlich nicht, dass einer von uns den Tod finden würde, sondern viel mehr ihre Fähigkeiten zu testen“, merkte er lächelnd an. Ich setzte eine unbeeindruckte Miene auf. „Ich bin beeindruckt von ihr. Ich erhebe Anspruch auf sie“, ließ er ganz beiläufig verlauten und schaute mich herausfordernd an. Ich musste mich schwer zusammenreißen ihm nicht die Kehle rauszureißen. Was fiel ihm ein zu meinen, dass er irgendeinen Anspruch auf Amelia aussprechen konnte. Bevor ich irgendetwas hierauf antworten konnte, gesellten sich auch die anderen Fürsten und meine Mutter zu uns. „Ach, das war unterhaltsam“, Menoi klopfte Yomi auf die Schulter, der auf diese Geste hin mit einem lauten Lachen reagierte. Jura verzog keine Miene, so wie man den Mistkerl eben kannte. Neben Yomi konnte ich den Fürsten des Südens am wenigsten leiden. Er hatte mit Schuld am Tode meines Vaters. Es kostete mich immer wieder aufs Neue eine enorme Anstrengung mit genügend Respekt ihm entgegen zu treten. Wenn ich zu gegebener Zeit Fürst des Westens sein würde, dann würde sich die Beziehung zu den anderen Ländern um einiges ändern. Serena war zu diplomatisch im Umgang mit ihnen. Ich bemerkte, wie meine Mutter sich neben mich stellte und zu mir aufschaute. Ihr Gesichtsausdruck verriet äußerlich nicht viel, doch ich wusste, dass sie sich bei mir stumm nach Amelia erkundigte. Ich schenkte ihr kurz Aufmerksamkeit, wendete mich dann aber wieder den Fürsten zu. Die Sache mit Amelia musste erstmal warten.
 

„Nun, völlig überzeugt hat mich die Show nicht.“ Jura verschränkte seine Arme vor der Brust. „Mein Freund, seid doch nicht so misstrauisch. Wir konnten ihr Durchhaltevermögen und Stärke mit eigenen Augen bewundern. Und schaut Euch unseren Frischling hier an…“ Menoi deutete auf Yomi. „…Der sieht auch nicht mehr so frisch aus“, scherzte er weiter. Menoi tätschelte Jura enthusiastisch auf den Rücken. Dieser befreite sich ruckartig aus der Berührung und schaute den Fürsten verächtlich an. Ich beobachtete diese Unterhaltung genervt, nahm mir zudem vor, Jura weiter im Auge zu behalten. Sein Misstrauen musste mit Vorsicht genossen werden, auch wenn dieses lediglich aus Enttäuschung hervorgerufen wurde. Am meisten störte ihn nämlich, dass der Westen im Besitz einer solchen „bedeutenden Waffe“ war und nicht er. Innerlich grinste ich zufrieden über diese Entwicklung. „Nun meine Herren, der Kampf ist vorüber und unsere Festlichkeiten heute Abend sollten wieder im Fokus stehen.“ Serena versucht die Situation zu entschärfen, indem sie von dem Kampf abzulenken versuchte. Natürlich hatte sie damit Erfolg.
 

Sie waren so einfach gestrickt, so durchschaubar.
 

Die Fürstin wandte sich in Begleitung von Menoi und Jura zum Schloss und verließ mit beiden die Arena. Bevor ich es ihnen gleich tun konnte, richtete Yomi das Wort an mich. Er ergriff meinen Arm, um mich vom Gehen zu hindern. Mit finsterer Miene schaute ich zunächst auf seine Hand, die auf meinem Arm ruhte, dann auf ihn. Seiner Position geschuldet, musste ich mich zurück halten, aber innerlich kochte ich vor Wut. Wieder grinste mich der junge Fürst hämisch an. „Meine Aussage von eben war mein Ernst. Ich erhebe Anspruch auf Amelia.“ Die Bedeutung seiner Worte interessierte mich nicht im Geringsten. „Das habt Ihr nicht zu entscheiden“, antwortete ich ihm beherrscht und kehrte ihm den Rücken zu. Ich war der Erbe des Westens. Er befand sich in meinem Land und hatte somit keine Berechtigung Ansprüche zu stellen.

Das Positive, was aus dem Gespräch mit den Fürsten resultierte, war die Tatsache, dass alle weiterhin der Lüge Glauben schenkten. Zunächst verlief also alles weiterhin nach Plan. Jetzt wollte ich nach Amelia sehen. Ich hoffte inständig, dass sie es überleben würde, sonst wären alle Bemühungen umsonst gewesen. Zielstrebig ging ich auf ihr Zimmer zu. In den letzten Monaten bin ich diesen Weg schon so oft abgegangen. Doch waren die Absichten, die hinter einem Besuch bei ihr standen, stets andere – angenehmere – gewesen.
 

Als ich ihr Zimmer betrat, kamen dieselben Gefühle wie nach dem Kampf, nachdem ich sie zusammengebrochen vorgefunden hatte, erneut auf.
 

Entsetzen.
 

Amelia lag auf ihrem Bett. Ihre Bettlaken waren blutdurchdrängt. Unser sonst so ruhiger und gelassener Heiler wuselte hektisch an seiner Patientin herum, schrie immer wieder Anweisungen an seine Assistentin. Rin wiederum sah leichenblass aus und führte Hoshis Anweisungen lediglich benebelt aus. Ryura schien der einzige in diesem Raum zu sein, der sich einigermaßen unter Kontrolle hatte. Ich schaute meinen Stellvertreter auffordernd an. Er sollte mir berichten. „Es sieht nicht gut aus. Ihre inneren Organe sind verletzt worden, unter anderem ihre Niere, dazu kommen mehrere Rippenbrüche sowie ein Schlüsselbeinbuch. Von den äußeren Verletzungen mal abgesehen“, klärte er mich sachlich auf. Mir missfiel die Entwicklung der Lage und ich verzog verärgert mein Gesicht. Dann geschah etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Ich konnte deutlich vernehmen, dass Amelias Herzschlag unregelmäßiger wurde. Der alte Mann bemerkte diese Tatsache ebenfalls und sah verzweifelt zu mir rüber. „Rette sie!“, knurrte ich ihn an.
 

Hoshi verzog sein Gesicht zu einer Fratze. Ich konnte seine Fangzähne erkennen und dann biss er Amelia in die Hauptschlagader an ihrem Handgelenk.



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