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Vergissmeinnicht

von

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Wünsche zu Tanabata


 

♥ Mimi ♥
 


 

Sie wusste, dass dieses Zusammentreffen ein großer Fehler sein würde. Mimi konnte noch nicht mal genau sagen, warum sie sich überhaupt darauf eingelassen hatte!

Vielleicht weil sie Kaori einen Gefallen tun wollte. Vielleicht auch, weil sie endlich die Vergangenheit hinter sich lassen musste, um nach vorne zu sehen.

Sie konnte an den Gegebenheiten schließlich nichts ändern, dennoch fiel es ihr unglaublich schwer ihr in die Augen zu sehen.

Ihr überheblicher Blick und das süffisante Grinsen bohrte sich auf ihre Haut und brannte unerträglich, weshalb sie am liebsten die Flucht ergriffen hätte.

Doch das konnte sie Kaori nicht auch noch zumuten! Sie wusste, dass sie in den letzten Wochen und Monaten viel durchgemacht und die Sache mit ihrer Schwester sie sehr belastet hatte.

Dennoch wünschte sie sich am liebsten an einen anderen Ort – weit weg von Emi!

„Und wie geht es deinem Freund?“, fragte sie übertrieben freundlich, nur um sie bewusst zu quälen.

„Emi, lass das“, zischte Kaori sofort, doch Emi schien es zu lieben, in der offenen Wunde zu bohren.

Mimi müsste lügen, wenn ihr die Tatsache, dass Emi und Tai eine Affäre gehabt hatten, nichts ausmachen würde. Sie hatte sich, auch nachdem Tai und sie sich wieder vertragen hatten, lange damit beschäftigt gehabt und viele Gespräche mit ihm darüber geführt, um die Gründe seines Handelns besser zu verstehen. Besonders weil sie es damals, mit fünfzehn, eben nicht konnte.

Sie hatte ihn insgeheim dafür verflucht und ihm irgendwelche fiesen Krankheiten an den Hals gewünscht, auch wenn sie es selbstverständlich nicht so gemeint hatte.

Letztlich war ihr bewusstgeworden, dass beide Fehler begangen hatten und die Distanz eine Mitschuld an dieser ganzen Misere gehabt hatte.

Und genau aus diesem Grund wollte sie sich von Emi nicht unterkriegen lassen!

Vorsichtig kräuselte die Lippen.

„Ist ja interessant, dass du immer noch so an meinem Freund interessiert bist. Scheinst ja wohl besessene Tendenzen zu besitzen“, erwiderte sie und versuchte unbeeindruckt zu wirken.

„Wow, dafür hast du aber ganz schön lange gebraucht, aber Schlagfertigkeit scheint ja nicht unbedingt deine Stärke zu sein“, antwortete sie und blickte Mimi missbilligend an.

„Und du scheinst gerne Schwierigkeiten und Probleme zu ignorieren. Du lenkst auf meinen Freund, obwohl wir wegen etwas ganz anderem hier sind.“

„Oh mein Gott, wie oft willst du denn noch erwähnen, dass er dein Freund ist? Bist du etwa so besitzergreifend? Vielleicht solltest du ihn brandmarken, damit auch jeder weiß, dass er dein Eigentum ist.“

Sie grinste gehässig, während es in Mimis Bauch zu brodeln begann.

„Du bist echt…“

„Okay, dass reicht jetzt!“, unterbrach Kaori sie bestimmend. „Ich habe nicht vor meinen Nachmittag mit Streitereien zu verbringen. Wir haben etwas Wichtiges zu besprechen!“

Kaori sah sich in dem kleinen Eiscafé um, doch es war nur sehr spärlich besucht, weshalb ihre Freundin es wohl auch ausgesucht hatte.

Mimi konnte sich schon denken, warum sie sie versammelt hatte.

„Es geht um unseren Bruder! Ich finde immer noch, dass wir ihn suchen sollten“, eröffnete Kaori fast schon flüsternd, während Emi stöhnend ihren Stuhl hinab sank.

„Nicht dieses Thema schon wieder“, knurrte sie angesäuert und rührte trotzig in ihrer Eisschokolade.

„Was soll das denn heißen? Bist du überhaupt nicht neugierig? Möchtest du kein bisschen wissen, wie er ist? Also ich möchte ihn kennenlernen.“

„Wie immer jagst du einer Traumphantasie hinterher! Wir wissen nichts über ihn und hast du dir schon mal überlegt, dass er uns vielleicht gar nicht kennen lernen möchte? Er ist doch schon volljährig und hätte uns schon längst aufsuchen können. Hat er aber nicht“, untermauerte Emi willensstark, während Mimi immer mehr ins Grübeln kam.

Sie wusste, dass es Kaori ein Anliegen war, ihren gemeinsamen Bruder zu finden, aber auch Emi hatte mit ihren Aussagen nicht unrecht. Was wenn er gar nicht gefunden werden wollte?

Doch an Kaoris gläsernen Blick konnte sie erkennen, dass sie sich mit dieser Antwort nicht zufriedengeben würde.

„Sagst du gar nichts dazu, Mimi? Noch nicht mal nach dem, was dir deine Großmutter alles erzählt hat?“

Mimi schluckte augenblicklich und spürte einen deutlichen Widerstand in ihrem Hals. Was sollte sie nur antworten? Einerseits verstand sie ihre Verzweiflung, andererseits wollte sie sich nicht in das Leben eines für sie Fremden einmischen! Denn genau das war ihr Bruder für sie.

Ein Fremder, dessen Phantom sie seither jagte und quälte. Wollte sie ihn kennenlernen? Wissen, ob sie sich ähnlich waren? Gemeinsamkeiten und Abneigungen teilten?

Irgendwie ja, aber auch gleichzeitig nein.

War es in Ordnung sich in das Leben eines anderen Menschen einzumischen, nur weil man die gleiche DNA teilte? Dabei war Familie mehr als nur Blutsverwandtschaft. Sie war der sichere Hafen, zu dem man zurückkehren konnte, wenn man ins Wanken geriet.

Und Mimi war sich sicher, dass er diesen sicheren Hafen bereits besaß.

„I-Ich weiß nicht so recht. Wir wissen gar nicht wie er heißt und er hat eine Familie, die ihn aufgezogen hat und ihn liebt. Wollen wir das wirklich durcheinanderbringen?“, fragte Mimi in die Runde.

„Also auch wenn ich sie nicht sonderlich leiden kann, muss ich ihr da recht geben! Vielleicht wäre es egoistisch ihn zu suchen und ihn aus seinem Umfeld zu reißen“, meinte auch Emi schulterzuckend, während Kaori sprachlos die Augen aufriss.

„Ihr findet es also vorkommen in Ordnung, was ihm widerfahren ist? Er kennt die Wahrheit noch nicht mal! Genauso wenig wie unsere Eltern!“

Mimi presste ertappt die Lippen aufeinander. Sie hatte es immer noch nicht übers Herz gebracht ihrer Mutter die Wahrheit zu sagen, da sie nicht einschätzen konnte, wie sie reagieren würde.

Wenn sie diese Sache von ihrem Vater erfuhr würde sie sich sicher Vorwürfe machen!

Das wusste Mimi, auch ohne es ihr anvertraut zu haben.

Schuldbewusst senkte sie den Kopf.

„Sagt ihr jetzt überhaupt nichts mehr dazu?“, fragte Kaori mit einem hysterischen Unterton, sodass sich die wenigen Gäste des Eiscafés sich bereits nach ihnen umdrehten.

Allerdings schien manchmal jedes Wort zu viel.

Deswegen versank Mimi im Strudel des Schweigens, auch wenn ihre Zunge regelrecht Feuer gefangen hatte und sie sich nur schwer zurückhalten konnte.

„Okay gut. Dann weiß ich Bescheid“, murmelte Kaori und stand auf.

Sie kramte aus ihrem Rucksack ihren Geldbeutel hervor und legte es passend neben ihre halbvolle Tasse Tee, die noch vor sich hin dampfte.

Mimi sah auf und konnte gerade noch erkennen, wie sie sich schniefend mit dem Arm über ihre Augenpartie wusch.

Mimis schlechte Gewissen wuchs unmittelbar, doch so konnte sich kaum rühren. Selbst als Kaori ihren Stuhl anschob und Anstalten machte zu gehen, war Mimi immer noch wie erstarrt.

Was sollte sie denn sagen, damit es ihr wieder besserging?

„Kaori jetzt warte doch mal“, kam schwerfällig über ihre Lippen.

„Nein, ich bin es leid zu warten und mir ständig nur Lügen erzählen zu lassen. Wenn ihr mir nicht helft, mache ich es eben allein“, sagte sie verbissen und stürmte aus der Tür des Cafés.

Mimi wollte ihr schon hinterherrennen, als abrupt ihr Arm ergriffen wurde und sie herumschnellte.

„Lass sie allein! Sie war schon immer so und beruhigt sich auch wieder“, erklärte ihr Emi ehe sie ihren Arm wieder losließ. „Sie kompensiert. Das hat sie auch nach dem Tod unserer Mutter getan. Sie klammert sich an Möglichkeiten, die unsere Familie zusammenhalten, obwohl sie genau weiß, wie kaputt wir eigentlich sind.“

Das erste Mal konnte Mimi eine schwache Emotion in Emis Augen erkennen. Sie konnte nicht klar differenzieren, ob es sich um Trauer oder sogar Wut handelte, aber dennoch konnte sie eine Sache ganz klar erkennen. Nicht jeder hatte das Glück eine intakte Familie zu haben.

Und bei Kaori und Emi war dieser dunkle Schatten ihr Wegbegleiter geworden, der sie jederzeit heimsuchte.

„Gerade deswegen braucht zu jemanden an ihrer Seite!“, brachte Mimi hervor und pfriemelte ebenfalls ihren Geldbeutel hervor, um ihren Milchkaffee zu bezahlten. Auch Emi war aufgesprungen und funkelte sie wütend an.

„Du bist aber nicht ihre große Schwester“, widersprach sie starr.

„Da hast du recht, aber vielleicht bin ich gerade das, was sie in diesem Moment braucht: Eine Freundin“, antwortete Mimi wortgewandt, ehe sie aus dem Café stürmte und Emi ohne weiteres zurückließ. Manchmal gab es eben nur diesen einen Moment, der eine Veränderung schaffen konnte. Und Mimi wusste, dass sie ihre Chance nutzen musste, bevor sie vorbei war.
 

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An diesem Tag hatte Mimi Kaori nicht mehr auffinden können. Wie Emi es ihr vorhergesagt hatte, beruhigte sich Kaori wenige Tage später und Mimi war in der Lage ein langes und intensives Gespräch mit ihr zu führen. Auch wenn sie sie nicht ganz von ihrem Vorhaben abbringen konnte, konnte Mimi ihre Freundin um einiges besser verstehen. Es war eine verzwickte Situation, die keiner kontrollieren konnte.

Dennoch hatten sie sich vorerst darauf geeinigt, die Suche nicht fortzusetzen. Jedenfalls vorerst.

Mimi wollte zuerst mit ihrer Mutter sprechen und ihr die Geschichte ihres Großvaters erzählen, wenn der richtige Moment gekommen war.

Doch wann war genau dieser Augenblick?

Dass fragte sich Mimi nun schon seit mehreren Wochen. Mal wieder stand ihr Geburtstag und auch die Reise, die Taichi und sie geplant hatten, vor der Tür.

Heute feierten sie Tanabata, gemeinsam mit ihrer alten Clique, die schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr zusammengefunden hatte. Sie hatten sich dazu entschieden ein kleines Picknick im Shiokaze-Park auszurichten und später einen der festlich geschmückten Schreine zu besuchen, um ihre Wünsche an den aufgestellten Bambusbäumchen aufzuhängen.

Gemütlich hatten sie sich auf den mitbrachten Decken niedergelassen und einen kleinen Grill mitgebracht, um gemeinsam Hähnchenspieße und Gemüse zuzubereiten.

Sora saß etwas erschöpft neben Matt, der den Grill vorbereitete. Joe durfte zum ersten Mal Haruko in seinen Armen halten und hielt vorsichtig ihr Köpfchen, während Izzy ihn ehrfürchtig dabei beobachtete.

Mimi schmunzelte leicht und kuschelte sich in Taichis Arme, während er ebenfalls das Geschehen beobachtete.

„Vielleicht sollte Koushiro die Kleine auch gleich mal halten“, kommentierte er belustig, während sich Izzys Körper versteifte.

„W-Was? N-Nein lieber nicht. Nachher lasse ich sie noch fallen“, stammelte er und sah hilfesuchend zu Sora, die nur milde lächelte.

„So ein Quatsch. Wir sitzen hier ja alle dicht beisammen. Da kann nichts passieren.“

„Genau“, stimmte Mimi fröhlich mit ein. „Aber ich glaube Joe sieht nicht so aus, als würde er sie nochmal hergeben.“

„Das stimmt doch gar nicht“, wehrte sich Joe sofort. „Ich will sie nur nicht wecken. Sie schläft gerade so schön.“

Lächelnd betrachtete er das schlafende Gesicht von Haruko, die sich in den Armen des Ältesten sichtlich wohl fühlte.

„Ich glaube, du kannst demnächst mal zum Babysitten kommen. Bei dir ist Haru-chan wirklich tiefenentspannt“, lachte Yamato und schürte das kleine aufflammende Feuer.

„Ohja, ich wäre sehr dafür! Und so ein Baby auf dem Arm steht dir unwahrscheinlich gut“, bestätigte Sora ihn, während Joe knallrot anlief.

„Findest du?“, hakte er unsicher nach.

„Klaro, wird Zeit das du dir eine Frau suchst mit der du ganz viele Babys machen kannst“, witzelte Taichi schief grinsend und kassierte prompt von Mimi einen kräftigen Stoß in die Rippen.

„Aua, das war mein Ernst gewesen!“, rechtfertigte er sich beleidigt und schenkte Mimi einen grimmigen Blick.

„Vielleicht sollten Mimi und du bald damit anfangen, damit Haru-chan etwas Gesellschaft bekommt“, kommentierte Yamato süffisant und grinste dreckig.

„Yamato!“, kam es von allen Richtungen, doch der Blondschopf ließ sich nicht beirren.

Unbeeindruckt zuckte er nur mit den Schultern und sah zu, wie die Flamme immer kleiner wurde, sodass nur noch die Glut vorhanden war.

„Ich glaube, ich werde mit meinem Medizinstudium die nächsten Jahre wirklich genug zu tun haben. Ich habe ja jetzt schon kaum Freizeit. Außerdem investieren meine Eltern ziemlich viel Geld in meine Ausbildung und die passende Frau habe ich auch noch nicht gefunden“, antwortete Joe und versuchte nicht deprimiert zu wirken, was ihm jedoch nicht sonderlich gut gelang.

„Ach komm, jeder findet irgendwann den passenden Deckel“, intervenierte Mimi sofort und dachte automatisch an die turbulente Zeit, die Taichi und sie hinter sich hatten. Vor einem Jahr hätte sie sich nie träumen lassen, hier in seinen Armen zu liegen, geschweige denn ihn als ihren Freund bezeichnen zu dürfen. Aber das Leben war meistens unberechenbar und hielt Überraschungen bereit, die keiner von ihnen erwartet hätte.

Ihr Blick blieb automatisch an Haruko hängen, die immer noch in Joes Armen seelenruhig schlief. Mittlerweile sah sie Matt immer ähnlicher, jedenfalls kam es Mimi so vor. Ihre Haare wurden immer heller und auch die stechendblauen Augen hatte sie von ihrem Vater geerbt.

Vor einem Jahr war an sie noch nicht mal zu denken, doch mittlerweile hatte sich mehr verändert als Mimi eigentlich bewusst war.

Izzy und sie befanden sich im Abschlussjahrgang. Joe studierte Medizin. Yamato machte einer Ausbildung zum Elektriker, während Sora ihr Studium im nächsten Frühjahr aufnehmen würde. Nur Taichi hing weiterhin in der Luft, was er sich jedoch nicht anmerken ließ.

Jedenfalls vorerst.

„Wisst ihr eigentlich schon, für welche Fächer ihr euch an der Uni einschreiben wollt?“, fragte Joe an Izzy und Mimi gewandt.

Beide tauschten einen kurzen Blick miteinander, bevor sie zielsicher antworteten. Selbst Mimi überraschte es, dass sie sich schon so viele Gedanken über ihre Zukunft gemacht hatte. Vielleicht lag es tatsächlich an ihrem Vater, der sie immer wieder in die richtige Richtung stupste und ihr auch den nötigen Denkanstoß für ihr Studienfach gab.

„Ich werde mich für Wirtschaftswissenschaften einschreiben. Ich denke, das ist die beste Alternative, wenn ich später mal ein eigenes Restaurant eröffnen möchte“, antwortete Mimi selbstsicher.

„Und ich werde Informatik studieren, aber ich glaube das wundert hier sicher keinen“, lachte Izzy und tätschelte sich unbeholfen den Hinterkopf.

„Das ist wirklich keine Überraschung“, steuerte Sora grinsend bei, als auch sie auf einmal ihren Blick zu Taichi wandte, der auf einmal sehr ruhig geworden war.

„Hast du noch etwas von deinen Stipendien gehört?“, fragte sie behutsam.

Mimi schielte augenblicklich zu ihm und sah wie sein Gesicht sich versteifte.

Verbissen presste er seine Lippen aufeinander.

„Es stehen noch ein paar Antworten aus, aber die Universität in Tokio hat mich leider nicht genommen. Aber ich habe mich noch an der Universität in Kanagawa und an der Universität Nagoya beworben. In beiden Fällen für Rechtswissenschaften“, erzählte er verhältnismäßig locker, auch wenn Mimi sich beherrschen musste bei der Stadt Nagoya nicht mit den Augen zu rollen.

„Aber wir hoffen mal, dass es an der Universität in Kanagawa klappt, weil Nagoya über vier Stunden von Tokio entfernt ist. Kanagawa nur eine halbe“, informierte Mimi ihre Freunde.

„Ach das wird bestimmt noch klappen“, meinte Sora optimistisch. „Aber jetzt sollten wir erstmal den gemeinsamen Abend genießen!“

Sora hatte sicher recht, aber dennoch blieb Mimis innere Unruhe bestehen.

Sie hatte bereits mehr als nur einmal mit Taichi über ihre Situation gesprochen. Natürlich wollte sie, dass er einen Studienplatz erhielt, aber er sollte nicht vier Stunden von ihr entfernt wohnen. Wie sollte sie das nur aushalten? Schon damals hat die Entfernung ihre Beziehung kaputt gemacht und das wollte sie auf gar keinen Fall zulassen! Daher hoffte sie jeden Tag auf die Zusage in Kanagawa, aber bisher war noch keine gekommen, was sie allmählich unruhig werden ließ.

Taichi hingegen schien auf einmal die Ruhe selbst zu sein, auch wenn sich Mimi nicht erklären konnte, wo dieser Sinneswandel plötzlich herkam.

Er war entspannt, auch wenn Mimi sich nicht sicher war, ob er ihr in diesem Fall etwas vormachte.
 

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Nach dem gemeinsamen Abendessen im Park trennten sich zunächst die Wege der Freunde wieder.

Während Sora und Matt Haruko bei Soras Mutter ablieferten, bereitete sich der Rest von ihnen für die eigentlichen Festlichkeiten vor.

Mimi hatte ihren schönsten Yutaka rausgekramt, der ein buntes florales Muster besaß. Er war in einem zarten Rosa gehalten und schmeichelte dennoch ihrer blassen Hautfarbe.

Taichi hatte sich für einen Dunkelgrünen entschieden und fluchte mal wieder über die unbequemen Holzsandeln, die er passend zu seinem Yutaka trug.

Eine Stunde später hatten sich alle am Schrein eingefunden und liefen gemeinsam über das festlich geschmückte Gelände.

Die Lampions hüllten die Stände und Bambusbäumchen in ein wärmendes Licht und traditionelle Musik erklang über den Platz, sodass die Atmosphäre Mimi sofort verzauberte.

Tanabata war schon immer ihr Lieblingsfest gewesen, weshalb sie auch schon ganz aufgeregt zu den Bambusbäumen stürmte und die anderen dazu aufforderte ihre Wünsche niederzuschreiben. Mimi war ganz euphorisch, was vielleicht auch daran lag, dass sich ihr langgehüteter Wunsch endlich erfüllt hatte. Daher wusste sie gar nicht so genau, was sie sich überhaupt wünschen sollte.

Sie hatte ja alles, was sie glücklich machte!

Zufrieden sah sie sich um, konnte aber dennoch alle überreden ihre Wünsche für dieses Jahr auf einem Zettel festzuhalten und an einem der Bambusbäume zu befestigen.

Sie sah gerade wie Taichi sich von seinem Bäumchen entfernte als sie auch schon auf ihn zugestürmt kam und neugierig anblickte.

„Und was hast du dir gewünscht?“, fragte sie spitzfindig und griff nach seiner Hand.

„Das verrate ich dir nicht“, trällerte er fröhlich und verschränkte seine Finger mit ihren. „Sonst geht es doch nicht in Erfüllung.“

„Hey, ich würde es auch keinem verraten“, versicherte sie ihm und zog schmollend die Unterlippe nach vorne.

Taichi grinste nur. „Netter Versuch, aber ich verrate es dir trotzdem nicht.“

„So eine Unverschämtheit“, knurrte Mimi spielerisch, doch ihr Freund ließ sich mal wieder nicht beirren.

Tse, sie würde schon herausbekommen, was er sich gewünscht hatte. Später würde sie einfach bei den Bambusbäumen der Jungs vorbeischauen! Seine Schrift würde sie allemal erkennen!

Da war sie sich sicher.

Doch zuerst wollten sie sich einen ruhigen Platz suchen, um ein paar Getränke zu organisieren.

„Da hinten sieht es ganz gut aus! Da gibt es sogar einen kleinen Mauervorsprung“, Joe deutete in die Richtung und schritt zielstrebig voran.

Kaum hatten sie sich niedergelassen, sorgten Joe und Tai auch schon für die erste Runde der Getränke. Mimi hatte sich einen alkoholischen Cocktail gewünscht, der mit einer Ananasscheibe verziert wurde.

Kurz nachdem Taichi ihr das Getränk gereicht hatte, zog sie auch schon ungeduldig am Strohhalm.

„Gott, dass schmeckt ja lecker“, schwärmte Mimi träumerisch, während sich der Geschmack von fruchtigen Erdbeeren und saurer Limette auf ihrer Zunge verbreitete.

„Wir sollten anstoßen“, schlug Sora vor und hob ihr Glas an. „Auf eine schöne Zeit.“

Auch der Rest erhob die Gläser, bis auf Yamato eher widerwillig dem Gruppenzwang folgte.

„Das wir auch immer anstoßen müssen, wenn wir sechs zusammen sind“, murrte er angesäuert, als Sora ihm einen bösen Blick zuwarf, der sich jedoch nicht lange auf ihrem Gesicht hielt.

Sie wandte sich wieder der kleinen Runde zu und lächelte breit, so als hätte sie Yamatos Worte nicht wahrgenommen, was Mimi skeptisch werden ließ.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass sich Yamatos Gesichtsausdruck seit dem abendlichen Grillen verändert hatte. Ein leerer Blick zierte sein Gesicht und ließ es wie eine ausdrucksschwache Hülle seiner selbst wirken.

Hatten sich die beiden etwa gestritten? Aber worüber?

Mimi konnte nicht länger darüber nachdenken, da die Gläser geräuschvoll gegeneinanderstießen und den gemeinsamen Abend einläuteten.
 

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Das kalte Wasser traf ihre Handgelenke und die duftende Seife schäumte in ihren Handflächen auf, während lautstark die Klospülung ertönte.

Mimi fuhr sich sorgsam zwischen ihre Finger und verteilte die Seife in sämtlichen Zwischenräumen bis sie sie mit klarem Wasser abspülte und zu den rauen Papiertüchern griff, um sich ihre Hände zu trocknen.

Erst danach trat Sora aus der Kabine und schritt zum Waschbecken, um sich ebenfalls die Hände zu waschen.

Unauffällig beobachtete Mimi ihre Freundin und sah wie ihre müden Augen auf ihr eigenes Spiegelbild gerichtet waren.

„Zum Glück gibt es Concealer. Meine Augenringe sehen furchtbar aus“, seufzte sie und trockene sich die Hände ebenfalls ab.

Mimi warf das zerknüllte Papiertaschentuch in den nächstbesten Mülleimer und fuhr sich mit ihren Fingern durch ihre langen braunen Haare, während Soras Blick immer noch an ihrem gespiegelten Selbst haftete.

„Alles in Ordnung? Du siehst so traurig aus“, stellte Mimi sorgenvoll fest.

„Was heißt schon in Ordnung? Mit Kind wird das Leben eben stressiger“, versuchte sie sich rauszureden und entsorgte ebenfalls das Papiertuch, das von ihren Händen völlig durchnässt war.

„Sicher, dass es sich um Haruko dreht? Yamato scheint auch nicht sonderlich gut gelaunt zu sein.“

Sora seufzte nur und drehte sich Mimi zu, indem sie sich mit den Händen am Waschbecken abstützte.

„Er ist sauer auf mich. Und das eigentlich schon den ganzen Tag, aber während dem Grillen konnte er sich noch gut beherrschen, aber nachdem wir Haruko zu meiner Mutter gebracht haben, haben wir uns erneut in die Haare bekommen.“

Überrascht hob Mimi ihre Augenbrauen an.

„Warum das denn? Was hat ihn denn verärgert?“

„Die Band wurde nochmal für einen Gig angefragt für nächstes Wochenende und Yamato war mega euphorisch ein letztes Mal mit seinen Bandkollegen zu spielen, dass er vollkommen vergessen hatte, dass mein Vater uns zu seinem Geburtstag eingeladen hatte. Er meinte, dass der Auftritt doch erst abends wäre, aber die Probenabende und die Tatsache, dass die anderen von ihrem Glück noch gar nichts gewusst haben, schob er einfach beiseite. Und jetzt bin ich der Buhmann, weil ich ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht habe. Ich meinte, er hat jetzt einen festen Job und vor allem eine Familie!“, regte Sora sich überschwänglich auf.

Mimi schenkte ihr einen mitleidigen Blick. Auch hier fiel es ihr unsagbar schwer Partei für jemanden zu ergreifen, da sie beide Seiten verstehen konnte.

Sie hatten sich eben für das gemeinsame Kind entschieden und natürlich bedeutete dies auch zurückzustecken und Gegebenheiten akzeptieren zu lernen.

Allerdings hatte Yamato auch seinen Traum aufgegeben. Einem Traum, an dem er lange festgehalten hatte. Ein Gig wäre daher sicher kein Weltuntergang.

Doch das sollte sie Sora lieber nicht sagen.

„Tut mir leid, ich wollte die Stimmung nicht verderben. Bestimmt haben wir uns morgen wieder vertragen“, erwiderte Sora auf einmal. „Wollen wir uns vielleicht die Wunschbäumchen angucken gehen?“

Nickend stimmte Mimi zu und folgte Sora schweigend auf den großen Platz zurück.

Nachdenklich lief sie hinter ihrer Freundin her und überlegte, ob sie nicht doch etwas sagen sollte.

Vielleicht sollte sie Sora einfach vor Augen führen, dass es für Matt einfach ein längerer Prozess war und man sich nicht von heute auf morgen von seiner Leidenschaft verabschieden konnte.

Das hatte sie bei Kaori bemerkt, die regelrecht aufblühte, wenn sie die Geige in Händen hielt. Auch ihr hatte Band gutgetan und plötzliche Verlust darüber war Kaori ebenfalls anzumerken. Es fehlte einfach etwas und Mimi war sich sicher, dass Yamato genauso fühlte.

Dennoch traute sich kein einziges Wort über ihre Lippen.

Schweigsam wanderte sie hinter Sora her und ließ sich von den Wünschen der Menschen berieseln.
 


 

Ich wünsche mir, den Mann meiner Träume zu finden.
 


 

Mimi schmunzelte bei diesem Wunsch, weil es so viele Menschen auf dieser Welt gab, die immer noch auf der Suche waren und noch nicht das Glück hatten, einen geeigneten Partner an ihrer Seite wissen zu dürfen. Manche brauchten einfach ein bisschen länger als andere.

Das Problem war einfach, dass es viele Menschen gab, die gut zusammenpassen könnten, aber nur wenige sich auch tatsächlich fanden. Manchmal mal es eine einfache Schicksalsbegegnung.
 


 

Ich wünsche mir, meine Träume eines Tages ausleben zu dürfen.
 


 

Auch dieser Wunsch stimmte Mimi sehr nachdenklich. Wenn sie ehrlich war, war sie immer jemand, der seinen Träumen nachjagte, egal ob sie in Erfüllung gingen oder nicht. Wichtig hierbei war allein der Versuch des Möglichen. Eines Tages mit dem „Was wäre, wenn“ zu leben, konnte sich Mimi einfach nicht vorstellen. Dennoch gab es Menschen, die ihre Wünsche und Träume unter der Hoffnungslosigkeit vergruben und den grauen Alltag in ihrem Herzen einzogen ließen.
 


 

Ich wünsche mir, dass ich eines Tages meine eigene Familie haben werde.
 

Ein schöner Wunsch, dachte Mimi sofort. Eine einige Familie. Auch sie hegte diesen Traum, den sie sich in einigen Jahren einmal erfüllen wollte. Am liebsten mit ihm. Auch wenn es völlig bescheuert klang, aber mit Taichi konnte sie sich tatsächlich alles vorstellen. Okay, vielleicht erst in ein paar Jahren aber dennoch hatte sie eine klare Zukunftsaussieht, die sie nur mit einem Mann an ihrer Seite realisieren wollte.
 


 

Ich wünsche mir, dass ich ein Studium beginnen und erfolgreich abschließen kann.
 


 

Mimi blieb augenblicklich vor diesem Zettel stehen, der einerseits etwas für sie völlig Selbstverständliches darstellte, aber für manche überhaupt nicht selbstverständlich war. Nein, es ging nicht darum, ein Studium erfolgreich abzuschließen, denn sowas lag meist in der eigenen Hand. Aber die Tatsache ein Studium beginnen zu dürfen, war für Mimi nichts besonders. Schließlich hatten ihre Eltern die finanziellen Mittel dazu, sie zu unterstützen.

Doch…

Auf einmal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Eigentlich hätte sie seine Handschrift doch sofort erkennen müssen. Allerdings will man manchmal die Dinge, die am Offensichtlichsten sind, gar nicht erkennen. Man verdrängt die Tatsachen, weil man sich mit dem Schmerz, der andere beschäftigt, nicht belasten will.

Schuldbewusst blieb Mimi vor dem Zettel stehen, dessen Wunsch für viele so bedeutungslos und einfach klang, dass man ihn schmunzeln hinnahm und sich noch nicht mal darüber Gedanken machte, welche traurige Geschichte sich wohl dahinter verbergen mochte.

Doch Mimi kannte sie. Sie kannte sie gut genug und dennoch hatte sie die Augen vor der Wahrheit verschlossen.

Erst als sie Taichis Wunsch vor Augen hatte, konnte sie erkennen, wie wichtig es für ihn tatsächlich war. Wie sehr er sich diesen Studienplatz wünschte.

Allerdings war das Leben kein Wunschkonzert. Man konnte sich nicht aussuchen, wohin die Wege einen führten. Sei es nach Nagoya oder Kanagawa.

Mimi wurde bewusst, dass weder sie noch Taichi darauf Einfluss hatten.

Manchmal durfte man wählen, aber in vielen Fällen wurde für einen gewählt. Das Leben war chaotisch und hinter jedem Horizont wartete der nächste große Schritt, den man jedoch erst wagen musste.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo es geht wieder weiter ;)
Vielen Dank für das 200. Kommentar bei dieser Geschichte!
Es folgen jetzt noch 8 Kapitel!
Ich hoffe ihr hattet viel Spaß beim Lesen :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hallostern2014
2022-09-01T20:11:01+00:00 01.09.2022 22:11
Huhu meine Liebe ❤

Ich fange erstmal von ganz von vorne an. Ich mag Emi einfach nicht. Alleine schon weil sie mit Tai geschlafen hat. Aber auch weil sie Mimi einfach immer und immer wieder damit weh tun muss. Mimi und Tai haben zwar darüber geredet dennoch tut sowas weh. Vor allem wenn es so rüber kommt das Emi eifersüchtig auf Mimi ist weil sie ebend mit Tai zusammen ist und nicht sie.

Kaori kann ich verstehen das sie ihren Bruder kennenlernen will. Vielleicht liegt es daran weil ebend ihre Familie Kaputt ist, evtl hat sie ka die Hoffnung so etwas neues zu bekommen. Aber ich kann auch die anderen beiden verstehen. Sie wollen ihren gemeinsamen Bruder wenn er von der Adoption nicht weiß überraschen uns seine Familie damit kaputt machen...

Ich hoffe auch das Mimi bald mit ihrer Mutter über das redet was ihre Oma ihr erzählt hat. Vielleicht schaft sie es so das Mutter und Oma wieder zu einander finden.

🤣🤣🤣🤣 Joe als Babysitter 🤣🤣🤣. Ich kann es mir komischerweise auch gut vorstellen. Und warum haben Männer immer Angst wenn sie ein Baby halten das sie es fallen lassen könnten ?

Ich finde Mimi sollte Sora klar machen das man seinen Traum nicht von jetzt auf gleich aufgeben kann..das es Zeit braucht. Ich finde es blöd wie Sora sich gegen über Matt Verhalten hat..Und ich finde man hätte da eine Lösung finden können. Solange Matt sich um seine Tochter und Arbeit kümmert sollte sie doch zufrieden sein. Ich glaube ihr müsste jemand einen Spiegel vor dem Gesicht halten. Dann kann wird sie verstehen wie schwer sowas ist. Hoffentlich vertragen sich die beide wieder.

Tai hat also nicht mit Mimi über den Studiumplatz geredet. Naja da wo er hin gehen könnte ist 9 Std Entfernt. Wenn Mimi schon bei 4 Std so reagiert wie ist es den da ? Ich bin gespannt wie sie reagieren tut. Vielleicht gibt es ja die Letzte Hoffnung noch. Es scheint mir aber egal was kommt, dass Mimi Tai unterschützen wird. Egal was kommen wird. Denn durch seinen Wunsch wird ihr klar wie wichtig Tai das alles ist.

Noch 8 Kapitel 😭. Ich bin so gespannt was noch kommt. Ich bin zwar traurig das es bald zu Ende geht. Dennoch neugierig wie es zu Ende geht..

Ich freue mich aufjedenfall aufs neue Kapitel 😍
Und danke für dieses schöne Kapitel ❤

Glg 😘


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